Zivilschutz- Forschung - Schutzkommission
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<strong>Zivilschutz</strong>-<br />
<strong>Forschung</strong><br />
Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />
Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />
Neue Folge Band 55<br />
51. und 52. Jahrestagung<br />
der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
– Vorträge –<br />
Trier 09.–10. Mai 2002<br />
Wiesbaden 29.–30. Mai 2003<br />
ISSN 0343-5164
ZIVILSCHUTZFORSCHUNG<br />
Neue Folge Band 55
<strong>Zivilschutz</strong>-<br />
<strong>Forschung</strong><br />
Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />
Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />
Neue Folge Band 55<br />
51. und 52. Jahrestagung<br />
der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
– Vorträge –<br />
Trier 09.–10. Mai 2002<br />
Wiesbaden 29.–30. Mai 2003<br />
ISSN 0343-5164
Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
Deutschherrenstr. 93–95, 53177 Bonn<br />
Telefon: (0 18 88) 358-0<br />
Telefax: (0 18 88) 358-58 03<br />
Internet: www.bbk.bund.de<br />
Die Arbeit gibt die Meinung der Autoren wieder. Sie stellt keine Äußerung des<br />
Herausgebers dar und ist auch nicht als solche auszulegen.<br />
© 2005 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – Bonn<br />
Gesamtherstellung: media consult bonn<br />
4
Inhaltsverzeichnis Seite<br />
Vorträge 2002<br />
Eröffnung der 51. Jahrestagung<br />
Arthur Scharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Grußwort des Abteilungsleiters O im<br />
Bundesministerium des Innern<br />
Klaus-Henning Rosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Zum Gedenken an Roderich Rüfer<br />
Gerhard Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen zum<br />
Katastrophenschutz-Konzept Hessen<br />
Michael Popović . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Untersuchung zur Einbindung des öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung der Bundesrepublik Deutschland<br />
Ernst Pfenninger, Silke König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Erfahrungen im Umgang mit Milzbrandvorfällen<br />
Jürgen Knobloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
Pharmakarückstände in Kläranlagen, Oberflächengewässern,<br />
Grundwasser und Trinkwasser<br />
Rolf-Dieter Wilken, Thomas Ternes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“<br />
– Erfahrungen aus nationaler und internationaler Sicht<br />
Horst Miska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
Bereitstellung von Informationen in einem Ereignisfall<br />
Erich Wirth, Wolfgang Weiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />
5
Vorträge 2003<br />
Eröffnung der 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in Wiesbaden<br />
Arthur Scharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
Grußwort des Bundesministers Otto Schily<br />
Joachim Steig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
Nachruf auf Dr. Albert Sittkus<br />
Heinz Reichenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
Das Gemeinschaftsverfahren zur Verbesserung der<br />
Zusammenarbeit im <strong>Zivilschutz</strong> und das Melde- und<br />
Informationszentrum der Europäischen Kommission<br />
Horst Miska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
Perspektiven zur Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland<br />
Ernst Pfenninger, Sabine Himmelseher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
Bedrohung durch biologische und chemische Substanzen<br />
Dietrich Henschler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />
Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft<br />
des Katastrophenschutzes<br />
Peer Reichenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />
6
– Vorträge 2002 –
Eröffnung der 51. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
in Trier 10. Mai 2002<br />
Arthur Scharmann<br />
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Mitglieder der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Ich begrüße Sie ganz herzlich zur 51. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in Trier.<br />
Mein besonderer Gruß gilt dem heute hier anwesenden neuen Mitglied, Herrn Professor<br />
Knobloch aus Tübingen, und von der gleichen Universität dem vorgeschlagenen<br />
aber noch nicht ernannten neuen Mitglied, Herrn Professor Domres. Begrüßen<br />
darf ich außerdem unser neues Mitglied, Professor ter Haseborg, Hamburg.<br />
Die neuen Mitglieder, Professor Bauer, Altötting, und Professor Mutschler, München,<br />
sind leider verhindert. Zum Kreis der möglichen zukünftigen Mitglieder und<br />
Gäste zählen die Herren Professor Wilkens aus Wiesbaden und Dr. Popovic aus<br />
Frankfurt, die sich heute mit Beiträgen vorstellen werden. Herzlich willkommen<br />
bei der <strong>Schutzkommission</strong>!<br />
Die <strong>Schutzkommission</strong> tagt nach 20 Jahren erneut in Trier. Ich konnte mich vor<br />
einigen Wochen zusammen mit Professor Weiss und Frau Seifert davon überzeugen,<br />
dass wir hier nicht nur gut versorgt, sondern auch gern gesehen sind. Herrn<br />
Dr. Michels möchte ich als dem örtlichen Organisator der Jahrestagung ganz herzlich<br />
für die Sorgfalt und Mühe danken, die er bei der Vorbereitung der Tagung aufgewendet<br />
hat.<br />
Unter unseren Gästen begrüße ich den Vertreter des Bundesinnenministeriums,<br />
Herrn Ministerialdirektor Klaus-Henning Rosen, der dankenswerterweise die<br />
Begrüßung des Bundesministers des Innern übernommen hat. Ich möchte hier ausdrücklich<br />
betonen, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Ministerium durch<br />
Ihren persönlichen Einsatz, lieber Herr Rosen, außerordentlich gut entwickelt hat.<br />
Ich bin sehr dankbar für diese Entwicklung. Mit Herrn Rosen begrüße ich auch<br />
gerne seine Mitarbeiter und die Mitarbeiter des Bundesverwaltungsamtes – Zentralstelle<br />
für <strong>Zivilschutz</strong> – (früher Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong>). Ich begrüße Herrn<br />
Ministerialdirigent Gudat als Vertreter des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz<br />
sowie die Vertreter des Innenministeriums Rheinland-Pfalz und Herrn Präsident<br />
Dr. Mertes (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier) sowie den Bürgermeister<br />
der Stadt Trier, Herrn Bernarding.<br />
Im Verlaufe der langen Existenz der <strong>Schutzkommission</strong> hat sich die Welt sowohl<br />
macht- und sicherheitspolitisch als auch gesellschaftlich einige Male völlig verändert.<br />
Ich habe diese Entwicklung bis zum Mai 2001 in meiner Begrüßung anlässlich<br />
des 50. Bestehens der <strong>Schutzkommission</strong> im letzten Jahr kurz dargestellt.<br />
Eigentlich hätten wir alle erwartet, dass wir uns nach den im letzten Jahr weitgehend<br />
abgeschlossenen Maßnahmen der Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es der geord-<br />
9
neten Verfeinerung der getroffenen Maßnahmen würden zuwenden können. Es<br />
standen Fragen an wie die Fortschreibung des Gefahrenberichts, die Neuauflage<br />
des Leitfadens Katastrophenmedizin, die Verbesserung der psychosozialen Nachsorge<br />
bei belastenden Einsätzen und der Einsatz computergestützter Lern- und<br />
Lehrmethoden im Zivil- und Katastrophenschutz und vieles andere mehr. Dies<br />
alles hätte der <strong>Schutzkommission</strong> genügend Stoff für fachliche Beratung gegeben.<br />
Die Ereignisse vom 11. September 2001 haben aber innerhalb weniger Stunden<br />
die Welt so entscheidend und grundlegend verändert wie wenige Ereignisse zuvor.<br />
Ein Horrorszenarium, das bis zu diesem Zeitpunkt undenkbar gewesen war, wurde<br />
plötzlich Realität – es herrschte für kurze Zeit Sprach- und Ratlosigkeit. Die bange<br />
Frage ging und geht um: was ist nach diesem Tag denn noch alles denkbar; auf<br />
was müssen wir uns zukünftig einstellen? Die Erfahrung des 11. September hat<br />
erneut gezeigt: Wir müssen von der Verletzlichkeit („Vulnerabilität“) unserer<br />
Gesellschaft ausgehen und von der Unvermeidlichkeit, dass Schwerstes („Katastrophen“)<br />
in der Tat eintritt. Nach dem 11. September wurden Stimmen laut, die<br />
fragten, ob die gerade beschlossenen Maßnahmen zur Reduktion der Vorhaltungen<br />
und Planungen im Zivil- und Katastrophenschutz vielleicht doch zu drastisch<br />
ausgefallen waren.<br />
Als Reaktion auf die Erfahrungen des 11. September haben wir große Hektik, die<br />
sich z.T. bis zum Aktionismus steigerte, erlebt, aber auch schnelles Handeln der<br />
Politik mit einem 2 Milliarden Sofortprogramm, um die wichtigsten Maßnahmen<br />
kurzfristig realisieren und finanzieren zu können. So konnte die seit einigen Jahren<br />
in der <strong>Schutzkommission</strong> diskutierte Vernetzung der Lagezentren des Bundes<br />
und der Länder quasi „über Nacht“ Realität werden. Es wurden insbesondere Planstellen<br />
geschaffen, die die in den letzten Jahren durch Einsparungen erzwungenen<br />
personellen Engpässe und Lücken im Zivil- und Katastrophenschutz wieder bis zu<br />
einem gewissen Grad schließen werden.<br />
Es freut mich besonders, dass das Bundesinnenministerium gezielt und substanziell<br />
in die Ausbildung durch die Akademie für Notfallvorsorge und Zivile Verteidigung<br />
in Ahrweiler durch Schaffung neuer Stellen für Dozenten investiert hat. Der<br />
Ausbildung kommt – wie die <strong>Schutzkommission</strong> wiederholt festgestellt hat – ein<br />
außerordentlich hoher Stellenwert für die Zukunftsfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
in Deutschland zu. Dass in einer sich wandelbaren Gesellschaft<br />
hierbei auch neue Wege gegangen werden müssen, ist unstrittig; die Frage von<br />
anderen Aus- und Fortbildungsarten wie z.B. der von Fernstudien, stellt sich<br />
zunehmend auch in diesem Bereich. Eine wichtige Voraussetzung für ein in weiten<br />
Bereichen auf freiwilligem Engagement aufbauendem System des Zivil- und<br />
Katastrophenschutzes ist, dass engagierte und kompetente Fachleute sich dazu<br />
bereit erklären, die Einsatzkräfte fort- und weiterzubilden. Hier ist die Akademie<br />
in Ahrweiler auf einem guten Wege. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat im vergangenen<br />
Jahr gemeinsam mit der Akademie zu einigen Konsensgesprächen eingeladen, um<br />
gemeinsam interessierende Fragen zu klären. Sie wird den gemeinsam begonnenen<br />
Weg auch weiterhin verfolgen.<br />
10
Die Ereignisse vom 11. September haben dazu beigetragen, dass sowohl der 2.<br />
Gefahrenbericht als auch der zeitnah veröffentlichte Leitfaden für Katastrophenmedizin<br />
im öffentlichen und politischen Bereich wesentlich stärker wahrgenommen<br />
wurde als dies mit dem ersten Gefahrenbericht der Fall war. Ich hatte die<br />
Möglichkeit, den 2. Gefahrenbericht am 09.11.2001 gemeinsam mit Herrn<br />
Bundesminister Schily im Rahmen der Bundespressekonferenz vorzustellen. Der<br />
Bericht erfreute sich einer großen Zahl von Anfragen; die Empfehlungen sind in<br />
unterschiedlicher Form in die unmittelbar nach dem 11. September aufgegriffenen<br />
Überlegungen unterschiedlicher Stellen zur Fortschreibung der Schutzkonzepte<br />
eingeflossen. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, im Januar diesen Jahres die<br />
Schwerpunkte des Berichts in einem persönlichen Gespräch mit Herrn Minister<br />
Schily zu besprechen und konnte dabei ein hohes Maß an Übereinstimmung in den<br />
Grundpositionen feststellen.<br />
Ich freue mich besonders, dass der in der <strong>Schutzkommission</strong> seit einiger Zeit<br />
diskutierte Wunsch nach Einrichtung eines „Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums“<br />
der Bundesregierung vom BMI und den Ländern aufgegriffen wurde und<br />
jetzt realisiert werden wird. Ich danke Herrn Dr. Miska, der hierbei die wesentlichen<br />
Impulse gegeben und sich bei der Konkretisierung der Vorschläge sehr stark<br />
engagiert hat.<br />
Die <strong>Schutzkommission</strong> begrüßt die gemeinsamen Bemühungen des Bundesministeriums<br />
des Innern und des Arbeitskreises V der IMK zur Schaffung einer gemeinsamen<br />
Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung des <strong>Zivilschutz</strong>es. Der Entwurf<br />
eines Grundsatzpapiers war Gegenstand der Beratungen im Inneren Ausschuss am<br />
gestrigen Tag. In diesem Grundsatzpapier werden Grundeinschätzungen aufgegriffen,<br />
die in der <strong>Schutzkommission</strong> immer wieder vertreten wurden, wie z.B. der<br />
Gedanke, modular aufeinander abgestimmte Hilfeleistungskonzepte zu entwickeln<br />
für die Bevölkerung Deutschlands und in Europa, vom Ersthelfer bis zur „Task<br />
Force“. Allerdings bedürfen die gemachten Feststellungen insbesondere zur medizinischen<br />
Versorgung einer stärkeren Betonung, da durch die Form der künftigen<br />
Krankenhaus-Finanzierung nachhaltige Einbußen für die notfallmedizinische Versorgung<br />
der Bevölkerung bei Großschadensereignissen, Katastrophen sowie im<br />
Verteidigungsfall zu erwarten sind. Wir werden die Diskussion zur Frage der medizinischen<br />
Versorgung bezüglich der Organisation als auch die unterschiedlichen<br />
inhaltlichen Aspekte auch auf dieser Tagung mit einer Reihe von Vorträgen fortsetzen.<br />
Ich danke allen Vortragenden, die hierzu einen Beitrag leisten werden.<br />
„Schutz geht vor Rettung“ war über viele Jahre hinweg ein geflügeltes Wort eines<br />
meiner Vorgänger, Heinz Reichenbach. Es gilt auch und in besonderem Maße nach<br />
den Ereignissen vom 11. September, allerdings mit anderen Schwerpunkten. Die<br />
<strong>Schutzkommission</strong> hat vor kurzem auf Wunsch des Bundesinnenministeriums zur<br />
Fortentwicklung des baulichen Bevölkerungsschutzes Stellung genommen. Die<br />
Stellungnahme wurde federführend von Professor Thoma aus Freiburg erarbeitet,<br />
dem ich hierfür herzlich danken möchte. Zusammenfassend kann ich feststellen,<br />
dass auch auf diesem Gebiet wesentliche Veränderungen der bisherigen Schutzkonzepte<br />
erforderlich sind, um den neuen Bedrohungen gerecht zu werden.<br />
11
Unser Blick ist nach vorne gerichtet im Bestreben, die staatlichen und persönlichen<br />
Vorsorgemaßnahmen zum Schutze der Bevölkerung und zur Gefahrenabwehr in<br />
Ausnahmesituationen auf fachlich fundierter Grundlage zu konzipieren und zu<br />
organisieren. Die <strong>Schutzkommission</strong> wird auch in Zukunft hierzu ihren Beitrag<br />
leisten. Damit sie diesem Anspruch gerecht werden kann, muss sie sich weiter verjüngen.<br />
Wir haben im letzten Jahr einen guten Schritt in diese Richtung getan, dürfen<br />
aber nicht stehen bleiben sondern müssen den eingeschlagenen Weg konsequent<br />
weiter gehen. Ich bitte Sie alle auch weiterhin dabei um Ihre Unterstützung.<br />
12
Grußwort des Abteilungsleiters O<br />
im Bundesministerium des Innern<br />
Reform im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
Klaus-Henning Rosen<br />
Wenn wir uns in diesen Monaten mit Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es und des Katastrophenschutzes<br />
befassen, wird unausweichlich die Veränderung in der Folge des 11.<br />
September 2001 beschworen. Lassen Sie mich dazu feststellen: Im Verhältnis des<br />
Bundesinnenministeriums zur <strong>Schutzkommission</strong> hat sich nichts verändert. Die<br />
<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern ist der verlässliche Partner,<br />
der sie bereits vor dem schicksalhaften Datum gewesen ist. Sie ist Garant für eine<br />
hohe Qualität der <strong>Zivilschutz</strong>forschung in unserem Land und damit für die Chance,<br />
den Zivil- (und den Katastrophen-)schutz fortzuentwickeln. Das wurde auf der<br />
50. Jahrestagung im vergangenen Mai in Freiburg ausgiebig gewürdigt, nichts<br />
davon ist wegzunehmen.<br />
Was sich nach dem 11. September verändert hat, ist die Wahrnehmung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
durch die Medien. Das wurde bei der Vorstellung des 2. Gefahrenberichts<br />
durch Bundesminister Otto Schily und den Vorsitzenden sowie Prof. Clausen<br />
am 9. November 2001 in Berlin deutlich; dieser zweite Bericht wurde ganz<br />
anders wahrgenommen als der Vorgängerbericht des Jahres 1996. Freilich hatte der<br />
Bericht damals auch nicht die Aufmerksamkeit der Leitung im selben Maße wie<br />
sein Nachfolger gefunden und bei der Vorlage des zweiten Berichts war die Welt<br />
eine andere. Mit der Aktualisierung dieser 1996 erstmalig für die Bundesrepublik<br />
Deutschland vorgelegten Risikoanalyse hatte die <strong>Schutzkommission</strong> auf meine<br />
Anregung längst vor dem 11. September 2001 begonnen und diese fertiggestellt;<br />
Bundesinnenminister Schily hatte Ihnen im Übrigen zugesagt, den neuen Bericht<br />
der Öffentlichkeit vorzustellen.<br />
Im Zuge der Überarbeitung, das ist hervorzuheben, hatte die <strong>Schutzkommission</strong><br />
erstmals auch die Informationssicherheit in den Blick genommen. Besonderer<br />
Dank gilt Ihnen, Herr Vorsitzender, und der <strong>Schutzkommission</strong>, dass Sie auf die<br />
Ereignisse am 11. September 2001 und die sich in der nachfolgenden Diskussion<br />
abzeichnenden neuen Gefahren sehr kurzfristig mit einer aktuellen Ergänzung des<br />
Entwurfs reagiert haben. Ausfluss der neuen politischen Wertigkeit der <strong>Schutzkommission</strong><br />
und ihrer Arbeit ist auch die deutliche Aufstockung der finanziellen<br />
Mittel für die Zivil- und Katastrophenschutzforschung, vor allem im B- und C-<br />
Bereich, durch Mittel aus dem Antiterrorismusprogramm (ATP) der Bundesregierung.<br />
13
Der 11. September 2001 hat, wer wollte das bestreiten, eine Schlüsselfunktion für<br />
uns alle. Das Datum hat eine neuartige, globale Bedrohung sichtbar werden lassen,<br />
die nicht von einem Staat sondern von einer terroristischen Gruppe ausgeht.<br />
Dies hat die Völker in der Entschlossenheit zusammengeführt, gemeinsam gegen<br />
den aus dem Dunklen agierenden Feind vorzugehen. Selbst wenn die Sicherheitsbehörden<br />
keine aktuellen Angriffe auf das Gebiet Deutschland besorgen: spätestens<br />
seit dem Anschlag in Djerba, dessen Opfer Deutsche waren, ist jedem klar<br />
geworden: die neuartige Bedrohung richtet sich beileibe nicht allein gegen die Vereinig-ten<br />
Staaten und deren Politik, Ziel sind wir alle.<br />
Was sich durch den 11. September gleichwohl geändert hat:<br />
– es kann offen über die Defizite geredet werden, die dem deutschen Hilfeleistungssystem<br />
im Gefolge der Rückführung des <strong>Zivilschutz</strong>es zu Beginn der 90er<br />
Jahre entstanden sind;<br />
– es können auch die strukturellen Mängel unseres föderal ausdifferenzierten<br />
Systems der Kritik unterzogen werden, ohne dass der Bund dem Verdacht ausgesetzt<br />
wird, er wolle Zuständigkeiten verändern und an sich ziehen.<br />
– Deshalb, so glaube ich zuversichtlich, haben wir jetzt die Chance, die neue<br />
Strategie durchzusetzen, die die Länder mit dem Bund in der Beschlussvorlage<br />
des Arbeitskreises V für die Konferenz der Innenminister formuliert haben.<br />
Bei deren Umsetzung sind Bund und Länder ganz wesentlich auf den Rat und<br />
die Zuarbeit der <strong>Schutzkommission</strong> angewiesen, die <strong>Schutzkommission</strong> ist<br />
damit für das Bundesinnenministerium noch wichtiger geworden, als sie es bisher<br />
schon war. Ich begrüße es deshalb, dass Sie über diese grundsätzlichen<br />
Überlegungen im Folgenden beraten werden.<br />
Wenn wir über eine neue Strategie reden, dann ist mir wichtig, zu Beginn allen<br />
Beteiligten zu versichern: Deutschland hat im Grundsatz ein taugliches System der<br />
Gefahrenabwehr. Mit über 27 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen<br />
Feuerwehrleuten, den 60 000 ehrenamtlichen Angehörigen der Bundesanstalt<br />
Technisches Hilfswerk und den mehr als 500 000 zumeist ehrenamtlich in den<br />
Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten arbeitenden Menschen haben wir eine<br />
Ausstattung, um die uns unsere Nachbarn beneiden. Allein die Zahl der hauptamtlichen<br />
Feuerwehrkräfte bei uns entspricht der in allen übrigen Mitgliedstaaten der<br />
Europäischen Union. Wer die Berichte über die Einsätze nach dem Angriff auf das<br />
World Trade Center verfolgt, dem werden sehr rasch die Vorzüge unseres Katastrophenschutzsystems<br />
deutlich. Deshalb reagiere ich eher behutsam, wenn man uns<br />
vorschnell die Übernahme der Systeme anderer Ländern empfiehlt. Ungeachtet<br />
dessen finde ich es aber gut, wenn man jetzt die Schutz- und Rettungssysteme auf<br />
den Prüfstand stellt, Vergleiche anstellt. Und ich habe überhaupt keine Probleme,<br />
die Übertragung dessen zu empfehlen, was wir bei Anderen als besser erkennen.<br />
14
Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden darstellen, was die Bundesregierung seit dem<br />
11. September unternommen hat, um sich auf die neue Bedrohungslage einzustellen.<br />
1. Finanzielle Maßnahmen aus dem ATP<br />
Aus den Sondermitteln für die Innere Sicherheit flossen dem <strong>Zivilschutz</strong> rd. 15,4<br />
Mill. Euro, der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk rd. 12,8 Mill. Euro an zusätzlichen<br />
Haushaltsgeldern zu.<br />
2. Schwerpunktmaßnahmen des Bundes<br />
Das Bundesministerium des Innern hat unmittelbar nach dem 11. September eine<br />
ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt oder geplant, um den <strong>Zivilschutz</strong> (wieder)<br />
zu stärken. Die zeitliche Abfolge lässt erkennen, sie wurden durchweg bereits<br />
vor diesem schicksalharten Datum eingeleitet, gegebenenfalls wurde ihre Fertigstellung<br />
beschleunigt; ich sage das, weil ungeachtet der personellen und finanziellen<br />
Einschränkungen – dies will ich deutlich machen – weder das Bundesministerium<br />
noch das ihm nachgeordnete Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong> bzw. seit Anfang<br />
2001 in seiner Fortführung die Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> beim Bundesverwaltungsamt<br />
in Lethargie oder Untätigkeit verfallen waren.<br />
Beispielhaft seien genannt:<br />
– der Aufbau der Informationszentrale für Krisenfälle mit dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssystem<br />
(deNIS); Kernaufgabe dieser Informationszentrale<br />
ist die übergreifende Verknüpfung, Aufbereitung und Bereitstellung<br />
von Informationen für das Management von Großkatastrophen, deNIS ist am<br />
15. Mai in seiner ersten, allgemein zugänglichen Stufe ans Netz gegangen; die<br />
zweite Stufe folgt im Herbst;<br />
– die Aktivierung der Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />
und deren Anpassung an die aktuellen Entwicklungen (jetzt noch zusätzlich<br />
ergänzt durch den Aufbau einer von Bund und Ländern gemeinsam getragenen<br />
Melde- und Alarmzentrale);<br />
– der Ausbau der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AkNZ) zu<br />
einem Kompetenzzentrum des Krisenmanagements von Bund, Ländern und<br />
Kommunen zu einem Forum für den wissenschaftlichen Austausch sowie zu<br />
einer Begegnungsstätte und Ideen-Börse für Experten aus dem In- und Ausland;<br />
– die Einführung eines neuen satellitengestützten Warnsystems, das am 15. Oktober<br />
2001 in Betrieb genommen wurde;<br />
– die Optimierung der Kooperation zwischen THW und Feuerwehren.<br />
Von den nach dem 11. September 2001 ergriffenen Sofortmaßnahmen seien etwa<br />
genannt:<br />
– die Aufhebung des Beschaffungsstopps für Fahrzeuge des ergänzenden Katastrophenschutzes;<br />
15
– die beschleunigte Auslieferung von modernen ABC-Erkundungsfahrzeugen<br />
durch den Bund;<br />
– die Wiederaufnahme des Förderprogramms für die Breitenausbildung der<br />
Bevölkerung in Erster Hilfe und sonstigen Selbstschutzmaßnahmen.<br />
3. Zusammenarbeit mit den Ländern<br />
Deutschland hat, wie oben gesagt, ein gegliedertes Hilfeleistungssystem, deshalb<br />
konnte (und wollte) der Bund beim Bemühen um die Neuordnung im Zivil- und<br />
Katastrophenschutz nicht einseitig dekretieren, vielmehr konnte (und kann) Neues<br />
nur in enger Abstimmung mit den Ländern und im Einvernehmen mit den Kommunen<br />
erreicht werden. Bereits am 24. September 2001 hatte der für den Katastrophenschutz<br />
zuständige Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz sich auf<br />
Vorschlag des Bundesministeriums des Innern in Bonn zu einer außerordentlichen<br />
Sitzung versammelt. Der zehn Punkte umfassende Beschluss gibt sehr präzise vor,<br />
wo Bund und Länder Handlungsbedarf sehen. Als Themen standen auf der Tagesordnung:<br />
– Objektschutz,<br />
– Gesundheitsschutz (Notfallrettung, Bevorratung, Krankenhauswesen, ABC/<br />
Seuchen),<br />
– Vorsorge- und Sicherstellungsregelungen,<br />
– Selbstschutz,<br />
– Warnung der Bevölkerung,<br />
– Aktualisierung des Fahrzeugkonzepts,<br />
– Verbleib des Bundes in der Luftrettung,<br />
– Überprüfung aller Alarm- und Einsatzpläne,<br />
– Bessere Koordinierung der Informationssysteme.<br />
Bereits vor dieser – ersten – Sondersitzung hatte ich den Deutschen Feuerwehrverband,<br />
den Deutschen Städtetag und die Hilfsorganisationen gebeten, dem BMI<br />
schnellstmöglich ihre Vorstellungen mitzuteilen, was in der neuen Situation zu tun<br />
sei; die Anregungen sind in die spätere Beschlussfassung des AK V eingeflossen<br />
bzw. werden bei der Umsetzung berücksichtigt.<br />
Auf der ordentlichen Sitzung des AK V, wenige Tage später in Rostock, wurden<br />
aus dem Aktionsprogramm vom 24. September 2001 bereits erste Konsequenzen<br />
gezogen:<br />
– Billigung neuer Richtlinien für den Selbstschutz der Bevölkerung, Betriebe<br />
und Behörden;<br />
– Bildung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Fahrzeugkonzepts;<br />
– Billigung einer überarbeiteten Richtlinie für die zivile Alarmplanung;<br />
16
– Einberufung eines Bund-Länder-Gesprächs über die konzeptionelle Entwicklung<br />
eines gemeinsamen Melde- und Lagezentrums für den Zivil- und Katastrophenschutz<br />
sowie den Schutz bei nuklearen Notfällen.<br />
In einer weiteren Sondersitzung am 13./14. Dezember 2001 in der AkNZ, an der<br />
sich alle Länder beteiligten, wurde dann ein sehr knapper Zeitplan verabredet, um,<br />
wie in Rostock beschlossen, das deutsche Hilfeleistungssystem grundlegend zu<br />
reformieren. Das Ergebnis, die Leitlinien für eine „Neue Strategie zum Schutz der<br />
Bevölkerung in Deutschland“, konnten Bund und Länder bereits am 25. März<br />
2001 in der – inzwischen dritten – Sondersitzung des AK V in Hannover auf den<br />
Weg bringen. Auf der ordentlichen Sitzung am 25./26. April 2001 in Wolfsburg<br />
beschloss der Arbeitskreis sodann, in die weiteren Beratungen die in der Zwischenzeit<br />
vom Deutschen Städtetag zusammen mit dem Deutschen Feuerwehrverband<br />
vorgelegten Überlegungen zur „Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der<br />
Bundesrepublik Deutschland“ sowie Vorstellungen einzelner Länder einzubeziehen.<br />
Nicht zu vergessen sind zahlreiche Empfehlungen aus dem wissenschaftlichen<br />
Bereich. Es gibt also, will ich damit deutlich machen, eine Fülle von Anregungen<br />
und Konzepten für die Reform des deutschen Hilfeleistungssystems.<br />
Die Leitlinien des AK V zur Reorganisation des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
liegen der nächsten Konferenz der Innenminister und -Senatoren am 5./6. Juni zur<br />
Billigung vor; dies wäre dann der förmliche Startschuss für die Umsetzung der<br />
neuen Rahmenkonzeption. Eine vom Land Niedersachsen geleitete Arbeitsgruppe<br />
entwickelt derzeit ein entsprechendes Programm. Ein wichtiger Punkt wird die<br />
Fortentwicklung des Fahrzeugkonzepts sein: weg vom Gieskannenprinzip, hin zu<br />
einer stärker bedarfsorientierten Ausstattung, vor allem im ABC-Bereich. Ich bin<br />
dankbar, dass bei den weiteren Arbeiten auch auf Vorschläge und Gutachten der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> und <strong>Forschung</strong>sergebnisse ihrer Mitglieder zurückgegriffen<br />
werden kann.<br />
Mit den Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Hilfsorganisationen<br />
sowie dem Deutschen Städtetag ist im April im Innenministerium über die<br />
Neukonzeption gesprochen worden. Für uns ist selbstverständlich, dass der Deutsche<br />
Feuerwehrverband, die Hilfsorganisationen und der Deutsche Städtetag in die<br />
Weiterentwicklung und vor allem auch in die Umsetzung der neuen Richtlinien<br />
maßgeblich eingebunden werden.<br />
4. Gesundheitswesen<br />
Nach den Einschätzungen der Sicherheitsbehörden ist nicht auszuschließen, dass<br />
die derzeit bekannten, international operierenden Terrorgruppen bereit und – möglicherweise<br />
mit Einschränkungen – auch in der Lage sind, biologische Agenzien<br />
und Chemikalien als Angriffswaffen einzusetzen. So wurden in Afghanistan Hinweise<br />
gefunden, aus denen sich auf das Laborieren mit diesen Stoffen schließen<br />
lässt. Im Übrigen ist bekannt, dass mehrere Staaten mit solchen Agenzien arbeiten,<br />
einige von ihnen haben nachweisbar Verbindung zu Terrorgruppen.<br />
17
Für die <strong>Schutzkommission</strong> ist diese Tatsache nicht neu; in meinem Beitrag zur 50.<br />
Sitzung hatte ich auf neue Gefahrenlagen wegen des drohenden Einsatzes von biologischen<br />
und chemischen Stoffen hingewiesen. Bei verschiedenen terroristischen<br />
Aktionen vor dem 11.September waren solche Agenzien eingesetzt worden; nach<br />
diesem Datum ist aber weltweit bewusst geworden, dass diese Gefährdung nicht<br />
lokal oder regional begrenzt ist.<br />
Auf diese Gefährdung muss sich der Katastrophenschutz ganz anders, als dies bisher<br />
der Fall war, vorbereiten. Zugegeben, mit der Beschaffung von Schutzeinrichtungen,<br />
Dekontaminations- und vor allem Erkundungsfahrzeugen war längst deutlich<br />
gemacht worden, dass diese Gefährdung durchaus gesehen wird. Angesichts<br />
der veränderten Wahrnehmung ist aber vor allem das Gesundheitswesen herausgefordert,<br />
über den Stand seiner Vorbereitung auf solche Gefahren nachzudenken.<br />
Hier ist, darüber besteht wohl Einvernehmen, mit der Rückführung des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
einiges verloren gegangen – ich nenne beispielhaft den Abbau der Hilfskrankenhäuser,<br />
die Auflösung der Sanitätsmittelvorräte, den Verlust von Führungsfähigkeit<br />
in den Rettungsdiensten. Die zahlreichen medizinischen Themen, die Sie<br />
heute und morgen auf Ihre Tagesordnung genommen haben, bestätigen diese Einschätzung.<br />
Was ist geschehen, um die aufgezeigten Defizite abzubauen ?<br />
In der Sondersitzung des Arbeitskreises V am 24. September 2001 hatte der<br />
Bundesminister des Innern angekündigt, „im Benehmen mit dem BMG, ggfs.<br />
BMVg, kurzfristig gemeinsam mit Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen<br />
Gespräche (zu) führen“, um den Handlungsbedarf im Gesundheitswesen zu ermitteln.<br />
Gemeinsam mit dem BMG ist daraufhin die Koordinierungsgruppe „Gesundheit“<br />
gebildet worden, die unter Beteiligung des Bundesministers der Verteidigung<br />
erstmals am 26. Oktober 2001 in Bonn getagt hat. Die Beratungen konzentrierten<br />
sich sehr rasch auf die Frage, ob Deutschland sich eine Reserve von Pockenimpfstoff<br />
zulegen sollte. Die Bedrohlichkeit eines Angriffs mit Pocken wurde im Rahmen<br />
eines Workshops am 12./13. Dezember 2001 an der AkNZ, bei dem bioterroristische<br />
Szenarien durchgespielt wurden, nachdrücklich unterstrichen. Deutschland<br />
ist nach Ansicht von Experten einem möglichen Terrorangriff mit Pocken<br />
schutzlos ausgeliefert. Bund und Länder sind sich deshalb über die Notwendigkeit<br />
einer angemessenen Impfstoffbevorratung einig, beraten derzeit aber noch über die<br />
Frage der Finanzierung. Die Ergebnisse des Workshops wurden inzwischen in<br />
Form von Handlungsempfehlungen zum Gesundheitsschutz bei bioterroristischen<br />
Gefahren den Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Darüber hinaus hat der BMI die Potenziale von Ländern und Bund im Gesundheitsschutz<br />
erhoben, wobei folgende Themenkomplexe bei den Ländern abgefragt<br />
wurden:<br />
– Abwehrfähigkeit bei ABC-Risiken,<br />
– Kapazität der stationären Versorgung, Umfang der Rettungs- und Sanitätsdienste,<br />
18
– Analyse- und Diagnostikkapazitäten,<br />
– Standorte der Leitstellen, Verfahren der Risikokommunikation,<br />
– Trinkwassersicherstellung.<br />
Das nicht unbedingt – was die Beteiligung ebenso angeht wie die Information über<br />
den Stand – ermutigende Ergebnis ist dem AK V in seiner Aprilsitzung vorgestellt<br />
worden.<br />
Insgesamt kann festgehalten werden, dass Bund und Länder über ein umfangreiches<br />
Repertoire an Schutz- und Vorsorgemaßnahmen verfügen. Der Bürger ist also<br />
keineswegs schutzlos gestellt. Dennoch ist auch deutlich geworden, dass bundesweit<br />
keine einheitlichen Vorsorgekonzepte, keine identische Schutzdichte sowie<br />
tendenziell Defizite bei Vorsorgemaßnahmen gegenüber Biogefahren bestehen.<br />
Über viele Wochen war eines der beherrschenden Themen die Anthraxproblematik.<br />
6000 mal hatten Trittbrettfahrer sich die in den USA versandten Briefe zum<br />
Vorbild für eigene Drohaktionen genommen. Im Ergebnis hatte zwar keine der<br />
Sendungen einen gefährlichen Inhalt – über Wochen aber waren die Labore an<br />
ihrer Kapazitätsgrenze. Diese Aktionen haben uns trotzdem Hinweise auf Defizite,<br />
in Sonderheit bei den Meldewegen, aufgezeigt, die mit den Ländern erörtert und<br />
inzwischen weitgehend behoben worden sind. Dies ist ein Element, wie wir uns<br />
auf mögliche künftige Vorfälle besser eingestellt haben. Vor allem hat das Robert-<br />
Koch-Institut (RKI) als zentrale Informationsstelle des Bundes zur Seuchenabwehr<br />
seine Zusammenarbeit mit den örtlichen Gesundheitsämtern deutlich intensiviert.<br />
Schließlich hat der Bund auch bei der Beseitigung von Informationsdefiziten bei<br />
B-/C-Gefahren rasch reagiert und bietet seit dem 15. Januar 2002 eine Seminarreihe<br />
„Gefährdung durch B- und C-Terrorismus“ an der AkNZ zu den Themen<br />
– Gefahren durch B-/C-Kampfstoffe,<br />
– Rechtliche Vorschriften<br />
– Schutzmaßnahmen<br />
– Planung und Zusammenarbeit auf kommunaler/regionaler Ebene<br />
an. Insgesamt etwa 1700 Teilnehmer aus mit der Abwehr von ABC-Gefahren<br />
befassten Bereichen der Polizei, des Katastrophenschutzes, der Gesundheitsverwaltung<br />
und der Hilfsorganisationen sollen dort bis Jahresende 2002 geschult werden.<br />
Damit wird u.a. einmal mehr ein Beitrag zur Integration der Gefahrenabwehrpotenziale<br />
seitens des Bundes geleistet.<br />
5. Supranationale Zusammenarbeit<br />
5.1 NATO – Zivilmilitärische Zusammenarbeit<br />
Die NATO hat die Ereignisse des 11. September zum Anlass für umfangreiche<br />
Aktivitäten in den Bereichen Terrorismusbekämpfung und Schutz der Zivilbevöl-<br />
19
kerung gegen die Gefahren eines Einsatzes mit Massenvernichtungswaffen<br />
genommen bzw. für die Fortsetzung bereits vor dem Zeitpunkt begonnene Maßnahmen<br />
intensiviert.<br />
So wurde u.a. ein Aktionsplan mit über 50 Einzelmaßnahmen beschlossen, eine<br />
Zusammenstellung nationaler Kapazitäten zur gegenseitigen Unterstützung im<br />
Falle eines Einsatzes mit Massenvernichtungswaffen veranlasst und die Arbeitsanweisung<br />
des NATO-Ausschusses „Detection and Warning“ überarbeitet. Darüber<br />
hinaus fanden zwei hochrangig besetzte NATO-Expertensitzungen u.a. zum<br />
Thema „Anthrax“ an der AkNZ statt; zwei Arbeitsgemeinschaften zum Schutz kritischer<br />
Infrastrukturen sowie zum Problem unkontrollierter Bevölkerungsbewegungen<br />
wurden gegründet, in denen Deutschland aktiv mitarbeitet.<br />
Die Überarbeitung der Instrumentarien der NATO zum Krisenmanagement wird<br />
– unter besonderer Berücksichtigung terroristischer Angriffe – verstärkt fortgesetzt,<br />
das Projekt zur Vernetzung nationaler Datenbanken mit der Datenbank der<br />
NATO wird beschleunigt.<br />
5.2 Aktivitäten der EU<br />
Die EU hat in den Gipfelbeschlüssen von Gent und Laeken Rat und Kommission<br />
aufgefordert, mit den Mitgliedstaaten ein Programm als Reaktion auf die terroristische<br />
Bedrohung zu erarbeiten. Auf der Basis bereits getroffener Maßnahmen soll<br />
eine Verbesserung der Zusammenarbeit in allen für die Prävention und Reaktion<br />
relevanten Feldern – dies umfasst u.a. auch Geheimdienste und Polizei – erzielt<br />
werden. Dass hierfür zunächst ein Katastrophenschutzkoordinator (Gent) und dann<br />
sogar eine Katastrophenschutzagentur (Laeken) avisiert wurde, verdeutlicht den<br />
Stellenwert, den der Rat der Rolle des Katastrophenschutzes inzwischen zumisst.<br />
Auch die für den Katastrophenschutz zuständigen Generaldirektoren haben bereits<br />
im Oktober 2001 reagiert und einen Aktionsplan vereinbart, mit u.a. folgenden<br />
Maßnahmen:<br />
– Einsetzung einer rund um die Uhr zur Verfügung stehenden Gruppe von ABC-<br />
Sachverständigen;<br />
– Verstärkung des 24h-Kontaktnetzes der Katastrophenschutzdienste;<br />
– engere Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen nationalen und<br />
EU-Dienststellen u.a. über Unfälle oder drohende terroristische Anschläge.<br />
Schon seinerzeit habe ich die besondere Bedeutung einer angemessenen Arzneimittelbevorratung<br />
betont und werde mit den Kollegen erneut die Möglichkeiten<br />
eines gemeinsamen Herangehens auf europäischer Ebene erörtern; der Vorteil<br />
eines konzertierten Vorgehens ist m.E. offensichtlich. In erster Linie sind aber die<br />
Gesundheitsministerien gefordert.<br />
20
5.3 Bilaterale Zusammenarbeit<br />
Neben den Kontakten zu den für Terrorismusbekämpfung und Katastrophenschutz<br />
zuständigen Stellen der Vereinigten Staaten sind hier zu erwähnen vor allem<br />
Gespräche mit dem für den KatS zuständigen EMERCOM der Russischen Föderation<br />
sowie ein Gespräch mit israelischen Experten Mitte April 2002 in Berlin.<br />
Das letztgenannte Gespräch soll fortgesetzt werden, insbesondere zu Fragen der<br />
Risikoanalyse, des Gesundheits- und des Bautenschutzes. Wir befassen uns hier<br />
seit einiger Zeit mit der Frage, ob wir die bisherige Philosophie des Schutzraumbaus<br />
durch zeitgemäße Formen des Schutzes gegen B- und C-Angriffe ablösen<br />
müssen. Diese Forderung hatte der Arbeitskreis V bereits in seiner Sitzung am<br />
23./24. März 2000 in Bremen erhoben. Das von Herrn Prof. Thoma vorgelegte<br />
Gutachten zeigt neue Wege auf und nimmt den beispielsweise in Israel oder in<br />
Nordamerika üblichen Schutz durch sog. „sealed rooms“ auf.<br />
5.4 Aufgaben für die <strong>Schutzkommission</strong><br />
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, es ist, so hoffe ich, aus diesem<br />
Bericht deutlich geworden, was getan wurde, wie viel Arbeit aber auf uns alle<br />
zukommt, um den Zivil- und den Katastrophenschutz zu ertüchtigen, ihn fit zu<br />
machen für die neuen Gefahrenlagen. Schwerpunkte sehe ich bei der Risikoanalyse<br />
– dies ist ein Konzept, das die <strong>Schutzkommission</strong> seit jeher verfochten hat;<br />
sodann bei der Entwicklung des neuen Stufenkonzepts, wie es den jetzt von Bund<br />
und Ländern beschlossenen neuen Leitlinien zugrunde liegt. Daneben bleibt die<br />
Fülle von Themen, die im <strong>Forschung</strong>sprogramm ihren Niederschlag finden. Möglicherweise<br />
sollte man das <strong>Forschung</strong>sprogramm stärker nach Themenbereichen<br />
gliedern und außerdem Fragen im Zusammenhang mit B- und C-Terrorismus in<br />
den Vordergrund stellen; dabei ist auch zu erwägen, hier Gutachtenaufträge mit<br />
Rücksicht auf die hohe Dringlichkeit freihändig zu vergeben.<br />
21
Zum Gedenken an Roderich RÜFER<br />
Gerhard Schmidt<br />
Am 27. August 2001 verstarb während eines Ferienaufenthaltes in Finnland nach<br />
mehrjähriger schwerer Krankheit Professor Dr. med. Roderich Rüfer im Alter von<br />
65 Jahren. Dank moderner Behandlungsverfahren hatten sich wiederholt Besserungen<br />
im Verlauf seiner Erkrankung ergeben und doch wusste Roderich Rüfer,<br />
dass er an einer unheilbaren Krankheit litt. Er hat die Jahre der Erkrankung mit<br />
großer Tapferkeit ertragen. Noch an unserer letzten Jahrestagung hat er schwer an<br />
23
der Krankheit leidend teilgenommen. Beim Tagungsende – einen Tag vor seinem<br />
65. Geburtstag – war vielen von uns bewusst, dass es vermutlich ein letzter<br />
Abschied war.<br />
Roderich Rüfer wurde am 27. Mai 1936 als Sohn eines Kaufmanns in Berlin geboren.<br />
Die Familie übersiedelte kurze Zeit später nach Neuruppin in die Mark Brandenburg,<br />
woher seine Mutter stammte. Herr Rüfer hat die gesamte Kindheit, also<br />
auch die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit in Neuruppin erlebt. Hier<br />
besuchte er die Grundschule und Oberschule. 1953 waren die politischen Verhältnisse<br />
so unerträglich geworden, dass die Flucht nach Westberlin der einzige Ausweg<br />
war. Er hat am Arndt-Gymnasium in Berlin-Dahlem die letzten vier Schuljahre<br />
verbracht und dort 1956 das Abitur abgelegt.<br />
Von 1956 bis 1962 hat Herr Rüfer an der Freien Universität Berlin Medizin studiert<br />
und 1962 das Studium erfolgreich abgeschlossen. Nach Medizinalassistentenzeit<br />
und Erlangung der ärztlichen Approbation wurde er Assistent an der II.<br />
Medizinischen Klinik der Freien Universität Berlin. Hier entwickelte sich frühzeitig<br />
sein besonderes Interesse an der normalen und gestörten Atmungsfunktion.<br />
Nach Abschluss seiner Promotion wechselte er an das Max Planck Institut für<br />
experimentelle Medizin in Göttingen, wo er in acht Jahren grundlegende Arbeiten<br />
über die Pathophysiologie der Atemmechanik durchführen konnte. Sein besonderes<br />
Interesse galt der Erforschung der Oberflächenkräfte in den Lungenalveolen.<br />
In der Zeit waren erste Kenntnisse über oberflächenaktive Substanzen in der Auskleidung<br />
der Lungenoberfläche entstanden. Herr Rüfer konnte mit eigenen, dafür<br />
ausgearbeiteten Messmethoden den Einfluss der Phospholipid-Verbindungen auf<br />
die Lungenentfaltung und Lungenbelüftung quantifizieren und die Grundlagen für<br />
die heute etablierte therapeutische Surfactant-Therapie bei Störungen der alveolären<br />
Ventilation liefern. Diesem Thema war auch seine Habilitationsschrift gewidmet.<br />
Ein weiteres Gebiet, das von Herrn Rüfer in dieser Zeit bearbeitet wurde, war die<br />
Flüssigkeitsatmung. Die Möglichkeit, mit sauerstofftragenden Fluorocarbonen<br />
einen ausreichenden Gasaustausch in der Lunge zu erreichen und Versuchstiere in<br />
einer solchen Flüssigkeit normal am Leben zu erhalten, warf viele grundsätzliche<br />
Fragen auf. Herr Rüfer hat mit seinen Arbeiten die Basis für eine Ausnutzung dieses<br />
Prinzips beim gestörten Gasaustausch in der Lunge geliefert. Seit kurzem wird<br />
die partielle Flüssigkeitsbeatmung auch in der Intensivmedizin verwendet.<br />
1975 wurde Herr Rüfer, nachdem er außerplanmäßiger Professor der Universität<br />
Göttingen geworden war, als Wissenschaftlicher Rat und Professor an das Institut<br />
für Pharmakologie und Toxikologie am Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg<br />
berufen. Zusammen mit Herrn Friedberg hat er dieses Institut, eine Neugründung,<br />
die wegen der Errichtung einer klinischen universitären Ausbildungsstätte<br />
notwendig wurde, zu einem leistungsfähigen <strong>Forschung</strong>sinstitut aufgebaut.<br />
Hier konnte er seine Arbeiten über die Atemmechanik fortführen und besonders<br />
auf anwendungsorientierte Fragestellungen zentrieren. Ein besonderes Augenmerk<br />
schenkte Herr Rüfer dabei Fragen der Störung der Atemmechanik und der Surfactant<br />
Funktion bei Schockzuständen und Vergiftungen.<br />
24
Diese <strong>Forschung</strong>stätigkeit war zunehmend von Interesse für die <strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Herr Rüfer wurde 1982 als Mitglied in die <strong>Schutzkommission</strong> berufen. 1989<br />
wurde er zum Vorsitzenden des damaligen Fachausschusses V (Katastrophenmedizin)<br />
gewählt. Seit 1993 war er stellvertretender Vorsitzender der gesamten<br />
<strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Roderich Rüfer gehörte zu den Menschen, die von ihren eigenen Verdiensten nicht<br />
viel redeten und er wollte auch nicht, dass andere dies taten. Jeder von uns weiß,<br />
dass diejenigen, die wie Herr Rüfer mehr im Stillen konsequent und verlässlich,<br />
unbestechlich und gradlinig ihre Aufgaben erfüllen, einen großen Anteil am wissenschaftlichen<br />
Erfolg haben. In diesem Sinne hat er der Wissenschaft, seiner<br />
Fakultät und auch der <strong>Schutzkommission</strong> gedient.<br />
Herr Rüfer hat viele Jahre die Tierschutzkommission bei der Bezirksregierung in<br />
Karlsruhe geleitet. Ich erwähne diese seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit,<br />
weil sie exemplarisch seinen Einsatz für eine von ihm als wichtig erkannte Arbeit<br />
zeigt, bei der man wenig öffentliche Anerkennung erwarten kann. Trotzdem hat er<br />
sich engagiert für diese Aufgabe eingesetzt, welche gleichermaßen dem Tierschutz<br />
und dem medizinischen Fortschritt verpflichtet ist.<br />
Das Ende der deutschen Teilung und die Möglichkeit, ohne Grenzkontrollen in<br />
seine alte brandenburgische Heimat fahren zu können, hat Herr Rüfer als einen<br />
besonderen Glücksfall der deutschen Geschichte sehr bewusst und dankbar zur<br />
Kenntnis genommen. Leider war es ihm aufgrund der fortschreitenden Erkrankung<br />
nicht vergönnt, die geliebten heimatlichen Gefilde im Ruhestand wieder intensiv<br />
zu erleben.<br />
Die <strong>Schutzkommission</strong> trauert um Roderich Rüfer. Die Erinnerung an ihn wird bei<br />
uns lebendig bleiben.<br />
25
Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen<br />
zum Katastrophenschutz-Konzept Hessen<br />
Michael Popović<br />
Vorgeschichte<br />
Der kontinuierliche und dringliche Hinweis auf die längst überfällige Einbindung<br />
ärztlichen Sachverstandes in das Katastrophenschutzkonzept erfuhr durch die Terroranschläge<br />
in den Vereinigten Staaten am 11. September neue Aktualität.<br />
Vor diesem Hintergrund wurde die Verabschiedung des Entwurfs eines Katastrophenschutzkonzeptes<br />
für Hessen zunächst zurückgestellt und der Hauptgeschäftsführer<br />
der Landesärztekammer Hessen, Dr. Michael Popović, gebeten, gemeinsam<br />
mit den Vertretern der Hilfsorganisationen und dem Landesfeuerwehrverband eine<br />
Stellungnahme zu erarbeiten. Diese soll in ein Kapitel „Katastrophenmedizin“<br />
sowie „Sanitäts- und Betreuungszüge“ des „Katastrophenschutzkonzeptes Hessen“<br />
aufgenommen werden.<br />
Katastrophenschutz-Konzept Hessen: Katastrophenmedizin<br />
Katastrophenmedizin ist Teil des Katastrophenschutzes und fällt als Friedensaufgabe<br />
in die Zuständigkeit der Länder. Diese staatlichen Organe haben den vom<br />
Grundgesetz vorgegebenen Auftrag, die gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen<br />
zu schaffen, welche bei Unglücksfällen, Großschadensereignissen<br />
und Katastrophen eine ärztliche Hilfe für die betroffenen Menschen sicherstellen.<br />
Die ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechtes, so auch<br />
die Landesärztekammer Hessen erachten es als ihre durch das Heilberufsgesetz<br />
auferlegte Pflicht, auch ihrerseits alles erforderliche zu unternehmen, um eine<br />
befriedigende notfall- und katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung<br />
zu gewährleisten.<br />
Leistungspflicht des Staates<br />
Der Patient hat auch unter Katastrophenbedingungen einen Anspruch, von Ärzten<br />
sorgfältig, d.h. der Sorgfaltspflicht und dem Stand von Wissenschaft und Technik<br />
entsprechend, behandelt zu werden. Der Arzt wiederum hat Anspruch darauf, dass<br />
ihm zur Wahrnehmung seiner aus Strafrecht, Haftungsrecht und Berufsrecht<br />
erwachsenen Behandlungspflicht die notwendigen Hilfskräfte, d.h. qualifizierte<br />
Kräfte der Komplementärberufe, zur Verfügung gestellt werden, die zu einer sorgfältigen<br />
und zuverlässigen Tätigkeit auch unter Katastrophenbedingungen fähig<br />
sind.<br />
27
Der Staat muß Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um bei einer<br />
Katastrophe medizinisch so zu helfen, wie es nach den erwartbaren Szenarien<br />
erforderlich ist. Es besteht eine Leistungspflicht des Staates und der von ihm<br />
beauftragten Institutionen und Organisationen, die notwendigen Voraussetzungen<br />
zur Gewährleistung katastrophenmedizinischer Hilfeleistung zu schaffen.<br />
Situation in der stationären Versorgung<br />
Man kann davon ausgehen, dass im Fall einer Katastrophe – je nach Jahres- und<br />
Uhrzeit sowie nach Organisationsgrad der jeweiligen Krankenhäuser etwa 60 bis<br />
90 % der Krankenhausärzte für die Versorgung der Verletzten zur Verfügung stehen.<br />
Begrenzt werden diese personellen Ressourcen durch die Auswirkungen der<br />
sogenannten „Leistungsverdichtung“.<br />
Was die Bettenkapazitäten der Krankenhäuser betrifft, so hat sich seit der Änderung<br />
der weltpolitischen Lage im Jahr 1990 auch die Lage in Hessen stark verändert:<br />
Die Ressourcen des Zivil- bzw. des Katastrophenschutzes wurden in den letzten<br />
Jahren systematisch abgebaut. Dies führt heute dazu, dass gegenwärtige und<br />
zukünftige Gefährdungslagen unzureichend abgedeckt sind.<br />
In den letzten Jahren wurden in Hessen 2300 Betten abgebaut. Der Auffassung des<br />
Hessischen Sozialministeriums, die Strukturen im Rettungsdienst seien heute noch<br />
aktuell und die Aufnahmekapazität in Hessen mit 38000 Betten ausreichend, steht<br />
eine von der Landesärztekammer Hessen durchgeführte Befragung von sechs ärztlichen<br />
Leitern großer unfallchirurgischer Kliniken vom 16. Oktober 2001 gegenüber:<br />
Alle Befragten gaben übereinstimmend zur Auskunft, dass man heute nur die<br />
Hälfte der Patienten versorgen könnte, die noch 1990 hätten versorgt werden können.<br />
Renommierte internistische Chefärzte haben dies für den konservativen Versorgungsbereich<br />
bestätigt.<br />
Der Ausschuß „Notfall/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen“ der Bundesärztekammer<br />
sieht die Bereitstellung von Notärzten aus unter DRG-Bedingungen<br />
geführten Krankenhäusern als gefährdet an.<br />
Problemfaktor: Geld<br />
Unter dem Gesichtspunkt der Staatsverschuldung und ihrer Folgen, der Verknappung<br />
öffentlicher Mittel und der gesundheitsökonomischen Zwänge wird das Problem<br />
mangelnder Ressourcen noch deutlicher. Man kann davon ausgehen, dass die<br />
Einrichtungen der stationären Krankenversorgung heute lediglich 2-3 Prozent der<br />
bestehenden Versorgungskapazitäten ad hoc für die Versorgung von größeren<br />
Schadensereignissen zur Verfügung stellen können. Dies wird sich zukünftig deutlich<br />
verschärfen.<br />
Als Folge der Budgetierung im stationären und ambulanten Bereich sind bereits<br />
heute zunehmende Versorgungsengpässe evident.<br />
28
Forderung der Landesärztekammer Hessen nach Aufgabenverteilung und -festlegung<br />
sowie nach der Unterscheidung zwischen Ärzten und nichtärztlichen Helfern.<br />
Vor dem Eintritt eines Großschadensereignisses bzw. einer Katastrophe bedarf es<br />
über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus einer detaillierten Aufgabenfestlegung.<br />
In diesen Bestimmungen sollte – in direkter Wechselbeziehung zum Hessischen<br />
Rettungsdienstgesetz und Krankenhausgesetz – in allen Regelungen und<br />
Auftragsbereichen, die das Gesundheitswesen betreffen, zwischen Ärzten und<br />
nichtärztlichen Helfern unterschieden werden.<br />
Auf jeder Verwaltungsebene muss dem Leiter der jeweiligen Katastrophenschutzbehörde<br />
für die Fragen des Gesundheitswesens ein verantwortlicher Arzt mit notärztlicher/katastrophenmedizinischer<br />
Kompetenz zugeteilt werden, der in seinem<br />
Auftrag gegenüber den mitwirkenden Institutionen, Organisationen usw. des<br />
Gesundheitswesens gleichberechtigt ist. Dieser Arzt sollte, wie es bereits vielerorts<br />
vorgesehen ist, grundsätzlich ein Medizinalbeamter des öffentlichen Gesundheitsdienstes<br />
(z.B. Leiter des Gesundheitsamtes oder dessen Stellvertreter) sein, der<br />
auch über die Qualifikation „Leitender Notarzt“ verfügt.<br />
Der Arzt in der Katastrophenschutzbehörde ist bereits bei der Planung und Vorbereitung<br />
von Katastrophenschutzmaßnahmen verantwortlich einzuschalten, soweit<br />
das Gesundheitswesen betroffen oder berührt ist.<br />
Überall dort, wo ein Arzt im Rahmen der notfall- und katastrophenmedizinischen<br />
Versorgung tätig wird, übernimmt er die Verantwortung für alle Hilfsmaßnahmen.<br />
Die nichtärztlichen Helfer einschließlich der Führungskräfte der Hilfsorganisationen<br />
sollen seinen diesbezüglichen Weisungen unterstehen.<br />
SAVD (Schnelle-Arzt-Verwaltungs-Datenbank)<br />
Die Landesärztekammer Hessen verfügt mit ihrer „Schnellen-Arzt-Verwaltungs-<br />
Datenbank (SAVD)“ über ein hochleistungsfähiges System zur Datenbankrecherche,<br />
das ermöglicht, in Sekunden erfahrene Ärztinnen und Ärzte jeder beliebigen<br />
ärztlichen Qualifikation, mit jeweiligem Tätigkeits- und Wohnort abzufragen.<br />
Über ein Alarmierungssystem von Mitarbeitern der Kammer können damit die notwendigen<br />
ärztlichen Kapazitäten szenarienspezifisch (innerhalb und zukünftig ggf.<br />
telematisch auch außerhalb der Kammer) selektiert und benannt werden.<br />
Notwendigkeit einer szenarienspezifischen Analyse<br />
Vor einer Umstrukturierung im Katastrophenschutz auf Grundlage katastrophenmedizinischer<br />
Standards muß eine szenarienspezifische Analyse der katastrophenmedizinischen<br />
Versorgungsnotwendigkeiten der Bevölkerung durchgeführt werden.<br />
29
Resumee<br />
Wir brauchen dringend ein Konzept für<br />
• eine Zusammenführung von Zivil-, Katastrophenschutz und Rettungsdienst,<br />
ambulanter und stationärer Versorgung,<br />
• eine Datenbank der allgemein verfügbaren Notfallressourcen,<br />
• ein kooperatives Bevorratungsmodell für den Bund, die Länder und Kommunen,<br />
• eine koordinierte Antidota und Sera-Bevorratung,<br />
• eine adäquate Ausstattung des Sanitätsdienstes des Zivil und Katastrophenschutzes<br />
mit Arzneimitteln und Medizinprodukten mit pharmazeutischer<br />
Betreuung,<br />
• adäquates Gerät sowie persönliche Schutzausrüstung für die Einsatzkräfte<br />
– auch für eine Infektionsprävention –,<br />
• und eine Stärkung der Krankenhauskapazitäten für den Massenanfall von<br />
Patienten.<br />
Die gutachterlichen Aussagen finden sich im Zweiten Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern bestätigt<br />
Der vollständige Bericht der Landesärztekammer Hessen (80 Seiten, Stand: Oktober<br />
2001) gibt detaillierte Empfehlungen für vertiefende Untersuchungen sowie<br />
für konkrete Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und<br />
für den Bereich des <strong>Zivilschutz</strong>es. Er beschäftigt sich vor allem mit den Risiken<br />
durch die Freisetzung von Chemikalien und chemischen Kampfstoffen, die Erreger<br />
übertragbarer Krankheiten/biologische Kampfmittel, die Freisetzung von<br />
Radioaktivität und mit Eingriffen in informationstechnische Strukturen. Vorrangig<br />
werden im Bereich „Nachfolgende Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung“<br />
folgende Themen ausgearbeitet: Selbstschutz, Warnung der Bevölkerung, Schutz<br />
durch bauliche Maßnahmen, medizinische Versorgung und Sicherstellung einer<br />
ausreichenden Versorgung mit Arznei und Sanitätsmitteln.<br />
Ergänzung<br />
Unter Hinweis auf die „bisher leider nur in Schleswig-Holstein und Hessen vorgenommenen<br />
Untersuchungen über Gefahrenpotentiale“ hebt der nun veröffentlichte<br />
Zweite Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesministerium<br />
des Inneren genau jene Defizite im Bereich des medizinischen Katastrophenschutzes<br />
hervor, die seitens der Landesärztekammer Hessen beanstandet worden sind.<br />
30
Untersuchung zur Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Ernst Pfenninger und Sabine Himmelseher<br />
Zusammenfassung (Der Original-Bericht ist als Band 54 in der Reihe <strong>Zivilschutz</strong>forschung<br />
erschienen)<br />
1. Einleitung<br />
Unter dem Blickwinkel des aktuellen Zeitgeschehens müssen bei globalisiert möglichem<br />
Terrorismus manche Gefahrenpotenziale, die fast schon als unbedenklich<br />
akzeptiert wurden, wieder als sehr bedrohlich eingestuft werden. Spätestens seit<br />
dem 11. September 2001 ist die Sorge vor Katastrophen allgegenwärtig.<br />
Die Abwendung von Gefahren und Schäden, die im Katastrophenfall drohen,<br />
obliegt in Friedenszeiten den Bundesländern (Katastrophenschutzgesetze der Länder),<br />
während im Kriegsfall der Bund für den <strong>Zivilschutz</strong> (<strong>Zivilschutz</strong>gesetz)<br />
zuständig ist. „Katastrophenschutz (KatS)“ wird definiert als die Maßnahmen der<br />
Bundesländer zur Verhinderung, Abwehr und Beseitigung von Katastrophen oder<br />
ihrer Folgen. Die Gesetzesnovelle zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es vom 25.<br />
März 1997 (geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember<br />
1999) regelt die Aufgaben des <strong>Zivilschutz</strong>es durch Behörden oder öffentliche und<br />
private Organisationen.<br />
Das Öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW) soll zur Gesundheitssicherung der<br />
Bevölkerung durch Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Abwehr von<br />
Gesundheitsgefahren beitragen. Artikel 74 des Grundgesetzes verankert als wichtige<br />
Zuständigkeiten Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare<br />
Krankheiten bei Mensch und Tier, die öffentliche Fürsorge sowie den Schutz<br />
gegen Gefahren bei Freiwerden radioaktiver oder ionisierender Strahlung. Der<br />
Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist Teil des Öffentlichen Gesundheitswesens.<br />
Die Aufgaben werden auf Landesebene von unterschiedlichen Ministerien<br />
durchgeführt, wobei der ÖGD auf drei Stufen arbeitet: den Gesundheitsabteilungen<br />
der Ministerien, den Medizinaldezernaten der Regierungsbezirke und den<br />
Gesundheitsämtern der Kreise und kreisfreien Städte.<br />
2. Aufgabenstellung des <strong>Forschung</strong>svorhabens<br />
Aufgabenstellung des vorliegenden <strong>Forschung</strong>svorhabens war es, die aktuelle Einbindung<br />
des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Zivil- und Katastrophen-<br />
31
schutzplanung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, die vorliegende<br />
Situation zu analysieren und potenziell Vorschläge zu einer Verbesserung der Integration<br />
aufzuzeigen. Angesichts eines Mangels an katastrophenmedizinischen<br />
Themen in den Curricula der Aus- und Fortbildungskataloge sowohl während des<br />
Medizinstudiums als auch in der Facharztweiterbildung zum Arzt für Öffentliches<br />
Gesundheitswesen, bewertete schon 1999 eine Arbeitsgruppe der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern in ihrem „Bericht über die gesetzlichen<br />
Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben sowie zur Wahrung<br />
und Wiederherstellung der Gesundheit bei Großschadensereignissen“ die Situation<br />
zur Integration der Gesundheitsämter in den Katastrophenschutz wie folgt: „Die<br />
Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Bewältigung von Katastrophen<br />
und Großschadensereignissen ist ungenügend gelöst.“<br />
Im Einzelnen sollten im vorliegenden <strong>Forschung</strong>sprojekt folgende Punkte untersucht<br />
werden:<br />
• Gesetzesgrundlagen zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in<br />
die katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />
Deutschland und deren Umsetzung,<br />
• Richtlinien und Erlasse auf Länder- und Kreisebenen, die Bezug zur Einbindung<br />
des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />
aufweisen,<br />
• Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals<br />
im öffentlichen Gesundheitsdienst bezüglich katastrophenmedizinischer<br />
Versorgung der Bevölkerung,<br />
• Ausbildungsstand des Personals im öffentlichen Gesundheitsdienst zur notfall-<br />
/katastrophenmedizinischen Versorgung,<br />
• Evaluierung der Katastrophenschutzbehörden bezüglich der Einbindung des<br />
öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen,<br />
• Erstellung eines Konzeptes zur Behebung der festgestellten Defizite des ärztlichen<br />
Personals und der Fachberufe im öffentlichen Gesundheitsdienst zur<br />
besseren Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die notfall-/katastrophenmedizinische<br />
Versorgung.<br />
3. Methodik und Ergebnisse<br />
3.1 Rechtsgrundlagen<br />
Es wurde eine ausführliche Analyse und Kommentierung der Gesetzeslage im<br />
Bund sowie in den Bundesländern erarbeitet. Daran anschließend erfolgte eine<br />
synoptische Auflistung der einschlägigen Regelungsgegenstände und ihrer Fundstellen.<br />
In einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung wurde versucht, ein länderübergreifendes<br />
Gesamtfazit zu ziehen, verbunden mit einem vorsichtigen Ausblick<br />
auf etwaige Konsequenzen für den Gesetzgeber und die gesetzanwendende<br />
Verwaltung.<br />
32
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass auf der Grundlage der geltenden Katastrophenschutz-<br />
und Gesundheitsdienstgesetze deren erkennbarer Normzweck erfüllt werden<br />
kann. Wo es dem Gesetzeswortlaut an Explizität mangelt – dies ist der Regelfall<br />
– , sollte nicht mit dem Verlangen nach Klartext i. S. von Buchstäblichkeit reagiert<br />
werden. Dies würde zu einer unnötigen Aufblähung der Gesetze durch<br />
Überregulierung führen, die den rechtspolitisch immer wieder geltend gemachten<br />
Bestrebungen nach Deregulierung zuwiderliefe. Dafür, dass die hier zu würdigende<br />
Gesetzeslage keineswegs defizitär ist, spricht auch der Umstand: In den Katastrophenschutzgesetzen<br />
der Länder sind Ermächtigungen zum Erlass von<br />
Rechtsverordnungen nur sporadisch erfolgt und, wo dies der Fall ist, thematisch<br />
nicht einschlägig (s. hierzu etwa die Ausführungen zu § 43 Abs.1 Nr.1 LBKG Rh.-<br />
Pf.). Dies wiederum kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es aus der Sicht<br />
des Gesetzgebers einer weiteren Durchnormierung – und sei es durch die Exekutive<br />
– nicht bedarf, die formelle Gesetzeslage vielmehr ausreicht und alles Weitere<br />
auf Verwaltungsebene, also durch administrative und organisatorische Maßnahmen<br />
im Wege des Gesetzesvollzugs und damit durch Ausfüllung und Ausführung<br />
der Gesetze i. S. des Normzwecks zu erfolgen hat und – von der Gesetzeslage<br />
gedeckt – auch erfolgen kann. Somit ergibt sich – thesenförmig verkürzt – die folgende<br />
richtungweisende Handlungsempfehlung: Das Ausschöpfen der Möglichkeiten<br />
vorhandener Gesetze geht vor Schaffung weiterer neuer oder Änderung<br />
bestehender Gesetze.<br />
3.2 Inhalte der Ausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals<br />
im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
Es wurden die aktuellen Curricula der obligatorischen Ausbildung für ärztliches<br />
Personal innerhalb des Studiums der Humanmedizin und im Rahmen der Weiterbildung<br />
zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen systematisch nach<br />
Bezügen zur Beherrschung von Katastrophen durchforscht. Hierfür wurde im studentischen<br />
Bereich der Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und<br />
pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zugrunde gelegt. Im Bereich der fachärztlichen<br />
Weiterbildung wurden die vom Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes e.V. herausgegebenen (Muster-)Richtlinien zur Weiterbildung<br />
im Öffentlichen Gesundheitswesen als Basis verwendet. Außerdem wurde<br />
der 6-monatige Kurs in der Facharztweiterbildung für das Öffentliche Gesundheitswesen<br />
bezüglich katastrophenmedizinischer Weiterbildungsaspekte analysiert.<br />
Im Hinblick auf fakultative Fortbildungsmöglichkeiten wurden die Programme<br />
der in Deutschland bestehenden Lehr- und <strong>Forschung</strong>sakademien für das<br />
Öffentliche Gesundheitswesen in Berlin, Düsseldorf, München und Schwerin<br />
sowie der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> in Ahrweiler erkundet.<br />
Ärztliches Personal<br />
In allen Abschnitten von Studium und Facharztweiterbildung finden sich vereinzelt<br />
Punkte, die zwar Bezug zu einer Katastrophe haben, aber es ist kein durchgehendes<br />
Gesamtkonzept erkennbar. Zwei- bis dreistündige Referate zu Katastro-<br />
33
phensituationen stellen einen Bruchteil der Ausbildung dar; viele dringend für<br />
einen Katastrophenfall zu unterrichtenden Themen werden nicht einmal erwähnt.<br />
Praktische Anwendungen und Übungen für den Ernstfall sind im Curriculum<br />
nicht enthalten.<br />
Das Wissen, das für ein erfolgreiches Management einer Katastrophe im<br />
Zusammenwirken mit anderen Institutionen, Behörden, etc. notwendigerweise<br />
vorhanden sein muss, wird – wenn überhaupt – nur als fakultative, freiwillige<br />
Fortbildungsmöglichkeit angeboten. Zuständigkeitsgrenzen und Schnittstellen zu<br />
anderen medizinischen Diensten sind in der Aus- und Weiterbildung nicht transparent;<br />
eine Schulung für Prioritäten oder Gewichtsverteilungen im ÖGD für den<br />
Katastrophenfall ist nicht erkenntlich. Logistische Abläufe, strategisches Vorgehen,<br />
koordiniertes Handeln und kommunikative Eigenschaften werden nicht vermittelt.<br />
Ob sich der neu entwickelte Studiengang Rescue Engineering etablieren<br />
und ob katastrophenmedizinische Fachkompetenz generiert wird, kann noch nicht<br />
beurteilt werden.<br />
Nicht-ärztliches Personal<br />
Als Ausgangslage zeigt sich eine inhomogene Mischung verschiedenster Berufsgruppen<br />
innerhalb des nicht-ärztlichen Personals der Gesundheitsämter, die verschiedenste<br />
Ausbildungsgrundlagen und -schwerpunkte aufweisen. Je nach Ausbildungsstätte<br />
und der beruflichen Aus- und Fortbildung und Spezialisierung im<br />
öffentlichen Gesundheitswesen nimmt die Vermittlung katastrophenmedizinisch<br />
relevanter Lehr- und Lerninhalte einen sehr unterschiedlichen Umfang und Stellenwert<br />
ein. Eine katastrophenmedizinische Ausbildung im Sinne eines Gesamtkonzeptes<br />
für eine Berufsgruppe oder alle beteiligten Gruppen ist nicht erkennbar.<br />
3.3 Evaluierung des ärztlichen Personals der unteren Gesundheitsbehörde<br />
bezüglich katastrophenmedizinischer Kenntnisse<br />
Zur Erhebung der Kenntnisse und Vorstellungen der Ärzte, die im ÖGD für die<br />
katastrophenmedizinische Belange zuständig sind oder es sein sollten, wurde ein<br />
Fragebogen an der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universität Ulm, entwickelt.<br />
Der Fragebogen umfasste drei katastrophenmedizinisch relevante Hauptthemenkomplexe,<br />
die evaluiert werden sollten:<br />
1. Berufsausbildung der im ÖGD tätigen Ärzte (Studium, Facharztweiterbildung),<br />
2. Katastrophenmedizinische Kenntnisse und deren Herkunft,<br />
3. Intentionen und Perspektiven.<br />
Der Fragenkatalog wurde anhand von in der Literatur vorgegebenen Anforderungsprofilen<br />
an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall erstellt. Nach Abstimmung<br />
mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag wurde er<br />
Anfang Mai 2001 an alle unteren Gesundheitsbehörden der Bundesrepublik<br />
34
Deutschland (Anzahl n = 429) verschickt. Die Auswertung der zurückgesandten<br />
Fragebögen erfolgte anonym.<br />
Von n = 429 angeschriebenen Gesundheitsämtern antworteten insgesamt bundesweit<br />
n = 339 (79 %). Das ärztliche Personal im ÖGD, das für die Katastrophenbewältigung<br />
zuständig ist, besteht zu demnach zu 91 % aus Fachärzten für öffentliches<br />
Gesundheitswesen, 22 % besitzen den Fachkundenachweis Rettungsdienst,<br />
4 % haben den Kurs Leitender Notarzt absolviert. Fast zwei Drittel der Ärzte im<br />
