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Zivilschutz- Forschung - Schutzkommission

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<strong>Zivilschutz</strong>-<br />

<strong>Forschung</strong><br />

Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />

Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />

Neue Folge Band 55<br />

51. und 52. Jahrestagung<br />

der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

– Vorträge –<br />

Trier 09.–10. Mai 2002<br />

Wiesbaden 29.–30. Mai 2003<br />

ISSN 0343-5164


ZIVILSCHUTZFORSCHUNG<br />

Neue Folge Band 55


<strong>Zivilschutz</strong>-<br />

<strong>Forschung</strong><br />

Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />

Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />

Neue Folge Band 55<br />

51. und 52. Jahrestagung<br />

der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

– Vorträge –<br />

Trier 09.–10. Mai 2002<br />

Wiesbaden 29.–30. Mai 2003<br />

ISSN 0343-5164


Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

Deutschherrenstr. 93–95, 53177 Bonn<br />

Telefon: (0 18 88) 358-0<br />

Telefax: (0 18 88) 358-58 03<br />

Internet: www.bbk.bund.de<br />

Die Arbeit gibt die Meinung der Autoren wieder. Sie stellt keine Äußerung des<br />

Herausgebers dar und ist auch nicht als solche auszulegen.<br />

© 2005 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – Bonn<br />

Gesamtherstellung: media consult bonn<br />

4


Inhaltsverzeichnis Seite<br />

Vorträge 2002<br />

Eröffnung der 51. Jahrestagung<br />

Arthur Scharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Grußwort des Abteilungsleiters O im<br />

Bundesministerium des Innern<br />

Klaus-Henning Rosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Zum Gedenken an Roderich Rüfer<br />

Gerhard Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen zum<br />

Katastrophenschutz-Konzept Hessen<br />

Michael Popović . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Untersuchung zur Einbindung des öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung der Bundesrepublik Deutschland<br />

Ernst Pfenninger, Silke König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Erfahrungen im Umgang mit Milzbrandvorfällen<br />

Jürgen Knobloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Pharmakarückstände in Kläranlagen, Oberflächengewässern,<br />

Grundwasser und Trinkwasser<br />

Rolf-Dieter Wilken, Thomas Ternes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“<br />

– Erfahrungen aus nationaler und internationaler Sicht<br />

Horst Miska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

Bereitstellung von Informationen in einem Ereignisfall<br />

Erich Wirth, Wolfgang Weiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

5


Vorträge 2003<br />

Eröffnung der 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in Wiesbaden<br />

Arthur Scharmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Grußwort des Bundesministers Otto Schily<br />

Joachim Steig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

Nachruf auf Dr. Albert Sittkus<br />

Heinz Reichenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

Das Gemeinschaftsverfahren zur Verbesserung der<br />

Zusammenarbeit im <strong>Zivilschutz</strong> und das Melde- und<br />

Informationszentrum der Europäischen Kommission<br />

Horst Miska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

Perspektiven zur Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland<br />

Ernst Pfenninger, Sabine Himmelseher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

Bedrohung durch biologische und chemische Substanzen<br />

Dietrich Henschler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft<br />

des Katastrophenschutzes<br />

Peer Reichenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />

6


– Vorträge 2002 –


Eröffnung der 51. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

in Trier 10. Mai 2002<br />

Arthur Scharmann<br />

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Mitglieder der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Ich begrüße Sie ganz herzlich zur 51. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in Trier.<br />

Mein besonderer Gruß gilt dem heute hier anwesenden neuen Mitglied, Herrn Professor<br />

Knobloch aus Tübingen, und von der gleichen Universität dem vorgeschlagenen<br />

aber noch nicht ernannten neuen Mitglied, Herrn Professor Domres. Begrüßen<br />

darf ich außerdem unser neues Mitglied, Professor ter Haseborg, Hamburg.<br />

Die neuen Mitglieder, Professor Bauer, Altötting, und Professor Mutschler, München,<br />

sind leider verhindert. Zum Kreis der möglichen zukünftigen Mitglieder und<br />

Gäste zählen die Herren Professor Wilkens aus Wiesbaden und Dr. Popovic aus<br />

Frankfurt, die sich heute mit Beiträgen vorstellen werden. Herzlich willkommen<br />

bei der <strong>Schutzkommission</strong>!<br />

Die <strong>Schutzkommission</strong> tagt nach 20 Jahren erneut in Trier. Ich konnte mich vor<br />

einigen Wochen zusammen mit Professor Weiss und Frau Seifert davon überzeugen,<br />

dass wir hier nicht nur gut versorgt, sondern auch gern gesehen sind. Herrn<br />

Dr. Michels möchte ich als dem örtlichen Organisator der Jahrestagung ganz herzlich<br />

für die Sorgfalt und Mühe danken, die er bei der Vorbereitung der Tagung aufgewendet<br />

hat.<br />

Unter unseren Gästen begrüße ich den Vertreter des Bundesinnenministeriums,<br />

Herrn Ministerialdirektor Klaus-Henning Rosen, der dankenswerterweise die<br />

Begrüßung des Bundesministers des Innern übernommen hat. Ich möchte hier ausdrücklich<br />

betonen, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Ministerium durch<br />

Ihren persönlichen Einsatz, lieber Herr Rosen, außerordentlich gut entwickelt hat.<br />

Ich bin sehr dankbar für diese Entwicklung. Mit Herrn Rosen begrüße ich auch<br />

gerne seine Mitarbeiter und die Mitarbeiter des Bundesverwaltungsamtes – Zentralstelle<br />

für <strong>Zivilschutz</strong> – (früher Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong>). Ich begrüße Herrn<br />

Ministerialdirigent Gudat als Vertreter des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz<br />

sowie die Vertreter des Innenministeriums Rheinland-Pfalz und Herrn Präsident<br />

Dr. Mertes (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier) sowie den Bürgermeister<br />

der Stadt Trier, Herrn Bernarding.<br />

Im Verlaufe der langen Existenz der <strong>Schutzkommission</strong> hat sich die Welt sowohl<br />

macht- und sicherheitspolitisch als auch gesellschaftlich einige Male völlig verändert.<br />

Ich habe diese Entwicklung bis zum Mai 2001 in meiner Begrüßung anlässlich<br />

des 50. Bestehens der <strong>Schutzkommission</strong> im letzten Jahr kurz dargestellt.<br />

Eigentlich hätten wir alle erwartet, dass wir uns nach den im letzten Jahr weitgehend<br />

abgeschlossenen Maßnahmen der Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es der geord-<br />

9


neten Verfeinerung der getroffenen Maßnahmen würden zuwenden können. Es<br />

standen Fragen an wie die Fortschreibung des Gefahrenberichts, die Neuauflage<br />

des Leitfadens Katastrophenmedizin, die Verbesserung der psychosozialen Nachsorge<br />

bei belastenden Einsätzen und der Einsatz computergestützter Lern- und<br />

Lehrmethoden im Zivil- und Katastrophenschutz und vieles andere mehr. Dies<br />

alles hätte der <strong>Schutzkommission</strong> genügend Stoff für fachliche Beratung gegeben.<br />

Die Ereignisse vom 11. September 2001 haben aber innerhalb weniger Stunden<br />

die Welt so entscheidend und grundlegend verändert wie wenige Ereignisse zuvor.<br />

Ein Horrorszenarium, das bis zu diesem Zeitpunkt undenkbar gewesen war, wurde<br />

plötzlich Realität – es herrschte für kurze Zeit Sprach- und Ratlosigkeit. Die bange<br />

Frage ging und geht um: was ist nach diesem Tag denn noch alles denkbar; auf<br />

was müssen wir uns zukünftig einstellen? Die Erfahrung des 11. September hat<br />

erneut gezeigt: Wir müssen von der Verletzlichkeit („Vulnerabilität“) unserer<br />

Gesellschaft ausgehen und von der Unvermeidlichkeit, dass Schwerstes („Katastrophen“)<br />

in der Tat eintritt. Nach dem 11. September wurden Stimmen laut, die<br />

fragten, ob die gerade beschlossenen Maßnahmen zur Reduktion der Vorhaltungen<br />

und Planungen im Zivil- und Katastrophenschutz vielleicht doch zu drastisch<br />

ausgefallen waren.<br />

Als Reaktion auf die Erfahrungen des 11. September haben wir große Hektik, die<br />

sich z.T. bis zum Aktionismus steigerte, erlebt, aber auch schnelles Handeln der<br />

Politik mit einem 2 Milliarden Sofortprogramm, um die wichtigsten Maßnahmen<br />

kurzfristig realisieren und finanzieren zu können. So konnte die seit einigen Jahren<br />

in der <strong>Schutzkommission</strong> diskutierte Vernetzung der Lagezentren des Bundes<br />

und der Länder quasi „über Nacht“ Realität werden. Es wurden insbesondere Planstellen<br />

geschaffen, die die in den letzten Jahren durch Einsparungen erzwungenen<br />

personellen Engpässe und Lücken im Zivil- und Katastrophenschutz wieder bis zu<br />

einem gewissen Grad schließen werden.<br />

Es freut mich besonders, dass das Bundesinnenministerium gezielt und substanziell<br />

in die Ausbildung durch die Akademie für Notfallvorsorge und Zivile Verteidigung<br />

in Ahrweiler durch Schaffung neuer Stellen für Dozenten investiert hat. Der<br />

Ausbildung kommt – wie die <strong>Schutzkommission</strong> wiederholt festgestellt hat – ein<br />

außerordentlich hoher Stellenwert für die Zukunftsfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

in Deutschland zu. Dass in einer sich wandelbaren Gesellschaft<br />

hierbei auch neue Wege gegangen werden müssen, ist unstrittig; die Frage von<br />

anderen Aus- und Fortbildungsarten wie z.B. der von Fernstudien, stellt sich<br />

zunehmend auch in diesem Bereich. Eine wichtige Voraussetzung für ein in weiten<br />

Bereichen auf freiwilligem Engagement aufbauendem System des Zivil- und<br />

Katastrophenschutzes ist, dass engagierte und kompetente Fachleute sich dazu<br />

bereit erklären, die Einsatzkräfte fort- und weiterzubilden. Hier ist die Akademie<br />

in Ahrweiler auf einem guten Wege. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat im vergangenen<br />

Jahr gemeinsam mit der Akademie zu einigen Konsensgesprächen eingeladen, um<br />

gemeinsam interessierende Fragen zu klären. Sie wird den gemeinsam begonnenen<br />

Weg auch weiterhin verfolgen.<br />

10


Die Ereignisse vom 11. September haben dazu beigetragen, dass sowohl der 2.<br />

Gefahrenbericht als auch der zeitnah veröffentlichte Leitfaden für Katastrophenmedizin<br />

im öffentlichen und politischen Bereich wesentlich stärker wahrgenommen<br />

wurde als dies mit dem ersten Gefahrenbericht der Fall war. Ich hatte die<br />

Möglichkeit, den 2. Gefahrenbericht am 09.11.2001 gemeinsam mit Herrn<br />

Bundesminister Schily im Rahmen der Bundespressekonferenz vorzustellen. Der<br />

Bericht erfreute sich einer großen Zahl von Anfragen; die Empfehlungen sind in<br />

unterschiedlicher Form in die unmittelbar nach dem 11. September aufgegriffenen<br />

Überlegungen unterschiedlicher Stellen zur Fortschreibung der Schutzkonzepte<br />

eingeflossen. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, im Januar diesen Jahres die<br />

Schwerpunkte des Berichts in einem persönlichen Gespräch mit Herrn Minister<br />

Schily zu besprechen und konnte dabei ein hohes Maß an Übereinstimmung in den<br />

Grundpositionen feststellen.<br />

Ich freue mich besonders, dass der in der <strong>Schutzkommission</strong> seit einiger Zeit<br />

diskutierte Wunsch nach Einrichtung eines „Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums“<br />

der Bundesregierung vom BMI und den Ländern aufgegriffen wurde und<br />

jetzt realisiert werden wird. Ich danke Herrn Dr. Miska, der hierbei die wesentlichen<br />

Impulse gegeben und sich bei der Konkretisierung der Vorschläge sehr stark<br />

engagiert hat.<br />

Die <strong>Schutzkommission</strong> begrüßt die gemeinsamen Bemühungen des Bundesministeriums<br />

des Innern und des Arbeitskreises V der IMK zur Schaffung einer gemeinsamen<br />

Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung des <strong>Zivilschutz</strong>es. Der Entwurf<br />

eines Grundsatzpapiers war Gegenstand der Beratungen im Inneren Ausschuss am<br />

gestrigen Tag. In diesem Grundsatzpapier werden Grundeinschätzungen aufgegriffen,<br />

die in der <strong>Schutzkommission</strong> immer wieder vertreten wurden, wie z.B. der<br />

Gedanke, modular aufeinander abgestimmte Hilfeleistungskonzepte zu entwickeln<br />

für die Bevölkerung Deutschlands und in Europa, vom Ersthelfer bis zur „Task<br />

Force“. Allerdings bedürfen die gemachten Feststellungen insbesondere zur medizinischen<br />

Versorgung einer stärkeren Betonung, da durch die Form der künftigen<br />

Krankenhaus-Finanzierung nachhaltige Einbußen für die notfallmedizinische Versorgung<br />

der Bevölkerung bei Großschadensereignissen, Katastrophen sowie im<br />

Verteidigungsfall zu erwarten sind. Wir werden die Diskussion zur Frage der medizinischen<br />

Versorgung bezüglich der Organisation als auch die unterschiedlichen<br />

inhaltlichen Aspekte auch auf dieser Tagung mit einer Reihe von Vorträgen fortsetzen.<br />

Ich danke allen Vortragenden, die hierzu einen Beitrag leisten werden.<br />

„Schutz geht vor Rettung“ war über viele Jahre hinweg ein geflügeltes Wort eines<br />

meiner Vorgänger, Heinz Reichenbach. Es gilt auch und in besonderem Maße nach<br />

den Ereignissen vom 11. September, allerdings mit anderen Schwerpunkten. Die<br />

<strong>Schutzkommission</strong> hat vor kurzem auf Wunsch des Bundesinnenministeriums zur<br />

Fortentwicklung des baulichen Bevölkerungsschutzes Stellung genommen. Die<br />

Stellungnahme wurde federführend von Professor Thoma aus Freiburg erarbeitet,<br />

dem ich hierfür herzlich danken möchte. Zusammenfassend kann ich feststellen,<br />

dass auch auf diesem Gebiet wesentliche Veränderungen der bisherigen Schutzkonzepte<br />

erforderlich sind, um den neuen Bedrohungen gerecht zu werden.<br />

11


Unser Blick ist nach vorne gerichtet im Bestreben, die staatlichen und persönlichen<br />

Vorsorgemaßnahmen zum Schutze der Bevölkerung und zur Gefahrenabwehr in<br />

Ausnahmesituationen auf fachlich fundierter Grundlage zu konzipieren und zu<br />

organisieren. Die <strong>Schutzkommission</strong> wird auch in Zukunft hierzu ihren Beitrag<br />

leisten. Damit sie diesem Anspruch gerecht werden kann, muss sie sich weiter verjüngen.<br />

Wir haben im letzten Jahr einen guten Schritt in diese Richtung getan, dürfen<br />

aber nicht stehen bleiben sondern müssen den eingeschlagenen Weg konsequent<br />

weiter gehen. Ich bitte Sie alle auch weiterhin dabei um Ihre Unterstützung.<br />

12


Grußwort des Abteilungsleiters O<br />

im Bundesministerium des Innern<br />

Reform im Zivil- und Katastrophenschutz<br />

Klaus-Henning Rosen<br />

Wenn wir uns in diesen Monaten mit Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es und des Katastrophenschutzes<br />

befassen, wird unausweichlich die Veränderung in der Folge des 11.<br />

September 2001 beschworen. Lassen Sie mich dazu feststellen: Im Verhältnis des<br />

Bundesinnenministeriums zur <strong>Schutzkommission</strong> hat sich nichts verändert. Die<br />

<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern ist der verlässliche Partner,<br />

der sie bereits vor dem schicksalhaften Datum gewesen ist. Sie ist Garant für eine<br />

hohe Qualität der <strong>Zivilschutz</strong>forschung in unserem Land und damit für die Chance,<br />

den Zivil- (und den Katastrophen-)schutz fortzuentwickeln. Das wurde auf der<br />

50. Jahrestagung im vergangenen Mai in Freiburg ausgiebig gewürdigt, nichts<br />

davon ist wegzunehmen.<br />

Was sich nach dem 11. September verändert hat, ist die Wahrnehmung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

durch die Medien. Das wurde bei der Vorstellung des 2. Gefahrenberichts<br />

durch Bundesminister Otto Schily und den Vorsitzenden sowie Prof. Clausen<br />

am 9. November 2001 in Berlin deutlich; dieser zweite Bericht wurde ganz<br />

anders wahrgenommen als der Vorgängerbericht des Jahres 1996. Freilich hatte der<br />

Bericht damals auch nicht die Aufmerksamkeit der Leitung im selben Maße wie<br />

sein Nachfolger gefunden und bei der Vorlage des zweiten Berichts war die Welt<br />

eine andere. Mit der Aktualisierung dieser 1996 erstmalig für die Bundesrepublik<br />

Deutschland vorgelegten Risikoanalyse hatte die <strong>Schutzkommission</strong> auf meine<br />

Anregung längst vor dem 11. September 2001 begonnen und diese fertiggestellt;<br />

Bundesinnenminister Schily hatte Ihnen im Übrigen zugesagt, den neuen Bericht<br />

der Öffentlichkeit vorzustellen.<br />

Im Zuge der Überarbeitung, das ist hervorzuheben, hatte die <strong>Schutzkommission</strong><br />

erstmals auch die Informationssicherheit in den Blick genommen. Besonderer<br />

Dank gilt Ihnen, Herr Vorsitzender, und der <strong>Schutzkommission</strong>, dass Sie auf die<br />

Ereignisse am 11. September 2001 und die sich in der nachfolgenden Diskussion<br />

abzeichnenden neuen Gefahren sehr kurzfristig mit einer aktuellen Ergänzung des<br />

Entwurfs reagiert haben. Ausfluss der neuen politischen Wertigkeit der <strong>Schutzkommission</strong><br />

und ihrer Arbeit ist auch die deutliche Aufstockung der finanziellen<br />

Mittel für die Zivil- und Katastrophenschutzforschung, vor allem im B- und C-<br />

Bereich, durch Mittel aus dem Antiterrorismusprogramm (ATP) der Bundesregierung.<br />

13


Der 11. September 2001 hat, wer wollte das bestreiten, eine Schlüsselfunktion für<br />

uns alle. Das Datum hat eine neuartige, globale Bedrohung sichtbar werden lassen,<br />

die nicht von einem Staat sondern von einer terroristischen Gruppe ausgeht.<br />

Dies hat die Völker in der Entschlossenheit zusammengeführt, gemeinsam gegen<br />

den aus dem Dunklen agierenden Feind vorzugehen. Selbst wenn die Sicherheitsbehörden<br />

keine aktuellen Angriffe auf das Gebiet Deutschland besorgen: spätestens<br />

seit dem Anschlag in Djerba, dessen Opfer Deutsche waren, ist jedem klar<br />

geworden: die neuartige Bedrohung richtet sich beileibe nicht allein gegen die Vereinig-ten<br />

Staaten und deren Politik, Ziel sind wir alle.<br />

Was sich durch den 11. September gleichwohl geändert hat:<br />

– es kann offen über die Defizite geredet werden, die dem deutschen Hilfeleistungssystem<br />

im Gefolge der Rückführung des <strong>Zivilschutz</strong>es zu Beginn der 90er<br />

Jahre entstanden sind;<br />

– es können auch die strukturellen Mängel unseres föderal ausdifferenzierten<br />

Systems der Kritik unterzogen werden, ohne dass der Bund dem Verdacht ausgesetzt<br />

wird, er wolle Zuständigkeiten verändern und an sich ziehen.<br />

– Deshalb, so glaube ich zuversichtlich, haben wir jetzt die Chance, die neue<br />

Strategie durchzusetzen, die die Länder mit dem Bund in der Beschlussvorlage<br />

des Arbeitskreises V für die Konferenz der Innenminister formuliert haben.<br />

Bei deren Umsetzung sind Bund und Länder ganz wesentlich auf den Rat und<br />

die Zuarbeit der <strong>Schutzkommission</strong> angewiesen, die <strong>Schutzkommission</strong> ist<br />

damit für das Bundesinnenministerium noch wichtiger geworden, als sie es bisher<br />

schon war. Ich begrüße es deshalb, dass Sie über diese grundsätzlichen<br />

Überlegungen im Folgenden beraten werden.<br />

Wenn wir über eine neue Strategie reden, dann ist mir wichtig, zu Beginn allen<br />

Beteiligten zu versichern: Deutschland hat im Grundsatz ein taugliches System der<br />

Gefahrenabwehr. Mit über 27 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen<br />

Feuerwehrleuten, den 60 000 ehrenamtlichen Angehörigen der Bundesanstalt<br />

Technisches Hilfswerk und den mehr als 500 000 zumeist ehrenamtlich in den<br />

Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten arbeitenden Menschen haben wir eine<br />

Ausstattung, um die uns unsere Nachbarn beneiden. Allein die Zahl der hauptamtlichen<br />

Feuerwehrkräfte bei uns entspricht der in allen übrigen Mitgliedstaaten der<br />

Europäischen Union. Wer die Berichte über die Einsätze nach dem Angriff auf das<br />

World Trade Center verfolgt, dem werden sehr rasch die Vorzüge unseres Katastrophenschutzsystems<br />

deutlich. Deshalb reagiere ich eher behutsam, wenn man uns<br />

vorschnell die Übernahme der Systeme anderer Ländern empfiehlt. Ungeachtet<br />

dessen finde ich es aber gut, wenn man jetzt die Schutz- und Rettungssysteme auf<br />

den Prüfstand stellt, Vergleiche anstellt. Und ich habe überhaupt keine Probleme,<br />

die Übertragung dessen zu empfehlen, was wir bei Anderen als besser erkennen.<br />

14


Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden darstellen, was die Bundesregierung seit dem<br />

11. September unternommen hat, um sich auf die neue Bedrohungslage einzustellen.<br />

1. Finanzielle Maßnahmen aus dem ATP<br />

Aus den Sondermitteln für die Innere Sicherheit flossen dem <strong>Zivilschutz</strong> rd. 15,4<br />

Mill. Euro, der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk rd. 12,8 Mill. Euro an zusätzlichen<br />

Haushaltsgeldern zu.<br />

2. Schwerpunktmaßnahmen des Bundes<br />

Das Bundesministerium des Innern hat unmittelbar nach dem 11. September eine<br />

ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt oder geplant, um den <strong>Zivilschutz</strong> (wieder)<br />

zu stärken. Die zeitliche Abfolge lässt erkennen, sie wurden durchweg bereits<br />

vor diesem schicksalharten Datum eingeleitet, gegebenenfalls wurde ihre Fertigstellung<br />

beschleunigt; ich sage das, weil ungeachtet der personellen und finanziellen<br />

Einschränkungen – dies will ich deutlich machen – weder das Bundesministerium<br />

noch das ihm nachgeordnete Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong> bzw. seit Anfang<br />

2001 in seiner Fortführung die Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> beim Bundesverwaltungsamt<br />

in Lethargie oder Untätigkeit verfallen waren.<br />

Beispielhaft seien genannt:<br />

– der Aufbau der Informationszentrale für Krisenfälle mit dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssystem<br />

(deNIS); Kernaufgabe dieser Informationszentrale<br />

ist die übergreifende Verknüpfung, Aufbereitung und Bereitstellung<br />

von Informationen für das Management von Großkatastrophen, deNIS ist am<br />

15. Mai in seiner ersten, allgemein zugänglichen Stufe ans Netz gegangen; die<br />

zweite Stufe folgt im Herbst;<br />

– die Aktivierung der Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />

und deren Anpassung an die aktuellen Entwicklungen (jetzt noch zusätzlich<br />

ergänzt durch den Aufbau einer von Bund und Ländern gemeinsam getragenen<br />

Melde- und Alarmzentrale);<br />

– der Ausbau der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AkNZ) zu<br />

einem Kompetenzzentrum des Krisenmanagements von Bund, Ländern und<br />

Kommunen zu einem Forum für den wissenschaftlichen Austausch sowie zu<br />

einer Begegnungsstätte und Ideen-Börse für Experten aus dem In- und Ausland;<br />

– die Einführung eines neuen satellitengestützten Warnsystems, das am 15. Oktober<br />

2001 in Betrieb genommen wurde;<br />

– die Optimierung der Kooperation zwischen THW und Feuerwehren.<br />

Von den nach dem 11. September 2001 ergriffenen Sofortmaßnahmen seien etwa<br />

genannt:<br />

– die Aufhebung des Beschaffungsstopps für Fahrzeuge des ergänzenden Katastrophenschutzes;<br />

15


– die beschleunigte Auslieferung von modernen ABC-Erkundungsfahrzeugen<br />

durch den Bund;<br />

– die Wiederaufnahme des Förderprogramms für die Breitenausbildung der<br />

Bevölkerung in Erster Hilfe und sonstigen Selbstschutzmaßnahmen.<br />

3. Zusammenarbeit mit den Ländern<br />

Deutschland hat, wie oben gesagt, ein gegliedertes Hilfeleistungssystem, deshalb<br />

konnte (und wollte) der Bund beim Bemühen um die Neuordnung im Zivil- und<br />

Katastrophenschutz nicht einseitig dekretieren, vielmehr konnte (und kann) Neues<br />

nur in enger Abstimmung mit den Ländern und im Einvernehmen mit den Kommunen<br />

erreicht werden. Bereits am 24. September 2001 hatte der für den Katastrophenschutz<br />

zuständige Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz sich auf<br />

Vorschlag des Bundesministeriums des Innern in Bonn zu einer außerordentlichen<br />

Sitzung versammelt. Der zehn Punkte umfassende Beschluss gibt sehr präzise vor,<br />

wo Bund und Länder Handlungsbedarf sehen. Als Themen standen auf der Tagesordnung:<br />

– Objektschutz,<br />

– Gesundheitsschutz (Notfallrettung, Bevorratung, Krankenhauswesen, ABC/<br />

Seuchen),<br />

– Vorsorge- und Sicherstellungsregelungen,<br />

– Selbstschutz,<br />

– Warnung der Bevölkerung,<br />

– Aktualisierung des Fahrzeugkonzepts,<br />

– Verbleib des Bundes in der Luftrettung,<br />

– Überprüfung aller Alarm- und Einsatzpläne,<br />

– Bessere Koordinierung der Informationssysteme.<br />

Bereits vor dieser – ersten – Sondersitzung hatte ich den Deutschen Feuerwehrverband,<br />

den Deutschen Städtetag und die Hilfsorganisationen gebeten, dem BMI<br />

schnellstmöglich ihre Vorstellungen mitzuteilen, was in der neuen Situation zu tun<br />

sei; die Anregungen sind in die spätere Beschlussfassung des AK V eingeflossen<br />

bzw. werden bei der Umsetzung berücksichtigt.<br />

Auf der ordentlichen Sitzung des AK V, wenige Tage später in Rostock, wurden<br />

aus dem Aktionsprogramm vom 24. September 2001 bereits erste Konsequenzen<br />

gezogen:<br />

– Billigung neuer Richtlinien für den Selbstschutz der Bevölkerung, Betriebe<br />

und Behörden;<br />

– Bildung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Fahrzeugkonzepts;<br />

– Billigung einer überarbeiteten Richtlinie für die zivile Alarmplanung;<br />

16


– Einberufung eines Bund-Länder-Gesprächs über die konzeptionelle Entwicklung<br />

eines gemeinsamen Melde- und Lagezentrums für den Zivil- und Katastrophenschutz<br />

sowie den Schutz bei nuklearen Notfällen.<br />

In einer weiteren Sondersitzung am 13./14. Dezember 2001 in der AkNZ, an der<br />

sich alle Länder beteiligten, wurde dann ein sehr knapper Zeitplan verabredet, um,<br />

wie in Rostock beschlossen, das deutsche Hilfeleistungssystem grundlegend zu<br />

reformieren. Das Ergebnis, die Leitlinien für eine „Neue Strategie zum Schutz der<br />

Bevölkerung in Deutschland“, konnten Bund und Länder bereits am 25. März<br />

2001 in der – inzwischen dritten – Sondersitzung des AK V in Hannover auf den<br />

Weg bringen. Auf der ordentlichen Sitzung am 25./26. April 2001 in Wolfsburg<br />

beschloss der Arbeitskreis sodann, in die weiteren Beratungen die in der Zwischenzeit<br />

vom Deutschen Städtetag zusammen mit dem Deutschen Feuerwehrverband<br />

vorgelegten Überlegungen zur „Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der<br />

Bundesrepublik Deutschland“ sowie Vorstellungen einzelner Länder einzubeziehen.<br />

Nicht zu vergessen sind zahlreiche Empfehlungen aus dem wissenschaftlichen<br />

Bereich. Es gibt also, will ich damit deutlich machen, eine Fülle von Anregungen<br />

und Konzepten für die Reform des deutschen Hilfeleistungssystems.<br />

Die Leitlinien des AK V zur Reorganisation des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

liegen der nächsten Konferenz der Innenminister und -Senatoren am 5./6. Juni zur<br />

Billigung vor; dies wäre dann der förmliche Startschuss für die Umsetzung der<br />

neuen Rahmenkonzeption. Eine vom Land Niedersachsen geleitete Arbeitsgruppe<br />

entwickelt derzeit ein entsprechendes Programm. Ein wichtiger Punkt wird die<br />

Fortentwicklung des Fahrzeugkonzepts sein: weg vom Gieskannenprinzip, hin zu<br />

einer stärker bedarfsorientierten Ausstattung, vor allem im ABC-Bereich. Ich bin<br />

dankbar, dass bei den weiteren Arbeiten auch auf Vorschläge und Gutachten der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> und <strong>Forschung</strong>sergebnisse ihrer Mitglieder zurückgegriffen<br />

werden kann.<br />

Mit den Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Hilfsorganisationen<br />

sowie dem Deutschen Städtetag ist im April im Innenministerium über die<br />

Neukonzeption gesprochen worden. Für uns ist selbstverständlich, dass der Deutsche<br />

Feuerwehrverband, die Hilfsorganisationen und der Deutsche Städtetag in die<br />

Weiterentwicklung und vor allem auch in die Umsetzung der neuen Richtlinien<br />

maßgeblich eingebunden werden.<br />

4. Gesundheitswesen<br />

Nach den Einschätzungen der Sicherheitsbehörden ist nicht auszuschließen, dass<br />

die derzeit bekannten, international operierenden Terrorgruppen bereit und – möglicherweise<br />

mit Einschränkungen – auch in der Lage sind, biologische Agenzien<br />

und Chemikalien als Angriffswaffen einzusetzen. So wurden in Afghanistan Hinweise<br />

gefunden, aus denen sich auf das Laborieren mit diesen Stoffen schließen<br />

lässt. Im Übrigen ist bekannt, dass mehrere Staaten mit solchen Agenzien arbeiten,<br />

einige von ihnen haben nachweisbar Verbindung zu Terrorgruppen.<br />

17


Für die <strong>Schutzkommission</strong> ist diese Tatsache nicht neu; in meinem Beitrag zur 50.<br />

Sitzung hatte ich auf neue Gefahrenlagen wegen des drohenden Einsatzes von biologischen<br />

und chemischen Stoffen hingewiesen. Bei verschiedenen terroristischen<br />

Aktionen vor dem 11.September waren solche Agenzien eingesetzt worden; nach<br />

diesem Datum ist aber weltweit bewusst geworden, dass diese Gefährdung nicht<br />

lokal oder regional begrenzt ist.<br />

Auf diese Gefährdung muss sich der Katastrophenschutz ganz anders, als dies bisher<br />

der Fall war, vorbereiten. Zugegeben, mit der Beschaffung von Schutzeinrichtungen,<br />

Dekontaminations- und vor allem Erkundungsfahrzeugen war längst deutlich<br />

gemacht worden, dass diese Gefährdung durchaus gesehen wird. Angesichts<br />

der veränderten Wahrnehmung ist aber vor allem das Gesundheitswesen herausgefordert,<br />

über den Stand seiner Vorbereitung auf solche Gefahren nachzudenken.<br />

Hier ist, darüber besteht wohl Einvernehmen, mit der Rückführung des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

einiges verloren gegangen – ich nenne beispielhaft den Abbau der Hilfskrankenhäuser,<br />

die Auflösung der Sanitätsmittelvorräte, den Verlust von Führungsfähigkeit<br />

in den Rettungsdiensten. Die zahlreichen medizinischen Themen, die Sie<br />

heute und morgen auf Ihre Tagesordnung genommen haben, bestätigen diese Einschätzung.<br />

Was ist geschehen, um die aufgezeigten Defizite abzubauen ?<br />

In der Sondersitzung des Arbeitskreises V am 24. September 2001 hatte der<br />

Bundesminister des Innern angekündigt, „im Benehmen mit dem BMG, ggfs.<br />

BMVg, kurzfristig gemeinsam mit Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen<br />

Gespräche (zu) führen“, um den Handlungsbedarf im Gesundheitswesen zu ermitteln.<br />

Gemeinsam mit dem BMG ist daraufhin die Koordinierungsgruppe „Gesundheit“<br />

gebildet worden, die unter Beteiligung des Bundesministers der Verteidigung<br />

erstmals am 26. Oktober 2001 in Bonn getagt hat. Die Beratungen konzentrierten<br />

sich sehr rasch auf die Frage, ob Deutschland sich eine Reserve von Pockenimpfstoff<br />

zulegen sollte. Die Bedrohlichkeit eines Angriffs mit Pocken wurde im Rahmen<br />

eines Workshops am 12./13. Dezember 2001 an der AkNZ, bei dem bioterroristische<br />