ÖGD sind eigenen Angaben zufolge bereits in die Katastrophenplanung involviert.<br />
Kenntnisse zu einzelnen medizinischen Teilbereichen werden im Rahmen des Studiums<br />
erworben. Hier muss jedoch ausdrücklich betont werden, dass dies keine<br />
spezifisch katastrophenmedizinischen Kenntnisse sind, sondern nur Wissen zur<br />
Behandlung von Einzelfällen darstellt. Auch während der Facharztweiterbildung<br />
zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen wird nur zu einem geringen<br />
Anteil katastrophenmedizinisches Wissen (Seuchenbekämpfung) vermittelt. Es<br />
werden jedoch immer nur punktuell Inhalte mit Bezug zur Katastrophenmedizin<br />
unterrichtet. Es besteht ein ausgeprägtes Problembewusstsein bei den Ärzten im<br />
ÖGD hinsichtlich ihrer Integration in den Katastrophenschutz. Der Bedarf an speziellen<br />
Fortbildungen ist erkannt, die Wünsche nach speziellen Fortbildungsinhalten<br />
(hauptsächlich Einsatztaktik, Seuchenbekämpfung und Planung zum Management<br />
von Gefahrgutunfällen) werden klar geäußert.<br />
3.4 Evaluation der unteren Katastrophenschutzbehörden zur Integration<br />
der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienste in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung<br />
Zur Evaluation der für die Katastrophenbewältigung zuständigen Behörden und<br />
Personen (Katastrophenschutzbeauftragte) wurde wiederum ein Fragebogen [in<br />
Zusammenarbeit mit Katastrophenschutzbeauftragten und dem Deutschen Städteund<br />
Landkreistag] entwickelt, mit welchem drei Hauptthemenkomplexe eruiert<br />
werden sollten:<br />
1. Aktueller Stand der Integration der Ärzte des ÖGD in den Katastrophenschutz,<br />
2. Erwartungen der Katastrophenschutzbeauftragten an die Ärzte des ÖGD,<br />
3. Identifikation von Problemen und Vorschlägen zu deren Lösung für die<br />
Zukunft.<br />
Der Fragebogen wurde Ende August 2001 an n = 438 Katastrophenschutzbeauftragte<br />
in der Bundesrepublik Deutschland verschickt. Die Auswertung der Fragebögen<br />
erfolgte anonym.<br />
Insgesamt wurden 338 Bögen von den angeschriebenen Katastrophenschutzbehörden<br />
zurückgeschickt. Bezüglich der Einbindung der Ärzte des ÖGD in ihre<br />
Katastrophenplanungen geben 12 (3,5%) Landkreise oder Städte an, dass keine<br />
Einbindung besteht. Die häufigste Art der Einbindung stellt die Einbindung in Einzelfällen<br />
mit 50,6% der Antworten dar. Eine feste Einbindung in die Katastrophenoder<br />
Alarmpläne oder die Existenz einer festen Rufbereitschaft eines Arztes des<br />
Gesundheitsamtes geben nur 19,6% beziehungsweise 12,8% der Befragten an.<br />
35
Die aktuelle Einbindung der Ärzte des ÖGD in Katastrophenpläne ist vor allem<br />
für die Situationen Seuchenfall, besondere Erkrankungen von Einzelpersonen und<br />
amtlich festgestellte Katastrophen vorgesehen. Fast 60% der Befragten haben<br />
Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Ärzten des ÖGD aus Übungen und/oder<br />
Realeinsätzen. Diese Zusammenarbeit wird in 44-56% der Fälle als sehr gut beurteilt.<br />
Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten von der Integration der Ärzte<br />
des ÖGD in die katastrophenmedizinische Versorgung vor allem Informationen zu<br />
Symptomen, therapeutische Maßnahmen und organisatorische Bewältigung im A-,<br />
B-, C- und Seuchenfall. Des weiteren werden allgemeine medizinische Informationen<br />
und die Planung der Einsatzabläufe innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />
von den Amtsärzten gewünscht. Nach Meinung der Katastrophenschutzbeauftragten<br />
der Landkreise und kreisfreien Städte sollte die katastrophenmedizinische<br />
Ausbildung der Ärzte für öffentliches Gesundheitswesen im Rahmen der<br />
Facharztweiterbildung deutlich verstärkt werden.<br />
3.5 Konzepte zur verbesserten katastrophenmedizinischen Aus- und<br />
Weiterbildung der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
Zur Verbesserung des katastrophenmedizinischen Wissens im Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst wird ein modulares Ausbildungskonzept mit katastrophenmedizinischen<br />
Lehrinhalten vorgeschlagen, das in die Weiterbildung zum Facharzt für<br />
Öffentliches Gesundheitswesen zu integrieren ist. Es beinhaltet die Module:<br />
• Studium der Humanmedizin,<br />
• Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen,<br />
• Fakultative Fortbildung,<br />
• Eigenständiger Informationsgewinn.<br />
Als langfristige und effektive Lösung ist die Schaffung einer eigenständigen Vorlesung<br />
„Katastrophenmedizin“ vorzusehen, in der die Grundlagen rechtlicher,<br />
medizinischer und organisatorischer Belange, die bei der Katastrophenbewältigung<br />
essenziell sind, zu vermitteln sind.<br />
Die wesentlichen Inhalte zum Erwerb katastrophenmedizinischer Kenntnisse sind<br />
in die Weiterbildung zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen zu integrieren.<br />
Es wird ein 120 stündiges Curriculum vorgeschlagen, das im Rahmen<br />
einer dreiwöchigen intensiven katastrophenmedizinischen Basisausbildung zum<br />
einen die Anforderungen aus der Literatur an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />
abdeckt, zum anderen aber auch die schwerpunktmäßig von den Ärzten im<br />
ÖGD geforderten Weiterbildungsinhalte berücksichtigt.<br />
Nach unseren Untersuchungen sind die Ärzte im ÖGD an einer umfassenderen<br />
beruflichen Ausbildung für den Katastrophenfall interessiert und auch bereit, eine<br />
solche zu absolvieren. Nationale und wünschenswert auch internationale Akademien<br />
müssen Wissen zur medizinisch-organisatorischen Katastrophenbewältigung,<br />
das auf das Aufgabenprofil der Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall zugeschnitten<br />
ist, vermitteln.<br />
36
3.6 Konzepte zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte<br />
im Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Planung, Vorbereitung<br />
und Praxis der Katastrophenabwehr<br />
Jeder Arzt im ÖGD besitzt ein allgemeines katastrophenmedizinisches Basiswissen,<br />
das im Studium, während der Facharztweiterbildung sowie in entsprechenden<br />
katastrophenmedizinischen Fortbildungsmöglichkeiten erworben worden ist. Für<br />
die Bewältigung von Katastrophen, Großschadensereignissen und speziellen Situationen<br />
sind weiterführende Informationen abrufbar. Der Arzt im ÖGD weiß um<br />
diese Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und kann diese nutzen. Als Informationsquellen<br />
werden zum einen lokal im Gesundheitsamt eine jederzeit verfügbare<br />
Wissensdatenbank bereitgestellt und zum anderen werden Anlaufstellen für<br />
den Arzt im ÖGD in vorhandenen und zu etablierenden Wissenszentren mit besonderen<br />
Kompetenzen als Ansprechpartner für weiterführendes professionelles Spezialwissen<br />
eingerichtet. Durch den Erwerb katastrophenmedizinischer Basisqualifikationen<br />
von allen Ärzten im ÖGD wird erzielt, dass grundsätzlich jeder Arzt<br />
im ÖGD im Bedarfsfall innerhalb eines festen Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienstes<br />
gewisse, bei einer Katastrophe erforderliche Basisaufgaben in<br />
ihren Grundzügen übernehmen kann. Art und der Umfang eines solchen Trainings<br />
sollten vom Aufwand des zu vermittelnden Wissens und von den Anstrengungen,<br />
die der Arzt für diese Ausbildung investieren müsste, in der Wirklichkeit als Rahmenmodell<br />
implementierbar sein. Die Quellen, die zur Informationsschöpfung für<br />
den Arzt im ÖGD geschaffen werden müssen, sollten als weiterführende Auskunftsmöglichkeiten<br />
dienen und ein aktualisiertes Basiswissen, Hintergrundwissen<br />
und bei speziellen Fragestellungen spezifische Erkenntnisse zur Findung von<br />
Problemlösungen anbieten. Hierdurch sollte jeder Arzt im ÖGD der Situation<br />
angemessen im jeweiligen Fall reagieren können.<br />
Als organisatorische Struktureinheit dieser spezifischen Katastrophenabwehr wird<br />
für die Bereiche Freisetzung radioaktiver Substanzen, Freisetzung biologischer<br />
(Kampf-)Stoffe, Freisetzung chemischer Schad-/Kampfstoffe sowie Management<br />
von hochkontagiösen Erkrankungen jeweils die bundesweite Schaffung von<br />
„Kompetenzzentren“ empfohlen, die durch ein übergeordnetes Netzwerk koordiniert<br />
werden.<br />
4. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
Als Ergebnisse der sehr ausführlichen Untersuchungen können folgende Schlussfolgerungen<br />
bzw. Empfehlungen ausgesprochen werden:<br />
• Nach Analysen der Gesetzeslage besteht keine Notwendigkeit zur Änderung<br />
der Katastrophenschutzgesetze hinsichtlich der Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes. Sowohl eine implizite Einbindung in den meisten<br />
Bundesländern als auch die explizite Einbindung in einigen wenigen Bundesländern<br />
kann für die Lösung der anstehenden verbesserten Einbindung des<br />
ÖGD als ausreichend bewertet werden. Als Empfehlung kann vorgegeben werden,<br />
bei einer anstehenden Neufassung der Katastrophenschutzgesetze eine<br />
explizite Einbindung des ÖGD analog zum Gesetz über den Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst in Sachsen-Anhalt vorzunehmen.<br />
37
• De facto ist die Einbeziehung der Ärzte im ÖGD in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland z.Z. nur<br />
situationsadaptiert und bedarfsorientiert. Eine feste Einbindung besteht in<br />
geringem Umfang. Die Integration des ÖGD in Katastrophenpläne ist für spezifische<br />
Situationen, wie das Auftreten einer Seuche, hochkontagiöser Infektionen<br />
von Einzelpersonen und amtlich festgestellte Katastrophen, meistens<br />
zwar etabliert, eine explizite Implementierung ist jedoch zu fordern.<br />
• Eingehende Kenntnisse und Erfahrungen besitzen die Ärzte des ÖGD nach<br />
unseren Untersuchungen nur für Seuchenfälle. Die unmittelbare Einbindung<br />
des ÖGD bei spezifischen Situationen, wie zum Beispiel dem Ausbruch von<br />
Seuchen oder bei Bioterrorismus, ist jedoch unabdingbar. Die Kenntnisse des<br />
ärztlichen Personals im ÖGD in den Bereichen Unfälle mit chemischen und<br />
radioaktiven Stoffen müssen deutlich erweitert werden. Eine große Diskrepanz<br />
besteht zwischen dem tatsächlich vorhandenem Wissen und dem Wunsch nach<br />
tiefergehenden Kenntnissen. Das ärztliche Personal im ÖGD erkennt den<br />
bestehenden Fortbildungsbedarf sehr wohl und signalisiert Bereitschaft,<br />
zusätzliche Fortbildungen zu absolvieren.<br />
• Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten durch die Integration der Ärzte<br />
im ÖGD vor allem Informationen zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen<br />
und organisatorischer Bewältigung von A-, B-, C- und Seuchenfällen,<br />
diese Erwartungen können die meisten Ärzte im ÖGD bedingt durch den derzeitigen<br />
Wissensstand jedoch nicht bieten.<br />
• Die Katastrophenschutzbehörden müssen in ihre Katastrophenpläne und vorbereitenden<br />
Maßnahmen zur Katastrophenabwehr die Gesundheitsämter verbindlich<br />
unter definierten Kriterien integrieren (z.B. Rufbereitschaftspläne,<br />
Festlegung von konkreten Alarmierungsplänen). Alarmierungspläne sollten das<br />
real existierende Gefahrenpotenzial in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen<br />
besonders berücksichtigen. Anhand der Einsatzpläne muss die genaue vertikale<br />
und horizontale Einbindungsstruktur sowie Weisungskompetenz geregelt<br />
werden.<br />
• Es gilt in entscheidendem Umfang, die tatsächlichen katastrophenmedizinischen<br />
Kenntnisse der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu steigern.<br />
Hierfür müssen Konzepte und Modellstrukturen zur Verbesserung der studentischen<br />
Ausbildung und der Weiterbildung für den Facharzt für das Öffentliche<br />
Gesundheitswesen sowie zur Verbesserung der Sachkompetenz der<br />
momentan im ÖGD tätigen Ärzte entwickelt werden.<br />
• Ein wissensbasiertes Management innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />
ist unabdingbar. Es beinhaltet die Einrichtung nationaler Wissenszentren mit<br />
spezifischen Aufgaben (A-, B-, C- und Infektabwehr) mit ständiger Erreichbarkeit,<br />
sowie die Schaffung „vor Ort“ anwendbarer Wissensdatenbanken und<br />
Expertensysteme mit ÖGD-spezifischen Gefahrenabwehr-Modulen.<br />
• Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, erscheint uns<br />
zudem die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr<br />
mit direkter Einbindung der Ärzte des ÖGD zur Vorsorge und zum Schutz der<br />
Bevölkerung bei Katastrophen empfehlenswert.<br />
38
Summary<br />
Investigation of the Integration of the German<br />
Public Health Service into the Medical Care for<br />
Catastrophe Preparedness and Response in the<br />
Federal Republic of Germany<br />
Prof. Dr. med. E. Pfenninger; Dr. med. S. Himmelseher<br />
1. Introduction<br />
Recent aspects of the contemporary worldwide scenario with the possibility of global<br />
terrorist attacks demand that some risks with hazardous potential which had<br />
almost been considered as acceptable must be reevaluated as very threatening.<br />
Since September, the 11 th , 2001, at the latest, concerns surrounding catastrophes<br />
are permanent.<br />
In times of peace, it is the task of the individual German State (Deutsches Bundesland)<br />
to prepare for, detect and prevent dangerous incidents and injuries that could<br />
cause disaster, disease and deaths in sufficient numbers to gravely impact the civilian<br />
population or a region, such as in a catastrophe (individually regulated by catastrophe<br />
prevention legislation of each German State). In times of war, the task<br />
of Civil Defense and Civil Protection is performed nationwide by the Federal<br />
Republic of Germany as a union (regulated by Federal Civil Defence legislation).<br />
“Catastrophe Prevention” includes all efforts of the German States to prevent,<br />
respond, manage, contain and overcome catastrophes and their consequences. The<br />
new federal act “Re-Regulation of the German Civil Defence Act“ of March, 25 th ,<br />
1997 (updated by the budget containment act of December, 22 nd , 1999) reformed<br />
the tasks of civil defence and civil protection for administrative institutions and<br />
public and private relief agencies.<br />
The German Public Health System (Deutsches Öffentliches Gesundheitswesen)<br />
aims at maintaining the health of the German population by means of health protection,<br />
disease control, and containment of health threats. Article 74 of the German<br />
Constitution (Deutsches Grundgesetz) describes as important areas of public<br />
health service’s responsibility all precautions and measures against publicly dangerous<br />
and infectious diseases for human beings and animals, Public Health Care,<br />
and protection as well as defence against dangers of radioactive and ionizing<br />
incidents. The German Public Health Service (GPHS, Deutscher Öffentlicher<br />
Gesundheitsdienst) is part of the German Public Health System and performs its<br />
tasks in various state departments. The GPHS is located in state health authorities,<br />
in local district authorities, and in regional health authorities and district-free city<br />
health authorities.<br />
39
2. Objective of Research Project<br />
This research project aimed at investigating the integration of the GPHS into the<br />
plans for civil defence and protection as well as catastrophe prevention of the<br />
Federal Republic of Germany. Following a comprehensive analysis of the current<br />
situation, potential proposals for an improved integrative approach should be presented.<br />
In view of the lack of topics relevant for medical care in disaster medicine<br />
in educational curricula and training programs for medical students and postgraduate<br />
board programs for public health physicians, a working group of the Civil<br />
Protection Board of the German Federal Ministry of the Interior already<br />
complained in their “Report on execution of legal rules for protection and rescue<br />
of human life as well as restitution of public health after disaster” in 1999, that the<br />
integration of the GPHS into catastrophe and disaster prevention programs has<br />
insufficiently been solved.<br />
On a point-by-point approach, our project analysed the following issues:<br />
• Legislative acts for integration of the German Public Health Service into medical<br />
care in catastrophes and disasters to protect the civilian population of Germany<br />
and their implementation and execution<br />
• Administrative rules and directives on state and district levels that show relationship<br />
to integration of the German Public Health Service into preparedness<br />
programs for catastrophe prevention and management and their implementation<br />
and execution<br />
• Education and postgraduate training options for physicians and non-physician<br />
employees of the German Public Health Service to prepare for medical care in<br />
catastrophes and disasters<br />
• State of knowledge and experience of the German Public Health Service personnel<br />
in emergency and disaster medicine<br />
• Evaluation of the German administrative catastrophe prevention authorities<br />
with regard to their integration of the German Public Health Service into preparedness<br />
programs for catastrophe prevention and management<br />
• Development of a concept to remedy the identified deficiencies in catastrophe<br />
and emergency physician training and in the educational programs for professional<br />
employees in the German Public Health Service to allow for a better<br />
integration of both groups into emergency and disaster medical care<br />
3. Methods and Results<br />
3.1 Legal Situtation<br />
A comprehensive analysis and profound commentary on Germany’s Federal acts<br />
and the acts of each German State has been worked out. The information obtained<br />
was synthesized in a synoptic listing of all relevant acts, administrative rules, and<br />
directives identified with their sources indicated. In a closing summary, conside-<br />
40
ations for drafts for conclusions valid for all German states were made and were<br />
connected with cautious perspectives for potential consequences for the German<br />
legislation and the executing administration.<br />
The results of our analysis indicate that based on the currently valid catastrophe<br />
prevention and health service acts the tasks of catastrophe prevention can be completely<br />
fulfilled. Where there is lack of explicit wording in the acts – and this is<br />
the regular case – reactions in the sense of clear wording to the letter should not<br />
be demanded. This would only lead to an unnecessary legislative over-expansion<br />
through over-regulation; such a development, however, would be contrarily to all<br />
repeated efforts of de-regulation. In favour for the fact that the existing acts do not<br />
have deficits, the following must be taken into consideration: in the catastrophe<br />
prevention acts of the German States, authorizations to enact administrative rules<br />
and directives can only be found sporadically, and where it is the case, they are<br />
not specifically related to a topic (e.g., see § 43, part 1, No. 1, LBKG (catastrophe<br />
prevention act of the State Rheinland-Pfalz). From the legislative body’s viewpoint,<br />
this indicates also that there is no need for a more intensive regulation, even<br />
with regard to the executive. The formal acts are regarded to be dedicated and sufficient;<br />
everything else can be regulated on an operational level, i.e. by means of<br />
administrative and organisational measures through executive ways. Thus, all<br />
goals must be achieved through fulfilment and execution of the existing acts in the<br />
sense of their true meaning, and – protected by law – can be accomplished.<br />
As a conclusion – shortened as a thesis – the following recommendation for future<br />
direction is made: Comprehensive use of all options of the existing acts precedes<br />
the creation of further new acts or a change of existing acts.<br />
3.2 Matters of Education and Training of Physicians and Non-Physician<br />
Professionals in the German Public Health Service<br />
All current curricula from the obligatory educational study programs for physicians<br />
in medical schools and postgraduate training programs for the boards of<br />
public health physicians were systematically evaluated for items related to preparedness,<br />
response, and containment of catastrophes and disasters. The evaluations<br />
were based on the official German “Item Catalogue of the Institute for Medical<br />
and Pharmaceutical Questions for Examinations” for medical students and on the<br />
official educational Guidelines of the German Federal Board of Public Health Physicians<br />
for public health physicians. Additionally, the obligatory 6-months school<br />
course during the training for public health physicians in Germany was evaluated<br />
for aspects relevant for catastrophe and disaster medicine. With regard to facultative<br />
educational options, the teaching programs of the German Teaching and Research<br />
Academies for Public Health in Berlin, Duesseldorf, Munic, and Schwerin<br />
as well as the programs of the Academy for Crisis Management, Emergency Planning<br />
and Civil Defence in Ahrweiler were assessed.<br />
41
Physicians<br />
All parts of medical school and postgraduate training programs contain singular<br />
aspects relevant for catastrophe and disaster medicine, but it is impossible to recognize<br />
any structured concept behind this. Two- or three-h lectures make up a fractional<br />
amount of all training; many urgently needed topics from an educational<br />
point of view have not even been mentioned. There is no training of practical skills<br />
and applicable knowledge, let alone be instructional training sessions in simulated<br />
scenarios.<br />
That knowledge, which should necessarily be available for a successful management<br />
of catastrophes in cooperation with other institutions, administrative bodies,<br />
etc. has been listed – if at all- only as a facultative, voluntary optional training.<br />
Throughout all stages of medical education, there is no transparency with regard<br />
to responsibility limits and potential overlapping or cutting points with other medical<br />
relief agencies; it is also impossible to spot any training for priorities or hierarchical<br />
orders in the German Public Health System in case of a catastrophe or<br />
disaster. Logistic operating, strategic proceeding, coordinated acting, and communicative<br />
skills are no subject of teaching. Whether the newly designed study for<br />
the degree of a master of “Rescue Engineering” may establish itself and whether<br />
occupational competence for catastrophe and disaster medicine will be generated,<br />
cannot yet be decided.<br />
Non-Physician Professionals<br />
As a starting base, the non-physician professionals of the German Public Health<br />
departments build up an absolutely inhomogeneous group with various occupations<br />
that have multiple distinguished essentials of educational training and occupational<br />
skills. Varying according to location of training, occupational and facultative<br />
mainstays of education, and the specialization within the public health<br />
system, the teaching of matters relevant for catastrophe and disaster medicine is<br />
differently appreciated and realized. It is impossible to recognize any education<br />
for catastrophe or disaster medicine in the sense of a broadly structured concept<br />
for one professional group or all groups participating in public health service activities.<br />
3.3 Evaluation of Physicians of the Lower German Public Health Service<br />
Authorities for Knowledge Relevant in Catastrophe and Disaster<br />
Medicine<br />
To evaluate the knowledge and notion of the physicians who are or should be<br />
responsible for matters relevant for catastrophe medicine in the GPHS, a questionnaire<br />
was developed at the University Hospital of Ulm, Department of Anesthesiology.<br />
The survey requested information about three main complexes of topics<br />
relevant for catastrophe and disaster medicine:<br />
• Occupational training of physicians working in the GPHS<br />
(medical school, postgraduate training),<br />
42
• Knowledge of catastrophe and disaster medicine and its source,<br />
• Opinions and perspectives.<br />
The set of questions had been set up according to profiles for public health service<br />
physicians as requested in the literature. After approval and consensus agreement<br />
on study procedures and the survey by the German City Council and the German<br />
District Council, the questionnaire was mailed to all lower public health service<br />
authorities of the Federal Republic of Germany (number n = 429) at the<br />
beginning of Mai 2001. All responses were processed anonymously.<br />
Overall, responses were received from n = 339 of 429 contacted lower PHS authorities<br />
of the Federal Republic of Germany (79%). Respondents report that 91% of<br />
the GPHS physicians who are responsible for catastrophe and disaster medicine<br />
are board-qualified public health service physicians, 22% have completed a training<br />
in emergency and rescue service, and 4% participated in a training program<br />
for the leading emergency physician. Almost two-third of the GPHS physicians<br />
indicate that they are already involved in catastrophe and disaster medicine preparedness<br />
plans. They state that they gained their knowledge of medical topics<br />
relevant for catastrophe medicine while being educated in medical school. However,<br />
it has to be stressed here, that this knowledge is not specifically related to<br />
catastrophe and disaster medicine, but only related to skills for treatment of individual<br />
cases. The answers to the questionnaire also show that merely a very small<br />
part of the training for the boards of public health service physicians includes education<br />
in expert knowledge of catastrophe medicine (management of infectious<br />
disease in epidemics). Nevertheless, only a few items with relevance for catastrophes<br />
and disasters are subject of teaching. The survey also demonstrates that GPHS<br />
physicians are well aware of the problem of their integration into catastrophe preparedness<br />
and management plans. They recognize their clear need for special<br />
catastrophe preparedness training and explicitly state wishes for particular teaching<br />
sessions (mainly in catastrophe response tactics, epidemic infectious disease<br />
containment, management planning of incidents with transports of hazardous<br />
material).<br />
3.4 Evaluation of the Lower Catastrophe Prevention Authorities for<br />
Integration of German Public Health Service Physicians into Preparedness<br />
Planning of Medical Care for Catastrophes and Disasters<br />
To evaluate the administrative authorities and officers who are responsible for catastrophe<br />
prevention (catastrophe prevention officers) a questionnaire survey was<br />
developed in cooperation with the German City Council and the German District<br />
Council again, that addressed three main complexes of topics:<br />
• Current state of integration of the GPHS physicians into catastrophe preparedness<br />
and response planning,<br />
• Expectations of catastrophe prevention officers towards GPHS physicians,<br />
• Identification of problems and proposals to solve these.<br />
43
The questionnaire was mailed to all lower catastrophe prevention officers of the<br />
Federal Republic of Germany (number n = 438) at the end of August 2001. All<br />
responses were processed anonymously.<br />
Overall, responses were received from n = 338 contacted catastrophe prevention<br />
officers. With regard to integration of GPHS physicians into their catastrophe preparedness<br />
plans, 12 (3.5 %) districts and cities report that they do not have any<br />
integration of the GPHS physicians. The most frequent way of integration is indicated<br />
as integration into management of individual cases with 50.6 % of answers.<br />
A permanent integration into all catastrophe preparedness and notification plans<br />
or the existence of an on-call protocol for GPHS physicians is reported by only<br />
19.6 % resp. 12.8 % of respondents.<br />
The current integration of the GPHS physicians into the catastrophe prevention and<br />
preparedness plans is centered mainly around situations of epidemic infectious<br />
diseases, with special plans for diseases of individual patients and officially<br />
acknowledged catastrophes. Almost 60 % of respondents indicate experiences in<br />
concerted and coordinated actions with GPHS physicians during simulated scenarios<br />
or real disaster management. This cooperation is judged as very good in 44 –<br />
56% by respondents. With regard to the integration of the GPHS physicians into<br />
the medical care in catastrophes and disasters, the catastrophe prevention officers<br />
primarily expect comprehensive information about symptoms, therapeutic measures,<br />
and organisational responses to cope with radioactive, biological, chemical,<br />
and epidemic infectious disease incidents. The catastrophe prevention officers also<br />
wish to receive general pieces of medical information as well as information about<br />
strategic plans for management procedures within the lower public health service<br />
authorities from the GPHS physicians. According to the opinion of the catastrophe<br />
prevention officers of the districts and district-free cities, training in catastrophe<br />
and disaster medicine should be massively strengthened within the postgraduate<br />
education for the boards of public health service physicians.<br />
3.5 Concepts for an Improved Training and Postgraduate Education of<br />
Physicians in the German Public Health Service<br />
To enhance the knowledge and skills relevant for medical care in catastrophes and<br />
disasters within the German public health service, a modular training concept with<br />
teaching contents of catastrophe medicine is proposed. It consists of the following<br />
modules:<br />
• Medical school<br />
• Postgraduate education for the boards of public health physicians<br />
• Facultative training<br />
• Personal, self-motivated gain of information<br />
In medical school, a long-lived and effective solution can be achieved by implementation<br />
of an independent lecture series on “Catastrophe Medicine”. Here, the<br />
44
asics of medical, operative, and legal issues which are essential for catastrophe<br />
and disaster preparedness and response should be taught.<br />
It is an absolute necessity to integrate the main contents of catastrophe and disaster<br />
medicine into the postgraduate education for the boards of public health care<br />
physicians. A 120-h program curriculum is proposed that should be taught within<br />
a three-week period as intensive training in all basic aspects of catastrophe and<br />
disaster medicine described as essential in the literature, but also including special<br />
instructions that were independtly requested by the GPHS physicians.<br />
According to the data of our survey, the GPHS physicians are very much interested<br />
in a more comprehensive professional training program for catastrophe preparedness,<br />
and they are willing to go through it. National and – wishfully as well international<br />
– academies must supply public health service physicians with contents<br />
of knowledge and experience needed for operative and medical management of<br />
catastrophes so that tailored responses of the public health service physicians in<br />
case of incidents become feasible.<br />
3.6 Concepts for an Expansion of Physicians’ Competence in the<br />
German Public Health Service for Planning, Preparedness, and<br />
Procedures in Response to Catastrophes and Disasters<br />
Every GPHS physician holds a generally valid knowledge of the basics of catastrophe<br />
and disaster medicine, gained in medical school, postgraduate education for<br />
the boards and adequate optional training. To immediately manage catastrophes,<br />
disasters, major damaging incidents and specific situations, further information is<br />
easily accessible. The GPHS physician knows the possible locations and devices<br />
for rapid knowledge gain and is capable of using them. On one hand, as a source<br />
of information, a local knowledge data bank is provided in every public health service<br />
communal building. On the other hand, offices of contact will be set up in<br />
existing centres of excellence for expert knowledge and in specific centres with<br />
special competences to be established that will serve as partners to ask for advice<br />
and further guiding professional expert knowledge. By means of qualifying all<br />
GPHS physicians in catastrophe and disaster medicine basics, it is achieved that<br />
in case of need every GPHS physician may carry out certain first, in the incident<br />
of a catastrophe necessary, broad-scale principle tasks within a permanent on-call<br />
or out-of-house on-call schedule. With regard to the basic skills and capabilities<br />
to be taught and the efforts every GPHS physician would have to undertake to participate<br />
in such a basic response training program, both program fashion and extent<br />
should be within realistic possibilities to be implemented as a frame model. The<br />
offices of contact for gain of information that would have to be created for the<br />
GPHS physician should serve as further guiding information resources and should<br />
provide current basics of knowledge, background knowledge and – in case of special<br />
questions – should supply specific experience and recommendations to find<br />
out problem solutions. Thus, every GPHS physicians should be capable of responding<br />
in an appropriate way in a specific situation.<br />
45
As a structure for the organisational units of the specific catastrophe and disaster<br />
response centres, the federal establishment of “centres of competence” that are<br />
coordinated by an extra-regional network is recommended for incidents with<br />
radioactive, biological and chemical (warfare) substances and the management of<br />
highly infectious diseases, respectively.<br />
4. Conclusions and Recommendations<br />
Resulting from our very comprehensive investigations, the following final conclusions<br />
and recommendations can be put forth:<br />
• According to analyses of the German States’ legislation, there is no need to<br />
alter the catastrophe prevention acts with regard to integration of the public<br />
health service into catastrophe and disaster preparedness and response. Both<br />
the implicit integration in most of the German States and the explicit integration<br />
in a few German States may be regarded as sufficient base for the improved<br />
integration of the German Public Health Service to come. As a recommendation<br />
in case of new formulation of catastrophe prevention acts it may be<br />
proposed to explicitly integrate the GPHS in analogy to the act of the State<br />
Sachsen-Anhalt.<br />
• De facto has the integration of the physicians of the GPHS into the medical<br />
care for catastrophe and disaster preparedness and response only been realized<br />
with the purpose to adapt to particular situations and to be orientated for particular<br />
needs. A close integration exists only on a small scale. The integration<br />
of the public health service into catastrophe preparedness plans has been established<br />
only for specific situations, such as for the incident of an epidemic with<br />
infectious diseases, for the case of a highly contagious disease in a single person<br />
and for officially acknowledged catastrophes; nevertheless, an explicit<br />
implementation has to be demanded.<br />
• According to our studies, the physicians of the GPHS hold profound knowledge<br />
and experience only for an epidemic incident with infectious diseases.<br />
The direct integration of the public health service into specific situations, such<br />
as e.g., in case of an epidemic with an infectious disease or bio terrorism, is<br />
however, indispensible. The capabilities of the physician employees in the<br />
GPHS must be strongly enhanced in the fields of incidents with chemical and<br />
radioactive agents. There is a huge discrepancy between the actual existing<br />
knowledge and wishes for more profound skills. The physician employees of<br />
the GPHS recognize their need for further training indeed and indicate willingness<br />
to go through additional training programs.<br />
• The catastrophe prevention authorities must bindingly integrate the public<br />
health service into their catastrophe preparedness and response plans based on<br />
defined criteria (e.g., on-call schedules, protocols of concrete notification<br />
plans). Alarming plans should pay special attention to the real existing potentials<br />
of hazards in the respective city and district areas. The response plans must<br />
exactly regulate both the vertical and horizontal structure of integration and the<br />
hierarchical competences to enact orders.<br />
46
• There is an absolute necessity to enhance the capabilities and real knowledge<br />
of catastrophe and disaster medicine of the GPHS physicians in a broad extent.<br />
To reach this goal, concepts and model structures to improve the training in<br />
medical school and in the postgraduate education for the boards of public<br />
health service physicians as well as plans to extend the skills of the physicians<br />
currently working in the GPHS must be developed.<br />
• In the lower public health care authorities, management strategies based on<br />
knowledge are indispensable. This implies the establishment of national centres<br />
of excellent and expert knowledge with special tasks (response to radioactive,<br />
biological, and chemical incidents) which can permanently be reached<br />
around the clock as well as the creation of locally applicable knowledge data<br />
banks and expert systems with modules specifically designed for public health<br />
service.<br />
• As a durable solution directing towards the future, we think that the additional<br />
implementation of a national network structure with direct integration of the<br />
GPHS physicians to prepare and protect the German civil population in case<br />
of catastrophes and disasters is recommendable.<br />
47
Erfahrungen im Umgang mit Milzbrandvorfällen<br />
Jürgen Knobloch<br />
Bacillus anthracis ist ein Sporen bildendes, grampositives Stäbchenbakterium, das<br />
weltweit in Einzelherden, vorwiegend in Assoziation mit Nutztieren, als Zoonose<br />
vorkommt und gelegentlich auch epidemieartige Ausbrüche unter Menschen verursacht.<br />
Die jährliche Inzidenz des menschlichen Hautmilzbrandes wird auf 2000 Fälle<br />
geschätzt, die übrigen Krankheitsformen wie Lungen- und Darmmilzbrand sind<br />
sehr selten.<br />
Die Sporen des Erregers sind besonders gut biowaffentauglich, weil sie über Jahrzehnte<br />
resistent gegenüber Umwelteinfüssen bleiben können. Dabei begünstigen<br />
feuchte, alkalische, organisch und mit Kalziumverbindungen angereicherte Böden<br />
die Überlebensfähigkeit der Sporen. Zudem ermöglichen verschiedene Infektionswege,<br />
nämlich durch direkten Wund- oder Schleimhautontakt, inhalativ oder<br />
ingestiv, unterschiedliche Ausbringungsmöglichkeiten.<br />
Die Virulenz wird durch die Fähigkeit zur Kapsel- und Exotoxinbildung begünstigt.<br />
Die Bekapselung hemmt die Phagozytose der vegetativen Bakterien, begünstigt<br />
aber die Verbreitung der Sporen über Makrophagen im Wirtsorganismus. Die<br />
wesentlichen Gesundheitsstörungen werden durch die drei Toxine PA, LF und EF<br />
(protective antigen, lethal factor, edema factor) verursacht. Die Giftwirkung von<br />
LF und EF wird durch PA aktiviert. Die Immunisierung mit PA kann die Toxinaktivierung<br />
verhindern.<br />
Chronologie gezielter Infektionsversuche<br />
Seit 1914 wird Bacillus anthracis als Biowaffe eingesetzt, zunächst durch deutsche<br />
Streitkräfte gegen Viehbestände der Alliierten. Die Bakterien sind seitdem<br />
auch Bestandteil der Waffenarsenale Großbritanniens, Japans, der USA, der<br />
Sowjetunion und des Iraks.<br />
Ab 1940 wird Bacillus anthracis auf der Insel Gruinard durch britische Streitkräfte<br />
freigesetzt, wodurch die Insel bis 1990 unbewohnbar gemacht wird.<br />
Am 10. April 1972 wird die Biowaffen-Konvention unterzeichnet.<br />
Im April 1979 werden im Rahmen der Biowaffenproduktion versehentlich Bakterien<br />
in Jekatarienburg frei gesetzt. Es erkranken 77 bis 96 Personen, von denen 66<br />
bis 68 an Lungenmilzbrand sterben.<br />
49
Im Jahre 1993 gibt es mehrere erfolglose Anschläge mit Aerosolen durch die Aum<br />
Shinrikyo-Sekte in Japan.<br />
Im Jahre 1995 gibt der Irak die Munitionierung von Bomben und Raketen mit<br />
Bacillus anthracis zu.<br />
Am 6. Oktober 2001 stirbt mit Bob Stevens das erste Opfer der sog. Milzbrandbriefe<br />
in den USA.<br />
Bis November 2001 treten weitere 21 Fälle auf, die mit Bioterrorismus in<br />
Zusammenhang gebracht werden, insgesamt je zur Hälfte als Haut- und Lungenmilzbrand.<br />
Insgesamt sterben fünf Lungenmilzbrandpatienten.<br />
Am 13. März 2002 erkrankt ein Laborant in Texas an Hautmilzbrand, nachdem er<br />
verdächtige Proben untersucht hat.<br />
In Deutschland hat es keine nachgewiesenen Milzbrandanschläge gegeben. Die<br />
Verdachtsfälle sind ausnahmslos auf der untersten administrativen Ebene abgewickelt<br />
worden, indem typischerweise verdächtige Proben auf Anordnung des<br />
zuständigen Amtsarztes durch die Ortspolizei in ein behördliches Laboratorium,<br />
z. B. ein Landesuntersuchungsamt, verbracht wurde, wo die mikrobiologische<br />
Untersuchung als Dienstaufgabe wahr genommen wurde. Hierdurch sind ganze<br />
Abteilungen willkürlich für viele Wochen ganztägig beschäftigt und in ihren originären<br />
Aufgaben behindert worden.<br />
Informationsquellen<br />
Zur Zeit der ersten Anschläge des Jahres 2001 gab es in Deutschland nur den Leitfaden<br />
Katastrophenmedizin (BMI 2001) als offizielle Informationsquelle über<br />
Bacillus anthracis als Biowaffe. Mittlerweile gibt es zahlreiche, öffentlich zugängliche<br />
Informationen im Internet und im Schrifttum (Biederbick et al. 2002). Die<br />
Diskussion in entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen hat gezeigt, dass von<br />
den praktisch tätigen Ärzten überwiegend die vertrauten Wege des Seuchenschutzes<br />
benutzt werden, nämlich über das örtliche Gesundheitsamt und das Robert<br />
Koch-Institut.<br />
Zusätzlich gibt es auf Länderebene vereinzelt Handlungsanweisungen zum<br />
Schutz der Zivilbevölkerung vor sog. Milzbrandanschlägen. Hervorzuheben ist<br />
das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (BW) in Stuttgart, das sich für<br />
unmittelbar zuständig bei entsprechenden Verdachtsfällen erklärt hat. Das Innenministerium<br />
und das Sozialministerium von BW haben zudem ein gemeinsames<br />
Merkblatt entwickelt, in dem Polizei (Notruf 110) und das Gesundheitsamt als<br />
zuständig bei Verdachtsfällen angegeben werden.<br />
Vorbild der vielfältigen deutschen Empfehlungen und Leitlinien sind offenbar<br />
meistens die CDC Guidelines for State Health Departments. Hier werden zusätzlich<br />
noch Hinweise zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit Sensibilitätsangaben<br />
50
(z.B. Penicillin-Empfindlichkeit eines Isolats in Florida, daher PEP mit Amoxicillin).<br />
Bacillus anthracis-Isolate müssen in den USA unverzüglich an das State Public<br />
Health Laboratory gemeldet werden, das im 24-Stunden-Dienst verfügbar ist.<br />
Weiterhin gibt es detaillierte Anweisungen für den Probenversand.<br />
In Deutschland werden Handlungsanweisungen für den Umgang mit verdächtigen<br />
Proben durch Gremien des <strong>Zivilschutz</strong>es, der Bundeswehr und der Arbeitsgruppe<br />
für Seuchenschutz des Robert Koch-Instituts publiziert.<br />
Zukünftige Strategien<br />
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das 2001 das Bundesseuchengesetz (BseuchG)<br />
abgelöst hat, erleichtert durch ein verbessertes Meldewesen mit Falldefinitionen<br />
und Einbindung politischer und administrativer Instanzen die Seuchenbekämpfung.<br />
Die Wege zur Exekutive sind kürzer geworden, wie z.B. die Bereitstellung<br />
der in Europa noch verfügbaren Pockenimpfstoffdosen gezeigt hat. Es kann empfohlen<br />
werden, diese im Rahmen der Abwehr von gefährlichen importierten Erregern<br />
gewachsenen Strukturen auch für die Biowaffenabwehr zu nutzen.<br />
Die kürzlich der <strong>Schutzkommission</strong> vorgelegten Entwürfe (Geier 2002, BMI/AL<br />
O 2002) aus dem Innenministerium geben Einblicke in die politischen Konzepte<br />
im <strong>Zivilschutz</strong>. Es wird ein „strukturelles Gesamtkonzept“ vorgeschlagen, „dessen<br />
tragende Philosophie eine neue, von allen Partnern verantwortungsvoll gelebte<br />
Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen mit klar definierten<br />
Kompetenzen ist“. Auf über 50 Seiten ist hier vornehmlich von der Koordination<br />
von Zuständigkeiten auf der höheren Verwaltungsebene die Rede, was u.a. als<br />
„Philosophie eines neuen Denkens in der Gefahrenabwehr“ gefeiert wird. Ungeachtet<br />
der Frage, ob es sich hier tatsächlich um Philosophie handelt, wird deutlich,<br />
dass es noch keine Vorstellungen über die praktische Durchführung der vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen gibt, obwohl alle wesentlichen Aspekte prinzipiell<br />
berücksichtigt werden. Aus meiner Sicht unbedingt zu ergänzen wären die bereits<br />
existierenden Gremien unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsgruppe Seuchenschutz<br />
des Robert Koch-Instituts (RKI), das überhaupt unerwähnt bleibt.<br />
Unterstützenswert, hingegen, ist der Vorschlag, eine Task Force einzurichten, die<br />
im aktuellen Fall andere behördliche Einrichtungen entlasten kann. In diesem<br />
Zusammenhang wäre eine Erörterung der bisherigen Erfahrungen mit der schon<br />
seit Jahren bestehenden Task Force zur Bekämpfung von gefährlichen importierten<br />
Infektionen hilfreich, die noch nie eingesetzt oder auch nur angefordert worden<br />
ist, während eine durch das RKI aufgestellte Arbeitsgruppe (Zentrum für<br />
Infektionsepidemiologie) im Rahmen der aufsuchenden Epidemiologie bereits<br />
mehrfach erfolgreich in der Aufklärung bestimmter Krankheitshäufungen tätig<br />
geworden ist. In jedem Fall erscheint ein verstärkter Informationsaustausch des<br />
BMI mit dem RKI sinnvoll, insbesondere auch über praktische Aspekte wie Rekru-<br />
51
tierung, Stationierung, Finanzierung, Qualifikation und das Training solcher Task<br />
Force-Mitarbeiter.<br />
Unterstützenswert sind aus meiner Sicht auch die Vorschläge zu den „außergewöhnlichen<br />
Gefahren- und Schadenslagen“, für die mobile Module als Notfalldepots<br />
und Behandlungseinrichtungen gefordert werden. Sie sollten um mobile<br />
Detektionsanlagen zum Nachweis von Erregern und deren Produkte ergänzt werden.<br />
Die zivilmilitärische Zusammenarbeit und die Einbindung des Bundesgrenzschutzes<br />
werden kursorisch abgehandelt. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die<br />
Benennung der aktuellen Möglichkeiten dieser Einrichtungen. Insbesondere müsste<br />
geprüft werden, inwieweit die mobilen Einrichtungen des MedB-Schutzes der<br />
Bundeswehr für den <strong>Zivilschutz</strong> genutzt werden können.<br />
Insbesondere zeigen sich noch große Defizite in der praktischen und standardisierten<br />
Abwicklung von Schadens- und Verdachtsfällen, die bisher ganz wesentlich<br />
durch die Pressemedien bestimmt worden ist. Die bisherigen Erfahrungen zeigen,<br />
dass kontinuierliche Schutzmaßnahmen wegen der Seltenheit bioterroristischer<br />
oder -militärischer Ereignisse nicht angezeigt sind. Auch im aktuellen Verdachtsfall<br />
muss z.B. nicht für jede Probe das vollständige mikrobiologische Arsenal mit<br />
den begleitenden Schutzmaßnahmen ausgeschöpft werden. Es wird für den Regelfall<br />
vielmehr ausreichend sein, die Untersuchungsproben erst nach der Autoklavierung<br />
mit molekularbiologischen Methoden, z.B. PCR, im offenen Labor zu<br />
untersuchen. Für solche und ähnliche Handlungsanweisungen wäre es in jedem<br />
Fall notwendig, auch das praktisch tätige und nicht nur das administrative Personal<br />
mit einzubeziehen. Besonders für die medizinische Versorgungsstufe IV<br />
(exklusive medizinische Sonderversorgung) ist zu fordern, die administrativen<br />
Ebenen überschaubar zu halten.<br />
Eine besondere Beachtung verdienen auch die Aktivitäten der Verbündeten. Hier<br />
stellt sich für mich die Frage, ob Transparenz auf politischer und militärischer<br />
Ebene überhaupt beabsichtigt ist. Gegenwärtig werden solche Informationen ganz<br />
überwiegend von privaten Gruppen öffentlich gemacht, wie die <strong>Forschung</strong>santräge<br />
zur Entwicklung und Erprobung Material zerstörender Mikroorganismen zu<br />
offensiven Zwecken (Sunshine Project 2002). Es ist zudem wohl noch nicht entschieden,<br />
ob die Bundesregierung ein Zusatzprotokoll der Biowaffenkonvention<br />
notfalls ohne die USA und gegen den Widerstand der Amerikaner unterschreiben<br />
wird. Gegenwärtig ist mir auch völlig unklar, ob sich die Verbündeten Produkte<br />
von Neuentwicklungen im Bereich des MedB-Schutzes gegenseitig zur Verfügung<br />
stellen werden. Für den Milzbrand wäre dabei interessant, ob Deutschland eigene<br />
Wege in der Impfstoffherstellung gehen muss.<br />
Die biologischen Detektiossysteme sind hingegen in zeitgemäßer Form auch in<br />
Deutschland kommerziell verfügbar. Hier ist wohl mittelfristig den molekularbiologischen<br />
Methoden der Vorzug zu geben, die z.B. mit Hilfe der sog. Light Cycler-<br />
Technik für Toxine kodierende Gene innerhalb von Stunden nachweisen.<br />
52
Stellung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
Im November 2001 hat zwei Monate nach den Anschlägen vom 11. September in<br />
den USA die <strong>Schutzkommission</strong> ihren Zweiten Gefahrenbericht an die Bundesregierung<br />
übergeben. Bei dieser Gelegenheit hat Bundesinnenminister Otto Schily<br />
erklärt, „eine vorausschauende, wissenschaftlich begründete Gefahrenabschätzung<br />
und die Planung entsprechender Schutzmaßnahmen wie sie der Bericht der <strong>Schutzkommission</strong><br />
darstellt“ seien für das Sicherheitskonzept der Bundesregierung<br />
unverzichtbar. Die Bundesregierung werde sich bei der Erarbeitung eines entsprechenden<br />
<strong>Forschung</strong>skonzepts und bei der Neuordnung des Katastrophen- und<br />
<strong>Zivilschutz</strong>es auf die Beratung der Wissenschaftler stützen. Die <strong>Schutzkommission</strong><br />
und deren Analysen aus den Gefahrenberichten 1996 und 2001 sollen in die<br />
Neukonzeption eines nationalen Krisenmanagements verstärkt eingebunden werden.<br />
In den „Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung<br />
des <strong>Zivilschutz</strong>es“ vom 1. März 2002 wird die <strong>Schutzkommission</strong> nur<br />
im Zusammenhang mit dem Gefahrenbericht und dem Schutzdatenatlas erwähnt.<br />
Zukünftige Aufgaben werden nicht zugewiesen. Insbesondere sollte das BMI präzisieren,<br />
worin die im o.g. Entwurf angesprochene Koordination der <strong>Forschung</strong> im<br />
Einzelnen bestehen soll.<br />
Aus meiner Sicht könnte eine der Aufgaben der <strong>Schutzkommission</strong> darin bestehen,<br />
Leitfäden zum praktischen Handeln nach Vorbild des Leitfadens „Katastrophenmedizin“<br />
aufzustellen, um die praktisch arbeitenden Mitarbeiter des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
nicht im Gewirr der für Außenstehende nur schwer nachvollziehbaren<br />
höheren Weisungsebenen allein zu lassen.<br />
Schließlich sollte sich die <strong>Schutzkommission</strong> recht bald an einer praktisch orientierten<br />
Definition ihrer zukünftigen Aufgaben beteiligen.<br />
Literatur<br />
Anonymus: Biological warfare and terrorism: the military and public health<br />
response. U.S. Army, Public Health Training Network, Centers for Disease<br />
Control, Food and Drug Administration, Satellite broadcast, September<br />
21–23, 1999.<br />
Biederbick, W. et al.: Infektionen durch Bacillus anthracis. Deutsche Med Wochenschr<br />
127 (2002) 809-814<br />
BMI: Katastrophenmedizin. Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall.<br />
Bundesministerium des Innern, Berlin 2001<br />
BMI/AL O: Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland.<br />
Stand 21. Februar 2002<br />
53
CDC: Biosafety in the Microbiology Lab. www.cdc.gov/od/ohs<br />
CDC: Guideline for Isolation Precautions. www.cdc.gov/ncidod/hip<br />
CDC: Public Health Image Library. www.phil.cdc.gov<br />
CDC: Division of Laboratory Systems (DLS). www.phppo.cdc.gov/dls/default.asp<br />
CDC: Laboratory Protocols for bioterrorism response laboratories for the identification<br />
of Bacillus anthracis. CDC BT public web site: www.bt.cdc.gov<br />
Geier W: Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland –<br />
Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung<br />
des <strong>Zivilschutz</strong>es. Fortschreibung – Stand 01. März 2002<br />
Inglesby TV et al. Anthrax as a biological weapon: Medical and public health<br />
management (consensus Statement). JAMA, May 12. 1999; 281(18): 1735-<br />
1745.<br />
Sunshine Project: News Release - 8 May 2002<br />
WHO: Guidelines for the Surveillance and Control of Anthrax in Humans and<br />
Animals. www.who.int/emc-documents/zoonoses/whoemczdi986c.html<br />
54
Pharmakarückstände in Kläranlagen, Oberflächengewässern,<br />
Grundwasser und Trinkwasser<br />
Rolf-Dieter Wilken und Thomas Ternes<br />
1 Einleitung<br />
Wenigen ist bewusst, welche Mengen an Chemikalien sie bei ihrem täglichen<br />
Leben in die Umwelt abgeben. Reste von Pharmaka und von Personal Care Products,<br />
das ist deshalb ein Thema, mit dem sich neue Publikationen [1, 2], und<br />
damit auch die Verantwortlichen von Kläranlagen und Wasserwerken zu beschäftigen<br />
haben. Die Stoffgruppen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie<br />
sehr polar und somit gut wasserlöslich sind. Sie haben sich der Analytik entzogen,<br />
weil ihre Anreicherung und schließlich ihr Nachweis nicht einfach ist. In der Tabelle<br />
1 sind Mengen für die Stoffgruppen angegeben.<br />
Tabelle 1: Abgeschätzte verordnete Jahresmengen an Pharmaka in Deutschland [3]<br />
Substanzen Jahresmengen 1992 in<br />
Tonnen<br />
Lipidsenker<br />
Jahresmengen 1995 in<br />
Tonnen<br />
Bezafibrat 41–62 23–34<br />
Fenofibrat 10–14 12–18<br />
Etofibrat 12–21 5–9<br />
Etofyllinclofibrat 8 6<br />
Betablocker<br />
Metoprolol 25–50<br />
Propranolol 3–6<br />
Bisoprolol 0,4–0,8<br />
Bronchospasmolytika<br />
Fenoterol 0,4 0,5<br />
Salbutamol 0,1–2 0,1–2<br />
Terbutalin 0,05–0,7 0,05–0,7<br />
55
Substanzen Jahresmengen 1992 in<br />
Tonnen<br />
Antiphlogistika<br />
Jahresmengen 1995 in<br />
Tonnen<br />
Diclofenac 46–69 59–89<br />
Ibuprofen 53–105 70–140<br />
Indometacin 2–8 3–10<br />
Acetylsalicylsäure 20–100 14–69<br />
Acetaminophen 63–441 72–505<br />
Östrogene<br />
Estradiol 0,6 0,5<br />
Ethinylestradiol 0,002–0,005 0,006–0,015<br />
Antibiotika<br />
Erythromycin n.a. 4–20<br />
Roxithromycin n.a. 3–6<br />
Sulfamethoxazol n.a. 17–67<br />
Pharmaka weisen in Deutschland aufgrund des ausgedehnten Gesundheitswesens<br />
beträchtliche Anwendungsmengen auf [4]. Die verordneten Pharmaka gelangen in<br />
der Regel über die natürlichen Ausscheidungswege wie Urin oder Faeces in das<br />
Abwassersystem und können nach Passage der Kläranlagen die Oberflächengewässer<br />
erreichen. Aus pharmakokinetischen Studien ist bekannt, dass der überwiegende<br />
Teil der aufgenommenen Pharmaka nach Reaktionen in Phase I und/oder<br />
Phase II (Abbildung 1) metabolisiert ausgeschieden werden [5, 6]. Da diese Metabolite<br />
in der Regel eine höhere Polarität aufweisen als die Ausgangsverbindungen,<br />
ist zu erwarten, dass diese mit den üblichen Abwassertechniken auch schlechter<br />
eliminiert werden. Mit ihrem Auftreten in den Fließgewässern ist daher zu rechnen.<br />
56
Abbildung 1: Schematische Darstellung zum Metabolismus von Pharmaka<br />
Darüber hinaus können Industrieabwässer der Arzneimittelproduzenten zu einem<br />
Eintrag der Pharmaka in die Fließgewässer führen. Einige Pharmaka – wie die<br />
Kontrazeptiva oder die Antidiabetika – zählen zudem zu den endokrin (hormonell)<br />
wirksamen Verbindungen. In Abbildung 2 sind ausgewählte Pharmaka und einige<br />
potenziell endokrin wirksame Verbindungen gemeinsam dargestellt. Arzneistoffe<br />
wie die Kontrazeptiva oder Antidiabetika werden in der Medizin aufgrund ihrer<br />
hormonellen Wirksamkeit gezielt eingesetzt. Für die meisten Pharmaka sind im<br />
Rahmen ihrer medizinischen Anwendung keine endokrinen Wirkungen bekannt,<br />
wobei sie allerdings auch nicht schwerpunktmäßig endokrinen Testsystemen unterzogen<br />
wurden[7]. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich die<br />
Schnittmenge zwischen Pharmaka und endokrinen Substanzen (Abbildung 2) noch<br />
vergrößert. Neben den bekannten Industriechemikalien wie PCB, DDT oder den<br />
sog. Weichmachern wie Phthalate werden auch Phytoöstrogene oder natürliche<br />
Hormone zu den endokrinen Verbindungen gezählt.<br />
Abbildung 2: Pharmaka und endokrin wirksame Verbindungen<br />
57
Im Nahrungsmittelbereich sind natürlicherweise Flavonoide, Lignane, Indolcarbinole<br />
oder resorcyclische Laktone in beträchtlichen Konzentrationen vorhanden.<br />
Daidzein, ein Flavonoid, ist beispielsweise in Sojabohnen mit Konzentrationen<br />
von bis zu 1 g/kg Trockengewicht enthalten [8]. Flavonoide kommen in den Pflanzen<br />
vorwiegend glycosidisch gebunden vor; sie werden jedoch nach der Aufnahme<br />
rasch zu der freien aktiven Form transformiert. Die Ausscheidung über Harn<br />
und Faeces kann sowohl unverändert als auch in Form von Glucuroniden und Sulfat-Konjugaten<br />
erfolgen [9]. Da die Glucuronide und Sulfate durch Spaltung<br />
mittels Glucuronidasen bzw. Sulfatasen wiederum in den Ausgangsstoff zurückgebildet<br />
werden können [10, 9], ist mit einem verstärkten Auftreten im Abwasser<br />
und den als Vorfluter dienenden Fließgewässern zu rechnen.<br />
2 Exposition von Kläranlagenabläufen, Grundwasser,<br />
Fließgewässern, Trinkwasser<br />
2.1 Pharmaka<br />
2.1.1 Pharmaka in Kläranlagenabläufen<br />
In kommunalen Abwasserteilströmen wurden Konzentrationen von über 20 µg/l<br />
für einige Pharmaka quantifiziert. Die Passage einer kommunalen Kläranlage in<br />
der Nähe von Frankfurt führte zu unterschiedlichen Eliminationsraten, die von 7 %<br />
bis hin zu über 99 % reichten. Ein Großteil der untersuchten Pharmaka war jedoch<br />
in den Abläufen kommunaler Kläranlagen ubiquitär anzutreffen (siehe Abbildung<br />
3). In Abbildung 4 aus [3] sind die Konzentrationen einiger saurer Pharmaka in<br />
den Abläufen einer hessischen Kläranlage dargestellt. Es zeigte sich, dass diese<br />
Arzneistoffe in den Abläufen permanent über 12 Tage nachweisbar waren. Dies<br />
konnte auch für eine Vielzahl weiterer Arzneistoffe wie beispielsweise Betablocker,<br />
Makrolid-Antibiotika oder Carbamazepin nachgewiesen werden [3,11,12, 13].<br />
Der höchste Medianwert (2,1 µg/l) in Kläranlagenabläufen war für das Antiepileptikum<br />
Carbamazepin detektierbar. Nachweislich reichen die üblichen Abwassertechnologien<br />
nicht aus, um die Arzneistoffe vollständig aus dem Abwasser zu<br />
entfernen.<br />
58
Abbildung 3: Abbau von Pharmaka in einer Kläranlage<br />
Nach wie vor in der Diskussion ist die Erklärung für den zeitlichen Verlauf der<br />
Konzentrationen, der in der Abbildung 4 dargestellt ist. Abhängigkeiten der gemessenen<br />
Konzentrationen sind sicherlich in der Funktionsweise der Kläranlage zu<br />
suchen, die von der eingehenden Wassermenge (Regenereignisse) und der Jahreszeit<br />
abhängig ist. Andere Erklärungen können im jahreszeitlich unterschiedlichen<br />
Gebrauch der Pharmaka gesehen werden. Allerdings kann es in der Diskussion<br />
nicht darum gehen, das Verhalten genauer aufzuklären, sondern Maßnahmen der<br />
Vermeidung bzw. Verringerung zu diskutieren.<br />
59
Abbildung 4: Nachweis von sauren Pharmaka in den Abläufen einer kommunalen Kläranlage<br />
vom 12. – 24.5.95<br />
In den Fließgewässern bewegten sich die Pharmakakonzentrationen zwar größtenteils<br />
im ng/l-Bereich; vereinzelt wurden jedoch auch Spitzenwerte von über 1 µg/l<br />
gemessen.<br />
2.1.2 Pharmaka im Grundwasser<br />
Auch im Grundwasser, das aus infiltriertem Oberflächenwasser stammt, können<br />
Pharmakareste nachgewiesen werden. Ein Beispiel ist in Abbildung 5 gegeben.<br />
60
Abbildung 5: Pharmaka in Grundwasser<br />
2.1.3 Pharmaka in Fließgewässern<br />
Vor allem kleinere Bäche und Flüsse, die als Vorfluter von Kläranlagen dienen,<br />
wiesen hohe Konzentrationen auf. Aus nahezu allen mengenmäßig bedeutsamen<br />
Indikationsgruppen konnten in Oberflächenwässern Wirksubstanzen delektiert<br />
werden. In 30 untersuchten deutschen Fließgewässern konnten 25 Pharmaka und<br />
4 Metabolite in zumindest einer Probe nachgewiesen werden [3,12 ,14]. Die<br />
Medianwerte von 7 Pharmaka und dem Metabolit Clofibrinsäure lagen sogar über<br />
0,05 µg/l. Insbesondere zeigte sich, dass die Belastung der Gewässer vermutlich<br />
in engem Zusammenhang mit dem jeweiligen Abwasseranteil steht [12]. Vor allem<br />
in kleineren Vorflutern konnten hohe Konzentrationen nachgewiesen werden. In<br />
der Summe waren beispielsweise im Winkelbach, einem kleinen Bach im hessischen<br />
Ried, über 6 µg/l an Pharmakarückständen nachweisbar. Größere Fließgewässer<br />
wie der Rhein mit einem kommunalen Abwasseranteil von ca. 10-20 %<br />
wiesen in der Regel geringere Konzentrationen auf. Dies ist in Abbildung 6 dargestellt.<br />
Eine Vielzahl an Pharmaka ist aufgrund der vorliegenden Expositionsergebnisse<br />
vermutlich als ubiquitär verbreitete Umweltchemikalien einzustufen.<br />
61
Abbildung 6: Frachten an sauren Pharmaka im Rhein bei Mainz im Jahre 1996 (ermittelt durch<br />
14 Tagesmischproben)<br />
Auch in der Abbildung 6 kann der zeitliche Verlauf diskutiert werden, wie dies<br />
schon bei Abbildung 4 geschehen ist. Hinzukommen kann bei diesem Konzentrationsverlauf<br />
über ein ganzes Jahr auch eine veränderte Verschreibungspraxis der<br />
Ärzte, die neue Pharmaka berücksichtigen oder ihre Verschreibung auf andere<br />
Pharmaprodukte verändern.<br />
2.1.4 Pharmaka in Trinkwässern<br />
Auch in Trinkwasser können Pharmakareste in sehr geringen Konzentrationen<br />
nachgewiesen werden, wenn dieses Trinkwasser aus „wieder verwendetem“ Wasser<br />
hergestellt wird. In Wasser aus Oberflächengewässern, oder aus Grundwasser,<br />
das von Oberflächenwasser infiltriert wurde, ist das gewöhnlich der Fall.<br />
Eine Übersicht gibt Tabelle 2, wobei anzumerken ist, dass die Konzentrationen im<br />
ng/L-Bereich liegen, die Maxima für Pharmaka bei 70 ng/L, die Konzentrationen<br />
für Röntgenkontrastmittel (lopamidol, Diatrizoat, lopromid) bei 80 ng/L.<br />
62
Tabelle 2: Pharmakareste in Trinkwasser. (LOQ = Limit of Quantification)<br />
Substances LOQ in<br />
µg/L<br />
Number<br />
samples<br />
> LOQ<br />
Number<br />
samples<br />
> 0.010<br />
µg/L<br />
Median<br />
in µg/L<br />
90-Percentile<br />
in<br />
µg/L<br />
2.2 Endokrin wirksame Verbindungen (Östrogene, Phytoöstrogene)<br />
Maximum<br />
in<br />
µg/L<br />
Clofibric acid 0.001 16 of 30 6 0.001 0.024 0.070<br />
Ibuprofen 0.001 3 of 30 0 < LOQ 0.001 0.003<br />
Dicofenac 0.001 8 of 30 0 < LOQ 0.002 0.006<br />
Fenofibric acid 0.005 1 of 30 1 < LOQ < LOQ 0.042<br />
Bezafibrate 0.025 1 of 30 1 < LOQ < LOQ 0.027<br />
Phenazon 0.010 1 of 12 1 < LOQ < LOQ 0.050<br />
Carbamazepine 0.010 1 of 12 1 < LOQ < LOQ 0.030<br />
lopamidol 0.010 4 of 10 4 < LOQ 0.070 0.079<br />
Diatrizoate 0.010 5 of 10 5 0.021 0.075 0.085<br />
lopromide 0.010 1 of 10 1 < LOQ < LOQ 0.086<br />
Von den Kontrazeptiva und Östrogenen waren vor allem Estron und Ethinylestradiol<br />
in kommunalen Kläranlagenabläufen nachweisbar, wobei die Konzentrationen<br />
in der Regel unter 10 ng/l lagen. Inwieweit diese geringen Konzentrationen<br />
für die endokrinen Effekte verantwortlich sind, die in solchen Abläufen beobachtet<br />
wurden, muss noch experimentell verifiziert werden. In jedem Falle müssen die<br />
Konzentrationen der Östrogene denen der anderen potentiell endokrin wirksamen<br />
Verbindungen (Abbildung 2) gegenübergestellt werden, um die beobachteten<br />
Effekte eindeutig zuordnen zu können. Hormonell wirksame Verbindungen können<br />
in der Umwelt sowohl aus der Technosphäre (u.a. Agrarchemie, Pharmachemie)<br />
als auch aus der Biosphäre (u.a. pflanzliche Inhaltsstoffe) stammen [8].<br />
Besonders für das pflanzliche Steroid Beta-Sitosterol, das neben seinem natürlichen<br />
Vorkommen vor allem durch die Abwässer der Papierindustrie, aber auch<br />
über seine pharmazeutische Verwendung als Lipidsenker in die Umwelt gelangt,<br />
ist seit einigen Jahren eine endokrine Wirkung bekannt [15]. Für Beta-Sitosterol<br />
konnten wir zeigen [3], dass es in einer ausgewählten Kläranlage nur zu 58 % bis<br />
zu 0,4 µg/l und auch in Fließgewässern in Konzentrationen bis zu 0,05 µg/l nachweisbar<br />
war. Selbst in Trinkwässern waren vereinzelt positive Befunde mit bis zu<br />
0,06 µg/l bestimmbar.<br />
63
3 Bewertung der Ergebnisse<br />
Generell lässt sich feststellen, dass die hier dargestellten Stoffgruppen kontinuierlich<br />
in die Umwelt emittiert werden. Einige dieser Stoffe sind schlecht oder gar<br />
nicht in der Umwelt abbaubar. Diese können in der Umwelt akkumuliert werden.<br />
Obwohl bei vielen dieser Stoffe auch ein Abbau stattfinden kann, stellt sich durch<br />
den permanenten Eintrag eine „steady state“-Konzentration in der Umwelt ein.<br />
Umweltveränderungen stellen sich damit „schleichend“ ein und können nicht<br />
durch das Auftreten plötzlicher Effekte nachgewiesen werden. Deshalb ist auf<br />
diese Stoffe ein besonderes Augenmerk zu richten.<br />
Die wenigen in der Literatur beschriebenen ökotoxikologischen Daten stammen<br />
größtenteils von akuten Testsystemen [16]. Die akuten Toxizitäten der untersuchten<br />
Pharmaka liegen in der Regel im mg/l-Bereich, so dass die Substanzen nach<br />
diesen Tests als relativ untoxisch einzustufen wären. Aufgrund der bekannten<br />
spezifischen pharmakologischen Wirkungen von Pharmaka sind jedoch eher chronische<br />
Effekte zu erwarten. Die gegenwärtig zur Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
nach ChemG, PflSchG oder Biozidrichtlinie verwendeten ökotoxikologischen<br />
Standardtestsysteme wurden nicht für die spezifischen Wirkungen der Arzneimittelwirkstoffe<br />
entwickelt, so dass sie vermutlich auch deren Umwelttoxizität unzureichend<br />
wiedergeben [17]. Vielmehr müssen bestehende Testsysteme modifiziert<br />
oder neu entwickelt werden, um der Besonderheit der Arzneimittelwirkstoffe<br />
Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für die Erfassung der endokrinen Wirkungen<br />
von Stoffen. Die nächste Tabelle soll eine Einschätzung aller Verbindungen<br />
geben.<br />
Tabelle 3: Therapeutische Effekte durch Pharmakareste? (Diatrizoat ist ein Röntgenkontrastmittel,<br />
17α−Ethinylestradiol ist ein Kontrazeptivum)<br />
ESWE-Institute, IfW, TZW<br />
64<br />
Therapy<br />
Minimal daily dose<br />