Szenarien durchgespielt wurden, nachdrücklich unterstrichen. Deutschland<br />

ist nach Ansicht von Experten einem möglichen Terrorangriff mit Pocken<br />

schutzlos ausgeliefert. Bund und Länder sind sich deshalb über die Notwendigkeit<br />

einer angemessenen Impfstoffbevorratung einig, beraten derzeit aber noch über die<br />

Frage der Finanzierung. Die Ergebnisse des Workshops wurden inzwischen in<br />

Form von Handlungsempfehlungen zum Gesundheitsschutz bei bioterroristischen<br />

Gefahren den Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

Darüber hinaus hat der BMI die Potenziale von Ländern und Bund im Gesundheitsschutz<br />

erhoben, wobei folgende Themenkomplexe bei den Ländern abgefragt<br />

wurden:<br />

– Abwehrfähigkeit bei ABC-Risiken,<br />

– Kapazität der stationären Versorgung, Umfang der Rettungs- und Sanitätsdienste,<br />

18


– Analyse- und Diagnostikkapazitäten,<br />

– Standorte der Leitstellen, Verfahren der Risikokommunikation,<br />

– Trinkwassersicherstellung.<br />

Das nicht unbedingt – was die Beteiligung ebenso angeht wie die Information über<br />

den Stand – ermutigende Ergebnis ist dem AK V in seiner Aprilsitzung vorgestellt<br />

worden.<br />

Insgesamt kann festgehalten werden, dass Bund und Länder über ein umfangreiches<br />

Repertoire an Schutz- und Vorsorgemaßnahmen verfügen. Der Bürger ist also<br />

keineswegs schutzlos gestellt. Dennoch ist auch deutlich geworden, dass bundesweit<br />

keine einheitlichen Vorsorgekonzepte, keine identische Schutzdichte sowie<br />

tendenziell Defizite bei Vorsorgemaßnahmen gegenüber Biogefahren bestehen.<br />

Über viele Wochen war eines der beherrschenden Themen die Anthraxproblematik.<br />

6000 mal hatten Trittbrettfahrer sich die in den USA versandten Briefe zum<br />

Vorbild für eigene Drohaktionen genommen. Im Ergebnis hatte zwar keine der<br />

Sendungen einen gefährlichen Inhalt – über Wochen aber waren die Labore an<br />

ihrer Kapazitätsgrenze. Diese Aktionen haben uns trotzdem Hinweise auf Defizite,<br />

in Sonderheit bei den Meldewegen, aufgezeigt, die mit den Ländern erörtert und<br />

inzwischen weitgehend behoben worden sind. Dies ist ein Element, wie wir uns<br />

auf mögliche künftige Vorfälle besser eingestellt haben. Vor allem hat das Robert-<br />

Koch-Institut (RKI) als zentrale Informationsstelle des Bundes zur Seuchenabwehr<br />

seine Zusammenarbeit mit den örtlichen Gesundheitsämtern deutlich intensiviert.<br />

Schließlich hat der Bund auch bei der Beseitigung von Informationsdefiziten bei<br />

B-/C-Gefahren rasch reagiert und bietet seit dem 15. Januar 2002 eine Seminarreihe<br />

„Gefährdung durch B- und C-Terrorismus“ an der AkNZ zu den Themen<br />

– Gefahren durch B-/C-Kampfstoffe,<br />

– Rechtliche Vorschriften<br />

– Schutzmaßnahmen<br />

– Planung und Zusammenarbeit auf kommunaler/regionaler Ebene<br />

an. Insgesamt etwa 1700 Teilnehmer aus mit der Abwehr von ABC-Gefahren<br />

befassten Bereichen der Polizei, des Katastrophenschutzes, der Gesundheitsverwaltung<br />

und der Hilfsorganisationen sollen dort bis Jahresende 2002 geschult werden.<br />

Damit wird u.a. einmal mehr ein Beitrag zur Integration der Gefahrenabwehrpotenziale<br />

seitens des Bundes geleistet.<br />

5. Supranationale Zusammenarbeit<br />

5.1 NATO – Zivilmilitärische Zusammenarbeit<br />

Die NATO hat die Ereignisse des 11. September zum Anlass für umfangreiche<br />

Aktivitäten in den Bereichen Terrorismusbekämpfung und Schutz der Zivilbevöl-<br />

19


kerung gegen die Gefahren eines Einsatzes mit Massenvernichtungswaffen<br />

genommen bzw. für die Fortsetzung bereits vor dem Zeitpunkt begonnene Maßnahmen<br />

intensiviert.<br />

So wurde u.a. ein Aktionsplan mit über 50 Einzelmaßnahmen beschlossen, eine<br />

Zusammenstellung nationaler Kapazitäten zur gegenseitigen Unterstützung im<br />

Falle eines Einsatzes mit Massenvernichtungswaffen veranlasst und die Arbeitsanweisung<br />

des NATO-Ausschusses „Detection and Warning“ überarbeitet. Darüber<br />

hinaus fanden zwei hochrangig besetzte NATO-Expertensitzungen u.a. zum<br />

Thema „Anthrax“ an der AkNZ statt; zwei Arbeitsgemeinschaften zum Schutz kritischer<br />

Infrastrukturen sowie zum Problem unkontrollierter Bevölkerungsbewegungen<br />

wurden gegründet, in denen Deutschland aktiv mitarbeitet.<br />

Die Überarbeitung der Instrumentarien der NATO zum Krisenmanagement wird<br />

– unter besonderer Berücksichtigung terroristischer Angriffe – verstärkt fortgesetzt,<br />

das Projekt zur Vernetzung nationaler Datenbanken mit der Datenbank der<br />

NATO wird beschleunigt.<br />

5.2 Aktivitäten der EU<br />

Die EU hat in den Gipfelbeschlüssen von Gent und Laeken Rat und Kommission<br />

aufgefordert, mit den Mitgliedstaaten ein Programm als Reaktion auf die terroristische<br />

Bedrohung zu erarbeiten. Auf der Basis bereits getroffener Maßnahmen soll<br />

eine Verbesserung der Zusammenarbeit in allen für die Prävention und Reaktion<br />

relevanten Feldern – dies umfasst u.a. auch Geheimdienste und Polizei – erzielt<br />

werden. Dass hierfür zunächst ein Katastrophenschutzkoordinator (Gent) und dann<br />

sogar eine Katastrophenschutzagentur (Laeken) avisiert wurde, verdeutlicht den<br />

Stellenwert, den der Rat der Rolle des Katastrophenschutzes inzwischen zumisst.<br />

Auch die für den Katastrophenschutz zuständigen Generaldirektoren haben bereits<br />

im Oktober 2001 reagiert und einen Aktionsplan vereinbart, mit u.a. folgenden<br />

Maßnahmen:<br />

– Einsetzung einer rund um die Uhr zur Verfügung stehenden Gruppe von ABC-<br />

Sachverständigen;<br />

– Verstärkung des 24h-Kontaktnetzes der Katastrophenschutzdienste;<br />

– engere Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen nationalen und<br />

EU-Dienststellen u.a. über Unfälle oder drohende terroristische Anschläge.<br />

Schon seinerzeit habe ich die besondere Bedeutung einer angemessenen Arzneimittelbevorratung<br />

betont und werde mit den Kollegen erneut die Möglichkeiten<br />

eines gemeinsamen Herangehens auf europäischer Ebene erörtern; der Vorteil<br />

eines konzertierten Vorgehens ist m.E. offensichtlich. In erster Linie sind aber die<br />

Gesundheitsministerien gefordert.<br />

20


5.3 Bilaterale Zusammenarbeit<br />

Neben den Kontakten zu den für Terrorismusbekämpfung und Katastrophenschutz<br />

zuständigen Stellen der Vereinigten Staaten sind hier zu erwähnen vor allem<br />

Gespräche mit dem für den KatS zuständigen EMERCOM der Russischen Föderation<br />

sowie ein Gespräch mit israelischen Experten Mitte April 2002 in Berlin.<br />

Das letztgenannte Gespräch soll fortgesetzt werden, insbesondere zu Fragen der<br />

Risikoanalyse, des Gesundheits- und des Bautenschutzes. Wir befassen uns hier<br />

seit einiger Zeit mit der Frage, ob wir die bisherige Philosophie des Schutzraumbaus<br />

durch zeitgemäße Formen des Schutzes gegen B- und C-Angriffe ablösen<br />

müssen. Diese Forderung hatte der Arbeitskreis V bereits in seiner Sitzung am<br />

23./24. März 2000 in Bremen erhoben. Das von Herrn Prof. Thoma vorgelegte<br />

Gutachten zeigt neue Wege auf und nimmt den beispielsweise in Israel oder in<br />

Nordamerika üblichen Schutz durch sog. „sealed rooms“ auf.<br />

5.4 Aufgaben für die <strong>Schutzkommission</strong><br />

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, es ist, so hoffe ich, aus diesem<br />

Bericht deutlich geworden, was getan wurde, wie viel Arbeit aber auf uns alle<br />

zukommt, um den Zivil- und den Katastrophenschutz zu ertüchtigen, ihn fit zu<br />

machen für die neuen Gefahrenlagen. Schwerpunkte sehe ich bei der Risikoanalyse<br />

– dies ist ein Konzept, das die <strong>Schutzkommission</strong> seit jeher verfochten hat;<br />

sodann bei der Entwicklung des neuen Stufenkonzepts, wie es den jetzt von Bund<br />

und Ländern beschlossenen neuen Leitlinien zugrunde liegt. Daneben bleibt die<br />

Fülle von Themen, die im <strong>Forschung</strong>sprogramm ihren Niederschlag finden. Möglicherweise<br />

sollte man das <strong>Forschung</strong>sprogramm stärker nach Themenbereichen<br />

gliedern und außerdem Fragen im Zusammenhang mit B- und C-Terrorismus in<br />

den Vordergrund stellen; dabei ist auch zu erwägen, hier Gutachtenaufträge mit<br />

Rücksicht auf die hohe Dringlichkeit freihändig zu vergeben.<br />

21


Zum Gedenken an Roderich RÜFER<br />

Gerhard Schmidt<br />

Am 27. August 2001 verstarb während eines Ferienaufenthaltes in Finnland nach<br />

mehrjähriger schwerer Krankheit Professor Dr. med. Roderich Rüfer im Alter von<br />

65 Jahren. Dank moderner Behandlungsverfahren hatten sich wiederholt Besserungen<br />

im Verlauf seiner Erkrankung ergeben und doch wusste Roderich Rüfer,<br />

dass er an einer unheilbaren Krankheit litt. Er hat die Jahre der Erkrankung mit<br />

großer Tapferkeit ertragen. Noch an unserer letzten Jahrestagung hat er schwer an<br />

23


der Krankheit leidend teilgenommen. Beim Tagungsende – einen Tag vor seinem<br />

65. Geburtstag – war vielen von uns bewusst, dass es vermutlich ein letzter<br />

Abschied war.<br />

Roderich Rüfer wurde am 27. Mai 1936 als Sohn eines Kaufmanns in Berlin geboren.<br />

Die Familie übersiedelte kurze Zeit später nach Neuruppin in die Mark Brandenburg,<br />

woher seine Mutter stammte. Herr Rüfer hat die gesamte Kindheit, also<br />

auch die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit in Neuruppin erlebt. Hier<br />

besuchte er die Grundschule und Oberschule. 1953 waren die politischen Verhältnisse<br />

so unerträglich geworden, dass die Flucht nach Westberlin der einzige Ausweg<br />

war. Er hat am Arndt-Gymnasium in Berlin-Dahlem die letzten vier Schuljahre<br />

verbracht und dort 1956 das Abitur abgelegt.<br />

Von 1956 bis 1962 hat Herr Rüfer an der Freien Universität Berlin Medizin studiert<br />

und 1962 das Studium erfolgreich abgeschlossen. Nach Medizinalassistentenzeit<br />

und Erlangung der ärztlichen Approbation wurde er Assistent an der II.<br />

Medizinischen Klinik der Freien Universität Berlin. Hier entwickelte sich frühzeitig<br />

sein besonderes Interesse an der normalen und gestörten Atmungsfunktion.<br />

Nach Abschluss seiner Promotion wechselte er an das Max Planck Institut für<br />

experimentelle Medizin in Göttingen, wo er in acht Jahren grundlegende Arbeiten<br />

über die Pathophysiologie der Atemmechanik durchführen konnte. Sein besonderes<br />

Interesse galt der Erforschung der Oberflächenkräfte in den Lungenalveolen.<br />

In der Zeit waren erste Kenntnisse über oberflächenaktive Substanzen in der Auskleidung<br />

der Lungenoberfläche entstanden. Herr Rüfer konnte mit eigenen, dafür<br />

ausgearbeiteten Messmethoden den Einfluss der Phospholipid-Verbindungen auf<br />

die Lungenentfaltung und Lungenbelüftung quantifizieren und die Grundlagen für<br />

die heute etablierte therapeutische Surfactant-Therapie bei Störungen der alveolären<br />

Ventilation liefern. Diesem Thema war auch seine Habilitationsschrift gewidmet.<br />

Ein weiteres Gebiet, das von Herrn Rüfer in dieser Zeit bearbeitet wurde, war die<br />

Flüssigkeitsatmung. Die Möglichkeit, mit sauerstofftragenden Fluorocarbonen<br />

einen ausreichenden Gasaustausch in der Lunge zu erreichen und Versuchstiere in<br />

einer solchen Flüssigkeit normal am Leben zu erhalten, warf viele grundsätzliche<br />

Fragen auf. Herr Rüfer hat mit seinen Arbeiten die Basis für eine Ausnutzung dieses<br />

Prinzips beim gestörten Gasaustausch in der Lunge geliefert. Seit kurzem wird<br />

die partielle Flüssigkeitsbeatmung auch in der Intensivmedizin verwendet.<br />

1975 wurde Herr Rüfer, nachdem er außerplanmäßiger Professor der Universität<br />

Göttingen geworden war, als Wissenschaftlicher Rat und Professor an das Institut<br />

für Pharmakologie und Toxikologie am Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg<br />

berufen. Zusammen mit Herrn Friedberg hat er dieses Institut, eine Neugründung,<br />

die wegen der Errichtung einer klinischen universitären Ausbildungsstätte<br />

notwendig wurde, zu einem leistungsfähigen <strong>Forschung</strong>sinstitut aufgebaut.<br />

Hier konnte er seine Arbeiten über die Atemmechanik fortführen und besonders<br />

auf anwendungsorientierte Fragestellungen zentrieren. Ein besonderes Augenmerk<br />

schenkte Herr Rüfer dabei Fragen der Störung der Atemmechanik und der Surfactant<br />

Funktion bei Schockzuständen und Vergiftungen.<br />

24


Diese <strong>Forschung</strong>stätigkeit war zunehmend von Interesse für die <strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Herr Rüfer wurde 1982 als Mitglied in die <strong>Schutzkommission</strong> berufen. 1989<br />

wurde er zum Vorsitzenden des damaligen Fachausschusses V (Katastrophenmedizin)<br />

gewählt. Seit 1993 war er stellvertretender Vorsitzender der gesamten<br />

<strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Roderich Rüfer gehörte zu den Menschen, die von ihren eigenen Verdiensten nicht<br />

viel redeten und er wollte auch nicht, dass andere dies taten. Jeder von uns weiß,<br />

dass diejenigen, die wie Herr Rüfer mehr im Stillen konsequent und verlässlich,<br />

unbestechlich und gradlinig ihre Aufgaben erfüllen, einen großen Anteil am wissenschaftlichen<br />

Erfolg haben. In diesem Sinne hat er der Wissenschaft, seiner<br />

Fakultät und auch der <strong>Schutzkommission</strong> gedient.<br />

Herr Rüfer hat viele Jahre die Tierschutzkommission bei der Bezirksregierung in<br />

Karlsruhe geleitet. Ich erwähne diese seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit,<br />

weil sie exemplarisch seinen Einsatz für eine von ihm als wichtig erkannte Arbeit<br />

zeigt, bei der man wenig öffentliche Anerkennung erwarten kann. Trotzdem hat er<br />

sich engagiert für diese Aufgabe eingesetzt, welche gleichermaßen dem Tierschutz<br />

und dem medizinischen Fortschritt verpflichtet ist.<br />

Das Ende der deutschen Teilung und die Möglichkeit, ohne Grenzkontrollen in<br />

seine alte brandenburgische Heimat fahren zu können, hat Herr Rüfer als einen<br />

besonderen Glücksfall der deutschen Geschichte sehr bewusst und dankbar zur<br />

Kenntnis genommen. Leider war es ihm aufgrund der fortschreitenden Erkrankung<br />

nicht vergönnt, die geliebten heimatlichen Gefilde im Ruhestand wieder intensiv<br />

zu erleben.<br />

Die <strong>Schutzkommission</strong> trauert um Roderich Rüfer. Die Erinnerung an ihn wird bei<br />

uns lebendig bleiben.<br />

25


Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen<br />

zum Katastrophenschutz-Konzept Hessen<br />

Michael Popović<br />

Vorgeschichte<br />

Der kontinuierliche und dringliche Hinweis auf die längst überfällige Einbindung<br />

ärztlichen Sachverstandes in das Katastrophenschutzkonzept erfuhr durch die Terroranschläge<br />

in den Vereinigten Staaten am 11. September neue Aktualität.<br />

Vor diesem Hintergrund wurde die Verabschiedung des Entwurfs eines Katastrophenschutzkonzeptes<br />

für Hessen zunächst zurückgestellt und der Hauptgeschäftsführer<br />

der Landesärztekammer Hessen, Dr. Michael Popović, gebeten, gemeinsam<br />

mit den Vertretern der Hilfsorganisationen und dem Landesfeuerwehrverband eine<br />

Stellungnahme zu erarbeiten. Diese soll in ein Kapitel „Katastrophenmedizin“<br />

sowie „Sanitäts- und Betreuungszüge“ des „Katastrophenschutzkonzeptes Hessen“<br />

aufgenommen werden.<br />

Katastrophenschutz-Konzept Hessen: Katastrophenmedizin<br />

Katastrophenmedizin ist Teil des Katastrophenschutzes und fällt als Friedensaufgabe<br />

in die Zuständigkeit der Länder. Diese staatlichen Organe haben den vom<br />

Grundgesetz vorgegebenen Auftrag, die gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen<br />

zu schaffen, welche bei Unglücksfällen, Großschadensereignissen<br />

und Katastrophen eine ärztliche Hilfe für die betroffenen Menschen sicherstellen.<br />

Die ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechtes, so auch<br />

die Landesärztekammer Hessen erachten es als ihre durch das Heilberufsgesetz<br />

auferlegte Pflicht, auch ihrerseits alles erforderliche zu unternehmen, um eine<br />

befriedigende notfall- und katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung<br />

zu gewährleisten.<br />

Leistungspflicht des Staates<br />

Der Patient hat auch unter Katastrophenbedingungen einen Anspruch, von Ärzten<br />

sorgfältig, d.h. der Sorgfaltspflicht und dem Stand von Wissenschaft und Technik<br />

entsprechend, behandelt zu werden. Der Arzt wiederum hat Anspruch darauf, dass<br />

ihm zur Wahrnehmung seiner aus Strafrecht, Haftungsrecht und Berufsrecht<br />

erwachsenen Behandlungspflicht die notwendigen Hilfskräfte, d.h. qualifizierte<br />

Kräfte der Komplementärberufe, zur Verfügung gestellt werden, die zu einer sorgfältigen<br />

und zuverlässigen Tätigkeit auch unter Katastrophenbedingungen fähig<br />

sind.<br />

27


Der Staat muß Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um bei einer<br />

Katastrophe medizinisch so zu helfen, wie es nach den erwartbaren Szenarien<br />

erforderlich ist. Es besteht eine Leistungspflicht des Staates und der von ihm<br />

beauftragten Institutionen und Organisationen, die notwendigen Voraussetzungen<br />

zur Gewährleistung katastrophenmedizinischer Hilfeleistung zu schaffen.<br />

Situation in der stationären Versorgung<br />

Man kann davon ausgehen, dass im Fall einer Katastrophe – je nach Jahres- und<br />

Uhrzeit sowie nach Organisationsgrad der jeweiligen Krankenhäuser etwa 60 bis<br />

90 % der Krankenhausärzte für die Versorgung der Verletzten zur Verfügung stehen.<br />

Begrenzt werden diese personellen Ressourcen durch die Auswirkungen der<br />

sogenannten „Leistungsverdichtung“.<br />

Was die Bettenkapazitäten der Krankenhäuser betrifft, so hat sich seit der Änderung<br />

der weltpolitischen Lage im Jahr 1990 auch die Lage in Hessen stark verändert:<br />

Die Ressourcen des Zivil- bzw. des Katastrophenschutzes wurden in den letzten<br />

Jahren systematisch abgebaut. Dies führt heute dazu, dass gegenwärtige und<br />

zukünftige Gefährdungslagen unzureichend abgedeckt sind.<br />

In den letzten Jahren wurden in Hessen 2300 Betten abgebaut. Der Auffassung des<br />

Hessischen Sozialministeriums, die Strukturen im Rettungsdienst seien heute noch<br />

aktuell und die Aufnahmekapazität in Hessen mit 38000 Betten ausreichend, steht<br />

eine von der Landesärztekammer Hessen durchgeführte Befragung von sechs ärztlichen<br />

Leitern großer unfallchirurgischer Kliniken vom 16. Oktober 2001 gegenüber:<br />

Alle Befragten gaben übereinstimmend zur Auskunft, dass man heute nur die<br />

Hälfte der Patienten versorgen könnte, die noch 1990 hätten versorgt werden können.<br />

Renommierte internistische Chefärzte haben dies für den konservativen Versorgungsbereich<br />

bestätigt.<br />

Der Ausschuß „Notfall/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen“ der Bundesärztekammer<br />

sieht die Bereitstellung von Notärzten aus unter DRG-Bedingungen<br />

geführten Krankenhäusern als gefährdet an.<br />

Problemfaktor: Geld<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Staatsverschuldung und ihrer Folgen, der Verknappung<br />

öffentlicher Mittel und der gesundheitsökonomischen Zwänge wird das Problem<br />

mangelnder Ressourcen noch deutlicher. Man kann davon ausgehen, dass die<br />

Einrichtungen der stationären Krankenversorgung heute lediglich 2-3 Prozent der<br />

bestehenden Versorgungskapazitäten ad hoc für die Versorgung von größeren<br />

Schadensereignissen zur Verfügung stellen können. Dies wird sich zukünftig deutlich<br />

verschärfen.<br />

Als Folge der Budgetierung im stationären und ambulanten Bereich sind bereits<br />

heute zunehmende Versorgungsengpässe evident.<br />

28


Forderung der Landesärztekammer Hessen nach Aufgabenverteilung und -festlegung<br />

sowie nach der Unterscheidung zwischen Ärzten und nichtärztlichen Helfern.<br />

Vor dem Eintritt eines Großschadensereignisses bzw. einer Katastrophe bedarf es<br />

über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus einer detaillierten Aufgabenfestlegung.<br />

In diesen Bestimmungen sollte – in direkter Wechselbeziehung zum Hessischen<br />

Rettungsdienstgesetz und Krankenhausgesetz – in allen Regelungen und<br />

Auftragsbereichen, die das Gesundheitswesen betreffen, zwischen Ärzten und<br />

nichtärztlichen Helfern unterschieden werden.<br />

Auf jeder Verwaltungsebene muss dem Leiter der jeweiligen Katastrophenschutzbehörde<br />

für die Fragen des Gesundheitswesens ein verantwortlicher Arzt mit notärztlicher/katastrophenmedizinischer<br />

Kompetenz zugeteilt werden, der in seinem<br />

Auftrag gegenüber den mitwirkenden Institutionen, Organisationen usw. des<br />

Gesundheitswesens gleichberechtigt ist. Dieser Arzt sollte, wie es bereits vielerorts<br />

vorgesehen ist, grundsätzlich ein Medizinalbeamter des öffentlichen Gesundheitsdienstes<br />

(z.B. Leiter des Gesundheitsamtes oder dessen Stellvertreter) sein, der<br />

auch über die Qualifikation „Leitender Notarzt“ verfügt.<br />

Der Arzt in der Katastrophenschutzbehörde ist bereits bei der Planung und Vorbereitung<br />

von Katastrophenschutzmaßnahmen verantwortlich einzuschalten, soweit<br />

das Gesundheitswesen betroffen oder berührt ist.<br />

Überall dort, wo ein Arzt im Rahmen der notfall- und katastrophenmedizinischen<br />

Versorgung tätig wird, übernimmt er die Verantwortung für alle Hilfsmaßnahmen.<br />

Die nichtärztlichen Helfer einschließlich der Führungskräfte der Hilfsorganisationen<br />

sollen seinen diesbezüglichen Weisungen unterstehen.<br />

SAVD (Schnelle-Arzt-Verwaltungs-Datenbank)<br />

Die Landesärztekammer Hessen verfügt mit ihrer „Schnellen-Arzt-Verwaltungs-<br />

Datenbank (SAVD)“ über ein hochleistungsfähiges System zur Datenbankrecherche,<br />

das ermöglicht, in Sekunden erfahrene Ärztinnen und Ärzte jeder beliebigen<br />

ärztlichen Qualifikation, mit jeweiligem Tätigkeits- und Wohnort abzufragen.<br />

Über ein Alarmierungssystem von Mitarbeitern der Kammer können damit die notwendigen<br />

ärztlichen Kapazitäten szenarienspezifisch (innerhalb und zukünftig ggf.<br />

telematisch auch außerhalb der Kammer) selektiert und benannt werden.<br />

Notwendigkeit einer szenarienspezifischen Analyse<br />

Vor einer Umstrukturierung im Katastrophenschutz auf Grundlage katastrophenmedizinischer<br />

Standards muß eine szenarienspezifische Analyse der katastrophenmedizinischen<br />

Versorgungsnotwendigkeiten der Bevölkerung durchgeführt werden.<br />

29


Resumee<br />

Wir brauchen dringend ein Konzept für<br />

• eine Zusammenführung von Zivil-, Katastrophenschutz und Rettungsdienst,<br />

ambulanter und stationärer Versorgung,<br />

• eine Datenbank der allgemein verfügbaren Notfallressourcen,<br />

• ein kooperatives Bevorratungsmodell für den Bund, die Länder und Kommunen,<br />

• eine koordinierte Antidota und Sera-Bevorratung,<br />

• eine adäquate Ausstattung des Sanitätsdienstes des Zivil und Katastrophenschutzes<br />

mit Arzneimitteln und Medizinprodukten mit pharmazeutischer<br />

Betreuung,<br />

• adäquates Gerät sowie persönliche Schutzausrüstung für die Einsatzkräfte<br />

– auch für eine Infektionsprävention –,<br />

• und eine Stärkung der Krankenhauskapazitäten für den Massenanfall von<br />

Patienten.<br />

Die gutachterlichen Aussagen finden sich im Zweiten Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern bestätigt<br />

Der vollständige Bericht der Landesärztekammer Hessen (80 Seiten, Stand: Oktober<br />

2001) gibt detaillierte Empfehlungen für vertiefende Untersuchungen sowie<br />

für konkrete Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und<br />

für den Bereich des <strong>Zivilschutz</strong>es. Er beschäftigt sich vor allem mit den Risiken<br />

durch die Freisetzung von Chemikalien und chemischen Kampfstoffen, die Erreger<br />

übertragbarer Krankheiten/biologische Kampfmittel, die Freisetzung von<br />

Radioaktivität und mit Eingriffen in informationstechnische Strukturen. Vorrangig<br />

werden im Bereich „Nachfolgende Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung“<br />

folgende Themen ausgearbeitet: Selbstschutz, Warnung der Bevölkerung, Schutz<br />

durch bauliche Maßnahmen, medizinische Versorgung und Sicherstellung einer<br />

ausreichenden Versorgung mit Arznei und Sanitätsmitteln.<br />

Ergänzung<br />

Unter Hinweis auf die „bisher leider nur in Schleswig-Holstein und Hessen vorgenommenen<br />

Untersuchungen über Gefahrenpotentiale“ hebt der nun veröffentlichte<br />

Zweite Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesministerium<br />

des Inneren genau jene Defizite im Bereich des medizinischen Katastrophenschutzes<br />

hervor, die seitens der Landesärztekammer Hessen beanstandet worden sind.<br />

30


Untersuchung zur Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Ernst Pfenninger und Sabine Himmelseher<br />

Zusammenfassung (Der Original-Bericht ist als Band 54 in der Reihe <strong>Zivilschutz</strong>forschung<br />

erschienen)<br />

1. Einleitung<br />

Unter dem Blickwinkel des aktuellen Zeitgeschehens müssen bei globalisiert möglichem<br />

Terrorismus manche Gefahrenpotenziale, die fast schon als unbedenklich<br />

akzeptiert wurden, wieder als sehr bedrohlich eingestuft werden. Spätestens seit<br />

dem 11. September 2001 ist die Sorge vor Katastrophen allgegenwärtig.<br />

Die Abwendung von Gefahren und Schäden, die im Katastrophenfall drohen,<br />

obliegt in Friedenszeiten den Bundesländern (Katastrophenschutzgesetze der Länder),<br />

während im Kriegsfall der Bund für den <strong>Zivilschutz</strong> (<strong>Zivilschutz</strong>gesetz)<br />

zuständig ist. „Katastrophenschutz (KatS)“ wird definiert als die Maßnahmen der<br />

Bundesländer zur Verhinderung, Abwehr und Beseitigung von Katastrophen oder<br />

ihrer Folgen. Die Gesetzesnovelle zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es vom 25.<br />

März 1997 (geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember<br />

1999) regelt die Aufgaben des <strong>Zivilschutz</strong>es durch Behörden oder öffentliche und<br />

private Organisationen.<br />

Das Öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW) soll zur Gesundheitssicherung der<br />

Bevölkerung durch Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Abwehr von<br />

Gesundheitsgefahren beitragen. Artikel 74 des Grundgesetzes verankert als wichtige<br />

Zuständigkeiten Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare<br />

Krankheiten bei Mensch und Tier, die öffentliche Fürsorge sowie den Schutz<br />

gegen Gefahren bei Freiwerden radioaktiver oder ionisierender Strahlung. Der<br />

Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist Teil des Öffentlichen Gesundheitswesens.<br />

Die Aufgaben werden auf Landesebene von unterschiedlichen Ministerien<br />

durchgeführt, wobei der ÖGD auf drei Stufen arbeitet: den Gesundheitsabteilungen<br />

der Ministerien, den Medizinaldezernaten der Regierungsbezirke und den<br />

Gesundheitsämtern der Kreise und kreisfreien Städte.<br />

2. Aufgabenstellung des <strong>Forschung</strong>svorhabens<br />

Aufgabenstellung des vorliegenden <strong>Forschung</strong>svorhabens war es, die aktuelle Einbindung<br />

des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Zivil- und Katastrophen-<br />

31


schutzplanung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, die vorliegende<br />

Situation zu analysieren und potenziell Vorschläge zu einer Verbesserung der Integration<br />

aufzuzeigen. Angesichts eines Mangels an katastrophenmedizinischen<br />

Themen in den Curricula der Aus- und Fortbildungskataloge sowohl während des<br />

Medizinstudiums als auch in der Facharztweiterbildung zum Arzt für Öffentliches<br />

Gesundheitswesen, bewertete schon 1999 eine Arbeitsgruppe der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern in ihrem „Bericht über die gesetzlichen<br />

Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben sowie zur Wahrung<br />

und Wiederherstellung der Gesundheit bei Großschadensereignissen“ die Situation<br />

zur Integration der Gesundheitsämter in den Katastrophenschutz wie folgt: „Die<br />

Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Bewältigung von Katastrophen<br />

und Großschadensereignissen ist ungenügend gelöst.“<br />

Im Einzelnen sollten im vorliegenden <strong>Forschung</strong>sprojekt folgende Punkte untersucht<br />

werden:<br />

• Gesetzesgrundlagen zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in<br />

die katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />

Deutschland und deren Umsetzung,<br />

• Richtlinien und Erlasse auf Länder- und Kreisebenen, die Bezug zur Einbindung<br />

des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />

aufweisen,<br />

• Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals<br />

im öffentlichen Gesundheitsdienst bezüglich katastrophenmedizinischer<br />

Versorgung der Bevölkerung,<br />

• Ausbildungsstand des Personals im öffentlichen Gesundheitsdienst zur notfall-<br />

/katastrophenmedizinischen Versorgung,<br />

• Evaluierung der Katastrophenschutzbehörden bezüglich der Einbindung des<br />

öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen,<br />

• Erstellung eines Konzeptes zur Behebung der festgestellten Defizite des ärztlichen<br />

Personals und der Fachberufe im öffentlichen Gesundheitsdienst zur<br />

besseren Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die notfall-/katastrophenmedizinische<br />

Versorgung.<br />

3. Methodik und Ergebnisse<br />

3.1 Rechtsgrundlagen<br />

Es wurde eine ausführliche Analyse und Kommentierung der Gesetzeslage im<br />

Bund sowie in den Bundesländern erarbeitet. Daran anschließend erfolgte eine<br />

synoptische Auflistung der einschlägigen Regelungsgegenstände und ihrer Fundstellen.<br />

In einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung wurde versucht, ein länderübergreifendes<br />

Gesamtfazit zu ziehen, verbunden mit einem vorsichtigen Ausblick<br />

auf etwaige Konsequenzen für den Gesetzgeber und die gesetzanwendende<br />

Verwaltung.<br />

32


Als Ergebnis ist festzuhalten, dass auf der Grundlage der geltenden Katastrophenschutz-<br />

und Gesundheitsdienstgesetze deren erkennbarer Normzweck erfüllt werden<br />

kann. Wo es dem Gesetzeswortlaut an Explizität mangelt – dies ist der Regelfall<br />

– , sollte nicht mit dem Verlangen nach Klartext i. S. von Buchstäblichkeit reagiert<br />

werden. Dies würde zu einer unnötigen Aufblähung der Gesetze durch<br />

Überregulierung führen, die den rechtspolitisch immer wieder geltend gemachten<br />

Bestrebungen nach Deregulierung zuwiderliefe. Dafür, dass die hier zu würdigende<br />

Gesetzeslage keineswegs defizitär ist, spricht auch der Umstand: In den Katastrophenschutzgesetzen<br />

der Länder sind Ermächtigungen zum Erlass von<br />

Rechtsverordnungen nur sporadisch erfolgt und, wo dies der Fall ist, thematisch<br />

nicht einschlägig (s. hierzu etwa die Ausführungen zu § 43 Abs.1 Nr.1 LBKG Rh.-<br />

Pf.). Dies wiederum kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es aus der Sicht<br />

des Gesetzgebers einer weiteren Durchnormierung – und sei es durch die Exekutive<br />

– nicht bedarf, die formelle Gesetzeslage vielmehr ausreicht und alles Weitere<br />

auf Verwaltungsebene, also durch administrative und organisatorische Maßnahmen<br />

im Wege des Gesetzesvollzugs und damit durch Ausfüllung und Ausführung<br />

der Gesetze i. S. des Normzwecks zu erfolgen hat und – von der Gesetzeslage<br />

gedeckt – auch erfolgen kann. Somit ergibt sich – thesenförmig verkürzt – die folgende<br />

richtungweisende Handlungsempfehlung: Das Ausschöpfen der Möglichkeiten<br />

vorhandener Gesetze geht vor Schaffung weiterer neuer oder Änderung<br />

bestehender Gesetze.<br />

3.2 Inhalte der Ausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals<br />

im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

Es wurden die aktuellen Curricula der obligatorischen Ausbildung für ärztliches<br />

Personal innerhalb des Studiums der Humanmedizin und im Rahmen der Weiterbildung<br />

zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen systematisch nach<br />

Bezügen zur Beherrschung von Katastrophen durchforscht. Hierfür wurde im studentischen<br />

Bereich der Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und<br />

pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zugrunde gelegt. Im Bereich der fachärztlichen<br />

Weiterbildung wurden die vom Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes e.V. herausgegebenen (Muster-)Richtlinien zur Weiterbildung<br />

im Öffentlichen Gesundheitswesen als Basis verwendet. Außerdem wurde<br />

der 6-monatige Kurs in der Facharztweiterbildung für das Öffentliche Gesundheitswesen<br />

bezüglich katastrophenmedizinischer Weiterbildungsaspekte analysiert.<br />

Im Hinblick auf fakultative Fortbildungsmöglichkeiten wurden die Programme<br />

der in Deutschland bestehenden Lehr- und <strong>Forschung</strong>sakademien für das<br />

Öffentliche Gesundheitswesen in Berlin, Düsseldorf, München und Schwerin<br />

sowie der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> in Ahrweiler erkundet.<br />

Ärztliches Personal<br />

In allen Abschnitten von Studium und Facharztweiterbildung finden sich vereinzelt<br />

Punkte, die zwar Bezug zu einer Katastrophe haben, aber es ist kein durchgehendes<br />

Gesamtkonzept erkennbar. Zwei- bis dreistündige Referate zu Katastro-<br />

33


phensituationen stellen einen Bruchteil der Ausbildung dar; viele dringend für<br />

einen Katastrophenfall zu unterrichtenden Themen werden nicht einmal erwähnt.<br />

Praktische Anwendungen und Übungen für den Ernstfall sind im Curriculum<br />

nicht enthalten.<br />

Das Wissen, das für ein erfolgreiches Management einer Katastrophe im<br />

Zusammenwirken mit anderen Institutionen, Behörden, etc. notwendigerweise<br />

vorhanden sein muss, wird – wenn überhaupt – nur als fakultative, freiwillige<br />

Fortbildungsmöglichkeit angeboten. Zuständigkeitsgrenzen und Schnittstellen zu<br />

anderen medizinischen Diensten sind in der Aus- und Weiterbildung nicht transparent;<br />

eine Schulung für Prioritäten oder Gewichtsverteilungen im ÖGD für den<br />

Katastrophenfall ist nicht erkenntlich. Logistische Abläufe, strategisches Vorgehen,<br />

koordiniertes Handeln und kommunikative Eigenschaften werden nicht vermittelt.<br />

Ob sich der neu entwickelte Studiengang Rescue Engineering etablieren<br />

und ob katastrophenmedizinische Fachkompetenz generiert wird, kann noch nicht<br />

beurteilt werden.<br />

Nicht-ärztliches Personal<br />

Als Ausgangslage zeigt sich eine inhomogene Mischung verschiedenster Berufsgruppen<br />

innerhalb des nicht-ärztlichen Personals der Gesundheitsämter, die verschiedenste<br />

Ausbildungsgrundlagen und -schwerpunkte aufweisen. Je nach Ausbildungsstätte<br />

und der beruflichen Aus- und Fortbildung und Spezialisierung im<br />

öffentlichen Gesundheitswesen nimmt die Vermittlung katastrophenmedizinisch<br />

relevanter Lehr- und Lerninhalte einen sehr unterschiedlichen Umfang und Stellenwert<br />

ein. Eine katastrophenmedizinische Ausbildung im Sinne eines Gesamtkonzeptes<br />

für eine Berufsgruppe oder alle beteiligten Gruppen ist nicht erkennbar.<br />

3.3 Evaluierung des ärztlichen Personals der unteren Gesundheitsbehörde<br />

bezüglich katastrophenmedizinischer Kenntnisse<br />

Zur Erhebung der Kenntnisse und Vorstellungen der Ärzte, die im ÖGD für die<br />

katastrophenmedizinische Belange zuständig sind oder es sein sollten, wurde ein<br />

Fragebogen an der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universität Ulm, entwickelt.<br />

Der Fragebogen umfasste drei katastrophenmedizinisch relevante Hauptthemenkomplexe,<br />

die evaluiert werden sollten:<br />

1. Berufsausbildung der im ÖGD tätigen Ärzte (Studium, Facharztweiterbildung),<br />

2. Katastrophenmedizinische Kenntnisse und deren Herkunft,<br />

3. Intentionen und Perspektiven.<br />

Der Fragenkatalog wurde anhand von in der Literatur vorgegebenen Anforderungsprofilen<br />

an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall erstellt. Nach Abstimmung<br />

mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag wurde er<br />

Anfang Mai 2001 an alle unteren Gesundheitsbehörden der Bundesrepublik<br />

34


Deutschland (Anzahl n = 429) verschickt. Die Auswertung der zurückgesandten<br />

Fragebögen erfolgte anonym.<br />

Von n = 429 angeschriebenen Gesundheitsämtern antworteten insgesamt bundesweit<br />

n = 339 (79 %). Das ärztliche Personal im ÖGD, das für die Katastrophenbewältigung<br />

zuständig ist, besteht zu demnach zu 91 % aus Fachärzten für öffentliches<br />

Gesundheitswesen, 22 % besitzen den Fachkundenachweis Rettungsdienst,<br />

4 % haben den Kurs Leitender Notarzt absolviert. Fast zwei Drittel der Ärzte im<br />

ÖGD sind eigenen Angaben zufolge bereits in die Katastrophenplanung involviert.<br />

Kenntnisse zu einzelnen medizinischen Teilbereichen werden im Rahmen des Studiums<br />

erworben. Hier muss jedoch ausdrücklich betont werden, dass dies keine<br />

spezifisch katastrophenmedizinischen Kenntnisse sind, sondern nur Wissen zur<br />

Behandlung von Einzelfällen darstellt. Auch während der Facharztweiterbildung<br />

zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen wird nur zu einem geringen<br />

Anteil katastrophenmedizinisches Wissen (Seuchenbekämpfung) vermittelt. Es<br />

werden jedoch immer nur punktuell Inhalte mit Bezug zur Katastrophenmedizin<br />

unterrichtet. Es besteht ein ausgeprägtes Problembewusstsein bei den Ärzten im<br />

ÖGD hinsichtlich ihrer Integration in den Katastrophenschutz. Der Bedarf an speziellen<br />

Fortbildungen ist erkannt, die Wünsche nach speziellen Fortbildungsinhalten<br />

(hauptsächlich Einsatztaktik, Seuchenbekämpfung und Planung zum Management<br />

von Gefahrgutunfällen) werden klar geäußert.<br />

3.4 Evaluation der unteren Katastrophenschutzbehörden zur Integration<br />

der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienste in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung<br />

Zur Evaluation der für die Katastrophenbewältigung zuständigen Behörden und<br />

Personen (Katastrophenschutzbeauftragte) wurde wiederum ein Fragebogen [in<br />

Zusammenarbeit mit Katastrophenschutzbeauftragten und dem Deutschen Städteund<br />

Landkreistag] entwickelt, mit welchem drei Hauptthemenkomplexe eruiert<br />

werden sollten:<br />

1. Aktueller Stand der Integration der Ärzte des ÖGD in den Katastrophenschutz,<br />

2. Erwartungen der Katastrophenschutzbeauftragten an die Ärzte des ÖGD,<br />

3. Identifikation von Problemen und Vorschlägen zu deren Lösung für die<br />

Zukunft.<br />

Der Fragebogen wurde Ende August 2001 an n = 438 Katastrophenschutzbeauftragte<br />

in der Bundesrepublik Deutschland verschickt. Die Auswertung der Fragebögen<br />

erfolgte anonym.<br />

Insgesamt wurden 338 Bögen von den angeschriebenen Katastrophenschutzbehörden<br />

zurückgeschickt. Bezüglich der Einbindung der Ärzte des ÖGD in ihre<br />

Katastrophenplanungen geben 12 (3,5%) Landkreise oder Städte an, dass keine<br />

Einbindung besteht. Die häufigste Art der Einbindung stellt die Einbindung in Einzelfällen<br />

mit 50,6% der Antworten dar. Eine feste Einbindung in die Katastrophenoder<br />

Alarmpläne oder die Existenz einer festen Rufbereitschaft eines Arztes des<br />

Gesundheitsamtes geben nur 19,6% beziehungsweise 12,8% der Befragten an.<br />

35


Die aktuelle Einbindung der Ärzte des ÖGD in Katastrophenpläne ist vor allem<br />

für die Situationen Seuchenfall, besondere Erkrankungen von Einzelpersonen und<br />

amtlich festgestellte Katastrophen vorgesehen. Fast 60% der Befragten haben<br />

Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Ärzten des ÖGD aus Übungen und/oder<br />

Realeinsätzen. Diese Zusammenarbeit wird in 44-56% der Fälle als sehr gut beurteilt.<br />

Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten von der Integration der Ärzte<br />

des ÖGD in die katastrophenmedizinische Versorgung vor allem Informationen zu<br />

Symptomen, therapeutische Maßnahmen und organisatorische Bewältigung im A-,<br />

B-, C- und Seuchenfall. Des weiteren werden allgemeine medizinische Informationen<br />

und die Planung der Einsatzabläufe innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />

von den Amtsärzten gewünscht. Nach Meinung der Katastrophenschutzbeauftragten<br />

der Landkreise und kreisfreien Städte sollte die katastrophenmedizinische<br />

Ausbildung der Ärzte für öffentliches Gesundheitswesen im Rahmen der<br />

Facharztweiterbildung deutlich verstärkt werden.<br />

3.5 Konzepte zur verbesserten katastrophenmedizinischen Aus- und<br />

Weiterbildung der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

Zur Verbesserung des katastrophenmedizinischen Wissens im Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst wird ein modulares Ausbildungskonzept mit katastrophenmedizinischen<br />

Lehrinhalten vorgeschlagen, das in die Weiterbildung zum Facharzt für<br />

Öffentliches Gesundheitswesen zu integrieren ist. Es beinhaltet die Module:<br />

• Studium der Humanmedizin,<br />

• Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen,<br />

• Fakultative Fortbildung,<br />

• Eigenständiger Informationsgewinn.<br />

Als langfristige und effektive Lösung ist die Schaffung einer eigenständigen Vorlesung<br />

„Katastrophenmedizin“ vorzusehen, in der die Grundlagen rechtlicher,<br />

medizinischer und organisatorischer Belange, die bei der Katastrophenbewältigung<br />

essenziell sind, zu vermitteln sind.<br />

Die wesentlichen Inhalte zum Erwerb katastrophenmedizinischer Kenntnisse sind<br />

in die Weiterbildung zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen zu integrieren.<br />

Es wird ein 120 stündiges Curriculum vorgeschlagen, das im Rahmen<br />

einer dreiwöchigen intensiven katastrophenmedizinischen Basisausbildung zum<br />

einen die Anforderungen aus der Literatur an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />

abdeckt, zum anderen aber auch die schwerpunktmäßig von den Ärzten im<br />

ÖGD geforderten Weiterbildungsinhalte berücksichtigt.<br />

Nach unseren Untersuchungen sind die Ärzte im ÖGD an einer umfassenderen<br />

beruflichen Ausbildung für den Katastrophenfall interessiert und auch bereit, eine<br />

solche zu absolvieren. Nationale und wünschenswert auch internationale Akademien<br />

müssen Wissen zur medizinisch-organisatorischen Katastrophenbewältigung,<br />

das auf das Aufgabenprofil der Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall zugeschnitten<br />

ist, vermitteln.<br />

36


3.6 Konzepte zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte<br />

im Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Planung, Vorbereitung<br />

und Praxis der Katastrophenabwehr<br />

Jeder Arzt im ÖGD besitzt ein allgemeines katastrophenmedizinisches Basiswissen,<br />

das im Studium, während der Facharztweiterbildung sowie in entsprechenden<br />

katastrophenmedizinischen Fortbildungsmöglichkeiten erworben worden ist. Für<br />

die Bewältigung von Katastrophen, Großschadensereignissen und speziellen Situationen<br />

sind weiterführende Informationen abrufbar. Der Arzt im ÖGD weiß um<br />

diese Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und kann diese nutzen. Als Informationsquellen<br />

werden zum einen lokal im Gesundheitsamt eine jederzeit verfügbare<br />

Wissensdatenbank bereitgestellt und zum anderen werden Anlaufstellen für<br />

den Arzt im ÖGD in vorhandenen und zu etablierenden Wissenszentren mit besonderen<br />

Kompetenzen als Ansprechpartner für weiterführendes professionelles Spezialwissen<br />

eingerichtet. Durch den Erwerb katastrophenmedizinischer Basisqualifikationen<br />

von allen Ärzten im ÖGD wird erzielt, dass grundsätzlich jeder Arzt<br />

im ÖGD im Bedarfsfall innerhalb eines festen Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienstes<br />

gewisse, bei einer Katastrophe erforderliche Basisaufgaben in<br />

ihren Grundzügen übernehmen kann. Art und der Umfang eines solchen Trainings<br />

sollten vom Aufwand des zu vermittelnden Wissens und von den Anstrengungen,<br />

die der Arzt für diese Ausbildung investieren müsste, in der Wirklichkeit als Rahmenmodell<br />

implementierbar sein. Die Quellen, die zur Informationsschöpfung für<br />

den Arzt im ÖGD geschaffen werden müssen, sollten als weiterführende Auskunftsmöglichkeiten<br />

dienen und ein aktualisiertes Basiswissen, Hintergrundwissen<br />

und bei speziellen Fragestellungen spezifische Erkenntnisse zur Findung von<br />

Problemlösungen anbieten. Hierdurch sollte jeder Arzt im ÖGD der Situation<br />

angemessen im jeweiligen Fall reagieren können.<br />

Als organisatorische Struktureinheit dieser spezifischen Katastrophenabwehr wird<br />

für die Bereiche Freisetzung radioaktiver Substanzen, Freisetzung biologischer<br />

(Kampf-)Stoffe, Freisetzung chemischer Schad-/Kampfstoffe sowie Management<br />

von hochkontagiösen Erkrankungen jeweils die bundesweite Schaffung von<br />

„Kompetenzzentren“ empfohlen, die durch ein übergeordnetes Netzwerk koordiniert<br />

werden.<br />

4. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

Als Ergebnisse der sehr ausführlichen Untersuchungen können folgende Schlussfolgerungen<br />

bzw. Empfehlungen ausgesprochen werden:<br />

• Nach Analysen der Gesetzeslage besteht keine Notwendigkeit zur Änderung<br />

der Katastrophenschutzgesetze hinsichtlich der Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes. Sowohl eine implizite Einbindung in den meisten<br />

Bundesländern als auch die explizite Einbindung in einigen wenigen Bundesländern<br />

kann für die Lösung der anstehenden verbesserten Einbindung des<br />

ÖGD als ausreichend bewertet werden. Als Empfehlung kann vorgegeben werden,<br />

bei einer anstehenden Neufassung der Katastrophenschutzgesetze eine<br />

explizite Einbindung des ÖGD analog zum Gesetz über den Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst in Sachsen-Anhalt vorzunehmen.<br />

37


• De facto ist die Einbeziehung der Ärzte im ÖGD in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland z.Z. nur<br />

situationsadaptiert und bedarfsorientiert. Eine feste Einbindung besteht in<br />

geringem Umfang. Die Integration des ÖGD in Katastrophenpläne ist für spezifische<br />

Situationen, wie das Auftreten einer Seuche, hochkontagiöser Infektionen<br />

von Einzelpersonen und amtlich festgestellte Katastrophen, meistens<br />

zwar etabliert, eine explizite Implementierung ist jedoch zu fordern.<br />

• Eingehende Kenntnisse und Erfahrungen besitzen die Ärzte des ÖGD nach<br />

unseren Untersuchungen nur für Seuchenfälle. Die unmittelbare Einbindung<br />

des ÖGD bei spezifischen Situationen, wie zum Beispiel dem Ausbruch von<br />

Seuchen oder bei Bioterrorismus, ist jedoch unabdingbar. Die Kenntnisse des<br />

ärztlichen Personals im ÖGD in den Bereichen Unfälle mit chemischen und<br />

radioaktiven Stoffen müssen deutlich erweitert werden. Eine große Diskrepanz<br />

besteht zwischen dem tatsächlich vorhandenem Wissen und dem Wunsch nach<br />

tiefergehenden Kenntnissen. Das ärztliche Personal im ÖGD erkennt den<br />

bestehenden Fortbildungsbedarf sehr wohl und signalisiert Bereitschaft,<br />

zusätzliche Fortbildungen zu absolvieren.<br />

• Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten durch die Integration der Ärzte<br />

im ÖGD vor allem Informationen zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen<br />

und organisatorischer Bewältigung von A-, B-, C- und Seuchenfällen,<br />

diese Erwartungen können die meisten Ärzte im ÖGD bedingt durch den derzeitigen<br />

Wissensstand jedoch nicht bieten.<br />

• Die Katastrophenschutzbehörden müssen in ihre Katastrophenpläne und vorbereitenden<br />

Maßnahmen zur Katastrophenabwehr die Gesundheitsämter verbindlich<br />

unter definierten Kriterien integrieren (z.B. Rufbereitschaftspläne,<br />

Festlegung von konkreten Alarmierungsplänen). Alarmierungspläne sollten das<br />

real existierende Gefahrenpotenzial in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen<br />

besonders berücksichtigen. Anhand der Einsatzpläne muss die genaue vertikale<br />

und horizontale Einbindungsstruktur sowie Weisungskompetenz geregelt<br />

werden.<br />

• Es gilt in entscheidendem Umfang, die tatsächlichen katastrophenmedizinischen<br />

Kenntnisse der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu steigern.<br />

Hierfür müssen Konzepte und Modellstrukturen zur Verbesserung der studentischen<br />

Ausbildung und der Weiterbildung für den Facharzt für das Öffentliche<br />

Gesundheitswesen sowie zur Verbesserung der Sachkompetenz der<br />

momentan im ÖGD tätigen Ärzte entwickelt werden.<br />

• Ein wissensbasiertes Management innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />

ist unabdingbar. Es beinhaltet die Einrichtung nationaler Wissenszentren mit<br />

spezifischen Aufgaben (A-, B-, C- und Infektabwehr) mit ständiger Erreichbarkeit,<br />

sowie die Schaffung „vor Ort“ anwendbarer Wissensdatenbanken und<br />

Expertensysteme mit ÖGD-spezifischen Gefahrenabwehr-Modulen.<br />

• Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, erscheint uns<br />

zudem die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr<br />

mit direkter Einbindung der Ärzte des ÖGD zur Vorsorge und zum Schutz der<br />

Bevölkerung bei Katastrophen empfehlenswert.<br />

38


Summary<br />

Investigation of the Integration of the German<br />

Public Health Service into the Medical Care for<br />

Catastrophe Preparedness and Response in the<br />

Federal Republic of Germany<br />

Prof. Dr. med. E. Pfenninger; Dr. med. S. Himmelseher<br />

1. Introduction<br />

Recent aspects of the contemporary worldwide scenario with the possibility of global<br />

terrorist attacks demand that some risks with hazardous potential which had<br />

almost been considered as acceptable must be reevaluated as very threatening.<br />

Since September, the 11 th , 2001, at the latest, concerns surrounding catastrophes<br />

are permanent.<br />

In times of peace, it is the task of the individual German State (Deutsches Bundesland)<br />

to prepare for, detect and prevent dangerous incidents and injuries that could<br />

cause disaster, disease and deaths in sufficient numbers to gravely impact the civilian<br />

population or a region, such as in a catastrophe (individually regulated by catastrophe<br />

prevention legislation of each German State). In times of war, the task<br />

of Civil Defense and Civil Protection is performed nationwide by the Federal<br />

Republic of Germany as a union (regulated by Federal Civil Defence legislation).<br />

“Catastrophe Prevention” includes all efforts of the German States to prevent,<br />

respond, manage, contain and overcome catastrophes and their consequences. The<br />

new federal act “Re-Regulation of the German Civil Defence Act“ of March, 25 th ,<br />

1997 (updated by the budget containment act of December, 22 nd , 1999) reformed<br />

the tasks of civil defence and civil protection for administrative institutions and<br />

public and private relief agencies.<br />

The German Public Health System (Deutsches Öffentliches Gesundheitswesen)<br />

aims at maintaining the health of the German population by means of health protection,<br />

disease control, and containment of health threats. Article 74 of the German<br />

Constitution (Deutsches Grundgesetz) describes as important areas of public<br />

health service’s responsibility all precautions and measures against publicly dangerous<br />

and infectious diseases for human beings and animals, Public Health Care,<br />

and protection as well as defence against dangers of radioactive and ionizing<br />

incidents. The German Public Health Service (GPHS, Deutscher Öffentlicher<br />

Gesundheitsdienst) is part of the German Public Health System and performs its<br />

tasks in various state departments. The GPHS is located in state health authorities,<br />

in local district authorities, and in regional health authorities and district-free city<br />

health authorities.<br />

39


2. Objective of Research Project<br />

This research project aimed at investigating the integration of the GPHS into the<br />

plans for civil defence and protection as well as catastrophe prevention of the<br />

Federal Republic of Germany. Following a comprehensive analysis of the current<br />

situation, potential proposals for an improved integrative approach should be presented.<br />

In view of the lack of topics relevant for medical care in disaster medicine<br />

in educational curricula and training programs for medical students and postgraduate<br />

board programs for public health physicians, a working group of the Civil<br />

Protection Board of the German Federal Ministry of the Interior already<br />

complained in their “Report on execution of legal rules for protection and rescue<br />

of human life as well as restitution of public health after disaster” in 1999, that the<br />

integration of the GPHS into catastrophe and disaster prevention programs has<br />

insufficiently been solved.<br />

On a point-by-point approach, our project analysed the following issues:<br />

• Legislative acts for integration of the German Public Health Service into medical<br />

care in catastrophes and disasters to protect the civilian population of Germany<br />

and their implementation and execution<br />

• Administrative rules and directives on state and district levels that show relationship<br />

to integration of the German Public Health Service into preparedness<br />

programs for catastrophe prevention and management and their implementation<br />

and execution<br />

• Education and postgraduate training options for physicians and non-physician<br />

employees of the German Public Health Service to prepare for medical care in<br />

catastrophes and disasters<br />

• State of knowledge and experience of the German Public Health Service personnel<br />

in emergency and disaster medicine<br />

• Evaluation of the German administrative catastrophe prevention authorities<br />

with regard to their integration of the German Public Health Service into preparedness<br />

programs for catastrophe prevention and management<br />

• Development of a concept to remedy the identified deficiencies in catastrophe<br />

and emergency physician training and in the educational programs for professional<br />

employees in the German Public Health Service to allow for a better<br />

integration of both groups into emergency and disaster medical care<br />

3. Methods and Results<br />

3.1 Legal Situtation<br />

A comprehensive analysis and profound commentary on Germany’s Federal acts<br />

and the acts of each German State has been worked out. The information obtained<br />

was synthesized in a synoptic listing of all relevant acts, administrative rules, and<br />

directives identified with their sources indicated. In a closing summary, conside-<br />

40


ations for drafts for conclusions valid for all German states were made and were<br />

connected with cautious perspectives for potential consequences for the German<br />

legislation and the executing administration.<br />

The results of our analysis indicate that based on the currently valid catastrophe<br />

prevention and health service acts the tasks of catastrophe prevention can be completely<br />

fulfilled. Where there is lack of explicit wording in the acts – and this is<br />

the regular case – reactions in the sense of clear wording to the letter should not<br />

be demanded. This would only lead to an unnecessary legislative over-expansion<br />

through over-regulation; such a development, however, would be contrarily to all<br />

repeated efforts of de-regulation. In favour for the fact that the existing acts do not<br />

have deficits, the following must be taken into consideration: in the catastrophe<br />

prevention acts of the German States, authorizations to enact administrative rules<br />

and directives can only be found sporadically, and where it is the case, they are<br />

not specifically related to a topic (e.g., see § 43, part 1, No. 1, LBKG (catastrophe<br />

prevention act of the State Rheinland-Pfalz). From the legislative body’s viewpoint,<br />

this indicates also that there is no need for a more intensive regulation, even<br />

with regard to the executive. The formal acts are regarded to be dedicated and sufficient;<br />

everything else can be regulated on an operational level, i.e. by means of<br />

administrative and organisational measures through executive ways. Thus, all<br />

goals must be achieved through fulfilment and execution of the existing acts in the<br />

sense of their true meaning, and – protected by law – can be accomplished.<br />

As a conclusion – shortened as a thesis – the following recommendation for future<br />

direction is made: Comprehensive use of all options of the existing acts precedes<br />

the creation of further new acts or a change of existing acts.<br />

3.2 Matters of Education and Training of Physicians and Non-Physician<br />

Professionals in the German Public Health Service<br />

All current curricula from the obligatory educational study programs for physicians<br />

in medical schools and postgraduate training programs for the boards of<br />

public health physicians were systematically evaluated for items related to preparedness,<br />

response, and containment of catastrophes and disasters. The evaluations<br />

were based on the official German “Item Catalogue of the Institute for Medical<br />

and Pharmaceutical Questions for Examinations” for medical students and on the<br />

official educational Guidelines of the German Federal Board of Public Health Physicians<br />

for public health physicians. Additionally, the obligatory 6-months school<br />

course during the training for public health physicians in Germany was evaluated<br />

for aspects relevant for catastrophe and disaster medicine. With regard to facultative<br />

educational options, the teaching programs of the German Teaching and Research<br />

Academies for Public Health in Berlin, Duesseldorf, Munic, and Schwerin<br />

as well as the programs of the Academy for Crisis Management, Emergency Planning<br />

and Civil Defence in Ahrweiler were assessed.<br />

41


Physicians<br />

All parts of medical school and postgraduate training programs contain singular<br />

aspects relevant for catastrophe and disaster medicine, but it is impossible to recognize<br />

any structured concept behind this. Two- or three-h lectures make up a fractional<br />

amount of all training; many urgently needed topics from an educational<br />

point of view have not even been mentioned. There is no training of practical skills<br />

and applicable knowledge, let alone be instructional training sessions in simulated<br />

scenarios.<br />

That knowledge, which should necessarily be available for a successful management<br />

of catastrophes in cooperation with other institutions, administrative bodies,<br />

etc. has been listed – if at all- only as a facultative, voluntary optional training.<br />

Throughout all stages of medical education, there is no transparency with regard<br />

to responsibility limits and potential overlapping or cutting points with other medical<br />

relief agencies; it is also impossible to spot any training for priorities or hierarchical<br />

orders in the German Public Health System in case of a catastrophe or<br />

disaster. Logistic operating, strategic proceeding, coordinated acting, and communicative<br />

skills are no subject of teaching. Whether the newly designed study for<br />

the degree of a master of “Rescue Engineering” may establish itself and whether<br />

occupational competence for catastrophe and disaster medicine will be generated,<br />

cannot yet be decided.<br />

Non-Physician Professionals<br />

As a starting base, the non-physician professionals of the German Public Health<br />

departments build up an absolutely inhomogeneous group with various occupations<br />

that have multiple distinguished essentials of educational training and occupational<br />

skills. Varying according to location of training, occupational and facultative<br />

mainstays of education, and the specialization within the public health<br />

system, the teaching of matters relevant for catastrophe and disaster medicine is<br />

differently appreciated and realized. It is impossible to recognize any education<br />

for catastrophe or disaster medicine in the sense of a broadly structured concept<br />

for one professional group or all groups participating in public health service activities.<br />

3.3 Evaluation of Physicians of the Lower German Public Health Service<br />

Authorities for Knowledge Relevant in Catastrophe and Disaster<br />

Medicine<br />

To evaluate the knowledge and notion of the physicians who are or should be<br />

responsible for matters relevant for catastrophe medicine in the GPHS, a questionnaire<br />

was developed at the University Hospital of Ulm, Department of Anesthesiology.<br />

The survey requested information about three main complexes of topics<br />

relevant for catastrophe and disaster medicine:<br />

• Occupational training of physicians working in the GPHS<br />

(medical school, postgraduate training),<br />

42


• Knowledge of catastrophe and disaster medicine and its source,<br />

• Opinions and perspectives.<br />

The set of questions had been set up according to profiles for public health service<br />

physicians as requested in the literature. After approval and consensus agreement<br />

on study procedures and the survey by the German City Council and the German<br />

District Council, the questionnaire was mailed to all lower public health service<br />

authorities of the Federal Republic of Germany (number n = 429) at the<br />

beginning of Mai 2001. All responses were processed anonymously.<br />

Overall, responses were received from n = 339 of 429 contacted lower PHS authorities<br />

of the Federal Republic of Germany (79%). Respondents report that 91% of<br />

the GPHS physicians who are responsible for catastrophe and disaster medicine<br />

are board-qualified public health service physicians, 22% have completed a training<br />

in emergency and rescue service, and 4% participated in a training program<br />

for the leading emergency physician. Almost two-third of the GPHS physicians<br />

indicate that they are already involved in catastrophe and disaster medicine preparedness<br />

plans. They state that they gained their knowledge of medical topics<br />

relevant for catastrophe medicine while being educated in medical school. However,<br />

it has to be stressed here, that this knowledge is not specifically related to<br />

catastrophe and disaster medicine, but only related to skills for treatment of individual<br />

cases. The answers to the questionnaire also show that merely a very small<br />

part of the training for the boards of public health service physicians includes education<br />

in expert knowledge of catastrophe medicine (management of infectious<br />

disease in epidemics). Nevertheless, only a few items with relevance for catastrophes<br />

and disasters are subject of teaching. The survey also demonstrates that GPHS<br />

physicians are well aware of the problem of their integration into catastrophe preparedness<br />

and management plans. They recognize their clear need for special<br />

catastrophe preparedness training and explicitly state wishes for particular teaching<br />

sessions (mainly in catastrophe response tactics, epidemic infectious disease<br />

containment, management planning of incidents with transports of hazardous<br />

material).<br />

3.4 Evaluation of the Lower Catastrophe Prevention Authorities for<br />

Integration of German Public Health Service Physicians into Preparedness<br />

Planning of Medical Care for Catastrophes and Disasters<br />

To evaluate the administrative authorities and officers who are responsible for catastrophe<br />

prevention (catastrophe prevention officers) a questionnaire survey was<br />

developed in cooperation with the German City Council and the German District<br />

Council again, that addressed three main complexes of topics:<br />

• Current state of integration of the GPHS physicians into catastrophe preparedness<br />

and response planning,<br />

• Expectations of catastrophe prevention officers towards GPHS physicians,<br />

• Identification of problems and proposals to solve these.<br />

43


The questionnaire was mailed to all lower catastrophe prevention officers of the<br />

Federal Republic of Germany (number n = 438) at the end of August 2001. All<br />

responses were processed anonymously.<br />

Overall, responses were received from n = 338 contacted catastrophe prevention<br />

officers. With regard to integration of GPHS physicians into their catastrophe preparedness<br />

plans, 12 (3.5 %) districts and cities report that they do not have any<br />

integration of the GPHS physicians. The most frequent way of integration is indicated<br />

as integration into management of individual cases with 50.6 % of answers.<br />

A permanent integration into all catastrophe preparedness and notification plans<br />

or the existence of an on-call protocol for GPHS physicians is reported by only<br />

19.6 % resp. 12.8 % of respondents.<br />

The current integration of the GPHS physicians into the catastrophe prevention and<br />

preparedness plans is centered mainly around situations of epidemic infectious<br />

diseases, with special plans for diseases of individual patients and officially<br />

acknowledged catastrophes. Almost 60 % of respondents indicate experiences in<br />

concerted and coordinated actions with GPHS physicians during simulated scenarios<br />

or real disaster management. This cooperation is judged as very good in 44 –<br />