(DD th ) ma/d<br />
Drinking water<br />
Maximal daily dose<br />
(DD DW ) µg/d<br />
Safety<br />
Factor<br />
Diatrizoat ca 30000 0.27 1,1x10 8<br />
Clofibric acid 250 0.81 1,1x10 5<br />
Bezafibrate 200 0.08 1,1x10 6<br />
Diclofenac 25 0.02 1,1x10 6<br />
Ibuprofen 200 0.01 1,1x10 7<br />
Fenofibric acid 100 0.13 1,1x10 6<br />
Carbamazepine 200 0.09 1,1x10 6<br />
17α-Ethinylestradiol 0.020 0.0015 1,1x10 4
Man kann also feststellen, dass die Pharmakareste keinen Effekt auf den Menschen<br />
haben, weil die therapeutischen Mengen um Größenordnungen höher sind als sie<br />
in Trinkwasser maximal vorkommen. Eine Besorgnis der Bürger ist deshalb nicht<br />
gerechtfertigt.<br />
Dennoch sind diese Verbindungen in Trinkwasser nicht erwünscht. Wir arbeiten<br />
an Verfahren, die ein Eindringen dieser Verbindungen in das Trinkwasser zuverlässig<br />
zu vermeiden helfen. Das EU-Projekt POSEIDON wird von uns koordiniert,<br />
was sich mit<br />
– den Quellen solcher Medikamente beschäftigt und diese schließen soll,<br />
– eine entsprechende Abwasseraufbereitung mit speziellen Mikroorganismen<br />
erarbeitet und<br />
– in der Trinkwasseraufbereitung durch Ozon- oder UV-Behandlung eine völlige<br />
Zerstörung dieser Verbindungen zu erreichen versucht.<br />
4 Literatur<br />
[1] Daughton, C G und Ternes, TA: (1999): Pharmaceuticals and Personal Care<br />
Products in the Environment: Agents of Subtle Change? Environ. Health<br />
Persp. 107, Supp. 6, 907-938.<br />
[2] Ternes, T, Wilken, RD (1999): Drugs and Hormones as Pollutants of the<br />
Aquatic Environment. Determination and Ecotoxicological Impacts. Sc. Total<br />
Environ. 225(1-2) 176 pp.<br />
[3] Stumpf, M., Ternes, Th.A., Haberer, K., Seel, P. und Baumann, W.(1996):<br />
Nachweis von Arzneimittelrückständen in Kläranlagen und Fließgewässern.<br />
Vom Wasser, 86, 291-303.<br />
[4] Schwabe U, Paffrath D (1996) Arzneiverordnungsreport ‘96 Aktuelle Daten,<br />
Kosten, Trends und Kommentare, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena.<br />
[5] Mutschler E (1996) Arzneimittelwirkungen, Lehrbuch der Pharmakologie<br />
und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart.<br />
[6] Forth W, Henschler D, Rummel W, Starke K (1996) Allgemeine und spezielle<br />
Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftsverlag Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich,<br />
6. Auflage.<br />
65
[7] Sumpter JP and Joblings S (1995) Vitellogenesis as a biomarker for estrogenic<br />
contamination of the aquatic environment. Environment. Health Perspect.<br />
103, 173-178.<br />
[8] Janssen I, Reichart I, Bunke D (1996) Phytoöstrogene und hormonell wirksame<br />
Umweltchemikalien: Vergleichende Bewertung. Öko-Institut, S. 70.<br />
[9] Franke AA, Custer LJ, Cerna CM, Narala K (1995) Rapid HPLC Analysis of<br />
Dietary Pytoöstrogenes from Legumes and from Human Urine. In: Proc. Soc.<br />
Exp. Med. Biol. 208. 18-26.<br />
[10] Adlerkreuz H, van der Wildt F, Kinzel J, Attalla H, Wähäla T, Hase T, Fotsis<br />
T (1995) Lignan and Isoflavonoid Conjugates in Human Urine. J. Steroid<br />
Biochem. 52. 97-103.<br />
[11] Hirsch R, Temes TA, Haberer K, Kratz, K-L (1996) Nachweis von Betablokkern<br />
und Bronchospasmolytika in der aquatischen Umwelt. Vom Wasser 87.<br />
263-274.<br />
[12] Ternes TA (1998) Occurrence of Drugs in German Sewage Treatment Plants<br />
and Rivers. Water Research, 32, 3245-3260<br />
[13] Hirsch R, Ternes TA, Haberer, K, Kratz K-L (1999) Occurrence of antibiotics<br />
in the aquatic environment. Science of the Total Environment, 225(1-2)<br />
109-118.<br />
[14] Temes TA, Stumpf M, Schuppert B, Haberer K (1998) Simultaneous determination<br />
of antispeptics and acidic drugs in sewage and river water. Vom<br />
Wasser, 90. 295-309<br />
[15] Römbke J, Knacker Th and Stahlschmidt-Allner P (1996) Studie über<br />
Umweltprobleme im Zusammenhang mit Arzneimitteln, F+E Vorhaben Nr.<br />
106 04 121, Umweltbundesamt, Berlin.<br />
[16] Halling-Sorensen B, Nielsen SN, Lanzky PF, Ingerslev F, Holten Lützhaft<br />
HC, Jorgensen SE (1998) Occurrence, fate and effects of pharmaceutical substances<br />
in the environment – A review. Chemosphere 36, 357-393.<br />
[17] Henschel KL, Wenzel A, Dietrich M, Fliedner A (1997) Environmental<br />
hazard assessment of pharmaceuticals. Regulatory Toxicol and Pharmacol 25,<br />
220-225.<br />
66
Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“ –<br />
Erfahrungen aus nationaler und internationaler<br />
Sicht<br />
International Emergency Exercise „JINEX 1“ –<br />
National and International Experiences<br />
Horst Miska<br />
Zusammenfassung<br />
In Fortführung der erfolgreichen Übungsreihe „INEX 2“, die von der OECD<br />
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) initiiert und<br />
betreut wurde, fand am 22./23. Mai 2001 die internationale Übung JINEX 1 statt.<br />
Neben 54 Staaten nahmen daran fünf internationale Organisationen unter Federführung<br />
der International Atomic Energy Agency (IAEA) teil. Die Auswertung der<br />
Übung hat gezeigt, dass die Nutzung der neuen Medien wie Web-basierte Datenübertragung<br />
den Informationsaustausch wesentlich beschleunigen und seine Qualität<br />
steigern kann, das Personal jedoch besser in die Nutzung dieser neuen Möglichkeiten<br />
einzuüben ist. Zudem ist die interne Organisation der Einsatzstäbe an<br />
den elektronischen Informationsaustausch anzupassen, um die Effizienz sicherzustellen<br />
und Fehler zu vermeiden.<br />
Summary<br />
In extension to the successful exercise series „INEX 2“ that was initiated and conducted<br />
by the OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development),<br />
the international exercise JINEX 1 took place from 22 nd to 23 rd of May, 2001. In<br />
addition to 54 nations, five international Organisation participated under the lead<br />
of IAEA. The evaluation showed that the use of new media like web-based data<br />
exchange is able to accelerate information exchange and to enhance its quality;<br />
however, personnel has to be trained more to make efficient use of these new possibilities.<br />
Moreover, the internal staff Organisation has to be adapted to electronic<br />
information exchange to insure overall efficiency and avoid mistakes.<br />
1. Einleitung<br />
In Mitteleuropa hat es bisher noch keinen schwerwiegenden Reaktorunfall gegeben,<br />
sodass Planungen zum Notfallschutz auf Modellannahmen beruhen müssen.<br />
Die Erfahrungen aus den Reaktorunfällen von Three Miles Island 1979 und<br />
Tschernobyl 1986 sind nicht unmittelbar auf unsere Verhältnisse übertragbar. Diese<br />
67
Unfälle und auch eine Reihe konventioneller Katastrophen haben jedoch gezeigt,<br />
dass eine gute Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg zur Sicherstellung<br />
eines angemessenen Schutzes für die Bevölkerung notwendig ist.<br />
Die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD hat sich daher zum Ziel gesetzt,<br />
durch Übungen und Workshops zur Verbesserung insbesondere des grenzüberschreitenden<br />
Notfallschutzes beizutragen. Seit 1991 ist die „Arbeitsgruppe Notfallschutz“<br />
(Working Party on Nuclear Emergency Matters) der OECD/NEA auf<br />
diesem Gebiet tätig und hat dabei die Übung „INEX 1“ als Planspiel für ein fiktives<br />
Kernkraftwerk vorbereitet und die Ergebnisse mit internationaler Beteiligung<br />
ausgewertet [l].<br />
Realistischere Möglichkeiten zur Überprüfung der Planungen bot die Übungsreihe<br />
„INEX 2“, bei der die allgemeinen Übungsziele<br />
– Entscheidungsfindung auf der Grundlage unvollständiger Informationen und<br />
unsicherer Angaben zum Anlagenzustand,<br />
– realer Informationsaustausch mit Hilfe bestehender Verbindungen und Absprachen,<br />
– Information der Öffentlichkeit und Wechselwirkung mit den Medien sowie<br />
– Verwendung von Realwetter für echte Vorhersagen<br />
verfolgt werden sollten. Jeder teilnehmende Staat konnte diesen Zielen eigene<br />
Schwerpunkte hinzufügen.<br />
In der INEX 2-Reihe gab es vier Übungen, bei denen die Schweiz (November<br />
1996), Finnland (April 1997), Ungarn (November 1998) und Kanada (April 1999)<br />
als Gastgeberland fungierten und einer geplanten, nationalen Übung den internationalen<br />
Aspekt hinzufügten. An den Übungen nahmen jeweils etwa 30 Staaten<br />
und drei bis fünf internationale Organisationen teil. Die Ergebnisse dieser Übungen<br />
[2] sowie eine Zusammenfassung [3] wurden von der OECD veröffentlicht.<br />
Weiterhin wurden von der Arbeitsgruppe und drei Untergruppen Empfehlungen zu<br />
„Kommunikation und Informationsaustausch im Notfall“, „Schlüsseldaten im Notfall“<br />
und „Messstrategien“ entwickelt und veröffentlicht [4].<br />
Zum Abschluss der Serie und zum Erproben der erarbeiteten Vorschläge wurde die<br />
Übung „INEX 2000“ geplant, für die Frankreich sich bereit erklärte, als Gastgeberland<br />
zu wirken. In der Zwischenzeit war von den internationalen Organisationen<br />
das Komitee IACRNA (Inter-Agency Committee on Response to Nuclear<br />
Accidents) gegründet worden, um die Aktivitäten zu koordinieren und ein „Joint<br />
Radiation Emergency Management Plan“ erarbeitet worden. Die Federführung des<br />
IACRNA, an dem weiterhin die WHO (Weltgesundheitsorganisation), WMO<br />
(Weltmeteorlogische Org.), UN-OCHA (UN-Büro zur Koordination humanitärer<br />
Fragen), FAO (UN-Org. für Nahrung und Landwirtschaft) sowie die EC (Europäische<br />
Kommission) beteiligt sind, obliegt der IAEA. Die OECD/NEA bildet unter<br />
diesen Organisationen eine Ausnahme, da sie nur eine Interessengemeinschaft von<br />
derzeit 27 Staaten bildet und in dieser Eigenschaft keine Pflichtaufgaben ihrer Mitglieder<br />
kennt. Dies hat es der Arbeitsgruppe auf der anderen Seite erleichtert, frei<br />
68
und ohne Zwang Vorschläge zu erarbeiten und die Teilnahme an Übungen anzubieten,<br />
während die übrigen Organisationen die Mitwirkung ihrer Mitglieder verlangen<br />
können.<br />
2. Vorbereitung der Übung<br />
Durch die Übernahme der Federführung durch IACRNA wurden die Vorbereitungen<br />
zur Übung, die nun JINEX 1 (Joint International Nuclear Emergency Exercise<br />
INEX 2000) genannt wurde, komplexer. Die übergeordnete Federführung<br />
schränkte die Möglichkeiten der OECD/NEA-Arbeitsgruppe ein, stellte auf der<br />
anderen Seite aber die Koordination mit allen Organisationen sicher. Das IACR-<br />
NA legte den Rahmen der Übung [5] fest und definierte die übergreifenden<br />
Übungsziele, welche von jedem Teilnehmer durch eigene Ziele ergänzt werden<br />
konnten.<br />
Aus der Erfahrung der früheren Übungen hat IACRNA die allgemeinen Übungsziele<br />
für JINEX 1 wie folgt festgelegt:<br />
– Überprüfung der bestehenden Verfahren zum Senden und Empfangen von<br />
Warnmeldungen und Notifikationen, von Folgeinformationen und zur Anforderung<br />
von Informationen oder Produkten,<br />
– Erprobung neuer Konzepte zum Notfallschutz (Notfallklassen, Formblätter zur<br />
Meldung nach EMERCON, Management von Schlüsseldaten, Internet-Technologie<br />
usw.),<br />
– Überprüfung der Fähigkeit internationaler Organisationen zur Herausgabe<br />
koordinierter Medienberichte und<br />
– Erprobung verschiedener Möglichkeiten der Lageabschätzung, der Beratung<br />
und der Entscheidungsfindung in der Nach-Freisetzungs-Phase.<br />
Die zusätzlichen Übungsziele der einzelnen Organisationen bezogen sich im<br />
Wesentlichen auf die Überprüfung interner Prozeduren, während die OECD/NEA<br />
folgende Ziele auf Grund der Erfahrungen aus INEX 2 definierte:<br />
– Überprüfung der Empfehlungen aus „Monitoring and Data Management Strategies<br />
for Nuclear Emergencies“ hinsichtlich der Effektivität der vorgeschlagenen<br />
Datenmatrix und der vorgeschlagenen Kommunikationsstrategien unter<br />
Verwendung neuer Medien,<br />
– Erprobung der Koordination von Medienberichten zwischen verschiedenen<br />
Teilnehmern,<br />
– Erprobung des Mechanismus zum Vollzug der Haftungskonventionen und<br />
– Überprüfung, inwieweit die Teilnehmer Lehren aus der Übungsreihe INEX 2<br />
umgesetzt hatten.<br />
Die Einladung zur Teilnahme an der Übung wurde von allen internationalen Organisationen<br />
an ihre nationalen Mitgliedsorganisationen, von der WMO beispielsweise<br />
an den DWD (Deutscher Wetterdienst) versandt; das Bundesministerium für<br />
69
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) erhielt als zuständige nationale<br />
Behörde Einladungen von der EC, der IAEA und der OECD.<br />
Abbildung 1: Lage des Kernkraftwerkes Gravelines<br />
Frankreich als Gastgeberland für die Übung hatte die Anlage Gravelines als Objekt<br />
der Übung vorgesehen. Das Kernkraftwerk liegt an der Kanalküste, etwa 20 km<br />
östlich von Calais (s. Abb. 1, Karte erstellt von der RODOS-Gruppe am FZK). Zur<br />
Vorbereitung auf ihre Aufgabe wurden die „Nationalen Koordinatoren“ (im deutschen<br />
Sprachgebrauch „Leiter Leitungsdienst“) für die Übung nach Dünkirchen<br />
eingeladen, wo der Rahmen der Übung definiert und die vorgesehene Anlage vorgestellt<br />
wurde. Weiterhin wurde die – für einen zentralistisch organisierten Staat<br />
überraschend komplexe – Notfallschutzorganisation Frankreichs erläutert. Obwohl<br />
die Koordinatoren stets zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden, gaben die Gastgeber<br />
bei dieser Präsentation keine Einzelheiten des Szenariums bekannt. Einwände<br />
z.B. bezüglich des geplanten Ablaufs der Übung waren daher nicht möglich.<br />
In Deutschland hat das BMU die Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,<br />
Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg zur Mitwirkung eingeladen.<br />
Ähnlich wie bei der Übung INEX 2-HUN, bei der neben dem Bund die Länder<br />
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg teilgenommen hatten,<br />
sollte die Kommunikation zwischen dem Bund und betroffenen Ländern geübt<br />
werden. Auf Grund der großen Entfernung kamen in beiden Übungen nur Maßnahmen<br />
zur Strahlenschutzvorsorge – originäre Zuständigkeit beim Bund –, aber<br />
keine des Katastrophenschutzes – zuständig sind hier die Länder – in Betracht. Auf<br />
die einzelnen Maßnahmen des Notfallschutzes im Rahmen von Katastrophenschutz<br />
– die Planungen hierzu beschränken sich gemäß den bundeseinheitlichen<br />
70
Rahmenempfehlungen auf einen Umkreis bis 25 km – und Strahlenschutzvorsorge<br />
wird hier nicht eingegangen, sondern auf Zusammenfassungen [6, 7] verwiesen.<br />
Neben der gewünschten Verbesserung der Kommunikation zwischen Bund und<br />
Ländern hatte das BMU weitere Übungsziele definiert:<br />
– Erprobung der neuen Infrastruktur im BMU (im neuen Sitz des BMU),<br />
– Erprobung der elektronischen Lagedarstellung ELAN und<br />
– Training des Personals (in zwei Schichten).<br />
Die elektronische Lagedarstellung ELAN war nur in einer Pilotversion verfügbar,<br />
sollte jedoch genutzt werden, um die Empfehlungen der OECD/NEA [4] zum<br />
Informationsaustausch zu testen und die Stabsarbeit zu erleichtern.<br />
3. Durchführung der Übung<br />
Abb. 2: Stabsorganisation im BMU (nach BMU-Vorlage)<br />
In der neuen Dienststelle des BMU in Bonn (ehemaliges Postministerium) haben<br />
jeweils 28 Personen in zwei Schichten im Übungsdienst gearbeitet. Die Organisation<br />
des Personals in den verschiedenen Stäben ist in Abb. 2 wiedergegeben.<br />
Der Leitungsdienst (vier Personen einschließlich Koordinator) war in Räumen in<br />
der Nähe der Stabsräume untergebracht und verfügte über zwei PC-Arbeitsplätze<br />
mit Internet-Anschluss (welcher leider erst gegen 11 Uhr am ersten Übungstag<br />
funktionsfähig war). Zusätzlich stand ein Laptop zur Verfügung, auf dem das Logbuch<br />
des Leitungsdienstes geführt wurde.<br />
71
Der Start der Übung am 22. Mai 2001 verlief – wie häufig bei solchen Unternehmungen<br />
zu beobachten – sehr schleppend. Um Leerlauf bei den arbeitsbereiten<br />
Mitarbeitern zu vermeiden, wurde die Übung durch eine Anfrage aus Rheinland-<br />
Pfalz, in der Angaben zu einem Gerücht über einen schweren Kernkraftwerks-<br />
Unfall in Frankreich erbeten wurden, um 8:06 Uhr eröffnet. Die erste offizielle<br />
Nachricht über den „Unfall“ erhielt das BMU vom Französischen Premierministerium<br />
um 10:05 Uhr in Form einer Telekopie der Meldung Frankreichs an die<br />
IAEA. Offizielle Benachrichtigungen durch die EC und die IAEA folgten um<br />
10:38 und 11:51 Uhr.<br />
In der Übung wurde Realwetter verwendet, um die Wechselwirkung mit Wetterämtern<br />
möglichst realitätsnah zu erproben. Leider blies der Wind am Übungstag<br />
die radioaktive Wolke in Richtung Nordwesten über den Kanal, sodass nur Südengland<br />
unmittelbar betroffen war. Je nach Freisetzungshöhe reichten andere Trajektorien<br />
aber auch über die Bretagne bis an die Biskaya. Schließlich wäre ein Teil<br />
der über England verfrachteten Aktivität in einem Wirbel nach etwa zwei Tagen<br />
wieder auf dem westlichen Mitteleuropa angelangt. Insgesamt bewirkte diese Wetterlage<br />
jedoch keinen allzu großen Druck auf die Spieler in den Beneluxstaaten<br />
und Deutschland.<br />
Die Absendung einer „Warnmeldung“ Frankreichs an die IAEA erfolgte auf freiwilliger<br />
Basis; erst bei der Möglichkeit grenzüberschreitender Auswirkungen ist<br />
ein Betreiberland im Rahmen der „Convention on Early Notification of a Nuclear<br />
Accident“ verpflichtet, eine „Notifikation“ an die IAEA zu senden. Die Mitgliedsstaaten<br />
der IAEA werden jedoch ermuntert, nicht erst nach Überschreiten<br />
dieser hohen Schwelle Meldungen über den Vorfall zu übermitteln, da die Medien<br />
in den meisten Fällen ohnehin vorher Informationen dazu erhalten, sondern möglichst<br />
frühzeitig eine Warnmeldung zu versenden.<br />
Im Laufe des Tages wurden von der IAEA – auf der Grundlage von Informationen<br />
aus Frankreich – elf Meldungen per Fax versandt („push mode“), während es<br />
den Verantwortlichen möglich war, eine große Vielfalt an Zusatzinformationen aus<br />
speziellen Internetseiten zu entnehmen („pull mode“). Diese Internetseiten wurden<br />
von den zuständigen französischen Stellen und internationalen Organisationen<br />
wie der WMO erstellt. Aber auch Nachbarländer wie die Niederlande stellten<br />
sehr informative Seiten zur Verfügung. Leider wurden die Adressen zu solchen<br />
Internetseiten (einschließlich der Passwörter) anderer Staaten zu spät vor der<br />
Übung oder erst in der Übung bekannt gegeben, sodass eine effektive Nutzung<br />
kaum noch möglich war. Die Methode des aktiven Versands von Erstmeldungen<br />
(„Weckfunktion“) sowie Informationen über wichtige Änderungen der Lage per<br />
Fax und, ergänzend dazu, das Einstellen statischer Zusatz-Informationen einschließlich<br />
entsprechender Graphik in Internetseiten war von der Arbeitsgruppe<br />
der IAEA vorgeschlagen worden, um einerseits die Kommunikationswege zu entlasten,<br />
auf der anderen Seite aber ausreichend Hintergrundinformation in guter<br />
Qualität zur Verfügung zu stellen.<br />
Der Informationsaustausch auf elektronischem Wege, der gegenüber dem Fax eine<br />
bedeutend bessere Qualität aufweist und die Weiterbearbeitung der Daten ermög-<br />
72
licht, jedoch noch nicht die Zuverlässigkeit der bisherigen Verbindungen (z.B.<br />
auch über Fernschreiber) besitzt, nimmt auch im Notfallschutz inzwischen eine<br />
führende Rolle ein. Dies erfordert eine Anpassung der Organisationsstrukturen<br />
(Stabsdienstordnung) an die neuen Techniken, um kontrollierbare und vollständige<br />
Informationsverteilung in den Stäben sicherzustellen, aber auch, um Vervielfachung<br />
der Übertragungen zu vermeiden.<br />
Das BMU hat ab 8:15 Uhr die Länder und die betroffenen Bundesressorts über das<br />
Ereignis unterrichtet sowie drei (Übungs-)Pressemitteilungen um 9:16, 10:55 und<br />
21:00 Uhr herausgegeben. Weiterhin wurden im BMU zwischen 12:30 und 21:00<br />
Uhr fünf fiktive Pressekonferenzen durchgerührt, in denen zwei Koordinatoren<br />
sich bemühten, aggressive Pressevertreter darzustellen, standen dabei aber einer<br />
Übermacht von Fachleuten gegenüber. Im Realfall wären die Kräfteverhältnisse<br />
jedoch umgekehrt! Ungeachtet dessen ist es den „Pressevertretern“, denen als<br />
Koordinatoren nicht mehr Informationsquellen zur Verfügung standen als den<br />
Spielern, gelungen, die Fachleute zu fordern und mit Informationen zu konfrontieren,<br />
welche diesen noch unbekannt waren. Wie „im richtigen Leben“ waren die<br />
Pressevertreter schneller als die Behörden.<br />
Erst kurz nach Mittag wurde die vom BfS entwickelte elektronische Lagedarstellung<br />
ELAN*) für die Länder freigeschaltet und hat sofort erheblichen Druck vom<br />
BMU genommen, da den mitübenden Landesstellen hier eine gute Informationsmöglichkeit<br />
geboten wurde und in Folge dessen die Zahl der direkten Anfragen<br />
beim BMU abnahm. Die ansonsten sehr effektive und hilfreiche Nutzung des<br />
elektronischen Informationsaustauschs innerhalb des BMU und mit Stellen außerhalb<br />
litt unter einem längeren Netzwerkzusammenbruch um die Mittagszeit; daraus<br />
wird die Notwendigkeit einer erhöhten Zuverlässigkeit solcher Netzwerke<br />
deutlich.<br />
Auf Grund einer ausreichenden Übergabezeit verlief der Schichtwechsel im BMU<br />
am Nachmittag reibungslos. Das Fachreferat nutzte die Übung dazu, möglichst<br />
viel Personal aus Nachbarreferaten mit dem Notfallschutz und den Abläufen bei<br />
Ereignissen vertraut zu machen, um für einen eventuellen Realfall Verstärkung<br />
durch eingewiesene Mitarbeiter sicher zu stellen.<br />
Das vom Gastgeberland Frankreich eingespielte Szenarium war mutig und erforderte<br />
Schutzmaßnahmen bis zur Evakuierung. Leider wurde die gefahrbringende<br />
Freisetzung erst gegen 19 Uhr gemeldet, als in den Stäben schon Langeweile aufgekommen<br />
war und einige Teilnehmerstaaten schon dabei waren, sich aus der<br />
Übung zu verabschieden. Die wesentlichen Aktionen der ursprünglich für zwei<br />
Übungstage geplanten Übung fanden am ersten Tag statt; der Folgetag war vor<br />
allem einer ersten Bilanz und Bewertung vorbehalten.<br />
*) ELAN - Die Elektronische Lagedarstellung für den Notfallschutz in Deutschland, M. Zähringer et<br />
al, Beitrag zu diesem Tagungsband<br />
73
4. Auswertung der Übung<br />
4.1 Allgemeine Erfahrungen<br />
Der im Vergleich zu den früheren INEX 2-Übungen verstärkte Informationsaustausch<br />
auf elektronischem Wege hat sich allseits bewährt und eine erhebliche Qualitätsverbesserung<br />
der ausgetauschten Produkte ermöglicht. Die Zuverlässigkeit<br />
der Netzwerke in den Dienststellen sowie der Verbindungen der Netzwerke muss<br />
jedoch noch erhöht und ihre Sicherheit gegen Manipulationen oder unbefugtes<br />
Einsehen gesichert werden.<br />
Das Layout von Internetseiten sollte klar gestaltet und soweit wie möglich vereinheitlicht<br />
werden. Wichtige aktuelle Informationen dürfen nicht in einem Wust von<br />
nett gestalteten Hintergrundinformationen untergehen. Dabei muss deutlich zwischen<br />
statischen oder schon nicht mehr geltenden Informationen und dynamischen<br />
oder neuen Daten unterschieden werden.<br />
Auch bei der Abfassung von Textmeldungen wurden die Erfahrungen aus früheren<br />
Übungen nicht ausreichend beachtet. Dies bezieht sich vor allem auf die klare<br />
Angabe<br />
– des Verfassers der Meldung (eine Abkürzung für eine spezielle Institution wird<br />
im Ausland meist nicht erkannt),<br />
– der Definition der Zeit (mit Angabe, ob lokale Zeit oder UTC), zu der dieser<br />
Status gültig war (nicht, wann die Meldung versandt wurde!) und<br />
– auf eine Erklärung zum Charakter der Meldung (amtliche Mitteilung, Kommentar,<br />
Presseerklärung, Antwort auf eine Anfrage oder dergleichen). Hinzu<br />
kamen Sprachprobleme, da teilweise Widersprüche oder kleinere Unterschiede<br />
zwischen beigefügtem englischen Text und dem Originaltext z.B. in Französisch<br />
auftraten.<br />
4.2 Internationale Aspekte<br />
Die Auswertung der von der OECD/NEA erbetenen Fragebögen hinsichtlich der<br />
Koordination von Informationen an Medien – ein erklärtes Übungsziel – zeigte,<br />
dass so gut wie keine Koordination stattgefunden hatte, weder zwischen benachbarten<br />
Staaten noch zwischen internationalen Organisationen. Bezüglich der<br />
Gestaltung von Formblättern der IAEA (EMERCON) zur Übermittlung der Meldungen<br />
wurden Verbesserungen vorgeschlagen, um das Ausfüllen zu erleichtern<br />
und Missverständnisse zu vermeiden.<br />
Die IAEA, bei der gleichzeitig ein Realfall (Strahlenüberexposition von Patienten)<br />
auflief, hat die Übung genutzt, um zusätzliches Einsatzpersonal zu schulen<br />
und bewertet die Übung insgesamt positiv. Sie rät dazu, für „schnelle Störfälle“<br />
(im Französischen: phase réflexe) Kriterien für die sofortige Einleitung von<br />
Schutzmaßnahmen festzulegen, um nicht wertvolle Zeit, die sonst zur Erarbeitung<br />
74
einer Lage und deren Bewertung notwendig ist, zu verlieren. Die Mitgliedstaaten<br />
schlagen einen effektiven Plan für Tests und Übungen vor und erbeten mehr Information<br />
über IACRNA. Schließlich wird eine Vereinheitlichung der Meldungen<br />
nach ECURIE an die EC und nach EMERCON gewünscht, um Doppelbelastungen<br />
zu vermeiden.<br />
Das Gastgeberland Frankreich hat festgestellt, dass der Aufwand zur Validierung<br />
technischer Daten durch die Behörden und zur Abstimmung der Informationen aus<br />
verschiedenen, offiziellen Quellen unterschätzt und daher die Freigabe und Veröffentlichung<br />
von Informationen ungebührlich verzögert wurde. Eine Stelle zur Verbindung<br />
zwischen nationalen und internationalen Partnern – z.B. ähnlich der<br />
Nationalen Alarmzentrale (NAZ) [8] der Schweiz – erscheint notwendig. Ein solches<br />
Zentrum, das zu jeder Zeit fachlich kompetente Ansprechpartner sicherstellen<br />
und eingehende Alarme einer ersten Bewertung unterziehen und an zuständige<br />
Stellen weiterleiten kann, wurde früher schon für Deutschland vorgeschlagen<br />
[9].<br />
4.3 Erfahrungen in Deutschland<br />
Die Verbesserung der Kommunikation durch die elektronische Lagedarstellung<br />
ELAN hat die Informationsmöglichkeiten erweitert. Allerdings wird die Reaktionszeit<br />
des BMU auf Anfragen aus den Ländern von diesen immer noch als zu<br />
lang bewertet. Erschwert wurde die Arbeit der Stäbe im BMU auch durch eine<br />
ungünstige Raumaufteilung und mangelnde zentrale Unterstützung wie Kopierund<br />
Verteilfunktionen; dies führte z.B. dazu, dass mehrseitige Eingänge nicht komplett<br />
an die Empfänger gelangten oder Eingänge zu lange im Faxgerät liegen blieben.<br />
Zudem wurde bedauert, dass keine echten Journalisten in den Stab eingebunden<br />
waren, um bei den fiktiven Pressekonferenzen für mehr Druck auf die Verantwortlichen<br />
sorgen zu können. Schließlich muss eine neue Stabsorganisation<br />
erarbeitet werden, in der besonders der elektronische Informationsaustausch<br />
Berücksichtigung findet.<br />
5. Schlussfolgerungen<br />
Obwohl nur ein Teil der Übungsziele erreicht werden konnte, hat die Übung<br />
JINEX 1 deutlich Schwachstellen aufgezeigt und damit Verbesserungen des Notfallschutzes<br />
ermöglicht. Dazu sollte auf internationaler Ebene insbesondere das<br />
Meldeverfahren der IAEA und der EC vereinheitlicht und bilaterale Übereinkommen<br />
überarbeitet werden, um überflüssige, redundante Meldungen entbehrlich zu<br />
machen.<br />
Führende Organisationen müssen den Bedarf nachgeordneter Bereiche an zeitnahen<br />
und vollständigen Informationen besser erkennen. Wenn diese nicht bereit<br />
gestellt werden, besteht die Gefahr, dass unbestätigte oder falsche Informationen<br />
genutzt werden, wodurch eine angemessene Reaktion der zuständigen Behörden<br />
erschwert oder gar unmöglich wird.<br />
75
6. Literatur<br />
[1] INEX 1: An International Nuclear Emergency Exercise, OECD/NEA, Paris<br />
(1995)<br />
[2] Second International Nuclear Emergency Exercise: INEX 2-Final report of<br />
the Swiss {Finnish/Hungarian/Canadian} Regional INEX 2 Exercise, OECD/<br />
NEA, Paris (1998-01)<br />
[3] Experience from International Nuclear Emergency Exercises: The INEX 2<br />
Series, OECD/NEA, Paris (2001)<br />
[4] Monitoring and Data Management Strategies for Nuclear Emergencies,<br />
OECD/NEA, Paris, 2000<br />
[5] Guide for Players JINEX 1, IARCNA Working Group on Joint International<br />
Exercises, IAEA Wien (2001)<br />
[6] Nationale Notfallschutzorganisation, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit, Bonn, Dezember 2000<br />
[7] Horst Miska: Übersicht über die Notfallschutzorganisation in Deutschland, in<br />
„Grenzüberschreitender Notfallschutz“ Seminar FS/AKN–SFRP, A. Bayer et<br />
al. (Hrsg.), Fortschritte im Strahlenschutz, FS-99-105-AKN, TÜV Verlag<br />
Köln (1999), S. 227<br />
[8] D.Frei: Übersicht über die Notfallorganisation in der Schweiz, in: „Grenzüberschreitender<br />
Notfallschutz“ Seminar FS/AKN – SFRP, A. Bayer et al.<br />
(Hrsg.), Fortschritte im Strahlenschutz, FS-99-105-AKN, TÜV Verlag Köln<br />
(1999), S.45<br />
[9] Horst Miska: Notwendigkeit eines Melde- und Einsatzzentrums, in: „45., 46.<br />
und 48. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des<br />
Innern“, <strong>Zivilschutz</strong>forschung, Neue Folge Band 42 (2000), Bonn, S. 331<br />
76
Bereitstellung von Informationen in einem<br />
Ereignisfall<br />
Erich Wirth und Wolfgang Weiss<br />
Einleitung<br />
Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde im Bundesamt für Strahlenschutz<br />
das „Integrierte Mess- und Informationssystem“ (IMIS) aufgebaut. Die Aufgabe<br />
von IMIS ist es, in einem Ereignisfall die Entscheidungsträger mit allen Informationen<br />
zu versorgen, die zur Beurteilung der radiologischen Lage und für Entscheidungen<br />
über Maßnahmen notwendig sind. IMIS besteht aus mehreren Einheiten,<br />
die sich gegenseitig ergänzen:<br />
• Die Entscheidungshilfesysteme PARK und RODOS, zur prognostischen<br />
Abschätzung der Kontamination der Umwelt und der Strahlenbelastung des<br />
Menschen<br />
• Stationäre Messeinrichtungen zur kontinuierlichen Messung der Radioaktivität<br />
in der Umwelt und mobile Messsysteme zur Ergänzung. Im einzelnen sind zu<br />
nennen: Das Ortsdosisleistungsmessnetz, das Messnetz zur Alpha-, Beta- und<br />
Jodaktivität, eine Hubschrauberstaffel und Messfahrzeuge.<br />
• Messeinrichtungen der Länder zur Untersuchung von Kontaminationen in<br />
Lebens- und Futtermitteln sowie in Umweltproben.<br />
• Die Zentralstelle des Bundes, in der alle Prognosedaten und Messergebnisse<br />
aus Bund und Ländern zusammengeführt, dokumentiert, bewertet und in Form<br />
von Tabellen und Grafiken dargestellt werden.<br />
• Systeme zur Kommunikation mit Bund und Ländern, mit der EU, mit Nachbarländern<br />
und internationalen Organisationen.<br />
Der Schwerpunkt dieses Vertrags wird sich im wesentlichen mit drei Fragen befassen:<br />
• Welche Informationen werden in einem Ereignisfall benötigt?<br />
• Wie werden diese Informationen aufbereitet?<br />
• Wie werden diese Informationen zukünftig an die Entscheidungsträger weitergegeben<br />
werden?<br />
Welche Informationen werden in einem Ereignisfall benötigt?<br />
Wie bereits einleitend erwähnt, ist es das wesentliche Ziel eines Notfallschutzmanagements<br />
zu entscheiden, ob und ggf. welche Empfehlungen und Maßnahmen<br />
ausgesprochen werden sollen. Grundlage für diese Empfehlungen sind die von<br />
Bund und Ländern verabschiedeten Eingreifrichtwerte für Notfälle (Tab. 1).<br />
Danach sind in der Frühphase eines Ereignisses im urbanen Bereich grundsätzlich<br />
drei Maßnahmen zu erwägen [2]:<br />
77
• Verweilen im Haus,<br />
• Einnahme von Jodtabletten,<br />
• Evakuierung.<br />
Im landwirtschaftlichen Bereich wurden von der EU Kontaminationsgrenzwerte<br />
[1] für vier Radionuklidgruppen und fünf Nahrungsmittelgruppen definiert<br />
(Tabelle 2). Daneben existieren noch weitere abgeleitete Grenzwerte, wie z.B.<br />
Empfehlungen zum Verwerfen von Luftfiltern etc.<br />
Primäre Aufgabe von IMIS ist es, die Informationen bereitzustellen, die eine Entscheidung<br />
über die o.a. Maßnahmen zulassen. Dazu wurde ein sogenannter Standardinformationsbedarf<br />
definiert, der routinemäßig alle 2 Stunden erneuert wird<br />
und auf dessen Basis eine Entscheidungsfindung möglich ist. Der Standardinformationsbedarf<br />
umfasst u.a. folgende Daten und Ergebnisse:<br />
Ausbreitung (in der Frühphase)<br />
• Trajektorienberechnung des DWD<br />
• Ausbreitungsprognosen des DWD einschließlich der Luftkonzentrationen von<br />
Einzelnukliden an DWD-Stationen<br />
Kontaminationen<br />
• γ-Ortsdosisleistung bundesweit, flächendeckend,<br />
• Kontaminationskarten der Umwelt – Ablagerung von Cs-137 und I-131 am<br />
Boden,<br />
• Kontamination von Blattgemüse mit I-131 und Cs-137,<br />
• Kontamination von Milch mit I-131 und Cs-137.<br />
Dosisabschätzungen<br />
• Summe der Effektivdosis durch Direktstrahlung und Inhalation integriert über<br />
7 Tage<br />
• Effektive Dosis durch Direktstrahlung integriert über 30 Tage<br />
• Schilddrüsendosis des Erwachsenen und des Kleinkindes.<br />
Ergänzt werden diese Abbildungen durch weitere Informationen, wie z. B.: Wann<br />
ist zu erwarten, dass die Kontamination der Milch über den Grenzwerten liegt?<br />
Eine wesentliche Aufgabe von IMIS ist es, diese Informationen während eines<br />
Ereignisses kontinuierlich zu verbessern. Es ist offensichtlich, dass Prognosen, die<br />
noch vor Eintreffen einer radioaktiven Wolke erstellt werden, mit wesentlich höheren<br />
Unsicherheiten behaftet sind als Aussagen, denen flächendeckende Messungen<br />
zugrunde liegen. Deshalb werden die Prognosen laufend während eines Ereignisfalls<br />
durch die Berücksichtigung von Messergebnissen verbessert.<br />
Trotzdem müssen sich Entscheidungsträger darüber im Klaren sein, dass insbesondere<br />
in der Frühphase die relevanten Maßnahmen, wie Verweilen im Haus oder<br />
78
die Einnahme von Jodtabletten auf der Basis von unsicheren Prognosen zu treffen<br />
sind. Auf eine wesentliche Verbesserung von Prognoserechnungen durch Messergebnisse<br />
kann in der unmittelbar betroffenen Umgebung meist nicht gewartet<br />
werden, da mit zunehmender Dauer des Wolkendurchzugs diese Maßnahmen<br />
immer unwirksamer werden.<br />
Darstellung der Ergebnisse<br />
Die Darstellungen der einzelnen Ergebnisse, insbesondere des vorhandenen Informationsbedarfs<br />
müssen übersichtlich sein und die Inhalte müssen sich sofort und<br />
unzweideutig dem Betrachter erschließen. Um dies zu gewährleisten, wurden die<br />
Skalierung und die Farbgebung der Kontaminations- und Dosiskarten an den<br />
Grenz- bzw. Eingreifrichtwerten orientiert (Abb. 1).<br />
Die für die Abbildung gewählten vier Farben von grün bis gelb reichen grundsätzlich<br />
von Null bis zu dem entsprechenden Eingreifrichtwert. Dieser beträgt wie<br />
oben ausgeführt z.B. 10 mSv über 7 Tage für die Empfehlung „Verweilen im<br />
Haus“, oder 500 Bq/l für Radiojod in der Milch. Die Farben von orange bis violett<br />
zeigen an, dass der Dosis- bzw. Eingreifrichtwert überschritten ist (Abb. 1).<br />
Damit signalisiert die Farbgebung bereits auf einen Blick, welche Gebiete wie<br />
stark betroffen sind und wo Maßnahmen voraussichtlich notwendig sein werden.<br />
Sind die Umweltaktivitäten gering, so signalisiert eine durchgehend dunkelgrüne<br />
Karte, dass bundesweit keine entsprechende Maßnahme notwendig ist.<br />
Elektronische Lagedarstellung (ELAN)<br />
Ziel bei der Übermittlung der Daten muss es sein, die zur Lagebeurteilung notwendigen<br />
Informationen allen Entscheidungsträgern zeitgleich und übersichtlich<br />
zur Verfügung zu stellen. Nur so lässt sich vermeiden, das beispielsweise durch<br />
einen unterschiedlichen Kenntnisstand widersprüchliche Empfehlungen ausgesprochen<br />
werden. Beim Versenden eines Faxes an verschiedene Teilnehmer treffen<br />
die Nachrichten nicht parallel sondern nacheinander in den einzelnen Stäben<br />
ein. Bei einer intensiven Nutzung dieses Kommunikationsweges sind Staus und<br />
Verzögerungen nicht auszuschließen.<br />
Bei der Nutzung von E-Mails ist die Gleichzeitigkeit gewährleistet, die Informationen<br />
treffen aber unsortiert ein und müssen daher erst gesichtet werden.<br />
Zur Verbesserung der Datenübermittlung wurde im Bundesamt für Strahlenschutz<br />
der Prototyp einer Elektronischen Lagedarstellung (ELAN) entwickelt, der die<br />
Daten zeitgleich und strukturiert zur Verfügung stellt [5]. Dieses System ist nichts<br />
anderes als eine elektronische Datei, in der alle notwendigen Informationen, nach<br />
Zeit und Themen geordnet, bereitgestellt werden und auf die alle Entscheidungsträger<br />
Zugriff haben. ELAN ist grundsätzlich offen für alle Dateien, spezielle<br />
Anforderungen an Formate etc. werden nicht gestellt. Das System sieht verschiedene<br />
Hierarchieebenen vor: Nutzer, die einen uneingeschränkten Zugriff auf alle<br />
79
Informationen haben. Nutzer, die einen eingeschränkten Zugriff haben und Nutzer,<br />
die sowohl einen uneingeschränkten Zugriff als auch die Möglichkeit haben,<br />
selbst eigene Dateien in die elektronische Lagedarstellung einzubringen. Die Einschränkung,<br />
insbesondere bei der Bereitstellung von Dokumenten in der elektronischen<br />
Lagedarstellung soll u.a. verhindern, dass durch ein zu großes Informationsangebot<br />
die Übersichtlichkeit verloren geht.<br />
Wenn zukünftig die Informationen dem BMU, der EU und den Ländern in Form<br />
der elektronischen Lagedarstellung bereitgestellt werden, müssen die Entscheidungsträger,<br />
im Gegensatz zu früher, die Informationen selbst abrufen. Jeder Entscheidungsträger<br />
verfügt über das gleiche Informationsangebot; die Auswahl der<br />
Informationen bleibt ihm selbst überlassen. Er muss sich holen, was er selbst zur<br />
Entscheidungsfindung als notwendig erachtet.<br />
Das System der elektronischen Lagedarstellung wurde unangekündigt auf der letzten<br />
JINEX-2000 Übung eingeführt. Es zeigte sich, dass dieses System sehr schnell<br />
von den Entscheidungsträgern angenommen wurde [4]. Im Lagezentrum des BMU<br />
wurden während der Übung mehr als zehntausend Seiten aufgerufen.<br />
Informationssysteme<br />
Im Rahmen des internationalen Informationsaustausches wurden in den letzten<br />
Jahren verschiedene, sich ergänzende Kommunikationssysteme eingerichtet [3].<br />
Deutschland ist als aktiver Teilnehmer in verschiedene Alarmierungs- und Kommunikationssysteme<br />
eingebunden, darunter sind zu nennen:<br />
• ECURIE (European Community Urgent Radiological Information Exchange)<br />
EU,<br />
• EURDEP (European Union Radiological Data Exchange Platform), EU<br />
• die multinationalen Konventionen EMERCON (EMERgency early notification<br />
CONvention) der Internationalen Energieagentur (IAEA) und<br />
• bilaterale Abkommen mit Nachbarstaaten.<br />
Im Falle eines Unfalles mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt sind die<br />
Mitgliedsländer der IAEA bzw. der EU verpflichtet, genau spezifizierte Informationen<br />
über den Unfallhergang und seine Auswirkungen an die Zentrale der IAEA<br />
in Wien bzw. der EU in Luxemburg zu melden, die diese dann unverzüglich an die<br />
Mitgliedsländer weiterleiten.<br />
Die IAEA leitet mit Hilfe von EMERCON die Informationen gegenwärtig noch<br />
per Fax an die 90 Mitgliedsländer und Organisationen weiter. Nicht zuletzt aufgrund<br />
dieser relativ zeitintensiven Prozedur, werden nur die notwendigsten Information<br />
als Alarmierungsmeldung verteilt. Zukünftig sollen die Informationen auf<br />
einem Web-Server bereitgestellt werden, auf den die Mitgliedsländer zugreifen<br />
können. Ein erster Prototyp wurde realisiert.<br />
80
Die EU hat mit ECURIE ein aufwändiges, computergestütztes Kommunikationssystem<br />
entwickelt, bei dem die Nachrichten über redundante Datenwege (ISDN-<br />
Direktverbindungen, Internet, Telex und als Backup per Fax) übermittelt werden.<br />
Das ECURIE wird vor allem für Alarmierungs- und Erstmeldungen verwandt, der<br />
eigentliche Datenaustausch soll über EURDEP erfolgen.<br />
Dieses System soll im Sommer 2002 in den operationellen Betrieb gehen. EUR-<br />
DEP vernetzt die nationalen Informationssysteme wie IMIS. Es ist geplant, die<br />
Daten auf 2 Wegen auszutauschen: Die nationalen Daten werden von den Kontaktstellen<br />
aktiv an die Nachbarländer verschickt oder in einem speziellen Pool<br />
gespeichert, von wo sie von den angeschlossenen Staaten abgerufen werden können.<br />
Jede nationale Kontaktstelle verfügt über ein eigenes Terminal an dem die<br />
Meldungen strukturiert in einem speziellen Format übertragen werden.<br />
Ein großer Teil der Informationen wird sprachenunabhängig codiert, wodurch<br />
erreicht wird, dass die Meldungen auch von Personen gelesen werden können, die<br />
nicht die Sprache des Absenders sprechen. Dies ist für eine multinationale Organisation,<br />
wie die EU mit ihren 11 Amtssprachen, ein wesentlicher Aspekt. Insgesamt<br />
sind durch ECURIE und EURDEP die Voraussetzungen für eine schnelle,<br />
geordnete und verlässliche Nachrichtenübermittlung geschaffen.<br />
In einem weiteren Schritt sollen ECURIE und EMERCON harmonisiert werden,<br />
so dass ein direkter Informationsaustausch zwischen beiden Systemen ermöglicht<br />
wird. Das IAR ist als deutscher Partner bei der Entwicklung von ECURIE maßgeblich<br />
beteiligt und ist auch bei der Integration der IAEA und EU-Systeme involviert.<br />
Ein schneller und reibungsloser bilateraler Informationsaustausch ist bei grenznahen<br />
Ereignissen die Voraussetzung für ein wirkungsvolles, abgestimmtes Notfallmanagement.<br />
Arbeitsgruppen zur Harmonisierung des Daten- und Informationsaustauschs<br />
wurden mit Frankreich, Schweiz und Niederlande eingerichtet. Die<br />
technischen Lösungen müssen mit den internationalen Systemen kompatibel sein,<br />
weshalb die Verfahren weitgehend auf dem ECURIE bzw. EURDEP Verfahren<br />
basieren.<br />
Federführend bei Entwicklung der nationalen Informationssysteme ist das BfS im<br />
Auftrag des Umweltministeriums. Diese Erfahrungen werden in bilateralen und<br />
internationalen Arbeitsgruppen eingebracht, um fachliche Konzepte zu entwickeln<br />
und technisch zu realisieren.<br />
Unterstützung des BMI<br />
In der Frühphase einer Umweltkontamination sind die Ergebnisse des Ortdosisleistungsmessnetzes<br />
von besonderer Bedeutung. Sie geben einen ersten Überblick<br />
über die aktuell betroffenen Gebiete und die Erhöhung der externen Strahlenbelastung<br />
(Abb. 2). Die Messergebnisse werden über Telefonleitung an die 6 Messnetzknoten<br />
übertragen. Dort werden die regionalen Daten gesammelt und anschließend<br />
81
an die Messnetzzentrale nach Freiburg, ersatzweise Berlin übertragen. Zur<br />
Beschleunigung dieses Vorgangs sollen alle Daten zukünftig parallel direkt nach<br />
Freiburg gesandt werden. Damit ließe sich die ODL-Karte im 10 Minuten Rhythmus<br />
aktualisieren. Der Durchzug der radioaktiven Wolke könnte praktisch online<br />
auf dem Bildschirm verfolgt werden.<br />
Da nach dem 11. September Ereignisse wahrscheinlicher geworden sind, die den<br />
Bereich des <strong>Zivilschutz</strong>es betreffen, wurde mit dem BMI der Zugriff auf die ODL-<br />
Daten vereinbart. Um die Daten möglichst schnell der Zentralstelle zur Verfügung<br />
stellen zu können, ist geplant, dass jeder Messnetzknoten als Zentrale fungieren<br />
kann. Der Messnetzknoten in Bonn soll über ein lokales Netzwerk direkt mit dem<br />
<strong>Zivilschutz</strong>rechner verbunden werden.<br />
Zusammenfassung<br />
In diesem Vortrag wurden die Bereitstellung der Information und der Informationsaustausch<br />
vorgestellt. Mit IMIS steht dem BMU in einem Ereignisfall ein System<br />
zur Verfügung, das in einem Ereignisfall schnell und gezielt die notwendigen Prognosen<br />
und Messergebnisse bereitstellen kann. Zur effektiven Unterrichtung des<br />
BMU wurden ein Standardinformationsbedarf definiert, die Skalierung und Farbgebung<br />
der Darstellungen an den Grenz- bzw. Eingreifrichtwerten orientiert sowie<br />
eine elektronische Lagedarstellung erarbeitet. Der Informationsaustausch auf<br />
nationaler, bilateraler und internationaler Ebene ist wegen den staatlichen Eigenheiten<br />
komplex und daher noch harmonisierungsbedürftig.<br />
Literatur<br />
[1] Council Regulation No 3954/87/Euratom laying down maximum permitted<br />
levels of radioactive contamination of foodstuffs and feedingstuffs following<br />
a nuclear accident or any other case of radiological emergency (1987)<br />
[2] Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer<br />
Anlagen BMBl. (1999) 539ff<br />
[3] Monitoring and Data Management Strategies for Nuclear Emergencies<br />
OECD/NEA 2000<br />
[4] H. Miska. Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“-Erfahrungen aus<br />
nationaler und internationaler Sicht, In: Praxis des Strahlenschutzes: Messen,<br />
Modellieren, Dokumentieren“ TÜV Verlag (2002) 534–550<br />
[5] M. Zähringer, Ch. Hobler, P. Bieringer. ELAN – Die elektronische Lagedarstellung<br />
für den Notfallschutz in Deutschland. In: Praxis des Strahlenschutzes:<br />
Messen, Modellieren, Dokumentieren“ TÜV Verlag (2002) 535–542<br />
82
Maßnahme Eingreifrichtwerte<br />
Aufenthalt in<br />
Gebäuden<br />
Einnahme von<br />
Jodtabletten<br />
Organdosis<br />
(Schilddrüse)<br />
50 mSv<br />
Kinder bis zu 12<br />
Jahren sowie<br />
Schwangere,<br />
250 mSv<br />
Personen von 13<br />
bis 45 Jahren<br />
Effektive Dose Integrationszeiten und Expositionspfade<br />
10 mSv Äußere Exposition in 7 Tagen<br />
und effektive Folgedosis durch<br />
in diesem Zeitraum inhalierte<br />
Radionuklide<br />
´Tab. 1: Eingreifrichtwerte für die Empfehlung von Maßnahmen [2]<br />
Im Zeitraum von 7 Tagen inhaliertes<br />
Radiojod einschließlich<br />
der Folgeäquivalentdosis<br />
Evakuierung 100 mSv Äußere Exposition in 7 Tagen<br />
und effektive Folgedosis durch<br />
in diesem Zeitraum inhalierte<br />
Radionuklide<br />
Langfristige<br />
Umsiedlung<br />
Temporäre<br />
Umsiedlung<br />
100 mSv Äußere Exposition in 1 Jahr<br />
durch abgelagerte Radionuklide<br />
30 mSv Äußere Exposition in 1 Monat<br />
83
Strontiumisotope,<br />
insbesondere<br />
Sr-90<br />
Iodisotope, insbesondere<br />
I-131<br />
Alphateilchen<br />
emittierende<br />
Plutoniumisotope<br />
und Transplutoniumelemente,<br />
insbesondere<br />
Pu-239, Am-241<br />
Alle übrigen<br />
Nuklide mit einer<br />
Halbwertszeit<br />
von mehr als 10<br />
Tagen,<br />
insbesondere<br />
Cs-134, Cs-137<br />
Nahrungsmittel<br />
für<br />
Säuglinge<br />
Milcherzeugnisse<br />
Andere<br />
Nahrungsmittel,<br />
außer<br />
Nahrungsmittel<br />
von geringer<br />
Bedeutung<br />
Flüssige<br />
Nahrungsmittel<br />
75 125 750 125<br />
150 500 2000 500<br />
1 20 80 20<br />
400 1000 1250 1000<br />
Tab.2: Höchstwerte der radioaktiven Kontamination von Nahrungsmitteln in Bq/kg nach EU [1]<br />
84
Übung/Test Übung/Test Übung/Test Übung/Test Übung/Test<br />
max: 140000Bq/kg<br />
8226 Rhein-Neckar-Kreis<br />
Prognose: Kontamination von Blattgemüse durch I-131<br />
Kontamination Blattgemüse<br />
Bq/kg<br />
< 60<br />
Prognosezeitpunkt: 19.01.2002<br />
– 200<br />
Basis:PARK (DWD-Prognose)<br />
– 600<br />
Daten seit: 17.01.2002 06:00<br />
– 2000 Richtwert*<br />
Daten bis: 19.01.2002 06:00<br />
– 8000<br />
IMIS<br />
– 20000<br />
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz<br />
– 60000<br />
> 60000<br />
und Reaktorsicherheit, Bonn<br />
* Richtwert für Maßnahme „Verzicht auf<br />
Bundesamt für Strahlenschutz, Salzgitter<br />
unmittelbare Verwendung von Nahrungsmitteln“ ZdB, Neuherberg<br />
Abb. 1: Farbgebung und Skalierung am Beispiel einer Prognose der Kontamination von Blattgemüse<br />
mit I-131. Bei dem Eingreifrichtwert von 2000 Bq/kg schlägt die Farbe von gelb nach<br />
orange um.<br />
85
Abb. 2: Verteilung der 2150 festen Messstationen des ODL-Messnetzes<br />
86
– Vorträge 2003 –
Eröffnung der 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
in Wiesbaden am 29.5.2003<br />
Arthur Scharmann<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Ich begrüße Sie ganz herzlich zur 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in<br />
Wiesbaden. Mein besonderer Gruß gilt dem neuen Mitglied, Herrn Prof. Wilken,<br />
der sich im vergangenen Jahr spontan dazu bereit erklärt hat, diese Tagung als örtlicher<br />
Organisator auszurichten. Vielen Dank für das Engagement, das Sie bei der<br />
Vorbereitung der Tagung unter Beweis gestellt haben!<br />
Unter unseren Gästen begrüße ich an erster Stelle den bisher für uns zuständigen<br />
Vertreter des Bundesinnenministeriums, Herrn Ministerial Direktor Henning<br />
Rosen, der vor kurzem aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist. Sie haben, lieber<br />
Herr Rosen, in den wenigen aber ereignisreichen Jahren, in denen Sie für die<br />
Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es zuständig waren, vieles bewegt – sowohl in der Sache<br />
als auch für den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Organisationen in<br />
unserem Land und in Europa. Sie waren der <strong>Schutzkommission</strong> stets ein kompetenter<br />
und geschätzter Partner. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich die<br />
Zusammenarbeit mit dem Ministerium durch Ihren persönlichen Einsatz, lieber<br />
Herr Rosen, sehr gut entwickelt hat. Hierfür möchte ich Ihnen den herzlichen Dank<br />
der <strong>Schutzkommission</strong> aber auch meinen persönlichen Dank aussprechen. Mit<br />
Ihrem Ausscheiden aus dem Dienst hat es ja einige organisatorische Veränderungen<br />
im BMI gegeben, von denen wir sicherlich gleich anschließend noch etwas<br />
hören werden. Ich freue mich, Herrn Ministerial Direktor Steig als den jetzt für<br />
die <strong>Schutzkommission</strong> zuständigen Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium<br />
unter uns begrüßen zu können. Ich verbinde meine Willkommensgrüße an Sie mit<br />
der Zusicherung, dass die <strong>Schutzkommission</strong> dem Bundesminister des Innern auch<br />
in Zukunft mit Rat und Tat zur Verfügung stehen wird und hoffe auf die Fortsetzung<br />
der vertrauensvollen Zusammenarbeit.<br />
Ich begrüße Herrn Min. Dir. Gudat als Vertreter des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz,<br />
der die Arbeit der <strong>Schutzkommission</strong> seit einigen Jahren vertrauensvoll<br />
begleitet und eine wichtige Funktion im Wechselspiel mit den Ländern<br />
wahrnimmt.<br />
Ich heiße die Vertreter des Bundesverwaltungsamtes herzlich in unseren Reihen<br />
willkommen. Herr Vizepräsident Schütz wird uns im Anschluss über neuere Entwicklungen<br />
in der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> berichten.<br />
Sie alle wissen, dass dies meine letzte Eröffnungsansprache als Vorsitzender bei<br />
einer Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> ist. Der Innere Ausschuss hat gestern<br />
Prof. Lars Clausen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Sein Vertreter in der Leitung<br />
89
der <strong>Schutzkommission</strong> wird Prof. Matz sein. Ich wünsche beiden Herren eine starke<br />
Hand bei der zukünftigen Lenkung der Geschicke der <strong>Schutzkommission</strong>. Vom<br />
Bundesminister des Innern wünsche ich mir, dass er den Rat der <strong>Schutzkommission</strong><br />
auch weiterhin annehmen und sie fordern und fördern möge – nur auf diese<br />
Weise kann ein Beratungsgremium langfristig Bestand haben. Die Mitglieder fordere<br />
ich auf, die beiden neuen Vorsitzenden durch aktive Beiträge an der gemeinsamen<br />
Arbeit auch weiterhin zu unterstützen.<br />
Für das mir in meiner Amtszeit seit 1987 entgegengebrachte Vertrauen bedanke<br />
ich mich bereits an dieser Stelle. Dass in vieIen Fällen aus dem kollegialen Verhältnis<br />
mit Ihnen über die Jahre hinweg ein freundschaftliches Verhältnis geworden<br />
ist, hat mir in schweren Zeiten das Weitermachen erleichtert. Auch schwierige<br />
Themen wie der <strong>Zivilschutz</strong> können gemeistert werden, wenn die gemeinsame<br />
Sicht auf die Sachthemen vorhanden ist. Nicht jeder besitzt diese Fähigkeit und<br />
deshalb ist es auch nicht leicht, geeignete Nachfolger und neue Mitglieder zu<br />
gewinnen. Das ehrenamtliche Engagement für die Ideale unserer Gesellschaft, das<br />
die Arbeit der <strong>Schutzkommission</strong> seit ihrer Gründung stets wesentlich geprägt hat,<br />
ist in einer Zeit, in der insbesondere an Hochschulen und <strong>Forschung</strong>seinrichtungen<br />
die Spezialisierung auf finanzierbare Themenschwerpunkte gefordert ist,<br />
zunehmend aus der Mode gekommen.<br />
Der Kompetenzverlust in den einschlägigen Fachbereichen ist inzwischen<br />
erschreckend groß – ich erinnere nur an den Strahlenschutz und die Toxikologie.<br />
Ich befürchte, dass in einzelnen Bereichen bereits Grenzen überschritten sind, die<br />
aus Sicht der staatlichen Fürsorge nicht hätten überschritten werden dürfen. Die<br />
Lebenserfahrung lehrt mich, dass das Wiedererlangen verloren gegangener Kompetenz<br />
stets mit größerem Aufwand verbunden ist als das Erhalten von Kompetenz.<br />
Ich fordere deshalb den Bundesinnenminister auf, in seinen Bemühungen zur<br />
<strong>Forschung</strong>sförderung in den hier einschlägigen Bereichen nicht nachzulassen. Es<br />
ist eine langfristig angelegte staatliche Strategie zum Erhalt eines Mindestmaßes<br />
an Fachkompetenz in den verschiedenen <strong>Forschung</strong>sfeldern erforderlich. Die<br />
<strong>Schutzkommission</strong> ist gerne bereit sich auch weiterhin einzubringen und hat mit<br />
der Erstellung des gestern im Inneren Ausschuss diskutierten Rahmenplans für<br />
<strong>Forschung</strong> und Entwicklung einen weiteren Beitrag hierzu geleistet. Ich selbst<br />
werde meinen Rat zur Verfügung stellen.<br />
Was läge näher als im Rahmen einer solchen Begrüßungs- und Abschiedsrede die<br />
welt- und die innenpolitischen Ereignisse, die ich in den letzten 15 Jahren als Vorsitzender<br />
erleben und z.T. erleiden musste, Revue passieren zu lassen. Ich möchte<br />
dies heute nicht tun. Gestatten Sie mir dennoch einige Bemerkungen, die für die<br />
Zukunft der <strong>Schutzkommission</strong> von Bedeutung sein können. In meine Amtszeit<br />
fielen die kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak,<br />
die Terroranschläge in New York und Tokio, die zivilisationsbedingten Großschadensereignisse<br />
von Eschede und Enschede sowie das „Jahrhundert“-Hochwasser<br />
im Einzugsgebiet der Elbe. All diesen Ereignissen ist gemeinsam, dass die Zivilbevölkerung<br />
stets in hohem Maße betroffen war und dass sie auch im Zeitalter der<br />
punktgenauen Präzisionswaffen des Schutzes und der Fürsorge bedarf.<br />
90
Es sind zwar bis heute von den Verbündeten in Irak keine der dort vermuteten Massenvernichtungswaffen<br />
gefunden worden. Dies sollte aber nicht zum Trugschluss<br />
führen, dass solche Waffen oder Mittel nicht Gegenstand der Überlegungen zum<br />
Schutz der Zivilbevölkerung sein müssten. Nicht erst seit Dürenmatts "Physikern"<br />
wissen wir, dass alles was denkbar ist auch gedacht und realisiert wird und wir<br />
müssen davon ausgehen, dass sich an dieser Erkenntnis auch in Zukunft nichts<br />
Grundlegendes ändern wird.<br />
Die Tatsache, dass in den USA während der jüngsten Kampfhandlungen im Irak<br />
eine Diskussion über die Neuentwicklung kleiner bunkerbrechender Nuklearwaffen<br />
geführt wurde und damit die Bemühungen über ein umfassendes Kernwaffenteststoppabkommen<br />
weit zurück geworfen wurden, zeigt, dass die internationalen<br />
Bemühungen zum Bann von Massenvernichtungswaffen trotz gegenteiliger<br />
öffentlicher Beteuerungen auf sehr dünnem Eis gebaut sind.<br />
Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass staatlicherseits und durch Aufklärung und<br />
Aktivierung der Selbsthilfepotenziale der Bevölkerung dauerhaft Rahmenbedingungen<br />
etabliert werden müssen, die die Folgen katastrophaler Ereignisse für die<br />
Bevölkerung und die Gesellschaft insgesamt erträglich machen. Ich warne in diesem<br />
Zusammenhang gleicher Maßen vor Perfektionismus wie vor Bagatellisierung.<br />
Das ganze System des <strong>Zivilschutz</strong>es kann nur funktionieren, wenn es auf<br />
einer stabilen fachlichen Grundlage aufbaut, gesellschaftlich akzeptiert und langfristig<br />
angelegt ist. Ohne staatliches Handeln ist dieser Bereich der Daseinsvorsorge<br />
nicht lebensfähig. Ihn allerdings ausschließlich auf staatliches Handeln aufbauen<br />
zu wollen wäre ebenso ein Irrweg. Hierfür gibt es viele Beispiele aus der<br />
jüngsten Vergangenheit.<br />
Aus gegebenem Anlass ist es mir ein Anliegen, mit Nachdruck darauf hinzuweisen,<br />
dass neben den Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung und der Gesellschaft<br />
insgesamt auch Vorkehrungen getroffen werden müssen, um Kulturgüter bei<br />
kriegerischen Auseinandersetzungen gegen irreparable Zerstörung zu schützen und<br />
für kommende Generationen zu bewahren. Kulturgutschutz hat im <strong>Zivilschutz</strong><br />
stets ein Nischendasein gehabt. Die schrecklichen Beispiele aus dem Irak mit dem<br />
Verlust einzigartiger Schätze des Weltkulturerbes zeigen, dass der Bereich Kulturgutschutz<br />
berechtigterweise ein Bestandteil der staatlichen Vorhaltungen des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
ist und dies auch in Zukunft bleiben wird.<br />
Lassen Sie mich kurz zurück blicken auf die Arbeit im letzten Jahr. Aus aktuellem<br />
Anlass wurde der Leitfaden für Katastrophenmedizin in einer 3. überarbeiteten<br />
Fassung neu aufgelegt. Ich danke allen Autoren, insbesondere aber dem Federführenden,<br />
Herrn Dr. Weidringer, für den unermüdlichen Einsatz für diese Sache. Wir<br />
haben gestern im Inneren Ausschuss beschlossen, einen Supplementband zu Fragen<br />
„Biologische und chemische Gefahren“ aufzulegen. Ich danke Frau Dr. med.<br />
Graf, München, dass sie uns über die Inhalte des Vorhabens heute Nachmittag<br />
informieren wird.<br />
Fortschritt in der Sache ist immer mit der Auseinandersetzung im Einzelnen verbunden.<br />
So wurden im vergangenen Jahr insbesondere Fortschritte erzielt bei der<br />
91
• Sichtung von Verletzten bei Großschadensereignissen und Katastrophen und<br />
deren Dokumentation,<br />
• psychosozialen Nachsorge von Unfallopfern,<br />
• Erarbeitung und Erprobung eines Konzeptes zur Dekontamination verletzter<br />
Personen.<br />
Die bereits im vergangenen Jahr erstmals vorgestellten Ergebnisse der Untersuchung<br />
zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland liegen jetzt vollständig<br />
vor und werden von Herrn Pfenninger heute Nachmittag vorgestellt. Es stellt<br />
sich hier die Frage nach der Umsetzbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse unter den<br />
realen Bedingungen in unserem Land.<br />
Nun zu der heutigen Veranstaltung: Sie haben dem Programm entnehmen können,<br />
dass wir zwei unterschiedliche Themenblöcke vorgesehen haben. Am Vormittag<br />
wollen wir uns über grundsätzliche Fragen der Fortentwicklung des Systems des<br />
Zivil- und Katastrophenschutzes informieren, am Nachmittag über spezifische Fragen<br />
der Bedrohung und des Schutzes beim Einsatz von biologischen und chemischen<br />
Substanzen. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat hierfür eine Reihe externer Fachleute<br />
eingeladen. Ich danke Ihnen allen, dass sie der Einladung gefolgt sind und<br />
bereit sind, uns Ihre Vorstellungen vorzutragen.<br />
Der Blick der <strong>Schutzkommission</strong> ist nach vorne gerichtet im Bestreben, die staatlichen<br />
und persönlichen Vorsorgemaßnahmen zum Schutze der Bevölkerung und<br />
zur Gefahrenabwehr auf einer fachlich fundierten Grundlage zu konzipieren und<br />
zu organisieren. Die <strong>Schutzkommission</strong> wird auch in Zukunft hierzu ihre Beiträge<br />
leisten. Damit sie diesem Anspruch gerecht werden kann, muss sie sich aber<br />
weiter verjüngen. Wir haben im letzten Jahr einen guten Schritt in diese Richtung<br />
getan, dürfen aber nicht stehen bleiben sondern müssen den eingeschlagnen Weg<br />
konsequent weiter gehen. Dabei bitte ich auch weiterhin um Ihre Unterstützung.<br />
92
Grußwort des Bundesinnenministers Otto Schily<br />
Joachim Steig<br />
Veränderungen bei der <strong>Schutzkommission</strong><br />
Die 52. Tagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern am 29.<br />
und 30. Mai dieses Jahres in Wiesbaden stand im Zeichen bedeutender personeller<br />
Veränderungen:<br />
Der langjährige Vorsitzende, Prof. Dr. Arthur Scharmann, gab den Vorsitz auf. Zu<br />
seinem Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter, Prof. Dr. Lars Clausen, der<br />
frühere Leiter der Katastrophenforschungsstelle der Universität Kiel, vorgeschlagen<br />
und von Minister Schily ernannt. Zu dessen Stellvertreter wurde Prof. Dr. Gerhard<br />
Matz aus Hamburg gewählt. Als neue Mitglieder wurden Prof. Dr. Alexander<br />
Kekulé und Peer Rechenbach aufgenommen.<br />
Das Grußwort des Bundesinnenministers überbrachte Ministerialdirektor Joachim<br />
Steig, seit 1. März dieses Jahres Leiter der Abteilung Innere Sicherheit (IS) im<br />
Bundesministerium des Innern. Sein Vorgänger, Ministerialdirektor Klaus-Henning<br />
Rosen, wurde in Anerkennung seiner besonderen Verdienste bei der Neupositionierung<br />
der Kommission als ständiger Gast geladen.<br />
Nachfolgend das Grußwort des Bundesministers des Innern, Otto Schily, im<br />
Wortlaut:<br />
„Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
zunächst möchte ich Ihnen herzliche Grüße von Herrn Minister Schily ausrichten.<br />
Sie wissen um sein persönliches Interesse an der <strong>Schutzkommission</strong>, seine hohe<br />
Wertschätzung für deren Arbeit. Ihm ist bewusst, wie wichtig und unverzichtbar<br />
Ihre <strong>Forschung</strong>en, Ihre Beiträge, Ihre Vorschläge für einen wirksamen und funktionierenden<br />
Bevölkerungsschutz sind.<br />
Personelle Veränderungen hat es nicht nur im Bundesministerium des Innern gegeben,<br />
sondern gibt es jetzt auch in der <strong>Schutzkommission</strong>. Ich darf Sie, Herr Professor<br />
Clausen, als neuen Vorsitzenden zu dieser neuen Aufgabe ganz herzlich<br />
beglückwünschen. Glückwünsche kommen auch von Minister Schily, bei dem Sie<br />
ja am 28. Mai ein persönliches Gespräch hatten.<br />
Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Sie wird genau so eng und vertrauensvoll<br />
sein wie mit Ihrem – und mit meinem – Vorgänger. Ihnen, Herr Professor<br />
Scharmann, möchte ich auch im Namen und im Auftrag von Herrn Minister Schily<br />
ganz herzlich danken für all das, was Sie seit 1987 als Vorsitzender der <strong>Schutzkommission</strong><br />
geleistet haben. Die Rahmenbedingungen waren gewiss nicht immer<br />
93
günstig und vielleicht ist Ihre Arbeit so richtig erst nach den Terroranschlägen des<br />
11. September politisch und öffentlich angemessen aufgenommen und gewürdigt<br />
worden. Beispielhaft möchte ich nur den Gefahrenbericht erwähnen:<br />
Der 2. Gefahrenbericht wurde ganz anders wahrgenommen als der Vorgängerbericht<br />
des Jahres 1996. Nicht nur die Aufmerksamkeit der Hausleitung war nach<br />
dem 11. September 2001 eine ganz andere, auch die der Öffentlichkeit und der<br />
Medien.<br />
Herr Professor Scharmann, Sie haben Struktur und Arbeitsweise der <strong>Schutzkommission</strong><br />
grundlegend erneuert und zukunftweisend geprägt. Sie haben damit<br />
zugleich die Grundlage für die neue politische Wertigkeit und Wirksamkeit der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> geschaffen. Dies in Zeiten, wo Engagement und Initiative für<br />
Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes keineswegs selbstverständlich waren<br />
bzw. selbstverständliche Anerkennung erfahren haben, sondern eher Mut und<br />
Zivilcourage erforderten. Für Ihren stets eindeutigen, klaren und unbeirrbaren<br />
Standpunkt meinen ausdrücklichen Respekt und Dank.<br />
Deutschland hat ein leistungsfähiges Hilfeleistungssystem. Das hat zuletzt die<br />
Flutkatastrophe im vergangenen Sommer eindrücklich bestätigt. Rückgrat und<br />
Basis dieses Hilfeleistungssystems ist – und das zeichnet das deutsche Notfallvorsorgesystem<br />
besonders aus – das bürgerliche, das ehrenamtliche Engagement.<br />
Über 1 Million Mitglieder freiwilliger Feuerwehren, das hat in dieser Breite kein<br />
anderes Land vorzuweisen. Fünf Freiwilligenorganisationen ergänzen dieses<br />
System um noch einmal eine halbe Million ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer.<br />
Der Bund bringt durch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk 670 000<br />
wiederum freiwillig tätige Helferinnen und Helfer in dieses System ein. Ein<br />
System, das in der Welt einzigartig ist, um das uns viele Länder beneiden.<br />
Das deutsche Hilfeleistungssystem funktioniert. Es kann auch mit außergewöhnlichen<br />
Gefahren- bzw. Schadenslagen umgehen. Im Prinzip jedenfalls. Aber es gibt<br />
auch Defizite. Über diese Defizite wird seit den Anschlägen des 11. September<br />
2001 sehr offen geredet – auch und gerade hier in der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Es handelt sich dabei einmal um die Defizite, die dem deutschen Hilfeleistungssystem<br />
im Gefolge der durch eine veränderte Sicherheitslage bedingten Rückführung<br />
des <strong>Zivilschutz</strong>es zu Beginn der 90er Jahre entstanden sind. Die <strong>Zivilschutz</strong>kapazitäten<br />
des Bundes wie auch – obwohl von der äußeren Sicherheitslage eigentlich<br />
unberührt – die Katastrophenschutzkapazitäten der Länder wurden in den 90er<br />
Jahren deutlich abgebaut. Nach Ende des kalten Krieges haben wir uns in der trügerischen<br />
Sicherheit gefühlt, dass uns – wenn überhaupt – nur Gefahren aus<br />
Unglücksfällen und Naturkatastrophen drohen, die aber begrenzt und beherrschbar<br />
sind.<br />
Der 11. September 2001 hat insofern als Zeitenwende gewirkt. Seit diesem Datum<br />
und verstärkt noch einmal nach der Flutkatastrophe des letzten Sommers wird die<br />
grundsätzliche Frage gestellt, inwieweit die strukturellen Rahmenbedingungen<br />
unseres zweigeteilten nationalen Katastrophenvorsorgesystems noch stimmen.<br />
Hier der drohende militärische Angriff als Grundlage für die <strong>Zivilschutz</strong>aufgabe<br />
94
des Bundes, dort die von Menschen verursachte oder auf natürlicher Ursache beruhende<br />
Katastrophe in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Nicht nur<br />
passt der neue Feind des internationalen Terrorismus nicht mehr in diese tradierte,<br />
scheinbar stimmige Zuständigkeitsverteilung, auch mancher Ablauf bei der<br />
Bewältigung der Flutkatastrophe stellt die strenge Zweiteilung und ihre geradezu<br />
leidenschaftliche Verteidigung durch manche Länder in Frage.<br />
Ein erstes Umsteuern im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes fand bald<br />
nach dem 11. September 2001 statt. Die Flutkatastrophe im letzten Sommer hat<br />
diesen Prozess des Umsteuerns, der Umstrukturierung, des neuen Nachdenkens<br />
über intelligentere und effizientere Lösungen noch einmal beschleunigt und verstärkt.<br />
Bund und Länder haben sich zwischenzeitlich auf eine neue Rahmenkonzeption<br />
für den Zivil- und Katastrophenschutz verständigt. Sie wurde auf der Innenministerkonferenz<br />
Anfang Juni vergangenen Jahres unter der Überschrift Neue Strategie<br />
zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland verabschiedet. In dieser neuen<br />
Rahmenkonzeption haben viele Ideen und Vorschläge vor allem auch der <strong>Schutzkommission</strong><br />
ihren Niederschlag gefunden. Für diese Unterstützung an dieser Stelle<br />