56% by respondents. With regard to the integration of the GPHS physicians into<br />

the medical care in catastrophes and disasters, the catastrophe prevention officers<br />

primarily expect comprehensive information about symptoms, therapeutic measures,<br />

and organisational responses to cope with radioactive, biological, chemical,<br />

and epidemic infectious disease incidents. The catastrophe prevention officers also<br />

wish to receive general pieces of medical information as well as information about<br />

strategic plans for management procedures within the lower public health service<br />

authorities from the GPHS physicians. According to the opinion of the catastrophe<br />

prevention officers of the districts and district-free cities, training in catastrophe<br />

and disaster medicine should be massively strengthened within the postgraduate<br />

education for the boards of public health service physicians.<br />

3.5 Concepts for an Improved Training and Postgraduate Education of<br />

Physicians in the German Public Health Service<br />

To enhance the knowledge and skills relevant for medical care in catastrophes and<br />

disasters within the German public health service, a modular training concept with<br />

teaching contents of catastrophe medicine is proposed. It consists of the following<br />

modules:<br />

• Medical school<br />

• Postgraduate education for the boards of public health physicians<br />

• Facultative training<br />

• Personal, self-motivated gain of information<br />

In medical school, a long-lived and effective solution can be achieved by implementation<br />

of an independent lecture series on “Catastrophe Medicine”. Here, the<br />

44


asics of medical, operative, and legal issues which are essential for catastrophe<br />

and disaster preparedness and response should be taught.<br />

It is an absolute necessity to integrate the main contents of catastrophe and disaster<br />

medicine into the postgraduate education for the boards of public health care<br />

physicians. A 120-h program curriculum is proposed that should be taught within<br />

a three-week period as intensive training in all basic aspects of catastrophe and<br />

disaster medicine described as essential in the literature, but also including special<br />

instructions that were independtly requested by the GPHS physicians.<br />

According to the data of our survey, the GPHS physicians are very much interested<br />

in a more comprehensive professional training program for catastrophe preparedness,<br />

and they are willing to go through it. National and – wishfully as well international<br />

– academies must supply public health service physicians with contents<br />

of knowledge and experience needed for operative and medical management of<br />

catastrophes so that tailored responses of the public health service physicians in<br />

case of incidents become feasible.<br />

3.6 Concepts for an Expansion of Physicians’ Competence in the<br />

German Public Health Service for Planning, Preparedness, and<br />

Procedures in Response to Catastrophes and Disasters<br />

Every GPHS physician holds a generally valid knowledge of the basics of catastrophe<br />

and disaster medicine, gained in medical school, postgraduate education for<br />

the boards and adequate optional training. To immediately manage catastrophes,<br />

disasters, major damaging incidents and specific situations, further information is<br />

easily accessible. The GPHS physician knows the possible locations and devices<br />

for rapid knowledge gain and is capable of using them. On one hand, as a source<br />

of information, a local knowledge data bank is provided in every public health service<br />

communal building. On the other hand, offices of contact will be set up in<br />

existing centres of excellence for expert knowledge and in specific centres with<br />

special competences to be established that will serve as partners to ask for advice<br />

and further guiding professional expert knowledge. By means of qualifying all<br />

GPHS physicians in catastrophe and disaster medicine basics, it is achieved that<br />

in case of need every GPHS physician may carry out certain first, in the incident<br />

of a catastrophe necessary, broad-scale principle tasks within a permanent on-call<br />

or out-of-house on-call schedule. With regard to the basic skills and capabilities<br />

to be taught and the efforts every GPHS physician would have to undertake to participate<br />

in such a basic response training program, both program fashion and extent<br />

should be within realistic possibilities to be implemented as a frame model. The<br />

offices of contact for gain of information that would have to be created for the<br />

GPHS physician should serve as further guiding information resources and should<br />

provide current basics of knowledge, background knowledge and – in case of special<br />

questions – should supply specific experience and recommendations to find<br />

out problem solutions. Thus, every GPHS physicians should be capable of responding<br />

in an appropriate way in a specific situation.<br />

45


As a structure for the organisational units of the specific catastrophe and disaster<br />

response centres, the federal establishment of “centres of competence” that are<br />

coordinated by an extra-regional network is recommended for incidents with<br />

radioactive, biological and chemical (warfare) substances and the management of<br />

highly infectious diseases, respectively.<br />

4. Conclusions and Recommendations<br />

Resulting from our very comprehensive investigations, the following final conclusions<br />

and recommendations can be put forth:<br />

• According to analyses of the German States’ legislation, there is no need to<br />

alter the catastrophe prevention acts with regard to integration of the public<br />

health service into catastrophe and disaster preparedness and response. Both<br />

the implicit integration in most of the German States and the explicit integration<br />

in a few German States may be regarded as sufficient base for the improved<br />

integration of the German Public Health Service to come. As a recommendation<br />

in case of new formulation of catastrophe prevention acts it may be<br />

proposed to explicitly integrate the GPHS in analogy to the act of the State<br />

Sachsen-Anhalt.<br />

• De facto has the integration of the physicians of the GPHS into the medical<br />

care for catastrophe and disaster preparedness and response only been realized<br />

with the purpose to adapt to particular situations and to be orientated for particular<br />

needs. A close integration exists only on a small scale. The integration<br />

of the public health service into catastrophe preparedness plans has been established<br />

only for specific situations, such as for the incident of an epidemic with<br />

infectious diseases, for the case of a highly contagious disease in a single person<br />

and for officially acknowledged catastrophes; nevertheless, an explicit<br />

implementation has to be demanded.<br />

• According to our studies, the physicians of the GPHS hold profound knowledge<br />

and experience only for an epidemic incident with infectious diseases.<br />

The direct integration of the public health service into specific situations, such<br />

as e.g., in case of an epidemic with an infectious disease or bio terrorism, is<br />

however, indispensible. The capabilities of the physician employees in the<br />

GPHS must be strongly enhanced in the fields of incidents with chemical and<br />

radioactive agents. There is a huge discrepancy between the actual existing<br />

knowledge and wishes for more profound skills. The physician employees of<br />

the GPHS recognize their need for further training indeed and indicate willingness<br />

to go through additional training programs.<br />

• The catastrophe prevention authorities must bindingly integrate the public<br />

health service into their catastrophe preparedness and response plans based on<br />

defined criteria (e.g., on-call schedules, protocols of concrete notification<br />

plans). Alarming plans should pay special attention to the real existing potentials<br />

of hazards in the respective city and district areas. The response plans must<br />

exactly regulate both the vertical and horizontal structure of integration and the<br />

hierarchical competences to enact orders.<br />

46


• There is an absolute necessity to enhance the capabilities and real knowledge<br />

of catastrophe and disaster medicine of the GPHS physicians in a broad extent.<br />

To reach this goal, concepts and model structures to improve the training in<br />

medical school and in the postgraduate education for the boards of public<br />

health service physicians as well as plans to extend the skills of the physicians<br />

currently working in the GPHS must be developed.<br />

• In the lower public health care authorities, management strategies based on<br />

knowledge are indispensable. This implies the establishment of national centres<br />

of excellent and expert knowledge with special tasks (response to radioactive,<br />

biological, and chemical incidents) which can permanently be reached<br />

around the clock as well as the creation of locally applicable knowledge data<br />

banks and expert systems with modules specifically designed for public health<br />

service.<br />

• As a durable solution directing towards the future, we think that the additional<br />

implementation of a national network structure with direct integration of the<br />

GPHS physicians to prepare and protect the German civil population in case<br />

of catastrophes and disasters is recommendable.<br />

47


Erfahrungen im Umgang mit Milzbrandvorfällen<br />

Jürgen Knobloch<br />

Bacillus anthracis ist ein Sporen bildendes, grampositives Stäbchenbakterium, das<br />

weltweit in Einzelherden, vorwiegend in Assoziation mit Nutztieren, als Zoonose<br />

vorkommt und gelegentlich auch epidemieartige Ausbrüche unter Menschen verursacht.<br />

Die jährliche Inzidenz des menschlichen Hautmilzbrandes wird auf 2000 Fälle<br />

geschätzt, die übrigen Krankheitsformen wie Lungen- und Darmmilzbrand sind<br />

sehr selten.<br />

Die Sporen des Erregers sind besonders gut biowaffentauglich, weil sie über Jahrzehnte<br />

resistent gegenüber Umwelteinfüssen bleiben können. Dabei begünstigen<br />

feuchte, alkalische, organisch und mit Kalziumverbindungen angereicherte Böden<br />

die Überlebensfähigkeit der Sporen. Zudem ermöglichen verschiedene Infektionswege,<br />

nämlich durch direkten Wund- oder Schleimhautontakt, inhalativ oder<br />

ingestiv, unterschiedliche Ausbringungsmöglichkeiten.<br />

Die Virulenz wird durch die Fähigkeit zur Kapsel- und Exotoxinbildung begünstigt.<br />

Die Bekapselung hemmt die Phagozytose der vegetativen Bakterien, begünstigt<br />

aber die Verbreitung der Sporen über Makrophagen im Wirtsorganismus. Die<br />

wesentlichen Gesundheitsstörungen werden durch die drei Toxine PA, LF und EF<br />

(protective antigen, lethal factor, edema factor) verursacht. Die Giftwirkung von<br />

LF und EF wird durch PA aktiviert. Die Immunisierung mit PA kann die Toxinaktivierung<br />

verhindern.<br />

Chronologie gezielter Infektionsversuche<br />

Seit 1914 wird Bacillus anthracis als Biowaffe eingesetzt, zunächst durch deutsche<br />

Streitkräfte gegen Viehbestände der Alliierten. Die Bakterien sind seitdem<br />

auch Bestandteil der Waffenarsenale Großbritanniens, Japans, der USA, der<br />

Sowjetunion und des Iraks.<br />

Ab 1940 wird Bacillus anthracis auf der Insel Gruinard durch britische Streitkräfte<br />

freigesetzt, wodurch die Insel bis 1990 unbewohnbar gemacht wird.<br />

Am 10. April 1972 wird die Biowaffen-Konvention unterzeichnet.<br />

Im April 1979 werden im Rahmen der Biowaffenproduktion versehentlich Bakterien<br />

in Jekatarienburg frei gesetzt. Es erkranken 77 bis 96 Personen, von denen 66<br />

bis 68 an Lungenmilzbrand sterben.<br />

49


Im Jahre 1993 gibt es mehrere erfolglose Anschläge mit Aerosolen durch die Aum<br />

Shinrikyo-Sekte in Japan.<br />

Im Jahre 1995 gibt der Irak die Munitionierung von Bomben und Raketen mit<br />

Bacillus anthracis zu.<br />

Am 6. Oktober 2001 stirbt mit Bob Stevens das erste Opfer der sog. Milzbrandbriefe<br />

in den USA.<br />

Bis November 2001 treten weitere 21 Fälle auf, die mit Bioterrorismus in<br />

Zusammenhang gebracht werden, insgesamt je zur Hälfte als Haut- und Lungenmilzbrand.<br />

Insgesamt sterben fünf Lungenmilzbrandpatienten.<br />

Am 13. März 2002 erkrankt ein Laborant in Texas an Hautmilzbrand, nachdem er<br />

verdächtige Proben untersucht hat.<br />

In Deutschland hat es keine nachgewiesenen Milzbrandanschläge gegeben. Die<br />

Verdachtsfälle sind ausnahmslos auf der untersten administrativen Ebene abgewickelt<br />

worden, indem typischerweise verdächtige Proben auf Anordnung des<br />

zuständigen Amtsarztes durch die Ortspolizei in ein behördliches Laboratorium,<br />

z. B. ein Landesuntersuchungsamt, verbracht wurde, wo die mikrobiologische<br />

Untersuchung als Dienstaufgabe wahr genommen wurde. Hierdurch sind ganze<br />

Abteilungen willkürlich für viele Wochen ganztägig beschäftigt und in ihren originären<br />

Aufgaben behindert worden.<br />

Informationsquellen<br />

Zur Zeit der ersten Anschläge des Jahres 2001 gab es in Deutschland nur den Leitfaden<br />

Katastrophenmedizin (BMI 2001) als offizielle Informationsquelle über<br />

Bacillus anthracis als Biowaffe. Mittlerweile gibt es zahlreiche, öffentlich zugängliche<br />

Informationen im Internet und im Schrifttum (Biederbick et al. 2002). Die<br />

Diskussion in entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen hat gezeigt, dass von<br />

den praktisch tätigen Ärzten überwiegend die vertrauten Wege des Seuchenschutzes<br />

benutzt werden, nämlich über das örtliche Gesundheitsamt und das Robert<br />

Koch-Institut.<br />

Zusätzlich gibt es auf Länderebene vereinzelt Handlungsanweisungen zum<br />

Schutz der Zivilbevölkerung vor sog. Milzbrandanschlägen. Hervorzuheben ist<br />

das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (BW) in Stuttgart, das sich für<br />

unmittelbar zuständig bei entsprechenden Verdachtsfällen erklärt hat. Das Innenministerium<br />

und das Sozialministerium von BW haben zudem ein gemeinsames<br />

Merkblatt entwickelt, in dem Polizei (Notruf 110) und das Gesundheitsamt als<br />

zuständig bei Verdachtsfällen angegeben werden.<br />

Vorbild der vielfältigen deutschen Empfehlungen und Leitlinien sind offenbar<br />

meistens die CDC Guidelines for State Health Departments. Hier werden zusätzlich<br />

noch Hinweise zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit Sensibilitätsangaben<br />

50


(z.B. Penicillin-Empfindlichkeit eines Isolats in Florida, daher PEP mit Amoxicillin).<br />

Bacillus anthracis-Isolate müssen in den USA unverzüglich an das State Public<br />

Health Laboratory gemeldet werden, das im 24-Stunden-Dienst verfügbar ist.<br />

Weiterhin gibt es detaillierte Anweisungen für den Probenversand.<br />

In Deutschland werden Handlungsanweisungen für den Umgang mit verdächtigen<br />

Proben durch Gremien des <strong>Zivilschutz</strong>es, der Bundeswehr und der Arbeitsgruppe<br />

für Seuchenschutz des Robert Koch-Instituts publiziert.<br />

Zukünftige Strategien<br />

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das 2001 das Bundesseuchengesetz (BseuchG)<br />

abgelöst hat, erleichtert durch ein verbessertes Meldewesen mit Falldefinitionen<br />

und Einbindung politischer und administrativer Instanzen die Seuchenbekämpfung.<br />

Die Wege zur Exekutive sind kürzer geworden, wie z.B. die Bereitstellung<br />

der in Europa noch verfügbaren Pockenimpfstoffdosen gezeigt hat. Es kann empfohlen<br />

werden, diese im Rahmen der Abwehr von gefährlichen importierten Erregern<br />

gewachsenen Strukturen auch für die Biowaffenabwehr zu nutzen.<br />

Die kürzlich der <strong>Schutzkommission</strong> vorgelegten Entwürfe (Geier 2002, BMI/AL<br />

O 2002) aus dem Innenministerium geben Einblicke in die politischen Konzepte<br />

im <strong>Zivilschutz</strong>. Es wird ein „strukturelles Gesamtkonzept“ vorgeschlagen, „dessen<br />

tragende Philosophie eine neue, von allen Partnern verantwortungsvoll gelebte<br />

Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen mit klar definierten<br />

Kompetenzen ist“. Auf über 50 Seiten ist hier vornehmlich von der Koordination<br />

von Zuständigkeiten auf der höheren Verwaltungsebene die Rede, was u.a. als<br />

„Philosophie eines neuen Denkens in der Gefahrenabwehr“ gefeiert wird. Ungeachtet<br />

der Frage, ob es sich hier tatsächlich um Philosophie handelt, wird deutlich,<br />

dass es noch keine Vorstellungen über die praktische Durchführung der vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen gibt, obwohl alle wesentlichen Aspekte prinzipiell<br />

berücksichtigt werden. Aus meiner Sicht unbedingt zu ergänzen wären die bereits<br />

existierenden Gremien unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsgruppe Seuchenschutz<br />

des Robert Koch-Instituts (RKI), das überhaupt unerwähnt bleibt.<br />

Unterstützenswert, hingegen, ist der Vorschlag, eine Task Force einzurichten, die<br />

im aktuellen Fall andere behördliche Einrichtungen entlasten kann. In diesem<br />

Zusammenhang wäre eine Erörterung der bisherigen Erfahrungen mit der schon<br />

seit Jahren bestehenden Task Force zur Bekämpfung von gefährlichen importierten<br />

Infektionen hilfreich, die noch nie eingesetzt oder auch nur angefordert worden<br />

ist, während eine durch das RKI aufgestellte Arbeitsgruppe (Zentrum für<br />

Infektionsepidemiologie) im Rahmen der aufsuchenden Epidemiologie bereits<br />

mehrfach erfolgreich in der Aufklärung bestimmter Krankheitshäufungen tätig<br />

geworden ist. In jedem Fall erscheint ein verstärkter Informationsaustausch des<br />

BMI mit dem RKI sinnvoll, insbesondere auch über praktische Aspekte wie Rekru-<br />

51


tierung, Stationierung, Finanzierung, Qualifikation und das Training solcher Task<br />

Force-Mitarbeiter.<br />

Unterstützenswert sind aus meiner Sicht auch die Vorschläge zu den „außergewöhnlichen<br />

Gefahren- und Schadenslagen“, für die mobile Module als Notfalldepots<br />

und Behandlungseinrichtungen gefordert werden. Sie sollten um mobile<br />

Detektionsanlagen zum Nachweis von Erregern und deren Produkte ergänzt werden.<br />

Die zivilmilitärische Zusammenarbeit und die Einbindung des Bundesgrenzschutzes<br />

werden kursorisch abgehandelt. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die<br />

Benennung der aktuellen Möglichkeiten dieser Einrichtungen. Insbesondere müsste<br />

geprüft werden, inwieweit die mobilen Einrichtungen des MedB-Schutzes der<br />

Bundeswehr für den <strong>Zivilschutz</strong> genutzt werden können.<br />

Insbesondere zeigen sich noch große Defizite in der praktischen und standardisierten<br />

Abwicklung von Schadens- und Verdachtsfällen, die bisher ganz wesentlich<br />

durch die Pressemedien bestimmt worden ist. Die bisherigen Erfahrungen zeigen,<br />

dass kontinuierliche Schutzmaßnahmen wegen der Seltenheit bioterroristischer<br />

oder -militärischer Ereignisse nicht angezeigt sind. Auch im aktuellen Verdachtsfall<br />

muss z.B. nicht für jede Probe das vollständige mikrobiologische Arsenal mit<br />

den begleitenden Schutzmaßnahmen ausgeschöpft werden. Es wird für den Regelfall<br />

vielmehr ausreichend sein, die Untersuchungsproben erst nach der Autoklavierung<br />

mit molekularbiologischen Methoden, z.B. PCR, im offenen Labor zu<br />

untersuchen. Für solche und ähnliche Handlungsanweisungen wäre es in jedem<br />

Fall notwendig, auch das praktisch tätige und nicht nur das administrative Personal<br />

mit einzubeziehen. Besonders für die medizinische Versorgungsstufe IV<br />

(exklusive medizinische Sonderversorgung) ist zu fordern, die administrativen<br />

Ebenen überschaubar zu halten.<br />

Eine besondere Beachtung verdienen auch die Aktivitäten der Verbündeten. Hier<br />

stellt sich für mich die Frage, ob Transparenz auf politischer und militärischer<br />

Ebene überhaupt beabsichtigt ist. Gegenwärtig werden solche Informationen ganz<br />

überwiegend von privaten Gruppen öffentlich gemacht, wie die <strong>Forschung</strong>santräge<br />

zur Entwicklung und Erprobung Material zerstörender Mikroorganismen zu<br />

offensiven Zwecken (Sunshine Project 2002). Es ist zudem wohl noch nicht entschieden,<br />

ob die Bundesregierung ein Zusatzprotokoll der Biowaffenkonvention<br />

notfalls ohne die USA und gegen den Widerstand der Amerikaner unterschreiben<br />

wird. Gegenwärtig ist mir auch völlig unklar, ob sich die Verbündeten Produkte<br />

von Neuentwicklungen im Bereich des MedB-Schutzes gegenseitig zur Verfügung<br />

stellen werden. Für den Milzbrand wäre dabei interessant, ob Deutschland eigene<br />

Wege in der Impfstoffherstellung gehen muss.<br />

Die biologischen Detektiossysteme sind hingegen in zeitgemäßer Form auch in<br />

Deutschland kommerziell verfügbar. Hier ist wohl mittelfristig den molekularbiologischen<br />

Methoden der Vorzug zu geben, die z.B. mit Hilfe der sog. Light Cycler-<br />

Technik für Toxine kodierende Gene innerhalb von Stunden nachweisen.<br />

52


Stellung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

Im November 2001 hat zwei Monate nach den Anschlägen vom 11. September in<br />

den USA die <strong>Schutzkommission</strong> ihren Zweiten Gefahrenbericht an die Bundesregierung<br />

übergeben. Bei dieser Gelegenheit hat Bundesinnenminister Otto Schily<br />

erklärt, „eine vorausschauende, wissenschaftlich begründete Gefahrenabschätzung<br />

und die Planung entsprechender Schutzmaßnahmen wie sie der Bericht der <strong>Schutzkommission</strong><br />

darstellt“ seien für das Sicherheitskonzept der Bundesregierung<br />

unverzichtbar. Die Bundesregierung werde sich bei der Erarbeitung eines entsprechenden<br />

<strong>Forschung</strong>skonzepts und bei der Neuordnung des Katastrophen- und<br />

<strong>Zivilschutz</strong>es auf die Beratung der Wissenschaftler stützen. Die <strong>Schutzkommission</strong><br />

und deren Analysen aus den Gefahrenberichten 1996 und 2001 sollen in die<br />

Neukonzeption eines nationalen Krisenmanagements verstärkt eingebunden werden.<br />

In den „Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung<br />

des <strong>Zivilschutz</strong>es“ vom 1. März 2002 wird die <strong>Schutzkommission</strong> nur<br />

im Zusammenhang mit dem Gefahrenbericht und dem Schutzdatenatlas erwähnt.<br />

Zukünftige Aufgaben werden nicht zugewiesen. Insbesondere sollte das BMI präzisieren,<br />

worin die im o.g. Entwurf angesprochene Koordination der <strong>Forschung</strong> im<br />

Einzelnen bestehen soll.<br />

Aus meiner Sicht könnte eine der Aufgaben der <strong>Schutzkommission</strong> darin bestehen,<br />

Leitfäden zum praktischen Handeln nach Vorbild des Leitfadens „Katastrophenmedizin“<br />

aufzustellen, um die praktisch arbeitenden Mitarbeiter des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

nicht im Gewirr der für Außenstehende nur schwer nachvollziehbaren<br />

höheren Weisungsebenen allein zu lassen.<br />

Schließlich sollte sich die <strong>Schutzkommission</strong> recht bald an einer praktisch orientierten<br />

Definition ihrer zukünftigen Aufgaben beteiligen.<br />

Literatur<br />

Anonymus: Biological warfare and terrorism: the military and public health<br />

response. U.S. Army, Public Health Training Network, Centers for Disease<br />

Control, Food and Drug Administration, Satellite broadcast, September<br />

21–23, 1999.<br />

Biederbick, W. et al.: Infektionen durch Bacillus anthracis. Deutsche Med Wochenschr<br />

127 (2002) 809-814<br />

BMI: Katastrophenmedizin. Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall.<br />

Bundesministerium des Innern, Berlin 2001<br />

BMI/AL O: Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland.<br />

Stand 21. Februar 2002<br />

53


CDC: Biosafety in the Microbiology Lab. www.cdc.gov/od/ohs<br />

CDC: Guideline for Isolation Precautions. www.cdc.gov/ncidod/hip<br />

CDC: Public Health Image Library. www.phil.cdc.gov<br />

CDC: Division of Laboratory Systems (DLS). www.phppo.cdc.gov/dls/default.asp<br />

CDC: Laboratory Protocols for bioterrorism response laboratories for the identification<br />

of Bacillus anthracis. CDC BT public web site: www.bt.cdc.gov<br />

Geier W: Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland –<br />

Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwicklung<br />

des <strong>Zivilschutz</strong>es. Fortschreibung – Stand 01. März 2002<br />

Inglesby TV et al. Anthrax as a biological weapon: Medical and public health<br />

management (consensus Statement). JAMA, May 12. 1999; 281(18): 1735-<br />

1745.<br />

Sunshine Project: News Release - 8 May 2002<br />

WHO: Guidelines for the Surveillance and Control of Anthrax in Humans and<br />

Animals. www.who.int/emc-documents/zoonoses/whoemczdi986c.html<br />

54


Pharmakarückstände in Kläranlagen, Oberflächengewässern,<br />

Grundwasser und Trinkwasser<br />

Rolf-Dieter Wilken und Thomas Ternes<br />

1 Einleitung<br />

Wenigen ist bewusst, welche Mengen an Chemikalien sie bei ihrem täglichen<br />

Leben in die Umwelt abgeben. Reste von Pharmaka und von Personal Care Products,<br />

das ist deshalb ein Thema, mit dem sich neue Publikationen [1, 2], und<br />

damit auch die Verantwortlichen von Kläranlagen und Wasserwerken zu beschäftigen<br />

haben. Die Stoffgruppen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie<br />

sehr polar und somit gut wasserlöslich sind. Sie haben sich der Analytik entzogen,<br />

weil ihre Anreicherung und schließlich ihr Nachweis nicht einfach ist. In der Tabelle<br />

1 sind Mengen für die Stoffgruppen angegeben.<br />

Tabelle 1: Abgeschätzte verordnete Jahresmengen an Pharmaka in Deutschland [3]<br />

Substanzen Jahresmengen 1992 in<br />

Tonnen<br />

Lipidsenker<br />

Jahresmengen 1995 in<br />

Tonnen<br />

Bezafibrat 41–62 23–34<br />

Fenofibrat 10–14 12–18<br />

Etofibrat 12–21 5–9<br />

Etofyllinclofibrat 8 6<br />

Betablocker<br />

Metoprolol 25–50<br />

Propranolol 3–6<br />

Bisoprolol 0,4–0,8<br />

Bronchospasmolytika<br />

Fenoterol 0,4 0,5<br />

Salbutamol 0,1–2 0,1–2<br />

Terbutalin 0,05–0,7 0,05–0,7<br />

55


Substanzen Jahresmengen 1992 in<br />

Tonnen<br />

Antiphlogistika<br />

Jahresmengen 1995 in<br />

Tonnen<br />

Diclofenac 46–69 59–89<br />

Ibuprofen 53–105 70–140<br />

Indometacin 2–8 3–10<br />

Acetylsalicylsäure 20–100 14–69<br />

Acetaminophen 63–441 72–505<br />

Östrogene<br />

Estradiol 0,6 0,5<br />

Ethinylestradiol 0,002–0,005 0,006–0,015<br />

Antibiotika<br />

Erythromycin n.a. 4–20<br />

Roxithromycin n.a. 3–6<br />

Sulfamethoxazol n.a. 17–67<br />

Pharmaka weisen in Deutschland aufgrund des ausgedehnten Gesundheitswesens<br />

beträchtliche Anwendungsmengen auf [4]. Die verordneten Pharmaka gelangen in<br />

der Regel über die natürlichen Ausscheidungswege wie Urin oder Faeces in das<br />

Abwassersystem und können nach Passage der Kläranlagen die Oberflächengewässer<br />

erreichen. Aus pharmakokinetischen Studien ist bekannt, dass der überwiegende<br />

Teil der aufgenommenen Pharmaka nach Reaktionen in Phase I und/oder<br />

Phase II (Abbildung 1) metabolisiert ausgeschieden werden [5, 6]. Da diese Metabolite<br />

in der Regel eine höhere Polarität aufweisen als die Ausgangsverbindungen,<br />

ist zu erwarten, dass diese mit den üblichen Abwassertechniken auch schlechter<br />

eliminiert werden. Mit ihrem Auftreten in den Fließgewässern ist daher zu rechnen.<br />

56


Abbildung 1: Schematische Darstellung zum Metabolismus von Pharmaka<br />

Darüber hinaus können Industrieabwässer der Arzneimittelproduzenten zu einem<br />

Eintrag der Pharmaka in die Fließgewässer führen. Einige Pharmaka – wie die<br />

Kontrazeptiva oder die Antidiabetika – zählen zudem zu den endokrin (hormonell)<br />

wirksamen Verbindungen. In Abbildung 2 sind ausgewählte Pharmaka und einige<br />

potenziell endokrin wirksame Verbindungen gemeinsam dargestellt. Arzneistoffe<br />

wie die Kontrazeptiva oder Antidiabetika werden in der Medizin aufgrund ihrer<br />

hormonellen Wirksamkeit gezielt eingesetzt. Für die meisten Pharmaka sind im<br />

Rahmen ihrer medizinischen Anwendung keine endokrinen Wirkungen bekannt,<br />

wobei sie allerdings auch nicht schwerpunktmäßig endokrinen Testsystemen unterzogen<br />

wurden[7]. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich die<br />

Schnittmenge zwischen Pharmaka und endokrinen Substanzen (Abbildung 2) noch<br />

vergrößert. Neben den bekannten Industriechemikalien wie PCB, DDT oder den<br />

sog. Weichmachern wie Phthalate werden auch Phytoöstrogene oder natürliche<br />

Hormone zu den endokrinen Verbindungen gezählt.<br />

Abbildung 2: Pharmaka und endokrin wirksame Verbindungen<br />

57


Im Nahrungsmittelbereich sind natürlicherweise Flavonoide, Lignane, Indolcarbinole<br />

oder resorcyclische Laktone in beträchtlichen Konzentrationen vorhanden.<br />

Daidzein, ein Flavonoid, ist beispielsweise in Sojabohnen mit Konzentrationen<br />

von bis zu 1 g/kg Trockengewicht enthalten [8]. Flavonoide kommen in den Pflanzen<br />

vorwiegend glycosidisch gebunden vor; sie werden jedoch nach der Aufnahme<br />

rasch zu der freien aktiven Form transformiert. Die Ausscheidung über Harn<br />

und Faeces kann sowohl unverändert als auch in Form von Glucuroniden und Sulfat-Konjugaten<br />

erfolgen [9]. Da die Glucuronide und Sulfate durch Spaltung<br />

mittels Glucuronidasen bzw. Sulfatasen wiederum in den Ausgangsstoff zurückgebildet<br />

werden können [10, 9], ist mit einem verstärkten Auftreten im Abwasser<br />

und den als Vorfluter dienenden Fließgewässern zu rechnen.<br />

2 Exposition von Kläranlagenabläufen, Grundwasser,<br />

Fließgewässern, Trinkwasser<br />

2.1 Pharmaka<br />

2.1.1 Pharmaka in Kläranlagenabläufen<br />

In kommunalen Abwasserteilströmen wurden Konzentrationen von über 20 µg/l<br />

für einige Pharmaka quantifiziert. Die Passage einer kommunalen Kläranlage in<br />

der Nähe von Frankfurt führte zu unterschiedlichen Eliminationsraten, die von 7 %<br />

bis hin zu über 99 % reichten. Ein Großteil der untersuchten Pharmaka war jedoch<br />

in den Abläufen kommunaler Kläranlagen ubiquitär anzutreffen (siehe Abbildung<br />

3). In Abbildung 4 aus [3] sind die Konzentrationen einiger saurer Pharmaka in<br />

den Abläufen einer hessischen Kläranlage dargestellt. Es zeigte sich, dass diese<br />

Arzneistoffe in den Abläufen permanent über 12 Tage nachweisbar waren. Dies<br />

konnte auch für eine Vielzahl weiterer Arzneistoffe wie beispielsweise Betablocker,<br />

Makrolid-Antibiotika oder Carbamazepin nachgewiesen werden [3,11,12, 13].<br />

Der höchste Medianwert (2,1 µg/l) in Kläranlagenabläufen war für das Antiepileptikum<br />

Carbamazepin detektierbar. Nachweislich reichen die üblichen Abwassertechnologien<br />

nicht aus, um die Arzneistoffe vollständig aus dem Abwasser zu<br />

entfernen.<br />

58


Abbildung 3: Abbau von Pharmaka in einer Kläranlage<br />

Nach wie vor in der Diskussion ist die Erklärung für den zeitlichen Verlauf der<br />

Konzentrationen, der in der Abbildung 4 dargestellt ist. Abhängigkeiten der gemessenen<br />

Konzentrationen sind sicherlich in der Funktionsweise der Kläranlage zu<br />

suchen, die von der eingehenden Wassermenge (Regenereignisse) und der Jahreszeit<br />

abhängig ist. Andere Erklärungen können im jahreszeitlich unterschiedlichen<br />

Gebrauch der Pharmaka gesehen werden. Allerdings kann es in der Diskussion<br />

nicht darum gehen, das Verhalten genauer aufzuklären, sondern Maßnahmen der<br />

Vermeidung bzw. Verringerung zu diskutieren.<br />

59


Abbildung 4: Nachweis von sauren Pharmaka in den Abläufen einer kommunalen Kläranlage<br />

vom 12. – 24.5.95<br />

In den Fließgewässern bewegten sich die Pharmakakonzentrationen zwar größtenteils<br />

im ng/l-Bereich; vereinzelt wurden jedoch auch Spitzenwerte von über 1 µg/l<br />

gemessen.<br />

2.1.2 Pharmaka im Grundwasser<br />

Auch im Grundwasser, das aus infiltriertem Oberflächenwasser stammt, können<br />

Pharmakareste nachgewiesen werden. Ein Beispiel ist in Abbildung 5 gegeben.<br />

60


Abbildung 5: Pharmaka in Grundwasser<br />

2.1.3 Pharmaka in Fließgewässern<br />

Vor allem kleinere Bäche und Flüsse, die als Vorfluter von Kläranlagen dienen,<br />

wiesen hohe Konzentrationen auf. Aus nahezu allen mengenmäßig bedeutsamen<br />

Indikationsgruppen konnten in Oberflächenwässern Wirksubstanzen delektiert<br />

werden. In 30 untersuchten deutschen Fließgewässern konnten 25 Pharmaka und<br />

4 Metabolite in zumindest einer Probe nachgewiesen werden [3,12 ,14]. Die<br />

Medianwerte von 7 Pharmaka und dem Metabolit Clofibrinsäure lagen sogar über<br />

0,05 µg/l. Insbesondere zeigte sich, dass die Belastung der Gewässer vermutlich<br />

in engem Zusammenhang mit dem jeweiligen Abwasseranteil steht [12]. Vor allem<br />

in kleineren Vorflutern konnten hohe Konzentrationen nachgewiesen werden. In<br />

der Summe waren beispielsweise im Winkelbach, einem kleinen Bach im hessischen<br />