herzlichen Dank. Durch diese Beiträge ist die <strong>Schutzkommission</strong> für uns noch<br />
wichtiger geworden als bisher schon.<br />
Philosophie der neuen Strategie ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und<br />
Ländern für außergewöhnliche Gefahren- und Schadenslagen. Der Bürger will<br />
wirkungsvolle Hilfe, kein Kompetenzgerangel. Was wir aber auch nicht brauchen,<br />
ist eine neue und langwährende Verfassungsdiskussion, sondern – und dies so<br />
schnell wie möglich – ein intelligentes Katastrophenmanagement. Es geht nicht<br />
um neue Zuständigkeiten, sondern um partnerschaftliches Zusammenwirken über<br />
föderale Grenzen hinweg. Und hier sind wir jetzt auf einem guten Weg. Ziel der<br />
neuen Rahmenkonzeption ist zweierlei:<br />
1. Wir wollen die vorhandenen Hilfspotenziale des Bundes und in den Ländern,<br />
also Feuerwehren und Hilfsorganisationen, besser miteinander verzahnen.<br />
2. Wir wollen und müssen neue Koordinierungsinstrumentarien für ein effizienteres<br />
Zusammenwirken des Bundes und der Länder, insbesondere im Bereich<br />
des Informationsmanagements, entwickeln, damit die Gefahrenabwehr auch<br />
auf neue Bedrohungen angemessen reagieren kann.<br />
Kernpunkt des neuen Rahmenkonzepts ist die Entwicklung eines Stufensystems<br />
für die Gefahrenabwehr. Ausgehend von der potenziellen Gefährdung und der<br />
Bevölkerungsdichte sollen Risikokategorien gebildet werden, an denen sich je<br />
unterschiedliche Versorgungsstufen ausrichten.<br />
Stand die Vereinbarung der Länder mit dem Bund auf der Innenministerkonferenz<br />
im Juni 2002 noch deutlich im Zeichen der terroristischen Bedrohung, so ist die<br />
Richtigkeit des Neukonzepts generell für Großschadenslagen (etwa Hochwasser)<br />
bei der Bilanzierung auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember vergangenen<br />
Jahres bestätigt worden.<br />
95
Eines möchte ich aber doch noch einmal unterstreichen – und damit aufgreifen,<br />
was Herr Rosen schon auf der letzten Jahrestagung in Trier gesagt hat: Wir waren<br />
trotz aller Rückführungen des <strong>Zivilschutz</strong>es in den 90er Jahren keineswegs in Apathie<br />
verfallen. Überlegungen zur Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
waren im Bundesministerium des Innern schon lange vor dem 11. September<br />
2001 angestellt worden. Dies festzustellen halte ich insofern für wichtig, als es uns<br />
nach den Attentaten rasch die Möglichkeit eröffnet hat, unterbrochene Aktivitäten<br />
wieder aufzunehmen und dabei nicht unvorbereitet auch neue konzeptionelle Wege<br />
zu gehen.<br />
Einige dieser Aktivitäten möchte ich Ihnen vorstellen und damit gleichsam den<br />
Bericht von Herrn Rosen in Trier fortschreiben:<br />
Seit Herbst vergangenen Jahres haben wir ein neues Instrument im Rahmen der<br />
Bund-Länder-Koordinierung bei großflächigen Gefahrenlagen: das GMLZ, das<br />
Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder. Es ist bei der<br />
Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt eingerichtet. Das GMLZ<br />
soll ständig erreichbarer Meldekopf sein. Es soll die nationale und internationale<br />
zivile Sicherheitslage beobachten und auswerten. Es soll vor allem aber auch – und<br />
dies ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir mit dem Management der Hochwasserkatastrophe<br />
im letzten Sommer gemacht haben – als Zentrum für Ressourcenmanagement<br />
in Bereitschaft stehen, als Dispositionszentrum vor allem für Helfer,<br />
aber auch zum Nachweis und zur Vermittlung von materiellen Hilfsmitteln,<br />
von technischen Gerätschaften bis hin zu Sandsäcken. Hier ist bei den Hochwassern<br />
an Elbe und Donau vieles eher zufällig gelaufen – mit entsprechendem Ärger<br />
und auch Frust.<br />
Das GMLZ stützt sich im Wesentlichen auf das Deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem,<br />
kurz deNIS genannt. Kernaufgabe dieser Datenbank ist die übergreifende<br />
Verknüpfung, Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für<br />
das Management von Großkatastrophen. Bund, Länder, Kommunen und Organisationen<br />
verfügen über eine Vielzahl wertvoller Informationen, die jedoch, und<br />
auch das haben wir bei der Flutkatastrophe schmerzlich wieder erfahren, derzeit<br />
96<br />
Der alte und der neue Vorsitzende<br />
der <strong>Schutzkommission</strong>: Prof. Dr.<br />
A. Scharmann (2.v.l.), Prof. Dr.<br />
L. Clausen (l.); ebenfalls auf dem<br />
Foto (v.r.): Prof. Dr. R. D. Wilken<br />
(Gastgeber der Tagung), MinDir<br />
J. Steig, MinDir a.D. K.-H. Rosen.<br />
(Foto: BMI)
noch über zahlreiche Behörden und Institutionen verstreut sind. Diese vorhandenen<br />
Informationsressourcen wollen wir intelligent verknüpfen. Der Prototyp von<br />
deNIS wird derzeit in der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> erprobt.<br />
In einer ersten Aufbaustufe ist deNIS bereits im Mai vergangenen Jahres Online<br />
gegangen, nämlich als Informationsportal für den Bürger. Die Bürger können hier<br />
ein breites Spektrum wichtiger Informationen zu Fragen des Bevölkerungsschutzes<br />
abrufen. Dazu gehören Hintergrundinformationen zum Zivil- und Katastrophenschutz,<br />
vor allem aber auch Hinweise über Vorsorgemaßnahmen und Verhaltensregeln<br />
bei Gefahren. Wie wichtig vorbeugende Information der Bevölkerung,<br />
etwa zur Räumung und Versorgung sein kann, hat das Hochwasser im letzten Sommer<br />
nachdrücklich aufgezeigt.<br />
Grundpfeiler jeden Katastrophenschutzes ist die Möglichkeit, die Bevölkerung<br />
angemessen, vor allem aber schnell und flächendeckend vor bevorstehenden<br />
Gefahren zu warnen.<br />
Am 15. Oktober 2001, also schon gut einen Monat nach den Anschlägen in den<br />
USA, konnte ein neues, satellitengestütztes Kommunikationssystem des Bundes<br />
in Betrieb genommen werden. Per Satellit können amtliche Warndurchsagen in<br />
Sekundenschnelle über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und – dies<br />
setzen wir gerade in einem zweiten Schritt um – auch über private Rundfunkanstalten<br />
verbreitet werden. Auch die Länder sind in dieses Warnsystem einbezogen;<br />
wir haben sie seit Dezember vergangenen Jahres mit Sendeeinrichtungen ausgestattet,<br />
die es ihnen erlauben, ihrerseits jetzt Warnmeldungen etwa vor regionalen<br />
Gefahren an die angeschlossenen Medien zu verschicken.<br />
Beim Sommerhochwasser im vergangenen Jahr hat sich bestätigt, dass der Rundfunk<br />
jedenfalls für eine gefahrensensibilisierte Bevölkerung das geeignete Warnund<br />
Informationsmittel ist. Wir setzen deshalb prioritär auf den weiteren Ausbau<br />
dieses Warnsystems. Wir brauchen aber auch Warnelemente, die aufwecken.<br />
Wir wollen es deshalb nicht beim satellitengestützten Warnsystem belassen, sondern<br />
prüfen in einer Reihe von Pilotprojekten und Feldversuchen, ob und inwieweit<br />
sich speziell der Weckeffekt über das Radio (Einschaltlösung), den Mobilfunk,<br />
das Festnetztelefon und/oder die Funkalarmuhr realisieren lässt. Hier stehen<br />
wir noch in der Erprobung – aber doch mit der deutlichen Tendenz, auf eine oder<br />
mehrere dieser Technologien zu setzen – und zwar in Ergänzung zum satellitengestützten<br />
Warnsystem. Wir prüfen zwar derzeit auch, ob es sich lohnen kann, ein<br />
neues Sirenensystem aufzubauen oder die noch vorhandenen Sirenen nachzurüsten.<br />
Aber ich habe doch einige Zweifel, ob wir wirklich gut beraten wären, auf<br />
diese eher traditionellen Warnelemente zurückzugreifen.<br />
Vor allem hat die Sommerflut im vergangenen Jahr eines nachdrücklich bestätigt:<br />
Professionelles Krisenmanagement will gelernt sein, muss vor allem immer wieder<br />
geübt werden. Wenn wir den Katastrophenschutz verbessern wollen, brauchen<br />
wir die Begegnung, den Austausch, den Kontakt der Dienststellen des Bundes mit<br />
denen der Länder, der Kommunen, der Feuerwehren und der Hilfsorganisationen.<br />
97
Und wir brauchen das Gespräch mit der Wissenschaft. Der Ort, den der Bundesminister<br />
des Innern hierfür anbietet, ist die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung<br />
und <strong>Zivilschutz</strong> in Bad Neuenahr-Ahrweiler.<br />
In den vergangenen Monaten konnten wir eine sprunghafte Zunahme der Nachfrage<br />
nach Schulung in Führungs- und Leitungsaufgaben registrieren. Wir haben<br />
das Ausbildungs- und Übungsangebot der Akademie erheblich aufgestockt. Besonderer<br />
Schwerpunkt der Ausbildungs- und Übungsangebote ist die Abwehr bzw.<br />
Bekämpfung von B- und C-Gefahren. Unser Ziel ist es, die Akademie zu einem<br />
Kompetenzzentrum für das gemeinsame Krisenmanagement von Bund und Ländern,<br />
zu einem Forum für den wissenschaftlichen Austausch sowie zu einer Begegnungsstätte<br />
und Ideen-Börse für Experten aus dem In- und Ausland auszubauen.<br />
Hier setzen wir auch auf Anregungen und Beiträge der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />
Wesentliches Element der neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung ist die<br />
Fähigkeit der Bürger, sich und ihre Nachbarn vorbeugend und beim Eintritt von<br />
Gefahren zu schützen. Hier liegt noch vieles im Argen. Das hat gerade auch wieder<br />
das Sommerhochwasser im vergangenen Jahr gezeigt. Für uns hat die Stärkung<br />
der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung einen ganz wesentlichen Stellenwert. Wir<br />
haben deshalb z.B. die Förderung der Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe<br />
mit Selbstschutzinhalten seit Herbst letzten Jahres wieder aufgenommen. Die hierfür<br />
gemeinsam mit den Hilfsorganisationen erarbeitete Neukonzeption setzt da an,<br />
wo im Sinne einer ebenso frühen wie nachhaltigen Sensibilisierung der Zielgruppen<br />
die größten Erfolge zu erwarten sind: in der Schule.<br />
Die Anschläge des 11. September 2001 haben jedermann für die speziellen Gefahren<br />
von Angriffen mit B- und C-Waffen sensibilisiert. Auch hier hat der Bund<br />
schnell gehandelt. Kurzfristig wurden an die Länder rd. 650 <strong>Zivilschutz</strong>fahrzeuge<br />
ausgeliefert, neben Krankentransportwagen vor allem moderne ABC-Erkundungskraftwagen.<br />
Mit ihnen hat Deutschland erstmals ein hoch mobiles System zur Aufspürung,<br />
Messung und Erfassung von radiologischen, biologischen und chemischen<br />
Kontaminationen. Derzeit wird unter Federführung des Bundesinnenministeriums<br />
ein neues technisches Ausstattungskonzept für den ergänzenden<br />
Katastrophenschutz erarbeitet. Es geht vor allem – aber nicht allein – um die Fahrzeugausstattung.<br />
Philosophie dieser neuen Ausstattungskonzeption ist: Wir müssen<br />
weg vom bisherigen Gießkannenprinzip, hin zu einer mehr bedarfsorientierten<br />
Ausstattung, die sich an potenziellen Risiken und Gefahren vor Ort ausrichtet.<br />
Bei der Fortentwicklung des Ausstattungskonzepts konnte auf viele Vorschläge<br />
und Gutachten der <strong>Schutzkommission</strong> und <strong>Forschung</strong>sergebnisse ihrer Mitglieder<br />
zurückgegriffen werden.<br />
Die Bundesmittel für die Zivil- und Katastrophenschutzforschung sind beträchtlich<br />
aufgestockt worden. Auch hier liegt der Schwerpunkt im B- und C-Bereich.<br />
Diese Aufstockung ist auch Ausfluss bzw. Anerkennung der neuen politischen<br />
Wertigkeit der <strong>Schutzkommission</strong> und ihrer Arbeit.<br />
Zum Schutz vor Terrorangriffen mit biologischen Kampfstoffen hat der Bund eine<br />
nationale Notreserve von Pockenimpfstoff angeschafft. Diese Reserve wird jetzt<br />
98
in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern auf 100 Millionen<br />
Dosen aufgestockt; damit ist eine Vollversorgung der Bevölkerung gewährleistet.<br />
Aus der zwischen Bund und Ländern verabredeten neuen Strategie wollen wir vor<br />
allem aber auch eine wichtige organisatorische Konsequenz ziehen: Die Dienstleistungen<br />
und Serviceangebote des Bundes im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
sollen in einem neuen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
gebündelt und zentral vorgehalten werden. Das entsprechende<br />
Errichtungsgesetz befindet sich demnächst in der Ressortabstimmung. Der zivile<br />
Bevölkerungsschutz wird damit auch organisatorisch als wichtige Säule des nationalen<br />
Sicherheitssystems hervorgehoben.<br />
All dies zeigt: Wir stellen uns auf die neuen Herausforderungen ein. Die Aufgabe,<br />
die wir zu lösen haben, ist zugegebenermaßen nicht einfach. Vor allem ist auch<br />
dies immer klarer: Für die Bewältigung der neuen Herausforderungen ist wissenschaftliche<br />
Unterstützung unverzichtbar. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat in der Vergangenheit<br />
gezeigt – zuletzt beim Sommerhochwasser 2002, dass sie diese Unterstützung<br />
in hervorragender Weise leisten kann. Ich bin sicher, dass sie diese Unterstützung<br />
auch künftig leisten wird.<br />
99
Nachruf auf<br />
Dr. Albert Sittkus<br />
Heinz Reichenbach<br />
Wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag verstarb am 28. Januar dieses Jahres<br />
Dr. Albert Sittkus,<br />
ein Mann, der hervorragende zivilschutzrelevante <strong>Forschung</strong> betrieb,<br />
ein Mann, der sich bleibende Verdienste um die <strong>Schutzkommission</strong> als deren<br />
Sekretär erwarb, eine Funktion, die er bis 1980 innehatte, ehe unser heutiger<br />
Geschäftsführer die Nachfolge antrat. Wir wollen Dr. Albert Sittkus, der manchem<br />
unter uns allenfalls nur noch dem Namen nach bekannt ist, in Dankbarkeit gedenken<br />
und durch einen Nachruf ehren.<br />
Geboren wurde Albert Sittkus am 9. Februar 1913 in Hamburg. Seine Jugend und<br />
seine Schulzeit verbrachte er jedoch in Ostpreußen, und zwar in Königsberg. An<br />
der dortigen Universität studierte er Physik, Chemie und Mathematik und schloss<br />
seine Studien 1936 mit einer Promotionsarbeit ab. Der Titel war: „Die Absorption<br />
der kosmischen Ultrastrahlung in verschiedenen Materialien mit Hilfe eines Zählrohrteleskops“.<br />
Ein Thema, das sich als wegweisend für seine wissenschaftliche<br />
Lebensarbeit erweisen sollte.<br />
Dr. Albert Sittkus wechselte anschließend als wissenschaftlicher Assistent zum<br />
Physikalischen Institut der Universität Freiburg. Hier widmete er sich dem Nachweis<br />
der kosmischen Strahlung. Dazu bedurfte es ausgefeilter, langzeitig stabiler<br />
und zuverlässiger Apparaturen. Diese musste er größtenteils selbst entwickeln und<br />
bauen. Seine neuartigen, erfolgreich begonnenen Untersuchungen wurden 1941<br />
unterbrochen, als er zum Wehrdienst einberufen wurde.<br />
Nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft fand er die Stadt Freiburg und das Physikalische<br />
Institut zu großen Teilen zerstört. Seine Aufgabe bestand daher zunächst<br />
darin, Schutt zu räumen und sich am Wiederaufbau des Instituts maßgeblich zu<br />
beteiligen. Prof. Gentner, der bekannte Kernphysiker, der inzwischen die Leitung<br />
des Physikalischen Instituts übernommen hatte, machte Dr. Sittkus zu seinem<br />
Oberassistenten und übertrug ihm die Arbeitsgruppe „Kosmische Strahlung“.<br />
Diese Gruppe führte zunächst ihre Messungen und Dauerregistrierungen im Institut<br />
durch und auch auf dem Turm der Universität. Dr. Sittkus plante aber weiter<br />
und errichtete in den 50er Jahren eine Messhütte auf dem Schauinsland. Diese lag<br />
rund 1000 Meter höher als die Basisstation in Freiburg. Bis zum Ende seiner Tätigkeit<br />
hat Herr Sittkus die Station Schauinsland mit großem Erfolg und unter enormem<br />
persönlichem Einsatz mit seinen Mitarbeitern betrieben. Es sei nur beispielhaft<br />
daran erinnert, dass diese tag- und nachtbesetzte Station lange Zeit nur nach<br />
101
weitem Fußmarsch und im Winter nur mit Skiern über manchmal meterhohen<br />
Schnee erreichbar war.<br />
Die Erfahrungen während des zweiten Weltkrieges mit den Folgen für die Bevölkerung<br />
veranlassten den damaligen Innenminister und späteren Bundespräsident<br />
Heinemann, 1951 die „<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern“ zu<br />
gründen mit dem Ziel, die Bevölkerung gegen atomare, biologische und chemische<br />
Angriffe zu schützen.<br />
Als dann in den 50er und 60er Jahren die USA und die Sowjetunion ihre Atombombentests<br />
in der Atmosphäre intensivierten und später auch Frankreich, England<br />
und China hinzukamen, war es folgerichtig, dass Dr. Sittkus seine Arbeiten<br />
auf <strong>Zivilschutz</strong>fragen konzentrierte, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
der Kommission, später als Bundesbeamter und zuletzt als Wissenschaftlicher<br />
Direktor beim Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong>.<br />
Zumindest einige Stichworte zu seinen in rund 40 Originalarbeiten dokumentierten<br />
wissenschaftlichen Tätigkeiten seien erwähnt:<br />
• Entwicklung von Geräten und Verfahren, die u.a. zur Untersuchung der Radioaktivität<br />
in Luft und im Niederschlag dienen und auch vom Deutschen Wetterdienst<br />
eingesetzt werden.<br />
• Überwachung der Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen, wobei ihm<br />
1953 der erstmalige Nachweis von Fallout aus Kernwaffen in der Bundesrepublik<br />
gelang.<br />
• Erarbeitung der Richtlinien für Strahlenmessgeräte im <strong>Zivilschutz</strong>.<br />
• Erstellung einer wissenschaftlich/technischen Konzeption für die Immissionsüberwachungs-Messringe<br />
um Kernkraftwerke, zunächst nur für die beiden,<br />
Freiburg nahe gelegenen Anlagen im französischen Fessenheim und im<br />
schweizerischen Leibstadt. Diese Konzeption wurde schließlich für die Messnetze<br />
an allen deutschen Kernkraftwerks-Standorten übernommen und ebenso<br />
für das Fern-Messnetz des Warndienstes.<br />
• Erarbeitung einfacher Messverfahren zur nuklidspezifischen Bestimmung der<br />
Kontamination von Lebensmitteln und des Bodens durch Fallout.<br />
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Radionuklide von Dr. Sittkus in geringsten Spuren<br />
nachgewiesen werden konnten, die bei Bombenexplosionen oder auch aus<br />
andern Quellen, z.B. aus Kernkraftanlagen, freigesetzt werden. So war es ihm<br />
nicht nur möglich, Schlüsse auf großräumige Transportvorgänge in der Atmosphäre<br />
zu ziehen, sondern auch Art, Zusammensetzung und Herkunftsland oberirdisch<br />
gezündeter Atomwaffen zu bestimmen und sogar aus der Analyse der heißen Teilchen<br />
den jeweiligen Entwicklungsstand in den einzelnen Ländern zu ermitteln.<br />
Solche Daten wollten verständlicherweise die Bombenentwickler nicht unbedingt<br />
preisgeben. Es ist daher sicher nicht abwegig zu behaupten, dass Dr. Sittkus mit<br />
seinen Mitarbeitern dazu beigetragen hat, dass 1963 oberirdische Atombombenexperimente<br />
weltweit eingestellt wurden.<br />
102
Naturgemäß ging daher nach einiger Zeit die atmosphärische Radioaktivität stark<br />
zurück. Auch von den damals vorhandenen und geplanten Kernkraftwerken erwartete<br />
man zumindest anfangs keine nennenswerten Gefahren. So kam es in den 70er<br />
Jahren zu einer Situation, die fast zur Auflösung der Sittkus´schen Arbeitsgruppe<br />
geführt hätte. Unsere Regierung sah keine weitere Notwendigkeit mehr für eine<br />
solche Einrichtung. Nebenbei bemerkt, auch die Frage des Weiterbestehens der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> stand damals zur Debatte. Sie war ja satzungsgemäß nur für<br />
den kriegerischen Verteidigungsfall, den V-Fall konzipiert.<br />
Sie wissen alle, dass sich jedoch bald die Einschätzung von Gefahren für die<br />
Bevölkerung und auch die Anforderungen an den <strong>Zivilschutz</strong> erheblich änderten.<br />
Spätestens nach Tschernobyl waren schließlich alle zuständigen Gremien in unserem<br />
Land überzeugt, dass die <strong>Forschung</strong>sarbeiten und Registrierungen, wie sie von<br />
Dr. Albert Sittkus initiiert und betrieben wurden, weitergeführt werden mussten.<br />
Auch die Notwendigkeit eines Gremiums wie die <strong>Schutzkommission</strong> wurde zwar<br />
immer wieder in Frage gestellt, blieb aber letztlich doch unbestritten.<br />
Es war sicherlich für Dr. Albert Sittkus eine große Genugtuung noch miterleben<br />
zu dürfen, dass schließlich seine Lebensarbeit die gebührende Anerkennung gefunden<br />
hat, was nicht zuletzt auch durch die Verleihung des Verdienstordens der<br />
Bundesrepublik Deutschland 1. Klasse zum Ausdruck kam.<br />
Lassen Sie mich noch ein paar persönliche Erinnerungen anfügen.<br />
Meine erste Begegnung mit Dr. Sittkus liegt nun gut 55 Jahre zurück, also noch<br />
zu einer Zeit bevor es eine <strong>Schutzkommission</strong> gab. Es war, als ich mein Physikstudium<br />
in Freiburg begann und die Anfängervorlesung von Prof. Gentner besuchte.<br />
Manchmal musste vertretungsweise sein Oberassistent die Vorlesung übernehmen.<br />
Dieser war meist weit besser vorbereitet als sein Chef. Er vermittelte das<br />
Fachwissen in hervorragender und in studentenadäquater Weise. Herr Dr. Sittkus<br />
musste auch zeitweise die Übungsaufgaben der Studenten korrigieren, darunter<br />
also auch die meinigen. Er war ein kritischer Korrektor, der Nachlässigkeiten und<br />
Denkfehler schonungslos kritisierte. Ich hatte von ihm zunächst den Eindruck<br />
eines eher verschlossenen, knorrigen und fast unnahbaren Menschen. Es dauerte<br />
aber nicht lange, bis ich erkannte, dass sich unter einer harten und rauen Schale<br />
ein gütiges Herz verbarg. Hatte man sein Vertrauen erworben, zeigte er sich wohlwollend,<br />
äußerst hilfsbereit und verlässlich. Stets war er fair und korrekt. Er war<br />
ein sehr genauer und präzise arbeitender Wissenschaftler, der mit außerordentlicher<br />
Zähigkeit und Ausdauer arbeitete. Er beeindruckte durch seine Bescheidenheit;<br />
große Worte liebte er nicht.<br />
Seine menschlichen und fachlichen Werte, sein Urteilsvermögen und seine klare<br />
Stellungnahme zu Sachverhalten, sowie seine Kooperationsbereitschaft und Kollegialität<br />
habe ich erst einige Zeit später richtig kennen und schätzen gelernt, als<br />
ich nämlich 1971 als Nachfolger von Prof. Gentner zum Vorsitzenden unserer<br />
Kommission gewählt wurde und Dr. Sittkus mir nunmehr als Sekretär zur Seite<br />
stand. Die 6 Jahre dieser Konstellation waren geprägt durch eine ausgezeichnete,<br />
vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit. Ernste Probleme – etwa die<br />
103
Frage des Weiterbestehens der Kommission – waren zu meistern. Wir brauchten<br />
eine neue, zusätzliche Aufgabenstellung für die Kommission, eine neue Satzung,<br />
die nicht nur den V-Fall berücksichtigte. Klar war, es sollte eine länderübergreifende<br />
und auch dem Ministerium gegenüber begründbare Aufgabe sein. In dieser<br />
Situation machte Dr. Sittkus den Vorschlag, man sollte in den Aufgabenkatalog den<br />
Begriff „Großkatastrophen“ aufnehmen. So geschah es dann auch; eine bessere<br />
Bezeichnung fiel uns damals nicht ein.<br />
Es war nicht die Absicht, in die Kompetenz der Länder einzugreifen, die ja für die<br />
Katastrophenvorsorge zuständig sind. Sondern es ging vielmehr darum, deutlich<br />
zu machen, dass die Aufgabe der Kommission nicht nur in der Vorsorge für den<br />
V-Fall bestehen sollte, sondern umfassender sein müsse. Das Wort Großkatastrophe<br />
hat bekanntlich später noch mancherlei Diskussionen ausgelöst, aber schließlich<br />
und endlich wurde erreicht, dass die <strong>Schutzkommission</strong> damals erhalten blieb.<br />
Ist es daher etwa vermessen zu behaupten, Dr. Sittkus habe am Fortbestand der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> wesentlichen Anteil gehabt?<br />
Die <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern darf stolz darauf und<br />
dankbar dafür sein, einen Mann wie Dr. Sittkus von den ersten Stunden an in ihren<br />
Reihen gehabt zu haben. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern alle, die<br />
ihn kannten, ihn in bleibender, ehrender und dankbarer Erinnerung behalten werden.<br />
104
Das Gemeinschaftsverfahren zur Verbesserung der<br />
Zusammenarbeit im <strong>Zivilschutz</strong> und das<br />
Melde- und Informationszentrum der Europäischen<br />
Kommission<br />
Horst Miska<br />
1. Hintergrund und Ziele<br />
Die Bewertung internationaler Einsätze nach großen Unglücksfällen in den späten<br />
neunziger Jahren wie Erdbeben und Fluten in Europa und Asien verdeutlichte<br />
die Notwendigkeit für bessere Koordination der Unterstützung. Ein Aktionsprogramm<br />
der Gemeinschaft im Bereich des Katastrophenschutzes wurde in der Europäischen<br />
Union festgelegt. Dieses Programm sollte die Bemühungen der Mitgliedstaaten<br />
auf nationalen, regionalen und lokalen Ebenen für den Schutz von Personen und<br />
Umwelt im Falle naturbedingter und technologischer Katastrophen ergänzen. Das<br />
Ziel bestand auch darin, die Zusammenarbeit, Austausch von Erfahrung und<br />
gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.<br />
Auf Grund dieser Vorbereitungsarbeiten konnte die Europäische Gemeinschaft<br />
prompt nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 mit einer Entscheidung<br />
des Rates reagieren, die einen Mechanismus der Gemeinschaft festlegt, um die verstärkte<br />
Zusammenarbeit in Einsätzen zur Unterstützung im Katastrophenschutz zu<br />
erleichtern. Dieser Mechanismus und seine Durchführung werden hier weiter<br />
beschrieben.<br />
2. Der Gemeinschaftsmechanismus<br />
Schwere Unglücksfälle sind – glücklicherweise – sehr seltene Vorfälle, aber mit<br />
unermesslichen Folgen für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Jede Behörde, die<br />
für Vorbereitung und Durchführung von Notfallmaßnahmen verantwortlich ist,<br />
muss einen Kompromiss zwischen möglicherweise hohen Ausgaben zur Vorbereitung<br />
auf diese seltenen Fälle und andererseits dem Risiko finden, dass keine angemessenen<br />
Maßnahmen für die Bewältigung eines schweren Unfalls oder einer<br />
Naturkatastrophe verfügbar sind. Das Gleichgewicht kann durch die Zusammenarbeit<br />
zwischen verantwortlichen Behörden erleichtert werden, sodass Personal<br />
und Mittel geteilt werden können. Diese Zusammenarbeit und gemeinsame Nutzung<br />
von Ressourcen sind zum Beispiel auf lokaler Ebene bei den Feuerwehren<br />
eingespielt. Die Notfallvorsorge ist manchmal zentral organisiert, wohingegen in<br />
föderal organisierten Staaten häufig eine dezentralisierte Struktur mit geteilten Verantwortlichkeiten<br />
vorliegt.<br />
Außerdem sind einige sehr spezialisierte Einsatzgruppen wie Höhlentaucher, Rettungshundestaffeln<br />
oder Höhenrettungsgruppen entstanden, die bereit sind, bei<br />
105
speziellen Notfällen zu helfen. Wegen dieser hohen Spezialisierung kommen sie<br />
über einem großen Gebiet zum Einsatz, aber nur in sehr speziellen Situationen und<br />
daher selten. Der neu eingerichtete Mechanismus der Gemeinschaft wird den Austausch<br />
von Teams, von Experten und spezieller Mittel über nationale Grenzen hinweg<br />
erleichtern.<br />
Abb. 1: Teilnehmer am Mechanismus (SK erst ab Mai 2004, TR noch nicht beteiligt)<br />
Der Mechanismus steht den 15 Mitgliedstaaten, den anderen drei Ländern des<br />
europäischen Wirtschaftsraums (EWR: Island, Norwegen und Liechtenstein) sowie<br />
den Beitrittsstaaten offen; deren Mitwirkung wird bis zum offiziellen Beitritt<br />
über gemeinsame Absichtserklärungen (MoU) geregelt. Somit bezieht sich der<br />
Ausdruck „Teilnehmer am Mechanismus“ auf die Mitgliedstaaten der Union, die<br />
EWR-Länder und jene Staaten, die das Memorandum unterschrieben haben. Insgesamt<br />
haben die 29 Länder als Teilnehmer im Mechanismus über 480 Millionen<br />
Einwohner, für die gesorgt wird und die bereit sind, andere zu unterstützen.<br />
Der Mechanismus besteht aus einer Reihe von Elementen:<br />
• das Management eines Melde- und Informationszentrums (MIC),<br />
106
• die Einrichtung des Gemeinsamen Notfall-Informations- und Kommunikationssystems<br />
(CECIS),<br />
• die Identifizierung von Einsatzgruppen und Mitteln,<br />
• die Einrichtung von Bewertungs- oder Koordinationsteams,<br />
• andere Unterstützungsaktion wie zum Beispiel Maßnahmen, um den Transport<br />
sicherzustellen,<br />
• die Durchführung eines Ausbildungsprogramms,<br />
• Workshops und Seminare über wichtige Aspekte der Einsätze.<br />
Schließlich wird die Bedeutung, die Einsätze auszuwerten, um weiter die Planung<br />
zu verbessern, durch einen vorgesehenen Erfahrungsaustausch anerkannt und realisiert.<br />
Der Mechanismus, wie er in der Entscheidung des Rates definiert ist, wird<br />
unmittelbar in allen Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich und legt sowohl der<br />
Kommission als auch den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auf.<br />
2.1 Verpflichtungen der Kommission<br />
Gemäß den Verpflichtungen, die in der Entscheidung definiert wurden, hat die<br />
Kommission das MIC im Gebäude der Umwelt-Generaldirektion (GD ENV) in<br />
Brüssel eingerichtet. Das MIC stellt ein Zentrum dar, um Informationen über Notfälle<br />
zu sammeln, zusammenzustellen und zu verteilen, Bitten um Unterstützung<br />
entgegenzunehmen, zusammenzustellen und an andere Teilnehmer für Berücksichtigung<br />
weiterzuleiten. Außerdem wird die Kommission CECIS entwickeln und<br />
installieren.<br />
Die Kommission soll weiter die Fähigkeit entwickeln, kleine Gruppen von Experten<br />
zu mobilisieren und zu entsenden, verantwortlichen für:<br />
• Bewertung der Situation,<br />
• Vorbereitung der Koordination von Unterstützung am Unfallort und Verbindungsaufbau<br />
mit den zuständigen Behörden des betroffenen Staates.<br />
Die Erfahrungen aus Einsätzen, die im Rahmen des Mechanismus erfolgt sind, sollen<br />
bewertet und verbreitet werden, um die Fortschreibung der Verfahren zu<br />
ermöglichen. Die Kommission sollte die Einführung neuer Technologien einschließlich<br />
der Systeme für die Entscheidungsunterstützung stimulieren und die<br />
Verwendung anregen.<br />
Die Kommission kann weiter Maßnahmen ergreifen, die den Transport von Einsatzmitteln<br />
für die Intervention sicherstellen. Schließlich wird eine medizinische<br />
Ressourcendatenbank, die in CECIS einbezogen werden soll, Informationen über<br />
die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung einer Produktion von<br />
Seren und über die Bestände erstellen, die für eine Intervention verfügbar sind.<br />
107
2.2 Verpflichtungen der Mitgliedstaaten<br />
Die Mitgliedstaaten haben vorbereitende Aufgaben sowie solche im Falle eines<br />
Notfalls. Um ihre Fähigkeit für effektive Intervention in einem bedeutenden Notfall<br />
zu gewährleisten, sollen die Mitgliedstaaten Einsatzgruppen bestimmen, die<br />
für die Intervention im Rahmen des Mechanismus verfügbar sind. Diese Teams<br />
sollten kurzfristig bereit sein, um innerhalb von zwölf Stunden nach einem Hilfeleistungsersuchen<br />
in Marsch gesetzt werden zu können.<br />
Die Mitgliedstaaten sollten auch Experten auswählen, die eingesetzt werden können,<br />
um am Unfallort in einem Bewertungs- oder Koordinationsteam zu dienen.<br />
Sie sollten Informationen über diese Teams sowie über medizinische Ressourcen<br />
liefern und diese Informationen auf aktuellem Stand halten.<br />
Schließlich sollten die Mitgliedstaaten ihre zuständigen Behörden in Bezug auf<br />
Katastrophenschutz ernennen, ihre 24 Stunden pro Tag verfügbare Kontaktstelle<br />
benennen und die Kommission entsprechend informieren.<br />
In einem schweren Notfall, der grenzüberschreitende Auswirkungen haben oder<br />
eine Forderung nach Unterstützung ergeben kann, soll der Mitgliedstaat benachrichtigen:<br />
• jene Mitgliedstaaten, die vom Unfall betroffen werden können und<br />
• die Kommission, wenn ein mögliches Ersuchen um Unterstützung durch das<br />
MIC zu erwarteten ist.<br />
Da die Entscheidung des Rates keine Verpflichtungen aus bestehenden Rechtsvorschriften<br />
beeinflusst, ist keine Mitteilung erforderlich, wenn sie unter anderen<br />
Konventionen wie Euratom oder bilateralen Abkommen gewährleistet ist.<br />
2.3 Detaillierte Regelungen<br />
Wie auch für andere gesetzliche Angelegenheiten sind die Einzelheiten von Verfahren<br />
innerhalb des Mechanismus genauer in den Gemeinsamen Regeln („Common<br />
Rules“) festgelegt. Gemeinsame Regeln existieren für jeden der folgenden<br />
Bereiche:<br />
• verfügbare Ressourcen für Hilfeleistungseinsätze<br />
• das Melde- und Informationszentrum MIC<br />
• das Gemeinsame Notfall-Kommunikations- und Informations-System CECIS<br />
• die Bewertungs- oder Koordinationsteams und -Experten<br />
• das Ausbildungsprogramm<br />
• Informationen über medizinische Ressourcen und<br />
• die Interventionen innerhalb sowie außerhalb der Gemeinschaft.<br />
108
Diese Gemeinsamen Regeln werden in Form einer Entscheidung der Kommission<br />
in Kraft gesetzt und nehmen somit eine mittlere Stellung in der Hierarchie von Verordnungen<br />
ein.<br />
Durchführungsrichtlinien geben sogar noch spezifischere Hinweise oder Empfehlungen.<br />
Sie werden in Arbeitsgruppen abgestimmt und sind weniger starr, um die<br />
Rückflüsse von Erfahrungen zuzulassen, die in regelmäßigen Änderungen eingearbeitet<br />
werden. Handbücher werden für Informationen von Teams herausgegeben,<br />
besonders wenn sie für Einsätze außerhalb des Kreises von Teilnehmern im<br />
Mechanismus vorgesehen sind. Die Hierarchie der Rechtsvorschriften ist in Abb. 2<br />
gezeigt.<br />
Abb. 2: Struktur der Regelungen im Mechanismus<br />
3. Der Mechanismus in Aktion<br />
Der Mechanismus wird entweder durch ein Ersuchen um Unterstützung eines<br />
betroffenen Landes oder durch die Mitteilung über einem Notfall mit grenzüberschreitenden<br />
Auswirkungen aktiviert. Diese Anfrage oder Mitteilung kann direkt<br />
an die Nachbarstaaten oder das MIC der Kommission für die Verbreitung gerichtet<br />
werden. Wenn nur einige Nachbarn betroffen sind, könnte bilateraler Informationsaustausch<br />
effektiv sein, aber die Kommission sollte immer in Kopie informiert<br />
werden. Wenn größere Verbreitung erforderlich ist, sollte die Mitteilung<br />
durch das MIC erfolgen.<br />
109
Außerdem kann die Kommission spontan Maßnahmen im Rahmen des Mechanismus<br />
ohne Bitten eines Staates in Not vorsehen.<br />
3.1 Das MIC und seine Instrumente<br />
Das MIC hält zwei Mitarbeiter in Bereitschaft, die nach der Alarmierung durch<br />
das Sicherheitsbüro als Kontaktstelle der Kommission in weniger als einer Stunde<br />
auf Anfragen antworten können. Das MIC hat keine Einsatzverantwortung und<br />
deshalb braucht und kann die Kommission nicht permanent Personal im Büro vorzuhalten;<br />
nur während eines laufenden Notfalls wird das MIC ohne Unterbrechung<br />
mit Personal besetzt.<br />
Die Ausrüstung des MIC ist die eines Zentrums für Warnung und für Informationsaustausch.<br />
Außerdem sind Mittel für die Weiterverfolgung der Berichterstattung<br />
der Medien über Katastrophen verfügbar. Vier Arbeitsplätze und einer für eine Verbindungsperson<br />
sind mit Standard-IT-Mitteln ausgerüstet. Bis der Aufbau von<br />
CECIS abgeschlossen sein wird, bilden Faxgeräte das Rückgrat des Informationsaustauschs.<br />
Aber elektronischer Austausch von Informationen per E-Mail wird<br />
bevorzugt, da damit Dokumente, Tabellen und Graphik in Farbe gesendet und<br />
erhalten, leicht bewertet und weiterverarbeitet werden können. Einige automatische<br />
Warn-Funktionen, – wie eines für Erdbeben – sind eingerichtet sowie Verbindungen<br />
zu speziellen Netzen, zum Beispiel ECURIE, implementiert.<br />
Schon vor dem Mechanismus hat es Netzwerke gegeben, am bekanntesten ist<br />
ECURIE, und seit kurzem BICHAT, das Warnsystem für Mitteilungen im Falle<br />
eines biologischen oder chemischen Angriffs. Aber die Bemühungen werden nicht<br />
verdoppelt, jedes System hat seinen eigenen Anwendungsbereich und arbeitet<br />
unabhängig. Ein Alarm wird zu einem anderen System nur übertragen wenn erforderlich.<br />
Dies heißt, dass spezielle Systeme dem allgemeinen Katastrophenschutz<br />
nur dann melden werden, wenn die Folgen eines Notfalls die Unterstützung vom<br />
Personal des Katastrophenschutzes oder Feuerwehr benötigen. Andererseits wird<br />
das MIC alle Mitteilungen an das kompetente, spezielle Netz weiterleiten, wenn<br />
Strahlung oder chemische Agenzien involviert sind.<br />
Wenn dem MIC ein Notfall gemeldet wird oder es ein Ersuchen um Unterstützung<br />
erhält, soll es<br />
• validierte Informationen über den Notfall sammeln und verbreiten<br />
• die Anfrage an die Kontaktstellen anderer Teilnehmer weiterleiten und<br />
• die Mobilisierung von Teams und Experten vorbereiten.<br />
Da das MIC keine eigenen Mittel zur Informationsbeschaffung besitzt und woanders<br />
keine validierten Informationen sammeln kann, ist es vollkommen von den<br />
Informationen abhängig, die es von Teilnehmern erhält. Somit reflektiert die Qualität<br />
von Mitteilungen, die das MIC verteilt, die Qualität der Informationen, die es<br />
erhält; die Quelle der Mitteilung legt fest, ob die Information authentisch ist.<br />
110
Spezielle Informationen können über das MIC in der Form von Satellitenbildern<br />
angefordert werden. Im Falle der Meeresverschmutzung durch die „Prestige“ hat<br />
sich das Aufspüren von Ölplacken und das Verfolgen ihrer Abdrift als hilfreich<br />
erwiesen. Außerdem konnte die Unterstützung von spezieller Hilfe arrangiert werden.<br />
Weiterhin kann z.B. im Falle von Überschwemmung die Pegelprognose des<br />
Programmsystems LISFLOOD des JRC zur Entscheidungsunterstützung für verantwortliche<br />
Agenturen dienen.<br />
3.2 Besonderheiten von CECIS<br />
Das Kommunikationssystem CECIS ist mit der Unterstützung von IT-Spezialisten<br />
aus den Mitgliedstaaten entworfen worden. Das System wird Plattform-unabhängig<br />
und benutzerfreundlich sein, indem es eine mehrsprachige Web-Schnittstelle<br />
anbietet. Das geschlossene Netz TESTA zwischen den europäischen Regierungen<br />
wird Zuverlässigkeit und Sicherheit gewährleisten. Zusätzlich zum Kommunikationsmerkmal<br />
wird es eine Datenbankanwendung anbieten, in dem die gesamten<br />
relevanten Informationen über Interventionsteams, Experten und Ausrüstung<br />
gespeichert werden. Es wird so organisiert werden, dass jeder Teilnehmer die<br />
Informationen über seine Einsatzmittel einbringt und aktualisiert, während das<br />
MIC und alle anderen Teilnehmer auf die Informationen zurückgreifen können.<br />
CECIS sollte in einer Pilotversion vor Ende 2004 einsatzfähig sein und die Aufgaben<br />
des MIC sowie der Teilnehmer im Mechanismus erleichtern. Es wird<br />
ermöglichen, klassifizierte Informationen zu übertragen und zu erhalten, die von<br />
normaler E-Mail oder mit Fax nicht versandt werden können.<br />
3.3 Verfahren zur Koordinierung von Unterstützung<br />
Das Ersuchen eines Mitgliedstaates um Unterstützung sollte so spezifisch wie<br />
möglich sein, um zeitraubende Abfragen über weitere Einzelheiten zu vermeiden.<br />
Das MIC wird unverzüglich diese Anfrage an die Teilnehmer im Mechanismus<br />
über die Kontaktstellen weiterleiten.<br />
Jeder Teilnehmer, an den ein Ersuchen um Unterstützung gerichtet ist, soll prompt<br />
bestimmen, welche Unterstützung er dem anfragenden Staat über das MIC oder<br />
direkt (mit Kopie an MIC) zusichern kann. Das MIC wird alle Angebote für die<br />
Unterstützung sammeln und sie an den betroffenen Staat weiterleiten, welcher aus<br />
den Angeboten wählen kann. Nach Absprache über die Einsatzgruppen oder Mittel<br />
für die Unterstützung werden Einzelheiten des Transports vorzugsweise durch<br />
direkte bilaterale Kontakte behandelt.<br />
Der betroffene Saat soll für die Leitung der Interventionen verantwortlich sein. Die<br />
Behörden dieses Staates sollen Leitlinien festlegen und die Ziele für die Einsatzgruppen<br />
definieren, ohne Einzelheiten vorzugeben, die dem Teamleiter überlassen<br />
werden sollten. Der betroffene Staat kann die Teams aber auch bitten, den Einsatz<br />
111
selbstständig durchzuführen, sodass die Teams ihre Tätigkeiten koordinieren müssen.<br />
Bewertungs- oder Koordinationsteams sollten die Koordination zwischen Einsatzgruppen<br />
sicherstellen und die Verbindung mit den zuständigen Behörden des<br />
betroffenen Staates erleichtern.<br />
3.4 Spezielle Vereinbarungen für Interventionen außerhalb der<br />
Gemeinschaft<br />
Die Bestimmungen können auch zu Interventionen außerhalb der Gemeinschaft<br />
implementiert werden. Solche Interventionen können als eine autonome Unterstützungsintervention<br />
oder als ein Beitrag zu einer Intervention durchgeführt werden,<br />
die von einer internationalen Organisation geleitet wird.<br />
Die zuständigen Behörden eines Drittlandes können die Kommission informieren;<br />
aber sie kann auch aus eigener Initiative entscheiden, den Mechanismus zu aktivieren,<br />
um die Gemeinschaftshilfe vorzuschlagen. Dieser Vorschlag soll den<br />
Behörden des betroffenen Landes durch die Delegation der Europäischen Kommission<br />
übermittelt werden. Das MIC wird die Kontaktstellen der Teilnehmer über<br />
diese Initiative informieren.<br />
4. Weitere Entwicklung<br />
Der Mechanismus trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Aber schon vor diesem Zeitpunkt<br />
hatte die Katastrophenschutz-Abteilung Notfälle gehandhabt und Unterstützungsmaßnahmen<br />
koordiniert. Im Durchschnitt werden ein bis zwei Vorfälle pro<br />
Woche behandelt. Einige von ihnen dauern nur kurze Zeit an, während andere für<br />
Wochen oder gar Monate, wie die Koordination der Unterstützung im Falle des<br />
gesunkenen Tankers Prestiges, weitergehen.<br />
Wegen dieser häufigen Vorfälle werden die Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst<br />
durch das Tagesgeschäft fortgebildet. Außerordentliche Vorfälle wie ein Terror-<br />
Angriff oder ein großes Unglück benötigen ergänzende Ausbildung, die durch<br />
regelmäßige Übungen im Rahmen des Mechanismus erreicht wird. Diese Stabsrahmen-<br />
und Kommunikationsübungen zielen darauf ab, Informationsaustausch<br />
zwischen allen betroffenen Partnern zu testen und zu verbessern sowie interne<br />
Maßnahmen zu überprüfen.<br />
112
Abb. 3: Elemente des Mechanismus<br />
Schließlich werden jeder Einsatz und jede Übung bewertet. Außerdem werden<br />
diese Übungen helfen, das Bewusstsein über dem Mechanismus in teilnehmenden<br />
Ländern zu entwickeln. Die Erfahrung zeigt einen zu geringen Bekanntheitsgrad<br />
in den meisten Staaten und deshalb verpasste Möglichkeiten, die Vorteile des<br />
Mechanismus zu nutzen.<br />
Der Mechanismus der Gemeinschaft stützt sich auf die in Abb. 3 gezeigten Säulen.<br />
Zusätzlich werden alle Partner, die den Mechanismus in schweren Notfällen<br />
anwenden, dazu beitragen, die Verfahren zu konsolidieren und gleichzeitig Unterstützung<br />
und Hilfe auf eine sehr effektive Art erhalten.<br />
113
Perspektiven zur Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Ernst Pfenninger und Sabine Himmelseher<br />
1. Einleitung<br />
Unter dem Blickwinkel des aktuellen Zeitgeschehens müssen bei globalisiert möglichem<br />
Terrorismus manche Gefahrenpotenziale, die fast schon als unbedenklich<br />
akzeptiert wurden, wieder als sehr bedrohlich eingestuft werden [1]. Spätestens<br />
seit dem 11. September 2001 ist die Sorge vor Katastrophen allgegenwärtig [2].<br />
Die Abwendung von Gefahren und Schäden, die im Katastrophenfall drohen,<br />
obliegt in Friedenszeiten den Bundesländern (Katastrophenschutzgesetze der Länder),<br />
während im Kriegsfall der Bund für den <strong>Zivilschutz</strong> (<strong>Zivilschutz</strong>gesetz)<br />
zuständig ist. „Katastrophenschutz (KatS)“ wird definiert als die Maßnahmen der<br />
Bundesländer zur Verhinderung, Abwehr und Beseitigung von Katastrophen oder<br />
ihren Folgen [3]. Die Gesetzesnovelle zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es vom 25.<br />
März 1997 (geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember<br />
1999) regelt die Aufgaben des <strong>Zivilschutz</strong>es durch Behörden oder öffentliche und<br />
private Organisationen [4].<br />
Das Öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW) soll zur Gesundheitssicherung der<br />
Bevölkerung durch Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Abwehr von<br />
Gesundheitsgefahren beitragen. Artikel 74 des Grundgesetzes verankert als wichtige<br />
Zuständigkeiten Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare<br />
Krankheiten bei Mensch und Tier, die öffentliche Fürsorge sowie den Schutz<br />
gegen Gefahren bei Freiwerden radioaktiver oder ionisierender Strahlung. Der<br />
Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist Teil des öffentlichen Gesundheitswesens,<br />
die Aufgaben werden auf Landesebene von unterschiedlichen Ministerien durchgeführt,<br />
wobei der ÖGD auf drei Stufen arbeitet: den Gesundheitsabteilungen der<br />
Ministerien, den Medizinaldezernaten der Regierungsbezirke und den Gesundheitsämtern<br />
der Kreise und kreisfreien Städte [5].<br />
2. Aufgabenstellung des <strong>Forschung</strong>svorhabens<br />
Aufgabenstellung des vorliegenden <strong>Forschung</strong>svorhabens war es, die aktuelle Einbindung<br />
des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Zivil- und Katastrophenschutzplanung<br />
der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, die vorliegende<br />
Situation zu analysieren und potenziell Vorschläge zu einer Verbesserung der Inte-<br />
115
gration aufzuzeigen. Angesichts eines Mangels an katastrophenmedizinischen<br />
Themen in den Curricula der Aus- und Fortbildungskataloge sowohl während des<br />
Medizinstudiums als auch in der Facharztweiterbildung zum Arzt für Öffentliches<br />
Gesundheitswesen, bewertete schon 1999 eine Arbeitsgruppe der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern in ihrem „Bericht über die gesetzlichen<br />
Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben sowie zur Wahrung<br />
und Wiederherstellung der Gesundheit bei Großschadensereignissen“ die Situation<br />
zur Integration der Gesundheitsämter in den Katastrophenschutz wie folgt: „Die<br />
Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Bewältigung von Katastrophen<br />
und Großschadensereignissen ist ungenügend gelöst“ [6].<br />
Im Einzelnen sollten im vorliegenden <strong>Forschung</strong>sprojekt folgende Punkte untersucht<br />
werden:<br />
• Gesetzesgrundlagen zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in<br />
die katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />
Deutschland und deren Umsetzung<br />
• Richtlinien und Erlasse auf Länder- und Kreisebenen, die Bezug zur Einbindung<br />
des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />
aufweisen<br />
• Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals<br />
im öffentlichen Gesundheitsdienst bezüglich katastrophenmedizinischer<br />
Versorgung der Bevölkerung<br />
• der Ausbildungsstand des Personals im öffentlichen Gesundheitsdienst zur notfall-<br />
/katastrophenmedizinischen Versorgung<br />
• Evaluierung der Katastrophenschutzbehörden bezüglich der Einbindung des<br />
öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />
• Erstellung eines Konzeptes zur Behebung der festgestellten Defizite des ärztlichen<br />
Personals und der Fachberufe im öffentlichen Gesundheitsdienst zur<br />
besseren Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die notfall-/katastrophenmedizinische<br />
Versorgung.<br />
3. Methodik und Ergebnisse<br />
3.1 Rechtsgrundlagen<br />
Es wurde eine ausführliche Analyse und Kommentierung der Gesetzeslage im<br />
Bund sowie in den Bundesländern erarbeitet. Daran anschließend erfolgte eine<br />
synoptische Auflistung der einschlägigen Regelungsgegenstände und ihrer Fundstellen.<br />
In einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung wurde versucht, ein län-<br />
116
derübergreifendes Gesamtfazit zu ziehen, verbunden mit einem vorsichtigen Ausblick<br />
auf etwaige Konsequenzen für den Gesetzgeber und die gesetzanwendende<br />
Verwaltung.<br />
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass auf der Grundlage der geltenden Katastrophenschutz-<br />
und Gesundheitsdienstgesetze deren erkennbarer Normzweck erfüllt werden<br />
kann. Wo es dem Gesetzeswortlaut an Explizität mangelt – dies ist der Regelfall<br />
– sollte nicht mit dem Verlangen nach Klartext i. S. von Buchstäblichkeit<br />
reagiert werden. Dies würde zu einer unnötigen Aufblähung der Gesetze durch<br />
Überregulierung führen, die den rechtspolitisch immer wieder geltend gemachten<br />
Bestrebungen nach Deregulierung zuwiderliefe. Dafür, dass die hier zu würdigende<br />
Gesetzeslage keineswegs defizitär ist, spricht auch der Umstand: In den Katastrophenschutzgesetzen<br />
der Länder sind Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen<br />
nur sporadisch erfolgt und, wo dies der Fall ist, thematisch nicht einschlägig<br />
(s. hierzu die Ausführungen zu § 43 Abs.1 Nr.1 LBKG Rh.-Pf.). Dies<br />
wiederum kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es aus der Sicht des Gesetzgebers<br />
einer weiteren Durchnormierung – und sei es durch die Exekutive – nicht<br />
bedarf, die formelle Gesetzeslage vielmehr ausreicht und alles Weitere auf Verwaltungsebene,<br />
also durch administrative und organisatorische Maßnahmen im Wege<br />
des Gesetzesvollzugs und damit durch Ausfüllung und Ausführung der Gesetze<br />
i. S. des Normzwecks zu erfolgen hat und – von der Gesetzeslage gedeckt – auch<br />
erfolgen kann. Somit ergibt sich – thesenförmig verkürzt – die folgende richtungweisende<br />
Handlungsempfehlung: Das Ausschöpfen der Möglichkeiten vorhandener<br />
Gesetze geht vor Schaffung weiterer neuer oder Änderung bestehender<br />
Gesetze.<br />
3.2 Inhalte der Ausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals<br />
im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
Es wurden die aktuellen Curricula der obligatorischen Ausbildung für ärztliches<br />
Personal innerhalb des Studiums der Humanmedizin und im Rahmen der Weiterbildung<br />
zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen systematisch nach<br />
Bezügen zur Beherrschung von Katastrophen durchforstet. Hierfür wurde im studentischen<br />
Bereich der Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und<br />
pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zugrunde gelegt [7]. Im Bereich der fachärztlichen<br />
Weiterbildung wurden die vom Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes e.V. herausgegebenen (Muster-)Richtlinien zur Weiterbildung<br />
im Öffentlichen Gesundheitswesen als Basis verwendet [8]. Außerdem<br />
wurde der 6-monatige Kurs in der Facharztweiterbildung für das Öffentliche<br />
Gesundheitswesen bezüglich katastrophenmedizinischer Weiterbildungsaspekte<br />
analysiert. Im Hinblick auf fakultative Fortbildungsmöglichkeiten wurden die Programme<br />
der in Deutschland bestehenden Lehr- und <strong>Forschung</strong>sakademien für das<br />
öffentliche Gesundheitswesen in Berlin, Düsseldorf, München und Schwerin<br />
[9,10,11] sowie der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> in Ahrweiler<br />
erkundet [12].<br />
117
Ärztliches Personal<br />
In allen Abschnitten von Studium und Facharztweiterbildung finden sich vereinzelt<br />
Punkte, die zwar Bezug zu einer Katastrophe haben, aber es ist kein durchgehendes<br />
Gesamtkonzept erkenntlich. Zwei- bis dreistündige Referate zu Katastrophensituationen<br />
stellen einen Bruchteil der Ausbildung; viele dringend für einen<br />
Katastrophenfall zu unterrichtende Themen werden nicht einmal erwähnt. Praktische<br />
Anwendungen und Übungen für den Ernstfall sind im Curriculum nicht enthalten.<br />
Das Wissen, das für ein erfolgreiches Management einer Katastrophe im Zusammenwirken<br />
mit anderen Institutionen, Behörden, etc. notwendigerweise vorhanden<br />
sein muss, wird – wenn überhaupt – nur als fakultative, freiwillige Fortbildungsmöglichkeit<br />
angeführt. Zuständigkeitsgrenzen und Schnittstellen zu anderen<br />
medizinischen Diensten sind in der Aus- und Weiterbildung nicht transparent; eine<br />
Schulung für Prioritäten oder Gewichtsverteilungen im ÖGD für den Katastrophenfall<br />
ist nicht erkenntlich. Logistische Abläufe, strategisches Vorgehen,<br />
koordiniertes Handeln und kommunikative Eigenschaften werden nicht vermittelt.<br />
Ob sich der neu entwickelte Studiengang Rescue Engineering etablieren und ob<br />
katastrophenmedizinische Fachkompetenz generiert wird, kann derzeit noch nicht<br />
beurteilt werden.<br />
Nicht-ärztliches Personal<br />
Als Ausgangslage zeigt sich eine inhomogene Mischung verschiedenster Berufsgruppen<br />
innerhalb des nicht-ärztlichen Personals der Gesundheitsämter, die verschiedenste<br />
Ausbildungsgrundlagen und- schwerpunkte aufweisen. Je nach Ausbildungsstätte<br />
und der beruflichen Aus- und Fortbildung und Spezialisierung im<br />
öffentlichen Gesundheitswesen nimmt die Vermittlung katastrophenmedizinisch<br />
relevanter Lehr- und Lerninhalte einen sehr unterschiedlichen Umfang und Stellenwert<br />
ein. Eine katastrophenmedizinische Ausbildung im Sinne eines Gesamtkonzeptes<br />
für eine Berufsgruppe oder alle beteiligten Gruppen ist nicht erkennbar.<br />
3.3 Evaluierung des ärztlichen Personals der unteren Gesundheitsbehörde<br />
bezüglich katastrophenmedizinischer Kenntnisse<br />
Zur Erhebung der Kenntnisse und Vorstellungen der Ärzte, die im ÖGD für die<br />
katastrophenmedizinische Belange zuständig sind oder es sein sollten, wurde ein<br />
Fragebogen an der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universität Ulm, entwickelt.<br />
Der Fragebogen umfasste drei katastrophenmedizinisch relevante Hauptthemenkomplexe,<br />
die evaluiert werden sollten:<br />
1. Berufsausbildung der im ÖGD tätigen Ärzte (Studium, Facharztweiterbildung),<br />
2. Katastrophenmedizinische Kenntnisse und deren Herkunft,<br />
3. Intentionen und Perspektiven.<br />
Der Fragenkatalog wurde anhand von in der Literatur vorgegebenen Anforderungsprofilen<br />
an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall erstellt [5,13,14,15,16].<br />
118
Nach Abstimmung mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag<br />
wurde er Anfang Mai 2001 an alle unteren Gesundheitsbehörden der Bundesrepublik<br />
Deutschland (Anzahl n = 429) verschickt. Die Auswertung der zurückgesandten<br />
Fragebögen erfolgte anonym.<br />
Von n = 429 angeschriebenen Gesundheitsämtern antworteten insgesamt bundesweit<br />
n = 339 (79 %).<br />
Das ärztliche Personal im ÖGD, das für die Katastrophenbewältigung zuständig<br />
ist, besteht zu 91 % aus Fachärzten für öffentliches Gesundheitswesen, 22 % besitzen<br />
den Fachkundenachweis Rettungsdienst, 4 % haben den Kurs Leitender Notarzt<br />
absolviert. Fast zwei Drittel der Ärzte im ÖGD sind eigenen Angaben zufolge<br />
bereits in Katastrophenplanungen involviert. Kenntnisse zu einzelnen medizinischen<br />
Teilbereichen werden im Rahmen des Studiums erworben. Hier muss<br />
jedoch ausdrücklich betont werden, dass dies keine spezifisch katastrophenmedizinischen<br />
Kenntnisse sind, sondern nur Wissen zur Behandlung von Einzelfällen<br />
darstellt. Auch während der Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen<br />
wird nur zu einem geringen Anteil katastrophenmedizinisches Wissen<br />
(Seuchenbekämpfung) vermittelt. Es besteht ein ausgeprägtes Problembewusstsein<br />
bei den Ärzten im ÖGD hinsichtlich ihrer Integration in den Katastrophenschutz.<br />
Der Bedarf nach speziellen Fortbildungen ist erkannt, die Wünsche nach speziellen<br />
Fortbildungsinhalten (hauptsächlich Einsatztaktik, Seuchenbekämpfung und<br />
Planung zum Management von Gefahrgutunfällen) werden klar geäußert.<br />
3.4 Evaluation der unteren Katastrophenschutzbehörden zur Integration<br />
der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienste in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung<br />
Zur Evaluation der für die Katastrophenbewältigung zuständigen Behörden und<br />
Personen (Katastrophenschutzbeauftragte) wurde wiederum ein Fragebogen [in<br />
Zusammenarbeit mit Katastrophenschutzbeauftragten und dem Deutschen Städteund<br />
Landkreistag] entwickelt, mit welchem drei Hauptthemenkomplexe eruiert<br />
werden sollten:<br />
1. Aktueller Stand der Integration der Ärzte des ÖGD in den Katastrophenschutz<br />
2. Erwartungen der Katastrophenschutzbeauftragten an die Ärzte des ÖGD<br />
3. Identifikation von Problemen und Vorschlägen zu deren Lösung für die<br />
Zukunft.<br />
Der Fragebogen wurde Ende August 2001 an n=438 Katastrophenschutzbeauftragte<br />
in der Bundesrepublik Deutschland verschickt. Die Auswertung der Fragebögen<br />
erfolgte anonym. Insgesamt wurden 338 Bögen von den angeschriebenen<br />
Katastrophenschutzbehörden zurückgeschickt. Bezüglich der Einbindung der<br />
Ärzte des ÖGD in ihre Katastrophenplanungen geben 12 (3,5 %) Landkreise oder<br />
Städte an, dass keine Einbindung besteht. Die häufigste Art der Einbindung stellt<br />
die Einbindung in Einzelfällen mit 50,6 % der Antworten dar. Eine feste Einbindung<br />
in die Katastrophen- oder Alarmpläne oder die Existenz einer festen Rufbe-<br />
119
eitschaft eines Arztes des Gesundheitsamtes geben nur 19,6% beziehungsweise<br />
12,8 % der Befragten an.<br />
Die aktuelle Einbindung der Ärzte des ÖGD in Katastrophenpläne ist vor allem<br />
für die Situationen Seuchenfall, besondere Erkrankungen von Einzelpersonen und<br />
amtlich festgestellte Katastrophen vorgesehen. Fast 60 % der Befragten haben<br />
Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Ärzten des ÖGD aus Übungen und/oder<br />
Realeinsätzen. Diese Zusammenarbeit wird in 44 bzw. 56 % der Fälle als sehr gut<br />
beurteilt. Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten von der Integration der<br />
Ärzte des ÖGD in die katastrophenmedizinische Versorgung vor allem Informationen<br />
zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen und organisatorischer Bewältigung<br />
im A-, B-, C- und Seuchenfall. Des weiteren werden allgemeine medizinische<br />
Informationen und die Planung der Einsatzabläufe innerhalb der unteren<br />
Gesundheitsbehörden von den Amtsärzten gewünscht. Nach Meinung der Katastrophenschutzbeauftragten<br />
der Landkreise und kreisfreien Städte sollte die katastrophenmedizinische<br />
Ausbildung der Ärzte für öffentliches Gesundheitswesen im<br />
Rahmen der Facharztweiterbildung deutlich verstärkt werden.<br />
4. Konzeptentwicklung<br />
4.1 Konzepte zur verbesserten katastrophenmedizinischen Aus- und<br />
Weiterbildung der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
Zur Verbesserung des katastrophenmedizinischen Wissens im Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst wird ein modulares Ausbildungskonzept mit katastrophenmedizinischen<br />
Lehrinhalten vorgeschlagen, das in die Weiterbildung zum Facharzt für<br />
öffentliches Gesundheitswesen zu integrieren ist. Es beinhaltet die Module:<br />
1. Studium der Humanmedizin<br />
2. Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen<br />
3. Fakultative Fortbildung<br />
4. Eigenständiger Informationsgewinn.<br />
Als langfristige und effektive Lösung ist die Schaffung einer eigenständigen Vorlesung<br />
„Katastrophenmedizin“ vorzusehen, in der die Grundlagen rechtlicher,<br />
medizinischer und organisatorischer Belange, die bei der Katastrophenbewältigung<br />
essenziell sind, zu vermitteln sind [17].<br />
Die wesentlichen Inhalte zum Erwerb katastrophenmedizinischer Kenntnisse sind<br />
in die Weiterbildung zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen zu integrieren.<br />
Es wird ein 120-stündiges Curriculum vorgeschlagen, das im Rahmen<br />
einer dreiwöchigen intensiven katastrophenmedizinischen Basisausbildung zum<br />
einen die Anforderungen aus der Literatur an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />
abdeckt, zum anderen werden aber auch die schwerpunktmäßig von den Ärzten<br />
im ÖGD geforderten Weiterbildungsinhalte berücksichtigt.<br />
120
Nach unseren Untersuchungen sind die Ärzte im ÖGD an einer umfassenden<br />
beruflichen Ausbildung für den Katastrophenfall interessiert und auch bereit, eine<br />
solche zu absolvieren. Nationale und wünschenswert auch internationale Akademien<br />
müssen Wissen zur medizinisch-organisatorischen Katastrophenbewältigung<br />
vermitteln, das auf das Aufgabenprofil der Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />
zugeschnitten ist.<br />
4.2 Konzepte zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte<br />
im Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Planung, Vorbereitung<br />
und Praxis der Katastrophenabwehr<br />
Vor dem Hintergrund der umfangreichen Anforderungen an den Arzt im ÖGD im<br />
Katastrophenfall zeigen unsere Untersuchungen Mängel bei der Einbindung des<br />
ÖGD in die Planung, Vorbereitung und Praxis der Katastrophenbewältigung auf.<br />
Dafür sicherlich mitentscheidend ist die momentan nur unzureichend vorhandene<br />
Sachkompetenz der Ärzte für katastrophenmedizinische Aufgaben.<br />
Stellt man vor diesem Szenario den im Projekt ermittelten Informationsbedarf der<br />
Katastrophenschutzbeauftragten den von den Ärzten im ÖGD angegeben eigenen<br />
Kenntnissen gegenüber, so zeichnet sich eine beträchtliche Diskrepanz zwischen<br />
dem benötigten ärztlichen Wissen und den von den Ärzten im ÖGD verfügbaren<br />
Kenntnissen ab (Abbildung 1).<br />
Abb. 1: Gegenüberstellung des Informationsbedarfs der Katastrophenschutzbeauftragten nach<br />
eigener Angabe im Vergleich zum Wissen der Ärzte im ÖGD<br />
121
So erwarten derzeit fast Dreiviertel der Katastrophenschutzbeauftragten umfassende<br />
medizinische Auskünfte zu Symptomen, Therapie und Organisation der betroffenen<br />
Bevölkerung für die Versorgung derselben bei Freisetzung von radioaktiven<br />
Stoffen oder Ereignissen mit biologischen Kampfstoffen und chemischen Gefahrenstoffen<br />
von den Ärzten im ÖGD. Im Gegensatz hierzu bezeichnen die Ärzte im<br />
ÖGD selbst ihre Kenntnisse für diese spezifischen Situationen nur in 20 – 50% als<br />
überhaupt vorhanden!<br />
Allein aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich akuter Handlungsbedarf zur<br />
Erweiterung der Sachkompetenz der im Katastrophemanagement tätigen Ärzte im<br />
ÖGD. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung der<br />
Bundesrepublik Deutschland im Katastrophenfall sollen deshalb Modelle vorgestellt<br />
und vor dem Konzept der Integration von Wissens-/Kompetenzzentren mit<br />
Verfügbarkeit von professionellen Spezialkenntnissen und Möglichkeiten zur<br />
Nutzung von Synergieeffekten diskutiert werden.<br />
Modelle zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte im Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst<br />
Grundsätzlich zielte unsere Intention bei der Entwicklung der nachfolgenden<br />
Strukturen auf Modelle ab, die innerhalb der Grenzen des politisch und finanziell<br />
Machbaren bleiben. So könnte unserer Ansicht zufolge allein durch intensiviertes<br />
Ausschöpfen von Synergieeffekten in einem Netz aus bereits existierendem Spezialwissen<br />
zur Katastrophenbewältigung in Deutschland der heutzutage im ÖGD<br />
tätige Arzt bei verhältnismäßig geringem finanziellen und personellen Mehraufwand<br />
mit deutlich verbesserter Sachkompetenz ausgestattet werden.<br />
Abb. 2: Zweistufiges Modul zum Wissenserwerb für den Arzt im ÖGD<br />
122
Jeder Arzt im ÖGD besitzt ein allgemeines katastrophenmedizinisches Basiswissen.<br />
Für die Bewältigung von Katastrophen, Großschadensereignissen und speziellen<br />
Situationen sind weiterführende Informationen abrufbar. Der Arzt im ÖGD<br />
weiß um diese Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und kann diese nutzen.<br />
Als Informationsquellen werden zum einen lokal im Gesundheitsamt eine jederzeit<br />
verfügbare Wissensdatenbank bereitgestellt und zum anderen werden Anlaufstellen<br />
für den Arzt im ÖGD in vorhandenen und zu etablierenden Wissenszentren<br />
mit besonderen Kompetenzen als Ansprechpartner für weiterführendes professionelles<br />
Spezialwissen eingerichtet. Diese Wissens- und Kompetenzzentren mit<br />
besonderer Expertise und besonderen Möglichkeiten werden nachfolgend der Einfachheit<br />
halber als „Wissenszentren“ bezeichnet.<br />
Kommentar:<br />
Durch den Erwerb katastrophenmedizinischer Basisqualifikation von allen Ärzten<br />
im ÖGD wird erzielt, dass grundsätzlich jeder Arzt im ÖGD im Bedarfsfall innerhalb<br />
eines festen Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienstes gewisse, bei einer<br />
Katastrophe erforderliche Basisaufgaben, in ihren Grundzügen übernehmen kann.<br />
Art und der Umfang eines solchen Trainings sollten vom Aufwand des zu vermittelnden<br />
Wissens und von den Anstrengungen, die der Arzt für diese Ausbildung investieren<br />
müsste, in der Wirklichkeit als Rahmenmodell implementierbar sein. Die<br />
Quellen, die zur Informationsschöpfung für den Arzt im ÖGD geschaffen werden<br />
müssen, sollten als weiterführende Auskunftsmöglichkeiten dienen und ein aktualisiertes<br />
Basiswissen, Hintergrundwissen und bei speziellen Fragestellungen<br />
spezifische Erkenntnisse zur Findung von Problemlösungen anbieten. Hierdurch<br />
sollte jeder Arzt im ÖGD der Situation angemessen im jeweiligen Fall reagieren<br />
können.<br />
Systeme zur Wissensakquirierung für die Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
Als Basis von Modellen zur Wissensakquirierung für die Ärzte würde sich ein<br />
mehrstufiges System aus Modulen anbieten. Die Abstufung sollte hier nicht im<br />
Sinne einer zeitlichen oder hierarchischen Abfolge betrachtet werden, sondern ist<br />
nach Bedarf gewichtet um sich ergänzend zu nützen.<br />
Lokale Datenbank<br />
Für das Nachschlagen und Suchen von Spezialinformationen würde sich das<br />
Bereitstellen einer lokalen Wissensdatenbank in CD- oder DVD-Trägerformat<br />
anbieten, die in jedem Gesundheitsamt vorliegen sollte. Zu Zwecken der Aktualisierung<br />
und zentralen Pflege ist zusätzlich die Möglichkeit eines Internet-Zugangs<br />
vorzusehen. Die lokale Datenbank ist nicht zur Wissensakquisition im Akutfall<br />
vorzuhalten, sondern zur Hilfestellung bei Präventionsmaßnahmen und vor allem<br />
zum Aktualisieren des eigenen Wissens. Die Inhalte der lokalen Wissensbank<br />
123
könnten somit analog zu den Stoffplänen für eine verbesserte Ausbildung der Ärzte<br />
im ÖGD strukturiert und sollten weiterführende Links zu Informationen, Daten<br />
und Maßnahmen aus den Bereichen Katastrophenschutz, <strong>Zivilschutz</strong> und Notfallvorsorge<br />
enthalten. Handlungsalgorithmen für Anlaufstellen und Möglichkeiten<br />
zur Kontaktierung spezifischer Behörden, Hilfsorganisationen, Instituten, Verbänden<br />
und der Bundeswehr sollten mit eingebunden werden. Die Datenbank sollte<br />
über Verweise auf personelle und materielle (medizinische) Hilfeleistungspotenziale<br />
aus allen Gebieten Deutschlands und eventuell der angrenzenden europäischen<br />
Nachbarstaaten verfügen (Abbildung 3).<br />
Allgemeine Abwehr von Schadensereignissen<br />
Allgemeine Prävention von Großschadensereignissen,<br />
Katastrophen<br />
und besonderen Erkrankungen<br />
Allgemeine Bewältigung von Großschadensereignissen,<br />
Katastrophen<br />
und besonderen Erkrankungen<br />
Allgemeine Nachbearbeitung von<br />
Großschadensereignissen, Katastrophen<br />
und besonderen Erkrankungen<br />
Öffentlicher Gesundheitsdienst –<br />
Systemimmanente Katastrophenprävention<br />
Öffentlicher Gesundheitsdienst –<br />
Systemimmanente Katastrophenbewältigung<br />
Spezifische Katastrophenabwehr<br />
Management bei Freisetzung radioaktiver<br />
Stoffe (A-Fall)<br />
Abb. 3: Struktur und Inhaltsexpose einer lokalen Wissens-Datenbank<br />
Management bei Freisetzung biologischer<br />
(Kampf-) Stoffe (B-Fall)<br />
Management bei Freisetzung ziviler<br />
Schadstoffe / chemischer Kampfstoffe<br />
(C-Fall)<br />
Management von hochkontagiösen<br />
Erkrankungen<br />
Epidemiologische und geographische<br />
Besonderheiten Deutschlands<br />
Organisation, Taktik, Administration Besonderheiten bei (Verdacht auf)<br />
Terror, Aufklärung, Surveillance<br />
Warnsysteme, Kommunikation,<br />
Information<br />
Staats- und völkerrechtliche<br />
Grundlagen<br />
Zivil-militärische Zusammenarbeit<br />
(ZMZ)<br />
Weiterweisende Links<br />
Im Internet unbedingt genutzt werden sollte das neu aufgebaute Deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem<br />
(deNIS) [18] mit Hintergrundinformationen und<br />
Hinweisen für das Management von Katastrophen, das auf eine Bestandsaufnahme<br />
des bestehenden Hilfeleistungspotenzials in Deutschland ausgerichtet ist. Es<br />
ist darüber hinaus zu diskutieren, ob dem Arzt im ÖGD neben dem offenen, für<br />
jeden Nutzer des Internet zugänglichen Portals nicht auch die zweite Ausbaustu-<br />
124
fe von deNIS mit weiterführenden vertraulichen Informationen über die Vernetzung<br />
vorhandener Datenbanken der Bundesressorts, der Länder und internationaler<br />
Organisationen zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden sollte.<br />
Kommentar:<br />
Der Versuch die Gesamtheit katastrophenmedizinischer Erkenntnisse in ihrer Relevanz<br />
für das Öffentliche Gesundheitswesen in einer nach Themenkreisen geordneten<br />
Datenbank für den Arzt im ÖGD darzustellen, würde Nachdruck auf eine<br />
gegliederte Bestandsaufnahme des vorhandenen Wissens unserer Zeit als Grundlage<br />
für den Bevölkerungsschutz am Anfang einer neuen Ära potenzieller Bedrohungen<br />
durch gezielte Katastropheninduktion aufgrund terroristischer Kräfte des<br />
21. Jahrhunderts legen. Durch den Zugriff auf eine in allen Gesundheitsämtern<br />
identisch vorhandene Datenbank kann Objektivität in der Wissensvermittlung<br />
angestrebt werden; bei regelmäßiger Aktualisierung durch zentrale Updates<br />
besteht die Möglichkeit über die neuesten medizinischen, organisatorischen, rechtlichen,<br />
bevölkerungspolitischen und sonstigen Entwicklungen von Bedeutsamkeit<br />
zu informieren. Einheitliche Standards hinsichtlich des Prozedere können so in örtliche<br />
Gegebenheiten und die jeweiligen institutionellen bzw. persönlichen Erfahrungen<br />
des Einzelnen einfließen.<br />
Überregionale Wissens- und Kompetenzzentren<br />
Bei Auftreten eines Großschadensereignisses, einer Katastrophe oder einer besonderen<br />
Erkrankung müssten dem diensthabenden Arzt im ÖGD für zusätzliche<br />
Fragen, die er aus dem ihm zur Verfügung stehenden Wissen heraus nicht mehr<br />
beantworten kann, kompetente, rasch weiterführende Informationsmöglichkeiten<br />
bereit gestellt werden. Diese müssen als “Ansprechpartner” rund um die Uhr mit<br />
24 Stunden Bereitschaft zugänglich sein. Im Idealfall können diese Zentren auch<br />
Hilfe vor Ort bei außergewöhnlichen Ereignissen mit Ausrüstungen, Geräten,<br />
Fahrzeugen, Material und speziell qualifiziertem Personal leisten sowie spezifische<br />
Räumlichkeiten wie Isoliereinheiten oder Dekontaminationseinrichtungen<br />
vermitteln (Abbildung 4).<br />
In Deutschland ist die alltägliche Gefahrenabwehr effizient und gut geregelt. Auf<br />
dieser Basis könnten zur Unterstützung der Ärzte im ÖGD deshalb als Anlaufstellen<br />
zur Einholung von weiterführenden Auskünften, Erfahrungen, Beratungen oder<br />
Hilfen von außen bereits vorhandene und bei Bedarf zusätzlich zu etablierende<br />
überregionale Wissens- und Kompetenzzentren nach ihrer professionellen Ausrichtung<br />
mit fundiertem Spezialwissen dienen. Im Zusammenhang der Neustrukturierung<br />
der Einbindung der Ärzte in die Katastrophenabwehr wäre die Definition<br />
von Nationalen Wissens- und Kompetenzzentren über ein „Qualitätsprädikat<br />
Wissenszentrum“ essenziell.<br />
125
Abb. 4: Möglichkeit des Wissenserwerbs und der Unterstützung für den Arzt im ÖGD in einem<br />
Wissens- und Kompetenzzentrum (modifiziert nach R. Fock, RKI Berlin)<br />
Das Konzept einer Etablierung von Wissens- und Kompetenzzentren wurde in der<br />
1998 geschaffenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe Seuchenschutz unter Federführung<br />
des RKI für Einzelfälle von hochkontagiösen Erkrankungen vorgeschlagen<br />
[14, 19, 20, 21]. In diesem veröffentlichten Rahmenkonzept sind für verschiedene<br />
Regionen Deutschlands so genannte Kompetenzzentren vorgesehen. Unter<br />
„Kompetenzzentrum“ ist eine organisatorische Zusammenführung von Personen<br />
mit besonderem Fachwissen im Sinne eines fest etablierten Arbeitsteams zu verstehen.<br />
Ihm sollten in jedem Fall Fachleute der Gesundheitsbehörde, des Behandlungszentrums,<br />
des Rettungsdienstes und ein Krankenhaushygieniker, im Einsatzfall<br />
auch ein Beauftragter des örtlichen Lagezentrums oder der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde<br />
sowie ein Vertreter der für die Koordinierung zuständigen<br />
Landesgesundheitsbehörde angehören. Die Bezeichnung dieser bereits benannten<br />
Zentren variiert: z.B. „Kompetenzzentrum“ in Frankfurt/M., „Seuchenstab“ in<br />
Leipzig, „Fachstab Seuchenschutz“ in Hamburg. Diese sog. Kompetenzzentren<br />
stellen Informationen zu Fragen des Managements in dem jeweiligen Einzugsbereich<br />
zur Verfügung; im Einzelfall werden konkrete Beratungs- und Entscheidungshilfen<br />
angeboten. Sie sind 24-stündlich erreich- bzw. alarmierbar. Gegebenenfalls<br />
kann von einem Kompetenzzentrum auch vor Ort (konsiliarische) Hilfestellung<br />
geleistet werden [19].<br />
In Erweiterung dieser Modellstruktur für hochkontagiöse Erkrankungen in Einzelfällen<br />
müssen für Ereignisse wie die Freisetzung radioaktiver Stoffe, biologischer<br />
(Kampf-) Stoffe und chemischer Gefahrenstoffe tragfähige Netzwerkstrukturen in<br />
Form von Wissens- und Kompetenzzentren für jeden der genannten Bereiche<br />
geschaffen werden [22, 23]. Mögliche Ansatzpunkte für schon existierende Wissens-<br />
und Kompetenzzentren sind in Abb. 5 ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />
exemplarisch aufgeführt.<br />
126
Abb. 5: Mögliche Komponenten im konzeptionellen Plan von Zentren anhand beispielhafter Auswahl<br />
von bereits existierenden Schnittstellen mit katastrophenmedizinisch relevantem<br />
Spezialwissen; A-Fall = Ereignis mit Freisetzung radioaktiver Stoffe, B-Fall = Ereignis<br />
mit Freisetzung biologischer (Kampf-)Stoffe, und C-Fall = Ereignis mit Freisetzung chemischer<br />
Gefahrenstoffe<br />
Anforderungsprofil und Kriterien für ein Wissens- und Kompetenzzentrum<br />
Bei der dezentralen Neukonzeption der „Seuchenschutzzentren“ zeigte sich, dass<br />
die Einbindung unterschiedlicher Strukturen zu einer heterogenen Organisationsformation<br />
führte. Zur Einhaltung von Zielsetzungen wie Strukturqualität, integrale<br />
Zusammenarbeit und Qualitätssicherung muss deshalb ein nationales Netzwerk<br />
im Sinne einer „Ständigen Kommission“ als Koordinierungsorgan der Kompetenzzentren<br />
etabliert werden (Abb. 6). Die an die aktuellen politischen und strukturellen<br />
Gegebenheiten anzupassenden Vereinbarungen zur Kooperation müssen darüber<br />
hinaus von verbindlicher Abstimmung mit verpflichtendem und verlässlichem<br />
Charakter zu Informations-, Kommunikations- und Erfahrungsaustausch geprägt<br />
sein. Eine der Kernaufgabe einer Koordinierungsstelle wäre die übergreifende<br />
Verknüpfung der Vielzahl wertvoller Informationen, die über die verschiedenen<br />
Zentren und zahlreichen Institutionen verstreut sind. Im Katastrophenfall könnte<br />
deren mühsame und zeitaufwendige Zusammenführung so verringert werden. Die<br />
prinzipielle Strukturierung der Kompetenzzentren sowie deren Vernetzung zeigt<br />
Abb. 7.<br />
Als organisatorische Struktureinheit dieser spezifischen Katastrophenabwehr wird<br />
für die Bereiche Freisetzung radioaktiver Substanzen, Freisetzung biologischer<br />
127
(Kampf-)Stoffe, Freisetzung chemischer Schad-/Kampfstoffe sowie Management<br />
von hochkontagiösen Erkrankungen jeweils die bundesweite Schaffung von<br />
„Kompetenzzentren“ empfohlen, die durch ein übergeordnetes Netzwerk koordiniert<br />
werden. Sinnvollerweise ist jedem dieser Bereiche ein federführendes „Zentralinstitut“<br />
voranzustellen (Abb. 7).<br />
Abb. 6: Mögliches Anforderungsprofil zur Eignung als Kompetenzzentrum als Anlaufstelle für<br />
den Arzt im ÖGD<br />
Kommentar zur Neugestaltung der Einbindung der Ärzte im ÖGD in die<br />
Katastrophenabwehr unter Hinzuziehen von Wissens- und Kompetenzzentren:<br />
Wir sind uns dessen selbstverständlich bewusst, dass der hier skizzierte Plan der<br />
Verknüpfung von Ärzten im ÖGD und Wissenszentren zum Transfer von Wissen<br />
und Hilfe von außen für die Bewältigung von Schadensereignissen jeglicher Art<br />
zwangsläufig in bestehende administrative oder politische Zuständigkeiten von<br />
Behörden, Instituten, Gebietskörperschaften und anderen Rechtsformen eingreift.<br />
Es ist aber zu bedenken, dass in diesen Zentren das aktuell notwendige Fachwissen<br />
auf hohem Niveau ohnehin vorhanden ist, also zusagen länderübergreifend<br />
abrufbereit vorgehalten wird. Dies könnte unter Zugrundelegen von entsprechenden<br />
Vereinbarungen und der Schaffung von Organisationsstrukturen zur Einsparung<br />
von erheblichen Kosten beitragen.<br />
128
Erfordernisse und zukunftsweisende Lösungsansätze<br />
Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, erscheint uns jedoch<br />
die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr mit<br />
Zusammenführung der einzelnen Netzwerkkomponenten „Freisetzung radioaktiver<br />
Substanzen“, „Freisetzung biologischer (Kampf-)Stoffe“, „Freisetzung chemischer<br />
Schad-/Kampfstoffe“ sowie „Management von hochkontagiösen Erkrankungen“<br />
nicht nur zur direkten Einbindung der Ärzte im ÖGD empfehlenswert, sondern<br />
zur Vorsorge und zum Schutz der Bevölkerung bei Katastrophen notwendig.<br />
Abb. 7: Prinzipieller Strukturaufbau und Vernetzung von Kompetenzzentren. A-Fall = Ereignis<br />
mit Freisetzung radioaktiver Stoffe, B-Fall = Ereignis mit Freisetzung biologischer<br />
(Kampf-)Stoffe, C-Fall = Ereignis mit Freisetzung chemischer Gefahrenstoffe, und „Seuchen“<br />
= hochkontagiöse Erkrankungen.<br />
5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
Als Ergebnisse der sehr ausführlichen Untersuchungen können folgende Schlussfolgerungen<br />
bzw. Empfehlungen ausgesprochen werden:<br />
• Nach Analysen der Gesetzeslage besteht keine Notwendigkeit zur Änderung<br />
der Katastrophenschutzgesetze hinsichtlich der Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes. Sowohl eine implizite Einbindung in den meisten<br />
Bundesländern als auch die explizite Einbindung in einigen wenigen Bundesländern<br />
kann für die Lösung der anstehenden verbesserten Einbindung des<br />
129
ÖGD als ausreichend bewertet werden. Als Empfehlung kann vorgegeben werden,<br />
bei einer anstehenden Neufassung der Katastrophenschutzgesetze eine<br />
explizite Einbindung des ÖGD analog zum Gesetz über den Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst in Sachsen-Anhalt vorzunehmen.<br />
• De facto ist die Einbeziehung der Ärzte im ÖGD in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland z.Z. nur<br />
situationsadaptiert und bedarfsorientiert. Eine feste Einbindung besteht in<br />
geringem Umfang. Die Integration des ÖGD in Katastrophenpläne ist für spezifische<br />
Situationen, wie Auftreten einer Seuche, hochkontagiöse Infektionen<br />
von Einzelpersonen und amtlich festgestellte Katastrophen, meistens zwar etabliert,<br />
eine explizite Implementierung ist jedoch zu fordern.<br />
• Eingehende Kenntnisse und Erfahrungen besitzen die Ärzte des ÖGD nach<br />
unseren Untersuchungen nur für Seuchenfälle. Die unmittelbare Einbindung<br />
des ÖGD bei spezifischen Situationen, wie zum Beispiel dem Ausbruch von<br />
Seuchen oder bei Bioterrorismus, ist jedoch unabdingbar. Die Kenntnisse des<br />
ärztlichen Personals im ÖGD in den Bereichen Unfälle mit chemischen und<br />
radioaktiven Stoffen müssen deutlich erweitert werden. Eine große Diskrepanz<br />
besteht zwischen dem tatsächlich vorhandenen Wissen und dem Wunsch nach<br />
tiefergehenden Kenntnissen. Das Ärztliche Personal im ÖGD erkennt den<br />
bestehenden Fortbildungsbedarf sehr wohl und signalisiert Bereitschaft,<br />
zusätzliche Fortbildungen zu absolvieren.<br />
• Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten durch die Integration der Ärzte<br />
im ÖGD vor allem Informationen zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen<br />
und organisatorischer Bewältigung von A-, B-, C- und Seuchenfällen,<br />
diese Erwartungen können die meisten Ärzte im ÖGD bedingt durch den derzeitigen<br />
Wissensstand jedoch nicht bieten.<br />
• Die Katastrophenschutzbehörden müssen in ihre Katastrophenpläne und vorbereitenden<br />
Maßnahmen zur Katastrophenabwehr die Gesundheitsämter verbindlich<br />
unter definierten Kriterien integrieren (z.B. Rufbereitschaftspläne,<br />
Festlegung von konkreten Alarmierungsplänen). Alarmierungspläne sollten das<br />
real existierende Gefahrenpotenzial in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen<br />
besonders berücksichtigen. Anhand der Einsatzpläne muss die genaue vertikale<br />
und horizontale Einbindungsstruktur sowie Weisungskompetenz geregelt<br />
werden.<br />
• Es gilt in entscheidendem Umfang, die tatsächlichen katastrophenmedizinischen<br />
Kenntnisse der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu steigern.<br />
Hierfür müssen Konzepte und Modellstrukturen zur Verbesserung der studentischen<br />
Ausbildung und der Weiterbildung für den Facharzt für das Öffentliche<br />
Gesundheitswesen sowie zur Verbesserung der Sachkompetenz der<br />
momentan im ÖGD tätigen Ärzte entwickelt werden.<br />
• Ein wissensbasiertes Management innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />
ist unabdingbar. Es beinhaltet die Einrichtung nationaler Wissenszentren mit<br />
130
spezifischen Aufgaben (A-, B-, C- und Infektabwehr) mit ständiger Erreichbarkeit,<br />
sowie die Schaffung „vor Ort“ anwendbarer Wissensdatenbanken und<br />
Expertensysteme mit ÖGD-spezifischen Gefahrenabwehr-Modulen.<br />
• Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, scheint uns zudem<br />
die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr mit direkter<br />
Einbindung der Ärzte des ÖGD zur Vorsorge und zum Schutz der Bevölkerung<br />
bei Katastrophen empfehlenswert.<br />
Literatur<br />
[1] Bartels F: Katastrophenmedizin. Wir müssen uns schnell auf die neue Lage<br />
einstellen. Dtsch Ärzteblatt 2001; 43: C2208–C2210<br />
[2] From the Center for Disease Control and Prevention, New York City Department<br />
of Health response to terrorist attack, September 11, 2001. JAMA 2001;<br />
286:1830<br />
[3] Friedrich M, Göbel D, Gringmuth H et al.: Zentrale Begriffe des Zivil- und<br />
Katastrophenschutzes. In: Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge und<br />
Katastrophenschutz (Hrsg.) Projektarbeitsgruppe 5 “Einheitlicher Sprachgebrauch“.<br />
Stand August 2000. Internetadresse: http://www.katastrophenvorsorge.de.<br />
Zugang verifiziert am 21. November 2001<br />
[4] Gesetz zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es (<strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetz –<br />
ZSNeuOG) vom 25. März 1997 (BGBl.I S.726); geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz<br />
vom 22. Dezember 1999 (BGBl.I S.2534)<br />
[5] Curio F: Zivil- und Katastrophenschutz in Das grüne Gehirn, der Arzt des<br />
Öffentlichen Gesundheitswesens. Bachmann W (Hrsg.) Loseblattwerk,<br />
August 2002<br />
[6] <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern: Bericht über Untersuchungen<br />
der gesetzlichen Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben<br />
sowie zur Wahrung und Wiederherstellung der Gesundheit bei<br />
Großschadensereignissen. Mai 1999<br />
[7] Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP),<br />
Mainz: Gegenstandskatalog für den zweiten Teil der Ärztlichen Prüfung,<br />
zweiter Nachdruck 1999<br />
[8] Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern,<br />
Köln: Musterweiterbildungsordnung und Musterrichtlinien zum Facharzt für<br />
öffentliches Gesundheitswesen in der Fassung 10/2000<br />
131
[9] Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, Auf’m Hennekamp<br />
70, 4022 Düsseldorf Fortbildungskatalo 2001 Tel 0211-31096-0;<br />
www.afoeg.nrw.de<br />
[10] Akademie für das öffentliche Gesundheitswesen im Bayerischen Staatsministerium<br />
für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit,<br />
Winzererstr. 9, 80797 München, Gedruckter Stoffplan des Lehrganges zur<br />
Vorbereitung auf die Prüfung für den öffentlichen Gesundheitsdienst,<br />
April–Dezember 2000. Tel: 089-1261-01<br />
[11] Akademie für Sozialmedizin Mecklenburg-Vorpommern e.V., Lessingstr. 31,<br />
19059 Schwerin, Programm Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen,<br />
1995. Tel: 0385-7440-150<br />
[12] Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AKNZ), Ramersbacherstr. 95,<br />
53474 Bad-Neuenahr-Ahrweiler, Fortbildungsangebot nach Internetangaben:<br />
www.bzs.bund.de/aknz.htm<br />
[13] Neuhauser S: Der Amtsarzt im Rettungsdienst und Katastrophenschutz, eine<br />
vernachlässigte Aufgabe. Öff. Gesundh.-Wesen 1988;50:683-687<br />
[14] Fock R: Management und Kontrolle lebensbedrohender hochkontagiöser<br />
Infektionskrankheiten. Bundesgesundheitsbl., Gesundheitsforsch., Gesundheitsschutz<br />
1994 (42): 389-401<br />
[15] Wenzel, G: Mitwirkung der Gesundheitsämter bei Katastrophen- und <strong>Zivilschutz</strong>.<br />
Vortrag vor der Amtsärztebesprechung des Ministeriums für Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales, Mitteilungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages,<br />
1/1998<br />
[16] Weber K: Neuere Aspekte rettungsdienstlicher Aufgabenstellungen für<br />
Gesundheitsämter, Öff. Gesundh.-Wesen 1989;51:674–681<br />
[17] Domres B, Schneider BM, Manger A (1999) Konzept eines Studienganges<br />
„Katastrophenmedizin“. In: Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin:<br />
(Hrsg) 10. Jahreskongress Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin.<br />
23.-24. Oktober in Berlin. Abstractband<br />
[18] Corr B: deNIs geht online. Dt Notfallvorsorge-Informationssystem nimmt<br />
Wirkbetrieb auf. Bevölkerungsschutz 2002; 2:15-16. Internetadresse:<br />
www.denis.de<br />
[19] Fock R, Peters M, Wirtz A, Scholz D, Fell G, Bußmann H: Rahmenkonzept<br />
zur Gefahrenabwehr bei außergewöhnlichen Seuchengeschehen. Gesundheitswesen<br />
2001; 63: 695–702<br />
132
[20] Fock, R, Koch, U, Finke, EJ, Niedrig, M, Wirtz, A, Peters, M, Scholz,<br />
D, Fell, G, Bußmann, H, Bergmann, H, Grünewald, T, Fleischer, K, Ruf, B:<br />
Schutz vor lebensbedrohenden importierten Krankheiten. Strukturelle Erfordernisse<br />
bei der Behandlung von Patienten und anti-epidemiologische Maßnahmen.<br />
Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2000;<br />
43:891–899<br />
[21] Gottschalk R, Star S, Bellinger O, Brodt HR, Just G, Helm EB, Wirtz A:<br />
Kompetenzzentren für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen.<br />
Hess Ärzteblatt 2002; 5:307–310<br />
[22] Finke EJ, Loscher J, Koch H: Planning of medical support for a threatened<br />
or actual biological environment. Principles, policies, and procedures. In:<br />
NBC risks, current capabilities, and future perspectives for protection. Sohns<br />
T and Voicu VA: NATO science series Vol 25, 1999, Kluwer Acad. Publisher<br />
Dordrecht<br />
[23] The sunshine project: Hintergrundpapier zu „Biologische Waffen – <strong>Forschung</strong>sprojekte<br />
der Bundeswehr“ und „Gentechnische Arbeiten bei der<br />
Bundeswehr 2002“. Internetadresse: http://www.sunshine-project.de<br />
133
Bedrohung durch biologische und chemische<br />
Substanzen<br />
Dietrich Henschler<br />
Einleitung<br />
Die <strong>Schutzkommission</strong> wurde vor gut einem halben Jahrhundert konstituiert. Als<br />
Aufgabe formulierte man die Beratung der Regierung in Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes<br />
im Kriegs- und Katastrophenfall. Die Arbeit sollte auf drei Säulen<br />
ruhen, gekennzeichnet durch die drei Buchstaben: A für Atomwaffen, B für<br />
biologische, und C für chemische Waffen. Die Gewichtung der drei Bereiche war<br />
von Beginn an sehr unterschiedlich, über lange Zeit dominierten die Strahlenphysik<br />
und die Radiobiologie alles andere, vor allem im <strong>Forschung</strong>saufwand. Die<br />
Messprogramme zur Verfolgung des Fallout von A-Waffentests brachten präzise<br />
Informationen zu den steigenden und fallenden Aktivitäten der A-Waffen entwickelnden<br />
Staaten. Die Suche nach geeigneten Strahlenschutzstoffen wurde mit<br />
enormem Aufwand betrieben, ohne dass daraus eine nachhaltige Umsetzung in<br />
praktisches Handeln resultierte. <strong>Forschung</strong>en über biologische Waffen wurden nur<br />
zeitweise und dann in eher bescheidenem Umfang durchgeführt; auch im letzten<br />
Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> kommt die biologische Bedrohung nur<br />
knapp zu Wort. Die Gruppe, die sich mit C-Waffen beschäftigte, war stets – im<br />
Vergleich mit der Strahlenforschung – klein, aber doch recht erfolgreich.<br />
Schon früh wurde eine Therapiemethode bei akuten Reizgasvergiftungen entwickelt<br />
und eingeführt, sie hat sich bis heute als Standard immer wieder bestätigt; zur<br />
Behandlung der Blausäurevergiftung, obwohl im <strong>Zivilschutz</strong> von eher nachgeordneter<br />
Bedeutung, hat man einige wichtige Beiträge geliefert; und die Therapie und<br />
Prophylaxe der Nervengasvergiftungen wurde durch intensive <strong>Forschung</strong> auf eine<br />
rationale Basis gestellt.<br />
Paradigmenwandel<br />
Im Laufe der nunmehr mehr als 5 Jahrzehnte des Bestehens und Wirkens der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> haben sich die Gewichte der drei Säulen wiederholt und z.T.<br />
erheblich verschoben. Auf politisch bedingte Änderungen der Bedrohungslagen<br />
hat die Kommission meist rasch und folgerichtig reagiert. So traten Probleme des<br />
Strahlenschutzes zeitweilig zurück, um dann durch das Großereignis von Tschernobyl<br />
einen erneuten, mächtigen Schub zu erfahren. Die Golfkriege aktualisierten<br />
das Interesse an Hautkampfstoffen, und die Massenvergiftung durch Sarin in der<br />
Tokyoter U-Bahn bestätigte intensive Warnungen der Experten vor dem Einsatz<br />
von C-Waffen zu terroristischen Zwecken. Weiter wurde die Bearbeitung von<br />
135
Schutzmassnahmen bei Störfällen in der Chemieproduktion und die Schadstofffreisetzung<br />
bei Bränden aufgegriffen und intensiv voran getrieben.<br />
Den vergleichsweise größten Bedeutungswandel erfuhren aber wohl, zumindest in<br />
der Wahrnehmung, B-Waffen durch den Briefversand von Milzbrandsporen nach<br />
dem 11. September 2001 in USA, und die so verursachten Erkrankungs- und<br />
Todesfälle. Deren Bedrohungspotenzial scheint, vor allem durch die Unsicherheiten<br />
und Unvollkommenheiten in der Kenntnis der Anwendungsmöglichkeiten einerseits,<br />
und der Möglichkeit der seuchenhaften Ausbreitung lebender Agenzien<br />
andererseits in eine neue Größenordnung vorgestoßen zu sein.<br />
In Deutschland hat es eine kuriose Entwicklung gegeben. Mit der Vereinigung von<br />
Bundesrepublik und DDR ging ein Wechsel in der Beurteilung der Bedrohungslage<br />
einher. Er hat zu einem paradoxen Szenario geführt: Warnungen von Kennern<br />
vor der sich anbahnenden Anwendung von B- und C-Waffen in Terrorismusaktivitäten<br />
wurden in den Wind geschlagen. Sie galten bei politischen Entscheidungsträgern<br />
und Behörden als inaktuell und inopportun. <strong>Forschung</strong>svorhaben wurden<br />
zurückgefahren, Zuständigkeiten geändert, die Nützlichkeit und Notwendigkeit<br />
von Fördermaßnahmen hat man – auch in der <strong>Schutzkommission</strong> – in Frage<br />
gestellt. Bis der 11. September 2001 einen dramatischen Paradigmenwandel und<br />
radikalen Umschwung bewirkte. Seither hätte man gern zurück, was man vor 10<br />
bis 12 Jahren vergab.<br />
Zwei kürzliche, wichtige Tagungen sind Anlass, erneut über das Mandat der<br />
<strong>Schutzkommission</strong> im Hinblick auf B- und C-Waffen nachzudenken. Die erste<br />
wurde vom Sanitätsdienst der Bundeswehr durch das Institut für Pharmakologie<br />
und Toxikologie in München-Neuherberg am 9./10. April 2003 mit dem Thema<br />
„Pathophysiologie bullöser Erkrankungen und Hautschäden durch blasenziehende<br />
Gifte“ veranstaltet; sie war international und hochgradig besetzt. Die zweite<br />
fand am 17./18 Mai 2003 in Berlin-Spandau statt, organisiert von der Deutschen<br />
Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM). Titel: „Bedrohung durch biologische<br />
und chemische Substanzen“. Ich habe beide besucht und möchte über einige<br />
dort vorgetragene Ergebnisse berichten, die ich für wichtig in der Diskussion<br />
um die <strong>Schutzkommission</strong> halte. Auf manche Details der Berliner Tagung zu B-<br />
Waffen kann ich verzichten, da andere Referate dieser Sitzung sich ausführlicher<br />
damit beschäftigen.<br />
Gemeinsames und Unterschiedliches bei B- und C-Waffen<br />
Es gibt einige Gemeinsamkeiten, aber viele bedeutsame Unterschiede der Bedrohung<br />
zwischen B- und C-Waffen. Gemeinsam ist das Ziel, im Zuge kriegerischer<br />
Auseinandersetzungen oder in terroristischer Absicht einen Gegner durch Angriff<br />
auf seine Gesundheit akut oder nachhaltig zu schädigen oder zu töten. Die Unterschiede<br />
sind zahlreich: Bei C-Waffen verfügt man seit 1915 durch zahlreiche Masseneinsätze<br />
der klassischen Stoffe über umfängliche Felderfahrungen, bei B-Waffen<br />
fehlen diese; weder lebende Erreger noch Toxine sind (bisher) in Kriegen<br />
systematisch eingesetzt worden. Damit ist die Abschätzung von Gefahrenszenarien<br />
136
ei C-Waffen als gut, bei B-Waffen als unsicher zu werten. Der praktische Einsatz<br />
von C-Waffen wird wegen ihrer Flüchtigkeit auch in größeren Arealen erleichtert<br />
bzw. erst möglich, Toxine und z.T. Erreger müssen auf Aerosolträger gebracht werden,<br />
deren Ausbringung ist vergleichsweise schwierig, sie sinken rasch ab,<br />
bestimmte Erreger müssen abgesprüht werden, was nur in begrenzten Arealen<br />
möglich ist. Während der Wirkungseintritt bei C-Waffen und Toxinen in der Regel<br />
rasch erfolgt, gibt es bei Erregern stets eine mehrtägige Latenzzeit. Erste Symptome<br />
sind bei C-Waffen weitgehend spezifisch, bei Erregern unspezifisch, meist<br />
bestehen sie lediglich in uncharakteristischem Fieber und Unwohlsein. Ganz<br />
erheblich sind die Unterschiede in den Kenntnissen zu Wirkungsweise und Wirkungsbedingungen:<br />
Bei C-Waffen existieren drei, durch die chemischen Merkmale<br />
wohl definierte Gruppen, deren Wirkungsmechanismen einfach und gut bekannt<br />
sind; bei den biologischen Substanzen zählt man ca. 20 verschiedene Agenzien,<br />
die sich in ihrer Wirkungsdynamik z.T. sehr stark unterscheiden, wobei die Erreger<br />
eine komplexe Abfolge von Wechselwirkungen mit körpereigenen Strukturen<br />
und biologischen Steuerungs- und Abwehrmechanismen durchlaufen, die nur zum<br />
geringeren Teil bekannt bzw. aufgeklärt sind, insgesamt besteht bei B-Waffen also<br />
eine erhebliche Unsicherheit der Gefahreneinschätzung im Einzelfall. Hinzu<br />
kommt, dass die diagnostischen Möglichkeiten in Form des Erregernachweises<br />
zwar z.T. gegeben sind, sie können aber wegen der Latenzzeit erst spät ansetzen,<br />
sind zeitaufwendig und liefern i.A. keine quantitativen Daten. Therapien sind für<br />
C-Waffen grundsätzlich erarbeitet und verfügbar (Ausnahme: Loste). Wichtige<br />
Kenntnisse bringen hier gewerbliche Vergiftungen mit Analogstoffen, die im Prinzip<br />
gleich wie bei Kampfstoffen ablaufen, die Verfahren sind mithin in ihrer technischen<br />
Brauchbarkeit und Effizienz gut evaluiert. Bei B-Stoffen sind wirksame<br />
Therapien nur bei Bakterien in Form von Antibiotika verfügbar, bei Viren existiert,<br />
streng genommen, nur teilweise eine wirksame Prophylaxe in Form von Impfungen.<br />
Fortschritte in der B-Waffenabwehr<br />
Die DGKM-Tagung hat die mit dem B-Waffeneinsatz verbundenen Problematiken<br />
breit und kompetent dargestellt. Technische Einzelheiten sollen hier nicht behandelt<br />
werden. Wesentliche Fortschritte wurden auf zwei Feldern erzielt: (1) Die<br />
Bekämpfung der Seuchenausbreitung erfordert die strenge Isolation Infizierter. Die<br />
schon bestehenden Isolations- und Behandlungszentren sind in einen Organisationsplan<br />
eingebunden. Er bündelt vorhandene und noch zu ergänzende Einrichtungen<br />
sowie die zuständigen Organisationsstrukturen sinnvoll. Transportmittel,<br />
Schutzanzüge für medizinisches Personal, Dekontaminationsmöglichkeiten, Arzneimittelversorgung<br />
u.a.m. wurden vorgestellt, z.T. mit praktischen Übungen<br />
erläutert. (2) Die diagnostischen Methoden der Erregeridentifikation werden zügig<br />
weiterentwickelt. Sowohl bei der PCR- und der ELISA-Technik, als auch bei Zellkulturverfahren<br />
zielen die Bemühungen auf die Verkürzung der Indikationszeit und<br />
die Erhöhung der Spezifität und Praktikabilität. Der Außenstehende gewann den<br />
Eindruck, dass durch die Aktivitäten der DGKM und die mit ihr kooperierenden<br />
Organisationen die Bemühungen um eine Optimierung des B-Schutzes sowohl von<br />
137
der organisatorischen Seite, als auch von der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit<br />
in guten Händen sind.<br />
Historisches<br />
Die DGKM-Tagung glänzte durch einen Festvortrag von Eberhard Geißler (Max-<br />
Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch) zur Geschichte der B-<br />
Waffenentwicklung, ergänzt durch eine Posterausstellung. Von den zahlreichen<br />
Informationen seien einige verblüffende zitiert: Die erste dokumentierte Anwendung<br />
von B-Waffen datiert aus 1763, wo britische Kolonialtruppen Kleidung von Pockenkranken,<br />
als Geschenk deklariert, an aufständische Indianer verteilten. Schon im<br />
Mittelalter soll vereinzelt das Verschleppen von Pestleichen in gegnerische Lager<br />
praktiziert worden sein. Milzbrandsporen, die heute als gefährlichste B-Waffe gelten<br />
und in mehreren Ländern produziert und vorrätig gehalten wurden und werden,<br />
sind von 1902 bis kurz vor Weltkrieg I zusammen mit Rotzerregern in einer<br />
Anstalt des deutschen Generalstabes auf ihre Eignung zur Dezimierung gegnerischer<br />
Pferde-, Esel- und Maultierbestände, damals unentbehrliche Transportmittel<br />
an den Fronten, geprüft worden. Man hielt das Verfahren für nicht praktikabel und<br />
gab es auf. Milzbrand diente den Deutschen als Sabotagemittel hinter den Fronten:<br />
Bei einem deutschen Agenten fand man 1917 in Nordnorwegen Würfelzucker.<br />
In den konfiszierten Stücken wies man noch 1998 lebensfähige Milzbrandbakterien<br />
nach. Im Weltkrieg II gab es u.a. auf Seiten der Alliierten intensive <strong>Forschung</strong>en<br />
an B-Waffen. In Deutschland sind 9 <strong>Forschung</strong>sprogramme aus jener<br />
Zeit dokumentiert. Hitler verbot jedoch den Einsatz gegen Menschen. Große<br />
Anstrengungen wurden auf Angriff und Abwehr von Kartoffelkäfern verwendet;<br />
diese Spezies ist aber erst nach dem Krieg, quasi auf friedlichen Wegen, in unsere<br />
Felder eingefallen. Die DDR vermutete eine Kartoffelkäfer-Attacke durch die<br />
USA, Bert Brecht schrieb über die ausgebrochene Hysterie ein Spottgedicht. Ein<br />
Unfall mit Milzbrandsporen ereignete sich 1979 in Swerdlovsk, wo zufolge der<br />
Undichtigkeit einer Produktionsanlage Hunderte von Anwohnern erkrankten und<br />
– nach zugänglichen Berichten – mindestens 68 starben.<br />
Über C-Waffen wurden auf der DGKM-Tagung drei Referate gehalten. Sie brachten<br />
nichts Neues. Umso bedeutsamer sind die auf der Münchener Veranstaltung<br />
mitgeteilten Fortschritte auf dem Gebiet der S-Lost-<strong>Forschung</strong>. Schwefellost<br />
erzeugt, mit wenigen bis 24 Stunden Latenz, auf Haut und Schleimhäuten dick aufschießende<br />
Blasen; nach deren Aufplatzen bilden sich tief ausgestanzte, nekrotisierende,<br />
hartnäckig voranschreitende Geschwüre mit geringer Heilungstendenz.<br />
Spätfolgen sind Haut- und Bronchialkrebs. Die Gründe für die lange Latenzzeit,<br />
und der eigentliche biochemische Wirkungsmechanismus sind noch unbekannt.<br />
Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Aktivitäten im Irak haben das Interesse<br />
an diesem Thema neu geweckt. U.a. in amerikanischen und englischen Laboratorien<br />
sind umfängliche <strong>Forschung</strong>en im Gange. Bekannt ist, dass die Blasenbildung<br />
der Haut an der untersten, der erneuernden Epidermisschicht beginnt. Dort kommt<br />
es vorauslaufend zu einem Anstieg der Proteasenaktivität, wobei der Phosphodiesterase<br />
eine Schlüsselrolle zukommt. Eine Reihe von Versuchsmodellen, von Zellund<br />
Gewebekulturen bis zu intakten Minischweinen und den Ohren von genetisch<br />
138
veränderten Nacktmäusen, sind erarbeitet und einsatzfähig. Die Zellablösung ist<br />
an Acetylcholinrezeptoren geknüpft, cholinerge Stoffe hemmen die Blasenbildung<br />
und scheinen aussichtsreich als neues Therapieprinzip. Radikalfänger wie DMPS,<br />
neu entwickelte Mercaptopyridinderivate und Acetylcystein, zeigen große prophylaktische,<br />
sowie beachtliche therapeutische Effekte. Als neue <strong>Forschung</strong>sansätze<br />
zur Auffindung einer kausalen Therapie sind in Bearbeitung: Ermittlung der<br />
durch Alkylierungsreaktionen bedingten genetischen Veränderungen an Keratinozyten<br />
(toxicogenomics), Bestimmung der metabolischen Totalbilanz von S-Lost<br />
(metabonomics) mit dem Ziel der Auffindung geeigneter Biomarker, ultrafeinstrukturelle<br />
Veränderungen vor und während der Blasenbildung, und Prüfung der<br />
Wirksamkeit von Cocktails aus mehreren entzündungshemmenden Substanzen.<br />
Als Therapievorschläge nach derzeitigem Stand wurden formuliert: möglichst<br />
frühzeitiger Einsatz von lokal applizierten Glucocorticoiden (eigentlich eine Prophylaxe,<br />
doch sehr effektiv), die chirurgische Laserabrasion betroffener Hautareale<br />
(in Versuchen an Minischweinen hochwirksam), Einleitung einer Hypothermie,<br />
und gezielte, hochdosierte Anwendung verschiedener Antiphlogistika.<br />
Ausblick<br />
Die eindrucksvollen Fortschritte, die auf den beiden referierten Tagungen berichtet<br />
worden sind, geben manche wichtige Hinweise für eine Standortbestimmung<br />
der <strong>Schutzkommission</strong> auf diesen beiden Feldern. Zwei übergreifende Aspekte<br />
möchte ich herausgreifen, um Empfehlungen an die Kommission für eine vertiefte<br />
Diskussion zu begründen.<br />
Zu den C-Waffen: In Deutschland hat es seit langem nur geringe Aktivitäten auf<br />
dem Gebiet der alkylierenden C-Stoffe gegeben. Bislang fehlt es an diagnostischen<br />
Möglichkeiten, eine Exposition frühzeitig, d.h. vor dem Auftreten erster Symptome<br />
zu quantifizieren. Die Kenntnis der Schwere einer Vergiftung ist aber entscheidend<br />
für das weitere Handeln im Katastrophenfall mit vielen Betroffenen. In USA<br />
sucht man intensiv nach geeigneten Biomarkern. Auf diesem Gebiet gibt es gerade<br />
in Deutschland hohe Kompetenz und praktische Erfahrung: In der Erfassung<br />
von Reaktionsprodukten elektrophiler Substanzen (bzw. deren Metaboliten) mit<br />
biochemischen Strukturen, nämlich DNA, Enzymen, und Membranbestandteilen,<br />
die Rückschlüsse auf Primärläsionen an essentiellen Targets erlauben. Solche Biomonitoringmethoden<br />
bedienen sich chemischer und immunchemischer Analyseverfahren.<br />
Sie sind hochempfindlich, hoch spezifisch und verlässlich, bei Problembearbeitungen<br />
der Gewebetoxikologie haben sie sich weithin bewährt. Hier ist ein<br />
maßgeblicher Beitrag durch Arbeiten in der <strong>Schutzkommission</strong> denkbar.<br />
Zu den B-Waffen: Einen Krieg mit biologischen Substanzen hat es bisher nicht<br />
gegeben. Die enorme, z.T. extreme Wirkungsstärke der Agenzien ist bekannt, das<br />
Bedrohungspotenzial wird als sehr hoch eingeschätzt. Doch sind mit den bisher<br />
bekannten Erregern die oberen Grenzen keineswegs erreicht. Die moderne Molekularbiologie<br />
hat Methoden erarbeitet, die durch genetische Manipulation die Wirkungsstärke<br />
von Erregern in neue Dimensionen steigern können. Die Instrumentarien<br />
für solche Operationen sind wenig aufwändig, und durch „dual use“ in vie-<br />
139
len Laboratorien verfügbar. Die Aufgabe, die sich terroristische Gruppen stellen,<br />
ist also – entsprechende wissenschaftliche Ausbildung vorausgesetzt – für eine<br />
missbräuchliche Anwendung nicht allzu schwer. Kürzlich haben sich anlässlich der<br />
Jahrestagung der AAAS in Denver 32 Redakteure und Herausgeber der maßgeblichen<br />
biomedizinischen Zeitschriften getroffen, in denen die Fortschritte auf diesem<br />
molekulargenetischen Gebiet veröffentlicht werden. Man hat beschlossen,<br />
Veröffentlichungen, in denen für einen Missbrauch geeignete Ergebnisse mitgeteilt<br />
werden, zu verändern oder abzulehnen, also eine Art Zensur einzurichten. Als<br />
Entscheidungskriterium soll gelten: Eingriff dann, wenn die Risiken den Nutzen<br />
überwiegen; eine salomonische, nicht eben hilfreiche Formulierung. Dieser Vorgang<br />
hat eine intensive Debatte unter Fachleuten ausgelöst. Die <strong>Schutzkommission</strong><br />
wird sich, wie immer sie die Probleme der B-Waffen aufgreifen mag, dieser<br />
Diskussion um ein wissenschaftsethisches Konfliktfeld nicht entziehen können.<br />
Literatur:<br />
Geißler, Eberhard: Schwarzer Tod und Amikäfer. Biologische Waffen und ihre<br />
Geschichte. – C.G. Roßberg, Frankenberg/Sa.<br />
140
Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft<br />
des Katastrophenschutzes<br />
Peer Rechenbach<br />
1 Prolog<br />
Von einer Katastrophe spricht man, wenn durch<br />
• ein Naturereignis,<br />
• einen technischen Störfall,<br />
• einen Flächenbrand,<br />
• eine Epidemie,<br />
• kriminelle Handlungen, Sabotage, Terroranschläge oder kriegsbedingte Waffenwirkungen<br />
eine hohe Zahl von Menschen oder eine große Region betroffen worden ist und<br />
die Summe aller Hilfsmaßnahmen (staatliche oder privat organisierte Hilfe) nicht<br />
allen betroffenen Menschen, in der für die Rettung oder Versorgung erforderlichen<br />
Zeit, gewährt werden kann und die Selbsthilfe der Menschen nicht ausreicht bzw.<br />
die Erreichbarkeit in der Nähe verfügbarer Rettungsmittel nicht gegeben ist.<br />
Das staatliche Handeln muss darauf konzentriert sein, dass durch<br />
• den vorbeugenden Katastrophenschutz (disaster prevention),<br />
• die umfassende Abwehrbereitschaft (disaster preparedness) und<br />
• den abwehrenden Katastrophenschutz (disaster protection)<br />
der Eintritt von Katastrophen vermieden oder zumindest der eintretende Schaden<br />
durch koordiniertes gemeinschaftliches Handeln aller verfügbaren Ressourcen des<br />
Bundes, der Länder, Kommunen sowie der privaten Organisationen unter einheitlicher<br />
Leitung wirksam begrenzt wird.<br />
2 Einführung<br />
Mit diesem Bericht werden grundlegende Möglichkeiten zur Steigerung der<br />
Abwehrbereitschaft bezüglich der technischen Ressourcen zur Diskussion vorgelegt.<br />
Weiterhin werden verschiedene Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen<br />
genannt, die insbesondere bei der Bearbeitung und Bewertung der genannten<br />
gewürdigt werden müssen. Der Bericht beschränkt sich dabei auf die qualitativen<br />
technischen Anforderungen aus strategischer Sicht.<br />
141
Grundsätzlich müssen sich die Maßnahmen zur Optimierung des abwehrenden<br />
Katastrophenschutzes an folgenden Arbeitsschritten orientieren:<br />
1. Erfassung und Bewertung der Risiken<br />
2. Erfassung und Bewertung der Verwundbarkeit bezüglich der<br />
• Bevölkerung<br />
• Umwelt und Lebensbedingungen<br />
• Daseinsvorsorge<br />
• gewerblichen Wirtschaft<br />
• staatlichen Verwaltung.<br />
3. Entwicklung eines strategischen Gefahrenabwehrkonzeptes<br />
4. Entwicklung taktischer Handlungskonzepte zur Gefahrenabwehr<br />
5. Erfassung und Bewertung der verfügbaren personellen Ressourcen<br />
6. Entwicklung und Bereitstellung entsprechender technischer Ressourcen<br />
7. Entwicklung eines geeigneten Aus-, Fortbildungs- und Trainingskonzeptes<br />
8. Entwicklung und Einführung einer Einsatzplanung und -organisation.<br />
Die genannten Positionen sollten dabei weitgehend in chronologischer Reihenfolge<br />
bearbeitet werden. Diese vorgezogene Detailbetrachtung bezüglich der technischen<br />
Ressourcen berücksichtigt die vorhandenen, historisch gewachsenen Strukturen,<br />
eine Reihe von Erkenntnissen aus entsprechenden <strong>Forschung</strong>sberichten und<br />
den gewonnenen Erfahrungen. Eine abschließende Festlegung kann jedoch erst<br />
dann getroffen werden, wenn alle anderen Positionen gleichermaßen bearbeitet<br />
und die Abhängigkeiten ganzheitlich berücksichtigt wurden. Die Konzeption des<br />
Deutschen Städtetages [13] [14] nennt Forderungen, die in diesem Bericht bezüglich<br />
der technischen Ausstattung weiterentwickelt und konkretisiert werden. Die<br />
jeweils regional vorzuhaltenden quantitativen materiellen und personellen Bedarfe<br />
müssen auf der Basis entsprechender Risikoanalysen [32] durch die Länder und<br />
Kommunen quantitativ definiert werden.<br />
Neben den strategischen Anforderungen an die technischen Ressourcen muss<br />
gleichermaßen die abgestufte Versorgungskonzeption als politisches Ziel definiert<br />
und eine mittel- bis langfristig wirkende Strategie zur Erfassung, Aus- und Fortbildung,<br />
Training und Motivation der haupt- und ehrenamtlichen personellen<br />
Ressourcen erarbeitet werden.<br />
Die Abwehr national bedeutsamer Schadenslagen kann nur gelingen, wenn die verschiedenen<br />
personellen und materiellen Ressourcen des Bundes, der Länder, der<br />
Kommunen sowie der verschiedenen Hilfsorganisationen zu einem ganzheitlichen<br />
Gefahrenabwehr-Management-System zusammengeführt werden.<br />
142
3 Vorbemerkung<br />
Mit der Beendigung der globalen Konfrontation der beiden Machtblöcke zum<br />
Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ergab sich eine veränderte<br />
sicherheitspolitische Lage, in deren Folge der Bund wesentliche Strukturen im<br />
<strong>Zivilschutz</strong> aufgab und die ergänzende technische Ausstattung der Einheiten und<br />
Einrichtungen des Katastrophenschutzes der Länder deutlich reduziert wurde [3].<br />
Der Bund konzentrierte sich in den darauf folgenden Jahren auf die Ergänzung<br />
gemäß § 12 des <strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetzes [2], realisierte dies jedoch aufgrund<br />
der begrenzten Haushaltsmittel nicht vollständig. Die Länder und Kommunen<br />
haben im gleichen Zeitraum aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen<br />
nur partiell zusätzliche Anstrengungen unternommen, die entstandenen Lücken<br />
durch weitere Vorhaltungen in der technischen Ausstattung oder durch organisatorische<br />
Maßnahmen zu schließen. Insbesondere die personelle Ausstattung der<br />
Katastrophenschutzämter auf allen Ebenen wurde deutlich reduziert. Damit war<br />
verbunden, dass keine oder nur sehr geringe Planungsleistungen zur Erstellung<br />
regionaler Abwehrkonzepte oder geeignete Rahmenempfehlungen erarbeitet und<br />
eingeführt wurden. Eine weitgehend zwischen den Ländern und Kommunen harmonisierte<br />
Gefahrenabwehrkonzeption, wie sie seitens des Bundes im <strong>Zivilschutz</strong><br />
in Teilbereichen vorhanden war, wurde nicht oder nur ansatzweise entwickelt oder<br />
fortgeschrieben.<br />
Mit den Ereignissen am 11. September 2001 in New York und Washington D. C.<br />
durch global operierende Terroristen wurde erneut deutlich, dass erhebliche<br />
Anstrengungen zur Optimierung der Gefahrenabwehr bei national bedeutsamen<br />
Schadenslagen nötig sind, um den Herausforderungen im Sinne eines effektiven<br />
Schutzes der Bevölkerung zu begegnen. Diese Tatsache war auch aus den Erfahrungen<br />
der internationalen Terroranschläge der letzten 30 Jahre grundsätzlich<br />
erkennbar. Hier sei besonders an die Ereignisse in München 1972, Berlin 1986,<br />
New York 1993, Tokio 1995 und Oklahoma 1995 erinnert. Insbesondere ist deutlich<br />
geworden, dass die ausgeprägte Differenzierung zwischen den Zuständigkeiten<br />
der Länder im Katastrophenschutz und der Zuständigkeit des Bundes im <strong>Zivilschutz</strong><br />
für den betroffenen Bürger nicht verständlich ist und in Teilbereichen die<br />
gebotene Struktur einer effektiven Gefahrenabwehr behindert. Die Ministerpräsidenten<br />
der Länder haben deshalb beschlossen, dass diesbezüglich neue gesetzliche<br />
Regelungen gefunden werden sollen [89].<br />
Von den Innenministerien wurde in den vergangenen Monaten die „Neue Strategie<br />
zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ [1] entwickelt, durch die ständige<br />
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) beschlossen<br />
und in die Umsetzungsphase überführt 1 . Mit dieser grundsätzlichen Zielvorgabe<br />
ist eine intensivere gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung des Bundes und der<br />
Länder grundsätzlich möglich. Im Rahmen der Gesamtverteidigung muss künftig<br />
die militärische, polizeiliche und zivile Sicherheitsvorsorge stärker aufeinander<br />
abgestimmt sein, damit alle personellen und technischen Ressourcen effektiv zur<br />
akuten Gefahrenabwehr herangezogen werden können.<br />
1 Die Quellenangaben sind in eckige Klammern gesetzt und in Kap.14 wiedergegeben<br />
143
4 Besondere Bedrohungslage<br />
Mit den Herausforderungen der täglichen Gefahrenabwehr, der besonderen Gefahrenrisiken<br />
durch technische Anlagen (z.B. Störfallbetriebe, Kernkraftwerke und<br />
Transport gefährlicher Güter) oder durch Naturereignisse können schwerwiegende<br />
Gefahren nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere infolge von kriminellen<br />
Handlungen, Sabotage oder Terroranschlägen sind schwere Schäden mit national<br />
bedeutsamen Auswirkungen möglich. Die Ressourcen zur Sicherstellung einer<br />
überregionalen Gefahrenabwehr müssen vollständig ausgeschöpft werden.<br />
In den letzten Jahren wurde im <strong>Zivilschutz</strong> grundsätzlich davon ausgegangen [3],<br />
dass<br />
• nur räumlich begrenzte Schadenslagen eintreten und insbesondere keine großflächigen<br />
Zerstörungen der Infrastruktur zu besorgen sind und<br />
• die Abwehrkräfte nur nach einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf ihre volle<br />
Leistungsfähigkeit herstellen müssen, so dass spezielle Vorhaltungen und Planungen<br />
nicht geboten sind.<br />
Die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA haben jedoch eine neue<br />
Form des global wirkenden Terrorismus deutlich gemacht. Die im Folgenden beispielhaft<br />
genannten terroristischen Anschläge, wie<br />
• der Sprengstoffanschlag auf eine Synagoge AL GHRIBA (Djerba ) am<br />
11. April 2002 mit 19 Toten,<br />
• Sprengstoffanschlag auf französische Ingenieure in Karatschi (PAK) am 08.<br />
Mai 2002 mit 14 Toten,<br />
• Sprengstoffanschlag auf das US-Konsulat in Karatschi (PAK) am 14. Juni 2002<br />
mit 12 Toten,<br />
• Sprengstoffanschlag in Kabul (AFG) am 05. September 2002 mit 26 Toten,<br />
• der Sprengstoffanschlag auf das Tankmotorschiff LIMBURG im Roten Meer<br />
(YEM) am 06. Oktober 2002 mit 1 Toten,<br />
• der Sprengstoffanschlag in Kuta (Bali ) am 13. Oktober 2002 mit 202<br />
Toten,<br />
• die Geiselnahme im Musical-Theater von Moskau (RUS) am 23. Oktober 2002<br />
mit 128 toten Geiseln,<br />
• der Sprengstoffanschlag in Mombasa (KEN) am 28. November 2002 mit 16<br />
Toten,<br />
• Sprengstoffanschläge in Riad (SAR) am 12. Mai 2003 mit 34 Toten,<br />
• Sprengstoffanschlag in Snamenskoje (RUS) am 12. Mai 2003 mit 59 Toten,<br />
• Sprengstoffanschlag bei Grosny (RUS) am 14. Mai 2003 mit 18 Toten,<br />
• Sprengstoffanschläge in Casablanca (MRO) am 17. Mai 2003 mit 31 Toten,<br />
144
zeigen, dass eine effektive Abwehrbereitschaft geboten ist. Weiterhin wurde bei<br />
dem Sprengstoffanschlag auf das TMS LIMBURG (Ladung ca. 400.000 Barrel 2<br />
Rohöl, von den 90.000 Barrel ausliefen und eine Fläche von ca. 500 km 2 verunreinigten)<br />
erneut deutlich, dass auch der Schutz der Umwelt einbezogen werden<br />
muss. Vergleichbare Anschläge auf den Schiffsverkehr in der Nord- oder Ostsee<br />
hätten unabsehbare Folgen für das Ökosystem und die Verkehrsinfrastruktur.<br />
Die bisher übliche Annahme, der Katastrophenschutz im <strong>Zivilschutz</strong> könne seine<br />
Gefahrenabwehr aufgrund einer hinreichend langen Vorwarnzeit nach Bedarf<br />
lageabhängig vorbereiten, lässt sich nur noch eingeschränkt aufrechterhalten.<br />
Verschärft wird die Situation durch das hohe Maß an Verwundbarkeit der hoch entwickelten<br />
und vernetzten Gesellschaft [32]. Dies gilt speziell im Hinblick auf die<br />
herbeigeführten, finalen zerstörerischen Eingriffe der Terroristen.<br />
Es muss weiterhin festgestellt werden, dass bestimmte Güter, die im Katastrophenfall<br />
plötzlich in sehr großen Mengen verbraucht bzw. benötigt werden, nicht ohne<br />
weiteres in entsprechenden Mengen zeitgerecht geliefert oder bereitgestellt werden<br />
können. Vielfach müssen Rohstoffe am globalen Markt mit entsprechenden<br />
Lieferzeiten geordert oder Produktionsstätten außerhalb Europas aktiviert werden.<br />
Dabei wird auch auf das politische Problem hingewiesen, dass die Regierung der<br />
liefernden Nation die Ausfuhr der betreffenden Stoffe wegen eines gesteigerten<br />
Eigenbedarfs verweigern könnte.<br />
Das Elbe-Hochwasser im August 2002 zeigte am Beispiel einiger Ortschaften, dass<br />
die üblicherweise verfügbare Infrastruktur (Telekommunikation, Energieversorgung<br />
mit Gas und Elektrizität, Trinkwasser, öffentlicher Personennahverkehr und<br />
Straßenanbindung) binnen Stunden zerstört und für Tage oder Wochen ausgefallen<br />
ist [19] [90]. Ähnliche Wirkungen waren auch bei der Schneekatastrophe 1979<br />
in Schleswig-Holstein und bei der Sturmflut 1962 in Hamburg zu beobachten.<br />
Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Verwundbarkeit der technisierten Gesellschaft<br />
in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen hat und vergleichbare<br />
Ereignisse erheblich höhere Personen- und Sachschäden verursachen werden.<br />
5 Gefahrenabwehr<br />
Die Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft konzentrieren sich in<br />
diesem Bericht auf die akute Gefahrenabwehr. Dabei wird grundsätzlich zwischen<br />
der polizeilichen und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr differenziert. Weiterhin<br />
ist in der Katastrophenabwehr eine chronologische Differenzierung in folgende<br />
Phasen üblich, sofern ein Schadengebiet lokalisierbar ist und mit technischen Mitteln<br />
eine Schadenbekämpfung möglich erscheint:<br />
2 ca. 63 Mio. Liter<br />
145
Phase I – Suche und Rettung –<br />
• Erster Angriff (in der Regel nur Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst 3 )<br />
• Aktivierung der Führungsorganisation am Schadensort und im Umfeld (operativ/taktische<br />
Führung)<br />
• Aktivierung übergeordneter Ressourcen der Gefahrenabwehr (administrative<br />
Katastrophenschutzleitung, Katastrophenschutz, BA THW 4 , HIORG 5 , BW 6<br />
und dgl.)<br />
Phase II – Schadenseindämmung –<br />
• Zielführende Aktivierung aller Ressourcen der staatlichen Verwaltung<br />
• Integration zusätzlicher gewerblicher Ressourcen<br />
• Heranführung weiterer überregionaler Kräfte der Gefahrenabwehr<br />
• Sicherstellung eines Notbetriebs staatlicher Stellen<br />
Phase III – Schadenbeseitigung –<br />
• Herstellung einer funktionierenden Infrastruktur<br />
• Gewährleistung vollständigen staatlichen Handelns<br />
• Bereitstellung geeigneter Wohnquartiere<br />
• Bereitstellung finanzieller Mittel zur Selbsthilfe<br />
Phase IV – Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes –<br />
Ein besonderes Augenmerk muss auf Gefahrenlagen gerichtet werden, die eine<br />
unmittelbare Gefahrenabwehr in einem Schadengebiet nicht zulassen. So ist die<br />
Ausbreitung einer Epidemie, die flächendeckende radioaktive Kontamination<br />
(infolge eines Unfalls in einem Kernkraftwerk oder der Absturz eines Satelliten<br />
mit Kernreaktor) oder einer Tier- bzw. Pflanzenseuche nicht mit den üblichen<br />
Methoden der technischen Gefahrenabwehr zu bekämpfen. Auf die Optimierung<br />
der hierfür erforderlichen Prozesse muss künftig intensiver geachtet werden.<br />
Während sich die polizeiliche Gefahrenabwehr insbesondere auf die Warnung,<br />
Strafverfolgung, Beweissicherung, Verkehrslenkung und Sicherung der Handlungsfähigkeit<br />
staatlicher Stellen konzentriert, muss sich die nicht polizeiliche<br />
Gefahrenabwehr in der ersten Phase auf die Rettung und sachgerechte Versorgung<br />
bzw. Betreuung der akut gefährdeten oder betroffenen Menschen konzentrieren.<br />
Um die erforderlichen Maßnahmen bestimmten Arbeitsbereichen zuordnen zu<br />
können, muss zwischen operativ taktischen und administrativen Aufgaben unterschieden<br />
werden. Insbesondere folgende Bereiche sind den operativen/taktischen<br />
Aufgaben zuzuordnen:<br />
3Einheiten, die rund um die Uhr verfügbar sind<br />
4 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk<br />
5 Hilfsorganisationen wie Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, Deutsches<br />
Rotes Kreuz, Johanniter-Unfallhilfe und Malteser Hilfsdienst<br />
6 Bundeswehr<br />
146
• Führung der Gefahrenabwehrkräfte<br />
• Kommunikation<br />
• Technische Gefahrenabwehr<br />
• Suche + Rettung<br />
• Bergung<br />
• Trinkwassernotversorgung<br />
• Brandschutz<br />
• Abwehr radiologischer Gefahrenlagen<br />
• Abwehr biologischer Gefahrenlagen<br />
• Abwehr chemischer Gefahrenlagen<br />
• Abwehr von Umweltgefahren<br />
• Notfallmedizinische, rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung<br />
• Betreuung (Verpflegung, Versorgung, Unterbringung, Registrierung, Zusammenführung,<br />
Personenauskunft, psychosoziale Betreuung und Notfallseelsorge<br />
bezüglich der betroffenen Menschen)<br />
• Logistik (Instandsetzung, Verpflegung und Versorgung der Gefahrenabwehrkräfte).<br />
Folgende Bereiche sind beispielhaft den administrativen Aufgaben zuzuordnen:<br />
• Warnung der Bevölkerung (mit Verhaltenshinweisen)<br />
• Information zur Gefahrenlage und deren weitere Entwicklung<br />
• Evakuierung<br />
• Bereitstellung von Notunterkünften<br />
• Seuchenprävention<br />
• Bereitstellung von Handgeldern<br />
• Sicherstellung der Verkehrsinfrastruktur<br />
• Sicherstellung der Ver- und Entsorgung<br />
– Heizmittel (Gas, Kohle, Öl)<br />
– Elektrische Energie<br />
– Trinkwasser<br />
– Abwasserentsorgung<br />
– Abfallentsorgung<br />
• Versorgungsmittel des täglichen Bedarfs<br />
• Sperrgebietserklärung<br />
• Eigentumssicherung<br />
• Medizinische Versorgung<br />
• Pflegerische Versorgung<br />
• Sicherstellung staatlichen Handelns<br />
147
• Konzentration staatlicher Ressourcen auf die Abwehr bzw. Minderung der<br />
Wirkungen<br />
• Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur<br />
• Bereitstellung geeigneter Quartiere.<br />
6 Einsatz- und Führungsorganisation<br />
Die gesamten personellen und materiellen Ressourcen des Katastrophenschutzes<br />
müssen harmonisch in eine risikogerechte Einsatz- und Führungsorganisation integriert<br />
sein. Es obliegt grundsätzlich den Ländern und Kommunen, aus den örtlich<br />
bzw. regional verfügbaren Ressourcen schlagkräftige Einheiten zu bilden. Mit<br />
einer entsprechenden Führungsorganisation muss sichergestellt sein, dass insbesondere<br />
bei Großschadenfällen oder Katastrophen auch gemischte bzw. spezielle<br />
Verbände in der überregionalen Hilfe abgerufen und eingesetzt werden können.<br />
Eine Differenzierung nach Trägerorganisationen bzw. Bundes- oder Landespotenzialen<br />
darf nicht angewandt werden. Nur solche Trägerorganisationen bzw. Einheiten<br />
dürfen für den überregionalen Einsatz herangezogen werden, die über eine<br />
besonders hohe Leistungsbereitschaft verfügen. Die Trägerorganisationen müssen<br />
ihrerseits die Gewähr dafür übernehmen, dass die verfügbaren materiellen<br />
Ressourcen personell durch ehren- oder hauptamtliche Helfer besetzt werden, die<br />
über ein überdurchschnittliches Fachwissen und einen hohen Trainingsstand verfügen.<br />
Mit fachdienstübergreifenden Übungen (mehr als 300 Helfer) muss regelmäßig<br />
der Einsatz im Großschadensfall oder Katastrophen unter Anwendung der<br />
definierten Einsatzplanung und -organisation trainiert werden. Um einen überregionalen<br />
Einsatz unterschiedlicher Einheiten über die Grenzen der Länder bzw.<br />
im internationalen Raum in der Gefahrenabwehr sachgerecht zu gewährleisten,<br />
müssen einheitliche Einsatzgrundsätze erarbeitet, eingeführt und umgesetzt werden.<br />
Hier muss durch eine zentrale Koordinierung sichergestellt werden, dass im<br />
Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung keine Lücken im System auftreten.<br />
Die Führungsstruktur muss so organisiert werden, dass eine klare Aufgabenabtrennung<br />
zwischen den administrativen und operativ/taktischen Bereichen gewährleistet<br />
ist. Die Verantwortungsbereiche (politisch, administrativ und operativ/taktisch)<br />
müssen sich eindeutig personifizieren lassen. Regelungen, in denen ein<br />
„imaginärer“ Führungs- oder Einsatzstab kaum nachvollziehbare Entscheidungen<br />
getroffen hat, müssen ausgeschlossen sein. Ziele, Prioritäten und getroffene Entscheidungen<br />
müssen allen beteiligten Ebenen schnellstmöglich bekannt gemacht<br />
werden. Die personifizierten und verantwortlichen Führungskräfte in den einzelnen<br />
Aufgabenbereichen bedienen sich in der Regel eines Führungs- oder Fachstabes,<br />
der die erforderlichen Informationen sammelt, aufbereitet und darstellt,<br />
Entscheidungen vorbereitet sowie die Ergebnisse im Sinne des verantwortlichen<br />
Führers umsetzt. Insbesondere bei der unmittelbaren Gefahrenabwehr müssen die<br />
vorrangigen Aufgaben in der so genannten Auftragstaktik den ausführenden<br />
Einheiten oder Einrichtungen übertragen werden. Detaillierte Ausführungsanweisungen<br />
sind nur in wenigen Ausnahmefällen geboten (z.B. besondere Gefahrenlagen<br />
durch gefährliche Stoffe). Bei allen Katastrophen ist davon auszugehen, dass<br />
ein akuter Mangel an technischen und personellen Ressourcen besteht und ein<br />
148
ständiges Informationsdefizit (z.B. infolge fehlender oder falscher Meldungen<br />
oder mangelnder Kommunikationswege) herrscht. Gleichwohl muss das gesamte<br />
Handeln des Führers diese Mangelsituation berücksichtigen. Übergeordnete Führungsinstanzen<br />
müssen primär dafür Sorge tragen, dass den nachgeordneten Stellen<br />
ständig sofort verfügbare, überregional herangeführte, personelle und technische<br />
Ressourcen bereit gestellt werden.<br />
Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung für die Grundstruktur in der Aufgabentrennung einer<br />
Führungsorganisation<br />
Die Führungs- und Fachstäbe, die den jeweils verantwortlichen Führer bei seinen<br />
Entscheidungen unterstützen, müssen so organisiert sein, dass sie die anfallenden<br />
Aufgaben optimal bewältigen. Insbesondere in der Phase I hat sich die in der<br />
Feuerwehrdienstvorschrift „Führung und Leitung im Einsatz“ (FwDV 100)<br />
beschriebene Stabsorganisation für die akute Gefahrenabwehr bei der Führung<br />
operativ/taktischer Einheiten bewährt. Grundsätzlich ist diese Stabsorganisation<br />
auch in anderen Aufgabenbereichen einsetzbar. Es muss jedoch für jeden verantwortlichen<br />
Leiter des Stabes klar sein, dass er eine Organisationsform bilden muss,<br />
mit der die momentan anfallenden Aufgaben optimal bewältigt werden können.<br />
Beim Übergang einzelner Phasen muss die Stabsorganisation geprüft und ggf. dem<br />
geänderten Anforderungsprofil inhaltlich und personell angepasst werden. Die personelle<br />
Ausstattung in den einzelnen Aufgabenbereichen kann dabei sehr unterschiedlich<br />
sein und muss gleichermaßen den Anforderungen kontinuierlich angepasst<br />
werden. Die Handlungsprozesse eines jeden Führungsstabes müssen<br />
schnellstmöglich aus der Reaktionsphase in eine Aktionsphase überführt werden.<br />
Eine Kontrolle des Geschehens ist nur aus der Aktionsphase heraus möglich.<br />
Solange die Führungsinstanzen nur auf die Ereignisse reagieren, ist eine geordnete<br />
Gefahrenabwehr im Katastrophenfall in der Regel nicht möglich. Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, dass bestimmten Führungsstellen definierte Reaktionsmechanis-<br />
149
men zugeordnet werden müssen. So muss jede Rettungsleitstelle und Feuerwehreinsatzzentrale<br />
auf eine lebensbedrohliche Hilfsanforderung (Brand, Unfall oder<br />
dgl.) sofort und unmittelbar reagieren können.<br />
Von der politisch administrativen Führungsperson muss eine offensive („aggressive“)<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit organisiert und geleistet werden. Jede<br />
Zurückhaltung oder zeitliche Verzögerung führt in diesem Bereich zu einer negativen<br />
Eigendynamik. Damit können die Medien nicht mehr für die originären<br />
Belange einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit zur sachgerechten Information der<br />
Bürger genutzt werden.<br />
Bild 1: Einzelne Aktionen zur Menschenrettung müssen durch vorgegebene Reaktionsmechanismen<br />
gewährleistet werden und dürfen nicht erst zur Befassung eines Führungsstabes<br />
führen<br />
Mit der Aktivierung der Administration ist gewährleistet, dass alle Ressourcen der<br />
öffentlichen Verwaltung (Hoch- und Tiefbauämter, Verkehrsbetrieb, Ver- und Entsorgungsbetriebe<br />
sowie Schul-, Umwelt- und Sozialämter) als unterstützende<br />
Instanzen zur Versorgung und Betreuung in der Gefahrenabwehr herangezogen<br />
werden können oder im Rahmen der eigenen Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr<br />
unmittelbar beitragen.<br />
150
Abbildung 2: Beispielhafte Untergliederung in der Führungsorganisation<br />
Abbildung 3: Beispielhafte Gliederung eines Führungsstabes zur Katastrophenabwehr<br />
151
Abbildung 4: Gliederung eines Führungsstabes entsprechend der Feuerwehrdienstvorschrift<br />
„Führung und Leitung im Einsatz“ FwDV 100<br />
7 Vorhandene Leistungspotenziale<br />
Die Länder und der Bund haben umfangreiche Maßnahmen zur nicht polizeilichen<br />
Gefahrenabwehr realisiert. Die je nach Landesrecht im Katastrophenschutz mitwirkenden<br />
Einheiten und Einrichtungen gewährleisten die Aufgaben zum Schutz<br />
der Bevölkerung vor den Gefahren bei Unglücksfällen, Bränden, Störfällen oder<br />
Naturereignissen. Der Schutz vor den besonderen Gefahren und Schäden, die im<br />
Verteidigungsfall (Waffenwirkungen, Terroranschläge mit national bedeutsamen<br />
Auswirkungen und dgl.) drohen, obliegt ihnen gleichermaßen. Die regionale qualitative<br />
und quantitative Ausstattung orientiert sich dabei grundsätzlich an den örtlichen<br />
Risiken und deren Bewertung nach weitgehend individuellen Überlegungen<br />
bzw. traditionellen Strukturen. Risikoanalysen, die die besondere Verwundbarkeit<br />
infolge von kriminellen Handlungen, Sabotageakten oder Terroranschlägen<br />
würdigen oder die zivilschutztaktischen Belange berücksichtigen, fehlen weitgehend.<br />
Die ergänzende Ausstattung des Bundes für den Katastrophenschutz im<br />
<strong>Zivilschutz</strong> berücksichtigt für die quantitative Zuordnung bisher ausschließlich<br />
den Bevölkerungsschlüssel.<br />
Bisher sind die Potenziale in keiner zentralen Datenbank erfasst. Somit ist nicht<br />
gewährleistet, dass in bestimmten Fällen benötigte Ressourcen zielgerichtet angefordert<br />
werden können. Es ist derzeit weitgehend vom Zufall abhängig, ob und<br />
inwieweit die zuständigen Stellen wissen, wo Anforderungen zielführend sind. Der<br />
Verband der chemischen Industrie (VCI e. V.) hat mit seinem seit über 25 Jahren<br />
bestehenden Transport-Unfall-Informations-System (TUIS) grundsätzlich übertragbare<br />
Maßstäbe gesetzt. Dabei erscheint es nicht geboten, dass die überwiegend<br />
genormten Elemente der Grundversorgung im Datenbestand erfasst werden, sondern<br />
insbesondere die Potenziale, die für spezielle Maßnahmen zur Gefahrenab-<br />
152
wehr vorgehalten werden. Seitens der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt<br />
wurde nunmehr mit dem deutschen Notfallvorsorge-Informations-<br />
System (deNIS) begonnen, diese Informationslücke zu schließen.<br />
7.1 Potenziale der Länder und Kommunen im Katastrophenschutz<br />
In den Kommunen sind zur Sicherstellung der Gefahrenabwehr leistungsfähige<br />
Feuerwehren und Rettungsdienste eingerichtet. Im Rahmen der nachbarschaftlichen<br />
Hilfe wird grundsätzlich gewährleistet, dass bei Großschadenslagen ausreichende<br />
Abwehrpotenziale bereitgestellt werden. Diese Einrichtungen sind teilweise<br />
durch spezielle Maßnahmen des jeweiligen Landes so ergänzt bzw. verstärkt<br />
worden, dass sie auch den besonderen Anforderungen einer Katastrophe partiell<br />
gewachsen sind. Dabei ist der überregionale Einsatz der Einheiten die Regel.<br />
Eine detaillierte Darstellung der verfügbaren Gefahrenabwehrpotenziale (z.B.<br />
Neukonzeption der Abwehr von Großschadenereignissen in Nordrhein-Westfalen<br />
oder Notstands-Fernbereitschaften der Bayerischen Feuerwehren [73] [77]) der<br />
Länder ist derzeit aus den genannten Gründen nicht möglich. Nur für Teilbereiche<br />
stehen entsprechende Tabellen bzw. Übersichten zur Verfügung [78]. Eine harmonische<br />
Integration der ergänzenden technischen Ausstattung des Bundes in die vorhandenen<br />
Potenziale der Länder in Abhängigkeit zu den örtlichen Risiken und der<br />
Verwundbarkeit erfolgt nicht oder nur zufällig.<br />
Die folgenden Angaben zeigen nur eine grobe Übersicht.<br />
Die öffentlichen Rettungsdienste der Länder verfügen über 7<br />
• ca. 32 000 hauptamtliche Helfer (69,4 % Rettungsassistenten, 27,8 % Rettungssanitäter<br />
und 2,8 % sonstige Helfer),<br />
• ca. 5 % der Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst werden von ehrenamtlichen<br />
Helfern erbracht [48]<br />
• ca. 17 000 Notärzte<br />
• 264 Rettungsleitstellen<br />
• 1 832 Rettungswachen (90 % ständig besetzt)<br />
• 1 054 Standorte mit arztbesetzten Rettungsmitteln (NAW 8 , NEF 9 und dgl.)<br />
• 50 Standorte mit Rettungshubschraubern (RTH)<br />
• 26 Standorte mit Intensivtransporthubschraubern (ITH)<br />
• 3329 Rettungswagen (davon 59,2 % ständig besetzt)<br />
• 2 773 Krankentransportwagen (davon 6,8 % ständig besetzt)<br />
7 Angaben aus dem FORPLAN Projekt „Infrastruktur und Leistungen im Rettungsdienst für die Jahre<br />
2000 und 2001“<br />
8 Notarztwagen<br />
9 Notarzteinsatzfahrzeug<br />
153
• 343 Notarztwagen (davon 76,7 % ständig besetzt)<br />
• 1159 Notarzt-Einsatzfahrzeuge (davon 75 % ständig besetzt).<br />
Die öffentlichen Feuerwehren verfügen über 10<br />
• 24 531 Freiwillige Feuerwehren<br />
• 1 059 000 ehrenamtliche Mitgliedern (ohne Jugendfeuerwehren)<br />
• 99 Berufsfeuerwehren<br />
• 27 614 hauptamtliche Feuerwehrbeamte<br />
• 33 361 Feuerwehrhäuser (nicht ständig besetzt)<br />
• 619 Feuerwachen (ständig besetzt).<br />
Diese weitgehend kommunalen Potenziale der öffentlichen Feuerwehren und des<br />
Rettungsdienstes sind insbesondere durch die Einrichtung (siehe Kap. 11.3) von<br />
überregional einsetzbaren Spezial-Einsatz-Gruppen (SEG 11 ) durch die Trägerorganisationen,<br />