Ried, über 6 µg/l an Pharmakarückständen nachweisbar. Größere Fließgewässer<br />

wie der Rhein mit einem kommunalen Abwasseranteil von ca. 10-20 %<br />

wiesen in der Regel geringere Konzentrationen auf. Dies ist in Abbildung 6 dargestellt.<br />

Eine Vielzahl an Pharmaka ist aufgrund der vorliegenden Expositionsergebnisse<br />

vermutlich als ubiquitär verbreitete Umweltchemikalien einzustufen.<br />

61


Abbildung 6: Frachten an sauren Pharmaka im Rhein bei Mainz im Jahre 1996 (ermittelt durch<br />

14 Tagesmischproben)<br />

Auch in der Abbildung 6 kann der zeitliche Verlauf diskutiert werden, wie dies<br />

schon bei Abbildung 4 geschehen ist. Hinzukommen kann bei diesem Konzentrationsverlauf<br />

über ein ganzes Jahr auch eine veränderte Verschreibungspraxis der<br />

Ärzte, die neue Pharmaka berücksichtigen oder ihre Verschreibung auf andere<br />

Pharmaprodukte verändern.<br />

2.1.4 Pharmaka in Trinkwässern<br />

Auch in Trinkwasser können Pharmakareste in sehr geringen Konzentrationen<br />

nachgewiesen werden, wenn dieses Trinkwasser aus „wieder verwendetem“ Wasser<br />

hergestellt wird. In Wasser aus Oberflächengewässern, oder aus Grundwasser,<br />

das von Oberflächenwasser infiltriert wurde, ist das gewöhnlich der Fall.<br />

Eine Übersicht gibt Tabelle 2, wobei anzumerken ist, dass die Konzentrationen im<br />

ng/L-Bereich liegen, die Maxima für Pharmaka bei 70 ng/L, die Konzentrationen<br />

für Röntgenkontrastmittel (lopamidol, Diatrizoat, lopromid) bei 80 ng/L.<br />

62


Tabelle 2: Pharmakareste in Trinkwasser. (LOQ = Limit of Quantification)<br />

Substances LOQ in<br />

µg/L<br />

Number<br />

samples<br />

> LOQ<br />

Number<br />

samples<br />

> 0.010<br />

µg/L<br />

Median<br />

in µg/L<br />

90-Percentile<br />

in<br />

µg/L<br />

2.2 Endokrin wirksame Verbindungen (Östrogene, Phytoöstrogene)<br />

Maximum<br />

in<br />

µg/L<br />

Clofibric acid 0.001 16 of 30 6 0.001 0.024 0.070<br />

Ibuprofen 0.001 3 of 30 0 < LOQ 0.001 0.003<br />

Dicofenac 0.001 8 of 30 0 < LOQ 0.002 0.006<br />

Fenofibric acid 0.005 1 of 30 1 < LOQ < LOQ 0.042<br />

Bezafibrate 0.025 1 of 30 1 < LOQ < LOQ 0.027<br />

Phenazon 0.010 1 of 12 1 < LOQ < LOQ 0.050<br />

Carbamazepine 0.010 1 of 12 1 < LOQ < LOQ 0.030<br />

lopamidol 0.010 4 of 10 4 < LOQ 0.070 0.079<br />

Diatrizoate 0.010 5 of 10 5 0.021 0.075 0.085<br />

lopromide 0.010 1 of 10 1 < LOQ < LOQ 0.086<br />

Von den Kontrazeptiva und Östrogenen waren vor allem Estron und Ethinylestradiol<br />

in kommunalen Kläranlagenabläufen nachweisbar, wobei die Konzentrationen<br />

in der Regel unter 10 ng/l lagen. Inwieweit diese geringen Konzentrationen<br />

für die endokrinen Effekte verantwortlich sind, die in solchen Abläufen beobachtet<br />

wurden, muss noch experimentell verifiziert werden. In jedem Falle müssen die<br />

Konzentrationen der Östrogene denen der anderen potentiell endokrin wirksamen<br />

Verbindungen (Abbildung 2) gegenübergestellt werden, um die beobachteten<br />

Effekte eindeutig zuordnen zu können. Hormonell wirksame Verbindungen können<br />

in der Umwelt sowohl aus der Technosphäre (u.a. Agrarchemie, Pharmachemie)<br />

als auch aus der Biosphäre (u.a. pflanzliche Inhaltsstoffe) stammen [8].<br />

Besonders für das pflanzliche Steroid Beta-Sitosterol, das neben seinem natürlichen<br />

Vorkommen vor allem durch die Abwässer der Papierindustrie, aber auch<br />

über seine pharmazeutische Verwendung als Lipidsenker in die Umwelt gelangt,<br />

ist seit einigen Jahren eine endokrine Wirkung bekannt [15]. Für Beta-Sitosterol<br />

konnten wir zeigen [3], dass es in einer ausgewählten Kläranlage nur zu 58 % bis<br />

zu 0,4 µg/l und auch in Fließgewässern in Konzentrationen bis zu 0,05 µg/l nachweisbar<br />

war. Selbst in Trinkwässern waren vereinzelt positive Befunde mit bis zu<br />

0,06 µg/l bestimmbar.<br />

63


3 Bewertung der Ergebnisse<br />

Generell lässt sich feststellen, dass die hier dargestellten Stoffgruppen kontinuierlich<br />

in die Umwelt emittiert werden. Einige dieser Stoffe sind schlecht oder gar<br />

nicht in der Umwelt abbaubar. Diese können in der Umwelt akkumuliert werden.<br />

Obwohl bei vielen dieser Stoffe auch ein Abbau stattfinden kann, stellt sich durch<br />

den permanenten Eintrag eine „steady state“-Konzentration in der Umwelt ein.<br />

Umweltveränderungen stellen sich damit „schleichend“ ein und können nicht<br />

durch das Auftreten plötzlicher Effekte nachgewiesen werden. Deshalb ist auf<br />

diese Stoffe ein besonderes Augenmerk zu richten.<br />

Die wenigen in der Literatur beschriebenen ökotoxikologischen Daten stammen<br />

größtenteils von akuten Testsystemen [16]. Die akuten Toxizitäten der untersuchten<br />

Pharmaka liegen in der Regel im mg/l-Bereich, so dass die Substanzen nach<br />

diesen Tests als relativ untoxisch einzustufen wären. Aufgrund der bekannten<br />

spezifischen pharmakologischen Wirkungen von Pharmaka sind jedoch eher chronische<br />

Effekte zu erwarten. Die gegenwärtig zur Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

nach ChemG, PflSchG oder Biozidrichtlinie verwendeten ökotoxikologischen<br />

Standardtestsysteme wurden nicht für die spezifischen Wirkungen der Arzneimittelwirkstoffe<br />

entwickelt, so dass sie vermutlich auch deren Umwelttoxizität unzureichend<br />

wiedergeben [17]. Vielmehr müssen bestehende Testsysteme modifiziert<br />

oder neu entwickelt werden, um der Besonderheit der Arzneimittelwirkstoffe<br />

Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für die Erfassung der endokrinen Wirkungen<br />

von Stoffen. Die nächste Tabelle soll eine Einschätzung aller Verbindungen<br />

geben.<br />

Tabelle 3: Therapeutische Effekte durch Pharmakareste? (Diatrizoat ist ein Röntgenkontrastmittel,<br />

17α−Ethinylestradiol ist ein Kontrazeptivum)<br />

ESWE-Institute, IfW, TZW<br />

64<br />

Therapy<br />

Minimal daily dose<br />

(DD th ) ma/d<br />

Drinking water<br />

Maximal daily dose<br />

(DD DW ) µg/d<br />

Safety<br />

Factor<br />

Diatrizoat ca 30000 0.27 1,1x10 8<br />

Clofibric acid 250 0.81 1,1x10 5<br />

Bezafibrate 200 0.08 1,1x10 6<br />

Diclofenac 25 0.02 1,1x10 6<br />

Ibuprofen 200 0.01 1,1x10 7<br />

Fenofibric acid 100 0.13 1,1x10 6<br />

Carbamazepine 200 0.09 1,1x10 6<br />

17α-Ethinylestradiol 0.020 0.0015 1,1x10 4


Man kann also feststellen, dass die Pharmakareste keinen Effekt auf den Menschen<br />

haben, weil die therapeutischen Mengen um Größenordnungen höher sind als sie<br />

in Trinkwasser maximal vorkommen. Eine Besorgnis der Bürger ist deshalb nicht<br />

gerechtfertigt.<br />

Dennoch sind diese Verbindungen in Trinkwasser nicht erwünscht. Wir arbeiten<br />

an Verfahren, die ein Eindringen dieser Verbindungen in das Trinkwasser zuverlässig<br />

zu vermeiden helfen. Das EU-Projekt POSEIDON wird von uns koordiniert,<br />

was sich mit<br />

– den Quellen solcher Medikamente beschäftigt und diese schließen soll,<br />

– eine entsprechende Abwasseraufbereitung mit speziellen Mikroorganismen<br />

erarbeitet und<br />

– in der Trinkwasseraufbereitung durch Ozon- oder UV-Behandlung eine völlige<br />

Zerstörung dieser Verbindungen zu erreichen versucht.<br />

4 Literatur<br />

[1] Daughton, C G und Ternes, TA: (1999): Pharmaceuticals and Personal Care<br />

Products in the Environment: Agents of Subtle Change? Environ. Health<br />

Persp. 107, Supp. 6, 907-938.<br />

[2] Ternes, T, Wilken, RD (1999): Drugs and Hormones as Pollutants of the<br />

Aquatic Environment. Determination and Ecotoxicological Impacts. Sc. Total<br />

Environ. 225(1-2) 176 pp.<br />

[3] Stumpf, M., Ternes, Th.A., Haberer, K., Seel, P. und Baumann, W.(1996):<br />

Nachweis von Arzneimittelrückständen in Kläranlagen und Fließgewässern.<br />

Vom Wasser, 86, 291-303.<br />

[4] Schwabe U, Paffrath D (1996) Arzneiverordnungsreport ‘96 Aktuelle Daten,<br />

Kosten, Trends und Kommentare, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena.<br />

[5] Mutschler E (1996) Arzneimittelwirkungen, Lehrbuch der Pharmakologie<br />

und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart.<br />

[6] Forth W, Henschler D, Rummel W, Starke K (1996) Allgemeine und spezielle<br />

Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftsverlag Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich,<br />

6. Auflage.<br />

65


[7] Sumpter JP and Joblings S (1995) Vitellogenesis as a biomarker for estrogenic<br />

contamination of the aquatic environment. Environment. Health Perspect.<br />

103, 173-178.<br />

[8] Janssen I, Reichart I, Bunke D (1996) Phytoöstrogene und hormonell wirksame<br />

Umweltchemikalien: Vergleichende Bewertung. Öko-Institut, S. 70.<br />

[9] Franke AA, Custer LJ, Cerna CM, Narala K (1995) Rapid HPLC Analysis of<br />

Dietary Pytoöstrogenes from Legumes and from Human Urine. In: Proc. Soc.<br />

Exp. Med. Biol. 208. 18-26.<br />

[10] Adlerkreuz H, van der Wildt F, Kinzel J, Attalla H, Wähäla T, Hase T, Fotsis<br />

T (1995) Lignan and Isoflavonoid Conjugates in Human Urine. J. Steroid<br />

Biochem. 52. 97-103.<br />

[11] Hirsch R, Temes TA, Haberer K, Kratz, K-L (1996) Nachweis von Betablokkern<br />

und Bronchospasmolytika in der aquatischen Umwelt. Vom Wasser 87.<br />

263-274.<br />

[12] Ternes TA (1998) Occurrence of Drugs in German Sewage Treatment Plants<br />

and Rivers. Water Research, 32, 3245-3260<br />

[13] Hirsch R, Ternes TA, Haberer, K, Kratz K-L (1999) Occurrence of antibiotics<br />

in the aquatic environment. Science of the Total Environment, 225(1-2)<br />

109-118.<br />

[14] Temes TA, Stumpf M, Schuppert B, Haberer K (1998) Simultaneous determination<br />

of antispeptics and acidic drugs in sewage and river water. Vom<br />

Wasser, 90. 295-309<br />

[15] Römbke J, Knacker Th and Stahlschmidt-Allner P (1996) Studie über<br />

Umweltprobleme im Zusammenhang mit Arzneimitteln, F+E Vorhaben Nr.<br />

106 04 121, Umweltbundesamt, Berlin.<br />

[16] Halling-Sorensen B, Nielsen SN, Lanzky PF, Ingerslev F, Holten Lützhaft<br />

HC, Jorgensen SE (1998) Occurrence, fate and effects of pharmaceutical substances<br />

in the environment – A review. Chemosphere 36, 357-393.<br />

[17] Henschel KL, Wenzel A, Dietrich M, Fliedner A (1997) Environmental<br />

hazard assessment of pharmaceuticals. Regulatory Toxicol and Pharmacol 25,<br />

220-225.<br />

66


Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“ –<br />

Erfahrungen aus nationaler und internationaler<br />

Sicht<br />

International Emergency Exercise „JINEX 1“ –<br />

National and International Experiences<br />

Horst Miska<br />

Zusammenfassung<br />

In Fortführung der erfolgreichen Übungsreihe „INEX 2“, die von der OECD<br />

(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) initiiert und<br />

betreut wurde, fand am 22./23. Mai 2001 die internationale Übung JINEX 1 statt.<br />

Neben 54 Staaten nahmen daran fünf internationale Organisationen unter Federführung<br />

der International Atomic Energy Agency (IAEA) teil. Die Auswertung der<br />

Übung hat gezeigt, dass die Nutzung der neuen Medien wie Web-basierte Datenübertragung<br />

den Informationsaustausch wesentlich beschleunigen und seine Qualität<br />

steigern kann, das Personal jedoch besser in die Nutzung dieser neuen Möglichkeiten<br />

einzuüben ist. Zudem ist die interne Organisation der Einsatzstäbe an<br />

den elektronischen Informationsaustausch anzupassen, um die Effizienz sicherzustellen<br />

und Fehler zu vermeiden.<br />

Summary<br />

In extension to the successful exercise series „INEX 2“ that was initiated and conducted<br />

by the OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development),<br />

the international exercise JINEX 1 took place from 22 nd to 23 rd of May, 2001. In<br />

addition to 54 nations, five international Organisation participated under the lead<br />

of IAEA. The evaluation showed that the use of new media like web-based data<br />

exchange is able to accelerate information exchange and to enhance its quality;<br />

however, personnel has to be trained more to make efficient use of these new possibilities.<br />

Moreover, the internal staff Organisation has to be adapted to electronic<br />

information exchange to insure overall efficiency and avoid mistakes.<br />

1. Einleitung<br />

In Mitteleuropa hat es bisher noch keinen schwerwiegenden Reaktorunfall gegeben,<br />

sodass Planungen zum Notfallschutz auf Modellannahmen beruhen müssen.<br />

Die Erfahrungen aus den Reaktorunfällen von Three Miles Island 1979 und<br />

Tschernobyl 1986 sind nicht unmittelbar auf unsere Verhältnisse übertragbar. Diese<br />

67


Unfälle und auch eine Reihe konventioneller Katastrophen haben jedoch gezeigt,<br />

dass eine gute Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg zur Sicherstellung<br />

eines angemessenen Schutzes für die Bevölkerung notwendig ist.<br />

Die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD hat sich daher zum Ziel gesetzt,<br />

durch Übungen und Workshops zur Verbesserung insbesondere des grenzüberschreitenden<br />

Notfallschutzes beizutragen. Seit 1991 ist die „Arbeitsgruppe Notfallschutz“<br />

(Working Party on Nuclear Emergency Matters) der OECD/NEA auf<br />

diesem Gebiet tätig und hat dabei die Übung „INEX 1“ als Planspiel für ein fiktives<br />

Kernkraftwerk vorbereitet und die Ergebnisse mit internationaler Beteiligung<br />

ausgewertet [l].<br />

Realistischere Möglichkeiten zur Überprüfung der Planungen bot die Übungsreihe<br />

„INEX 2“, bei der die allgemeinen Übungsziele<br />

– Entscheidungsfindung auf der Grundlage unvollständiger Informationen und<br />

unsicherer Angaben zum Anlagenzustand,<br />

– realer Informationsaustausch mit Hilfe bestehender Verbindungen und Absprachen,<br />

– Information der Öffentlichkeit und Wechselwirkung mit den Medien sowie<br />

– Verwendung von Realwetter für echte Vorhersagen<br />

verfolgt werden sollten. Jeder teilnehmende Staat konnte diesen Zielen eigene<br />

Schwerpunkte hinzufügen.<br />

In der INEX 2-Reihe gab es vier Übungen, bei denen die Schweiz (November<br />

1996), Finnland (April 1997), Ungarn (November 1998) und Kanada (April 1999)<br />

als Gastgeberland fungierten und einer geplanten, nationalen Übung den internationalen<br />

Aspekt hinzufügten. An den Übungen nahmen jeweils etwa 30 Staaten<br />

und drei bis fünf internationale Organisationen teil. Die Ergebnisse dieser Übungen<br />

[2] sowie eine Zusammenfassung [3] wurden von der OECD veröffentlicht.<br />

Weiterhin wurden von der Arbeitsgruppe und drei Untergruppen Empfehlungen zu<br />

„Kommunikation und Informationsaustausch im Notfall“, „Schlüsseldaten im Notfall“<br />

und „Messstrategien“ entwickelt und veröffentlicht [4].<br />

Zum Abschluss der Serie und zum Erproben der erarbeiteten Vorschläge wurde die<br />

Übung „INEX 2000“ geplant, für die Frankreich sich bereit erklärte, als Gastgeberland<br />

zu wirken. In der Zwischenzeit war von den internationalen Organisationen<br />

das Komitee IACRNA (Inter-Agency Committee on Response to Nuclear<br />

Accidents) gegründet worden, um die Aktivitäten zu koordinieren und ein „Joint<br />

Radiation Emergency Management Plan“ erarbeitet worden. Die Federführung des<br />

IACRNA, an dem weiterhin die WHO (Weltgesundheitsorganisation), WMO<br />

(Weltmeteorlogische Org.), UN-OCHA (UN-Büro zur Koordination humanitärer<br />

Fragen), FAO (UN-Org. für Nahrung und Landwirtschaft) sowie die EC (Europäische<br />

Kommission) beteiligt sind, obliegt der IAEA. Die OECD/NEA bildet unter<br />

diesen Organisationen eine Ausnahme, da sie nur eine Interessengemeinschaft von<br />

derzeit 27 Staaten bildet und in dieser Eigenschaft keine Pflichtaufgaben ihrer Mitglieder<br />

kennt. Dies hat es der Arbeitsgruppe auf der anderen Seite erleichtert, frei<br />

68


und ohne Zwang Vorschläge zu erarbeiten und die Teilnahme an Übungen anzubieten,<br />

während die übrigen Organisationen die Mitwirkung ihrer Mitglieder verlangen<br />

können.<br />

2. Vorbereitung der Übung<br />

Durch die Übernahme der Federführung durch IACRNA wurden die Vorbereitungen<br />

zur Übung, die nun JINEX 1 (Joint International Nuclear Emergency Exercise<br />

INEX 2000) genannt wurde, komplexer. Die übergeordnete Federführung<br />

schränkte die Möglichkeiten der OECD/NEA-Arbeitsgruppe ein, stellte auf der<br />

anderen Seite aber die Koordination mit allen Organisationen sicher. Das IACR-<br />

NA legte den Rahmen der Übung [5] fest und definierte die übergreifenden<br />

Übungsziele, welche von jedem Teilnehmer durch eigene Ziele ergänzt werden<br />

konnten.<br />

Aus der Erfahrung der früheren Übungen hat IACRNA die allgemeinen Übungsziele<br />

für JINEX 1 wie folgt festgelegt:<br />

– Überprüfung der bestehenden Verfahren zum Senden und Empfangen von<br />

Warnmeldungen und Notifikationen, von Folgeinformationen und zur Anforderung<br />

von Informationen oder Produkten,<br />

– Erprobung neuer Konzepte zum Notfallschutz (Notfallklassen, Formblätter zur<br />

Meldung nach EMERCON, Management von Schlüsseldaten, Internet-Technologie<br />

usw.),<br />

– Überprüfung der Fähigkeit internationaler Organisationen zur Herausgabe<br />

koordinierter Medienberichte und<br />

– Erprobung verschiedener Möglichkeiten der Lageabschätzung, der Beratung<br />

und der Entscheidungsfindung in der Nach-Freisetzungs-Phase.<br />

Die zusätzlichen Übungsziele der einzelnen Organisationen bezogen sich im<br />

Wesentlichen auf die Überprüfung interner Prozeduren, während die OECD/NEA<br />

folgende Ziele auf Grund der Erfahrungen aus INEX 2 definierte:<br />

– Überprüfung der Empfehlungen aus „Monitoring and Data Management Strategies<br />

for Nuclear Emergencies“ hinsichtlich der Effektivität der vorgeschlagenen<br />

Datenmatrix und der vorgeschlagenen Kommunikationsstrategien unter<br />

Verwendung neuer Medien,<br />

– Erprobung der Koordination von Medienberichten zwischen verschiedenen<br />

Teilnehmern,<br />

– Erprobung des Mechanismus zum Vollzug der Haftungskonventionen und<br />

– Überprüfung, inwieweit die Teilnehmer Lehren aus der Übungsreihe INEX 2<br />

umgesetzt hatten.<br />

Die Einladung zur Teilnahme an der Übung wurde von allen internationalen Organisationen<br />

an ihre nationalen Mitgliedsorganisationen, von der WMO beispielsweise<br />

an den DWD (Deutscher Wetterdienst) versandt; das Bundesministerium für<br />

69


Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) erhielt als zuständige nationale<br />

Behörde Einladungen von der EC, der IAEA und der OECD.<br />

Abbildung 1: Lage des Kernkraftwerkes Gravelines<br />

Frankreich als Gastgeberland für die Übung hatte die Anlage Gravelines als Objekt<br />

der Übung vorgesehen. Das Kernkraftwerk liegt an der Kanalküste, etwa 20 km<br />

östlich von Calais (s. Abb. 1, Karte erstellt von der RODOS-Gruppe am FZK). Zur<br />

Vorbereitung auf ihre Aufgabe wurden die „Nationalen Koordinatoren“ (im deutschen<br />

Sprachgebrauch „Leiter Leitungsdienst“) für die Übung nach Dünkirchen<br />

eingeladen, wo der Rahmen der Übung definiert und die vorgesehene Anlage vorgestellt<br />

wurde. Weiterhin wurde die – für einen zentralistisch organisierten Staat<br />

überraschend komplexe – Notfallschutzorganisation Frankreichs erläutert. Obwohl<br />

die Koordinatoren stets zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden, gaben die Gastgeber<br />

bei dieser Präsentation keine Einzelheiten des Szenariums bekannt. Einwände<br />

z.B. bezüglich des geplanten Ablaufs der Übung waren daher nicht möglich.<br />

In Deutschland hat das BMU die Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,<br />

Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg zur Mitwirkung eingeladen.<br />

Ähnlich wie bei der Übung INEX 2-HUN, bei der neben dem Bund die Länder<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg teilgenommen hatten,<br />

sollte die Kommunikation zwischen dem Bund und betroffenen Ländern geübt<br />

werden. Auf Grund der großen Entfernung kamen in beiden Übungen nur Maßnahmen<br />

zur Strahlenschutzvorsorge – originäre Zuständigkeit beim Bund –, aber<br />

keine des Katastrophenschutzes – zuständig sind hier die Länder – in Betracht. Auf<br />

die einzelnen Maßnahmen des Notfallschutzes im Rahmen von Katastrophenschutz<br />

– die Planungen hierzu beschränken sich gemäß den bundeseinheitlichen<br />

70


Rahmenempfehlungen auf einen Umkreis bis 25 km – und Strahlenschutzvorsorge<br />

wird hier nicht eingegangen, sondern auf Zusammenfassungen [6, 7] verwiesen.<br />

Neben der gewünschten Verbesserung der Kommunikation zwischen Bund und<br />

Ländern hatte das BMU weitere Übungsziele definiert:<br />

– Erprobung der neuen Infrastruktur im BMU (im neuen Sitz des BMU),<br />

– Erprobung der elektronischen Lagedarstellung ELAN und<br />

– Training des Personals (in zwei Schichten).<br />

Die elektronische Lagedarstellung ELAN war nur in einer Pilotversion verfügbar,<br />

sollte jedoch genutzt werden, um die Empfehlungen der OECD/NEA [4] zum<br />

Informationsaustausch zu testen und die Stabsarbeit zu erleichtern.<br />

3. Durchführung der Übung<br />

Abb. 2: Stabsorganisation im BMU (nach BMU-Vorlage)<br />

In der neuen Dienststelle des BMU in Bonn (ehemaliges Postministerium) haben<br />

jeweils 28 Personen in zwei Schichten im Übungsdienst gearbeitet. Die Organisation<br />

des Personals in den verschiedenen Stäben ist in Abb. 2 wiedergegeben.<br />

Der Leitungsdienst (vier Personen einschließlich Koordinator) war in Räumen in<br />

der Nähe der Stabsräume untergebracht und verfügte über zwei PC-Arbeitsplätze<br />

mit Internet-Anschluss (welcher leider erst gegen 11 Uhr am ersten Übungstag<br />

funktionsfähig war). Zusätzlich stand ein Laptop zur Verfügung, auf dem das Logbuch<br />

des Leitungsdienstes geführt wurde.<br />

71


Der Start der Übung am 22. Mai 2001 verlief – wie häufig bei solchen Unternehmungen<br />

zu beobachten – sehr schleppend. Um Leerlauf bei den arbeitsbereiten<br />

Mitarbeitern zu vermeiden, wurde die Übung durch eine Anfrage aus Rheinland-<br />

Pfalz, in der Angaben zu einem Gerücht über einen schweren Kernkraftwerks-<br />

Unfall in Frankreich erbeten wurden, um 8:06 Uhr eröffnet. Die erste offizielle<br />

Nachricht über den „Unfall“ erhielt das BMU vom Französischen Premierministerium<br />

um 10:05 Uhr in Form einer Telekopie der Meldung Frankreichs an die<br />

IAEA. Offizielle Benachrichtigungen durch die EC und die IAEA folgten um<br />

10:38 und 11:51 Uhr.<br />

In der Übung wurde Realwetter verwendet, um die Wechselwirkung mit Wetterämtern<br />

möglichst realitätsnah zu erproben. Leider blies der Wind am Übungstag<br />

die radioaktive Wolke in Richtung Nordwesten über den Kanal, sodass nur Südengland<br />

unmittelbar betroffen war. Je nach Freisetzungshöhe reichten andere Trajektorien<br />

aber auch über die Bretagne bis an die Biskaya. Schließlich wäre ein Teil<br />

der über England verfrachteten Aktivität in einem Wirbel nach etwa zwei Tagen<br />

wieder auf dem westlichen Mitteleuropa angelangt. Insgesamt bewirkte diese Wetterlage<br />

jedoch keinen allzu großen Druck auf die Spieler in den Beneluxstaaten<br />

und Deutschland.<br />

Die Absendung einer „Warnmeldung“ Frankreichs an die IAEA erfolgte auf freiwilliger<br />

Basis; erst bei der Möglichkeit grenzüberschreitender Auswirkungen ist<br />

ein Betreiberland im Rahmen der „Convention on Early Notification of a Nuclear<br />

Accident“ verpflichtet, eine „Notifikation“ an die IAEA zu senden. Die Mitgliedsstaaten<br />

der IAEA werden jedoch ermuntert, nicht erst nach Überschreiten<br />

dieser hohen Schwelle Meldungen über den Vorfall zu übermitteln, da die Medien<br />

in den meisten Fällen ohnehin vorher Informationen dazu erhalten, sondern möglichst<br />

frühzeitig eine Warnmeldung zu versenden.<br />

Im Laufe des Tages wurden von der IAEA – auf der Grundlage von Informationen<br />

aus Frankreich – elf Meldungen per Fax versandt („push mode“), während es<br />

den Verantwortlichen möglich war, eine große Vielfalt an Zusatzinformationen aus<br />

speziellen Internetseiten zu entnehmen („pull mode“). Diese Internetseiten wurden<br />

von den zuständigen französischen Stellen und internationalen Organisationen<br />

wie der WMO erstellt. Aber auch Nachbarländer wie die Niederlande stellten<br />

sehr informative Seiten zur Verfügung. Leider wurden die Adressen zu solchen<br />

Internetseiten (einschließlich der Passwörter) anderer Staaten zu spät vor der<br />

Übung oder erst in der Übung bekannt gegeben, sodass eine effektive Nutzung<br />

kaum noch möglich war. Die Methode des aktiven Versands von Erstmeldungen<br />

(„Weckfunktion“) sowie Informationen über wichtige Änderungen der Lage per<br />

Fax und, ergänzend dazu, das Einstellen statischer Zusatz-Informationen einschließlich<br />

entsprechender Graphik in Internetseiten war von der Arbeitsgruppe<br />

der IAEA vorgeschlagen worden, um einerseits die Kommunikationswege zu entlasten,<br />

auf der anderen Seite aber ausreichend Hintergrundinformation in guter<br />

Qualität zur Verfügung zu stellen.<br />

Der Informationsaustausch auf elektronischem Wege, der gegenüber dem Fax eine<br />

bedeutend bessere Qualität aufweist und die Weiterbearbeitung der Daten ermög-<br />

72


licht, jedoch noch nicht die Zuverlässigkeit der bisherigen Verbindungen (z.B.<br />

auch über Fernschreiber) besitzt, nimmt auch im Notfallschutz inzwischen eine<br />

führende Rolle ein. Dies erfordert eine Anpassung der Organisationsstrukturen<br />

(Stabsdienstordnung) an die neuen Techniken, um kontrollierbare und vollständige<br />

Informationsverteilung in den Stäben sicherzustellen, aber auch, um Vervielfachung<br />

der Übertragungen zu vermeiden.<br />

Das BMU hat ab 8:15 Uhr die Länder und die betroffenen Bundesressorts über das<br />

Ereignis unterrichtet sowie drei (Übungs-)Pressemitteilungen um 9:16, 10:55 und<br />

21:00 Uhr herausgegeben. Weiterhin wurden im BMU zwischen 12:30 und 21:00<br />

Uhr fünf fiktive Pressekonferenzen durchgerührt, in denen zwei Koordinatoren<br />

sich bemühten, aggressive Pressevertreter darzustellen, standen dabei aber einer<br />

Übermacht von Fachleuten gegenüber. Im Realfall wären die Kräfteverhältnisse<br />

jedoch umgekehrt! Ungeachtet dessen ist es den „Pressevertretern“, denen als<br />

Koordinatoren nicht mehr Informationsquellen zur Verfügung standen als den<br />

Spielern, gelungen, die Fachleute zu fordern und mit Informationen zu konfrontieren,<br />

welche diesen noch unbekannt waren. Wie „im richtigen Leben“ waren die<br />

Pressevertreter schneller als die Behörden.<br />

Erst kurz nach Mittag wurde die vom BfS entwickelte elektronische Lagedarstellung<br />

ELAN*) für die Länder freigeschaltet und hat sofort erheblichen Druck vom<br />

BMU genommen, da den mitübenden Landesstellen hier eine gute Informationsmöglichkeit<br />

geboten wurde und in Folge dessen die Zahl der direkten Anfragen<br />

beim BMU abnahm. Die ansonsten sehr effektive und hilfreiche Nutzung des<br />

elektronischen Informationsaustauschs innerhalb des BMU und mit Stellen außerhalb<br />

litt unter einem längeren Netzwerkzusammenbruch um die Mittagszeit; daraus<br />

wird die Notwendigkeit einer erhöhten Zuverlässigkeit solcher Netzwerke<br />

deutlich.<br />

Auf Grund einer ausreichenden Übergabezeit verlief der Schichtwechsel im BMU<br />

am Nachmittag reibungslos. Das Fachreferat nutzte die Übung dazu, möglichst<br />

viel Personal aus Nachbarreferaten mit dem Notfallschutz und den Abläufen bei<br />

Ereignissen vertraut zu machen, um für einen eventuellen Realfall Verstärkung<br />

durch eingewiesene Mitarbeiter sicher zu stellen.<br />

Das vom Gastgeberland Frankreich eingespielte Szenarium war mutig und erforderte<br />

Schutzmaßnahmen bis zur Evakuierung. Leider wurde die gefahrbringende<br />

Freisetzung erst gegen 19 Uhr gemeldet, als in den Stäben schon Langeweile aufgekommen<br />

war und einige Teilnehmerstaaten schon dabei waren, sich aus der<br />

Übung zu verabschieden. Die wesentlichen Aktionen der ursprünglich für zwei<br />

Übungstage geplanten Übung fanden am ersten Tag statt; der Folgetag war vor<br />

allem einer ersten Bilanz und Bewertung vorbehalten.<br />

*) ELAN - Die Elektronische Lagedarstellung für den Notfallschutz in Deutschland, M. Zähringer et<br />

al, Beitrag zu diesem Tagungsband<br />

73


4. Auswertung der Übung<br />

4.1 Allgemeine Erfahrungen<br />

Der im Vergleich zu den früheren INEX 2-Übungen verstärkte Informationsaustausch<br />

auf elektronischem Wege hat sich allseits bewährt und eine erhebliche Qualitätsverbesserung<br />

der ausgetauschten Produkte ermöglicht. Die Zuverlässigkeit<br />

der Netzwerke in den Dienststellen sowie der Verbindungen der Netzwerke muss<br />

jedoch noch erhöht und ihre Sicherheit gegen Manipulationen oder unbefugtes<br />

Einsehen gesichert werden.<br />

Das Layout von Internetseiten sollte klar gestaltet und soweit wie möglich vereinheitlicht<br />

werden. Wichtige aktuelle Informationen dürfen nicht in einem Wust von<br />

nett gestalteten Hintergrundinformationen untergehen. Dabei muss deutlich zwischen<br />

statischen oder schon nicht mehr geltenden Informationen und dynamischen<br />

oder neuen Daten unterschieden werden.<br />

Auch bei der Abfassung von Textmeldungen wurden die Erfahrungen aus früheren<br />

Übungen nicht ausreichend beachtet. Dies bezieht sich vor allem auf die klare<br />

Angabe<br />

– des Verfassers der Meldung (eine Abkürzung für eine spezielle Institution wird<br />

im Ausland meist nicht erkannt),<br />

– der Definition der Zeit (mit Angabe, ob lokale Zeit oder UTC), zu der dieser<br />

Status gültig war (nicht, wann die Meldung versandt wurde!) und<br />

– auf eine Erklärung zum Charakter der Meldung (amtliche Mitteilung, Kommentar,<br />

Presseerklärung, Antwort auf eine Anfrage oder dergleichen). Hinzu<br />

kamen Sprachprobleme, da teilweise Widersprüche oder kleinere Unterschiede<br />

zwischen beigefügtem englischen Text und dem Originaltext z.B. in Französisch<br />

auftraten.<br />

4.2 Internationale Aspekte<br />

Die Auswertung der von der OECD/NEA erbetenen Fragebögen hinsichtlich der<br />

Koordination von Informationen an Medien – ein erklärtes Übungsziel – zeigte,<br />

dass so gut wie keine Koordination stattgefunden hatte, weder zwischen benachbarten<br />

Staaten noch zwischen internationalen Organisationen. Bezüglich der<br />

Gestaltung von Formblättern der IAEA (EMERCON) zur Übermittlung der Meldungen<br />

wurden Verbesserungen vorgeschlagen, um das Ausfüllen zu erleichtern<br />

und Missverständnisse zu vermeiden.<br />

Die IAEA, bei der gleichzeitig ein Realfall (Strahlenüberexposition von Patienten)<br />

auflief, hat die Übung genutzt, um zusätzliches Einsatzpersonal zu schulen<br />

und bewertet die Übung insgesamt positiv. Sie rät dazu, für „schnelle Störfälle“<br />

(im Französischen: phase réflexe) Kriterien für die sofortige Einleitung von<br />

Schutzmaßnahmen festzulegen, um nicht wertvolle Zeit, die sonst zur Erarbeitung<br />

74


einer Lage und deren Bewertung notwendig ist, zu verlieren. Die Mitgliedstaaten<br />

schlagen einen effektiven Plan für Tests und Übungen vor und erbeten mehr Information<br />

über IACRNA. Schließlich wird eine Vereinheitlichung der Meldungen<br />

nach ECURIE an die EC und nach EMERCON gewünscht, um Doppelbelastungen<br />

zu vermeiden.<br />

Das Gastgeberland Frankreich hat festgestellt, dass der Aufwand zur Validierung<br />

technischer Daten durch die Behörden und zur Abstimmung der Informationen aus<br />

verschiedenen, offiziellen Quellen unterschätzt und daher die Freigabe und Veröffentlichung<br />

von Informationen ungebührlich verzögert wurde. Eine Stelle zur Verbindung<br />

zwischen nationalen und internationalen Partnern – z.B. ähnlich der<br />

Nationalen Alarmzentrale (NAZ) [8] der Schweiz – erscheint notwendig. Ein solches<br />

Zentrum, das zu jeder Zeit fachlich kompetente Ansprechpartner sicherstellen<br />

und eingehende Alarme einer ersten Bewertung unterziehen und an zuständige<br />

Stellen weiterleiten kann, wurde früher schon für Deutschland vorgeschlagen<br />

[9].<br />

4.3 Erfahrungen in Deutschland<br />

Die Verbesserung der Kommunikation durch die elektronische Lagedarstellung<br />

ELAN hat die Informationsmöglichkeiten erweitert. Allerdings wird die Reaktionszeit<br />

des BMU auf Anfragen aus den Ländern von diesen immer noch als zu<br />

lang bewertet. Erschwert wurde die Arbeit der Stäbe im BMU auch durch eine<br />

ungünstige Raumaufteilung und mangelnde zentrale Unterstützung wie Kopierund<br />

Verteilfunktionen; dies führte z.B. dazu, dass mehrseitige Eingänge nicht komplett<br />

an die Empfänger gelangten oder Eingänge zu lange im Faxgerät liegen blieben.<br />

Zudem wurde bedauert, dass keine echten Journalisten in den Stab eingebunden<br />

waren, um bei den fiktiven Pressekonferenzen für mehr Druck auf die Verantwortlichen<br />

sorgen zu können. Schließlich muss eine neue Stabsorganisation<br />

erarbeitet werden, in der besonders der elektronische Informationsaustausch<br />

Berücksichtigung findet.<br />

5. Schlussfolgerungen<br />

Obwohl nur ein Teil der Übungsziele erreicht werden konnte, hat die Übung<br />

JINEX 1 deutlich Schwachstellen aufgezeigt und damit Verbesserungen des Notfallschutzes<br />

ermöglicht. Dazu sollte auf internationaler Ebene insbesondere das<br />

Meldeverfahren der IAEA und der EC vereinheitlicht und bilaterale Übereinkommen<br />

überarbeitet werden, um überflüssige, redundante Meldungen entbehrlich zu<br />

machen.<br />

Führende Organisationen müssen den Bedarf nachgeordneter Bereiche an zeitnahen<br />

und vollständigen Informationen besser erkennen. Wenn diese nicht bereit<br />

gestellt werden, besteht die Gefahr, dass unbestätigte oder falsche Informationen<br />

genutzt werden, wodurch eine angemessene Reaktion der zuständigen Behörden<br />

erschwert oder gar unmöglich wird.<br />

75


6. Literatur<br />

[1] INEX 1: An International Nuclear Emergency Exercise, OECD/NEA, Paris<br />

(1995)<br />

[2] Second International Nuclear Emergency Exercise: INEX 2-Final report of<br />

the Swiss {Finnish/Hungarian/Canadian} Regional INEX 2 Exercise, OECD/<br />

NEA, Paris (1998-01)<br />

[3] Experience from International Nuclear Emergency Exercises: The INEX 2<br />

Series, OECD/NEA, Paris (2001)<br />

[4] Monitoring and Data Management Strategies for Nuclear Emergencies,<br />

OECD/NEA, Paris, 2000<br />

[5] Guide for Players JINEX 1, IARCNA Working Group on Joint International<br />

Exercises, IAEA Wien (2001)<br />

[6] Nationale Notfallschutzorganisation, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit, Bonn, Dezember 2000<br />

[7] Horst Miska: Übersicht über die Notfallschutzorganisation in Deutschland, in<br />

„Grenzüberschreitender Notfallschutz“ Seminar FS/AKN–SFRP, A. Bayer et<br />

al. (Hrsg.), Fortschritte im Strahlenschutz, FS-99-105-AKN, TÜV Verlag<br />

Köln (1999), S. 227<br />

[8] D.Frei: Übersicht über die Notfallorganisation in der Schweiz, in: „Grenzüberschreitender<br />

Notfallschutz“ Seminar FS/AKN – SFRP, A. Bayer et al.<br />

(Hrsg.), Fortschritte im Strahlenschutz, FS-99-105-AKN, TÜV Verlag Köln<br />

(1999), S.45<br />

[9] Horst Miska: Notwendigkeit eines Melde- und Einsatzzentrums, in: „45., 46.<br />

und 48. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des<br />

Innern“, <strong>Zivilschutz</strong>forschung, Neue Folge Band 42 (2000), Bonn, S. 331<br />

76


Bereitstellung von Informationen in einem<br />

Ereignisfall<br />

Erich Wirth und Wolfgang Weiss<br />

Einleitung<br />

Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde im Bundesamt für Strahlenschutz<br />

das „Integrierte Mess- und Informationssystem“ (IMIS) aufgebaut. Die Aufgabe<br />

von IMIS ist es, in einem Ereignisfall die Entscheidungsträger mit allen Informationen<br />

zu versorgen, die zur Beurteilung der radiologischen Lage und für Entscheidungen<br />

über Maßnahmen notwendig sind. IMIS besteht aus mehreren Einheiten,<br />

die sich gegenseitig ergänzen:<br />

• Die Entscheidungshilfesysteme PARK und RODOS, zur prognostischen<br />

Abschätzung der Kontamination der Umwelt und der Strahlenbelastung des<br />

Menschen<br />

• Stationäre Messeinrichtungen zur kontinuierlichen Messung der Radioaktivität<br />

in der Umwelt und mobile Messsysteme zur Ergänzung. Im einzelnen sind zu<br />

nennen: Das Ortsdosisleistungsmessnetz, das Messnetz zur Alpha-, Beta- und<br />

Jodaktivität, eine Hubschrauberstaffel und Messfahrzeuge.<br />

• Messeinrichtungen der Länder zur Untersuchung von Kontaminationen in<br />

Lebens- und Futtermitteln sowie in Umweltproben.<br />

• Die Zentralstelle des Bundes, in der alle Prognosedaten und Messergebnisse<br />

aus Bund und Ländern zusammengeführt, dokumentiert, bewertet und in Form<br />

von Tabellen und Grafiken dargestellt werden.<br />

• Systeme zur Kommunikation mit Bund und Ländern, mit der EU, mit Nachbarländern<br />

und internationalen Organisationen.<br />

Der Schwerpunkt dieses Vertrags wird sich im wesentlichen mit drei Fragen befassen:<br />

• Welche Informationen werden in einem Ereignisfall benötigt?<br />

• Wie werden diese Informationen aufbereitet?<br />

• Wie werden diese Informationen zukünftig an die Entscheidungsträger weitergegeben<br />

werden?<br />

Welche Informationen werden in einem Ereignisfall benötigt?<br />

Wie bereits einleitend erwähnt, ist es das wesentliche Ziel eines Notfallschutzmanagements<br />

zu entscheiden, ob und ggf. welche Empfehlungen und Maßnahmen<br />

ausgesprochen werden sollen. Grundlage für diese Empfehlungen sind die von<br />

Bund und Ländern verabschiedeten Eingreifrichtwerte für Notfälle (Tab. 1).<br />

Danach sind in der Frühphase eines Ereignisses im urbanen Bereich grundsätzlich<br />

drei Maßnahmen zu erwägen [2]:<br />

77


• Verweilen im Haus,<br />

• Einnahme von Jodtabletten,<br />

• Evakuierung.<br />

Im landwirtschaftlichen Bereich wurden von der EU Kontaminationsgrenzwerte<br />

[1] für vier Radionuklidgruppen und fünf Nahrungsmittelgruppen definiert<br />

(Tabelle 2). Daneben existieren noch weitere abgeleitete Grenzwerte, wie z.B.<br />

Empfehlungen zum Verwerfen von Luftfiltern etc.<br />

Primäre Aufgabe von IMIS ist es, die Informationen bereitzustellen, die eine Entscheidung<br />

über die o.a. Maßnahmen zulassen. Dazu wurde ein sogenannter Standardinformationsbedarf<br />

definiert, der routinemäßig alle 2 Stunden erneuert wird<br />

und auf dessen Basis eine Entscheidungsfindung möglich ist. Der Standardinformationsbedarf<br />

umfasst u.a. folgende Daten und Ergebnisse:<br />

Ausbreitung (in der Frühphase)<br />

• Trajektorienberechnung des DWD<br />

• Ausbreitungsprognosen des DWD einschließlich der Luftkonzentrationen von<br />

Einzelnukliden an DWD-Stationen<br />

Kontaminationen<br />

• γ-Ortsdosisleistung bundesweit, flächendeckend,<br />

• Kontaminationskarten der Umwelt – Ablagerung von Cs-137 und I-131 am<br />

Boden,<br />

• Kontamination von Blattgemüse mit I-131 und Cs-137,<br />

• Kontamination von Milch mit I-131 und Cs-137.<br />

Dosisabschätzungen<br />

• Summe der Effektivdosis durch Direktstrahlung und Inhalation integriert über<br />

7 Tage<br />

• Effektive Dosis durch Direktstrahlung integriert über 30 Tage<br />

• Schilddrüsendosis des Erwachsenen und des Kleinkindes.<br />

Ergänzt werden diese Abbildungen durch weitere Informationen, wie z. B.: Wann<br />

ist zu erwarten, dass die Kontamination der Milch über den Grenzwerten liegt?<br />

Eine wesentliche Aufgabe von IMIS ist es, diese Informationen während eines<br />

Ereignisses kontinuierlich zu verbessern. Es ist offensichtlich, dass Prognosen, die<br />

noch vor Eintreffen einer radioaktiven Wolke erstellt werden, mit wesentlich höheren<br />

Unsicherheiten behaftet sind als Aussagen, denen flächendeckende Messungen<br />

zugrunde liegen. Deshalb werden die Prognosen laufend während eines Ereignisfalls<br />

durch die Berücksichtigung von Messergebnissen verbessert.<br />

Trotzdem müssen sich Entscheidungsträger darüber im Klaren sein, dass insbesondere<br />

in der Frühphase die relevanten Maßnahmen, wie Verweilen im Haus oder<br />

78


die Einnahme von Jodtabletten auf der Basis von unsicheren Prognosen zu treffen<br />

sind. Auf eine wesentliche Verbesserung von Prognoserechnungen durch Messergebnisse<br />

kann in der unmittelbar betroffenen Umgebung meist nicht gewartet<br />

werden, da mit zunehmender Dauer des Wolkendurchzugs diese Maßnahmen<br />

immer unwirksamer werden.<br />

Darstellung der Ergebnisse<br />

Die Darstellungen der einzelnen Ergebnisse, insbesondere des vorhandenen Informationsbedarfs<br />

müssen übersichtlich sein und die Inhalte müssen sich sofort und<br />

unzweideutig dem Betrachter erschließen. Um dies zu gewährleisten, wurden die<br />

Skalierung und die Farbgebung der Kontaminations- und Dosiskarten an den<br />

Grenz- bzw. Eingreifrichtwerten orientiert (Abb. 1).<br />

Die für die Abbildung gewählten vier Farben von grün bis gelb reichen grundsätzlich<br />

von Null bis zu dem entsprechenden Eingreifrichtwert. Dieser beträgt wie<br />

oben ausgeführt z.B. 10 mSv über 7 Tage für die Empfehlung „Verweilen im<br />

Haus“, oder 500 Bq/l für Radiojod in der Milch. Die Farben von orange bis violett<br />

zeigen an, dass der Dosis- bzw. Eingreifrichtwert überschritten ist (Abb. 1).<br />

Damit signalisiert die Farbgebung bereits auf einen Blick, welche Gebiete wie<br />

stark betroffen sind und wo Maßnahmen voraussichtlich notwendig sein werden.<br />

Sind die Umweltaktivitäten gering, so signalisiert eine durchgehend dunkelgrüne<br />

Karte, dass bundesweit keine entsprechende Maßnahme notwendig ist.<br />

Elektronische Lagedarstellung (ELAN)<br />

Ziel bei der Übermittlung der Daten muss es sein, die zur Lagebeurteilung notwendigen<br />

Informationen allen Entscheidungsträgern zeitgleich und übersichtlich<br />

zur Verfügung zu stellen. Nur so lässt sich vermeiden, das beispielsweise durch<br />

einen unterschiedlichen Kenntnisstand widersprüchliche Empfehlungen ausgesprochen<br />

werden. Beim Versenden eines Faxes an verschiedene Teilnehmer treffen<br />

die Nachrichten nicht parallel sondern nacheinander in den einzelnen Stäben<br />

ein. Bei einer intensiven Nutzung dieses Kommunikationsweges sind Staus und<br />

Verzögerungen nicht auszuschließen.<br />

Bei der Nutzung von E-Mails ist die Gleichzeitigkeit gewährleistet, die Informationen<br />

treffen aber unsortiert ein und müssen daher erst gesichtet werden.<br />

Zur Verbesserung der Datenübermittlung wurde im Bundesamt für Strahlenschutz<br />

der Prototyp einer Elektronischen Lagedarstellung (ELAN) entwickelt, der die<br />

Daten zeitgleich und strukturiert zur Verfügung stellt [5]. Dieses System ist nichts<br />

anderes als eine elektronische Datei, in der alle notwendigen Informationen, nach<br />

Zeit und Themen geordnet, bereitgestellt werden und auf die alle Entscheidungsträger<br />

Zugriff haben. ELAN ist grundsätzlich offen für alle Dateien, spezielle<br />

Anforderungen an Formate etc. werden nicht gestellt. Das System sieht verschiedene<br />

Hierarchieebenen vor: Nutzer, die einen uneingeschränkten Zugriff auf alle<br />

79


Informationen haben. Nutzer, die einen eingeschränkten Zugriff haben und Nutzer,<br />

die sowohl einen uneingeschränkten Zugriff als auch die Möglichkeit haben,<br />

selbst eigene Dateien in die elektronische Lagedarstellung einzubringen. Die Einschränkung,<br />

insbesondere bei der Bereitstellung von Dokumenten in der elektronischen<br />

Lagedarstellung soll u.a. verhindern, dass durch ein zu großes Informationsangebot<br />

die Übersichtlichkeit verloren geht.<br />

Wenn zukünftig die Informationen dem BMU, der EU und den Ländern in Form<br />

der elektronischen Lagedarstellung bereitgestellt werden, müssen die Entscheidungsträger,<br />

im Gegensatz zu früher, die Informationen selbst abrufen. Jeder Entscheidungsträger<br />

verfügt über das gleiche Informationsangebot; die Auswahl der<br />

Informationen bleibt ihm selbst überlassen. Er muss sich holen, was er selbst zur<br />

Entscheidungsfindung als notwendig erachtet.<br />

Das System der elektronischen Lagedarstellung wurde unangekündigt auf der letzten<br />

JINEX-2000 Übung eingeführt. Es zeigte sich, dass dieses System sehr schnell<br />

von den Entscheidungsträgern angenommen wurde [4]. Im Lagezentrum des BMU<br />

wurden während der Übung mehr als zehntausend Seiten aufgerufen.<br />

Informationssysteme<br />

Im Rahmen des internationalen Informationsaustausches wurden in den letzten<br />

Jahren verschiedene, sich ergänzende Kommunikationssysteme eingerichtet [3].<br />

Deutschland ist als aktiver Teilnehmer in verschiedene Alarmierungs- und Kommunikationssysteme<br />

eingebunden, darunter sind zu nennen:<br />

• ECURIE (European Community Urgent Radiological Information Exchange)<br />

EU,<br />

• EURDEP (European Union Radiological Data Exchange Platform), EU<br />

• die multinationalen Konventionen EMERCON (EMERgency early notification<br />

CONvention) der Internationalen Energieagentur (IAEA) und<br />

• bilaterale Abkommen mit Nachbarstaaten.<br />

Im Falle eines Unfalles mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt sind die<br />

Mitgliedsländer der IAEA bzw. der EU verpflichtet, genau spezifizierte Informationen<br />

über den Unfallhergang und seine Auswirkungen an die Zentrale der IAEA<br />

in Wien bzw. der EU in Luxemburg zu melden, die diese dann unverzüglich an die<br />

Mitgliedsländer weiterleiten.<br />

Die IAEA leitet mit Hilfe von EMERCON die Informationen gegenwärtig noch<br />

per Fax an die 90 Mitgliedsländer und Organisationen weiter. Nicht zuletzt aufgrund<br />

dieser relativ zeitintensiven Prozedur, werden nur die notwendigsten Information<br />

als Alarmierungsmeldung verteilt. Zukünftig sollen die Informationen auf<br />

einem Web-Server bereitgestellt werden, auf den die Mitgliedsländer zugreifen<br />

können. Ein erster Prototyp wurde realisiert.<br />

80


Die EU hat mit ECURIE ein aufwändiges, computergestütztes Kommunikationssystem<br />

entwickelt, bei dem die Nachrichten über redundante Datenwege (ISDN-<br />

Direktverbindungen, Internet, Telex und als Backup per Fax) übermittelt werden.<br />

Das ECURIE wird vor allem für Alarmierungs- und Erstmeldungen verwandt, der<br />

eigentliche Datenaustausch soll über EURDEP erfolgen.<br />

Dieses System soll im Sommer 2002 in den operationellen Betrieb gehen. EUR-<br />

DEP vernetzt die nationalen Informationssysteme wie IMIS. Es ist geplant, die<br />

Daten auf 2 Wegen auszutauschen: Die nationalen Daten werden von den Kontaktstellen<br />

aktiv an die Nachbarländer verschickt oder in einem speziellen Pool<br />

gespeichert, von wo sie von den angeschlossenen Staaten abgerufen werden können.<br />

Jede nationale Kontaktstelle verfügt über ein eigenes Terminal an dem die<br />

Meldungen strukturiert in einem speziellen Format übertragen werden.<br />

Ein großer Teil der Informationen wird sprachenunabhängig codiert, wodurch<br />

erreicht wird, dass die Meldungen auch von Personen gelesen werden können, die<br />

nicht die Sprache des Absenders sprechen. Dies ist für eine multinationale Organisation,<br />

wie die EU mit ihren 11 Amtssprachen, ein wesentlicher Aspekt. Insgesamt<br />

sind durch ECURIE und EURDEP die Voraussetzungen für eine schnelle,<br />

geordnete und verlässliche Nachrichtenübermittlung geschaffen.<br />

In einem weiteren Schritt sollen ECURIE und EMERCON harmonisiert werden,<br />

so dass ein direkter Informationsaustausch zwischen beiden Systemen ermöglicht<br />

wird. Das IAR ist als deutscher Partner bei der Entwicklung von ECURIE maßgeblich<br />

beteiligt und ist auch bei der Integration der IAEA und EU-Systeme involviert.<br />

Ein schneller und reibungsloser bilateraler Informationsaustausch ist bei grenznahen<br />

Ereignissen die Voraussetzung für ein wirkungsvolles, abgestimmtes Notfallmanagement.<br />

Arbeitsgruppen zur Harmonisierung des Daten- und Informationsaustauschs<br />

wurden mit Frankreich, Schweiz und Niederlande eingerichtet. Die<br />

technischen Lösungen müssen mit den internationalen Systemen kompatibel sein,<br />

weshalb die Verfahren weitgehend auf dem ECURIE bzw. EURDEP Verfahren<br />

basieren.<br />

Federführend bei Entwicklung der nationalen Informationssysteme ist das BfS im<br />

Auftrag des Umweltministeriums. Diese Erfahrungen werden in bilateralen und<br />

internationalen Arbeitsgruppen eingebracht, um fachliche Konzepte zu entwickeln<br />

und technisch zu realisieren.<br />

Unterstützung des BMI<br />

In der Frühphase einer Umweltkontamination sind die Ergebnisse des Ortdosisleistungsmessnetzes<br />

von besonderer Bedeutung. Sie geben einen ersten Überblick<br />

über die aktuell betroffenen Gebiete und die Erhöhung der externen Strahlenbelastung<br />

(Abb. 2). Die Messergebnisse werden über Telefonleitung an die 6 Messnetzknoten<br />

übertragen. Dort werden die regionalen Daten gesammelt und anschließend<br />

81


an die Messnetzzentrale nach Freiburg, ersatzweise Berlin übertragen. Zur<br />

Beschleunigung dieses Vorgangs sollen alle Daten zukünftig parallel direkt nach<br />

Freiburg gesandt werden. Damit ließe sich die ODL-Karte im 10 Minuten Rhythmus<br />

aktualisieren. Der Durchzug der radioaktiven Wolke könnte praktisch online<br />

auf dem Bildschirm verfolgt werden.<br />

Da nach dem 11. September Ereignisse wahrscheinlicher geworden sind, die den<br />

Bereich des <strong>Zivilschutz</strong>es betreffen, wurde mit dem BMI der Zugriff auf die ODL-<br />

Daten vereinbart. Um die Daten möglichst schnell der Zentralstelle zur Verfügung<br />

stellen zu können, ist geplant, dass jeder Messnetzknoten als Zentrale fungieren<br />

kann. Der Messnetzknoten in Bonn soll über ein lokales Netzwerk direkt mit dem<br />

<strong>Zivilschutz</strong>rechner verbunden werden.<br />

Zusammenfassung<br />

In diesem Vortrag wurden die Bereitstellung der Information und der Informationsaustausch<br />

vorgestellt. Mit IMIS steht dem BMU in einem Ereignisfall ein System<br />

zur Verfügung, das in einem Ereignisfall schnell und gezielt die notwendigen Prognosen<br />

und Messergebnisse bereitstellen kann. Zur effektiven Unterrichtung des<br />

BMU wurden ein Standardinformationsbedarf definiert, die Skalierung und Farbgebung<br />

der Darstellungen an den Grenz- bzw. Eingreifrichtwerten orientiert sowie<br />

eine elektronische Lagedarstellung erarbeitet. Der Informationsaustausch auf<br />

nationaler, bilateraler und internationaler Ebene ist wegen den staatlichen Eigenheiten<br />

komplex und daher noch harmonisierungsbedürftig.<br />

Literatur<br />

[1] Council Regulation No 3954/87/Euratom laying down maximum permitted<br />

levels of radioactive contamination of foodstuffs and feedingstuffs following<br />

a nuclear accident or any other case of radiological emergency (1987)<br />

[2] Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer<br />

Anlagen BMBl. (1999) 539ff<br />

[3] Monitoring and Data Management Strategies for Nuclear Emergencies<br />

OECD/NEA 2000<br />

[4] H. Miska. Internationale Notfallschutzübung „JINEX 1“-Erfahrungen aus<br />

nationaler und internationaler Sicht, In: Praxis des Strahlenschutzes: Messen,<br />

Modellieren, Dokumentieren“ TÜV Verlag (2002) 534–550<br />

[5] M. Zähringer, Ch. Hobler, P. Bieringer. ELAN – Die elektronische Lagedarstellung<br />

für den Notfallschutz in Deutschland. In: Praxis des Strahlenschutzes:<br />

Messen, Modellieren, Dokumentieren“ TÜV Verlag (2002) 535–542<br />

82


Maßnahme Eingreifrichtwerte<br />

Aufenthalt in<br />

Gebäuden<br />

Einnahme von<br />

Jodtabletten<br />

Organdosis<br />

(Schilddrüse)<br />

50 mSv<br />

Kinder bis zu 12<br />

Jahren sowie<br />

Schwangere,<br />

250 mSv<br />

Personen von 13<br />

bis 45 Jahren<br />

Effektive Dose Integrationszeiten und Expositionspfade<br />

10 mSv Äußere Exposition in 7 Tagen<br />

und effektive Folgedosis durch<br />

in diesem Zeitraum inhalierte<br />

Radionuklide<br />

´Tab. 1: Eingreifrichtwerte für die Empfehlung von Maßnahmen [2]<br />

Im Zeitraum von 7 Tagen inhaliertes<br />

Radiojod einschließlich<br />

der Folgeäquivalentdosis<br />

Evakuierung 100 mSv Äußere Exposition in 7 Tagen<br />

und effektive Folgedosis durch<br />

in diesem Zeitraum inhalierte<br />

Radionuklide<br />

Langfristige<br />

Umsiedlung<br />

Temporäre<br />

Umsiedlung<br />

100 mSv Äußere Exposition in 1 Jahr<br />

durch abgelagerte Radionuklide<br />

30 mSv Äußere Exposition in 1 Monat<br />

83


Strontiumisotope,<br />

insbesondere<br />

Sr-90<br />

Iodisotope, insbesondere<br />

I-131<br />

Alphateilchen<br />

emittierende<br />

Plutoniumisotope<br />

und Transplutoniumelemente,<br />

insbesondere<br />

Pu-239, Am-241<br />

Alle übrigen<br />

Nuklide mit einer<br />

Halbwertszeit<br />

von mehr als 10<br />

Tagen,<br />

insbesondere<br />

Cs-134, Cs-137<br />

Nahrungsmittel<br />

für<br />

Säuglinge<br />

Milcherzeugnisse<br />

Andere<br />

Nahrungsmittel,<br />

außer<br />

Nahrungsmittel<br />

von geringer<br />

Bedeutung<br />

Flüssige<br />

Nahrungsmittel<br />

75 125 750 125<br />

150 500 2000 500<br />

1 20 80 20<br />

400 1000 1250 1000<br />

Tab.2: Höchstwerte der radioaktiven Kontamination von Nahrungsmitteln in Bq/kg nach EU [1]<br />

84


Übung/Test Übung/Test Übung/Test Übung/Test Übung/Test<br />

max: 140000Bq/kg<br />

8226 Rhein-Neckar-Kreis<br />

Prognose: Kontamination von Blattgemüse durch I-131<br />

Kontamination Blattgemüse<br />

Bq/kg<br />

< 60<br />

Prognosezeitpunkt: 19.01.2002<br />

– 200<br />

Basis:PARK (DWD-Prognose)<br />

– 600<br />

Daten seit: 17.01.2002 06:00<br />

– 2000 Richtwert*<br />

Daten bis: 19.01.2002 06:00<br />

– 8000<br />

IMIS<br />

– 20000<br />

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz<br />

– 60000<br />

> 60000<br />

und Reaktorsicherheit, Bonn<br />

* Richtwert für Maßnahme „Verzicht auf<br />

Bundesamt für Strahlenschutz, Salzgitter<br />

unmittelbare Verwendung von Nahrungsmitteln“ ZdB, Neuherberg<br />

Abb. 1: Farbgebung und Skalierung am Beispiel einer Prognose der Kontamination von Blattgemüse<br />

mit I-131. Bei dem Eingreifrichtwert von 2000 Bq/kg schlägt die Farbe von gelb nach<br />

orange um.<br />

85


Abb. 2: Verteilung der 2150 festen Messstationen des ODL-Messnetzes<br />

86


– Vorträge 2003 –


Eröffnung der 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

in Wiesbaden am 29.5.2003<br />

Arthur Scharmann<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Ich begrüße Sie ganz herzlich zur 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> in<br />

Wiesbaden. Mein besonderer Gruß gilt dem neuen Mitglied, Herrn Prof. Wilken,<br />

der sich im vergangenen Jahr spontan dazu bereit erklärt hat, diese Tagung als örtlicher<br />

Organisator auszurichten. Vielen Dank für das Engagement, das Sie bei der<br />

Vorbereitung der Tagung unter Beweis gestellt haben!<br />

Unter unseren Gästen begrüße ich an erster Stelle den bisher für uns zuständigen<br />

Vertreter des Bundesinnenministeriums, Herrn Ministerial Direktor Henning<br />

Rosen, der vor kurzem aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist. Sie haben, lieber<br />

Herr Rosen, in den wenigen aber ereignisreichen Jahren, in denen Sie für die<br />

Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es zuständig waren, vieles bewegt – sowohl in der Sache<br />

als auch für den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Organisationen in<br />

unserem Land und in Europa. Sie waren der <strong>Schutzkommission</strong> stets ein kompetenter<br />

und geschätzter Partner. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich die<br />

Zusammenarbeit mit dem Ministerium durch Ihren persönlichen Einsatz, lieber<br />

Herr Rosen, sehr gut entwickelt hat. Hierfür möchte ich Ihnen den herzlichen Dank<br />

der <strong>Schutzkommission</strong> aber auch meinen persönlichen Dank aussprechen. Mit<br />

Ihrem Ausscheiden aus dem Dienst hat es ja einige organisatorische Veränderungen<br />

im BMI gegeben, von denen wir sicherlich gleich anschließend noch etwas<br />

hören werden. Ich freue mich, Herrn Ministerial Direktor Steig als den jetzt für<br />

die <strong>Schutzkommission</strong> zuständigen Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium<br />

unter uns begrüßen zu können. Ich verbinde meine Willkommensgrüße an Sie mit<br />

der Zusicherung, dass die <strong>Schutzkommission</strong> dem Bundesminister des Innern auch<br />

in Zukunft mit Rat und Tat zur Verfügung stehen wird und hoffe auf die Fortsetzung<br />

der vertrauensvollen Zusammenarbeit.<br />

Ich begrüße Herrn Min. Dir. Gudat als Vertreter des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz,<br />

der die Arbeit der <strong>Schutzkommission</strong> seit einigen Jahren vertrauensvoll<br />

begleitet und eine wichtige Funktion im Wechselspiel mit den Ländern<br />

wahrnimmt.<br />

Ich heiße die Vertreter des Bundesverwaltungsamtes herzlich in unseren Reihen<br />

willkommen. Herr Vizepräsident Schütz wird uns im Anschluss über neuere Entwicklungen<br />

in der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> berichten.<br />

Sie alle wissen, dass dies meine letzte Eröffnungsansprache als Vorsitzender bei<br />

einer Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> ist. Der Innere Ausschuss hat gestern<br />

Prof. Lars Clausen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Sein Vertreter in der Leitung<br />

89


der <strong>Schutzkommission</strong> wird Prof. Matz sein. Ich wünsche beiden Herren eine starke<br />

Hand bei der zukünftigen Lenkung der Geschicke der <strong>Schutzkommission</strong>. Vom<br />

Bundesminister des Innern wünsche ich mir, dass er den Rat der <strong>Schutzkommission</strong><br />

auch weiterhin annehmen und sie fordern und fördern möge – nur auf diese<br />

Weise kann ein Beratungsgremium langfristig Bestand haben. Die Mitglieder fordere<br />

ich auf, die beiden neuen Vorsitzenden durch aktive Beiträge an der gemeinsamen<br />

Arbeit auch weiterhin zu unterstützen.<br />

Für das mir in meiner Amtszeit seit 1987 entgegengebrachte Vertrauen bedanke<br />

ich mich bereits an dieser Stelle. Dass in vieIen Fällen aus dem kollegialen Verhältnis<br />

mit Ihnen über die Jahre hinweg ein freundschaftliches Verhältnis geworden<br />

ist, hat mir in schweren Zeiten das Weitermachen erleichtert. Auch schwierige<br />

Themen wie der <strong>Zivilschutz</strong> können gemeistert werden, wenn die gemeinsame<br />