die Kommunen und die Länder ergänzt worden. Vergleichbare statistische<br />
Angaben bezüglich der Quantität und Qualität dieser SEG stehen nicht<br />
zur Verfügung. Weitere Potenziale der Ländern sind nicht genannt, weil keine entsprechenden<br />
statistischen Informationen vorliegen und eine Abfrage der vorhandenen<br />
Ressourcen von der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt<br />
aufgrund fehlender Meldungen und mangelnder Vergleichbarkeit nicht abgeschlossen<br />
wurde. Auch die Potenziale der nichtöffentlichen Feuerwehren (Werk- und<br />
Betriebsfeuerwehren) bleiben unberücksichtigt, da sie weitgehend die besonderen<br />
betrieblichen Risiken abdecken müssen und für überregionale Aufgaben in der<br />
Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen.<br />
Die privaten Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD) sind mit<br />
ihren zusätzlichen personellen und materiellen Ressourcen in den Katastrophenschutz<br />
der Kommunen bzw. Länder integriert. Die Struktur dieser Einheiten ist<br />
sehr unterschiedlich. Weiterhin wirken örtlich kleinere Organisationen (z.B.<br />
Deichwacht, Bergwacht und dgl.) mit unterschiedlicher Struktur mit. Entsprechende<br />
vollständige und vergleichbare statistische Informationen sind derzeit nicht verfügbar.<br />
Die Spezial-Einsatz-Gruppen (siehe auch Tabelle 1) werden zur risikogerechten<br />
Gefahrenabwehr zwingend benötigt. Bisher erfolgte diesbezüglich keine Ergänzung<br />
der Ausstattung durch den Bund an die Länder, weil für diese Bereiche entsprechende<br />
Fachgruppen der Bundesanstalt THW zur Verfügung stehen (siehe<br />
auch Tabelle 3).<br />
10 Feuerwehr-Jahrbuch 2002/03<br />
11 auch Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG) genannt<br />
154
Tabelle 1: Eingerichtete Spezial-Einsatz-Gruppen (SEG), beim THW Fachgruppen<br />
SEG/ORG ASB DLRG DRK Feuerwehr<br />
* auch integraler Bestandteil der DRK Hilfszüge<br />
JUH MHD THW<br />
Tauchen - X X X<br />
Höhenrettung X X<br />
Wasserrettung X X X X X<br />
Dekontamination X<br />
Dekontamination<br />
verletzter Personen<br />
Spüren und Messen X<br />
Rettungsdienst X X X X X<br />
Sanitätsdienst X X X X<br />
Betreuungsdienst X X * X X<br />
Verpflegung X X * X X X X<br />
Versorgung X X * X X X X<br />
Trinkwasseraufbereitung<br />
X * X<br />
Notfallseelsorge X X X X<br />
Psychologische<br />
Betreuung<br />
(Krisenintervention)<br />
X * X<br />
Luftbeobachtung X<br />
Brücken- und Stegebau X X<br />
Räumen X X<br />
Ortung verschütteter<br />
Personen<br />
X X X X X X<br />
Pumpen X X<br />
Ölschadenbekämpfung X X<br />
Öl-Wasser-Separation X<br />
Elektroversorgung X * X X<br />
Logistik X X X * X X X X<br />
Kommunikation X X X * X X X X<br />
Führung X X X * X X X X<br />
155
7.2 Grundpotenziale des Bundes für die Rettung und technische Gefahrenabwehr<br />
Die Potenziale der Länder werden auf der Grundlage des <strong>Zivilschutz</strong>gesetzes vom<br />
Bund in den Bereichen Brandschutz, ABC-Schutz sowie Sanitäts- und Betreuungswesen<br />
auf der Basis des Bevölkerungsschlüssels ergänzt (siehe Tabelle 2). Weiterhin<br />
unterhält der Bund mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk eine flächendeckend<br />
verfügbare Organisation zur technischen Gefahrenabwehr. Die Leistungspotenziale<br />
der Bundesanstalt THW sind in der Tabelle 3 wiedergegeben.<br />
Die Bereitschaftspolizeien der Länder sowie bestimmte Einheiten des Bundesgrenzschutzes<br />
(BGS) sind mit technischen Zügen (Gerätekraftwagen, verschiedene<br />
Transport-Lkw, Lichtmastanhänger, Stromerzeuger, Kleinboot, Taucherfahrzeug<br />
und dgl.) ausgestattet, die gleichermaßen zur technischen Gefahrenabwehr<br />
herangezogen werden können, soweit keine polizeilichen Aufgaben in einer höheren<br />
Priorität stehen. Diese Einheiten sind grundsätzlich mit den Spezial-Einsatz-<br />
Gruppen vergleichbar.<br />
Der Bundesgrenzschutz betreibt unter anderem an 16 Standorten 24 Erkundungsund<br />
Transporthubschrauber für den <strong>Zivilschutz</strong>. Diese Fluggeräte sind vollständig<br />
in die Sicherstellung der flächendeckenden Luftrettung im Bundesgebiet auf der<br />
Grundlage der Rettungsdienstgesetze der Länder eingebunden.<br />
Zur Sicherung der Bundeswasserstraßen sowie der Nord- und Ostsee hat der Bund<br />
gemeinsam mit den Küstenländern ein umfangreiches Gefahrenabwehrmanagement<br />
eingerichtet. Damit wird sichergestellt, dass alle verfügbaren Ressourcen des<br />
Bundes und der Länder sowie der beteiligten Reedereien zeit- und sachgerecht zur<br />
Gefahrenabwehr koordiniert eingesetzt werden 12 , dass umfangreiche technische<br />
Hilfsmittel verfügbar sind 13 .<br />
12 Funktionalität des Havarie-Kommandos in Cuxhaven der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung<br />
13Schadstoffunfallbekämpfungsschiffe, Öl-Wasser-Separationsanlagen und dgl.<br />
156
Tabelle 2: Fahrzeugausstattung des Bundes an die Länder und Kommunen ohne sogenannte<br />
Platzhalterfahrzeuge (Stand: Jan. 2003)<br />
Brandschutz<br />
Modul Fahrzeug SOLL IST<br />
sanitätsdienstliche<br />
Versorgung<br />
betreuungsdienstliche<br />
Versorgung<br />
ABC-Schutz<br />
Löschgruppenfahrzeug LF 16-TS 927 924<br />
Schlauchwagen SW 2000-Tr 833 356<br />
Arzttruppkraftwagen 880 858<br />
Krankentransportwagen mit vier<br />
Tragen<br />
1760 1544<br />
Lastkraftwagen Bt-LKW 880 446<br />
Kleinbus Bt-Kombi 1320 566<br />
Feldkochherd FKH 880 864<br />
Personendekontamination DEKON-P 440 373<br />
Gerätedekontamination DEKON-G<br />
(alt)<br />
ABC-Erkundungskraftwagen<br />
ABC-ErkKW<br />
220 176<br />
1320 531<br />
157
Tabelle 3: Einheiten der Bundesanstalt THW (Stand: März 2002)<br />
* Derzeit sind noch nicht alle genannten Einheiten vollständig aufgestellt und ausgerüstet.<br />
** steht für die regionale Gefahrenabwehr nur bedingt zur Verfügung<br />
7.3 Spezielle Leistungen des Bundes<br />
Einheit Zahl<br />
Technischer Zug 810<br />
Fachgruppe Infrastruktur 264<br />
Fachgruppe Räumen 132<br />
Fachgruppe Wassergefahren 132<br />
Fachgruppe Elektroversorgung 66<br />
Fachgruppe Ortung 66<br />
Fachgruppe Wasserschaden / Pumpen 66<br />
Fachgruppe Logistik 66<br />
Fachgruppe Führung / Kommunikation 66<br />
Fachgruppe Trinkwasserversorgung 32<br />
Fachgruppe Brückenbau 16<br />
Fachgruppe Ölschaden * 16<br />
Fachgruppe Auslandseinsätze ** 6<br />
Der Bund hat seit 1998, verstärkt seit dem 11. September 2001, seine Leistungen<br />
insbesondere in folgenden Bereichen ausgeweitet:<br />
• Entwicklung einer Grundkonzeption für ein länderübergreifendes Krisenmanagement<br />
(Ausbau der Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen),<br />
• Auf- und Ausbau des Deutschen Notfallvorsorge-Informations-Systems (deNIS<br />
I + II),<br />
• Einrichtung und Betrieb eines „Gemeinsamen Melde- und Lage-Zentrums<br />
(GMLZ) in Analogie zum Monitoring + Information Centre (MIC) der Europäischen<br />
Gemeinschaft,<br />
• Kooperation mit der Europäischen Gemeinschaft im Zivil- und Katastrophenschutz,<br />
• Aus- und Fortbildung sowie Training (Verstärktes Seminarangebot der Akademie<br />
für Krisenmanagement, Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> -AKNZ-),<br />
• Wissenstransfer (Workshop’s der AKNZ),<br />
158
• Warnung und Information der Bevölkerung mit einem Satelliten gestützten<br />
Kommunikations-System,<br />
• Unterstützung der bürgerschaftlichen Selbsthilfe,<br />
• Förderung von <strong>Forschung</strong>s- und Entwicklungsvorhaben, insbesondere bezüglich<br />
der in den Berichten der <strong>Schutzkommission</strong> genannten Bereiche [4] [5].<br />
In diesem Zusammenhang sind beispielhaft die Quellen [28] [29] [30] [31] [32]<br />
[35] [37] [38] zu nennen,<br />
• Aufbau und Organisation einer „Zentralen Untersuchungs-Gruppe des Bundes“<br />
14 (TASK FORCE) zur Identifizierung von Radionukliden und Entschärfung<br />
unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) mit dem<br />
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem<br />
Bundesgrenzschutz (BGS),<br />
• Zentrale Koordinierung der Aufgaben in der Gefahrenabwehr durch das<br />
Robert-Koch-Institut bei Seuchen oder der Freisetzung gefährlicher biologischer<br />
Agenzien,<br />
• Betrieb des Orts-Dosisleistungs-Messnetzes des Bundesamtes für Strahlenschutz<br />
mit über 2.000 stationären Messstellen.<br />
Die Heranziehung von Einheiten der Bundeswehr hat sich insbesondere bei der<br />
Bewältigung von Naturkatastrophen gut bewährt. Es muss jedoch für eine ganzheitliche<br />
Gefahrenabwehrplanung berücksichtigt werden, dass entsprechend leistungsfähige<br />
Einheiten grundsätzlich erst nach einigen Tagen verfügbar sind. Der<br />
akute unmittelbare Einsatz ist insbesondere an Wochenenden sowie an Werkfeiertagen<br />
weitgehend ausgeschlossen. Weiterhin ist die lokale Präsenz der Bundeswehr<br />
an vielen Standorten deutlich reduziert worden. Gleichzeitig haben in den vergangenen<br />
Monaten die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr bei internationalen<br />
Missionen der UN, den EU oder der NATO deutlich zugenommen, die<br />
gleichermaßen zu einer Reduzierung der personellen Ressourcen geführt haben.<br />
Im Rahmen der Risikoanalysen der Länder und Kommunen muss zusätzlich<br />
geprüft werden, ob und inwieweit bestimmte Stützpunkte auch als Zielobjekte für<br />
Terroranschläge dienen könnten. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen und der<br />
allgemeinen Verpflichtung zur Sicherstellung des <strong>Zivilschutz</strong>es, muss die regionale<br />
Einsatzplanung zur Gefahrenabwehr bei Katastrophen, grundsätzlich ohne die<br />
Heranziehung der Ressourcen der Bundeswehr realisiert werden.<br />
8 Schwachstellen<br />
Nach dem 11. September 2001 wurden in einer Reihe von Diskussionen und Veröffentlichungen<br />
Schwachstellen der vorhandenen technischen Ausstattung<br />
beschrieben und Forderungen erhoben [7] [8] [9] [13] [14] [18] [23] [32] [52] [53].<br />
Weiterhin wurde in den Berichten der <strong>Schutzkommission</strong> 15 besondere Problemfelder<br />
beschrieben [4] [5].<br />
14 ZUB<br />
15 <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />
159
Insbesondere wurden folgende übergeordnete Defizite benannt:<br />
• Unzureichende Koordinierung zwischen den Katastrophenschutzmaßnahmen<br />
der Länder und des Bundes. Katastrophenschutz und <strong>Zivilschutz</strong> muss als<br />
Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden.<br />
• Fehlende Analysen des bestehenden Risikos und der Vulnerabilität auf allen<br />
Ebenen.<br />
• Unzureichende Vernetzung sektoraler Informationssysteme und fehlende Expertendateien.<br />
• Mangelnde Ausbildung im Bereich des Zusammenwirkens der beteiligten<br />
Organisationen und Einrichtungen.<br />
• Ausbildung der Koordinierungs- und Krisenstäbe (Kreis/Bezirk/Land/Bund)<br />
– soweit überhaupt vorhanden – unzureichend.<br />
• Stationäre medizinische Versorgung und öffentlicher Gesundheitsdienst sind<br />
bisher auf bedeutende Szenarien in keiner Weise vorbereitet.<br />
• Flächendeckende Versorgung mit Medikamenten oder Impfstoffen nicht<br />
sichergestellt.<br />
• Fehlende krisensichern Kommunikationsverbindungen.<br />
• Transport und Behandlung kontaminierter verletzter/erkrankter Personen nicht<br />
oder nur ansatzweise sichergestellt.<br />
• Unzureichende Selbstschutzmaßnahmen der gefährdeten bzw. betroffenen Bürger.<br />
• Warnung und Information der Bürger nicht zeitgerecht gewährleistet (Weckruf).<br />
Bezüglich der ergänzenden technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes im<br />
<strong>Zivilschutz</strong> wurden Schwachstellen von den Ländern, den Kommunen und den<br />
Trägerorganisationen formuliert [51] [76]. Weiterhin konnten bei der Bewältigung<br />
der Hochwasserlagen im Sommer 2002 Schwachstellen beobachtet werden.<br />
Diese im folgenden genannten Schwachstellen beziehen sich auf die derzeitige allgemeine<br />
Grundkonzeption der Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den<br />
Ländern:<br />
Strukturelle Schwachstellen<br />
• Die personellen und materiellen Ausstattungen der Spezial-Einsatz-Gruppen<br />
sind nicht einheitlich definiert. Der Bund, die Länder und Kommunen ergänzen<br />
entsprechende Einheiten in unterschiedlicher Weise und Zielrichtung.<br />
Gerade diese Einheiten sind jedoch für überregionale Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />
von besonderer Bedeutung und müssen deshalb in einheitliche<br />
Strukturen überführt werden.<br />
• Die vom Bund zugewiesenen Fahrzeuge aus der Grundkonzeption der achtziger<br />
Jahre werden aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen weiter betrieben,<br />
obwohl sie in keiner Weise den Anforderungen der derzeitigen Grundkon-<br />
160
zeption entsprechen (so genannte „Platzhalterfahrzeuge“). Eine sachgerechte<br />
Aufgabenwahrnehmung und harmonische Integration in die Ausstattung der<br />
Länder, Kommunen oder Trägerorganisationen ist somit in vielen Bereichen<br />
nicht gewährleistet. Aufgaben können mit den ehrenamtlichen Helfern nicht<br />
trainiert werden, weil die entsprechende Funktionalität nicht gegeben ist.<br />
• Die erforderliche technische Ausstattung muss bedarfs- und zeitorientiert erfolgen.<br />
Zeiträume von mehreren Monaten ohne geeignete Geräte- oder Fahrzeugausstattung<br />
demotivieren die ehrenamtlichen Helfer nachhaltig. Die uneingeschränkte<br />
Leistungsbereitschaft und Alarmierbarkeit kann nur gewährleistet<br />
werden, wenn technische und organisatorische Ausfallzeiten auf wenige Tage<br />
beschränkt sind.<br />
• Für die technischen Ausstattungen des Katastrophenschutzes müssen länderübergreifend<br />
einheitliche Qualitätsstandards definiert werden. Es ist derzeit<br />
nicht transparent, welche Leistungen mit den bereitgestellten Ausstattungen<br />
von den überwiegend ehrenamtlichen Helfern erbracht werden sollen.<br />
• Die derzeitigen Planungsgrößen für die Bereitstellung und Zuweisung von<br />
Fahrzeugen bzw. Einheiten und Einrichtungen im Katastrophenschutz müssen<br />
im Rahmen der Risikoanalysen der Länder geprüft und unter Berücksichtigung<br />
der Versorgungsstufen zugeordnet werden. So ist z.B. die Bereitstellung von<br />
1320 ABC-ErkKW 16 auf der Grundlage des Bevölkerungsschlüssels nicht<br />
nachvollziehbar.<br />
• Die internationale technische Entwicklung von Werkzeugen und Geräten muss<br />
auch mit der technischen Ausstattung zeitgerecht umgesetzt werden. Es ist für<br />
den ehrenamtlichen Helfer nicht nachvollziehbar, warum er Menschen in höchster<br />
Not mit veralteten, teilweise untauglichen Mitteln retten und versorgen<br />
soll, wenn in der gewerblichen Wirtschaft oder in der medizinischen/rettungsdienstlichen<br />
Versorgung der Bürger eine deutlich bessere Ausstattung üblich<br />
ist. Die Ausstattung muss regelmäßig dem Stand der Technik angepasst werden.<br />
• Die gesamte technische Ausstattung im Katastrophenschutz sollte weitgehend<br />
mit modularen Systemkomponenten realisiert werden. Es ist nicht akzeptabel,<br />
dass Fahrzeuge komplett ausfallen, weil einzelne Systeme nicht zeitgerecht<br />
instand gesetzt werden können.<br />
Fahrzeuge<br />
• Fahrzeuge und Geräte müssen komplett im voll funktionsfähigen Zustand ausgeliefert<br />
und erhalten werden.<br />
• Um die harmonische Integration der technischen Ausstattung in die örtlichen<br />
Strukturen zu gewährleisten, müssen alle zentral beschafften Fahrzeuge eine<br />
ausreichende Gewichts- und Volumenreserve haben.<br />
• Um Fahrzeuge mit Rettungsmitteln zur Gefahrenabwehr auch in Bereichen mit<br />
zerstörter Infrastruktur einsetzen zu können, muss eine ausreichende Motorisierung<br />
sowie eine Gelände- und Watfähigkeit gegeben sein.<br />
16 ABC-Erkundungskraftwagen<br />
161
• Die ergonomischen Erkenntnisse sowie die Anforderungen der Funktionalität<br />
müssen auch bei der technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes ausreichend<br />
gewürdigt werden.<br />
Schutzausstattung<br />
• Die Effektivität der persönlichen Schutzausstattung der Helfer und Helferinnen<br />
muss kontinuierlich dem Stand der Technik angepasst werden.<br />
• Die Auswahl und Zuweisung persönlicher Schutzausstattung in Anlehnung an<br />
die einschlägige EG-Richtlinie 17 zur Ausstattung der Helfer im Katastrophenschutz<br />
ist nur in Teilbereichen vollzogen worden. Bezüglich der Schutzausstattung<br />
gegen ABC-Gefahren bestehen in den einzelnen Trägerorganisationen<br />
erhebliche Verunsicherungen der Art, dass nicht beurteilt werden kann, welche<br />
Teilaufgaben von welchen Fachdiensten wahrgenommen werden und wie die<br />
jeweiligen Schnittstellen sachgerecht umgesetzt werden sollen. Bei einer großflächigen<br />
Kontamination durch radioaktive Stoffe oder biologische Agenzien<br />
stehen keine geeigneten Schutzanzüge in ausreichenden Stückzahlen (z.B.<br />
Infektionsschutzanzüge, einfache leichte Kontaminationsschutzanzüge zur<br />
Probenahme oder Chemikalienschutzanzüge zum Abdichten von Leckagen)<br />
zur Verfügung.<br />
• Die Bereitstellung bestimmter persönlicher Schutzausstattungen oder Vorsorgemaßnahmen<br />
(z.B. Schutzimpfungen) muss für alle vorhandenen ehren- oder<br />
hauptamtlichen Helfer aller Trägerorganisationen innerhalb eines Fachdienstes<br />
bzw. Aufgabenbereiches gleich sein.<br />
Brandschutz<br />
• Die derzeit übliche Methode der Löschwasserentnahme und Förderung mit<br />
dem Schlauchwagen (SW 2000-Tr) und dem Löschgruppenfahrzeug (LF 16-<br />
TS) entspricht nicht dem Stand der Technik. Insbesondere unter Berücksichtigung<br />
der rückläufigen Entwicklung von verfügbaren Helfern, der Notwendigkeit<br />
bei Überflutungen leistungsfähige Pumpenkapazitäten einsetzen zu können<br />
und bei Ausfall der Sammelwasserversorgung große Mengen von Wasser<br />
fördern zu müssen, ist der Einsatz effektiverer technischer Lösungen geboten<br />
(siehe entsprechende Pumpen der gewerbliche Wirtschaft).<br />
• Für die Sicherstellung einer effektiven Wasserförderung müssen zusätzliche<br />
mobile Behälter zur Verfügung stehen.<br />
• Es stehen bei Großschadenslagen nur unzureichende Auffangbehälter für<br />
gefährliche Stoffe oder kontaminiertes Wasser zur Verfügung.<br />
• Zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft des Schlauchwagens (SW 2000-<br />
Tr) bei der Bestückung mit B-Druckschläuchen ist ein umfangreicher und zeitintensiver<br />
Personaleinsatz notwendig, der von ehrenamtlichen Helfern kaum<br />
noch geleistet werden kann.<br />
17 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz die Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen<br />
durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (89/656/EWG)<br />
162
Technische Gefahrenabwehr<br />
• Die Erfahrungen aus einer Vielzahl von Katastrophen (New York City, Washington<br />
D. C. 11.09.2001, Kuta 11.04.2002, Elbehochwasser 2002 und dgl.)<br />
zeigen, dass infolge der Vertrümmerung die Zugänglichkeit des Schadengebietes<br />
nur mit dem Einsatz schwerer Räumgeräte hergestellt werden kann. Alle<br />
weiteren Rettungsmaßnahmen hängen entscheidend von der schnellen Wirksamkeit<br />
entsprechender Mittel (Radlader, Trümmerbagger, Krane und dgl.) ab<br />
[19]. Die Verfügbarkeit entsprechender Mittel aus der gewerblichen Wirtschaft,<br />
den Bereitschaftspolizeien und der Bundesanstalt THW hat sich auch beim<br />
Elbehochwasser als unzureichend erwiesen.<br />
ABC-Schutz<br />
• Insbesondere für die Abwehr von biologischen Gefahren muss die Ausstattung<br />
der ABC-ErkKW um die B-Probenahme erweitert werden. Entsprechende<br />
Konzepte sind zu entwickeln und umzusetzen.<br />
• Bei dem Verdacht einer großflächigen Kontamination oder Verseuchung müssen<br />
ABC-ErkKW eingesetzt und über entsprechende Kommunikationsmittel<br />
gelenkt werden. Dafür stehen weitestgehend keine Einrichtungen (ähnlich den<br />
früheren ABC-Melde- und Beobachtungs-Stellen) zur Verfügung. Mit der<br />
Bereitstellung entsprechender Messleitfahrzeuge oder der flächendeckenden<br />
Einrichtung so genannter zentraler Auswertestellen kann diese funktionelle<br />
Lücke, analog zu den Gefahrenabwehrplanungen bei Störfällen in kerntechnischen<br />
Anlagen geschlossen werden.<br />
• Es bestehen für bestimmte Bereiche nur unzureichende stationäre Messstationen<br />
zur Verfügung. Deshalb werden entsprechende Spür- und Messfahrzeuge<br />
(ABC-ErkKW) eingesetzt. Diese Fahrzeuge sind nicht mit einer Überdruckbelüftung<br />
ausgestattet, welche das Eindringen schädlicher Gase weitgehend verhindern<br />
könnte. Es müssen deshalb geeignete Fernerkundungs-Systeme verfügbar<br />
sein, die das Gelände so erkunden, dass eine Gefährdung der Besatzung<br />
des normalen Erkundungsfahrzeuges weitgehend ausgeschlossen wird.<br />
• Die in Teilbereichen erforderliche Probenahme von Luft-, Wasser- oder Boden<br />
aus großflächig kontaminierten Bereichen ist mit der verfügbaren Ausstattung<br />
nicht ausreichend realisierbar. Gekapselte, druckbelüftete (gasdichte) Fahrzeuge,<br />
die in ein kontaminiertes Gebiet eindringen und entsprechende Spür- und<br />
Messaufträge durchführen oder Proben nehmen können, stehen nicht zur Verfügung.<br />
Die vorhandenen Fahrzeuge (z.B. ABC-ErkKW) können grundsätzlich<br />
in ein kontaminiertes Gebiet eindringen, wobei die Besatzung mit Chemikalienschutzanzügen<br />
ausgerüstet entsprechende Proben nehmen kann. Jedoch<br />
muss anschließend davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug sowohl von<br />
innen wie von außen kontaminiert ist. Während eine Dekontamination der<br />
äußeren Oberflächen grundsätzlich möglich ist, erscheint eine sachgerechte<br />
Dekontamination des Innen- und Motorraumes ausgeschlossen.<br />
• Die vorhandenen Mittel zur Probenahme bei ABC-Gefahren stehen in keinem<br />
sachgerechten Kontext zur Probenaufbereitung und messtechnischen Analyse.<br />
Systeme und Verfahren zur Probenahme müssen ganzheitlich in die Prozesse<br />
der Probenaufbereitung und Analyse integriert sein. Dabei muss grundsätzlich<br />
163
eine vollständige Trennung der Verfahren zur Entnahme radioaktiver Proben,<br />
biologischer Agenzien oder gefährlicher chemischer Stoffe erfolgen. Für viele<br />
analytische Bereiche sind die Verfahren zur Probenahme und Aufbereitung in<br />
entsprechenden technischen Regeln festgelegt. In Anlehnung an diese Regeln<br />
müssen spezielle Verfahren für den ABC-Dienst entwickelt und in die ganzheitliche<br />
Konzeption integriert werden. Entsprechende Lösungen wurden für<br />
die Analyse von Rauchgas-, Luft-, Wasser- und Bodenproben zur Identifizierung<br />
chemischer gefährlicher organischer Stoffe mit einem Massenspektrometer-System<br />
und vorgeschaltetem Gaschromatographen erarbeitet und stehen zur<br />
Verfügung (siehe Abschlussbericht „Entwicklung und Erprobung von Standardverfahren<br />
in der Praxis” 18 ).<br />
• Einrichtungen zur Aufnahme des kontaminierten Waschwassers an Dekontaminations-Stellen<br />
stehen nicht ausreichend zur Verfügung.<br />
• Der Betrieb einer Dekontaminationsstation für Personen oder Geräte (z.B. mit<br />
den Modulen DEON-P oder DEKON-G) ist mit den verfügbaren Helfern nicht<br />
sachgerecht realisierbar. Die lokale Einsatzplanung muss eine entsprechende<br />
personelle Verstärkung mit mindestens 9 Helfern vorsehen.<br />
• Die Verlastung der Geräte auf den Fahrzeugen der vom Bund bereitgestellten<br />
DEKON-P- oder -G-Module ist nicht einsatzgerecht. Für die Entnahme der<br />
Geräte müssen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die es einer Person (z.B. Fahrer)<br />
ermöglicht, das Fahrzeug vollständig zu entladen.<br />
• Einheitliche Handlungsabläufe und eine geeignete Ausstattung für eine größere<br />
Anzahl verletzter/erkrankter Personen, die mit radioaktiven, gefährlichen<br />
chemischen Stoffen oder biologischen Agenzien kontaminiert sind, liegen nicht<br />
vor. Die Verschleppung der Kontamination insbesondere in die therapeutischen<br />
und diagnostischen Einrichtungen zur sachgerechten medizinischen Versorgung<br />
muss ausgeschlossen sein. Gleichzeitig ist eine schnelle und sachgerechte<br />
Behandlung der Verletzungen bzw. Erkrankungen sicherzustellen. Es muss<br />
angenommen werden, dass sich die betroffenen verletzten Personen nicht<br />
eigenständig entkleiden und einer groben Reinigung unterziehen können. Eine<br />
Kontrolle der Wirksamkeit der behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich<br />
der radioaktiven Stoffe mit begrenzten Mitteln möglich. Vergleichbare<br />
Lösungsansätze, wie sie in den USA für Städte mit mehr als 500 000 Einwohnern<br />
realisiert wurden, sind in der Bundesrepublik derzeit nicht vorhanden.<br />
• Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit, die im Zusammenhang mit behelfsmäßiger<br />
Fahrzeugdesinfektion aufgrund der Ausbreitungsgefahr der Maul- und<br />
Klauen-Seuche oder der Geflügelpest gesammelt wurden, belegen eindeutig,<br />
dass die derzeit im ABC-Dienst vorhandene Ausstattung nur eine unzureichende<br />
Dekontamination der Einsatzmittel zulässt. Arbeitsmittel wie Folien, Holzbauteile,<br />
Sprühkammern und dgl. fehlen. Eine Kontrolle der Wirksamkeit der<br />
behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich der radioaktiven Stoffe mit<br />
begrenzten Mitteln möglich. Einheitliche Vorgaben, welche zusätzlichen Mittel<br />
zur Dekontamination in Abhängigkeit zu den gefährlichen Stoffen eingesetzt<br />
werden sollen, liegen nicht vor. Eine eindeutige Erfassung der verschiedenen<br />
18 <strong>Forschung</strong>svorhaben ”Schnellanalyse bei Chemieunfällen und Bränden mit dem mobilen GC-MS-<br />
System” BMBF-Vorhaben 01 ZF 9503/9 Technische Universität Hamburg-Harburg Prof. Dr. Matz<br />
164
Werkstoffoberflächen der zu dekontaminierenden Geräte und eine daraus abgeleitete<br />
Handlungsanweisung, welche Dekontaminationsmittel in Abhängigkeit<br />
zur Kontamination, in welcher Weise und mit welcher Einwirkzeit einzusetzen<br />
sind, fehlt vollständig.<br />
• Einheitliche Handlungsabläufe und eine geeignete Ausstattung für eine größere<br />
Anzahl betroffener Personen, die mit radioaktiven, gefährlichen chemischen<br />
Stoffen oder biologischen Agenzien kontaminiert sind, liegen nicht vor. Mit der<br />
Aktivierung geeigneter öffentlicher Einrichtungen (z.B. Sport- und Freizeitanlagen,<br />
Schwimmbäder oder dgl.) können behelfsmäßig betroffene Personen<br />
einer groben Reinigung unterzogen werden. Eine Kontrolle der Wirksamkeit<br />
der behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich der radioaktiven Stoffe mit<br />
begrenzten Mitteln möglich. Einheitliche Vorgaben, welche zusätzlichen Mittel<br />
zur Dekontamination in Abhängigkeit zu den gefährlichen Stoffen eingesetzt<br />
werden sollen, liegen nicht vor. Bezüglich einer biologischen oder chemischen<br />
Kontamination können ggf. zusätzlich vorbeugende medizinische Maßnahmen<br />
eingeleitet bzw. vorbereitet werden. Eine Ausstattung der Personen mit geeigneter<br />
wärmender Ersatzkleidung sowie die sachgerechte Entsorgung der kontaminierten<br />
Wäsche ist nicht vorbereitet. Gleichermaßen stehen Einrichtungen<br />
zur Aufnahme des kontaminierten Waschwassers nicht oder nur in unzureichendem<br />
Maße zur Verfügung. Die örtlichen Kapazitäten des ABC-Dienstes<br />
reichen grundsätzlich für diesen Aufgabenbereich nicht aus.<br />
• Einheitliche Dekontaminationsmittel und -verfahren sind nicht vorhanden (die<br />
örtlichen Maßnahem zur Bekämpfung der Maul- und Klauen-Seuche oder der<br />
Geflügelpest orientierten sich an den individuellen Vorgaben des jeweiligen<br />
Veterinäramtes).<br />
Rettungs- und Sanitätswesen<br />
• Die ergänzende Ausstattung im Sanitätsdienst ist nicht mit den Funktionsabläufen<br />
des Rettungsdienstes harmonisiert. Der Sanitätsdienst in seiner bisherigen<br />
Grundstruktur kann die Anforderungen der modernen Notfallmedizin nicht erfüllen.<br />
Der Rettungsdienst ist strukturell und mengenmäßig nicht den Anforderungen<br />
national bedeutsamer Gefahrenlagen gewachsen. Die von den Ländern, Kommunen<br />
oder Trägerorganisationen zusätzlich eingerichteten Spezial-Einsatz-<br />
Gruppen schließen die bestehende Divergenz in der Regel nicht. Eine technische<br />
und taktische Verzahnung der Einheiten des Rettungsdienstes, der Spezial-Einsatz-Gruppen<br />
(SEG) und des Sanitäts- bzw. Betreuungsdienstes ist geboten.<br />
• Die personelle Ausstattung der Sanitätsmodule (ArztTrKW 19 und KTW 4Tr 20 )<br />
reicht für die sachgerechte Versorgung der verletzten oder erkrankten Personen<br />
nicht aus. Der Krankentransportwagen muss mit drei Helfern besetzt werden.<br />
Zusätzlich müssen mindestens weitere sechs Helfer für die Aufgaben am Behandlungsplatz<br />
zugeordnet werden (gemäß dem Grundkonzept zur Versorgung von ca.<br />
50 verletzten Personen).<br />
• Die in den kommunalen Feuerwehren und Rettungsdiensten tätigen hauptamtlichen<br />
Einsatzkräfte sind integraler Bestandteil der ganzheitlichen Gefahrenab-<br />
19 Arzttruppkraftwagen<br />
20 Krankentransportwagen mit vier Tragen<br />
165
wehr im Zivil- und Katastrophenschutz. Um die entsprechenden qualitativen<br />
Anforderungen insbesondere zur Versorgung lebensgefährlich verletzter oder<br />
erkrankter Personen durch Rettungsassistenten und -sanitäter sicherzustellen,<br />
müssen diese überwiegend hauptamtlichen Helfer in alle medizinisch-technischen<br />
Geräte (gemäß Medizin-Produkte-Gesetz) des Bundes gleichermaßen eingewiesen<br />
sein.<br />
• Eine sachgerechte Versorgung einer Vielzahl von verletzten oder erkrankten Personen<br />
mit entsprechend qualifizierten Rettungsassistenten bzw. sanitätern kann<br />
bei national bedeutsamen Gefahrenlagen nur gewährleistet werden, wenn die<br />
sofortige Alarmierbarkeit der dienstfreien haupt- und der ehrenamtlichen Helfer<br />
gewährleistet ist.<br />
Betreuungswesen<br />
• Die derzeit vorhandenen dezentralen Personenauskunftsstellen sind den quantitativen<br />
Anforderungen bei Großschadenslagen (mehr als 100 Betroffene oder<br />
international bedeutsame Ereignisse mit einer Vielzahl von Nachfragen aus<br />
dem Ausland) in Teilbereichen nicht gewachsen. Die beispielhaften, technischen<br />
und personellen Vorbereitungen der Länder Berlin und Bayern zeigen<br />
richtungsweisende Lösungen. Um auf der Basis der Erfahrungen von Großschadenfällen<br />
(z.B. Brände in der Gletscherbahn in Kaprun oder im Montblanc-Tunnel)<br />
mit Opfern aus verschiedenen Staaten sachgerechte Lösungen<br />
zu realisieren, müssen mindestens vier zentrale rechnergestützte Personenauskunftsstellen<br />
eingerichtet sowie bei entsprechenden Großschadenfällen anlassbezogen<br />
aktiviert und betrieben werden. Diese Personenauskunftsstellen müssen<br />
in einem Rechnerverbund arbeiten und über eine einheitliche Rufnummer<br />
erreichbar sein.<br />
• Die für den Betrieb von Notunterkünften erforderliche Ausstattung (Feldbetten,<br />
Wolldecken, Hygieneartikel, Handtücher, Seife und dgl.) sowie ergänzende<br />
Kleidung für eine Vielzahl von Menschen die ggf. evakuiert werden müssen,<br />
fehlt weitgehend.<br />
Informations- und Kommunikationswesen<br />
• Die Einheiten und Einrichtungen erfassen im Schadengebiet eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Daten (Personendaten sowie Spür- und Messergebnisse), die<br />
schnellstmöglich in den übergeordneten Führungsstellen zur weiteren Verarbeitung<br />
und insbesondere zur Lagedarstellung und -beurteilung benötigt werden. Es<br />
müssen technische Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, die eine schnelle<br />
und sichere Datenübertragung sowie Weiterverarbeitung gewährleisten.<br />
• Alle Systeme zur Auswertung gesammelter Daten (Personendaten sowie Spürund<br />
Messergebnisse) müssen mit einheitlichen Software-Systemen ausgewertet<br />
werden können. Grundsätzlich müssen die Daten in weitverbreitete Standard-Software<br />
importiert werden können (z.B. MS OFFICE “).<br />
• Es stehen keine geeigneten Informationstechniken für notwendige Datenbankabfragen<br />
(z.B. gefährliche Stoffe oder Kampfmittel) oder zur Datenerfassung<br />
(z.B. Personendaten in der Notunterkunft und am Behandlungsplatz) zur Verfügung.<br />
166
• Befehle oder Lageinformationen werden nur verbal über Funk übertragen. Dies<br />
führt insbesondere bei ortsfremden Einheiten (z.B. infolge der gebotenen überregionalen<br />
Hilfe im <strong>Zivilschutz</strong>) zu Fehlinterpretationen und erheblichen Nachfragen.<br />
• Die Verfügbarkeit einheitlicher Landkarten für die Einheiten ist nicht gewährleistet.<br />
Mit der Bereitstellung geeigneter Informationstechnik könnten alle Einheiten<br />
auf entsprechendes digitales Kartenmaterial zugreifen. Insbesondere bei<br />
überregionalen Einsätzen ohne entsprechende Ortskenntnis ist dies zwingend<br />
geboten.<br />
Führung<br />
• Im <strong>Zivilschutz</strong> werden aufgrund der außergewöhnlich schweren Schäden massiv<br />
Einheiten aus größeren Entfernungen im Rahmen der überregionalen Hilfe<br />
angefordert und eingesetzt. Die örtlich vorhandenen Befehls- und Führungsstellen<br />
(Bereitstellungsräume, Abschnittsführungsstellen, Technische Einsatzleitungen,<br />
Versorgungsstützpunkte und Einsatzabschnittsführungsstellen) reichen<br />
quantitativ nicht aus. Weiterhin werden zusätzliche mobile Befehlsstellen<br />
benötigt, die die Einheiten sammeln und in das Schadensgebiet führen. Um<br />
diesen Aufgaben gerecht werden zu können, müssen zusätzlich mobile Einrichtungen<br />
zum Betrieb entsprechender Befehlsstellen geschaffen werden.<br />
Qualitative Schwachstellen<br />
• Die derzeit bei den Ländern und Kommunen verfügbare ergänzende Ausstattung<br />
des Katastrophenschutzes ist qualitativ nicht geeignet, bei gezielten Terroranschlägen<br />
auf große Industrie- oder Verkehrsanlagen (z.B. große Störfallbetriebe,<br />
Tunnelanlagen der Fern- und Autobahnen, Hafenumschlagsanlagen,<br />
internationale Verkehrsflughäfen) eine Gefahrenabwehr (Menschenrettung,<br />
Bekämpfung von Flächenbränden und dgl.) sachgerecht zu realisieren. Die<br />
kommunale oder landeseigene Ausstattung für die tägliche Gefahrenabwehr,<br />
den Großschaden- oder Katastrophenfall ist auf die örtlichen Risiken abgestimmt.<br />
Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass alle Systeme des<br />
Gefahrenabwehrmanagements funktionstauglich sind und insbesondere die<br />
betrieblichen Anlagen zur Störfallsicherheit (z.B. stationäre Löschanlagen,<br />
baulicher Brand- und Explosionsschutz und dgl.) greifen. Wenn durch gezielte<br />
Terroranschläge oder Waffenwirkungen diese Systeme versagen, reichen die<br />
normalen Potenziale der Gefahrenabwehr (einschließlich der Nachbarschaftshilfe)<br />
nicht aus. Insbesondere fehlen für diese Fälle (nur bei Waffenwirkungen<br />
zu erwarten) Langzeitatemschutzgeräte, Hochleistungswasser- und Schaumwerfer,<br />
Turbolöscher, Gelenkmastbühnen, Großlüfter und dgl. Nur mit dem<br />
Einsatz überregionaler Spezialisten (TASK FORCES) können solche Szenarien<br />
letztendlich begrenzt werden [25].<br />
• Besondere Maßnahmen der Gefahrenabwehr, insbesondere in den Aufgabenbereichen<br />
der Identifizierung von nuklearen, biologischen oder chemischen<br />
Gefahren, sind nur in enger Kooperation mit entsprechenden Spezialisten realisierbar.<br />
Das erforderliche Fachwissen ist in wenigen Kompetenzzentren verfügbar<br />
und muss von dort angefordert werden können (TASK FORCES).<br />
167
In einer engen Wechselbeziehung zur technischen Ausstattung stehen folgende<br />
Schwachstellen, die gleichermaßen formuliert wurden und insbesondere in der<br />
Einsatz- und Führungsorganisation sowie der Ausbildung entsprechend zu würdigen<br />
sind:<br />
• engere Verzahnung der Ausbildungsschwerpunkte,<br />
• Berücksichtigung der zukünftigen Helferzahlen,<br />
• einheitliche Sprachregelung insbesondere im Führungsvorgang,<br />
• Darstellung der taktischen Einsatzgrundsätze der Einheiten bzw. Einsatzmittel<br />
(z.B. ABC-ErkKW),<br />
• Darstellung der üblichen einsatztaktischen Prozess- und Handlungsabläufe bei<br />
der Erkundung der A-, B- oder C-Gefahrenlage,<br />
• Integration freiwilliger spontaner Hilfskräfte in die Strukturen des Katastrophenschutzes,<br />
• Ausbildungskonzeption der Kräfte im Katastrophenschutz,<br />
• Rahmenkonzept einer Führungsorganisation für die operativ/taktischen Maßnahmen<br />
der Gefahrenabwehr,<br />
• Rahmenkonzept einer Führungsorganisation für die administrativ/organisatorischen<br />
Maßnahmen,<br />
• Kooperation im Rahmen der Zusammenarbeit (auch zivil-militärisch) bei<br />
nationalen Katastrophen oder bei internationalen Hilfseinsätzen der EU, der<br />
NATO bzw. der UN,<br />
• Einheitliche Begriffe in der Gefahrenabwehr des Bundes und der Länder,<br />
• Einheitliche Strukturen für eine regionale quantitative Verstärkung bei Großschadenslagen<br />
oder Katastrophen,<br />
• Einheitliche Strukturen für eine überregionale qualitative Verstärkung bei<br />
Großschadenslagen oder Katastrophen,<br />
• Für alle vorhandenen ehren- oder hauptamtlichen Helfer aller Trägerorganisationen<br />
muss eine einheitliche Basisausbildung bezüglich der Strukturen und<br />
Gefahrenpotenziale in der täglichen Gefahrenabwehr, bei Großschadensfällen,<br />
bei Katastrophen, bei Waffenwirkungen und Terroranschlägen realisiert werden.<br />
• Die notwendige Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit medizinischen,<br />
rettungsdienstlichen, sanitätsdienstlichen, betreuungsdienstlichen, versorgungsdienstlichen,<br />
pflegerischen und/oder psycho-sozialen Leistungen im Gefahrenfall<br />
geht fließend ineinander über. Dabei muss in einer ganzheitlichen Betrachtung<br />
sichergestellt werden, dass die erforderlichen Leistungen auch im Gefahrenfall<br />
kontinuierlich den betroffenen Menschen an seinem tatsächlichen<br />
Aufenthaltsort (Wohnung, Behandlungsplatz, Notunterkunft, Krankenhaus<br />
oder Ersatzquartier) erreichen.<br />
168
9 Wechselwirkungen<br />
Eine Neukonzeption der technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes steht<br />
insbesondere in einer engen Wechselbeziehung zu folgenden Bereichen:<br />
• Risikoanalysen und Bewertungen der Länder<br />
• Strategische Ziele<br />
• Taktische Konzepte<br />
• Definition der Versorgungsstufen<br />
• Vorhandene technische Ressourcen der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr der<br />
Länder und Kommunen<br />
• Zusätzlich verfügbare technische Ressourcen der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />
des Bundes<br />
• Ausbildung der Einsatz- und Führungskräfte im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
• Zahl der verfügbaren haupt- und ehrenamtlichen Helfer im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
(öffentliche und private Träger)<br />
• Neuordnung der Führungsstrukturen<br />
– Einheitliche Begriffe in der Gefahrenabwehr des Bundes und der Länder<br />
– Rahmenkonzept eines Führungssystems für die operativ/taktischen Maßnahmen<br />
der akuten Gefahrenabwehr (z.B. FwDV 10021 )<br />
– Rahmenkonzept eines Führungssystems für die administrativ/organisatorischen<br />
Maßnahmen der politisch gesamtverantwortlichen Führung<br />
• Förderung der Selbstschutzmaßnahmen der Bürger<br />
• Warnung und Information der Bürger<br />
• Integration freiwilliger spontaner Hilfskräfte in die Strukturen des Zivil- und<br />
Katastrophenschutzes<br />
• Intensivierung der Kooperation im Rahmen der Zusammenarbeit (auch zivilmilitärisch)<br />
bei internationalen Hilfseinsätzen der EU (MIC22 + ECHO23 ), der<br />
NATO (EADRCC24 ) bzw. der UN (OCHA/INSARAG25 )<br />
Insbesondere muss sich die Stationierung von Einheiten im Katastrophenschutz an<br />
den jeweiligen Risikoanalysen der Länder und den damit verbundenen Versorgungsstufen<br />
orientieren.<br />
Da die Ergebnisse aus den verschiedenen Bereichen im Rahmen dieses Berichtes<br />
noch nicht vorliegen, kann die Diskussion derzeit nicht abgeschlossen werden.<br />
Gleichwohl kann die neue Zielorientierung zur technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes<br />
gestartet und mit einer entsprechenden Detailplanung begonnen<br />
werden.<br />
21 Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 -Führung und Leitung im Einsatz-<br />
22 Monitoring and Information Centre<br />
23European Community Humanitarian Office<br />
24 Euro-Atlantic Disaster Response Co-ordination Centre<br />
25 United Nations Office of Coordination Humanitarian Affairs, International Search and Rescue<br />
Advisory Group<br />
169
9.1 Aufgabenvielfalt in der Gefahrenabwehr<br />
Die genannten Terroranschläge, die Erfahrungen aus den jüngsten Naturkatastrophen<br />
in Verbindung mit der teilweise beeinträchtigten Infrastruktur (Räumung von<br />
Krankenhäusern und Altenheimen, Ausfall der Energieversorgung, Zerstörung von<br />
örtlichen Arztpraxen sowie dem Ausfall dezentraler Pflegedienste) machen deutlich,<br />
dass eine ganzheitliche Gefahrenabwehr sich nicht ausschließlich auf die<br />
Bekämpfung lokaler technischer oder natürlicher Gefahren beschränkt, sondern<br />
eine Vielfalt von unterschiedlichen Aufgaben wahrgenommen werden müssen. Die<br />
Aufgaben von der medizinischen, rettungsdienstlichen, sanitätsdienstlichen,<br />
betreuungsdienstlichen, versorgungsdienstlichen, pflegedienstlichen und psychosozialen<br />
Betreuung der betroffenen Menschen gehen fließend ineinander über. Die<br />
Unpassierbarkeit von Verkehrswegen machen auch eine lokale medizinische oder<br />
pflegerische ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte bzw. dem<br />
Pflegepersonal unmöglich. Ein schadensbedingtes hohes Aufkommen von ambulant<br />
zu versorgenden Patienten in einer beeinträchtigten Infrastruktur verlangt<br />
koordinierende Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden. Die Zuführung einer<br />
Vielzahl verletzter oder erkrankter Patienten in die Krankenhäuser zwingt zu einer<br />
deutlichen Aufstockung des dort tätigen Personals. Gleichzeitig werden Patienten<br />
entlassen, deren Heilbehandlung zu einem späteren Zeitpunkt oder im Rahmen<br />
einer ambulanten häuslichen Pflege realisiert wird. Dies erfordert gleichermaßen<br />
die Steigerung der Verfügbarkeit zusätzlicher Kräfte des Rettungs- und Sanitätsdienstes<br />
als auch des pflegerischen sowie medizinischen Personals.<br />
Nur mit einer umfassenden Einsatzplanung und -organisation sowie der entsprechenden<br />
Führungsorganisation können diese vielfältigen Aufgaben bewältigt werden.<br />
Dabei müssen alle Ressourcen erschlossen, motiviert und aktiviert werden.<br />
Die dafür erforderliche konzeptionelle Vorbereitung muss von den Ländern, Kommunen<br />
und Trägerorganisationen in Abhängigkeit zu den Ergebnissen der Risikoanalyse<br />
kurzfristig realisiert werden.<br />
9.2 Demographische Entwicklung<br />
Deutschland hat ein gegliedertes, zum großen Teil auf Ehrenamtlichkeit und<br />
Freiwilligkeit beruhendes einheitliches Hilfeleistungssystem. Die besondere<br />
Leistungsfähigkeit der täglichen Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes<br />
liegt in der dezentralen Präsenz und den damit verbundenen kurzen Interventionszeiten.<br />
Dies gewährleistet auch bei Großschadensfällen oder Katastrophen die<br />
schnellstmögliche Aktivierung aller notwendigen regionalen und überregionalen<br />
Ressourcen. Gleichzeitig schafft diese örtliche Präsenz eine enge Verbundenheit<br />
mit der Bevölkerung und einer hohen Akzeptanz. Diese hohe Effektivität kann<br />
künftig nur garantiert werden, wenn auch weiterhin Bürger und Bürgerinnen bereit<br />
sind, sich bei den ehrenamtlichen Organisationen für den Dienst in den Feuerwehren,<br />
dem Rettungsdienst und dem Katastrophenschutz zu engagieren [66] [67].<br />
Aufgrund der demographischen Entwicklung ist in den letzten Jahren ein deutlicher<br />
Rückgang an verfügbaren Jugendlichen (16 bis 20 Jahre) zu verzeichnen<br />
[46]. Um dennoch eine ausreichende Zahl an Nachwuchs zu rekrutieren, müssen<br />
erhebliche Anstrengungen bezüglich der Attraktivität des jeweiligen Dienstes und<br />
170
der Helfermotivation geleistet werden. Insbesondere müssen die ehrenamtlichen<br />
Potenziale (z.B. berufliche Qualifikationen) optimal genutzt werden. Notwendige<br />
Ausbildungsveranstaltungen müssen zeitlich auf das zwingende Mindestmaß<br />
begrenzt werden. Gleichzeitig sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die<br />
mit der Aus- und Fortbildung im Katastrophenschutz auch die berufliche Qualifikation<br />
fördert (z.B. Kommunikationstechnik, Fahrerlaubnis, und dgl.). Unnötige<br />
Belastungen des Ehrenamtes mit zeitintensiven administrativen Aufgaben sind<br />
auszuschließen.<br />
Die Motivation der Helfer wird auch durch eine funktionstaugliche und hochwirksame<br />
technische Ausstattung gefördert. Die Möglichkeit, in der Gefahrenabwehr<br />
beim Großschadensfall oder in einer Katastrophe mit Fahrzeugen und Geräten zu<br />
arbeiten, die den betroffenen Bürgern schnell und wirksam helfen, motiviert die<br />
Helfer für einen langen Zeitraum. Sofern ehrenamtliche Helfer mit technisch unzureichenden,<br />
veralteten Einsatzmitteln oder mit mangelhafter Ausbildung eingesetzt<br />
werden müssen, ist eine wirksame Rettung nicht oder nur verzögert möglich. Dieser<br />
Sachverhalt kann eine nachhaltige, weitgehend irreversible Demotivation des<br />
Helfers auslösen. Aus dieser Erkenntnis muss der Schluss gezogen werden, dass<br />
auch die kontinuierliche Bereitstellung moderner und leistungsfähiger technischer<br />
Ausstattung nachhaltig die Motivation der ehrenamtlichen Helfer stärkt. Weiterhin<br />
ist zu berücksichtigen, dass für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben in<br />
der Gefahrenabwehr künftig weniger Helfer verfügbar sind, als dies in den vergangenen<br />
Jahrzehnten gegeben war [68]. Deshalb muss die technische Ausstattung<br />
im Katastrophenschutz so gestaltet sein, dass grundsätzlich mit weniger Personal<br />
dasselbe Ziel erreicht wird.<br />
Bei der regionalen Zuweisung von Einheiten an Trägerorganisationen ist künftig<br />
seitens der Länder stärker zu berücksichtigen, dass personalintensive Aufgaben nur<br />
an die Standorte gegeben werden können, die nachhaltig eine sachgerechte personelle<br />
Besetzung gewährleisten. Stützpunkte, die aufgrund der strukturellen Bedingungen<br />
zugewiesene Einheiten personell über einen längeren Zeitraum nicht besetzen<br />
können, müssen von diesen Aufgaben entbunden werden. Hier müssen die<br />
Wechselbeziehungen zwischen den Ergebnissen der Risikoanalyse und dem damit<br />
verbundenen Bedarf an Einheiten mit der örtlichen Verfügbarkeit von ehrenamtlichen<br />
Helfern Berücksichtigung finden.<br />
9.3 Ehren- und hauptamtliches Personal<br />
Das flächendeckende Hilfeleistungssystem basiert in den Kommunen auf den Einheiten<br />
des Rettungsdienstes und den Feuerwehren unter Einbeziehung der nachbarschaftlichen<br />
Hilfe. Diese Basis wird durch Ergänzungen des jeweiligen Landes<br />
durch spezielle Einheiten und Einrichtungen für den überregionalen Einsatz und<br />
Großschadensfall erweitert.<br />
Für die Motivation der ehrenamtlichen Helfer ist eine effektive Integration in die<br />
tägliche Gefahrenabwehr, insbesondere im Rettungsdienst, zwingend geboten.<br />
Durch entsprechende organisatorische Maßnahmen der Länder, Kommunen und<br />
171
Trägerorganisationen muss künftig intensiver gewährleistet werden, dass die<br />
ehrenamtlichen Helfer kontinuierlich mitwirken.<br />
Die Aufgaben werden dabei von einer Vielzahl von hauptamtlichen und ehrenamtlichen<br />
Kräften gemeinschaftlich wahrgenommen. Auch im Katastrophenschutz<br />
wird diese gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung gleichermaßen umgesetzt.<br />
Bei der Zuweisung von Einheiten und Einrichtungen an Trägerorganisationen bzw.<br />
der Ausbildung von haupt- und ehrenamtlich arbeitenden Personen dürfen deshalb<br />
keine rechtlichen oder formalen Vorbehalte bezüglich einzelner Gruppierungen<br />
(ehren- oder hauptamtlich) greifen.<br />
Im Rahmen der täglichen Gefahrenabwehr leisten insbesondere die Feuerwehren<br />
und der Rettungsdienst Nachbarschaftshilfe, um örtliche Mehrbedarfe kurzfristig<br />
auszugleichen. Bei Großschadensfällen werden schnellstmöglich zusätzliche<br />
Reserven aktiviert (z.B. Spezial-Einsatz-Gruppen). Die Erfahrung der vergangenen<br />
Jahrzehnte hat gezeigt, dass für die überregionale Unterstützung im Katastrophenfall<br />
kurzfristig ca. 10 % der ständig verfügbaren personellen und materiellen<br />
Ressourcen in Marsch gesetzt werden können. Dies erfolgt in der Regel ohne nachhaltige<br />
Beeinträchtigung der örtlichen Sicherheitsanforderungen. Zusätzlich erforderliche<br />
Kräfte in derselben Größenordnung (weitere 10 %), können in der Regel<br />
nach einer kurzen Vorlaufzeit aktiviert werden. Bei einem Gesamtvolumen in den<br />
verschiedenen staatlichen und privaten Trägerorganisationen von mindestens 1,5<br />
Mio. ehren- und hauptamtlichen Helfern, stehen somit grundsätzlich für die<br />
Bekämpfung von Katastrophen bundesweit über 250 000 Einsatzkräfte des Rettungsdienstes,<br />
der Feuerwehren, der privaten Hilfsorganisationen und der Bundesanstalt<br />
Technisches Hilfswerk für überregionale Einsatzaufgaben zur Verfügung.<br />
Dabei wurde eine Reserve von ca. 50 000 Helfern nicht berücksichtigt.<br />
Um die zeitliche Belastung ehrenamtlicher Helfer im Katastrophenschutz aufgrund<br />
ihrer beruflichen Verpflichtungen zu begrenzen, muss in den größeren Kommunen<br />
geprüft werden, ob grundsätzlich bei überregionalen Einsätzen schwerpunktmäßig<br />
hauptamtliche Kräfte entsendet werden und die örtliche Gefahrenabwehr<br />
stärker von den ehrenamtlichen Kräften gesichert wird. Damit ergibt sich eine<br />
effektivere Flexibilität in der zeitlichen Belastung der ehrenamtlichen Helfer und<br />
damit der jeweiligen Arbeitgeber.<br />
9.4 Ausbildung<br />
Die Art der technischen Ausstattung beeinflusst die Notwendigkeit einer mehr oder<br />
weniger intensiven Aus- und Fortbildung. Grundsätzlich muss festgestellt werden,<br />
dass insbesondere die ehrenamtlichen Helfer mit der technischen Ausstattung und<br />
dem sachgerechten Umgang mit den verschiedenen Geräten ausgebildet und trainiert<br />
sein müssen. Der Einsatz der gesamten Ausstattung in der täglichen Gefahrenabwehr<br />
sowie bei Übungen und Demonstrationen muss uneingeschränkt<br />
ge-währleistet sein. Die entsprechenden Verbrauchs- und Betriebsmittel sowie der<br />
erhöhte finanzielle Aufwand in der Instandhaltung muss getragen werden, weil<br />
172
nur so gewährleistet wird, dass der jeweilige Helfer optimal trainiert und somit<br />
eine effektive Rettung der betroffenen Bürger realisiert ist.<br />
Neben den regionalen Ausbildungsveranstaltungen muss verstärkt durch überörtliche<br />
Übungen mit mehr als 300 Helfern gewährleistet werden, dass der Einsatz<br />
der gesamten technischen Ausstattung in einer dynamischen Wechselbeziehung<br />
mit anderen Einheiten trainiert wird. Insbesondere bei Übungen mit anderen Fachdiensten<br />
wird die Leistungsfähigkeit des gesamten Gefahrenabwehrpotenzials für<br />
den Helfer und den Bürger transparent. Grundsätzlich muss gewährleistet werden,<br />
dass jeder Helfer (haupt- und ehrenamtlich) alle vier Jahre an einer entsprechenden<br />
Großübung mit weitgehend realistischen Bedingungen teilnehmen kann.<br />
Aus bestimmten Aufgabenbereichen ergeben sich besondere Anforderungen an<br />
Funktionsträger, die derzeit nicht in der ergänzenden Aus- und Fortbildung ausreichend<br />
berücksichtigt sind (z.B. Fachberater in der Gefahrenabwehr, organisatorische<br />
Leiter im Rettungsdienst und dgl.). Künftig müssen auch diese Funktionen<br />
entsprechend berücksichtigt werden.<br />
9.5 Integration spontaner Helfer<br />
Bei den schweren Katastrophen der vergangenen Jahre (z.B. Oder-Hochwasser<br />
1996, New York, Washington D. C. 2001 und Elbe-Hochwasser 2002) wurde deutlich,<br />
dass eine Vielzahl von spontanen Hilfskräften sich als Katastrophenhelfer zur<br />
Verfügung stellen. Dabei wird deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger gleichwohl<br />
bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es muss jedoch in zunehmender<br />
Weise beobachtet werden, dass eine längere Bindung mit regelmäßigen Dienstund<br />
Ausbildungsveranstaltungen in einer Katastrophenschutzeinheit nicht favorisiert<br />
wird. Diese Bürgerinnen und Bürger, die spontan ihre Hilfe anbieten, können<br />
in verschiedene Bereiche (z.B. Betreuung, Verpflegung, Deichsicherung) der akuten<br />
Gefahrenabwehr integriert werden und steigern die Effektivität der operativ/taktischen<br />
Einheiten. Künftig muss stärker berücksichtigt werden, dass eine<br />
Integration der spontanen Helfer gewährleistet wird. Insbesondere müssen die<br />
Transportkapazitäten für Helfer gesteigert sowie einfache Hilfs- und Arbeitsmittel<br />
in ausreichender Zahl vorgehalten werden.<br />
10 Katastrophenabwehr als Gemeinschaftsaufgabe des<br />
Bundes und der Länder<br />
Nach den Ereignissen am 11. September 2001 haben die verantwortlichen Stellen<br />
des Bundes und der Länder eine Reihe von Aktivitäten mit dem Ziel gestartet, die<br />
• Vorsorge zur Vermeidung von Katastrophen,<br />
• Abwehrbereitschaft,<br />
• Katastrophenabwehr,<br />
173
weiter zu optimieren [1] [7] [8] [9]. Als Grundlage eines Konzeptes zum Schutz<br />
der Gesellschaft vor Gefahren dienen entsprechende Risikoanalysen, die insbesondere<br />
für folgende großflächige, national bedeutsame Gefahren- und Schadenslagen<br />
zu entwickeln sind:<br />
• Schwere ABC-Unfälle,<br />
• Flächenbrände,<br />
• Unwetter, Überschwemmungen und Erdbeben,<br />
• Störungen lebenswichtiger Infrastruktur,<br />
• Massenanfall Betroffener, insbesondere Verletzter.<br />
Besondere Gefahren, die durch Terroranschläge mit biologischen Agenzien oder<br />
chemischen Stoffen eintreten können, sind zu berücksichtigen.<br />
Die Konzeption soll nach der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in<br />
Deutschland“ zukünftig auf der Basis der gewonnenen Risikokategorien (potenzielle<br />
Gefährdung, Bevölkerungsdichte und dgl.) auf folgende Versorgungsstufen<br />
ausgerichtet werden [1]:<br />
• normierter alltäglicher Schutz (Stufe I),<br />
• standardisierter flächendeckender Grundschutz (Stufe II),<br />
• erhöhter Schutz für gefährdete Regionen und Einrichtungen (Stufe III),<br />
• Sonderschutz mit Hilfe von Spezialkräften für von Bund und Ländern gemeinsam<br />
definierte besondere Gefahren (Stufe IV TASK FORCES).<br />
Die strategische Neuordnung der technischen Ausstattung im Katastrophenschutz<br />
muss sich daran orientieren, dass die sachgerechte Bewältigung der Gefahrenabwehr<br />
unabhängig von der Ursache realisiert wird. Einsatzmittel, die von den privaten<br />
Trägerorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD), Kommunen,<br />
Ländern oder dem Bund bereitgestellt wurden, müssen ganzheitlich in einer wirkungsbezogenen<br />
Gefahrenabwehrkonzeption zusammengeführt werden. Die technische<br />
Konzeption muss darauf abgestellt sein, dass sich z.B. die Fahrzeuge und<br />
Geräte des Bundes zur Ergänzung des Katastrophenschutzes im <strong>Zivilschutz</strong> harmonisch<br />
in die Ausstattung der Kommunen und Länder für die tägliche Gefahrenabwehr<br />
integrieren.<br />
11 Struktur der Einheiten und Einrichtungen<br />
Die Strukturen der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes sind in<br />
den Ländern und Kommunen sowie in den privaten Hilfsorganisationen unterschiedlich<br />
realisiert und auf der Grundlage der lokalen Entwicklungen historisch<br />
gewachsen. Lediglich die vom Bund vorgegebenen Module, der ergänzenden technischen<br />
Ausstattung des Katastrophenschutzes im <strong>Zivilschutz</strong>, sind bundesweit<br />
einheitlich vorgegeben. Die jeweilige regionale Integration dieser Module wurde<br />
weitgehend individuell geregelt.<br />
174
11.1 Zentrale Einrichtungen<br />
Seitens des Bundes stehen nunmehr für die Bewältigung national bedeutsamer<br />
Gefahrenlagen insbesondere folgende zentrale Einrichtungen<br />
• Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> (ZfZ),<br />
• Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AKNZ),<br />
• Deutsches Notfallvorsorge-Information-System (deNIS),<br />
• Gemeinsames Melde- und Lagezentrum (GMLZ),<br />
• Interministerielle Koordinierungsgruppe für großflächige Gefährdungslagen<br />
beim BMI (Geschäftsführung),<br />
• Bundesamt für Strahlenschutz (BfS),<br />
• Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (BA THW),<br />
• Robert-Koch-Institut (RKI),<br />
• Havariekommando in der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord<br />
für die Vorbereitung, Koordinierung und Durchführung der effektiven Gefahrenabwehr<br />
zur Verfügung. Diese Einrichtungen unterstützen auf Anforderung die Länder<br />
bei Katastrophen oder Großschadenslagen aktiv in der Gefahrenabwehr.<br />
11.2 Einheiten<br />
Einheiten unterschiedlicher Fachbereiche (Brandschutz, technische Gefahrenabwehr,<br />
Dekontamination, Spüren und Messen, Rettungs- und Sanitätsdienst, Betreuung,<br />
Versorgung, Wasserrettung, Kommunikation und Führung) sind grundsätzlich<br />
flächendeckend vorhanden und mit ehren- und hauptamtlichen Kräften besetzt.<br />
Die Einheiten werden nach operativ/taktischen Gesichtspunkten geführt und eingesetzt.<br />
Der taktische Einsatzwert der Einheiten ist auf der Basis der technischen<br />
Ausstattung und personellen Leistungsfähigkeit festgelegt. Die Aufstellung von<br />
Einheiten und Einrichtungen einschließlich der Einsatzplanung sowie der Führungs-<br />
und Einsatzorganisation obliegt den Ländern und Kommunen.<br />
Die Einheiten gliedern sich grundsätzlich in folgende Formen:<br />
• Trupp 1)<br />
• Staffel 1)<br />
• Gruppe 2)<br />
• Zug<br />
• Erweiterter Zug<br />
• Verband 3)<br />
1) keine selbstständige taktische Einheit<br />
2) erste selbstständige taktische Einheit<br />
3) Verbände werden entsprechend der Aufgabenstellung aus Zügen ggf. unterschiedlicher Fachdienste<br />
gebildet<br />
175
Es muss insbesondere bei überregionalen Hilfeanforderungen oder bei der Koordinierung<br />
durch die Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />
gewährleistet werden, dass die von den Ländern oder Kommunen aufgestellten<br />
Einheiten dem angeforderten Einsatzwert (technisch/personell) tatsächlich entsprechen.<br />
Im Großschadensfall oder bei Katastrophen muss die quantitative Verstärkung<br />
der örtlichen Kräfte in erster Linie aus einer maximalen Entfernung von<br />
150 km gewährleistet werden. Einheiten zur Ablösung der Kräfte können im besonderen<br />
Bedarfsfall auch aus größeren Entfernungen herangeführt werden.<br />
11.3 Spezial-Einsatz-Gruppen<br />
Um spezielle Aufgaben in der Gefahrenabwehr innerhalb einer Region durch<br />
besonders qualifizierte, geeignete und ausgerüstete Einsatzkräfte wahrnehmen zu<br />
lassen, wurden so genannte Spezial-Einsatz-Gruppen 26 (SEG) aufgestellt.<br />
Anmerkung<br />
Die in Teilbereichen übliche Bezeichnung der SEG als Schnell-Einsatz-Gruppe ist<br />
relativ. Hier lösen unterschiedliche Erwartungshaltungen Irritationen aus. Auch<br />
die Verwendung des Begriffes Sonder-Einsatz-Gruppe ist aufgrund der historischen<br />
Bedeutung nicht angezeigt. Die Verwendung des Begriffs Spezial-Einsatz-<br />
Gruppe trifft den tatsächlichen Sachverhalt.<br />
Die Tabelle 1 zeigt, welche Spezial-Einsatz-Gruppen 27 in den verschiedenen Organisationen<br />
eingerichtet wurden (soweit bekannt).<br />
Es muss insbesondere bei überregionalen Hilfeanforderungen oder bei der Koordinierung<br />
durch die Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />
gewährleistet werden, dass alle gleich bezeichneten SEG einen weitgehend gleichen<br />
technisch/personellen Einsatzwert haben. Grundsätzlich soll eine SEG so<br />
organisiert sein, dass sie innerhalb von 30 Minuten nach der Alarmierung ausrücken<br />
kann. Im Großschadensfall oder bei Katastrophen sollte die Verfügbarkeit<br />
von SEG aus einer maximalen Entfernung von 150 km gewährleistet werden. Einheiten<br />
zur Ablösung der SEG können im besonderen Bedarfsfall auch aus größeren<br />
Entfernungen herangeführt werden.<br />
11.4 Task Forces<br />
In einer TASK FORCE werden die speziellen wissenschaftlichen, analytischen,<br />
technischen, logistischen und personellen Fähigkeiten und Leistungen in einer<br />
operativ/taktischen Einheit kombiniert. Grundsätzlich muss eine TASK FORCE<br />
26 auch als Schnell-Einsatz-Gruppen oder Fach-Gruppen (THW) bezeichnet<br />
27 die Fachgruppen des THW entsprechen den Spezial-Einsatz-Gruppen anderer Trägerorganisationen<br />
176
immer an ein entsprechendes überregionales Kompetenzzentrum (international<br />
anerkannte Einrichtung) gebunden sein. Die führenden Mitglieder einer TASK<br />
FORCE müssen über ein exzellentes wissenschaftliches, technisches, medizinisches,<br />
operatives, taktisches und logistisches Spezialwissen in ihrem jeweiligen<br />
Aufgabenspektrum verfügen. Für die einzelnen Aufgabenbereiche sind jeweils nur<br />
wenige, qualitativ hochwertige TASK FORCES erforderlich. Bei einer maximalen<br />
Entfernung von 150 km, kann das gesamte Bundesgebiet mit ca. neun Standorten<br />
flächendeckend versorgt werden. Die TASK FORCES unterstützen die<br />
örtlichen Einrichtungen in der akuten Gefahrenabwehr im Rahmen der Amtshilfe.<br />
Die örtliche Verantwortung und Führung bleibt dabei unangetastet. Der Abmarsch<br />
der TASK FORCE in das Einsatzgebiet erfolgt innerhalb von 30 Minuten nach der<br />
Alarmierung. Der Einsatz der TASK FORCES ist grundsätzlich überall in<br />
Deutschland möglich. Die gesamte Ausstattung einer TASK FORCE muss weitgehend<br />
luftverlastbar gestaltet sein, damit der überregionale Einsatz schnellstmöglich<br />
gewährleistet ist. Es muss durch entsprechende Regelungen sichergestellt sein,<br />
dass die TASK FORCES jederzeit für den Lufttransport auf entsprechend geeignete<br />
Transporthubschrauber des Bundesgrenzschutzes zugreifen können.<br />
Die TASK FORCES sind weiterhin für den Einsatz im Ausland, insbesondere im<br />
Auftrag der EU, der NATO oder der UN, vorzusehen.<br />
TASK FORCES müssen grundsätzlich dort eingerichtet werden, wo entsprechende<br />
personelle Kapazitäten jederzeit verfügbar sind 28 und die erforderliche technische<br />
Ausstattung weitgehend vorhanden ist. Sofern mehr als eine TASK FORCE<br />
in einem Spezialbereich eingerichtet wird, ist eine einheitliche Ausstattung sicher<br />
zu stellen.<br />
Um kurzfristig der potenziellen Bedrohung durch Terroranschläge mit gefährlichen<br />
chemischen Stoffen effektiver begegnen zu können, müssen insbesondere<br />
für den Bereich der Identifizierung gefährlicher chemischer Stoffe, an den Standorten<br />
Heyrothsberge (SA), Mannheim (BW) und Hamburg (FHH) entsprechende<br />
TASK FORCES aktiviert werden. Die dafür erforderliche qualifizierte personelle<br />
und technischen Ausstattung ist an diesen Standorten in wesentlichen Teilen vorhanden.<br />
12 Anforderungen an die technische Ausstattung im<br />
Katastrophenschutz<br />
Die im folgenden genannten Bereiche werden in diesem Bericht nicht weiter thematisiert,<br />
müssen jedoch bei der ganzheitlichen Betrachtung gleichermaßen zur<br />
technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes Berücksichtigung finden:<br />
• Koordinierung länderübergreifender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />
• Warnung und Information der Bevölkerung<br />
28 24 h pro Tag, an 365 Tagen pro Jahr, ggf. mit einer Rufbereitschaft<br />
177
• Sicherstellung des Gesundheitsschutzes<br />
• Bevorratung wichtiger medizinischer Verbrauchsmittel, Geräte und Medikamente<br />
• Bevorratung entsprechender Impfstoffe<br />
• Sicherstellung einer ausreichenden Trinkwassernotversorgung<br />
• Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsinfrastruktur<br />
• Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des täglichen<br />
Bedarfs (Nahrungsmittel, Hygieneartikel und dgl.)<br />
• Sicherstellung der Versorgung mit thermischer und elektrischer Energie<br />
• Sicherstellung einer ausreichenden Entsorgung (Müll- und Abwasserbeseitigung).<br />
Auch bezüglich dieser genannten Arbeitsbereiche ist eine analoge strategische<br />
Neuorientierung bzw. Anpassung an die Bedrohungs- und Risikosituationen geboten.<br />
Alle Ressourcen des Bundes, der Länder und Kommunen sowie der Trägerorganisationen<br />
stehen für die Aufgabenwahrnehmung im Sinne einer ganzheitlichen<br />
gemeinschaftlichen Gefahrenabwehr uneingeschränkt zur Verfügung. Die auf der<br />
Grundlage der Risikoanalysen in Verbindung mit den Versorgungsstufen definierte<br />
Vorhaltung muss grundsätzlich verfügbar sein, es ist dabei unbedeutend,<br />
welcher Trägerorganisation (z.B. DRK) die ergänzende Ausstattung zugeordnet<br />
wurde.<br />
Besondere quantitative technische Bedarfe in der konkreten Aufgabenabwicklung<br />
bei einem Großschadensfall müssen aus entsprechenden überregionalen Logistik-<br />
Zentren zugeführt werden. Damit wäre gewährleistet, dass die Basiskomponenten<br />
in den einzelnen Versorgestufen auch bei einer überdurchschnittlich hohen Einsatzbelastung<br />
mit ausreichendem Material versorgt werden können.<br />
Auf die alternative Aufstellung leistungsstarker großer Ergänzungseinheiten sollte<br />
weiterhin verzichtet werden, weil diese Einheiten erfahrungsgemäß nur sehr selten<br />
zum Einsatz kommen, erhebliche zeitliche Verzögerungen (Alarmierung,<br />
Anfahrt und dgl.) eintreten und nur eine geringe Professionalisierung zu erwarten<br />
ist.<br />
Die hier dargestellte strategische Konzeption der technischen Ausstattung orientiert<br />
sich an den bundesweiten allgemeinen Aufgabenbereichen. Grundsätzlich<br />
sind bezüglich der Gliederungen der Einheiten und Einrichtungen regionale Unterschiede<br />
auf der Basis örtlicher Risiken möglich, die alternative Ausstattungsvarianten<br />
zur Folge haben müssen. Spezielle Strukturen, die sich in der täglichen<br />
Gefahrenabwehr bewährt haben, sollten unbedingt beibehalten und unter Berücksichtigung<br />
der neuen bzw. ergänzten Risikoanalyse fortgeschrieben werden.<br />
178
12.1 Schutzausstattung<br />
Grundsätzlich muss für alle Helfer in den verschiedenen Trägerorganisationen auf<br />
der Basis der einschlägigen Arbeitsschutzregeln entsprechende Schutzkleidung<br />
bereitgestellt werden [60] [61] [62]. Dabei muss zwischen der persönlichen<br />
Schutzausstattung (z.B. Helm, Schutzstiefel und dgl.) und der bedarfsorientierten<br />
zusätzlichen Schutzausstattung (z.B. Atemschutz) differenziert werden. Während<br />
die persönliche Ausstattung dem ehren- oder hauptamtlichen Helfer übergeben<br />
wird, steht die zusätzliche Schutzausstattung nur anlassbezogen zu Verfügung<br />
(z.B. Chemikalienschutzanzug oder dgl.).<br />
Um den besonderen Gefahren durch radioaktive und chemische Stoffe oder biologische<br />
Agenzien sachgerecht begegnen zu können, muss jeder Helfer in der<br />
Brandbekämpfung, der technischen Gefahrenabwehr, bei der ABC-Abwehr<br />
(Gefahrenbeseitigung, Dekontamination und Erkundung) sowie im Rettungs- und<br />
Sanitätseinsatz auf Schutzausstattungen zugreifen können, die ihm einen Schutz<br />
gewährleisten bzw. den geschützten Umgang mit Patienten erlauben. Diese Ausstattung<br />
muss entweder als persönliche Schutzausrüstung dem jeweiligen Helfer<br />
zugewiesen oder als Standardbeladung auf dem Einsatzfahrzeug für besondere<br />
Fälle vorgehalten werden. Wird die Ausstattung als Standardbeladung auf den Einsatzfahrzeugen<br />
vorgehalten, ist zusätzlich eine ausreichende Reserve von mindestens<br />
15 % erforderlich.<br />
Für die rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung von verletzten/erkrankten<br />
Personen mit zunächst unklarem Krankheitsbild muss eine Infektionsschutzausstattung,<br />
die auch gegen entsprechende biologische Agenzien (B-Kampfstoffe)<br />
schützt, für alle haupt- und ehrenamtlichen Helfer verfügbar sein. Diese erforderliche<br />
Ausstattung wird insbesondere bei national bedeutsamen Gefahrenlagen<br />
(z.B. Terroranschläge mit biologischen Agenzien) benötigt. Deshalb müssen auf<br />
den entsprechenden Fahrzeugen für alle Besatzungsmitglieder (mindestens drei<br />
Helfer) Einweg-Infektions- und -Kontaminationsschutzanzüge verfügbar sein. Die<br />
derzeit in den einschlägigen Normen nur optional geforderte Ausstattung ist unzureichend.<br />
12.2 Gesundheitsvorsorge<br />
Um eine umfassende sachgerechte Aufgabenwahrnehmung bei der Brandbekämpfung,<br />
der ABC- und technischen Gefahrenabwehr sowie bei der Versorgung verletzter/erkrankter<br />
Personen durch den Rettungs- und Sanitätsdienst zu gewährleisten,<br />
müssen in den verschiedenen Aufgabenbereichen umluftabhängiger oder in<br />
besonderen Fällen umluftunabhängiger Atemschutz eingesetzt werden. Weiterhin<br />
ist der Einsatz von Kontaminationsschutz- oder Chemikalienschutzanzügen bei<br />
entsprechenden Schadenslagen zu erwarten. Aufgrund der bei national bedeutsamen<br />
Gefahrenlagen zu erwartenden Aufgaben müssen grundsätzlich die in Tabelle<br />
4 dargestellten Anforderungen des Berufsgenossenschaftlichen Grundsatzes<br />
179
G 26 29 erfüllt werden. Alle Helfer, die aus gesundheitlichen Gründen den Anforderungen<br />
der Gruppe 2 oder 3 nicht entsprechen, müssen mindestens den Anforderungen<br />
der Gruppe 1 genügen. Ansonsten können sie bei der Betreuung der<br />
betroffenen Bevölkerung eingesetzt werden.<br />
Tabelle 4: Gebotene arbeitsmedizinische Vorsorge des Personals in der Gefahrenabwehr<br />
Weiterhin muss im Rahmen einer umfassenden Vorsorge auch für die ehrenamtlichen<br />
Helfer ein freiwilliger Impfschutz realisiert werden. Insbesondere gegen<br />
• Hepatitis A<br />
• Hepatitis B<br />
• Tetanus<br />
• Tollwut<br />
• Typhus<br />
• Diphtherie 1)<br />
• Masern 1)<br />
• Röteln 1)<br />
• Mumps 1)<br />
• Poliomyelitis<br />
• Frühsommermeningoenzephalitis<br />
• Spezielle Impfungen und Prophylaxen für Auslandseinsätze (nur für Helfer, die<br />
für Auslandseinsätze vorgesehen sind oder bedarfsorientiert eingesetzt werden)<br />
1) nur sofern kein ausreichender Impfschutz gegeben ist<br />
G 26 Gruppe 3 G 26 Gruppe 2<br />
Hauptamtlich<br />
Ehrenamtlich<br />
Hauptamtlich<br />
Ehrenamtlich<br />
Brandschutz 100 % 80 % - 20 %<br />
ABC-Schutz 100 % 80 % - 20 %<br />
Medizinischer Dienst 25 % 25 % 75 % 75 %<br />
Rettungs- und Sanitätsdienst 25 % 25 % 75 % 75 %<br />
Betreuung - - - -<br />
sind Schutzimpfungen geboten. Bei den hauptamtlichen Einsatzkräften ist dies in<br />
der Regel sichergestellt.<br />
29 Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem Berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsatz G 26 „Atemschutzgeräte“ (BGI 504-26) in Verbindung mit den Anhaltspunkten<br />
der speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorge „allg. Teil“ (BGI 504-0)<br />
180
Weitere erforderliche medizinische Untersuchungen des ehren- oder hauptamtlichen<br />
Personals im Rahmen der Vorsorge (z.B. für Köche im Betreuungsdienst<br />
oder besondere Funktionen in den TASK FORCES) müssen gleichermaßen sichergestellt<br />
sein. Eine ungleiche Behandlung der ehren- und hauptamtlichen Helfer in<br />
den Ländern, Kommunen oder Trägerorganisationen muss ausgeschlossen sein.<br />
12.3 Zentrale Vorhaltungen<br />
Um den besonderen Anforderungen bei überregionalen Einsätzen gerecht zu werden,<br />
müssen zusätzliche Ausstattungen für die ehren- und hauptamtlichen Helfer<br />
vorgehalten werden, die eine Übernachtung, Nahrungsaufnahme, persönliche<br />
Hygiene und zusätzlichen Witterungsschutz (winterfest) sowie spezielle Schutzmaßnahmen<br />
gewährleisten. Da für überregionale Einsätze auf ca. 250000 Helfer<br />
zurückgegriffen werden kann (siehe Kap. 9.3), sind entsprechende Mittel (Wetterschutz,<br />
Trainingsanzug, Ess- und Kochgeschirr, Feldbett, Schlafsack, Overgarment<br />
mit Kontaminationsschutz und dgl.) in geeigneten Logistik-Zentren vorzuhalten<br />
bzw. den Helfern im Bedarfsfall als persönliche Ausstattung zuzuweisen. Dabei<br />
scheint aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre (Oder- oder Elbehochwasser)<br />
eine Vorhaltung für 15 % der haupt- und ehrenamtlichen Helfer ausreichend<br />
(37 500 Sätze) zu sein. Diese Ausstattung muss auch bei fachdienstübergreifenden<br />
Übungen uneingeschränkt nutzbar sein. Die Ersatzbeschaffung muss so<br />
gestaltet werden, dass jährlich 10 % des Bestandes erneuert wird. Haupt- und<br />
ehrenamtliche Helfer in Einheiten, die grundsätzlich für den überregionalen oder<br />
internationalen Einsatz vorgesehen sind (z.B. TASK FORCES), müssen unmittelbar<br />
mit entsprechender Ausstattung versorgt sein.<br />
Bestimmte Schutzausstattungen (Filtereinsätze, Ölschutzkleidung, Einwegschutzanzüge<br />
und dgl.) müssen insbesondere bei großflächigen Schadenslagen (z.B.<br />
Schadstofffreisetzung mit der Kontamination großer Flächen) zeitgerecht verfügbar<br />
sein. Diese Ausstattungen müssen gleichermaßen in geeigneten Logistik-Zentren<br />
vorgehalten werden. Prüfpflichtige Ausstattungen (z.B. Atemschutzgeräte,<br />
Chemikalienschutzanzüge) müssen in einem geeigneten Rotationssystem in die<br />
tägliche Nutzung (z.B. an Landesfeuerwehrschulen) integriert werden. Die Ersatzbeschaffung<br />
muss so gestaltet sein, dass grundsätzlich jährlich 5 bis 10 % der jeweiligen<br />
Bestände erneuert werden.<br />
12.4 Brandbekämpfung<br />
Infolge von Waffenwirkungen oder Terroranschlägen können Explosionen und<br />
Brände ausgelöst werden. Unter besonderen Rahmenbedingungen können sich<br />
diese Brände zu Flächenbränden ausdehnen. Dies ist insbesondere dann zu erwarten,<br />
wenn eine Vielzahl von zunächst kleinen Bränden nicht oder verspätet<br />
bekämpft und sich zu Flächenbränden ausbreiten oder durch eine unzureichende<br />
Löschwasserversorgung (z.B. Zerstörung/Ausfall der Sammelwasserversorgung)<br />
nicht sachgerecht bekämpft werden können. Weiterhin verursachen Waffenwirkungen<br />
oder gezielte Terroranschläge die Zerstörung der vorbeugenden baulichen und<br />
181
etrieblichen Maßnahmen zur Störfallbegrenzung in großen oder gefährlichen<br />
Industrie- und Verkehrsanlagen (z.B. Tanklager). Die in der täglichen Gefahrenabwehr<br />
und für den Großschadensfall ausreichenden Einsatzmittel setzen die<br />
Funktionstauglichkeit der anlagenspezifischen Gefahrenabwehrsysteme voraus.<br />
Sofern diese nicht wirken oder infolge der Waffenwirkung bzw. des Anschlags<br />
überdimensionale Schäden eingetreten sind, sind die normal verfügbaren Mittel<br />
unzureichend.<br />
Weiterhin ist eine Ergänzung des Brandschutzes für die Bekämpfung von außergewöhnlichen<br />
Großbränden in Verkehrs- oder Industrieanlagen sowie für die<br />
Sicherstellung der Wasserversorgung, die sich aus der Aufgabenstellung ergeben,<br />
erforderlich.<br />
12.4.1 Sicherstellung der Wasserversorgung<br />
Bei national bedeutsamen Gefahrenlagen ist die Konzentration einer Vielzahl von<br />
Abwehrkräften zur Schadensbekämpfung zwingend geboten. Zur Realisierung der<br />
Menschenrettung und Brandbekämpfung ist der Einsatz großer Wassermengen<br />
notwendig. Diese erforderlichen Mengen stehen in der Sammelwasserversorgung<br />
zur Trinkwasserbereitstellung nicht oder nur unzureichend zur Verfügung. Insbesondere<br />
wenn aufgrund der auslösenden Elemente (z.B. Waffenwirkung oder Terroranschlag)<br />
die Sammelwasserversorgung zerstört ist, muss eine unabhängige<br />
Löschwasserversorgung in der Regel über große Entfernungen realisiert werden.<br />
Auf der Basis dieses Sachverhalts wurde von einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe<br />
ein neues Konzept erarbeitet [51]. Die Erfahrungen durch die Terroranschläge<br />
sowie die Notwendigkeit zur Entwässerung bei Überflutungen gleichermaßen<br />
Hochleistungspumpen einsetzen zu müssen, lassen die im genannten Konzept [51]<br />
aufgezeigte Alternative zur weiteren Nutzung von genormten Schlauchwagen<br />
nicht mehr zu.<br />
12.5 Technische Gefahrenabwehr<br />
Ziel der technischen Gefahrenabwehr ist es, Menschen aus lebensbedrohlichen<br />
Zwangslagen zu befreien und sie einer ggf. erforderlichen medizinischen und rettungsdienstlichen<br />
Versorgung oder Betreuung zuzuführen. Die Bergung von getöteten<br />
Personen und deren würdevolle Behandlung gehört gleichermaßen zur technischen<br />
Gefahrenabwehr. Die Wirkungen der Gefahren auf die Umwelt und wichtige<br />
Infrastrukturbereiche (Verkehrsnetz, Energie- und Trinkwasserversorgung und<br />
dgl.) sind durch entsprechende Abwehrmaßnahmen zu begrenzen.<br />
Insbesondere mit den technischen Möglichkeiten der Bundesanstalt THW mit den<br />
folgenden Fachgruppen 30<br />
30 mit den Spezial-Einsatz-Gruppen des Länder, Kommunen oder Trägerorganisationen vergleichbar<br />
182
• Ortung<br />
• Räumen<br />
• Brückenbau<br />
• Pumpen<br />
• Elektroversorgung<br />
• Trinkwasserversorgung<br />
wird der Katastrophenschutz der Länder bezüglich der technische Gefahrenabwehr<br />
vom Bund qualitativ verstärkt. Zusätzlich erfolgt mit den technischen Zügen des<br />
Technischen Hilfswerks eine quantitative Verstärkung. Die Länder, Kommunen<br />
und Trägerorganisationen verfügen über eine weitergehende umfangreiche Ausstattung,<br />
um insbesondere eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben in der Gefahrenabwehr<br />
(Ölschadenbekämpfung, Rettungshundestaffeln, Rettungs- und Bergungstaucher<br />
und dgl.) zu gewährleisten. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Terroranschlägen<br />
der jüngsten Vergangenheit (starke Zertrümmerung der Zufahrten<br />
und dgl.) müssen zusätzliche Kapazitäten für die Trümmerbeseitigung, die Entwässerung<br />
und Elektroversorgung geschaffen werden.<br />
12.6 Abwehr von chemischen, biologischen, radiologischen oder<br />
nuklearen Gefahren<br />
Bei der Abwehr der CBRN-Gefahren wird eindeutig zwischen den verschiedenen<br />
Gefahren durch<br />
• nukleare Wirkungen (Wärmestrahlung, Druckwelle, radioaktive Strahlung,<br />
nuklearer elektromagnetischer Impuls und dgl.)<br />
• gefährliche radioaktive Stoffe<br />
• gefährliche biologische Agenzien<br />
• gefährliche chemische Stoffe<br />
und deren Kombinationen differenziert. Vergleichbare Abwehrmechanismen dürfen<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um grundverschiedene physikalische,<br />
biologische oder chemische Wirkungen handelt. Deshalb müssen alle<br />
ABC-Komponenten grundsätzlich differenziert betrachtet werden.<br />
12.6.1 Auffangen, Eindämmen und Sichern radiologischer, biologischer<br />
oder chemischer Stoffe<br />
Vorbehaltlich der Risikoanalysen sind die für die tägliche Gefahrenabwehr und<br />
Großschadensfälle verfügbaren Ressourcen ausreichend. Um den besonderen<br />
Anforderungen bei national bedeutsamen Gefahrenlagen zu entsprechen, müssen<br />
spezielle TASK FORCES mit entsprechenden zusätzlichen Einsatzmitteln (z.B.<br />
Transportbehälter, mobile Desinfektionseinrichtungen, Behälter mit großem Auffangvolumen<br />
und dgl.) ausgestattet werden.<br />
183
12.6.2 Dekontamination der Einsatzkräfte<br />
Mit der Dekontamination der Einsatzkräfte muss gewährleistet werden, dass die<br />
Helfer vor Gefahren radioaktiver, biologischer oder chemischer Stoffe durch eine<br />
schnelle Dekontamination sachgerecht geschützt werden. Die entsprechenden<br />
Anlagen und Einrichtungen müssen mobil an den Ort verbracht werden können,<br />
wo die Einsatzkräfte den Risiken unmittelbar ausgesetzt sind oder sein könnten.<br />
Die Anlagen müssen so gestaltet sein, dass eine schnelle sachgerechte Dekontamination<br />
von radioaktiven oder chemischen Stoffen bzw. eine Entseuchung möglich<br />
ist. Dabei wirken die Einsatzkräfte soweit möglich mit. Die Dekontamination<br />
der Einsatzkräfte erscheint mit den derzeit bereitgestellten Mitteln möglich. Die<br />
Anforderungen an die technischen Systeme wurden in den letzten Jahren im Rahmen<br />
von Feldversuchen definiert und in einer neuen praxistauglichen Konzeption<br />
für die vom Bund bereitgestellten Module festgeschrieben (DEKON-P). Da der<br />
Betrieb einer Personen-Dekontamination personalintensiv ist, eine umfangreiche<br />
Wasserver- und -entsorgung installiert werden muss sowie weitere logistische Aufgaben<br />
sicherzustellen sind, muss die entsprechende personelle Ausstattung sichergestellt<br />
werden. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu berücksichtigen, dass ggf.<br />
auch eine psychosoziale Betreuung geboten ist. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />
und -methoden müssen entwickelt und erprobt werden und den entsprechenden<br />
Einheiten zur Verfügung stehen.<br />
12.6.3 Dekontamination der Einsatzmittel<br />
Mit der Dekontamination von Fahrzeugen, Geräten sowie von Schutzausstattungen<br />
muss gewährleistet werden, dass diese Mittel für die weitere Verwendung verfügbar<br />
bleiben. Insbesondere im Rahmen der Gefahrenabwehr ist es geboten, dass<br />
keine Engpässe bei Ressourcen eintreten. Derzeit sind mobile technische Verfahren<br />
zur Dekontamination von Fahrzeugen, Geräten und Schutzausstattungen, die<br />
radioaktive, biologische und chemische Stoffe gleichermaßen vollständig beseitigen<br />
bzw. unschädlich machen, nicht verfügbar. Für den Aufgabenbereich der<br />
Dekontamination von Straßenfahrzeugen stehen einsatztaugliche Systemkomponenten<br />
zur Verfügung. Grundsätzlich sind diese Systeme auch geeignet, andere<br />
Oberflächen (z.B. Verkehrswege) zu dekontaminieren. Da der Betrieb einer Geräte-Dekontamination<br />
personalintensiv ist, eine umfangreiche Wasserver- und -entsorgung<br />
installiert werden muss sowie weitere logistische Aufgaben sicherzustellen<br />
sind, muss die personelle Ausstattung sichergestellt werden.<br />
Es kann dabei jedoch nur eine grobe Oberflächendekontamination der äußeren<br />
Fahrzeugteile bzw. Oberfläche realisiert werden. Damit wird eine Kontaminationsverschleppung<br />
begrenzt. Eine vollständige Dekontamination ist grundsätzlich<br />
nicht möglich. Es muss deshalb im Einzelfall genau geprüft werden, ob in Abhängigkeit<br />
zur Gefahrenlage die äußere Oberflächendekontamination ausreicht und<br />
eine Gefährdung der Fahrzeugnutzer sowie eine Kontaminationsverschleppung<br />
nicht gegeben ist oder durch besondere Maßnahmen (z.B. Schutzkleidung) ausgeschlossen<br />
werden kann. Nur für den Bereich der radioaktiven Kontamination wird<br />
mit entsprechenden Mess-Systemen unmittelbar geprüft, wie erfolgreich die<br />
184
Dekontaminationsmaßnahmen waren. Bei einer biologischen oder chemischen<br />
Kontamination ist dies nicht oder nur sehr bedingt möglich. Für schwach energetische<br />
Strahlung ist der Nachweis mit den im Katastrophenschutz üblicherweise<br />
verfügbaren Geräten gleichermaßen nicht möglich. Einsatzfahrzeuge, die zur<br />
Gefahrenerkundung oder -abwehr in einem kontaminierten Gebiet eingesetzt<br />
waren, können nach einer Oberflächendekontamination bedingt weiterverwendet<br />
werden, wenn die Besatzung entsprechend geschützt (Kontaminationsschutz) und<br />
eine Beeinträchtigung des Einsatzauftrages nicht zu erwarten ist.<br />
Die Dekontamination spezieller flüssigkeits- bzw. gasdichter Schutzkleidung muss<br />
mit mobilen Anlagen realisiert werden. Im Bereich der radioaktiven Kontamination<br />
kann mit entsprechenden Mess-Systemen unmittelbar geprüft werden, wie<br />
erfolgreich die Dekontaminationsmaßnahmen waren. Bei einer biologischen oder<br />
chemischen Kontamination ist dies nicht oder nur sehr bedingt möglich. Mit entsprechenden<br />
Maßnahmen, muss in bestimmten Fällen gewährleistet werden, dass<br />
die spezielle Schutzkleidung nach der Dekontamination wieder verwendet werden<br />
kann. Gleichzeitig sind <strong>Forschung</strong>svorhaben einzuleiten, mit denen messtechnische<br />
Möglichkeiten zum Kontaminationsnachweis gefährlicher chemischer Stoffe<br />
entwickelt werden. Gleichwohl ist festzustellen, dass eine Dekontamination<br />
bestimmter gefährlicher chemischer Stoffe mit den derzeit verfügbaren Verfahren<br />
nicht möglich ist.<br />
Die Wirksamkeit der Dekontamination der Vielzahl verschiedener Einsatzmittel<br />
(Beleuchtungsgeräte, Schläuche, Rettungsmittel und dgl.) kann aufgrund der<br />
unterschiedlichen Oberflächen und den damit verbundenen Abhängigkeiten<br />
(Stoffeigenschaften, Eindringtiefe, Dekontaminationsmittel und dgl.) derzeit nicht<br />
abschließend beurteilt werden. Einheitliche mobile Verfahren, deren Funktionalität<br />
und Wirksamkeit unter Einsatzbedingungen wissenschaftlich bestätigt wurde, sind<br />
nicht bekannt.<br />
Aufgrund der genannten Rahmenbedingungen sind derzeit lediglich mobile Systeme<br />
verfügbar, die eine grobe Oberflächendekontamination von Fahrzeugen<br />
gewährleisten oder flüssigkeitsdichte Schutzanzüge dekontaminieren, um eine<br />
bedingte Weiterverwendung zu gewährleisten. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />
und -methoden müssen entwickelt, erprobt und den Einheiten zur Verfügung<br />
gestellt werden.<br />
Alternativ zur Dekontamination der Schutzanzüge steht die erweiterte Ausstattung,<br />
die Engpässe in der Gefahrenabwehr ausschließt. Diese Lösung wird bis auf wenige<br />
Ausnahmen auch in der täglichen Gefahrenabwehr praktiziert. Eine abschließende<br />
Bewertung muss auf der Basis wirtschaftlicher Untersuchungen (Investitions-<br />
und Betriebskosten) getroffen werden.<br />
12.6.4 Dekontamination betroffener Personen<br />
Mit der Dekontamination der betroffenen Personen wird gewährleistet, dass die<br />
Bevölkerung vor Gefahren radioaktiver, biologischer oder chemischer Stoffe durch<br />
eine schnelle Dekontamination vor weitergehenden Gefahren geschützt wird. Die<br />
185
Dekontamination von Personen, die mit chemischen Nerven- oder Hautkampfstoffen<br />
(z.B. VX, Sarin, Soman, Tabun, Schwefel- oder Stickstofflost) kontaminiert<br />
sind, muss so schnell wie möglich unter Anwendung aller verfügbaren einfachen<br />
Möglichkeiten realisiert werden [80] [81] [83] [85] [86]. Die Heranführung und<br />
der Aufbau spezieller Einheiten und Einrichtungen ist in diesen Fällen zeitlich<br />
nicht vertretbar. Die Schnelligkeit der Dekontamination entscheidet über Leben<br />
und Tod der betroffenen Personen [79]. Qualitative Mängel oder unzumutbar<br />
anmutende Methoden (z.B. Einsatz von kaltem Wasser) müssen als lebensrettende<br />
Maßnahme akzeptiert werden. Dabei müssen entsprechend geeignete bevölkerungsnahe<br />
Anlagen und Einrichtungen (z.B. Schwimmbäder, Turnhallen und dgl.)<br />
genutzt werden. Die im Bereich der kerntechnischen Anlagen verfügbaren Notfallstationen<br />
werden dabei vorrangig genutzt. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />
und -methoden müssen entwickelt und bereitgestellt werden. Die mobilen Einrichtungen<br />
des Katastrophenschutzes (z.B. DEKON-P/G + ABC-ErkKW) unterstützen<br />
in besonderen Fällen mit der messtechnischen Ausstattung. Die ggf. erforderlichen<br />
unterstützenden Leistungen sind mit den derzeit bereitgestellten Mitteln<br />
möglich. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu berücksichtigen, dass ggf. eine<br />
psychosoziale Betreuung geboten ist.<br />
12.6.5 Dekontamination verletzter Personen<br />
Die schnelle und sachgerechte medizinische, rettungs- oder sanitätsdienstliche Versorgung<br />
verletzter oder erkrankter Personen, die mit radioaktiven oder chemischen<br />
Stoffen kontaminiert sind, muss mit den mobilen DEKON-P-Modulen unter Einbeziehung<br />
des Rettungs- und Sanitätsdienstes realisiert werden [50]. Damit wird<br />
ausgeschlossen, dass kontaminierte Patienten Einrichtungen des Rettungsdienstes<br />
oder des Krankenhauses kontaminieren und somit weitere Gefahrenstellen entstehen.<br />
Vorbehaltlich der Ergebnisse des laufenden Entwicklungsvorhabens zur Optimierung<br />
der Prozess- und Handlungsabläufe bei der medizinischen Versorgung<br />
kontaminierter Patienten31 muss sichergestellt werden, dass der Patient zunächst<br />
durch den Rettungs- und Sanitätsdienst versorgt wird, soweit dies vor der Dekontamination<br />
möglich ist und unter Vollschutz durch die Einsatzkräfte realisiert werden<br />
kann. Die Dekontamination erfolgt unter Berücksichtigung der besonderen<br />
Hinweise des Rettungs- und Sanitätsdienstes. Die weitergehende Versorgung wird<br />
anschließend vom Rettungs- und Sanitätsdienst sichergestellt. Da Patienten grundsätzlich<br />
keine selbständigen Handlungen während der Dekontamination realisieren<br />
können, müssen die DEKON-P-Module personell durch mindestens sechs speziell<br />
qualifizierte Helfer des Rettungs- oder Sanitätsdienstes verstärkt werden. Die<br />
zusätzlich notwendige Schutzausstattung sowie die entsprechenden Einrichtungen<br />
zur Lagerung und Dekontamination der Patienten müssen bereitgestellt werden.<br />
Sanitäts-, rettungsdienstliche oder medizinische Rettungs- und Versorgungsmittel<br />
müssen gleichermaßen verfügbar sein. Für die Dekontamination von Personen, die<br />
mit chemischen Nerven- oder Hautkampfstoffen (z.B. VX, Sarin, Soman, Tabun,<br />
Schwefel- oder Stickstofflost) kontaminiert sind, gelten die im Kap. 12.6.4 bereits<br />
genannten Grundsätze. Einheitliche Dekontaminationsmittel und -methoden müs-<br />
31 „Erstellung eines Konzeptes zur Dekontamination verletzter Personen“ Prof. Dr. Domres Chirurgische<br />
Universitätsklinik Tübingen<br />
186
sen entwickelt und bereitgestellt werden. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu<br />
berücksichtigen, dass ggf. eine psychosoziale Betreuung geboten ist.<br />
12.6.6 Erkundung radiologischer, biologischer oder chemischer Gefahren<br />
Grundsätzlich wird bei der messtechnischen Erfassung radiologischer, biologischer<br />
oder chemischer Gefahren zwischen folgenden Kernaufgaben differenziert:<br />
• Identifizierung<br />
• Überwachung (Monitoring)<br />
• Nachweis einer Kontamination bzw. Kontrolle der Dekontamination<br />
• Dosisüberwachung 32 .<br />
12.6.6.1 Identifizierung<br />
Eine sachgerechte Beurteilung der Gefahrenlage ist nur möglich, wenn die freigesetzten<br />
gefährlichen Stoffe (Nuklide, Kampfstoffe oder Industriechemikalien<br />
sowie biologische Agenzien) eindeutig zu identifizieren sind. Der Einsatz einfacher<br />
Mess-Systeme zur Überwachung (Monitoring) des Schadensortes bzw. des<br />
Umfeldes zum Schutz der Bevölkerung ist weitgehend nur nach der Identifizierung<br />
möglich. Die rettungsdienstliche und medizinische Versorgung verletzter<br />
Personen sowie anti-epidemische Maßnahmen sind nur möglich, wenn den behandelnden<br />
Ärzten die Ursache (Schadstoff) der Körperschädigungen (Vergiftungen,<br />
Verätzungen, Erkrankungen und dgl.) bekannt sind. Insbesondere bei Großschadenslagen<br />
infolge von Terroranschlägen, Explosionen, Naturereignissen oder<br />
kriminellen Handlungen mit radioaktiven und/oder chemischen Stoffen muss eine<br />
schnelle Identifizierung vor Ort erfolgen. Die verfügbaren technischen Mess-Systeme<br />
erlauben es, dass Spezial-Einheiten (TASK FORCES) von entsprechenden<br />
Kompetenz-Zentren diese notwendige Identifizierung sicherstellen.<br />
Eine entsprechende Einheit (ZUB, siehe Kap. 7.2) zur Identifizierung von unbekannten<br />
Radionukliden in Verbindung mit der Entschärfung von unkonventionellen<br />
Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) steht beim Bundeskriminalamt in<br />
Verbindung mit dem Bundesgrenzschutz sowie dem Bundesamt für Strahlenschutz<br />
zur Verfügung. Ob und inwieweit weitere als Spezial-Einheit (TASK FORCE)<br />
geeignete Standorte verfügbar sind, muss kurzfristig geprüft werden.<br />
Insbesondere ein großer Teil der verdampfbaren organischen Schadstoffverbindungen<br />
(z.B. Kampfstoffe), die über die Ausbreitung in der Luft als Gas oder Aerosol<br />
hohe toxische Konzentrationen verursachen können, lassen sich mit einem<br />
mobilen Massenspektrometer-System mit vorgeschaltetem Gaschromatographen<br />
(so genanntes GC-MS-System) identifizieren 33 . Keine oder unzureichende Analy-<br />
32 nur bei radioaktiven Stoffen<br />
33 <strong>Forschung</strong>svorhaben ”Schnellanalyse bei Chemieunfällen und Bränden mit mobilem GC-MS-<br />
System” Vorhaben BMBF 01 VQ 9109 Technische Universität Hamburg-Harburg Prof. Dr. Matz<br />
187
seergebnisse bei der so genannten ”Vor Ort Analytik” liefert das GC-MS-System<br />
bei toxischen Stäuben, Säuren oder Laugen.<br />
Auf der Basis der Erfahrungen<br />
• der Bundeswehr mit dem Spürpanzer FUCHS<br />
• der Feuerwehren<br />
– Frankfurt am Main<br />
– Mannheim<br />
– Hamburg<br />
• Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt (Heyrothsberge)<br />
• des Kampfmittelräumdienstes der Polizei Berlin<br />
• des Landesumweltamtes Brandenburg<br />
• des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen<br />
mit dem mobilen GC-MS-System kann festgestellt werden, dass es derzeit kein<br />
anderes marktgängiges Analyse-System zur Vor-Ort-Identifizierung von chemischen<br />
Gefahrstoffen gibt, das gleichermaßen geeignet ist.<br />
Entsprechend geeignete Systeme zur Identifizierung gefährlicher chemischer Stoffe<br />
(insbesondere organische Industriechemikalien und Kampfstoffe) stehen in<br />
Frankfurt am Main34 , Mannheim, Berlin, Hamburg, Essen, Potsdam und Heyrothsberge<br />
zur Verfügung. Es muss kurzfristig geklärt werden, ob und inwieweit an diesen<br />
Standorten entsprechende TASK FORCES eingerichtet werden können.<br />
Grundsätzlich ist eine direkte messtechnische Erfassung biologischer Gefahren<br />
unmittelbar am Schadensort noch nicht möglich. Eine Identifizierung der biologischen<br />
Agenzien kann erst durch eine sachgerechte Probenahme und -aufbereitung<br />
sowie der Auswertung erfolgen. Insbesondere die Integration bestehender Kompetenz-Zentren<br />
in die akute Gefahrenabwehr ist vorrangig anzustreben. Unter<br />
Berücksichtigung der verfügbaren Kapazitäten zur Identifikation von gefährlichen<br />
Bakterien, Viren, Parasiten und Pilzen in entsprechenden Laboren, Konsiliarlaboren<br />
und Referenz-zentren35 erscheinen die Standorte mit entsprechender Laborkapazität<br />
(L3- bzw. L4-Labore) in Verbindung mit der jeweiligen Bandbreite grundsätzlich<br />
geeignet (insbesondere die Standorte Berlin, Hamburg, München, Frankfurt<br />
am Main und Leipzig) [69]. Um im Rahmen einer schnellen Vor-Ort-<br />
Detektion schnellstmöglich verwertbare Ergebnisse zu erzielen, wurden zwei entsprechende<br />
<strong>Forschung</strong>s- bzw. Entwicklungsverfahren gestartet. Ergebnisse sind<br />
jedoch erst ab 2004/2005 verfügbar. Nach Abschluss der genannten Arbeiten muss<br />
schnellstmöglich geprüft werden, ob und inwieweit an den Kompetenz-Zentren<br />
überregionale TASK FORCES für die schnelle Vor-Ort-Identifizierung biologischer<br />
Agenzien eingerichtet werden können. Gleichzeitig mit der Identifizierung<br />
der biologischen Gefahren stehen dann im Schadensgebiet entsprechende Spezialisten<br />
bezüglich der ggf. notwendigen therapeutischen Maßnahmen für infizierte<br />
Personen zur Verfügung.<br />
34 nicht für den Lufttransport geeignet<br />
35 „Steckbriefe seltener und importierter Infektionserreger“ Robert Koch-Institut Berlin 1998<br />
188
12.6.6.2 Schadstoffüberwachung (Monitoring)<br />
Die kontinuierliche Überwachung der Ortsdosisleistung sowie die Dosisüberwachung<br />
ist bei radiologischen Gefahrenlagen mit entsprechenden Systemen möglich.<br />
Gleichermaßen ist die gezielte Suche nach einzelnen Quellen (so genannten<br />
HOT SPOTS) sowie die Aufnahme von Dosisleistungs-Profilen gewährleistet. Die<br />
vom Bund bereitgestellten ABC-ErkKW, DEKON-P- und DEKON-G-Module<br />
sind mit den entsprechenden Überwachungssystemen gemäß den einschlägigen<br />
Feuerwehrdienstvorschriften 36 ausgestattet. Vergleichbare Fahrzeuge der Länder,<br />
Kommunen und Trägerorganisationen bedürfen teilweise einer entsprechenden<br />
Nachrüstung. In besonderen Fällen, z.B. Freisetzung schwachenergetischer Strahler<br />
über die Rauchgase infolge des Brandes eines medizinischen Diagnosezentrums,<br />
sind die vorhandenen Mess-Systeme des Katastrophenschutzes grundsätzlich<br />
nicht geeignet. Die Detektion eines α- und Neutronenstrahlers ist derzeit<br />
flächendeckend gleichermaßen nicht gewährleistet. Dieses Gefahrenpotenzial<br />
kann insbesondere bei Terroranschlägen oder kriminellen Handlungen nicht ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Bezüglich der kontinuierlichen Überwachung chemischer Gefahrenpotenziale sind<br />
unterschiedliche Systeme erforderlich und verfügbar. Kombinationen unterschiedlicher<br />
Detektions-Systeme zu einem so genannten Gefahrstoff-Detektoren-Array<br />
(GDA) mit entsprechender Auswertung liefern ein relativ breitbandiges System<br />
zur Identifizierung technisch verbreiteter Schadstoffe. Meßsysteme auf der Basis<br />
eines Photoionisationsdetektors oder eines Ionenmobilitäts-Spektrometers sind für<br />
bestimmte Schadstoffe gleichermaßen geeignet und auf den neu ausgelieferten<br />
Fahrzeugen des Bundes vorhanden. Eine vergleichbare Verbreitung bei den Fahrzeugen<br />
der Länder, Kommunen oder der Trägerorganisationen konnte bisher nur<br />
ansatzweise beobachtet werden. Diesbezüglich muss kurzfristig geprüft werden,<br />
ob mit der Markteinführung eines Gefahrstoff-Detektoren-Arrays (GDA) mit integriertem<br />
PID, IMS und weiteren elektrochemischen Zellen zur umfassenden<br />
Detektion gefährlicher Stoffe eine flächendeckende Optimierung der Gerätesausstattung<br />
realisiert werden kann 37 . Zur schnellen Orientierung bezüglich der Gefahrenpotenziale<br />
sollten alle ABC-ErkKW und vergleichbare Fahrzeuge der Länder<br />
und Kommunen mit dem Gefahrstoff-Informations-System CHEMIS 38 ausgestattet<br />
werden. Für den Nachweis von brennbaren bzw. explosiven Gasen ist der Einsatz<br />
von Explosionsgrenzen-Mess-Systemen (Ex-Meter) üblich und weitgehend<br />
flächendeckend vorhanden. Die Kombination der genannten Detektions-Systeme<br />
mit einem geographischen Informations-System (GIS) muss künftig flächendeckend<br />
realisiert werden.<br />
Vergleichbare Systeme zur kontinuierlichen Überwachung der Gefahrenpotenziale<br />
durch biologische Agenzien sind derzeit nicht verfügbar. Im Rahmen von laufenden<br />
Entwicklungsvorhaben werden derzeit Systeme und Prozesse bezüglich ihrer<br />
36 Feuerwehrdienstvorschrift Strahlenschutz – Rahmenvorschriften FwDV 9/1 – und – Einsatzgrundsätze<br />
FwDV 9/2 –<br />
37 z.B. System der Firma AIRSENSE ANALYTICS; Hagenower Str. 73, D-19061 Schwerin Germany<br />
38 Gefahrstoff-Datenbank-System CHEMIS des Bundesamtes für Risikobewertung<br />
189
Einsatztauglichkeit getestet, um eine kontinuierliche Probenahme in potenziell<br />
gefährdeten Bereichen zu gewährleisten und eine sachgerechte Auswertung zu realisieren.<br />
Geeignete Systeme müssen schnellstmöglich flächendeckend bereitgestellt<br />
werden.<br />
12.6.6.3 Überwachung der Dosis<br />
Die Erfassung der Ortsdosisleistung wird mit den entsprechenden Geräten realisiert.<br />
Insbesondere die Kombination mit der elektronischen Datenverarbeitung und<br />
Kommunikationstechnik gewährleistet eine sachgerechte Erfassung und Bewertung<br />
der aufgenommenen Dosis. Die Auswertung der gewonnenen Daten sowie<br />
die ggf. notwendige Einstellung bestimmter Alarmschwellen wird nach Einführung<br />
des digitalen Funknetzes über die moderne Kommunikationstechnik von zentraler<br />
Stelle möglich sein. Die Länder müssen mit den entsprechenden Behörden<br />
die ggf. erforderliche Personendosimetrie vorbereiten und im Einsatzfall realisieren.<br />
Eine vergleichbare Überwachung der Dosis bei biologischen oder chemischen<br />
Gefahrenpotenzialen ist derzeit nicht möglich.<br />
12.6.6.4 Kontaminationsnachweis<br />
Der Nachweis einer radiologischen Kontamination muss auch unter Einsatzbedingungen<br />
gewährleistet sein. Um die Kontamination der Geräteoberflächen der<br />
erforderlichen Mess-Systeme kontinuierlich zu überwachen und bei entsprechend<br />
vielen Einsatzkräften oder -geräten zeitgerecht arbeiten zu können, muss die Zahl<br />
der bereitgestellten Geräte gesteigert werden. Die Detektion von reinen α- oder β-<br />
Strahlen (ggf. in Verbindung mit einer zusätzlichen Neutronen-Strahlung) muss<br />
durch entsprechende Spezialeinheiten (TASK FORCES) sichergestellt werden.<br />
Der Nachweis einer erfolgreichen Dekontamination von gefährlichen chemischen<br />
Stoffen ist derzeit nur begrenzt möglich. Mit der Schnelleinlass-Sonde des GC-<br />
MS-Systems sind orientierende Messungen z.B. durch eine entsprechende TASK<br />
FORCE grundsätzlich möglich.<br />
12.6.7 Großflächige Belastung mit gefährlichen radioaktiven oder<br />
chemischen Stoffen<br />
Bei einer großflächigen Belastung durch radioaktive Stoffe liefert das stationäre<br />
ODL-Messnetz 39 des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) eine ausreichende<br />
Orientierung.<br />
Vergleichbare Systeme sind für biologische oder chemische Gefahrenlagen derzeit<br />
nicht vorhanden. Mit einem passiven Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer-<br />
System (FTIR) ist eine Fernerkundung chemischer Gefahrenlagen möglich.<br />
39 Orts-Dosis-Leistungs-Messnetz<br />
190
Gleichzeitig liefert das System in bestimmten Fällen eine eindeutige Identifizierung<br />
einer Vielzahl luftgetragener gefährlicher Stoffe über Entfernungen von mehr<br />
als 1 000 m. Weiterhin grenzt das System die „Identifikations-Lücke”, die vom<br />
GC-MS-System 40 in der „Vor-Ort-Analytik“ nicht geleistet wird, weiter ein. Mit<br />
der Markteinführung dieses Systems müssen insbesondere die einzurichtenden<br />
TASK FORCES ausgestattet werden. Weiterhin erscheint hier der Einsatz so<br />
genannter Mess-Leitfahrzeuge bzw. zentrale Auswertestellen sinnvoll. Da diese,<br />
die erforderlichen Spür- und Mess-Trupps zielorientiert lenken müssen, muss eine<br />
vorherige Fernerkundung gewährleistet werden. Damit werden besondere Risiken<br />
für die Spür- und Mess-Trupps begrenzt.<br />
Automatische Systeme, die großflächige biologische Gefährdungslagen erfassen,<br />
sind nicht bekannt.<br />
Die detaillierte Erkundung potenziell mit gefährlichen radioaktiven oder chemischen<br />
Stoffen belasteter Gebiete wird mit den ABC-Erkundungskraftwagen<br />
oder gleichwertigen Fahrzeugen der Länder und Kommunen realisiert. Der mobile<br />
Spür- und Messeinsatz dieser Fahrzeuge muss von einer zentralen Stelle nach<br />
sachlichen Erwägungen (Wetterdaten, Freisetzungsparameter, Ausbreitungsprognose,<br />
Risikobereiche, Spür- und Messergebnisse und dgl.) gelenkt werden. Die<br />
Fahrzeuge bzw. Trupps müssen dabei kontinuierlich über entsprechende Kommunikationseinrichtungen<br />
mit der lenkenden Stelle verbunden sein. Zur Sicherstellung<br />
dieser insbesondere bei großflächigen Gefahrenlagen gebotenen Aufgabe<br />
müssen zusätzlich entsprechend ausgestattete Mess-Leitfahrzeuge bereitgestellt<br />
werden. Die örtlich vorhandenen Gerätewagen (GW) der täglichen Gefahrenabwehr<br />
(GW-Öl, GW-Strahlenschutz, GW-Gefahrgut, GW-Atemschutz und dgl.), die<br />
gleichermaßen Spür- und Messaufträge ausführen können, müssen flächendeckend<br />
in die mobile Erkundung integriert werden, soweit es die jeweilige technische Ausstattung<br />
zulässt. Um bei besonderen Gefahrenlagen, die Ausbreitung von radioaktiven<br />
oder chemischen gefährlichen Stoffen in einer Region kontinuierlich überwachen<br />
zu können, sollten mobile Mess-Stationen entwickelt und vorgehalten<br />
werden, die im akuten Gefahrenfall aufgestellt und kontinuierlich Mess-Werte an<br />
die zentrale Auswertestelle senden.<br />
Weiterhin ist eine Harmonisierung mit anderen, im Auftrag des Bundes oder der<br />
Länder entwickelten Prognose-Systemen (z.B. Integration der Ausbreitungs-Software<br />
DISMA 41 , des Programm-Systems LASAIR 42 sowie der einheitlichen Integration<br />
der digitalen Grundkarten im so genannten ATKIS-Format 43 ) mit dem Ziel<br />
geboten, dass eine einheitliche Software zur Erfassung, Prognose und Darstellung<br />
40 Massenspektrometer-System mit vorgeschaltetem Gaschromatographen zur Identifizierung unbekannter<br />
organischer Substanzen mit Luft als Trägergas<br />
41 „Rechnergestütztes Beratungs-System für das Krisenmanagement bei chemischen Unfällen“ <strong>Zivilschutz</strong>forschung<br />
Neue Folge Band 38 ISSN 0343-5164<br />
42 6. Informationsveranstaltung zur nuklearspezifischen Gefahrenabwehr Bundesamt für Strahlenschutz<br />
Juni 2001 zur Einführung des rechnergestützten Prognose-Systems zur Lagrange-Simulation<br />
der Ausbreitung und Inhalation von Radionukliden (LASAIR)<br />
43Amtliches topographisch-kartographisches Informations-System der Landesvermessungsämter<br />
191
der großflächigen Gefährdungslagen auf einem einheitlichen geographischen<br />
Informations-System gewährleistet wird (siehe auch GEO-FES des Landes Berlin).<br />
Die entsprechenden digitalen Karten für das gesamte Bundesgebiet sowie für<br />
die angrenzenden Bereiche der Nachbarstaaten (Maßstäbe 1:10 000, 1:25 000<br />
sowie 1:50 000 im entsprechenden Datenformat) müssen für alle Spür- und Messfahrzeuge<br />
und Befehlsstellen bereitgestellt werden. Weiterhin müssen alle Messleitfahrzeuge<br />
mit einem einheitlichen Gefahrstoff-Informations-System (z.B.<br />
CHEMIS 44 ) ausgestattet werden.<br />
12.7 Rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung der betroffenen<br />
Menschen<br />
Mit den Strukturen sowie der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes<br />
der Länder und Kommunen ist sichergestellt, dass die Aufgaben der täglichen<br />
Gefahrenabwehr zeit- und sachgerecht bewältigt werden. Diese Aufgaben werden<br />
überwiegend von hauptamtlichen Helfern unter Einbeziehung ehrenamtlicher<br />
Leistungen (ca. 5 %) wahrgenommen [48]. Bei einem Massenanfall von verletzten/erkrankten<br />
Personen wird unter Einbeziehung der unmittelbaren nachbarschaftlichen<br />
Hilfe sowie der dafür eingerichteten landeseigenen Ergänzungen<br />
(Spezial-Einsatz-Gruppen Rettungsdienst, Katastrophenschutz, Arzneimitteldepots<br />
und dgl.) eine sachgerechte Gefahrenabwehr gewährleistet. Großschadensfälle der<br />
letzten Jahre belegen dies (z.B. Eisenbahnunglücke in Enschede und Brühl). Dabei<br />
ist anzumerken, dass über die unmittelbare nachbarschaftliche Hilfe hinaus, überregionale<br />
Rettungsmittel aus Entfernungen von mehr als 80 km eingesetzt werden<br />
müssen. Für die sachgerechte medizinische Versorgung (insbesondere bei bestimmten<br />
Verletzungen) erfolgt die Zuweisung in Krankenhäuser, die in größeren<br />
Entfernungen liegen können. Weiterhin ist nach einer abschließenden Diagnose<br />
und ersten medizinischen Behandlung eine Verlegung in spezielle Einrichtungen<br />
zu erwarten. Dies bedeutet, dass nach den primären Beförderungsaufträgen (erste<br />
Zuführung in ein Krankenhaus) eine erhebliche Zahl an sekundären Beförderungen<br />
(Verlegung in ein spezielles Krankenhaus) zu bewältigen ist.<br />
Die regionale Leistungsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes mit den Ergänzungen<br />
für den Großschaden- oder Katastrophenfall ist in Abhängigkeit zur Bevölkerungsdichte<br />
sehr unterschiedlich. Grundsätzlich kann angenommen werden,<br />
dass auch in dünn besiedelten Regionen eine Versorgung von ca. 50 verletzten/<br />
erkrankten Personen bei einem Schadensfall gewährleistet wird. In den Ballungsräumen<br />
ist die Versorgung von bis zu 300 Patienten (in Ausnahmefällen bis zu 500)<br />
weitgehend gesichert. Dies ist jedoch entscheidend von den auslösenden Elementen<br />
(Explosion, Flugzeugabsturz oder Epidemie) und den damit verbundenen Verletzungsmustern/Krankheitsbildern<br />
abhängig.<br />
Aufgrund von Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen können Größenordnungen<br />
mit 1 000 verletzten Menschen nicht ausgeschlossen werden (siehe Beispiele<br />
in Kap. 4). Bei unerwartet auftretenden Ereignissen kann die Versorgung<br />
44 Gefahrstoff-Datenbank-System CHEMIS des Bundesamtes für Risikobewertung<br />
192
grundsätzlich nur mit einer Zuführung von überregionalen Einheiten und Spezial-<br />
Einsatz-Gruppen aus Entfernungen bis zu 150 km gewährleistet werden.<br />
Da die Verletztenmuster/Krankheitsbilder in Abhängigkeit zum auslösenden Element<br />
sehr unterschiedlich ausgeprägt sind [40], muss für eine Konzeption ein<br />
Ereignis angenommen werden. Im Folgenden wird ein entsprechendes Beispiel<br />
(Explosion) mit mechanischen Verletzungen mit der in der Tabelle 5 genannten<br />
Verteilung genutzt 45 .<br />
Tabelle 5: Patientenverteilung nach Sichtungskategorien 46<br />
Kategorie Rel.<br />
Anteil<br />
Abs.<br />
Anteil<br />
Ergebnis der Triage Maßnahmen<br />
– 8 % 80 Tot Registrierung,<br />
Fundort,<br />
Geschlecht,<br />
geschätztes Alter<br />
(Baby, Kleinkind,<br />
Kind, Jugendlicher,<br />
Erwachsener,<br />
älter als 60 Jahre<br />
IV 7 % 70 Ohne Überlebenschance<br />
III 40 % 400 Leicht<br />
verletzt/erkrankt<br />
II 30 % 300 Schwer<br />
verletzt/erkrankt<br />
I 15 % 150 Akute vitale<br />
Bedrohung<br />
Betreuende abwartende<br />
Behandlung<br />
Spätere ggf. ambulante<br />
Behandlung<br />
sanitätsdienstliche<br />
Versorgung<br />
Dringende<br />
rettungsdienstliche<br />
Versorgung<br />
Sofortige notfallmedizinische<br />
und<br />
rettungsdienstliche<br />
Versorgung<br />
Insbesondere infolge von Bränden oder Schadstofffreisetzungen (Giftgaswolken),<br />
die z.B. durch Explosionen ausgelöst wurden, werden besonders viele Personen<br />
getroffen [86]. Da in diesen Fällen eine Sauerstoffversorgung als wesentliche Maßnahme<br />
der medizinischen Erstversorgung darstellt, wurde diese logistische Herausforderung<br />
berücksichtigt.<br />
Für die sachgerechte Rettung und Versorgung der Patienten am Schadensort müssen<br />
Rettungskräfte unterschiedlicher Fachdienste effektiv zusammenarbeiten.<br />
45 Serverity of Incident S = 1,125 (fires, Explosions) [40]<br />
46 Sichtungskategorien gemäß 1. Konsensuskonferenz am 15.03.2002 in Ahrweiler [20]<br />
193
Die im Folgenden beispielhaft genannten Prozessabläufe dienen lediglich der Konzeption.<br />
Es bleibt den Ländern bzw. Kommunen vorbehalten, entsprechende Regelungen<br />
mit einer detaillierten Einsatzplanung und -organisation zu treffen. Dies gilt<br />
für die erforderliche Führungsorganisation (in der Regel leitender Notarzt und<br />
organisatorischer Leiter Rettungsdienst) zur Schadensbewältigung gleichermaßen.<br />
Der Rettungs- und Sanitätsdienst übernimmt die geretteten Personen an den<br />
Patientenablagen von den Rettungskräften der Feuerwehren und des Technischen<br />
Hilfswerkes. Die verletzten Personen werden einer Sichtung durch entsprechend<br />
qualifizierte Notärzte und zur weiteren Versorgung dem Behandlungsplatz zugeführt.<br />
Eine unmittelbare Beförderung in ein Notfallkrankenhaus erfolgt grundsätzlich<br />
nicht. Als Behandlungsplätze werden geeignete Örtlichkeiten (z.B. Turnhallen<br />
und dgl.) genutzt. Ergänzend werden schnell aufzubauende Zelte mit entsprechender<br />
Einrichtung und Logistik (Heizung, Beleuchtung und dgl.) bereitgestellt.<br />
Die sachgerechte Versorgung dieser Vielzahl von teilweise lebensbedrohlich verletzten<br />
Personen wird mit allen verfügbaren Ressourcen der Gefahrenabwehr<br />
sichergestellt. Aufgrund der längeren Anfahrtswege werden die sonst im Rettungsdienst<br />
üblichen Hilfsfristen grundsätzlich nicht eingehalten. Auf der Basis der<br />
üblichen Konzepte für einen Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV)<br />
müssen mindestens die in Tabelle 6 genannten personellen Kapazitäten für die<br />
einzelnen Kategorien alarmiert und zugeführt werden:<br />
Tabelle 6: Minimaler Bedarf an qualifiziertem Personal 47 (orientierende Darstellung)<br />
Sichtungskategorie<br />
Zahl der<br />
Verletzten<br />
Notärzte<br />
Ärzte RA RS RH SA SH Helfer<br />
anderer<br />
Fachdienste<br />
I ■ 150 20 10 60 30 18 12 16 30<br />
II ■ 300 10 20 30 60 48 48 32 60<br />
III ■ 400 4 4 - 16 6 18 26 40<br />
IV ■ 70 3 4 15 15 12 6 10 7<br />
Dieses in der Tabelle 6 genannte Personal (75 Ärzte. 105 RA, 121 RS, 84 RH, 84<br />
SA, 84 SH und 92 sonstige Helfer – 645-), muss unter Einbeziehung aller ehrenund<br />
hauptamtlichen Kräfte einschließlich der dienstfreien Schichten des hauptamtlichen<br />
Rettungsdienstes bereitgestellt werden (gemäß der entsprechenden Einsatzplanung<br />
der Länder bzw. Kommunen). Weitere Funktionen wie der leitende Notarzt,<br />
der organisatorische Leiter im Rettungsdienst, weitere erforderliche Ärzte für<br />
die Sichtung (ca. 30) oder sonstiges Personal, sind in der Tabelle nicht genannt,<br />
müssen jedoch gleichermaßen verfügbar sein. Dabei wird angenommen, dass die<br />
47 RA Rettungsassistent; RS Rettungssanitäter, RH Rettungshelfer, SA Sanitäter, SH Sanitätshelfer;<br />
die Qualifikationen der RH, SA und SH müssen einheitlich definiert werden<br />
194
erforderliche Versorgungskapazität zu maximal ca. 20 % bis 30 % aus dem öffentlichen<br />
Rettungsdienst bereitgestellt werden kann, ohne gravierende Auswirkungen<br />
im Regelrettungsdienst zu verursachen. Ergänzend müssen insbesondere die Rettungs-<br />
und Sanitätshelfer sowie die Sanitäter durch die Sanitätsmodule der ergänzenden<br />
Ausstattung des Bundes herangezogen werden. Für Führungs-, Kommunikations-,<br />
Registrierungs- und Logistikaufgaben müssen der örtlichen Einsatzleitung<br />
(in der Regel der leitende Notarzt und der organisatorische Leiter Rettungsdienstes)<br />
mindestens 18 Helfer zur Verfügung stehen. Die hier genannten quantitativen<br />
und qualitativen Anforderungen bilden die untere quantitative Grenze. Bei<br />
einer linearen Steigerung (> 500 Patienten) der sonst üblicherweise im Rettungsdienst<br />
bereitgestellten Ressourcen, wären deutlich mehr Helfer geboten [74]. Die<br />
erforderliche Aus- und Fortbildung der hier genannten ehrenamtlichen Helfer (Rettungshelfer<br />
48 , Sanitäter und Sanitätshelfer) muss bundeseinheitlich entsprechend<br />
den Anforderungen definiert werden.<br />
Nach der ersten Sichtung (Triage) müssen die notwendigen Behandlungsmaßnahmen<br />
zur Erstversorgung (Sicherung der Vitalfunktionen) und Herstellung der<br />
Transportfähigkeit festgelegt und am Behandlungsplatz umgesetzt werden. Grundsätzlich<br />
kann jedes Notfallkrankenhaus ca. 1 bis 5 % seiner normalen Bettenkapazität<br />
pro Stunde an Patienten aufnehmen [40]. Mit dem Schadenseintritt und der<br />
Aktivierung der Notfallplanung der Krankenhäuser werden die Bettenkapazitäten<br />
kurzfristig deutlich gesteigert (bis zu 40 %), indem ein Teil der Patienten in die<br />
häusliche Pflege entlassen und im voraus geplante Fälle nicht aufgenommen werden.<br />
Die tatsächlich realisierbaren Möglichkeiten müssen in den entsprechenden<br />
regionalen Einsatzplänen festgelegt sein. Die Aufnahme von Notfallpatienten der<br />
Sichtungskategorien I und II erfordert jedoch bestimmte diagnostische Kapazitäten,<br />
die nicht beliebig gesteigert werden können. Deshalb wird vorbehaltlich einer<br />
entsprechenden Einsatzplanung und -organisation zunächst davon ausgegangen,<br />
dass die Patienten nicht alle in die örtlichen Krankenhäuser befördert werden, sondern<br />
auch in Krankenhäuser in größeren Entfernungen. Dies erfordert eine längere<br />
Verweilzeit der Patienten am Behandlungsplatz und eine entsprechende Transportvorbereitung<br />
und -stabilisierung.<br />
Die Beförderung der Patienten in eine geeignete medizinische Versorgungseinrichtung<br />
erfolgt nach folgenden grundsätzlichen Kriterien und wird abschließend vom<br />
Leitenden Notarzt festgelegt:<br />
Höchste Transportpriorität<br />
• Patienten mit nicht ausreichend stabilisierten Vitalfunktionen der Sichtungskategorie<br />
I werden den nächstgelegenen Notfallversorgungskrankenhäusern mit<br />
einem arztbesetzten Rettungsmittel (ggf. Rettungshubschrauber) zugeführt.<br />
48 die qualitativen Anforderungen an Rettungshelfer sind z.B. in NRW definiert<br />
195
Nachrangige Transportpriorität<br />
• Patienten mit weitgehend stabilisierten Vitalfunktionen der Sichtungskategorien<br />
I und II werden den Notfallversorgungskrankenhäusern der zweiten und<br />
dritten Linie grundsätzlich ohne Arztbegleitung zugeführt.<br />
Patienten der Kategorie III, die nur liegend einer medizinischen Versorgungseinrichtung<br />
zugeführt werden können, werden grundsätzlich in ein geeignetes Krankenhaus<br />
der 3. oder 4. Linie befördert. Dabei werden mit geeigneten Fahrzeugen<br />
auch Sammelbeförderungen realisiert. Patienten, die sitzend befördert werden können,<br />
werden einer geeigneten Notfallpraxis oder einem Krankenhaus zugeführt.<br />
Ortskundige Patienten, die am Schadensort ambulant versorgt wurden, werden mit<br />
geeigneten Transportmitteln (z.B. Taxi) einer niedergelassenen Arztpraxis zugeführt.<br />
Ortsunkundige Patienten, werden grundsätzlich in ein geeignetes Krankenhaus<br />
der 3. oder 4. Linie befördert. Die Bewältigung eines Massenanfalls von<br />
1 000 verletzten/erkrankten Personen kann nicht ohne eine sachgerechte Integration<br />
der niedergelassenen Ärzte realisiert werden. Weiterhin müssen in der ersten<br />
Phase Ärzte aus den Krankenhäusern zum Schadensort beordert werden, um dort<br />
die sachgerechte Sichtung und Notversorgung zu realisieren. Die dafür notwendigen<br />
regionalen Planungen müssen von den zuständigen Stellen des öffentlichen<br />
Gesundheitswesens realisiert werden.<br />
Ob und inwieweit Ärzte aus der notärztlichen Versorgung am Schadensort einer<br />
Transportbegleitung zugeordnet werden, entscheidet der leitende Notarzt unter<br />
Berücksichtigung der sachgerechten Versorgung des gesamten Aufkommens von<br />
verletzten Personen, auch wenn dadurch die Gefahr besteht, dass einzelne Patienten<br />
irreversible Schäden erleiden.<br />
Für die Sicherung und Stabilisierung der Vitalfunktionen, zur Herstellung der<br />
Transportfähigkeit und der sachgerechten Versorgung müssen die Ressourcen des<br />
öffentlichen Rettungsdienstes in quantitativer Hinsicht nachhaltig verstärkt werden.<br />
Insbesondere die ergänzenden Sanitätsmodule, die vom Bund bereitgestellt<br />
werden, sollten wie folgt modifiziert werden:<br />
Fahrzeuge Personal<br />
1 Gerätewagen Rettung (GW-RETT) mit 2 RH + 2 SA + 2 SH<br />
1 Sanitätskombi (SAN-KOMBI) mit 2 RH + 2 SA + 2 SH<br />
4 Notfallkrankenwagen (KTW) mit 4 RH + 4 SA + 4 SH.<br />
Der Gerätewagen Rettung (GW-RETT) muss mit Versorgungsmodulen (Rollcontainer<br />
oder dgl.) für mindestens 50 Patienten der Sichtungskategorien I (8 Patienten),<br />
II + IV (14 Patienten), III (26 Patienten) und IV (2 Patienten) ausgestattet und<br />
mit jeweils 2 Rettungshelfern, 2 Sanitätern und 2 Sanitätshelfern personell besetzt<br />
werden. Weiterhin müssen schnell aufbaubare Versorgungszelte (4 Stück à 30 m 2<br />
zuzüglich zwei Verbindungs-Kreuzzelten) und eine umfassende Versorgung mit<br />
medizinischem Sauerstoff zur Verfügung stehen. Alle Entnahmestellen für medizinischen<br />
Sauerstoff müssen einheitlich mit den in den Krankenhäusern und Rettungsdienst<br />
üblichen Systemen ausgestattet werden. Für die Zelte muss eine ent-<br />
196
sprechende Betriebsausstattung (Heizung, Beleuchtung, Einrichtung und dgl.) zur<br />
Verfügung stehen. Alle Ergänzungsmodule (GW-RETT, SAN-KOMBI + 4 Notfallkrankenwagen)<br />
müssen grundsätzlich einer geeigneten Versorgungsstation<br />
(z.B. Notarztstation 49 ) logistisch zugeordnet werden, die die komplette Ausstattung<br />
mit den entsprechenden Arzneimitteln zur Versorgung der Patienten vorhält und<br />
in einem Rotationsverfahren sicherstellt, dass eine Überlagerung ausgeschlossen<br />
wird.<br />
Zur Sicherstellung einer sachgerechten Dokumentation (Registrierung, Transportmittel,<br />
Transportziel und dgl.), Kommunikation und Logistik (Betriebsorganisation<br />
an der Verletztenablage, dem Behandlungsplatz und dem Krankenwagenhalteplatz)<br />
muss geeignete Kommunikations- und Informationstechnik sowie entsprechende<br />
logistische Führungsmittel für ca. 6 entsprechend qualifizierte Führungsassistenten<br />
zur Verfügung stehen. Grundsätzlich müssen alle Daten zum frühestmöglichen<br />
Zeitpunkt erfasst und dokumentiert werden [75]. Die dafür erforderlichen<br />
Systeme (Patientenanhängekarten, Notebook mit spezieller Software und<br />
dgl.) müssen verfügbar und zu den Systemen im Betreuungsdienst sowie in den<br />
Personenauskunftsstellen kompatibel sein.<br />
Zur Sicherstellung des erweiterten Transportbedarfs müssen für den Katastrophenfall<br />
zusätzliche Notfallkrankenwagen (in Anlehnung an die Norm „Krankenkraftwagen“<br />
DIN EN 1789 Stand: 12/1999 oder vergleichbar) zur Verfügung stehen.<br />
Abweichend von der genannten Norm können die Fahrzeuge so gestaltet werden,<br />
dass ein weiterer Patient liegend oder zwei sitzende Patienten befördert werden<br />
können (Nottrage und Klappsitze oder dgl.). Die Fahrzeuge sind personell so zu<br />
besetzen, wie es für die Beförderung des Patienten geboten ist bzw. in den einschlägigen<br />
Rechtsnormen der Länder definiert wurde.<br />
In geeigneten Zentren müssen weitere Materialien (z.B. Vorsorgungscontainer für<br />
Patienten unterschiedlicher Sichtungskategorien, med. Sauerstoff und weitere Verbrauchsmittel)<br />
zur Ergänzung vorgehalten werden, damit der quantitative Bedarf<br />
bei entsprechenden Schadenslagen zeitgerecht gedeckt werden kann.<br />
Als Schutzausstattung für die Helfer muss neben der üblichen persönlichen<br />
Arbeitsschutzkleidung die fahrzeugbezogene Vorhaltung (Fahrzeuge des öffentlichen<br />
Rettungsdienstes wie die Fahrzeuge des Katastrophenschutzes) von entsprechenden<br />
Ausstattungs-Sätzen mit<br />
• Atemanschluss (Atemschutzmaske) mit Filter,<br />
• flüssigkeitsdichtem Einweg-Infektions- und -Kontaminationsschutzanzug (Overall<br />
mit Kapuze),<br />
• Einweg-Überschuhen und<br />
• Infektions- und Kontaminationsschutz-Handschuhen<br />
realisiert werden.<br />
49 oder gleichermaßen geeignetem Stützpunkt<br />
197
Weiterhin ist zu gewährleisten, dass die Vorhaltungen gemäß Rettungsdienstplan 50<br />
für die tägliche Gefahrenabwehr, den Großschaden- oder Katastrophenfall nicht<br />
durch die technische Ergänzung des Katastrophenschutzes reduziert wird.<br />
Die kooperative Mitwirkung insbesondere der ehrenamtlichen Helfer im Rahmen<br />
von Praktika im öffentlichen Rettungsdienst ist im Rahmen des Trainings geboten.<br />
Die Länder und Kommunen müssen stärker als bisher sicherstellen, dass die<br />
haupt- und ehrenamtlichen Helfer gemeinschaftlich trainieren und alle gleichermaßen<br />
den Anforderungen des Medizin-Produkte-Gesetzes entsprechen und sachgerecht<br />
eingewiesen sind.<br />
Im Rahmen der Einsatzplanung und -organisation muss gewährleistet werden, dass<br />
eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung zur Versorgung bei einem Massenanfall<br />
von Verletzten/Erkrankten realisiert werden kann. Für die übergeordnete<br />
Anforderung von Einheiten muss gewährleistet sein, dass bundesweit vergleichbare<br />
Leistungspotentiale für definierte Einheiten bestehen (z.B. Rahmenempfehlungen).<br />
Die Krankenhäuser müssen verpflichtet werden, für die Bewältigung eines Massenanfalls<br />
von Verletzten oder Erkrankten zwingend notwendigen Reservekapazitäten<br />
(OP-Räume, diagnostische Einrichtungen, Intensivpflege-Kapazitäten,<br />
Medikamente und Verbrauchsmittel und dgl.) in einer Größenordnung von 10 bis<br />
15 % der normalen Kapazitäten vorzuhalten. Für ein ganzheitliches Versorgungskonzept<br />
ist dies zwingend geboten. Die diesbezüglichen Lösungsansätze aus verschiedenen<br />
Ländern (z.B. B, RP + NRW) sind richtungsweisend. Diesbezüglich<br />
muss eine klare Kostenregelung getroffen werden.<br />
12.8 Betreuungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung<br />
Die bestehenden strategischen Konzeptionen bezüglich der Betreuung gewährleisten<br />
weitgehend eine sachgerechte Versorgung der betroffenen Bevölkerung. Die<br />
technische Ausstattung muss kontinuierlich dem Stand der Technik angepasst werden<br />
und ist mit den anderen Modulen (insbesondere zum Rettungs- und Sanitätsdienst)<br />
kompatibel zu halten. So muss beispielhaft die Ausstattung mit ergänzenden<br />
Zelten (zwei Zelte à 30 m 2 mit einem Verbindungs-Kreuzzelt) mit den Zelten<br />
im Sanitäts- und Rettungsdienst kombinierbar sein. Durch die Einsatzplanung<br />
muss sichergestellt werden, dass eine psychosoziale Betreuung (Betreuung der<br />
Opfer, der Angehörigen/Hinterbliebenen sowie der Einsatzkräfte) der betroffenen<br />
Menschen gewährleistet wird. Die Einrichtungen der Notfallseelsorge und der Krisen-Interventions-Teams<br />
müssen mit den Betreuungseinrichtungen kooperieren.<br />
Bezüglich der Registrierung und Datenerfassung der betroffenen Bevölkerung sind<br />
ganzheitliche Systeme bereitzustellen. Die dezentral erfassten Daten müssen im<br />
Rahmen des digitalen Kommunikationsnetzes an übergeordneten Stellen gebündelt<br />
weitergegeben werden können.<br />
50 oder vergleichbare Planunterlage zur Sicherstellung des öffentlichen Rettungsdienstes (Notfallrettung<br />
und Krankenbeförderung) innerhalb der Gebietskörperschaft<br />
198
Die vielfältigen lokalen Strukturen zur Sicherstellung einer sachgerechten Personenauskunft,<br />
müssen bezüglich ihrer Effektivität und Effizienz durch zentrale Einrichtungen<br />
ersetzt werden. Auf der Basis der Erfahrungen bei Großschadenslagen<br />
(z.B. Brand im Montblanc-Tunnel, Brand der Seilbahn in Kaprun) mit mehr als<br />
100 betroffenen Menschen der gemeinsamen Auskunftsstelle (GASt, Emergency<br />
Procedures Information Centre EPIC) des Landes Bayern müssen bundesweit vier<br />
bis sechs zentrale Auskunftsstellen in Kooperation mit der polizeilichen Gefahrenabwehr<br />
eingerichtet werden. Die Auskunftsstellen sollten über eine einheitliche<br />
Rufnummer erreicht und bei entsprechenden Großschadenslagen (mehr als 100<br />
betroffene Personen oder bei internationaler Bedeutung mit entsprechend vielen<br />
Anfragen aus dem Ausland) aktiviert werden. Die Datenbestände aller aktivierten<br />
Auskunftsstellen bei schweren Unglücksfällen oder großflächigen Katastrophen<br />
müssen über einen Rechnerverbund kontinuierlich abgeglichen werden. Die<br />
zukunftsweisende Weiterentwicklung der Software des Landes Berlin sollte dabei<br />
berücksichtigt werden. Eine im norddeutschen Raum angesiedelte Auskunftsstelle<br />
muss die besonderen Anforderungen erfüllen, die sich aus schweren Seeunfällen<br />
mit großen Passagierschiffen oder Fähren ergeben können. Die Anfragen aus<br />
dem benachbarten Ausland müssen geordnet bestimmten Auskunftsstellen zugeordnet<br />
werden, die auch die entsprechenden Fremdsprachen im Betrieb vorhalten.<br />
Die zentralisierten Auskunftsstellen arbeiten grundsätzlich als „Dienstleister“ für<br />
die mit den Ermittlungen beauftragte Polizeidienststelle. Dabei werden die Anfragen<br />
von Angehörigen potenziell betroffener Menschen registriert und katalogisiert,<br />
um der ermittelnden Polizeidienststelle eine maximale Informations-Unterstützung<br />
zu gewähren und sie gleichzeitig von der Vielzahl der An- und Nachfragen freizustellen.<br />
Anfragen von offenkundig nicht betroffenen Anrufern werden abschließend<br />
beantwortet. Die zentralisierten Personenauskunftsstellen werden von der<br />
ermittelnden Polizeidienststelle mit hoheitlichen Aufgaben beliehen. Näheres muss<br />
in einer entsprechenden Vereinbarung durch die Länder untereinander und mit dem<br />
Bund geregelt werden. Eine mögliche Zuordnung der Länder und benachbarter<br />
Staaten an die jeweilige Auskunftsstelle ist in Tabelle 7 wiedergegeben.<br />
Für die sachgerechte Versorgung der betroffenen Bevölkerung in Notunterkünften<br />
werden in den Logistik-Zentren Wolldecken, Feldbetten, Essgeschirr und dgl. vorgehalten.<br />
Tabelle 7: Mögliche Zuordnungen an die einzurichtenden Auskunftsstellen<br />
Auskunftsstelle Länder Staaten<br />
München<br />
(weitgehend vorhanden)<br />
By, BW, SN AUT, CZE, CHE, FRA,<br />
LIE, ITA, ESP, PRT,<br />
GRC<br />
Köln NRW, HE, SL, RP LUX, BEL, NLD,<br />
Berlin<br />
(weitgehend vorhanden)<br />
B, BB, SA, TH FIN, EST, LTU, LVA,<br />
SVN, RUS, UKR, BLR<br />
Hamburg NI, HB, HH, SH, MP DNK, GBR, NOR,<br />
SWE<br />
199
Die Aufgaben des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes müssen bezüglich<br />
der möglichen Unterstützung bei zivilen Katastrophen neu geordnet und bezüglich<br />
der Aufgaben bei bewaffneten Konflikten im Rahmen der Genfer Konvention<br />
in Verbindung mit den Aktivitäten des INTERNATIONAL COMMITEE OF THE<br />
RED CROSS-ICRC-(private schweizerische Hilfsorganisation) klar abgegrenzt<br />
werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Katastrophenschutz-Einheiten der<br />
Kreis- und Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes integraler Bestandteil<br />
der staatlichen Katastrophenabwehr sind und somit auch den entsprechenden Weisungen<br />
der verantwortlichen staatlichen Stellen unterliegen. Die Kreis und Landesverbände<br />
des DRKs sind im Bundesverband zusammengeschlossen, der seinerseits<br />
wiederum in die internationale Rot-Kreuz-Organisation (INTERNATIONAL<br />
FEDERATION OF THE RED CROSS AND RED CRECCENT SOCIETY ) integriert<br />
ist. Bei Hilfsmaßnahmen im Rahmen bewaffneter Konflikte auf der Basis<br />
der Genfer Konvention arbeitet ausschließlich das ICRC ohne Kooperation mit<br />
anderen nationalen oder internationalen Stellen (Wahrung der absoluten Neutralität).<br />
12.9 Kommunikation<br />
Die Kommunikation ist eine elementare Grundvoraussetzung für die effektive<br />
Gefahrenabwehr. Die Kommunikation in vertikaler Richtung zum Informationsaustausch<br />
der hierarchisch gegliederten Führungsstellen und in horizontaler Richtung<br />
der Einsatzabschnitte und Fachdienste untereinander ist zwingend geboten.<br />
Im Großschadensfall oder bei Katastrophen muss eine umfassende Lagebeurteilung,<br />
die Alarmierung und Heranführung von Einheiten mit entsprechenden<br />
Kommunikationsmitteln gewährleistet werden. Bei Gefahrenlagen von nationaler<br />
Bedeutung müssen insbesondere ortsfremde Einheiten in den betroffenen Regionen<br />
eingesetzt werden. Der damit verbundene gesteigerte Kommunikationsbedarf<br />
muss gleichermaßen sichergestellt werden. Eine effiziente Kommunikation kann<br />
auch dadurch gewährleistet werden, indem die Meldungen auf das zwingend Notwendige<br />
beschränkt und die Möglichkeiten der weitgehenden Formalisierung und<br />
Automatisierung ausgeschöpft werden.<br />
Die derzeit für die tägliche Gefahrenabwehr, den Großschadensfall und für<br />
Katastrophen bereitgestellten mobilen Führungsmittel reichen insbesondere bei<br />
Gefahrenlagen von nationaler Bedeutung quantitativ nicht aus. Mit der Aktivierung<br />
der überregionalen Hilfe und Zuführung der Einheiten über große Entfernungen<br />
müssen zusätzlich Führungsaufgaben für die auf dem Marsch befindlichen<br />
Einheiten und die einzurichtenden Bereitstellungsräume bereit stehen. Weiterhin<br />
müssen im Schadensgebiet fachliche und räumliche Einsatzabschnitte mit entsprechenden<br />
Einsatzabschnittsführungsstellen eingerichtet werden, für die entsprechende<br />
Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen müssen. Die modernen<br />
Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik müssen vollständig<br />
ausgeschöpft werden. Um diesen gesteigerten Kommunikationsbedarf zu gewährleisten,<br />
müssen zusätzliche Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM) bereitgestellt<br />
werden. Diese Fahrzeuge müssen mit entsprechenden Informations- und<br />
Kommunikationsmitteln sowie Darstellungsmitteln ausgestattet werden. Mit den<br />
200
technischen Möglichkeiten dieser Fahrzeuge muss der funktionale Betrieb abgesetzter<br />
Befehlsstellen, zusätzlicher Funkzellen sowie eine Einsatzabschnittskommunikation<br />
(einschließlich des Funk- und Datenverkehrs in unterirdischen Verkehrsanlagen<br />
oder ausgedehnten baulichen Anlagen) sichergestellt werden. Weiterhin<br />
können digitale Lagekarten geführt, präsentiert und vervielfältigt werden.<br />
Mit der gemeinsamen Einführung eines digitalen Funknetzes für alle Behörden<br />
und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) durch die Länder und den<br />
Bund, werden dringend notwendige technische Möglichkeiten eröffnet. Derzeit<br />
wird noch in den analogen Funknetzen überwiegend verbal kommuniziert. Dies<br />
führt zu erheblichen Übertragungsfehlern, wenn bestimmte Informationen z.B. aus<br />
einer Datenbank übermittelt werden. Mit der Einführung der digitalen Technik<br />
würde der überwiegende Teil aller Informationen als Text-Meldung oder in Form<br />
einer Lagekarte übermittelt. Weiterhin würden die Möglichkeiten der automatisierten<br />
Informationsübertragung genutzt. Damit würde gewährleistet, dass alle erforderlichen<br />
Stellen gleichzeitig informiert werden.<br />
12.9.1 Anforderungen an ein digitales Funknetz<br />
Mit dem Aufbau des zentralen digitalen Funknetzes für die BOS muss in allen<br />
Regionen gewährleistet werden, dass<br />
• alle Dienste des Systems bundesweit jederzeit verfügbar sind,<br />
• eine unterbrechungsfreie Kommunikation auch bei einem Übergang von einer<br />
Zelle in die nächste gegeben ist,<br />
• der überdurchschnittlich hohe Bedarf an Kommunikationskanälen bei Gefahrenlagen<br />
von nationaler Bedeutung uneingeschränkt verfügbar ist,<br />
• eine ausreichende Redundanz gegeben ist,<br />
• zusätzliche Kapazitäten durch mobile Einrichtungen kurzfristig geschaffen<br />
werden,<br />
• die Leitstelle mit den ihr zugeordneten auf dem Marsch befindlichen Einheiten<br />
systemweit kommunizieren kann,<br />
• die berechtigten Leitstellen über entsprechende Schnittstellen verfügen, die<br />
– die Verwaltung der operativ/taktischen Adressen vornehmen,<br />
– die Prioritäten von Gruppen-, Einzel- und Datenkommunikation sowie der<br />
Notrufe und Alarmierungen steuern,<br />
– die Berechtigungen bezüglich der Sprach-, Daten-, Alarmierungs- und Telefonkommunikation<br />
zuteilen und definieren,<br />
– dynamische Gruppen nach fachlichen oder räumlichen Anforderungen bilden,<br />
– die Nichterreichbarkeit des Teilnehmers anzeigen,<br />
– Einzelverbindungen auch in Gruppen ermöglichen,<br />
– Einzelgespräche unterbrechen können,<br />
– Datenverbindungen aller Art schalten können,<br />
201
• die einzelne Funkstelle an jedem beliebigen Standort des Bundesgebietes Mitglied<br />
einer oder mehrerer Gruppen mit entsprechenden Berechtigungen sein<br />
kann,<br />
• innerhalb einer Gruppe jeder jeden hören kann, unabhängig davon, in welcher<br />
Funkzelle er sich befindet,<br />
• ein Notruf im Netz möglich ist,<br />
• jeder Notruf von den anderen Mitgliedern der Gruppe erkannt wird,<br />
• eine gesicherte jederzeitige Datenübertragung (einschließlich der Telemetrie-<br />
Daten) gegeben ist,<br />
• eine Steigerung der Datenübertragungsrate ermöglicht wird,<br />
• die verbale Kommunikation durch die Datenübertragung nicht beeinträchtigt<br />
wird,<br />
• die Alarmierung der ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen innerhalb einer<br />
Gebietskörperschaft (200 Einheiten mit jeweils 10 Mitgliedern innerhalb von<br />
15 Minuten) technisch realisierbar ist,<br />
• die so genannte Funk-Draht-Verbindung in alle Netze gegeben ist,<br />
• das digitale Funknetz der BOS 51 von kommerziell genutzten Netzen vollständig<br />