Sicht auf die Sachthemen vorhanden ist. Nicht jeder besitzt diese Fähigkeit und<br />

deshalb ist es auch nicht leicht, geeignete Nachfolger und neue Mitglieder zu<br />

gewinnen. Das ehrenamtliche Engagement für die Ideale unserer Gesellschaft, das<br />

die Arbeit der <strong>Schutzkommission</strong> seit ihrer Gründung stets wesentlich geprägt hat,<br />

ist in einer Zeit, in der insbesondere an Hochschulen und <strong>Forschung</strong>seinrichtungen<br />

die Spezialisierung auf finanzierbare Themenschwerpunkte gefordert ist,<br />

zunehmend aus der Mode gekommen.<br />

Der Kompetenzverlust in den einschlägigen Fachbereichen ist inzwischen<br />

erschreckend groß – ich erinnere nur an den Strahlenschutz und die Toxikologie.<br />

Ich befürchte, dass in einzelnen Bereichen bereits Grenzen überschritten sind, die<br />

aus Sicht der staatlichen Fürsorge nicht hätten überschritten werden dürfen. Die<br />

Lebenserfahrung lehrt mich, dass das Wiedererlangen verloren gegangener Kompetenz<br />

stets mit größerem Aufwand verbunden ist als das Erhalten von Kompetenz.<br />

Ich fordere deshalb den Bundesinnenminister auf, in seinen Bemühungen zur<br />

<strong>Forschung</strong>sförderung in den hier einschlägigen Bereichen nicht nachzulassen. Es<br />

ist eine langfristig angelegte staatliche Strategie zum Erhalt eines Mindestmaßes<br />

an Fachkompetenz in den verschiedenen <strong>Forschung</strong>sfeldern erforderlich. Die<br />

<strong>Schutzkommission</strong> ist gerne bereit sich auch weiterhin einzubringen und hat mit<br />

der Erstellung des gestern im Inneren Ausschuss diskutierten Rahmenplans für<br />

<strong>Forschung</strong> und Entwicklung einen weiteren Beitrag hierzu geleistet. Ich selbst<br />

werde meinen Rat zur Verfügung stellen.<br />

Was läge näher als im Rahmen einer solchen Begrüßungs- und Abschiedsrede die<br />

welt- und die innenpolitischen Ereignisse, die ich in den letzten 15 Jahren als Vorsitzender<br />

erleben und z.T. erleiden musste, Revue passieren zu lassen. Ich möchte<br />

dies heute nicht tun. Gestatten Sie mir dennoch einige Bemerkungen, die für die<br />

Zukunft der <strong>Schutzkommission</strong> von Bedeutung sein können. In meine Amtszeit<br />

fielen die kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak,<br />

die Terroranschläge in New York und Tokio, die zivilisationsbedingten Großschadensereignisse<br />

von Eschede und Enschede sowie das „Jahrhundert“-Hochwasser<br />

im Einzugsgebiet der Elbe. All diesen Ereignissen ist gemeinsam, dass die Zivilbevölkerung<br />

stets in hohem Maße betroffen war und dass sie auch im Zeitalter der<br />

punktgenauen Präzisionswaffen des Schutzes und der Fürsorge bedarf.<br />

90


Es sind zwar bis heute von den Verbündeten in Irak keine der dort vermuteten Massenvernichtungswaffen<br />

gefunden worden. Dies sollte aber nicht zum Trugschluss<br />

führen, dass solche Waffen oder Mittel nicht Gegenstand der Überlegungen zum<br />

Schutz der Zivilbevölkerung sein müssten. Nicht erst seit Dürenmatts "Physikern"<br />

wissen wir, dass alles was denkbar ist auch gedacht und realisiert wird und wir<br />

müssen davon ausgehen, dass sich an dieser Erkenntnis auch in Zukunft nichts<br />

Grundlegendes ändern wird.<br />

Die Tatsache, dass in den USA während der jüngsten Kampfhandlungen im Irak<br />

eine Diskussion über die Neuentwicklung kleiner bunkerbrechender Nuklearwaffen<br />

geführt wurde und damit die Bemühungen über ein umfassendes Kernwaffenteststoppabkommen<br />

weit zurück geworfen wurden, zeigt, dass die internationalen<br />

Bemühungen zum Bann von Massenvernichtungswaffen trotz gegenteiliger<br />

öffentlicher Beteuerungen auf sehr dünnem Eis gebaut sind.<br />

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass staatlicherseits und durch Aufklärung und<br />

Aktivierung der Selbsthilfepotenziale der Bevölkerung dauerhaft Rahmenbedingungen<br />

etabliert werden müssen, die die Folgen katastrophaler Ereignisse für die<br />

Bevölkerung und die Gesellschaft insgesamt erträglich machen. Ich warne in diesem<br />

Zusammenhang gleicher Maßen vor Perfektionismus wie vor Bagatellisierung.<br />

Das ganze System des <strong>Zivilschutz</strong>es kann nur funktionieren, wenn es auf<br />

einer stabilen fachlichen Grundlage aufbaut, gesellschaftlich akzeptiert und langfristig<br />

angelegt ist. Ohne staatliches Handeln ist dieser Bereich der Daseinsvorsorge<br />

nicht lebensfähig. Ihn allerdings ausschließlich auf staatliches Handeln aufbauen<br />

zu wollen wäre ebenso ein Irrweg. Hierfür gibt es viele Beispiele aus der<br />

jüngsten Vergangenheit.<br />

Aus gegebenem Anlass ist es mir ein Anliegen, mit Nachdruck darauf hinzuweisen,<br />

dass neben den Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung und der Gesellschaft<br />

insgesamt auch Vorkehrungen getroffen werden müssen, um Kulturgüter bei<br />

kriegerischen Auseinandersetzungen gegen irreparable Zerstörung zu schützen und<br />

für kommende Generationen zu bewahren. Kulturgutschutz hat im <strong>Zivilschutz</strong><br />

stets ein Nischendasein gehabt. Die schrecklichen Beispiele aus dem Irak mit dem<br />

Verlust einzigartiger Schätze des Weltkulturerbes zeigen, dass der Bereich Kulturgutschutz<br />

berechtigterweise ein Bestandteil der staatlichen Vorhaltungen des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

ist und dies auch in Zukunft bleiben wird.<br />

Lassen Sie mich kurz zurück blicken auf die Arbeit im letzten Jahr. Aus aktuellem<br />

Anlass wurde der Leitfaden für Katastrophenmedizin in einer 3. überarbeiteten<br />

Fassung neu aufgelegt. Ich danke allen Autoren, insbesondere aber dem Federführenden,<br />

Herrn Dr. Weidringer, für den unermüdlichen Einsatz für diese Sache. Wir<br />

haben gestern im Inneren Ausschuss beschlossen, einen Supplementband zu Fragen<br />

„Biologische und chemische Gefahren“ aufzulegen. Ich danke Frau Dr. med.<br />

Graf, München, dass sie uns über die Inhalte des Vorhabens heute Nachmittag<br />

informieren wird.<br />

Fortschritt in der Sache ist immer mit der Auseinandersetzung im Einzelnen verbunden.<br />

So wurden im vergangenen Jahr insbesondere Fortschritte erzielt bei der<br />

91


• Sichtung von Verletzten bei Großschadensereignissen und Katastrophen und<br />

deren Dokumentation,<br />

• psychosozialen Nachsorge von Unfallopfern,<br />

• Erarbeitung und Erprobung eines Konzeptes zur Dekontamination verletzter<br />

Personen.<br />

Die bereits im vergangenen Jahr erstmals vorgestellten Ergebnisse der Untersuchung<br />

zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland liegen jetzt vollständig<br />

vor und werden von Herrn Pfenninger heute Nachmittag vorgestellt. Es stellt<br />

sich hier die Frage nach der Umsetzbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse unter den<br />

realen Bedingungen in unserem Land.<br />

Nun zu der heutigen Veranstaltung: Sie haben dem Programm entnehmen können,<br />

dass wir zwei unterschiedliche Themenblöcke vorgesehen haben. Am Vormittag<br />

wollen wir uns über grundsätzliche Fragen der Fortentwicklung des Systems des<br />

Zivil- und Katastrophenschutzes informieren, am Nachmittag über spezifische Fragen<br />

der Bedrohung und des Schutzes beim Einsatz von biologischen und chemischen<br />

Substanzen. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat hierfür eine Reihe externer Fachleute<br />

eingeladen. Ich danke Ihnen allen, dass sie der Einladung gefolgt sind und<br />

bereit sind, uns Ihre Vorstellungen vorzutragen.<br />

Der Blick der <strong>Schutzkommission</strong> ist nach vorne gerichtet im Bestreben, die staatlichen<br />

und persönlichen Vorsorgemaßnahmen zum Schutze der Bevölkerung und<br />

zur Gefahrenabwehr auf einer fachlich fundierten Grundlage zu konzipieren und<br />

zu organisieren. Die <strong>Schutzkommission</strong> wird auch in Zukunft hierzu ihre Beiträge<br />

leisten. Damit sie diesem Anspruch gerecht werden kann, muss sie sich aber<br />

weiter verjüngen. Wir haben im letzten Jahr einen guten Schritt in diese Richtung<br />

getan, dürfen aber nicht stehen bleiben sondern müssen den eingeschlagnen Weg<br />

konsequent weiter gehen. Dabei bitte ich auch weiterhin um Ihre Unterstützung.<br />

92


Grußwort des Bundesinnenministers Otto Schily<br />

Joachim Steig<br />

Veränderungen bei der <strong>Schutzkommission</strong><br />

Die 52. Tagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern am 29.<br />

und 30. Mai dieses Jahres in Wiesbaden stand im Zeichen bedeutender personeller<br />

Veränderungen:<br />

Der langjährige Vorsitzende, Prof. Dr. Arthur Scharmann, gab den Vorsitz auf. Zu<br />

seinem Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter, Prof. Dr. Lars Clausen, der<br />

frühere Leiter der Katastrophenforschungsstelle der Universität Kiel, vorgeschlagen<br />

und von Minister Schily ernannt. Zu dessen Stellvertreter wurde Prof. Dr. Gerhard<br />

Matz aus Hamburg gewählt. Als neue Mitglieder wurden Prof. Dr. Alexander<br />

Kekulé und Peer Rechenbach aufgenommen.<br />

Das Grußwort des Bundesinnenministers überbrachte Ministerialdirektor Joachim<br />

Steig, seit 1. März dieses Jahres Leiter der Abteilung Innere Sicherheit (IS) im<br />

Bundesministerium des Innern. Sein Vorgänger, Ministerialdirektor Klaus-Henning<br />

Rosen, wurde in Anerkennung seiner besonderen Verdienste bei der Neupositionierung<br />

der Kommission als ständiger Gast geladen.<br />

Nachfolgend das Grußwort des Bundesministers des Innern, Otto Schily, im<br />

Wortlaut:<br />

„Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

zunächst möchte ich Ihnen herzliche Grüße von Herrn Minister Schily ausrichten.<br />

Sie wissen um sein persönliches Interesse an der <strong>Schutzkommission</strong>, seine hohe<br />

Wertschätzung für deren Arbeit. Ihm ist bewusst, wie wichtig und unverzichtbar<br />

Ihre <strong>Forschung</strong>en, Ihre Beiträge, Ihre Vorschläge für einen wirksamen und funktionierenden<br />

Bevölkerungsschutz sind.<br />

Personelle Veränderungen hat es nicht nur im Bundesministerium des Innern gegeben,<br />

sondern gibt es jetzt auch in der <strong>Schutzkommission</strong>. Ich darf Sie, Herr Professor<br />

Clausen, als neuen Vorsitzenden zu dieser neuen Aufgabe ganz herzlich<br />

beglückwünschen. Glückwünsche kommen auch von Minister Schily, bei dem Sie<br />

ja am 28. Mai ein persönliches Gespräch hatten.<br />

Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Sie wird genau so eng und vertrauensvoll<br />

sein wie mit Ihrem – und mit meinem – Vorgänger. Ihnen, Herr Professor<br />

Scharmann, möchte ich auch im Namen und im Auftrag von Herrn Minister Schily<br />

ganz herzlich danken für all das, was Sie seit 1987 als Vorsitzender der <strong>Schutzkommission</strong><br />

geleistet haben. Die Rahmenbedingungen waren gewiss nicht immer<br />

93


günstig und vielleicht ist Ihre Arbeit so richtig erst nach den Terroranschlägen des<br />

11. September politisch und öffentlich angemessen aufgenommen und gewürdigt<br />

worden. Beispielhaft möchte ich nur den Gefahrenbericht erwähnen:<br />

Der 2. Gefahrenbericht wurde ganz anders wahrgenommen als der Vorgängerbericht<br />

des Jahres 1996. Nicht nur die Aufmerksamkeit der Hausleitung war nach<br />

dem 11. September 2001 eine ganz andere, auch die der Öffentlichkeit und der<br />

Medien.<br />

Herr Professor Scharmann, Sie haben Struktur und Arbeitsweise der <strong>Schutzkommission</strong><br />

grundlegend erneuert und zukunftweisend geprägt. Sie haben damit<br />

zugleich die Grundlage für die neue politische Wertigkeit und Wirksamkeit der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> geschaffen. Dies in Zeiten, wo Engagement und Initiative für<br />

Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes keineswegs selbstverständlich waren<br />

bzw. selbstverständliche Anerkennung erfahren haben, sondern eher Mut und<br />

Zivilcourage erforderten. Für Ihren stets eindeutigen, klaren und unbeirrbaren<br />

Standpunkt meinen ausdrücklichen Respekt und Dank.<br />

Deutschland hat ein leistungsfähiges Hilfeleistungssystem. Das hat zuletzt die<br />

Flutkatastrophe im vergangenen Sommer eindrücklich bestätigt. Rückgrat und<br />

Basis dieses Hilfeleistungssystems ist – und das zeichnet das deutsche Notfallvorsorgesystem<br />

besonders aus – das bürgerliche, das ehrenamtliche Engagement.<br />

Über 1 Million Mitglieder freiwilliger Feuerwehren, das hat in dieser Breite kein<br />

anderes Land vorzuweisen. Fünf Freiwilligenorganisationen ergänzen dieses<br />

System um noch einmal eine halbe Million ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer.<br />

Der Bund bringt durch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk 670 000<br />

wiederum freiwillig tätige Helferinnen und Helfer in dieses System ein. Ein<br />

System, das in der Welt einzigartig ist, um das uns viele Länder beneiden.<br />

Das deutsche Hilfeleistungssystem funktioniert. Es kann auch mit außergewöhnlichen<br />

Gefahren- bzw. Schadenslagen umgehen. Im Prinzip jedenfalls. Aber es gibt<br />

auch Defizite. Über diese Defizite wird seit den Anschlägen des 11. September<br />

2001 sehr offen geredet – auch und gerade hier in der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Es handelt sich dabei einmal um die Defizite, die dem deutschen Hilfeleistungssystem<br />

im Gefolge der durch eine veränderte Sicherheitslage bedingten Rückführung<br />

des <strong>Zivilschutz</strong>es zu Beginn der 90er Jahre entstanden sind. Die <strong>Zivilschutz</strong>kapazitäten<br />

des Bundes wie auch – obwohl von der äußeren Sicherheitslage eigentlich<br />

unberührt – die Katastrophenschutzkapazitäten der Länder wurden in den 90er<br />

Jahren deutlich abgebaut. Nach Ende des kalten Krieges haben wir uns in der trügerischen<br />

Sicherheit gefühlt, dass uns – wenn überhaupt – nur Gefahren aus<br />

Unglücksfällen und Naturkatastrophen drohen, die aber begrenzt und beherrschbar<br />

sind.<br />

Der 11. September 2001 hat insofern als Zeitenwende gewirkt. Seit diesem Datum<br />

und verstärkt noch einmal nach der Flutkatastrophe des letzten Sommers wird die<br />

grundsätzliche Frage gestellt, inwieweit die strukturellen Rahmenbedingungen<br />

unseres zweigeteilten nationalen Katastrophenvorsorgesystems noch stimmen.<br />

Hier der drohende militärische Angriff als Grundlage für die <strong>Zivilschutz</strong>aufgabe<br />

94


des Bundes, dort die von Menschen verursachte oder auf natürlicher Ursache beruhende<br />

Katastrophe in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Nicht nur<br />

passt der neue Feind des internationalen Terrorismus nicht mehr in diese tradierte,<br />

scheinbar stimmige Zuständigkeitsverteilung, auch mancher Ablauf bei der<br />

Bewältigung der Flutkatastrophe stellt die strenge Zweiteilung und ihre geradezu<br />

leidenschaftliche Verteidigung durch manche Länder in Frage.<br />

Ein erstes Umsteuern im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes fand bald<br />

nach dem 11. September 2001 statt. Die Flutkatastrophe im letzten Sommer hat<br />

diesen Prozess des Umsteuerns, der Umstrukturierung, des neuen Nachdenkens<br />

über intelligentere und effizientere Lösungen noch einmal beschleunigt und verstärkt.<br />

Bund und Länder haben sich zwischenzeitlich auf eine neue Rahmenkonzeption<br />

für den Zivil- und Katastrophenschutz verständigt. Sie wurde auf der Innenministerkonferenz<br />

Anfang Juni vergangenen Jahres unter der Überschrift Neue Strategie<br />

zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland verabschiedet. In dieser neuen<br />

Rahmenkonzeption haben viele Ideen und Vorschläge vor allem auch der <strong>Schutzkommission</strong><br />

ihren Niederschlag gefunden. Für diese Unterstützung an dieser Stelle<br />

herzlichen Dank. Durch diese Beiträge ist die <strong>Schutzkommission</strong> für uns noch<br />

wichtiger geworden als bisher schon.<br />

Philosophie der neuen Strategie ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und<br />

Ländern für außergewöhnliche Gefahren- und Schadenslagen. Der Bürger will<br />

wirkungsvolle Hilfe, kein Kompetenzgerangel. Was wir aber auch nicht brauchen,<br />

ist eine neue und langwährende Verfassungsdiskussion, sondern – und dies so<br />

schnell wie möglich – ein intelligentes Katastrophenmanagement. Es geht nicht<br />

um neue Zuständigkeiten, sondern um partnerschaftliches Zusammenwirken über<br />

föderale Grenzen hinweg. Und hier sind wir jetzt auf einem guten Weg. Ziel der<br />

neuen Rahmenkonzeption ist zweierlei:<br />

1. Wir wollen die vorhandenen Hilfspotenziale des Bundes und in den Ländern,<br />

also Feuerwehren und Hilfsorganisationen, besser miteinander verzahnen.<br />

2. Wir wollen und müssen neue Koordinierungsinstrumentarien für ein effizienteres<br />

Zusammenwirken des Bundes und der Länder, insbesondere im Bereich<br />

des Informationsmanagements, entwickeln, damit die Gefahrenabwehr auch<br />

auf neue Bedrohungen angemessen reagieren kann.<br />

Kernpunkt des neuen Rahmenkonzepts ist die Entwicklung eines Stufensystems<br />

für die Gefahrenabwehr. Ausgehend von der potenziellen Gefährdung und der<br />

Bevölkerungsdichte sollen Risikokategorien gebildet werden, an denen sich je<br />

unterschiedliche Versorgungsstufen ausrichten.<br />

Stand die Vereinbarung der Länder mit dem Bund auf der Innenministerkonferenz<br />

im Juni 2002 noch deutlich im Zeichen der terroristischen Bedrohung, so ist die<br />

Richtigkeit des Neukonzepts generell für Großschadenslagen (etwa Hochwasser)<br />

bei der Bilanzierung auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember vergangenen<br />

Jahres bestätigt worden.<br />

95


Eines möchte ich aber doch noch einmal unterstreichen – und damit aufgreifen,<br />

was Herr Rosen schon auf der letzten Jahrestagung in Trier gesagt hat: Wir waren<br />

trotz aller Rückführungen des <strong>Zivilschutz</strong>es in den 90er Jahren keineswegs in Apathie<br />

verfallen. Überlegungen zur Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

waren im Bundesministerium des Innern schon lange vor dem 11. September<br />

2001 angestellt worden. Dies festzustellen halte ich insofern für wichtig, als es uns<br />

nach den Attentaten rasch die Möglichkeit eröffnet hat, unterbrochene Aktivitäten<br />

wieder aufzunehmen und dabei nicht unvorbereitet auch neue konzeptionelle Wege<br />

zu gehen.<br />

Einige dieser Aktivitäten möchte ich Ihnen vorstellen und damit gleichsam den<br />

Bericht von Herrn Rosen in Trier fortschreiben:<br />

Seit Herbst vergangenen Jahres haben wir ein neues Instrument im Rahmen der<br />

Bund-Länder-Koordinierung bei großflächigen Gefahrenlagen: das GMLZ, das<br />

Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder. Es ist bei der<br />

Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt eingerichtet. Das GMLZ<br />

soll ständig erreichbarer Meldekopf sein. Es soll die nationale und internationale<br />

zivile Sicherheitslage beobachten und auswerten. Es soll vor allem aber auch – und<br />

dies ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir mit dem Management der Hochwasserkatastrophe<br />

im letzten Sommer gemacht haben – als Zentrum für Ressourcenmanagement<br />

in Bereitschaft stehen, als Dispositionszentrum vor allem für Helfer,<br />

aber auch zum Nachweis und zur Vermittlung von materiellen Hilfsmitteln,<br />

von technischen Gerätschaften bis hin zu Sandsäcken. Hier ist bei den Hochwassern<br />

an Elbe und Donau vieles eher zufällig gelaufen – mit entsprechendem Ärger<br />

und auch Frust.<br />

Das GMLZ stützt sich im Wesentlichen auf das Deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem,<br />

kurz deNIS genannt. Kernaufgabe dieser Datenbank ist die übergreifende<br />

Verknüpfung, Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für<br />

das Management von Großkatastrophen. Bund, Länder, Kommunen und Organisationen<br />

verfügen über eine Vielzahl wertvoller Informationen, die jedoch, und<br />

auch das haben wir bei der Flutkatastrophe schmerzlich wieder erfahren, derzeit<br />

96<br />

Der alte und der neue Vorsitzende<br />

der <strong>Schutzkommission</strong>: Prof. Dr.<br />

A. Scharmann (2.v.l.), Prof. Dr.<br />

L. Clausen (l.); ebenfalls auf dem<br />

Foto (v.r.): Prof. Dr. R. D. Wilken<br />

(Gastgeber der Tagung), MinDir<br />

J. Steig, MinDir a.D. K.-H. Rosen.<br />

(Foto: BMI)


noch über zahlreiche Behörden und Institutionen verstreut sind. Diese vorhandenen<br />

Informationsressourcen wollen wir intelligent verknüpfen. Der Prototyp von<br />

deNIS wird derzeit in der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> erprobt.<br />

In einer ersten Aufbaustufe ist deNIS bereits im Mai vergangenen Jahres Online<br />

gegangen, nämlich als Informationsportal für den Bürger. Die Bürger können hier<br />

ein breites Spektrum wichtiger Informationen zu Fragen des Bevölkerungsschutzes<br />

abrufen. Dazu gehören Hintergrundinformationen zum Zivil- und Katastrophenschutz,<br />

vor allem aber auch Hinweise über Vorsorgemaßnahmen und Verhaltensregeln<br />

bei Gefahren. Wie wichtig vorbeugende Information der Bevölkerung,<br />

etwa zur Räumung und Versorgung sein kann, hat das Hochwasser im letzten Sommer<br />

nachdrücklich aufgezeigt.<br />

Grundpfeiler jeden Katastrophenschutzes ist die Möglichkeit, die Bevölkerung<br />

angemessen, vor allem aber schnell und flächendeckend vor bevorstehenden<br />

Gefahren zu warnen.<br />

Am 15. Oktober 2001, also schon gut einen Monat nach den Anschlägen in den<br />

USA, konnte ein neues, satellitengestütztes Kommunikationssystem des Bundes<br />

in Betrieb genommen werden. Per Satellit können amtliche Warndurchsagen in<br />

Sekundenschnelle über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und – dies<br />

setzen wir gerade in einem zweiten Schritt um – auch über private Rundfunkanstalten<br />

verbreitet werden. Auch die Länder sind in dieses Warnsystem einbezogen;<br />

wir haben sie seit Dezember vergangenen Jahres mit Sendeeinrichtungen ausgestattet,<br />

die es ihnen erlauben, ihrerseits jetzt Warnmeldungen etwa vor regionalen<br />

Gefahren an die angeschlossenen Medien zu verschicken.<br />

Beim Sommerhochwasser im vergangenen Jahr hat sich bestätigt, dass der Rundfunk<br />

jedenfalls für eine gefahrensensibilisierte Bevölkerung das geeignete Warnund<br />

Informationsmittel ist. Wir setzen deshalb prioritär auf den weiteren Ausbau<br />

dieses Warnsystems. Wir brauchen aber auch Warnelemente, die aufwecken.<br />

Wir wollen es deshalb nicht beim satellitengestützten Warnsystem belassen, sondern<br />

prüfen in einer Reihe von Pilotprojekten und Feldversuchen, ob und inwieweit<br />

sich speziell der Weckeffekt über das Radio (Einschaltlösung), den Mobilfunk,<br />

das Festnetztelefon und/oder die Funkalarmuhr realisieren lässt. Hier stehen<br />

wir noch in der Erprobung – aber doch mit der deutlichen Tendenz, auf eine oder<br />

mehrere dieser Technologien zu setzen – und zwar in Ergänzung zum satellitengestützten<br />

Warnsystem. Wir prüfen zwar derzeit auch, ob es sich lohnen kann, ein<br />

neues Sirenensystem aufzubauen oder die noch vorhandenen Sirenen nachzurüsten.<br />

Aber ich habe doch einige Zweifel, ob wir wirklich gut beraten wären, auf<br />

diese eher traditionellen Warnelemente zurückzugreifen.<br />

Vor allem hat die Sommerflut im vergangenen Jahr eines nachdrücklich bestätigt:<br />

Professionelles Krisenmanagement will gelernt sein, muss vor allem immer wieder<br />

geübt werden. Wenn wir den Katastrophenschutz verbessern wollen, brauchen<br />

wir die Begegnung, den Austausch, den Kontakt der Dienststellen des Bundes mit<br />

denen der Länder, der Kommunen, der Feuerwehren und der Hilfsorganisationen.<br />

97


Und wir brauchen das Gespräch mit der Wissenschaft. Der Ort, den der Bundesminister<br />

des Innern hierfür anbietet, ist die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung<br />

und <strong>Zivilschutz</strong> in Bad Neuenahr-Ahrweiler.<br />

In den vergangenen Monaten konnten wir eine sprunghafte Zunahme der Nachfrage<br />

nach Schulung in Führungs- und Leitungsaufgaben registrieren. Wir haben<br />

das Ausbildungs- und Übungsangebot der Akademie erheblich aufgestockt. Besonderer<br />

Schwerpunkt der Ausbildungs- und Übungsangebote ist die Abwehr bzw.<br />

Bekämpfung von B- und C-Gefahren. Unser Ziel ist es, die Akademie zu einem<br />

Kompetenzzentrum für das gemeinsame Krisenmanagement von Bund und Ländern,<br />

zu einem Forum für den wissenschaftlichen Austausch sowie zu einer Begegnungsstätte<br />

und Ideen-Börse für Experten aus dem In- und Ausland auszubauen.<br />

Hier setzen wir auch auf Anregungen und Beiträge der <strong>Schutzkommission</strong>.<br />

Wesentliches Element der neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung ist die<br />

Fähigkeit der Bürger, sich und ihre Nachbarn vorbeugend und beim Eintritt von<br />

Gefahren zu schützen. Hier liegt noch vieles im Argen. Das hat gerade auch wieder<br />

das Sommerhochwasser im vergangenen Jahr gezeigt. Für uns hat die Stärkung<br />

der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung einen ganz wesentlichen Stellenwert. Wir<br />

haben deshalb z.B. die Förderung der Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe<br />

mit Selbstschutzinhalten seit Herbst letzten Jahres wieder aufgenommen. Die hierfür<br />

gemeinsam mit den Hilfsorganisationen erarbeitete Neukonzeption setzt da an,<br />

wo im Sinne einer ebenso frühen wie nachhaltigen Sensibilisierung der Zielgruppen<br />

die größten Erfolge zu erwarten sind: in der Schule.<br />

Die Anschläge des 11. September 2001 haben jedermann für die speziellen Gefahren<br />

von Angriffen mit B- und C-Waffen sensibilisiert. Auch hier hat der Bund<br />

schnell gehandelt. Kurzfristig wurden an die Länder rd. 650 <strong>Zivilschutz</strong>fahrzeuge<br />

ausgeliefert, neben Krankentransportwagen vor allem moderne ABC-Erkundungskraftwagen.<br />

Mit ihnen hat Deutschland erstmals ein hoch mobiles System zur Aufspürung,<br />

Messung und Erfassung von radiologischen, biologischen und chemischen<br />

Kontaminationen. Derzeit wird unter Federführung des Bundesinnenministeriums<br />

ein neues technisches Ausstattungskonzept für den ergänzenden<br />

Katastrophenschutz erarbeitet. Es geht vor allem – aber nicht allein – um die Fahrzeugausstattung.<br />

Philosophie dieser neuen Ausstattungskonzeption ist: Wir müssen<br />

weg vom bisherigen Gießkannenprinzip, hin zu einer mehr bedarfsorientierten<br />

Ausstattung, die sich an potenziellen Risiken und Gefahren vor Ort ausrichtet.<br />

Bei der Fortentwicklung des Ausstattungskonzepts konnte auf viele Vorschläge<br />

und Gutachten der <strong>Schutzkommission</strong> und <strong>Forschung</strong>sergebnisse ihrer Mitglieder<br />

zurückgegriffen werden.<br />

Die Bundesmittel für die Zivil- und Katastrophenschutzforschung sind beträchtlich<br />

aufgestockt worden. Auch hier liegt der Schwerpunkt im B- und C-Bereich.<br />

Diese Aufstockung ist auch Ausfluss bzw. Anerkennung der neuen politischen<br />

Wertigkeit der <strong>Schutzkommission</strong> und ihrer Arbeit.<br />

Zum Schutz vor Terrorangriffen mit biologischen Kampfstoffen hat der Bund eine<br />

nationale Notreserve von Pockenimpfstoff angeschafft. Diese Reserve wird jetzt<br />

98


in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern auf 100 Millionen<br />

Dosen aufgestockt; damit ist eine Vollversorgung der Bevölkerung gewährleistet.<br />

Aus der zwischen Bund und Ländern verabredeten neuen Strategie wollen wir vor<br />

allem aber auch eine wichtige organisatorische Konsequenz ziehen: Die Dienstleistungen<br />

und Serviceangebote des Bundes im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

sollen in einem neuen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

gebündelt und zentral vorgehalten werden. Das entsprechende<br />

Errichtungsgesetz befindet sich demnächst in der Ressortabstimmung. Der zivile<br />

Bevölkerungsschutz wird damit auch organisatorisch als wichtige Säule des nationalen<br />

Sicherheitssystems hervorgehoben.<br />

All dies zeigt: Wir stellen uns auf die neuen Herausforderungen ein. Die Aufgabe,<br />

die wir zu lösen haben, ist zugegebenermaßen nicht einfach. Vor allem ist auch<br />

dies immer klarer: Für die Bewältigung der neuen Herausforderungen ist wissenschaftliche<br />

Unterstützung unverzichtbar. Die <strong>Schutzkommission</strong> hat in der Vergangenheit<br />

gezeigt – zuletzt beim Sommerhochwasser 2002, dass sie diese Unterstützung<br />

in hervorragender Weise leisten kann. Ich bin sicher, dass sie diese Unterstützung<br />

auch künftig leisten wird.<br />

99


Nachruf auf<br />

Dr. Albert Sittkus<br />

Heinz Reichenbach<br />

Wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag verstarb am 28. Januar dieses Jahres<br />

Dr. Albert Sittkus,<br />

ein Mann, der hervorragende zivilschutzrelevante <strong>Forschung</strong> betrieb,<br />

ein Mann, der sich bleibende Verdienste um die <strong>Schutzkommission</strong> als deren<br />

Sekretär erwarb, eine Funktion, die er bis 1980 innehatte, ehe unser heutiger<br />

Geschäftsführer die Nachfolge antrat. Wir wollen Dr. Albert Sittkus, der manchem<br />

unter uns allenfalls nur noch dem Namen nach bekannt ist, in Dankbarkeit gedenken<br />

und durch einen Nachruf ehren.<br />

Geboren wurde Albert Sittkus am 9. Februar 1913 in Hamburg. Seine Jugend und<br />

seine Schulzeit verbrachte er jedoch in Ostpreußen, und zwar in Königsberg. An<br />

der dortigen Universität studierte er Physik, Chemie und Mathematik und schloss<br />

seine Studien 1936 mit einer Promotionsarbeit ab. Der Titel war: „Die Absorption<br />

der kosmischen Ultrastrahlung in verschiedenen Materialien mit Hilfe eines Zählrohrteleskops“.<br />

Ein Thema, das sich als wegweisend für seine wissenschaftliche<br />

Lebensarbeit erweisen sollte.<br />

Dr. Albert Sittkus wechselte anschließend als wissenschaftlicher Assistent zum<br />

Physikalischen Institut der Universität Freiburg. Hier widmete er sich dem Nachweis<br />

der kosmischen Strahlung. Dazu bedurfte es ausgefeilter, langzeitig stabiler<br />

und zuverlässiger Apparaturen. Diese musste er größtenteils selbst entwickeln und<br />

bauen. Seine neuartigen, erfolgreich begonnenen Untersuchungen wurden 1941<br />

unterbrochen, als er zum Wehrdienst einberufen wurde.<br />

Nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft fand er die Stadt Freiburg und das Physikalische<br />

Institut zu großen Teilen zerstört. Seine Aufgabe bestand daher zunächst<br />

darin, Schutt zu räumen und sich am Wiederaufbau des Instituts maßgeblich zu<br />

beteiligen. Prof. Gentner, der bekannte Kernphysiker, der inzwischen die Leitung<br />

des Physikalischen Instituts übernommen hatte, machte Dr. Sittkus zu seinem<br />