getrennt und unabhängig ist.<br />
Grundsätzlich müssen alle Fahrzeuge im Katastrophenschutz mit mindestens<br />
einem entsprechenden digitalen Funkgerät ausgestattet werden. Alle Fahrzeuge mit<br />
einer Besatzung von mehr als 5 Helfern sowie alle ABC-Erkundungsfahrzeuge und<br />
Gerätewagen Kommunikation sind mit mindestens einem entsprechenden Datenterminal<br />
(PC) auszustatten. Für jeden Trupp (ab zwei Helfer) muss ein digitales<br />
Handsprechfunkgerät zur Verfügung stehen.<br />
12.9.2 Anforderungen an die Leitstellen in der nicht polizeilichen<br />
Gefahrenabwehr<br />
Eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung wird mit integrierten Rettungs-<br />
Leitstellen (iRLSt) zur Alarmierung und Lenkung der Einheiten der nicht polizeilichen<br />
Gefahrenabwehr gewährleistet werden. Dabei ist anzustreben, dass mindestens<br />
in jeder Region eine auch für Großschadensfälle arbeitsfähige integrierte<br />
Leitstelle verfügbar ist.<br />
Grundsätzlich müssen die integrierten Leitstellen folgende Aufgaben sicherstellen:<br />
• Annahme der Notrufe (europaweit einheitlicher Notruf 112)<br />
• Alarmierung und Information von Angehörigen der verantwortlichen Führungskräfte<br />
und der Führungsstäbe (administrativ-organisatorische und operativ-taktische<br />
Führung)<br />
• Alarmierung der Krankenhäuser bei einem Massenanfall von Verletzten<br />
(MANV)<br />
51 Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />
202
• Alarmierung der Ver- und Entsorgungsbetriebe<br />
• Alarmierung der Verkehrsbetriebe (z.B. bei Evakuierungen oder Räumungen)<br />
• Warnung und Information der betroffenen Bevölkerung auf Weisung der politisch<br />
gesamtverantwortlichen Führungsperson<br />
• Alarmierung und Information der Polizei<br />
• Alarmierung, Heranführen und Bereitstellung aller Einheiten<br />
– der Feuerwehren (Brandschutz, technische Gefahrenabwehr, ABC-Schutz,<br />
Umweltschutz)<br />
– der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (Technische Züge und Fachgruppen)<br />
– der Notfallrettung (Rettungsdienst, Hilfsorganisationen, Feuerwehren und<br />
dgl.)<br />
– der Krankenbeförderung (Rettungsdienst, Hilfsorganisationen, Feuerwehren<br />
und dgl.)<br />
– des Sanitäts- und Betreuungsdienstes (Hilfsorganisationen)<br />
– des Notarztdienstes<br />
– der leitenden Notärzte<br />
– der Spezial-Einsatz-Gruppen52 (z.B. Tauchen, Rettung, Rettungshundestaffel<br />
und dgl.)<br />
– der kassenärztlichen Notdienstärzte<br />
– der Versorgung<br />
• Beschaffung von Informationen<br />
• Anlegen und Fortschreiben der übergeordneten Lagekarte<br />
• Anlegen und Fortschreiben der übergeordneten Kräftelage<br />
• Beschaffung, Bereitstellung und Übertragung von Informationen (z.B. Gefahrgutdaten).<br />
Es sollte für den Katastrophenschutz mittelfristig sichergestellt werden, dass alle<br />
wesentlichen Sicherheitselemente, die für gewerbliche Gefahrenmeldestellen gelten,<br />
auch bei öffentlichen integrierten Rettungs-Leitstellen umgesetzt werden53 .<br />
Insbesondere bei Gefahren von nationaler Bedeutung ist der schnelle Informationsaustausch<br />
zwischen benachbarten und/oder übergeordneten Leitstellen von<br />
zentraler Bedeutung. Um jederzeit der interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />
für Großschadenslagen beim BMI einen schnellen Überblick über die Gesamtlage<br />
zu gewähren, muss unter Einbeziehung von deNIS II ein spezielles Informations-Netz<br />
(„LSt-INTRANET“ 54 ) der integrierten Rettungs-Leitstellen mit einem<br />
52 auch Schnell-Einsatz-Gruppen genannt<br />
53Verband der Schadenversicherer (VdS), Richtlinie 2172 Wach- und Sicherheitsunternehmen – Bauliche,<br />
technische und personelle Voraussetzungen – Juni 1996<br />
54 Internes-Leitstellen-Informations-Netzwerk<br />
203
so genannten „Meldeticker“ 55 eingerichtet werden. Dieses Verfahren hat sich z.B.<br />
bei Großübungen im Rahmen der zivil-/militärischen Zusammenarbeit (große Seeunfallübung<br />
2001) bewährt und wird in ähnlicher Form zur Information bestimmter<br />
Stellen der Gefahrenabwehr innerhalb einzelner Länder (z.B. Freie und Hansestadt<br />
Hamburg) eingesetzt. Die Länder müssen dabei die integrierten Leitstellen<br />
der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr in eine hierarchische Struktur überführen<br />
und den Informationsaustausch der benachbarten und übergeordneten Leitstellen<br />
organisieren. Mit einem automatisierten Verfahren kann im so genannten Leitstellen-Intranet<br />
automatisch sichergestellt werden, dass Schadensereignisse ab einer<br />
bestimmten Größenordnung informell an die benachbarten und übergeordneten<br />
Leitstellen weitergeleitet werden. Mit diesem hierarchischen System wird dann<br />
gewährleistet, dass grundsätzlich alle potenziell betroffenen Stellen frühzeitig<br />
weitgehend automatisiert informiert sind und ggf. eigene Vorbereitungen, Informationen,<br />
Alarmierungen und Benachrichtigungen tätigen können. Für die Erstellung<br />
entsprechender gestufter Lagekarten liegen die erforderlichen Informationen<br />
gleichermaßen vor. Mobile Befehlsstellen müssen bedarfsgerecht entsprechend<br />
ihrer hierarchischen Stellung integriert werden. Die dafür erforderliche Soft- sowie<br />
die zentrale Hardware muss für den Katastrophenschutz bereitgestellt und kontinuierlich<br />
erneuert werden. Die beteiligten Leit- oder Befehlsstellen benötigen für<br />
die Integration einen leistungsfähigen INTERNET-Zugang an einem PC. Ein Eingriff<br />
in die übliche Leitstellensoftware ist nicht erforderlich. Diese weitgehend<br />
automatisierte Informationsstruktur stellt sicher, dass das nationale Melde- und<br />
Informationszentrum (MIC/D 56 , GMLZ) die Meldungen der Melde- und Informations-Zentren<br />
der Länder (z.B. MIC/BB 57 oder MIC/HH) bündelt und an das<br />
Monitoring- and Information-Centre der EU (MIC/EU) weiterleitet.<br />
Abbildung 5: Prinzipielle Darstellung des Informationsflusses in einem so genannten Leitstellen-<br />
INTRANET<br />
55 formalisierte Darstellung der Informationen via INTRANET in einem formalisierten Situations-<br />
Report (SITREP)<br />
56 Monitoring- and Information-Centre Germany, Gemeinsames Melde- und Lage-Zentrum<br />
57 Monitoring- and Information-Centre Brandenburg bzw. Hamburg<br />
204
12.10 TASK FORCE<br />
Um den speziellen Anforderungen insbesondere bei Gefahrenlagen von nationaler<br />
Bedeutung sachgerecht zu entsprechen, müssen weitere TASK FORCES aufgestellt<br />
und betrieben werden. TASK FORCES sollten grundsätzlich nur in Kompetenz-Zentren<br />
eingerichtet werden, die bereits entsprechende personelle und<br />
wesentliche materielle Ressourcen vorhalten. Diese materiellen Ressourcen müssen<br />
ggf. entsprechend dem Ergebnis der Risikoanalyse individuell ergänzt werden,<br />
wenn sichergestellt ist, dass die TASK FORCE jederzeit innerhalb von 30 Minuten<br />
nach der Alarmierung zu überregionalen Einsätzen abrücken kann. Die TASK<br />
FORCES beraten und unterstützen die örtliche Einsatzleitung bei den umzusetzenden<br />
taktischen Maßnahmen der Gefahrenabwehr sowie der Warnung bzw. Information<br />
der Bevölkerung. In besonderen Fällen führen die TASK FORCES die<br />
gebotenen Abwehrmaßnahmen im Auftrage der örtlich zuständigen Einsatzleitung<br />
eigenständig durch.<br />
Derzeit erscheint die Einrichtung von folgenden TASK FORCES aufgrund der<br />
beschriebenen Bedrohungslage und offenkundigen Risiken [4] [5] [7] [9] [13] [14]<br />
[31] erforderlich zu sein:<br />
a. Identifizierung und Überwachung von unbekannten Radionukliden 58<br />
b. Identifizierung von unbekannten biologischen Agenzien 59<br />
c. Identifizierung und Überwachung von unbekannten chemischen Stoffen<br />
d. Industriebrandbekämpfung<br />
e. Abdichten, Umfüllen, Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen Stoffen bei<br />
großen Schadstofffreisetzungen<br />
f. Schiffssicherung bei Havarien mit Seeschiffen und der Freisetzung gefährlicher<br />
Stoffe oder Bränden<br />
g. Entseuchung von Fahrzeugen, Geräten, Einrichtungen und Gebäuden, die mit<br />
hochinfektiösen Erregern kontaminiert sind<br />
h. Erkennen und Entschärfen 60 von unbekannten Spreng- und Brandmitteln<br />
i. Sicherstellung einer maritimen Notfallrettung auf See bei einem Massenanfall<br />
von verletzten/erkrankten Personen 61 .<br />
Aufgrund der offenkundigen Risiken erscheint die schnellstmögliche Einrichtung<br />
von fünf TASK FORCES der Kategorie a, b, c, g und h, jeweils 4 TASK FORCES<br />
der genannten Kategorie d und e sowie einer TASK FORCE der Kategorie f geboten.<br />
58 die ZUB ist weitgehend einer TASK FORCE gleichzusetzen (siehe Kap. 7.3)<br />
59 Umsetzung kann erst nach Abschluss der eingeleiteten <strong>Forschung</strong>s- und Entwicklungsvorhaben<br />
begonnen werden<br />
60 nur soweit dies aufgrund einer außergewöhnlichen Lage über die Möglichkeiten des örtlich zuständigen<br />
Kampfmittelbeseitigungsdienstes geht<br />
61 gehört grundsätzlich nicht zum Aufgabenfeld des <strong>Zivilschutz</strong>es, ist jedoch im Katastrophenschutz<br />
gleichermaßen nutzbar<br />
205
Die Einheiten und Einrichtungen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger<br />
62 sowie der maritimen Notfallrettung bei einem Massenanfall von verletzten<br />
oder erkrankten Personen auf See, sind bezüglich der Zielorientierung weitgehend<br />
den Strukturen einer TASK FORCE gleichzusetzen.<br />
12.10.1 Identifizierung und Überwachung von unbekannten Radionukliden<br />
Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei radiologischen Gefahrenlagen wird<br />
gewährleistet, wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Insbesondere<br />
bei Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten<br />
radioaktiven Stoffe nicht bekannt. Die üblicherweise verfügbare Ausstattung im<br />
Katastrophenschutz lässt eine Identifizierung grundsätzlich nicht zu. Die im<br />
Gewerbe genutzten Strahlenquellen sind auf der Grundlage der bestehenden<br />
Rechtsnormen bekannt und in den Einsatzplänen der Gefahrenabwehrbehörden<br />
detailliert beschrieben. Während bei großflächigen Gefahrenlagen das stationäre<br />
Messnetz sowie die Ursache (z.B. Kernwaffeneinsatz) eindeutige Rückschlüsse<br />
zulassen, ist bei kleinflächigen Kontaminationen (z.B. Freisetzung durch eine so<br />
genannte schmutzige Bombe) oder einzelnen Punktstrahlern (so genannte HOT<br />
SPOTS) eine unmittelbare Identifizierung geboten.<br />
Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen, müssen entsprechende<br />
TASK FORCES zur Identifizierung der Radionuklide für den überregionalen Einsatz<br />
bereitgestellt werden. Zur materiellen Ausstattung gehört mindestens:<br />
• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />
• 1 ABC-Messleitfahrzeug (ABC-MLF)<br />
• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />
• 1 Spürfahrzeug mit speziellen Mess- und Detektions-Systemen sowie dem erforderlichen<br />
Zubehör.<br />
Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />
Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenz-<br />
Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />
nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />
12.10.2 Identifizierung von unbekannten biologischen Agenzien<br />
Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei biologischen Gefahrenlagen wird gewährleistet,<br />
wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Insbesondere<br />
bei Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten biologischen<br />
Stoffe nicht bekannt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass biologische<br />
Gefahrenlagen erst mit der Häufung entsprechender Krankheitsbilder bei<br />
einer Vielzahl von Patienten erkannt werden.<br />
62 DGzRS<br />
206
Derzeit wird im Rahmen von zwei <strong>Forschung</strong>sprojekten ermittelt, ob und inwieweit<br />
spezielle Detektions- und Identifizierungsmöglichkeiten für einen schnellen<br />
Vor-Ort-Einsatz verfügbar sind. Erst mit dem Abschluss dieser Vorhaben kann entschieden<br />
werden, inwieweit die Einrichtung entsprechender TASK FORCES sinnvoll<br />
ist.<br />
12.10.3 Identifizierung und Überwachung von unbekannten chemischen<br />
Stoffen<br />
Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei chemischen Gefahrenlagen wird gewährleistet,<br />
wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Die üblicherweise<br />
im Katastrophenschutz verwendeten Detektions-Systeme lassen eine Identifizierung<br />
in der Regel nicht zu. Die Transportkennzeichnung sowie die Gefahrenabwehrpläne<br />
für Betriebe, die der Störfallverordnung unterliegen, liefern<br />
normalerweise die erforderlichen Informationen. Insbesondere bei Waffenwirkungen<br />
oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten gefährlichen chemischen<br />
Stoffe hingegen nicht bekannt. Spezielle Mess-Systeme lassen eine schnelle Vor-<br />
Ort-Identifizierung zu, die die erforderlichen Informationen für eine sachgerechte<br />
Gefahrenabwehr liefern. Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen,<br />
müssen entsprechende TASK FORCES zur Identifizierung der gefährlichen chemischen<br />
Stoffe für den überregionalen Einsatz bereitgestellt werden. Zur materiellen<br />
Ergänzung gehört mindestens:<br />
• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />
• 1 ABC-Messleitfahrzeug mit zusätzlichem Fernerkundungs-System (FTIR 63 )<br />
(ABC-MLF)<br />
• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />
• 1 Spürfahrzeug mit speziellen Mess- und Detektions-Systemen (z.B. GC-MS-<br />
System) sowie dem erforderlichen Zubehör<br />
Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />
Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenz-<br />
Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />
nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />
12.10.4 Brandbekämpfung in Verkehrs- und Industrieanlagen<br />
Insbesondere in den großen Ballungsräumen mit entsprechenden überdurchschnittlichen<br />
Industrie- und Verkehrsanlagen ist eine Konzentration von folgenden speziellen<br />
Risiken vorhanden:<br />
• ausgedehnte unterirdische Verkehrsanlagen mit einzelnen Streckenabschnitten<br />
von mehr als 1500 m<br />
• internationale Flughäfen mit Linienflugverkehr<br />
63passives Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer<br />
207
• internationaler See- und/oder Binnenschiffsverkehr mit hohen Umschlagsraten<br />
von Containern oder Massengut mit einem hohen Anteil von gefährlichen<br />
Gütern (> 20 %)<br />
• internationale <strong>Forschung</strong>seinrichtungen, z.B. mit Laboren der Bio-Gefahrgruppe<br />
B3/B4 oder Umgang mit offenen radioaktiven Strahlern<br />
• einer Vielzahl 64 von Betrieben, die der Störfallverordnung mit Sondereinsatzplan<br />
unterliegen<br />
• geschlossene Versammlungsstätten für mehr als 15 000 Zuschauer.<br />
Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen, müssen entsprechende<br />
TASK FORCES zur Industriebrandbekämpfung für den überregionalen Einsatz<br />
bereitgestellt werden. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />
• Wasser-/Schaum-Werfer hoher Leistung (> 20 000 L/min) 65<br />
• Teleskopbühne mit Monitor (> 40 m Arbeitshöhe)<br />
• Schaummittelvorrat (wasser- bzw. polymerfilmbildender Schaum AFFF)<br />
• Langzeitatemschutzgeräte für mehr als 2 h Einsatzzeit (z.B. Kreislaufgeräte)<br />
• Chemikalienschutzanzüge<br />
• Hochleistungslüfter (z.B. Belüftung unterirdischer Verkehrstunnelanlagen)<br />
• Turbolöscher (z.B. Wassernebel in großen Höhen, Lüftung unterirdischer Straßen-Tunnelanlagen,<br />
Verwirbelung von Schadstoffwolken).<br />
Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />
Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeigneten Kompetenz-<br />
Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />
nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />
12.10.5 Abdichten, Umfüllen, Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen<br />
Stoffen<br />
Insbesondere infolge von Waffenwirkungen oder gezielten Terroranschlägen auf<br />
Tanklager oder Pipelines können erhebliche Mengen gefährlicher Stoffe freigesetzt<br />
werden. Um eine Gefährdung für die Menschen und die Umwelt zu begrenzen,<br />
müssen die Rohrleitungen oder Tanks abgedichtet und kontrolliert entleert werden.<br />
Weiterhin sind die freigesetzten Stoffe aufzunehmen und zu entsorgen. Die vorhandenen<br />
Kapazitäten, insbesondere der Werk- und Betriebsfeuerwehren, reichen<br />
bei entsprechenden Szenarien nicht aus. Um den genannten Risiken sachgerecht<br />
zu begegnen, müssen entsprechende TASK FORCES zum Abdichten, Umfüllen,<br />
Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen Stoffen für den überregionalen Einsatz<br />
bereitgestellt werden. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />
• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />
64 Mehr als 25 Betriebe<br />
65 z.B. Willams-Werfer<br />
208
• 1 ABC-Mess-Leitfahrzeuge mit Fernerkundungs-System (ABC-MLF)<br />
• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />
• 1 Tankfahrzeug (Tank aus Edelstahl, Faltbehälter für aggressive Flüssigkeiten<br />
und dgl.)<br />
• 1 Rüstwagen Gefahrgut (Fackel, Umfüll- und Gaspendel-Systeme und dgl.)<br />
• 1 Öl-Wasser-Separations-Anlage (SEPCON).<br />
Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />
Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenzzentren<br />
erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />
nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />
12.10.6 Schiffssicherung bei Havarien mit Seeschiffen und der<br />
Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Bränden<br />
Derzeit stehen dem Havariekommando für die Schiffsicherung bei Havarien Kapazitäten<br />
zur Verfügung, die die normalen Risiken abdecken. Bei terroristischen<br />
Anschlägen wie auf das Tankmotorschiff LIMBURG (siehe Kap. 4) sind schnellstmöglich<br />
speziell ausgerüstete und trainierte Kräfte einer TASK FORCE zu aktivieren,<br />
die die Abwehrmaßnahmen der Schiffsleitung und der normalen Kräfte<br />
unterstützen. Die dafür benötigte Ausrüstung muss so gestaltet werden, dass sie<br />
mit den Einsatzkräften schnellstmöglich mit entsprechenden Transporthubschraubern<br />
zum Havaristen befördert werden kann. Als spezielle Ausstattung sind weitgehend<br />
dieselben Geräte erforderlich, die auch jetzt für die normalen Einsätze<br />
bereitgestellt sind. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />
• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />
• 1 LKW für den Transport der Ausrüstung<br />
• Langzeitatemschutzgeräte, Brandbekämpfungsmittel, Abdicht-, Auffang- und<br />
Neutralisationsmittel für gefährliche Stoffe<br />
• 1 Öl-Wasser-Separations-Anlage (SEPCON).<br />
Eine individuelle Zuordnung erfolgt auf der Grundlage der Risikoanalysen des<br />
Havariekommandos in Kooperation mit den Küstenländern an entsprechend geeigneten<br />
Kompetenz-Zentren.<br />
12.10.7 Entseuchung von Fahrzeugen, Geräten, Einrichtungen<br />
und Gebäuden<br />
Bei terroristischen Anschlägen oder Waffenwirkungen mit biologischen Agenzien<br />
kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Vielzahl von Bürgern erkranken und<br />
209
zusätzlich Krankenhausversorgungseinrichtungen aktiviert werden müssen. Nach<br />
erfolgreicher Seuchenbekämpfung müssen Fahrzeuge, Geräte, Einrichtungen oder<br />
ganze Gebäude sachgerecht desinfiziert werden. Dieses Aufgabenvolumen geht<br />
deutlich über die normal verfügbaren Mittel und Methoden hinaus. Zur Sicherstellung<br />
dieser komplexen Desinfektionsaufgaben müssen entsprechende TASK FOR-<br />
CES an geeigneten Kompetenz-Zentren eingerichtet werden. Zur materiellen<br />
Ergänzung gehört mindestens:<br />
• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />
• 1 Entseuchungsfahrzeug mit spezieller Ausstattung.<br />
Eine individuelle Zuordnung erfolgt auf der Grundlage der Risikoanalysen des<br />
Robert-Koch-Instituts in Kooperation mit den Landeshygieneämtern an entsprechend<br />
geeigneten Kompetenz Zentren.<br />
12.10.8 Erkennen und Entschärfen von unbekannten<br />
Spreng- und Brandmitteln<br />
Zur Vorbereitung terroristischer Aktivitäten oder Sabotageakten werden möglicherweise<br />
umfangreiche verdeckte Waffen- und Sprengstofflager angelegt und<br />
durch Sprengfallen gesichert. Für die Sicherung und Entschärfung dieser Waffenund<br />
Sprengstofflager müssen entsprechende TASK FORCES in Kooperation mit<br />
den Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt und den Kampfmittelbeseitigungsdiensten<br />
der Länder eingerichtet werden. Insbesondere durch eine intensive<br />
Einsatzvorbereitung mit einem entsprechenden Informationsaustausch wird das<br />
spezielle Fachwissen trainiert und erweitert. Zusätzliche technische Ausstattungen<br />
scheinen nicht geboten.<br />
12.11 Zentrale Einrichtungen<br />
12.11.1 Einrichtung von Logistik-Zentren<br />
Bei Katastrophen und Großschadenslagen müssen zur optimalen Gefahrenabwehr<br />
zusätzliche Einsatzmittel (z.B. Overgarment, Einweg-Kontaminations-Schutzanzüge,<br />
Motorkettensägen, Stromerzeuger, Prüfröhrchen, Pumpen, Chemikalienschutzanzüge,<br />
Atemfilter, Messgeräte, Sandsäcke, Wolldecken, Feldbetten, Zelte,<br />
Verband- und Arzneimittel) sowie entsprechende Verbrauchs- und Betriebsstoffe<br />
(Kraftstoff, Schaummittelkonzentrat, Einweggeschirr, Sand und dgl.) schnellstmöglich<br />
bereitgestellt werden, die üblicherweise in den entsprechenden Stückzahlen<br />
nicht auf den Einsatzfahrzeugen mitgeführt oder in den regionalen Stützpunkten<br />
vorgehalten werden. Weiterhin sind in der Regel zusätzliche überregional<br />
arbeitende Einsatzkräfte beteiligt, die in entsprechenden Bereitstellungsräumen<br />
gleichermaßen versorgt, verpflegt und ggf. untergebracht werden müssen. Für die<br />
betroffene Bevölkerung, die vorübergehend in Notunterkünften einquartiert werden<br />
muss, müssen gleichermaßen Vorhaltungen bereitgestellt werden. Um dieses<br />
210
entsprechend den örtlichen Risiken sicherzustellen, werden von den Ländern<br />
geeignete Liegenschaften ausgewählt, vorbereitet und entsprechende Einsatz- und<br />
Verbrauchsmittel vorgehalten. Dafür eignen sich insbesondere vorhandene landeseigene<br />
Logistik-Zentren, Landesfeuerwehr- oder Rettungsdienstschulen, Stützpunkt-<br />
oder Berufsfeuerwehren und feuerwehrtechnische Zentralen sowie vergleichbar<br />
geeignete Einrichtungen. Risikogerechte Ergänzungen dieser zusätzlichen<br />
Einsatz- und Verbrauchsmittel müssen für den Katastrophenschutz bereitgestellt<br />
und kontinuierlich ersetzt werden. Die Vorhaltung dieser Lagergüter (dabei<br />
sind Gruppen zu bilden) kann in jeweils unterschiedlichen Logistik-Zentren des<br />
Landes bzw. der Kommunen realisiert werden. Für die im Katastrophenfall erforderliche<br />
Transportlogistik muss ein geeignetes Transportfahrzeug (LKW mit Ladebordwand,<br />
Sattelträgerfahrzeug, Wechselladerträgerfahrzeug (16 t) mit Seilwinde<br />
und Kraneinrichtung mit zwei Abrollbehältern mit Plane, Spriegel und Ladebordwand<br />
oder dgl.) zur Verfügung stehen. Die im Bedarfsfall erforderliche Transportlogistik<br />
muss von der entsprechenden Einrichtung des Landes bzw. der Kommune<br />
über eine entsprechende Rufbereitschaft so sichergestellt werden, dass die angeforderten<br />
Einsatzmittel innerhalb von 90 bis 150 Minuten abmarschbereit sind.<br />
12.11.2 Transport- und Erkundungshubschrauber<br />
Zur Sicherstellung der bei Großschadensfällen oder Katastrophen erforderlichen<br />
Transport- bzw. Erkundungsbedarfe müssen geeignete Fluggeräte zeitgerecht<br />
bereitgestellt werden. Insbesondere der schnelle Transport einer TASK FORCE<br />
muss mit entsprechend geeigneten Fluggeräten gewährleistet werden.<br />
12.12 Grundsätze für Fahrzeuge und Geräte<br />
Die bereitzustellende technische Ausstattung für den Einsatz bei Gefahrenlagen<br />
von nationaler Bedeutung muss aufgrund der besonderen Situation bestimmten<br />
überdurchschnittlichen Anforderungen gerecht werden. Die Einsatzmittel des<br />
Katastrophenschutzes werden für die Rettung und Versorgung betroffener Menschen<br />
sowie zur Abwehr von Flächenbränden, technischer oder natürlicher Gefahren<br />
sowie zur Erkundung eingesetzt. Die in diesen Fällen vorherrschende Gefahrenlage<br />
ist dadurch gekennzeichnet, dass<br />
• eine Vielzahl von Menschen<br />
• eine große Region<br />
• die normal verfügbare Infrastruktur<br />
akut betroffen sind. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge und Geräte unter widrigen<br />
Bedingungen, in schwierigen Arbeitsbereichen, unter erheblichen Zeitdruck von<br />
überwiegend ehrenamtlichen Helfern eingesetzt werden müssen. Die Einsatzmittel<br />
werden dabei über einen langen Zeitraum an der technischen Leistungsgrenze<br />
betrieben. Weiterhin ist der Nachschub von Verbrauchs- und Betriebsmitteln in der<br />
Regel erst nach Stunden oder sogar Tagen möglich. Die Einhaltung von sonst<br />
üblichen Wartungs- und Pflegeintervallen ist in der Regel nicht gewährleistet.<br />
211
Dabei ist der erfolgreiche Einsatz dieser Geräte für viele betroffene Menschen die<br />
einzige Rettung. Es muss durch die Auswahl der bereitzustellenden Einsatzmittel<br />
gewährleistet werden, dass Fahrzeuge und Geräte diesen überdurchschnittlichen<br />
Anforderungen uneingeschränkt gerecht werden. Weiterhin muss die Ersatzteilund<br />
Betriebsmittelverfügbarkeit auch in Krisensituationen während der gesamten<br />
wirtschaftlichen Lebensdauer kurzfristig gewährleistet sein. Für Fahrzeuge oder<br />
Geräte, deren Ersatzteilversorgung aufgrund der Lebensdauer nur aus wenigen<br />
weit entfernten zentralen Lagern nach mehreren Tagen oder Wochen möglich ist,<br />
sind für den Einsatz im Katastrophenschutz ungeeignet. Um eine ortsnahe und<br />
schnelle Ersatzteilversorgung weitgehend problemlos sicherzustellen, müssen<br />
grundsätzlich handelsübliche und im normalen wirtschaftlichen Gewerbebetrieb<br />
verbreitete Systeme für die Fahrzeuge und Geräte zur Anwendung kommen. Für<br />
spezielle Einsatzmittel, die im gewerblichen Bereich weitgehend unüblich sind,<br />
müssen ggf. Verbrauchs- und Betriebsmittel sowie entsprechende Ersatzteile in<br />
geeigneter Weise verfügbar gehalten werden, damit in der akuten Katastrophenabwehr<br />
Engpässe ausgeschlossen sind.<br />
12.12.1 Lebens- und taktische Gebrauchsdauer<br />
Bezüglich der wirtschaftlichen Lebensdauer der technischen Ausstattung werden<br />
grundsätzlich folgende Bereiche differenziert:<br />
• Fahrgestell<br />
• Fahrzeugausrüstung (Geräte, Aggregate, Aufbauten und Einrichtungen die fest<br />
mit dem Fahrgestell bzw. dem Antrieb verbunden sind)<br />
• Ausstattung<br />
– Geräte / Beladung<br />
– Persönliche Ausstattung<br />
– Reserve- und Ergänzungsausstattung in Logistik-Zentren.<br />
Grundsätzlich muss für alle einzelnen Elemente auf der Basis wirtschaftlicher<br />
Grundsätze eine entsprechende Lebensdauer definiert sein. Die Gebrauchsdauer<br />
dieser Elemente endet spätestens dann, wenn der einsatztaktische/technische<br />
Zweck zur Gefahrenabwehr nicht mehr sachgerecht erfüllt wird. Die wirtschaftliche<br />
Lebensdauer kann dann außerhalb des Katastrophenschutzes über die taktische<br />
Gebrauchsdauer hinaus gehen. In den Fällen, wo das Fahrgestell aus wirtschaftlichen,<br />
einsatztaktischen und technischen Gründen noch weiter betrieben werden<br />
kann, die Fahrzeugausrüstung und/oder Ausstattung aber den taktisch und technischen<br />
Anforderungen der sachgerechten und schnellen Gefahrenabwehr bzw.<br />
-erkundung nicht mehr entspricht, muss durch eine entsprechende Grundinstandsetzung<br />
mit einer Anpassung der Ausrüstung und Ausstattung der taktische Einsatzwert<br />
an das erforderliche Profil angepasst werden. Der jeweilige Umfang der<br />
Grundinstandsetzung ist dabei vom jeweiligen Fahrzeugtyp, der technologischen<br />
Entwicklung und der taktischen Verwendbarkeit einzelner Ausrüstungen und Ausstattungen<br />
abhängig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Betrieb<br />
des Fahrgestells für die folgenden Jahre ausreichend gewährleistet bleibt. Die Ver-<br />
212
wendbarkeit einzelner Elemente der Ausstattung kann dabei deutlich kürzer oder<br />
in einzelnen Fällen auch länger sein, als die des Fahrzeuges.<br />
Die derzeit im Katastrophenschutz gebräuchlichen kalkulatorischen und tatsächlichen<br />
Betriebszeiten der Fahrzeuge müssen den taktischen Anforderungen angepasst<br />
werden. Der derzeitige Zeitaufwand für die Beschaffung von Ersatzteilen für<br />
Fahrzeuge die älter als 18 Jahre sind, ist mit den damit verbundenen Ausfallzeiten<br />
nicht akzeptabel und führt in vielen Bereichen zu Demotivation der ehrenamtlichen<br />
Helfer. Es ist künftig stärker zu berücksichtigen, dass die Industrie die<br />
flächendeckende Bereitstellung von Ersatzteilen nur für ca. 5 bis 7 Jahre nach<br />
Produktionseinstellung des Fahrzeugtyps gewährleistet. Dies wird aufgrund vorliegender<br />
Erfahrungen weitgehend nur noch von den deutschen Nutzfahrzeug-<br />
herstellern erreicht. Andere internationale Hersteller haben erfahrungsgemäß deutlich<br />
kürzere Zeiträume. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs werden auch<br />
die nationalen Hersteller weitere Reduzierungen vornehmen. Da im Bereich der<br />
Nutzfahrzeuge die jeweiligen Typen über einen Zeitraum von 5 bis 8 Jahren produziert<br />
werden, ergibt sich eine weitgehend flächendeckend gesicherte Ersatzteilbereitstellung<br />
von 7 bis maximal 15 Jahren. Die in der Vergangenheit von einzelnen<br />
Aufbauherstellern mehrfach praktizierte Verwendung spezieller Teile zur Aufrüstung<br />
des Serienfahrgestells in eine höhere Gewichtsklasse hat beispielhaft zu<br />
erheblichen zeitlichen und technischen Problemen bei der Ersatzteilbereitstellung<br />
(Stoßdämpfer, Reifen, Auspuffanlagen und dgl.) für die Fahrzeuge geführt. Diese<br />
Behinderungen müssen künftig im Katastrophenschutz weitgehend ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen mit den Fahrzeuggenerationen der vergangenen<br />
Jahrzehnte bestehen erhebliche Zweifel, ob die technische Qualität der Fahrzeuge<br />
und der speziellen Ausrüstung einen wirtschaftlichen Betrieb von mehr als<br />
18 Jahren erlauben.<br />
12.12.2 Gewichts- und Volumenreserve<br />
Bei einer langjährigen Verwendungszeit der Fahrzeuge von über 10 Jahren sind<br />
im Rahmen des technischen Fortschritts Veränderungen zu erwarten. Um den veränderten<br />
technischen oder taktischen Anforderungen zu entsprechen, müssen Fahrzeuge<br />
im Katastrophenschutz mit einer ausreichenden Gewichts- und Volumenreserve<br />
von mindestens 15 % konzipiert werden. Die Ausrüstung und Ausstattung<br />
muss, soweit es die technischen und taktischen Anforderungen zulassen, in Segment-<br />
bzw. Modulbauweise ausgeführt werden.<br />
12.12.3 Multifunktionalität<br />
Grundsätzlich muss mit den Fahrzeugen des Katastrophenschutzes ein möglichst<br />
weites Aufgabenspektrum multifunktional bearbeitet werden. Je höher der Gebrauchswert<br />
in der Bekämpfung von Großschadensfällen ist, desto höher ist die<br />
Akzeptanz bei den ehrenamtlichen Helfern. Fahrzeuge, die nur für ein begrenztes<br />
213
Spektrum konzipiert sind, sind daher nur bedingt geeignet. So wurden z.B. die<br />
Schlauchwagen und DEKON-P-Fahrzeuge während der Hochwasserkatastrophe<br />
Elbe 2002 als Transportfahrzeuge für Güter aller Art (z.B. Sandsäcke, Feldbetten,<br />
Wolldecken und dgl.) eingesetzt. Die Ladekapazität und die Ladebordwand ermöglichten<br />
eine multifunktionale Nutzung. Neben den Kernaufgaben der Fahrzeuge<br />
müssen weitgehend alternative, multifunktionale Nutzungsmöglichkeiten gewährleistet<br />
werden. Für die multifunktionale Verwendung muss sichergestellt werden,<br />
dass die jeweilige Beladung grundsätzlich von einer Person entladen werden kann.<br />
12.12.4 Einsatzdauer<br />
Alle Fahrzeuge und Geräte müssen grundsätzlich so konzipiert werden, dass eine<br />
sofortige Einsatzdauer von mindestens 8 Stunden gewährleistet wird. Mit entsprechenden<br />
Ladesystemen, Betriebsvorräten und Reserven (z.B. Akkus) kann dies<br />
sichergestellt werden.<br />
12.12.5 Betriebskosten<br />
Aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen müssen alle Maßnahmen Berücksichtigung<br />
finden, die die Betriebskosten des technisch/ taktischen Konzeptes begrenzen,<br />
ohne den Einsatzwert zu reduzieren.<br />
13 Zusammenfassung<br />
Auf der Basis der derzeit bestehenden technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes<br />
wurde unter Einbeziehung der Schwachstellen der offenkundig neuen<br />
Bedrohungslage und den Erfahrungen aus Großschadensfällen, Katastrophen und<br />
Terroranschlägen strategische Grundsätze bezüglich der technischen Ausstattung<br />
entwickelt. Die vielfältigen Wechselbeziehungen (z.B. Verfügbarkeit von ehrenamtlichen<br />
Helfern, Ausbildung und dgl.) wurden soweit möglich gewürdigt.<br />
Der Bund, die Länder und Kommunen bleiben in der Pflicht, eine den jeweiligen<br />
Risiken angepasste Einsatzplanung und -organisation zu realisieren sowie die<br />
erforderlichen Führungsstrukturen zu definieren bzw. der neuen Bedrohungslage<br />
anzupassen. Auf die Aufstellung spezieller multifunktionaler Katastrophenschutz-<br />
Einheiten wurde verzichtet, da damit eine Integration in die tägliche Gefahrenabwehr<br />
erschwert und keine ausreichenden Einsatzerfahrungen erworben werden<br />
können.<br />
Mit der strategischen Neukonzeption wird die technische Ausstattung dem Stand<br />
der Technik in der Gefahrenabwehr angepasst sowie auf die besonderen Risiken<br />
durch Waffenwirkungen, Terroranschläge und ABC-Gefahren fokussiert.<br />
Besonders hohe Risiken müssen mit der Einrichtung spezieller TASK FORCES<br />
(z.B. Industriebrandbekämpfung, Identifizierung von ABC-Gefahren und dgl.)<br />
aufgefangen werden.<br />
214
Weiterhin müssen spezielle unterstützende Leistungen (z.B. Datenverarbeitung,<br />
Erarbeitung von Ausbildungs- und Einsatzgrundsätzen) zentral erbracht werden,<br />
die insbesondere den überregionalen Einsatz der Einheiten in der Gefahrenabwehr<br />
gewährleisten und die Rettungsmaßnahmen für den betroffenen Bürger optimieren.<br />
Mit der vorgelegten strategischen Konzeption der technischen Ausstattung des<br />
Katastrophenschutzes für die Bewältigung national bedeutender Gefahrenlagen<br />
wurde den Ergebnissen der Risikobewertung der Länder, den daraus resultierenden<br />
strategischen Planungen zur Gefahrenabwehr sowie den entsprechend zu entwickelnden<br />
taktischen Prozessen vorgegriffen. Deshalb müssen die vorliegenden<br />
Ergebnisse in Abhängigkeit zu den strategischen und taktischen Gefahrenabwehrkonzepten,<br />
einer kritischen Kontrolle unterzogen und entsprechend weiterentwickelt<br />
bzw. angepasst werden. Gleichwohl erscheint es geboten, mit zielgerichteten<br />
Sofortmaßnahmen<br />
• den bereits getroffenen Entscheidungen zu folgen und vorhandene Möglichkeiten<br />
zur Aktivierung von TASK FORCES zu nutzen,<br />
• die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erstellung der Risikound<br />
Verwundbarkeits-Analysen zu realisieren,<br />
• eine ganzheitliche Betrachtung aller gebotenen Maßnahmen einzuleiten und<br />
• gebotene Entwicklungen von Prototypen für die Felderprobung voranzutreiben.<br />
Die dafür erforderlichen Mittel müssen bereitgestellt werden.<br />
14 Quellen<br />
[1] Ständige Konferenz der Innenminister / -senatoren der Länder (IMK)<br />
Beschluss TOP 23 vom 06.06.2002<br />
Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />
[2] Gesetz zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
<strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetz – ZSNeuOG<br />
BGBl. 1997 Teil I Nr. 21 S. 726 ff<br />
[3] Bundesministerium des Innern<br />
Bericht zur zivilen Verteidigung – Gesamtkonzeption –<br />
Juni 1995<br />
[4] Bundesministerium des Innern<br />
Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen<br />
und im Verteidigungsfall<br />
Zweiter Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim BMI<br />
Oktober 2001<br />
215
[5] Bundesministerium des Innern<br />
Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen<br />
und im Verteidigungsfall<br />
Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim BMI<br />
Oktober 1996<br />
[6] Bundesministerium des Innern<br />
Konzeption zur Informationszentrale des Bundes<br />
– Deutsches Notfallvorsorge Informations-System deNIS –<br />
Geschäftsstelle der Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />
BMI, THW, BZS, BVA 2000<br />
[7] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />
Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />
Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwikklung<br />
des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
Grundsatzpapier für das Bundesministerium des Innern und den Arbeitskreis<br />
V der Innenministerkonferenz (AKV/IMK)<br />
Entwurf Stand: 01. März 2002<br />
[8] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />
Bund-Länder Zusammenarbeit in Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
Ergebnisprotokoll des Workshop 13. + 14. 12. 2001<br />
[9] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />
Neukonzeption des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />
– Bedrohungsanalyse, Szenarien, Handlungsbedarf –<br />
Tischvorlage der AKNZ zum Workshop am 13. + 14. 12. 2001<br />
[10] Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> –<br />
Feinkonzept über die Kostenregelung für die Standortebene des Katastrophenschutzes<br />
im <strong>Zivilschutz</strong><br />
2002<br />
[11] Hessisches Ministerium des Innern und für Sport<br />
Katastrophenschutz in Hessen<br />
Hessisches Ministerium des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit<br />
dem Landesbeirat für Brandschutz, Allgemeine Hilfe und Katastrophenschutz<br />
August 2002<br />
[12] Hessisches Ministerium des Innern und für Sport<br />
Katastrophenschutz in Hessen – Gefährdungsanalyse für das Land Hessen –<br />
Hessisches Ministerium des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit<br />
dem Landesbeirat für Brandschutz, Allgemeine Hilfe und Katastrophenschutz<br />
September 2000<br />
216
[13] Deutscher Städtetag<br />
Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren im Deutschen Städtetag<br />
Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Teil A Eckpunkte<br />
[14] Deutscher Städtetag<br />
Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren im Deutschen Städtetag<br />
Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Teil B Konzeption<br />
[15] Malteser Hilfsdienst<br />
R. Kersten<br />
Infektionstransporte nach dem Einsatz von Kampfstoffen<br />
– Eine Herausforderung für den Sanitätsdienst im Katastrophenschutz –<br />
NOTFALLVORSORGE 1/2002 S. 18 ff<br />
[16] DRK Generalsekretariat<br />
Der Hilfszug des Deutschen Roten Kreuzes<br />
Juli 2002<br />
[17] DRK Generalsekretariat<br />
Einsatzmodule der internationalen Katastrophenhilfe<br />
– Emergency Response Units (ERUs) –<br />
Juli 2002<br />
[18] Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V.<br />
Möglichkeiten zur Einbindung der Wasserrettung in das System der Gefahrenabwehr<br />
von Bund, Ländern und Gemeinden<br />
Präsidium Februar 2002<br />
[19] Deutscher Feuerwehr Verband e. V.<br />
Die Hochwasserkatastrophe an der Elbe im August 2002<br />
Erfahrungen – Analysen – Konsequenzen<br />
Sept. 2002<br />
[20] Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands<br />
Sichtungskategorien im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz<br />
– Ergebnisse der 1. Konsensuskonferenz 15.03.2002 –<br />
BAND e. V.<br />
[21] Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e. V.<br />
Protokoll der Arbeitsgruppe „CIMIC-Kooperation zwischen Streitkräften,<br />
Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen“<br />
2000<br />
217
[22] Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz<br />
Ergebnisprotokoll der 5. Plenarsitzung der ständigen Konferenz für<br />
Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz<br />
2000<br />
[23] LFV Baden-Württemberg<br />
Positionspapier zum Zivil- und Katastrophenschutz<br />
Brandhilfe 11/2001 Seite 371 ff.<br />
[24] LFV Sachsen<br />
Führungsorganisation und Führungsmittel für Feuerwehreinsätze mit<br />
gefährlichen Stoffen und Gütern – Rahmenempfehlung 002 –<br />
Landesfeuerwehrverband Sachsen e. V. 1999<br />
[25] Berliner Feuerwehr<br />
Seminarband zum 10. Seminar über Großschadenereignisse<br />
Gemeinsame Veranstaltung der Berliner Polizei und Feuerwehr 2000<br />
[26] Polizei München<br />
Emergency Procedures Information Centre – EPIC –<br />
Informationsbroschüre zur Gemeinsamen Auskunftsstelle – GAST – 1995<br />
[27] U. Krieger<br />
Das Rettungswesen und der Sanitätsdienst in außerordentlichen Lagen in<br />
der Schweiz<br />
Vortrag im Rahmen der 43. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />
Bundesminister des Innern 1994<br />
[28] E. Pfenninger; W. Birkholz<br />
Statuserhebung zur Situation medizinischer Hilfssysteme im Zivil- und<br />
Katastrophenschutz in der BRD<br />
Vortrag im Rahmen der 42. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />
Bundesminister des Innern 1993<br />
[29] E. Pfenninger; D. Richter, W. Birkholz<br />
Ergebnisse zur Statuserhebung des medizinischen Katastrophenschutzes in<br />
der BRD<br />
Vortrag im Rahmen der 43. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />
Bundesminister des Innern 1994<br />
[30] W. R. Dombrowsky<br />
Humanitäre Hilfe in Ruanda. Erfahrungen aus einem Quick-Alert-Einsatz<br />
für die Katastrophenbegleitforschung und die Ausbildung<br />
Vortrag im Rahmen der 44. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />
Bundesminister des Innern 1995<br />
[31] Prof. Dr.-Ing. G. Matz, A. Schillings, P. Rechenbach<br />
TASK FORCE für die Schnellanalytik bei großen Chemieunfällen und<br />
218
Bränden<br />
Technische Universität Hamburg-Harburg<br />
März 2001<br />
[32] Prof. Dr. L. Clausen, Dr. W. Dombrowsky, J. Horenczuk, Dr. W. Streitz<br />
Erstellung eines Schutzdatenatlasses<br />
Katastrophenschutzforschungsstelle der Christian-Albrechts-Universität zu<br />
Kiel<br />
November 2001<br />
[33] Kommission „Krankenhausapotheken und Arzneimittelwesen“<br />
Arznei- und Verbandmittelliste für Krankenhäuser als Vorhaltung für Notund<br />
Katastrophenfälle<br />
DAS KRANKENHAUS Nr. 11 1985 S. 471 ff<br />
[34] Ch. Hugo, W. Probst<br />
Achtung Bio-Einsatz! – Das Einsatzkonzept der Feuerwehr Planegg –<br />
BRANDSCHUTZ Nr. 4 2002 S. 362 ff<br />
[35] Chr. Jochum<br />
Gefahrenanalyse zur Bewertung des Gefahrenpotenzials von prozessbezogenen<br />
Anlagen<br />
Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />
– Fb 985 – 2000<br />
[36] R. Lipp<br />
Führen im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
[37] E. Plate, L. Clausen, U. de Haar, H.-B. Kleeberg, G. Klein,<br />
G. Mattheß, R. Roth H. Schmincke<br />
Naturkatastrophen und Katastrophenvorbeugung<br />
Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />
VCH Verlagsgesellschaft 1993<br />
[38] S. Hartwig<br />
Große technische Gefahrenpotenziale – Risikoanalysen und Sicherheitsfragen<br />
–<br />
Battelle-Institut Springer-Verlag 1983<br />
[39] S. M. Christoph; A. Woltmann; E. Muhl; H. P. Bruch<br />
Effektive präklinische Polytraumaversorgung – Strategien zwischen optimaler<br />
Therapie und schneller Versorgung in einem Krankenhaus –<br />
Notfallsymposium Lübeck Mai 2002<br />
[40] Prof. Dr. J. de Boer<br />
Order in Chaos –modelling medical disaster management–<br />
Department of Surgery –Free University Hospital Amsterdam–<br />
219
[41] T. Hinsche<br />
Hausarbeit „Es ist ein Konzept zu entwickeln, wie das vom Bund zur Verfügung<br />
gestellte ABC-Erkundungsfahrzeug in die allgemeine Taktik der<br />
Gefahrenabwehr der Feuerwehren integriert werden kann“<br />
Brand- und Katastrophenschutzschule Heyrothsberge September 2002<br />
[42] G. Julga<br />
Perspektiven und Innovation – Fixation – Transport – Rettungsmittel –<br />
Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />
[43] P. Kober<br />
Infektionsschutzgesetz – Richtlinie zum Management hochkontagiöser<br />
Erkrankungen im Land Mecklenburg-Vorpommern –<br />
Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />
[44] N. Wischnewski<br />
Infektionsrisiko im Rettungsdienst<br />
Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />
[45] B. Domres, A. Manger<br />
Einheitliche gesetzliche Vereinbarung für Schnell-Einsatz-Gruppen notwendig?<br />
Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />
[46] Bundesministerium des Innern<br />
Modellrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland bis zum Jahr 2050<br />
Juli 2000<br />
[47] BMI Interministerielle Koordinierungsgruppe<br />
Konzeption zur Informationszentrale des Bundes – Deutsches Notfallvorsorge<br />
Informations-System – (deNIS)<br />
November 2000<br />
[48] M. Stein<br />
Die Rolle des Ehrenamtes in marktfähigen Geschäftsfeldern<br />
Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />
[49] DFV<br />
Feuerwehr-Jahrbuch 2002/03<br />
Deutscher Feuerwehr-Verband e. V.<br />
[50] J. Schreiber<br />
Massenanfall von Verletzten (MANV) mit gefährlichen Stoffen und Gütern<br />
(GSG) – Einsatzbearbeitung durch den Sanitäts- und Rettungsdienst –<br />
SEGmente, Band 6 Vorabdruck, 2002<br />
220
[51] Freie und Hansestadt Hamburg<br />
Möglichkeiten der technischen Konzeption des Brandschutzdienstes<br />
Behörde für Inneres, Feuerwehr – Einsatzabteilung – August 2001<br />
[52] Ausschuss Rettungswesen<br />
Massenanfall von Verletzten und Erkrankten (MANV)<br />
Bericht der Arbeitsgruppe im Ausschuss Rettungswesen Januar 2001<br />
[53] Ausschuss Rettungswesen<br />
Strukturfragen<br />
Bericht der Arbeitsgruppe im Ausschuss Rettungswesen Januar 2001<br />
[54] LFV Baden-Württemberg<br />
Weiterentwicklung des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />
Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg zur<br />
Konkretisierung von Maßnahmen vom Sept. 2002<br />
[55] Freie und Hansestadt Hamburg<br />
Bericht des Polizeipräsidenten in Hamburg als örtlichen Luftschutzleiter<br />
über die schweren Großluftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 –<br />
Erfahrungen –<br />
Teil I Berichtsband Okt. 1943<br />
[56] Freie und Hansestadt Hamburg<br />
Bericht des Polizeipräsidenten in Hamburg als örtlichen Luftschutzleiter<br />
über die schweren Großluftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 –<br />
Erfahrungen –<br />
Teil II Anlagenband Okt. 1943<br />
[57] Dipl.-Ing. H. Brunswig<br />
Einsatzerfahrungen des Brandschutzdienstes – Eine kritische Darstellung<br />
der Brandschutzorganisation, Brandschutztechnik und Brandschutztaktik<br />
des zivilen Luftschutzes im zweiten Weltkrieg –<br />
Gutachten für das Bundesamt für Zivilen Bevölkerungsschutz 1959<br />
[58] Freie und Hansestadt Hamburg<br />
Bericht des vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg berufenen<br />
Sachverständigen Ausschusses zum Ablauf der Flutkatastrophe 1962<br />
1962<br />
[59] S. Bondke<br />
Erfahrungen der Feuerwehr Hamburg bei den niedersächsischen Waldbränden<br />
1975 mit Vorschlägen zur Bildung einer leistungsfähigen Katastrophenschutzleitung<br />
Feuerwehr Hamburg 1976<br />
221
[60] EU<br />
Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des<br />
Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit<br />
Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 12.06.1989<br />
[61] EU<br />
Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des<br />
Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsverhältnis<br />
oder Leiharbeitsverhältnis<br />
Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 25.06.1991<br />
[62] EU<br />
Ermittlung von physikalischen, biologischen oder chemischen Risiken im<br />
Hinblick auf die Verwendung persönlicher Schutzausrüstungen<br />
Anhang I der Richtlinie 89/391/EWG<br />
[63] K. Senkpiel, H. Ohgke<br />
Biologische Aspekte von Luft-, speziell Atemschutz-Filtern<br />
Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Medizinischen<br />
Universität zu Lübeck Sept. 2001<br />
[64] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, D. Scholz, G. Fell, H. Bußmann<br />
Rahmenkonzept zur Gefahrenabwehr bei außergewöhnlichen Seuchengeschehen<br />
Gesundheitswesen Nr. 63/2001 S. 695 ff<br />
[65] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, B. Ruf, U. Koch, T. Grünewald<br />
Erste medizinische Maßnahmen und antiepidemische Maßnahmen bei<br />
Verdacht auf virales hämorrhagisches Fieber<br />
MED WELT Nr. 52/2001 S. 126/23 ff<br />
[66] Deutscher Bundestag<br />
Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Zukunft des Bürgerlichen<br />
Engagements“<br />
Bundestags-Drucksache 14/8900 vom Juni 2002<br />
[67] Deutscher Bundestag<br />
Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“<br />
Bundestags-Drucksache 14/8800 vom März 2002<br />
[68] H. Birg<br />
Die demographische Zeitenwende – der Bevölkerungsrückgang in Deutschland<br />
und Europa –<br />
Verlag C. H. Beck 2001<br />
222
[69] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, B. Ruf, U. Koch, T. Grünewald, E.-J. Finke,<br />
M. Niedrig, D. Scholz, G. Fell, H. Bußmann, H. Bergmann, K. Fleischer,<br />
B. Ruf<br />
Schutz vor lebensbedrohenden importierten Krankheiten<br />
Bundesgesundheitsblatt Nr. 10/2000<br />
[70] Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren der Länder (IMK)<br />
Beschluss TOP 36 vom 06.12.2002<br />
Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />
[71] Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren der Länder (IMK)<br />
Beschluss TOP 36 vom 06.12.2002<br />
Unterstützung durch die Bundeswehr beim Schutz der Bevölkerung vor den<br />
Folgen terroristischer Anschläge, insbesondere für die Bereiche biologische<br />
und chemische Stoffe, Sanitätswesen und Kommunikation<br />
[72] Robert-Koch-Institut<br />
Zielgerichtetes bund-länderübergreifendes biologisches Krisenmanagement<br />
Aufgaben, personelle und materielle Anforderungen (Biological Risk<br />
Management)<br />
Projektbereicht 2002<br />
[73] NRW<br />
Neukonzeption der Abwehr von Großschadenereignissen im Land Nordrhein-Westfalen<br />
– Struktur, Stärke, Ausstattung und Verteilung der nach dem<br />
FSHG mitwirkenden Einheiten –<br />
Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen Okt. 1998<br />
[74] NRW<br />
Einsatzplanung für den Massenanfall von Verletzten (MANV) am Beispiel<br />
der Stadt Köln<br />
Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen Mai 2001<br />
[75] BVA/AKNZ/Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte<br />
Deutschlands<br />
Dokumentation der Sichtung bei Großschadenereignissen und Katastrophen<br />
Bericht zur 2. Konsensuskonferenz in Bad Breisig am 29.10.2002<br />
[76] Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V.<br />
Ergänzungsvorschläge zum Fachbereich Wasserrettung<br />
Präsidium Januar 2003<br />
[77] Bayerisches Staatsministerium des Innern<br />
Jahrbuch für den Brand- und Katastrophenschutz 2003<br />
223
[78 IdF NRW<br />
Neukonzeption zur Abwehr von Großschadenereignissen im Land NRW<br />
Struktur, Stärke, Ausstattung und Verteilung der nach dem FSHG mitwirkenden<br />
Einheiten<br />
Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen<br />
[79] Dr. A. Ziegler<br />
Massenanfall kontaminierter Personen aus (not-)ärztlicher Sicht<br />
Vortrag im Rahmen der Internationalen Fachtagung der Vereinigung für<br />
Gefahrstoff- und Brandschutzforschung an der Universität Salzburg im<br />
Februar 2003<br />
[80] SBCCOM<br />
Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />
Guidlines for Mass Casualty Decontamination During a Terrorist Chemical<br />
Agent Incident<br />
US Army Soldier and Biological Chemical Command Jan. 2000<br />
[81] SBCCOM<br />
Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />
Guidlines for Cold Weather Mass Casualty Decontamination During a<br />
Terrorist Chemical Agent Incident<br />
US Army Soldier and Biological Chemical Command Jan. 2002<br />
[82] SBCCOM<br />
Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />
Guidlines for Incident Commander’s Use of Firefighter Protective Ensemble<br />
(FFPE) with Self-Contained Breathing Apparatus (SCBA) for Rescue<br />
Operations During a Terrorist Chemical Agent Incident<br />
US Army Soldier and Biological Chemical Command Aug. 1999<br />
[83] Haz Mat for Health Care<br />
Management of the Contaminated Patient –Use of a Decon Resource Team-<br />
[84] Queensland Government<br />
Chemical /Haz Mat Plan-A Functional Plan of the State of Queensland<br />
Multi-Agency Response Plan to CBR Incidents<br />
State of Queensland Jan. 2002<br />
[85] R. Napier<br />
Nerv Gas Attack –Tokyo–<br />
FIRE & RESCUE S 34 ff, 1995<br />
[86] H. Murakami<br />
Untergrundkrieg – Der Anschlag auf Tokio –<br />
DUMONT 2002<br />
224
[87] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />
Sachstandsbericht zur Problemstudie – Risiken in Deutschland –<br />
Tischvorlage der AKNZ zur 10. Sitzung des AFKzV in<br />
Dresden am 19. + 20. Februar 2003<br />
[88] D. Stratmann<br />
Strategien des Rettungsdienstes – Konsequenzen nach dem 11. September<br />
2001 –<br />
NOTFALL & RETTUNGSMEDIZIN 2/2003 S. 102 ff<br />
[89] MPK<br />
Zivil- und Katastrophenschutz<br />
TOP 2 der Besprechung der Regierungschefs der Länder am 27.03.2003 in<br />
Berlin<br />
[90] H. P. von Kirchbach<br />
Bericht der unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung<br />
Flutkatastrophe 2002<br />
Sächsische Staatsregierung 2002<br />
[91] BAND e. V.<br />
Positionspapier der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte<br />
Deutschlands<br />
NOTARZT Nr. 19, 2003 S. 37 ff<br />
[92] agbf<br />
Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren<br />
im Deutschen Städtetag<br />
BRANDSCHUTZ Nr. 56, 2002 S. 946 ff<br />
225
Autoren<br />
Henschler, Detlev<br />
Professor Dr.<br />
Institut für Toxikologie der<br />
Universität<br />
Versbacher Straße 9<br />
97078 Würzburg<br />
Himmelseher, Sabine<br />
Dr. med.<br />
Klinik für Anästhesiologie<br />
Klinikum rechts der Isar<br />
Technische Universität München<br />
Ismaningerstraße 22<br />
81675 München<br />
Knobloch, Jürgen<br />
Professor Dr.<br />
Institut für Tropenmedizin<br />
Universitätsklinikum Tübingen<br />
Keplerstraße 15<br />
72074 Tübingen<br />
König, Silke<br />
Universitätsklinik für<br />
Anästhesiologie<br />
Universitätsklinikum Ulm<br />
Steinhövelstraße 9<br />
89075 Ulm<br />
Miska, Horst<br />
Dr.<br />
Ministerium des Innern<br />
und für Sport<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Mainz<br />
Pfenninger, Ernst<br />
Professor Dr. med.<br />
Universitätsklinik für<br />
Anästhesiologie<br />
Klinikum der Universität Ulm<br />
Steinhövelstraße 9<br />
89075 Ulm<br />
Popović, Michael<br />
Dr. med<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Landesärztekammer Hessen<br />
Im Vogelsgesang 3<br />
60488 Frankfurt<br />
Reichenbach, Heinz<br />
Dr.<br />
Steinmatten 34<br />
79194 Gundelfingen<br />
Rechenbach, Peer<br />
Dr.<br />
Diplom-Ingenieur<br />
Ltd. Branddirektor<br />
Hamburg<br />
Rosen, Klaus-Henning<br />
Ministerialdirektor<br />
Abteilungsleiter im<br />
Bundesministerium des Innern<br />
Alt Moabit 101 D<br />
10559 Berlin<br />
227
Scharmann, Arthur<br />
Professor Dr. Dr. h.c. mult.<br />
I. Physikalisches Institut der<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Heinrich-Buff-Ring 16<br />
35392 Gießen<br />
Steig, Joachim<br />
Ministerialdirektor<br />
Abteilungsleiter im<br />
Bundesministerium des Innern<br />
Alt Moabit 101 D<br />
10559 Berlin<br />
Ternes Thomas<br />
ESWE-Institut an der<br />
Johannes Gutenberg-<br />
Universität Mainz<br />
Söhnleinstraße 152<br />
65201 Wiesbaden<br />
Wilken, Rolf-Dieter<br />
Prof. Dr.<br />
ESWE-Institut an der<br />
Johannes Gutenberg-<br />
Universität Mainz<br />
Söhnleinstraße 152<br />
65201 Wiesbaden<br />
Weiss, Wolfgang<br />
Professor Dr.<br />
Bundesamt für Strahlenschutz<br />
Rosastr. 9<br />
79098 Freiburg<br />
228<br />
Wirth Erich<br />
Dr.<br />
Bundesamt für Strahlenschutz<br />
Rosatr. 9<br />
79098 Freiburg
Band 56<br />
Aufbau und Ablauf der Dekontamination<br />
und Notfallversorgung Verletzter bei<br />
Zwischenfällen mit chemischen Gefahrstoffen<br />
2005, 272 Seiten, Broschur<br />
Band 55<br />
51. und 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
– Vorträge –<br />
2005, 232 Seiten, Broschur<br />
Band 54<br />
E. Pfenninger, S. Himmelseher, S. König<br />
Untersuchung zur Einbindung des Öffentlichen<br />
Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />
Versorgung in der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
2005, 288 Seiten, Broschur<br />
Band 53<br />
L. Clausen<br />
Schwachstellenanalyse aus Anlass der<br />
Havarie der PALLAS<br />
2003, 219 Seiten, Broschur<br />
Band 52<br />
49. und 50. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
- Vorträge –<br />
2003, 212 Seiten, Broschur<br />
Band 51<br />
W.R. Dombrowsky, J. Horenczuk, W. Streitz<br />
Erstellung eines Schutzdatenatlasses<br />
2003, 268 Seiten, Broschur<br />
<strong>Zivilschutz</strong>-<strong>Forschung</strong>, Neue Folge<br />
Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />
Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />
ISSN 0343-5164<br />
Band 50<br />
R. Zech<br />
Entgiftung von Organophosphaten durch<br />
Phosphorylphosphatasen und Ethanolamin<br />
2001, 186 Seiten, Broschur<br />
Band 49<br />
G. Matz, A. Schillings, P. Rechenbach<br />
Task Force für die Schnellanalytik bei<br />
großen Chemieunfällen und Bränden<br />
2003, 268 Seiten, Broschur<br />
Band 48<br />
<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des<br />
Innern<br />
“Zweiter Gefahrenbericht“<br />
2001, 92 Seiten, Broschur<br />
Band 47<br />
J. Rasche, A. Schmidt, S. Schneider, S Waldtmann<br />
Organisation der Ernährungsnotfallvorsorge<br />
2001, 86 Seiten, Broschur<br />
Band 46<br />
F. Gehbauer, S. Hirschberger, M. Markus<br />
Methoden der Bergung Verschütteter aus<br />
zerstörten Gebäuden<br />
2001, 232 Seiten, Broschur<br />
Band 45<br />
V. Held<br />
Technologische Möglichkeiten einer möglichst<br />
frühzeitigen Warnung der Bevölkerung<br />
- Kurzfassung -<br />
Technological Options for an Early Alert of<br />
the Population<br />
- Short Version -<br />
2001, 144 Seiten, Broschur<br />
229
Band 44<br />
E. Pfenninger, D. Hauber<br />
Medizinische Versorgung beim Massenanfall<br />
Verletzter bei Chemikalienfreisetzung<br />
2001, 140 Seiten, Broschur<br />
Band 43<br />
D. Ungerer, U. Morgenroth<br />
Empirisch-psychologische Analyse des<br />
menschlichen Fehlverhaltens in Gefahrensituationen<br />
und seine verursachenden und<br />
modifizierenden Bedingungen sowie von<br />
Möglichkeiten zur Reduktion des Fehlverhaltens<br />
2001, 300 Seiten, Broschur<br />
Band 42<br />
45., 46. und 48. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
- Vorträge -<br />
2000, 344 Seiten, Broschur<br />
Band 41<br />
W. König, A. Drynda, B. König, R.Arnold, P.<br />
Wachtler, M. Köller<br />
Einfluss von Zytokinen und Lipidmediatoren<br />
auf die Kontrolle und Regulation spezifischer<br />
Infektabwehr bei Brandverletzung<br />
2001, 76 Seiten, Broschur<br />
Band 40<br />
F. Schuppe<br />
Entwicklung von Dekontaminationsmitteln<br />
und –verfahren bei Austritt von Industriechemikalien<br />
2001, 124 Seiten, Broschur<br />
Band 39<br />
TÜV Energie und Umwelt GmbH<br />
Optimierung des Schutzes vor luftgetragenen<br />
Schadstoffen in Wohngebäuden<br />
2001, 108 Seiten, Broschur<br />
Band 38<br />
W. Kaiser, M. Schindler<br />
Rechnergestütztes Beratungssystem für das<br />
Krisenmanagement bei chemischen Unfällen<br />
(DISMA®)<br />
1999, 156 Seiten, Broschur<br />
Band 36<br />
M. Weiss, B. Fischer, U. Plappert, T. M. Fliedner<br />
Biologische Indikatoren für die Beurteilung<br />
multifaktorieller Beanspruchung<br />
Experimentelle, klinische und systemtechnische<br />
Untersuchung<br />
1998, 104 Seiten, Broschur<br />
230<br />
Band 35<br />
K Amman, A.-N. Kausch, A. Pasternack, J.<br />
Schlobohm, G. Bresser, P. Eulenburg<br />
Praxisanforderungen an Atem- und Körperschutzausstattung<br />
zur Bekämpfung von<br />
Chemieunfällen<br />
2003, 158 Seiten, Broschur<br />
Band 34<br />
S. Bulheller, W. Heudorfer<br />
Untersuchung der Wirksamkeit von Selbstschutzausstattung<br />
bei Chemieunfällen<br />
2003, 278 Seiten, Broschur<br />
Band 33<br />
J. Bernhardt, J. Haus, G. Hermann, G. Lasnitschka,<br />
G. Mahr, A. Scharmann<br />
Laserspektrometrischer Nachweis von<br />
Strontiumnukliden<br />
1998, 128 Seiten, Broschur<br />
Band 32<br />
G. Müller<br />
Kriterien für Evakuierungsempfehlungen bei<br />
Chemikalienfreisetzungen<br />
1998, 244 Seiten +Faltkarte, Broschur<br />
Band 31<br />
G. Schallehn und H. Brandis<br />
Beiträge zur Isolierung und Identifizierung<br />
von Clostridium sp. und Bacillus sp. sowie<br />
zum Nachweis deren Toxine<br />
1998, 80 Seiten, Broschur<br />
Band 30<br />
G. Matz<br />
Untersuchung der Praxisanforderung an<br />
die Analytik bei der Bekämpfung großer<br />
Chemieunfälle<br />
1998, 192 Seiten, Broschur<br />
Band 29<br />
D. Hesel, H. Kopp und U. Roller<br />
Erfahrungen aus Abwehrmaßnahmen bei<br />
chemischen Unfällen<br />
1997, 152 Seiten, Broschur<br />
Band 28<br />
R. Zech<br />
Wirkungen von Organophosphaten<br />
1997, 110 Seiten, Broschur<br />
Band 27<br />
G. Ruhrmann, M. Kohring<br />
Staatliche Risikokommunikation bei<br />
Katastrophen<br />
Informationspolitik und Akzeptanz<br />
1996, 207 Seiten, Broschur
Band 26<br />
43. und 44. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
- Vorträge -<br />
1997, 326 Seiten, Broschur<br />
Band 25<br />
K. Buff, H. Greim<br />
Abschätzung der gesundheitlichen Folgen<br />
von Großbränden<br />
- Literaturstudie - Teilbereich Toxikologie<br />
1997, 138 Seiten, Broschur<br />
Band 24<br />
42. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
- Vorträge -<br />
1996, 205 Seiten, Broschur<br />
Band 23<br />
K. Haberer, U. Böttcher<br />
Das Verhalten von Umweltchemikalien in<br />
Boden und Grundwasser<br />
1996, 235 Seiten, Broschur<br />
Band 22<br />
B. Gloebel, C. Graf<br />
Inkorporationsverminderung für radioaktive<br />
Stoffe im Katastrophenfall<br />
1996, 206 Seiten, Broschur<br />
Band 21<br />
Arbeiten aus dem Fachausschuß III:<br />
Strahlenwirkungen – Diagnostik und Therapie<br />
1996, 135 Seiten, Broschur<br />
Band 20<br />
Arbeiten aus dem Fachausschuß V<br />
I. - D. Henschler: Langzeitwirkungen phosphororganischer<br />
Verbindungen<br />
II. - H. Becht: Die zellvermittelte typübergreifende<br />
Immunantwort nach Infektion mit dem<br />
Influenzavirus<br />
III. - F. Hoffmann, F. Vetterlein, G. Schmidt:<br />
Die Bedeutung vasculärer Reaktionen beim<br />
akuten Nierenversagen nach großen Weichteilverletzungen<br />
(Crush-Niere)<br />
1996, 127 Seiten, Broschur<br />
Band 19<br />
Radioaktive Strahlungen<br />
I. - B. Kromer unter Mitarbeit von K.O. Münnich,<br />
W. Weiss und M. Zähringer:<br />
Nuklidspezifische Kontaminationserfassung<br />
II. - G. Hehn:<br />
Datenaufbereitung für den Notfallschutz<br />
1996, 164 Seiten, Broschur<br />
Band 18<br />
L. Clausen, W. R. Dombrowsky, R. L. F.<br />
Strangmeier<br />
Deutsche Regelsysteme<br />
Vernetzungen und Integrationsdefizite bei<br />
der Erstellung des öffentlichen Gutes Zivilund<br />
Katastrophenschutz in Europa<br />
1996, 130 Seiten, Broschur<br />
Band 17<br />
41. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
– Vorträge –<br />
1996, 197 Seiten, Broschur<br />
Band 16<br />
F.E. Müller, W. König, M. Köller<br />
Einfluß von Lipidmediatoren auf die Pathophysiologie<br />
der Verbrennungskrankheit<br />
1993, 42 Seiten, Broschur<br />
Band 15<br />
Beiträge zur dezentralen Trinkwasserversorgung<br />
in Notfällen<br />
Teil II: K. Haberer und M. Drews<br />
1. Einfache organische Analysenmethoden<br />
2. Einfache Aufbereitungsverfahren<br />
1993, 144 Seiten, Broschur<br />
Band 14<br />
Beiträge zu Strahlenschäden und Strahlenkrankheiten<br />
I. - H. Schüßler: Strahleninduzierte Veränderungen<br />
an Säugetierzellen als Basis für die somatischen<br />
Strahlenschäden<br />
II. - K.H. von Wangenheim, H.-P. Peterson,<br />
L.E. Feinendegen: Hämopoeseschaden, Therapieeffekte<br />
und Erholung<br />
III. - T.M. Fliedner, W. Nothdurft: Präklinische<br />
Untersuchungen zur Beschleunigung der Erholungsvorgänge<br />
in der Blutzellbildung nach<br />
Strahleneinwirkung durch Beeinflussung von<br />
Regulationsmechanismen<br />
IV. - G.B. Gerber: Radionuklid Transfer<br />
1993, 268 Seiten, Broschur<br />
Band 13<br />
H. Mönig, W. Oehlert, M. Oehlert, G. Konermann<br />
Modifikation der Strahlenwirkung und ihre<br />
Folgen für die Leber<br />
1993, 90 Seiten, Broschur<br />
231
Band 12<br />
Biologische Dosimetrie<br />
I.- H. Mönig, W. Pohlit, E. L. Sattler:<br />
Einleitung: Dosisabschätzung mit Hilfe der Biologischen<br />
Dosimetrie<br />
II. – H. J. Egner et al.: Ermittlung der Strahlenexposition<br />
aus Messungen an Retikulozyten<br />
III. – H. Mönig, G. Konermann: Strahlenbedingte<br />
Änderung der Chemilumineszenz von<br />
Granulozyten als biologischer Dosisindikator<br />
IV. – P. Bidon et al.: Zellmembranänderungen<br />
als biologische Dosisindikatoren. Strahleninduzierte<br />
Membranänderung im subletalen Bereich.<br />
Immunbindungsreaktionen an Lymphozyten<br />
1993, 206 Seiten, Broschur<br />
Band 11 vergriffen<br />
Beiträge zur Katastrophenmedizin<br />
1993, 135 Seiten, Broschur<br />
Band 10 vergriffen<br />
W. R. Dombrowsky<br />
Bürgerkonzeptionierter Zivil- und Katastrophenschutz<br />
Das Konzept einer Planungszelle Zivil- und<br />
Katastrophenschutz<br />
1992, 79 Seiten, Broschur<br />
Band 9 vergriffen<br />
39. und 40. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />
beim Bundesminister des Innern<br />
– Vorträge –<br />
1993, 264 Seiten, Broschur<br />
Band 8 vergriffen<br />
Beiträge zur dezentralen Trinkwasserversorgung<br />
in Notfällen<br />
Teil I: K. Haberer und U. Stürzer<br />
1991, 78 Seiten, Broschur<br />
Band 7 vergriffen<br />
E. Pfenninger und F. W. Ahnefeld<br />
Das Schädel-Hirn-Trauma<br />
1991, 208 Seiten, Broschur<br />
Band 6 vergriffen<br />
O. Messerschmidt und A. Bitter<br />
Neutronenschäden<br />
Untersuchungen zur Pathophysiologie,<br />
Diagnostik, Prophylaxe und Therapie<br />
1991, 96 Seiten, Broschur<br />
Band 5 vergriffen<br />
R. E. Grillmaier und F. Kettenbaum<br />
Strahlenexposition durch Ingestion von<br />
radioaktiv kontaminiertem Trinkwasser<br />
1991, 104 Seiten, Broschur<br />
232<br />
Band 4 vergriffen<br />
W. R. Dombrowsky<br />
Computereinsatz im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
– Möglichkeiten und Grenzen<br />
1991, 94 Seiten, Broschur<br />
Band 3vergriffen<br />
B. Lommler, E. Pitt, A. Scharmann, R. Simmer<br />
Der Nachweis schneller Neutronen in der<br />
Katastrophendosimetrie mit Hilfe von Ausweisen<br />
aus Plastikmaterial<br />
1990, 66 Seiten, Broschur<br />
Band 2 - vergriffen -<br />
G. Hehn<br />
Gammastrahlung aus radioaktivem Niederschlag<br />
– Berechnung von Schutzfaktoren<br />
1990, 66 Seiten, Broschur<br />
Band 1 - vergriffen -<br />
L. Clausen und W.R. Dombrowsky<br />
Zur Akzeptanz staatlicher Informationspolitik<br />
bei technischen Großunfällen und<br />
Katastrophen<br />
1990, 115 Seiten, Broschur<br />
Katastrophenmedizin - Leitfaden für die<br />
ärztliche Versorgung im Katastrophenfall<br />
3. ergänzte Auflage 2003,<br />
360 Seiten, Broschur<br />
Broschüren und eine komplette Liste aller<br />
bisher erschienenen und bereits vergriffenen<br />
Bände können kostenlos bezogen werden bei:<br />
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und<br />
Katastrophenhilfe<br />
Deutschherrenstraße 93-95<br />
53177 Bonn