Oberassistenten und übertrug ihm die Arbeitsgruppe „Kosmische Strahlung“.<br />

Diese Gruppe führte zunächst ihre Messungen und Dauerregistrierungen im Institut<br />

durch und auch auf dem Turm der Universität. Dr. Sittkus plante aber weiter<br />

und errichtete in den 50er Jahren eine Messhütte auf dem Schauinsland. Diese lag<br />

rund 1000 Meter höher als die Basisstation in Freiburg. Bis zum Ende seiner Tätigkeit<br />

hat Herr Sittkus die Station Schauinsland mit großem Erfolg und unter enormem<br />

persönlichem Einsatz mit seinen Mitarbeitern betrieben. Es sei nur beispielhaft<br />

daran erinnert, dass diese tag- und nachtbesetzte Station lange Zeit nur nach<br />

101


weitem Fußmarsch und im Winter nur mit Skiern über manchmal meterhohen<br />

Schnee erreichbar war.<br />

Die Erfahrungen während des zweiten Weltkrieges mit den Folgen für die Bevölkerung<br />

veranlassten den damaligen Innenminister und späteren Bundespräsident<br />

Heinemann, 1951 die „<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern“ zu<br />

gründen mit dem Ziel, die Bevölkerung gegen atomare, biologische und chemische<br />

Angriffe zu schützen.<br />

Als dann in den 50er und 60er Jahren die USA und die Sowjetunion ihre Atombombentests<br />

in der Atmosphäre intensivierten und später auch Frankreich, England<br />

und China hinzukamen, war es folgerichtig, dass Dr. Sittkus seine Arbeiten<br />

auf <strong>Zivilschutz</strong>fragen konzentrierte, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

der Kommission, später als Bundesbeamter und zuletzt als Wissenschaftlicher<br />

Direktor beim Bundesamt für <strong>Zivilschutz</strong>.<br />

Zumindest einige Stichworte zu seinen in rund 40 Originalarbeiten dokumentierten<br />

wissenschaftlichen Tätigkeiten seien erwähnt:<br />

• Entwicklung von Geräten und Verfahren, die u.a. zur Untersuchung der Radioaktivität<br />

in Luft und im Niederschlag dienen und auch vom Deutschen Wetterdienst<br />

eingesetzt werden.<br />

• Überwachung der Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen, wobei ihm<br />

1953 der erstmalige Nachweis von Fallout aus Kernwaffen in der Bundesrepublik<br />

gelang.<br />

• Erarbeitung der Richtlinien für Strahlenmessgeräte im <strong>Zivilschutz</strong>.<br />

• Erstellung einer wissenschaftlich/technischen Konzeption für die Immissionsüberwachungs-Messringe<br />

um Kernkraftwerke, zunächst nur für die beiden,<br />

Freiburg nahe gelegenen Anlagen im französischen Fessenheim und im<br />

schweizerischen Leibstadt. Diese Konzeption wurde schließlich für die Messnetze<br />

an allen deutschen Kernkraftwerks-Standorten übernommen und ebenso<br />

für das Fern-Messnetz des Warndienstes.<br />

• Erarbeitung einfacher Messverfahren zur nuklidspezifischen Bestimmung der<br />

Kontamination von Lebensmitteln und des Bodens durch Fallout.<br />

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Radionuklide von Dr. Sittkus in geringsten Spuren<br />

nachgewiesen werden konnten, die bei Bombenexplosionen oder auch aus<br />

andern Quellen, z.B. aus Kernkraftanlagen, freigesetzt werden. So war es ihm<br />

nicht nur möglich, Schlüsse auf großräumige Transportvorgänge in der Atmosphäre<br />

zu ziehen, sondern auch Art, Zusammensetzung und Herkunftsland oberirdisch<br />

gezündeter Atomwaffen zu bestimmen und sogar aus der Analyse der heißen Teilchen<br />

den jeweiligen Entwicklungsstand in den einzelnen Ländern zu ermitteln.<br />

Solche Daten wollten verständlicherweise die Bombenentwickler nicht unbedingt<br />

preisgeben. Es ist daher sicher nicht abwegig zu behaupten, dass Dr. Sittkus mit<br />

seinen Mitarbeitern dazu beigetragen hat, dass 1963 oberirdische Atombombenexperimente<br />

weltweit eingestellt wurden.<br />

102


Naturgemäß ging daher nach einiger Zeit die atmosphärische Radioaktivität stark<br />

zurück. Auch von den damals vorhandenen und geplanten Kernkraftwerken erwartete<br />

man zumindest anfangs keine nennenswerten Gefahren. So kam es in den 70er<br />

Jahren zu einer Situation, die fast zur Auflösung der Sittkus´schen Arbeitsgruppe<br />

geführt hätte. Unsere Regierung sah keine weitere Notwendigkeit mehr für eine<br />

solche Einrichtung. Nebenbei bemerkt, auch die Frage des Weiterbestehens der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> stand damals zur Debatte. Sie war ja satzungsgemäß nur für<br />

den kriegerischen Verteidigungsfall, den V-Fall konzipiert.<br />

Sie wissen alle, dass sich jedoch bald die Einschätzung von Gefahren für die<br />

Bevölkerung und auch die Anforderungen an den <strong>Zivilschutz</strong> erheblich änderten.<br />

Spätestens nach Tschernobyl waren schließlich alle zuständigen Gremien in unserem<br />

Land überzeugt, dass die <strong>Forschung</strong>sarbeiten und Registrierungen, wie sie von<br />

Dr. Albert Sittkus initiiert und betrieben wurden, weitergeführt werden mussten.<br />

Auch die Notwendigkeit eines Gremiums wie die <strong>Schutzkommission</strong> wurde zwar<br />

immer wieder in Frage gestellt, blieb aber letztlich doch unbestritten.<br />

Es war sicherlich für Dr. Albert Sittkus eine große Genugtuung noch miterleben<br />

zu dürfen, dass schließlich seine Lebensarbeit die gebührende Anerkennung gefunden<br />

hat, was nicht zuletzt auch durch die Verleihung des Verdienstordens der<br />

Bundesrepublik Deutschland 1. Klasse zum Ausdruck kam.<br />

Lassen Sie mich noch ein paar persönliche Erinnerungen anfügen.<br />

Meine erste Begegnung mit Dr. Sittkus liegt nun gut 55 Jahre zurück, also noch<br />

zu einer Zeit bevor es eine <strong>Schutzkommission</strong> gab. Es war, als ich mein Physikstudium<br />

in Freiburg begann und die Anfängervorlesung von Prof. Gentner besuchte.<br />

Manchmal musste vertretungsweise sein Oberassistent die Vorlesung übernehmen.<br />

Dieser war meist weit besser vorbereitet als sein Chef. Er vermittelte das<br />

Fachwissen in hervorragender und in studentenadäquater Weise. Herr Dr. Sittkus<br />

musste auch zeitweise die Übungsaufgaben der Studenten korrigieren, darunter<br />

also auch die meinigen. Er war ein kritischer Korrektor, der Nachlässigkeiten und<br />

Denkfehler schonungslos kritisierte. Ich hatte von ihm zunächst den Eindruck<br />

eines eher verschlossenen, knorrigen und fast unnahbaren Menschen. Es dauerte<br />

aber nicht lange, bis ich erkannte, dass sich unter einer harten und rauen Schale<br />

ein gütiges Herz verbarg. Hatte man sein Vertrauen erworben, zeigte er sich wohlwollend,<br />

äußerst hilfsbereit und verlässlich. Stets war er fair und korrekt. Er war<br />

ein sehr genauer und präzise arbeitender Wissenschaftler, der mit außerordentlicher<br />

Zähigkeit und Ausdauer arbeitete. Er beeindruckte durch seine Bescheidenheit;<br />

große Worte liebte er nicht.<br />

Seine menschlichen und fachlichen Werte, sein Urteilsvermögen und seine klare<br />

Stellungnahme zu Sachverhalten, sowie seine Kooperationsbereitschaft und Kollegialität<br />

habe ich erst einige Zeit später richtig kennen und schätzen gelernt, als<br />

ich nämlich 1971 als Nachfolger von Prof. Gentner zum Vorsitzenden unserer<br />

Kommission gewählt wurde und Dr. Sittkus mir nunmehr als Sekretär zur Seite<br />

stand. Die 6 Jahre dieser Konstellation waren geprägt durch eine ausgezeichnete,<br />

vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit. Ernste Probleme – etwa die<br />

103


Frage des Weiterbestehens der Kommission – waren zu meistern. Wir brauchten<br />

eine neue, zusätzliche Aufgabenstellung für die Kommission, eine neue Satzung,<br />

die nicht nur den V-Fall berücksichtigte. Klar war, es sollte eine länderübergreifende<br />

und auch dem Ministerium gegenüber begründbare Aufgabe sein. In dieser<br />

Situation machte Dr. Sittkus den Vorschlag, man sollte in den Aufgabenkatalog den<br />

Begriff „Großkatastrophen“ aufnehmen. So geschah es dann auch; eine bessere<br />

Bezeichnung fiel uns damals nicht ein.<br />

Es war nicht die Absicht, in die Kompetenz der Länder einzugreifen, die ja für die<br />

Katastrophenvorsorge zuständig sind. Sondern es ging vielmehr darum, deutlich<br />

zu machen, dass die Aufgabe der Kommission nicht nur in der Vorsorge für den<br />

V-Fall bestehen sollte, sondern umfassender sein müsse. Das Wort Großkatastrophe<br />

hat bekanntlich später noch mancherlei Diskussionen ausgelöst, aber schließlich<br />

und endlich wurde erreicht, dass die <strong>Schutzkommission</strong> damals erhalten blieb.<br />

Ist es daher etwa vermessen zu behaupten, Dr. Sittkus habe am Fortbestand der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> wesentlichen Anteil gehabt?<br />

Die <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern darf stolz darauf und<br />

dankbar dafür sein, einen Mann wie Dr. Sittkus von den ersten Stunden an in ihren<br />

Reihen gehabt zu haben. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern alle, die<br />

ihn kannten, ihn in bleibender, ehrender und dankbarer Erinnerung behalten werden.<br />

104


Das Gemeinschaftsverfahren zur Verbesserung der<br />

Zusammenarbeit im <strong>Zivilschutz</strong> und das<br />

Melde- und Informationszentrum der Europäischen<br />

Kommission<br />

Horst Miska<br />

1. Hintergrund und Ziele<br />

Die Bewertung internationaler Einsätze nach großen Unglücksfällen in den späten<br />

neunziger Jahren wie Erdbeben und Fluten in Europa und Asien verdeutlichte<br />

die Notwendigkeit für bessere Koordination der Unterstützung. Ein Aktionsprogramm<br />

der Gemeinschaft im Bereich des Katastrophenschutzes wurde in der Europäischen<br />

Union festgelegt. Dieses Programm sollte die Bemühungen der Mitgliedstaaten<br />

auf nationalen, regionalen und lokalen Ebenen für den Schutz von Personen und<br />

Umwelt im Falle naturbedingter und technologischer Katastrophen ergänzen. Das<br />

Ziel bestand auch darin, die Zusammenarbeit, Austausch von Erfahrung und<br />

gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.<br />

Auf Grund dieser Vorbereitungsarbeiten konnte die Europäische Gemeinschaft<br />

prompt nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 mit einer Entscheidung<br />

des Rates reagieren, die einen Mechanismus der Gemeinschaft festlegt, um die verstärkte<br />

Zusammenarbeit in Einsätzen zur Unterstützung im Katastrophenschutz zu<br />

erleichtern. Dieser Mechanismus und seine Durchführung werden hier weiter<br />

beschrieben.<br />

2. Der Gemeinschaftsmechanismus<br />

Schwere Unglücksfälle sind – glücklicherweise – sehr seltene Vorfälle, aber mit<br />

unermesslichen Folgen für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Jede Behörde, die<br />

für Vorbereitung und Durchführung von Notfallmaßnahmen verantwortlich ist,<br />

muss einen Kompromiss zwischen möglicherweise hohen Ausgaben zur Vorbereitung<br />

auf diese seltenen Fälle und andererseits dem Risiko finden, dass keine angemessenen<br />

Maßnahmen für die Bewältigung eines schweren Unfalls oder einer<br />

Naturkatastrophe verfügbar sind. Das Gleichgewicht kann durch die Zusammenarbeit<br />

zwischen verantwortlichen Behörden erleichtert werden, sodass Personal<br />

und Mittel geteilt werden können. Diese Zusammenarbeit und gemeinsame Nutzung<br />

von Ressourcen sind zum Beispiel auf lokaler Ebene bei den Feuerwehren<br />

eingespielt. Die Notfallvorsorge ist manchmal zentral organisiert, wohingegen in<br />

föderal organisierten Staaten häufig eine dezentralisierte Struktur mit geteilten Verantwortlichkeiten<br />

vorliegt.<br />

Außerdem sind einige sehr spezialisierte Einsatzgruppen wie Höhlentaucher, Rettungshundestaffeln<br />

oder Höhenrettungsgruppen entstanden, die bereit sind, bei<br />

105


speziellen Notfällen zu helfen. Wegen dieser hohen Spezialisierung kommen sie<br />

über einem großen Gebiet zum Einsatz, aber nur in sehr speziellen Situationen und<br />

daher selten. Der neu eingerichtete Mechanismus der Gemeinschaft wird den Austausch<br />

von Teams, von Experten und spezieller Mittel über nationale Grenzen hinweg<br />

erleichtern.<br />

Abb. 1: Teilnehmer am Mechanismus (SK erst ab Mai 2004, TR noch nicht beteiligt)<br />

Der Mechanismus steht den 15 Mitgliedstaaten, den anderen drei Ländern des<br />

europäischen Wirtschaftsraums (EWR: Island, Norwegen und Liechtenstein) sowie<br />

den Beitrittsstaaten offen; deren Mitwirkung wird bis zum offiziellen Beitritt<br />

über gemeinsame Absichtserklärungen (MoU) geregelt. Somit bezieht sich der<br />

Ausdruck „Teilnehmer am Mechanismus“ auf die Mitgliedstaaten der Union, die<br />

EWR-Länder und jene Staaten, die das Memorandum unterschrieben haben. Insgesamt<br />

haben die 29 Länder als Teilnehmer im Mechanismus über 480 Millionen<br />

Einwohner, für die gesorgt wird und die bereit sind, andere zu unterstützen.<br />

Der Mechanismus besteht aus einer Reihe von Elementen:<br />

• das Management eines Melde- und Informationszentrums (MIC),<br />

106


• die Einrichtung des Gemeinsamen Notfall-Informations- und Kommunikationssystems<br />

(CECIS),<br />

• die Identifizierung von Einsatzgruppen und Mitteln,<br />

• die Einrichtung von Bewertungs- oder Koordinationsteams,<br />

• andere Unterstützungsaktion wie zum Beispiel Maßnahmen, um den Transport<br />

sicherzustellen,<br />

• die Durchführung eines Ausbildungsprogramms,<br />

• Workshops und Seminare über wichtige Aspekte der Einsätze.<br />

Schließlich wird die Bedeutung, die Einsätze auszuwerten, um weiter die Planung<br />

zu verbessern, durch einen vorgesehenen Erfahrungsaustausch anerkannt und realisiert.<br />

Der Mechanismus, wie er in der Entscheidung des Rates definiert ist, wird<br />

unmittelbar in allen Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich und legt sowohl der<br />

Kommission als auch den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auf.<br />

2.1 Verpflichtungen der Kommission<br />

Gemäß den Verpflichtungen, die in der Entscheidung definiert wurden, hat die<br />

Kommission das MIC im Gebäude der Umwelt-Generaldirektion (GD ENV) in<br />

Brüssel eingerichtet. Das MIC stellt ein Zentrum dar, um Informationen über Notfälle<br />

zu sammeln, zusammenzustellen und zu verteilen, Bitten um Unterstützung<br />

entgegenzunehmen, zusammenzustellen und an andere Teilnehmer für Berücksichtigung<br />

weiterzuleiten. Außerdem wird die Kommission CECIS entwickeln und<br />

installieren.<br />

Die Kommission soll weiter die Fähigkeit entwickeln, kleine Gruppen von Experten<br />

zu mobilisieren und zu entsenden, verantwortlichen für:<br />

• Bewertung der Situation,<br />

• Vorbereitung der Koordination von Unterstützung am Unfallort und Verbindungsaufbau<br />

mit den zuständigen Behörden des betroffenen Staates.<br />

Die Erfahrungen aus Einsätzen, die im Rahmen des Mechanismus erfolgt sind, sollen<br />

bewertet und verbreitet werden, um die Fortschreibung der Verfahren zu<br />

ermöglichen. Die Kommission sollte die Einführung neuer Technologien einschließlich<br />

der Systeme für die Entscheidungsunterstützung stimulieren und die<br />

Verwendung anregen.<br />

Die Kommission kann weiter Maßnahmen ergreifen, die den Transport von Einsatzmitteln<br />

für die Intervention sicherstellen. Schließlich wird eine medizinische<br />

Ressourcendatenbank, die in CECIS einbezogen werden soll, Informationen über<br />

die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung einer Produktion von<br />

Seren und über die Bestände erstellen, die für eine Intervention verfügbar sind.<br />

107


2.2 Verpflichtungen der Mitgliedstaaten<br />

Die Mitgliedstaaten haben vorbereitende Aufgaben sowie solche im Falle eines<br />

Notfalls. Um ihre Fähigkeit für effektive Intervention in einem bedeutenden Notfall<br />

zu gewährleisten, sollen die Mitgliedstaaten Einsatzgruppen bestimmen, die<br />

für die Intervention im Rahmen des Mechanismus verfügbar sind. Diese Teams<br />

sollten kurzfristig bereit sein, um innerhalb von zwölf Stunden nach einem Hilfeleistungsersuchen<br />

in Marsch gesetzt werden zu können.<br />

Die Mitgliedstaaten sollten auch Experten auswählen, die eingesetzt werden können,<br />

um am Unfallort in einem Bewertungs- oder Koordinationsteam zu dienen.<br />

Sie sollten Informationen über diese Teams sowie über medizinische Ressourcen<br />

liefern und diese Informationen auf aktuellem Stand halten.<br />

Schließlich sollten die Mitgliedstaaten ihre zuständigen Behörden in Bezug auf<br />

Katastrophenschutz ernennen, ihre 24 Stunden pro Tag verfügbare Kontaktstelle<br />

benennen und die Kommission entsprechend informieren.<br />

In einem schweren Notfall, der grenzüberschreitende Auswirkungen haben oder<br />

eine Forderung nach Unterstützung ergeben kann, soll der Mitgliedstaat benachrichtigen:<br />

• jene Mitgliedstaaten, die vom Unfall betroffen werden können und<br />

• die Kommission, wenn ein mögliches Ersuchen um Unterstützung durch das<br />

MIC zu erwarteten ist.<br />

Da die Entscheidung des Rates keine Verpflichtungen aus bestehenden Rechtsvorschriften<br />

beeinflusst, ist keine Mitteilung erforderlich, wenn sie unter anderen<br />

Konventionen wie Euratom oder bilateralen Abkommen gewährleistet ist.<br />

2.3 Detaillierte Regelungen<br />

Wie auch für andere gesetzliche Angelegenheiten sind die Einzelheiten von Verfahren<br />

innerhalb des Mechanismus genauer in den Gemeinsamen Regeln („Common<br />

Rules“) festgelegt. Gemeinsame Regeln existieren für jeden der folgenden<br />

Bereiche:<br />

• verfügbare Ressourcen für Hilfeleistungseinsätze<br />

• das Melde- und Informationszentrum MIC<br />

• das Gemeinsame Notfall-Kommunikations- und Informations-System CECIS<br />

• die Bewertungs- oder Koordinationsteams und -Experten<br />

• das Ausbildungsprogramm<br />

• Informationen über medizinische Ressourcen und<br />

• die Interventionen innerhalb sowie außerhalb der Gemeinschaft.<br />

108


Diese Gemeinsamen Regeln werden in Form einer Entscheidung der Kommission<br />

in Kraft gesetzt und nehmen somit eine mittlere Stellung in der Hierarchie von Verordnungen<br />

ein.<br />

Durchführungsrichtlinien geben sogar noch spezifischere Hinweise oder Empfehlungen.<br />

Sie werden in Arbeitsgruppen abgestimmt und sind weniger starr, um die<br />

Rückflüsse von Erfahrungen zuzulassen, die in regelmäßigen Änderungen eingearbeitet<br />

werden. Handbücher werden für Informationen von Teams herausgegeben,<br />

besonders wenn sie für Einsätze außerhalb des Kreises von Teilnehmern im<br />

Mechanismus vorgesehen sind. Die Hierarchie der Rechtsvorschriften ist in Abb. 2<br />

gezeigt.<br />

Abb. 2: Struktur der Regelungen im Mechanismus<br />

3. Der Mechanismus in Aktion<br />

Der Mechanismus wird entweder durch ein Ersuchen um Unterstützung eines<br />

betroffenen Landes oder durch die Mitteilung über einem Notfall mit grenzüberschreitenden<br />

Auswirkungen aktiviert. Diese Anfrage oder Mitteilung kann direkt<br />

an die Nachbarstaaten oder das MIC der Kommission für die Verbreitung gerichtet<br />

werden. Wenn nur einige Nachbarn betroffen sind, könnte bilateraler Informationsaustausch<br />

effektiv sein, aber die Kommission sollte immer in Kopie informiert<br />

werden. Wenn größere Verbreitung erforderlich ist, sollte die Mitteilung<br />

durch das MIC erfolgen.<br />

109


Außerdem kann die Kommission spontan Maßnahmen im Rahmen des Mechanismus<br />

ohne Bitten eines Staates in Not vorsehen.<br />

3.1 Das MIC und seine Instrumente<br />

Das MIC hält zwei Mitarbeiter in Bereitschaft, die nach der Alarmierung durch<br />

das Sicherheitsbüro als Kontaktstelle der Kommission in weniger als einer Stunde<br />

auf Anfragen antworten können. Das MIC hat keine Einsatzverantwortung und<br />

deshalb braucht und kann die Kommission nicht permanent Personal im Büro vorzuhalten;<br />

nur während eines laufenden Notfalls wird das MIC ohne Unterbrechung<br />

mit Personal besetzt.<br />

Die Ausrüstung des MIC ist die eines Zentrums für Warnung und für Informationsaustausch.<br />

Außerdem sind Mittel für die Weiterverfolgung der Berichterstattung<br />

der Medien über Katastrophen verfügbar. Vier Arbeitsplätze und einer für eine Verbindungsperson<br />

sind mit Standard-IT-Mitteln ausgerüstet. Bis der Aufbau von<br />

CECIS abgeschlossen sein wird, bilden Faxgeräte das Rückgrat des Informationsaustauschs.<br />

Aber elektronischer Austausch von Informationen per E-Mail wird<br />

bevorzugt, da damit Dokumente, Tabellen und Graphik in Farbe gesendet und<br />

erhalten, leicht bewertet und weiterverarbeitet werden können. Einige automatische<br />

Warn-Funktionen, – wie eines für Erdbeben – sind eingerichtet sowie Verbindungen<br />

zu speziellen Netzen, zum Beispiel ECURIE, implementiert.<br />

Schon vor dem Mechanismus hat es Netzwerke gegeben, am bekanntesten ist<br />

ECURIE, und seit kurzem BICHAT, das Warnsystem für Mitteilungen im Falle<br />

eines biologischen oder chemischen Angriffs. Aber die Bemühungen werden nicht<br />

verdoppelt, jedes System hat seinen eigenen Anwendungsbereich und arbeitet<br />

unabhängig. Ein Alarm wird zu einem anderen System nur übertragen wenn erforderlich.<br />

Dies heißt, dass spezielle Systeme dem allgemeinen Katastrophenschutz<br />

nur dann melden werden, wenn die Folgen eines Notfalls die Unterstützung vom<br />

Personal des Katastrophenschutzes oder Feuerwehr benötigen. Andererseits wird<br />

das MIC alle Mitteilungen an das kompetente, spezielle Netz weiterleiten, wenn<br />

Strahlung oder chemische Agenzien involviert sind.<br />

Wenn dem MIC ein Notfall gemeldet wird oder es ein Ersuchen um Unterstützung<br />

erhält, soll es<br />

• validierte Informationen über den Notfall sammeln und verbreiten<br />

• die Anfrage an die Kontaktstellen anderer Teilnehmer weiterleiten und<br />

• die Mobilisierung von Teams und Experten vorbereiten.<br />

Da das MIC keine eigenen Mittel zur Informationsbeschaffung besitzt und woanders<br />

keine validierten Informationen sammeln kann, ist es vollkommen von den<br />

Informationen abhängig, die es von Teilnehmern erhält. Somit reflektiert die Qualität<br />

von Mitteilungen, die das MIC verteilt, die Qualität der Informationen, die es<br />

erhält; die Quelle der Mitteilung legt fest, ob die Information authentisch ist.<br />

110


Spezielle Informationen können über das MIC in der Form von Satellitenbildern<br />

angefordert werden. Im Falle der Meeresverschmutzung durch die „Prestige“ hat<br />

sich das Aufspüren von Ölplacken und das Verfolgen ihrer Abdrift als hilfreich<br />

erwiesen. Außerdem konnte die Unterstützung von spezieller Hilfe arrangiert werden.<br />

Weiterhin kann z.B. im Falle von Überschwemmung die Pegelprognose des<br />

Programmsystems LISFLOOD des JRC zur Entscheidungsunterstützung für verantwortliche<br />

Agenturen dienen.<br />

3.2 Besonderheiten von CECIS<br />

Das Kommunikationssystem CECIS ist mit der Unterstützung von IT-Spezialisten<br />

aus den Mitgliedstaaten entworfen worden. Das System wird Plattform-unabhängig<br />

und benutzerfreundlich sein, indem es eine mehrsprachige Web-Schnittstelle<br />

anbietet. Das geschlossene Netz TESTA zwischen den europäischen Regierungen<br />

wird Zuverlässigkeit und Sicherheit gewährleisten. Zusätzlich zum Kommunikationsmerkmal<br />

wird es eine Datenbankanwendung anbieten, in dem die gesamten<br />

relevanten Informationen über Interventionsteams, Experten und Ausrüstung<br />

gespeichert werden. Es wird so organisiert werden, dass jeder Teilnehmer die<br />

Informationen über seine Einsatzmittel einbringt und aktualisiert, während das<br />

MIC und alle anderen Teilnehmer auf die Informationen zurückgreifen können.<br />

CECIS sollte in einer Pilotversion vor Ende 2004 einsatzfähig sein und die Aufgaben<br />

des MIC sowie der Teilnehmer im Mechanismus erleichtern. Es wird<br />

ermöglichen, klassifizierte Informationen zu übertragen und zu erhalten, die von<br />

normaler E-Mail oder mit Fax nicht versandt werden können.<br />

3.3 Verfahren zur Koordinierung von Unterstützung<br />

Das Ersuchen eines Mitgliedstaates um Unterstützung sollte so spezifisch wie<br />

möglich sein, um zeitraubende Abfragen über weitere Einzelheiten zu vermeiden.<br />

Das MIC wird unverzüglich diese Anfrage an die Teilnehmer im Mechanismus<br />

über die Kontaktstellen weiterleiten.<br />

Jeder Teilnehmer, an den ein Ersuchen um Unterstützung gerichtet ist, soll prompt<br />

bestimmen, welche Unterstützung er dem anfragenden Staat über das MIC oder<br />

direkt (mit Kopie an MIC) zusichern kann. Das MIC wird alle Angebote für die<br />

Unterstützung sammeln und sie an den betroffenen Staat weiterleiten, welcher aus<br />

den Angeboten wählen kann. Nach Absprache über die Einsatzgruppen oder Mittel<br />

für die Unterstützung werden Einzelheiten des Transports vorzugsweise durch<br />

direkte bilaterale Kontakte behandelt.<br />

Der betroffene Saat soll für die Leitung der Interventionen verantwortlich sein. Die<br />

Behörden dieses Staates sollen Leitlinien festlegen und die Ziele für die Einsatzgruppen<br />

definieren, ohne Einzelheiten vorzugeben, die dem Teamleiter überlassen<br />

werden sollten. Der betroffene Staat kann die Teams aber auch bitten, den Einsatz<br />

111


selbstständig durchzuführen, sodass die Teams ihre Tätigkeiten koordinieren müssen.<br />

Bewertungs- oder Koordinationsteams sollten die Koordination zwischen Einsatzgruppen<br />

sicherstellen und die Verbindung mit den zuständigen Behörden des<br />

betroffenen Staates erleichtern.<br />

3.4 Spezielle Vereinbarungen für Interventionen außerhalb der<br />

Gemeinschaft<br />

Die Bestimmungen können auch zu Interventionen außerhalb der Gemeinschaft<br />

implementiert werden. Solche Interventionen können als eine autonome Unterstützungsintervention<br />

oder als ein Beitrag zu einer Intervention durchgeführt werden,<br />

die von einer internationalen Organisation geleitet wird.<br />

Die zuständigen Behörden eines Drittlandes können die Kommission informieren;<br />

aber sie kann auch aus eigener Initiative entscheiden, den Mechanismus zu aktivieren,<br />

um die Gemeinschaftshilfe vorzuschlagen. Dieser Vorschlag soll den<br />

Behörden des betroffenen Landes durch die Delegation der Europäischen Kommission<br />

übermittelt werden. Das MIC wird die Kontaktstellen der Teilnehmer über<br />

diese Initiative informieren.<br />

4. Weitere Entwicklung<br />

Der Mechanismus trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Aber schon vor diesem Zeitpunkt<br />

hatte die Katastrophenschutz-Abteilung Notfälle gehandhabt und Unterstützungsmaßnahmen<br />

koordiniert. Im Durchschnitt werden ein bis zwei Vorfälle pro<br />

Woche behandelt. Einige von ihnen dauern nur kurze Zeit an, während andere für<br />

Wochen oder gar Monate, wie die Koordination der Unterstützung im Falle des<br />

gesunkenen Tankers Prestiges, weitergehen.<br />

Wegen dieser häufigen Vorfälle werden die Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst<br />

durch das Tagesgeschäft fortgebildet. Außerordentliche Vorfälle wie ein Terror-<br />

Angriff oder ein großes Unglück benötigen ergänzende Ausbildung, die durch<br />

regelmäßige Übungen im Rahmen des Mechanismus erreicht wird. Diese Stabsrahmen-<br />

und Kommunikationsübungen zielen darauf ab, Informationsaustausch<br />

zwischen allen betroffenen Partnern zu testen und zu verbessern sowie interne<br />

Maßnahmen zu überprüfen.<br />

112


Abb. 3: Elemente des Mechanismus<br />

Schließlich werden jeder Einsatz und jede Übung bewertet. Außerdem werden<br />

diese Übungen helfen, das Bewusstsein über dem Mechanismus in teilnehmenden<br />

Ländern zu entwickeln. Die Erfahrung zeigt einen zu geringen Bekanntheitsgrad<br />

in den meisten Staaten und deshalb verpasste Möglichkeiten, die Vorteile des<br />

Mechanismus zu nutzen.<br />

Der Mechanismus der Gemeinschaft stützt sich auf die in Abb. 3 gezeigten Säulen.<br />

Zusätzlich werden alle Partner, die den Mechanismus in schweren Notfällen<br />

anwenden, dazu beitragen, die Verfahren zu konsolidieren und gleichzeitig Unterstützung<br />

und Hilfe auf eine sehr effektive Art erhalten.<br />

113


Perspektiven zur Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Ernst Pfenninger und Sabine Himmelseher<br />

1. Einleitung<br />

Unter dem Blickwinkel des aktuellen Zeitgeschehens müssen bei globalisiert möglichem<br />

Terrorismus manche Gefahrenpotenziale, die fast schon als unbedenklich<br />

akzeptiert wurden, wieder als sehr bedrohlich eingestuft werden [1]. Spätestens<br />

seit dem 11. September 2001 ist die Sorge vor Katastrophen allgegenwärtig [2].<br />

Die Abwendung von Gefahren und Schäden, die im Katastrophenfall drohen,<br />

obliegt in Friedenszeiten den Bundesländern (Katastrophenschutzgesetze der Länder),<br />

während im Kriegsfall der Bund für den <strong>Zivilschutz</strong> (<strong>Zivilschutz</strong>gesetz)<br />

zuständig ist. „Katastrophenschutz (KatS)“ wird definiert als die Maßnahmen der<br />

Bundesländer zur Verhinderung, Abwehr und Beseitigung von Katastrophen oder<br />

ihren Folgen [3]. Die Gesetzesnovelle zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es vom 25.<br />

März 1997 (geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember<br />

1999) regelt die Aufgaben des <strong>Zivilschutz</strong>es durch Behörden oder öffentliche und<br />

private Organisationen [4].<br />

Das Öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW) soll zur Gesundheitssicherung der<br />

Bevölkerung durch Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Abwehr von<br />

Gesundheitsgefahren beitragen. Artikel 74 des Grundgesetzes verankert als wichtige<br />

Zuständigkeiten Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare<br />

Krankheiten bei Mensch und Tier, die öffentliche Fürsorge sowie den Schutz<br />

gegen Gefahren bei Freiwerden radioaktiver oder ionisierender Strahlung. Der<br />

Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist Teil des öffentlichen Gesundheitswesens,<br />

die Aufgaben werden auf Landesebene von unterschiedlichen Ministerien durchgeführt,<br />

wobei der ÖGD auf drei Stufen arbeitet: den Gesundheitsabteilungen der<br />

Ministerien, den Medizinaldezernaten der Regierungsbezirke und den Gesundheitsämtern<br />

der Kreise und kreisfreien Städte [5].<br />

2. Aufgabenstellung des <strong>Forschung</strong>svorhabens<br />

Aufgabenstellung des vorliegenden <strong>Forschung</strong>svorhabens war es, die aktuelle Einbindung<br />

des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Zivil- und Katastrophenschutzplanung<br />

der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, die vorliegende<br />

Situation zu analysieren und potenziell Vorschläge zu einer Verbesserung der Inte-<br />

115


gration aufzuzeigen. Angesichts eines Mangels an katastrophenmedizinischen<br />

Themen in den Curricula der Aus- und Fortbildungskataloge sowohl während des<br />

Medizinstudiums als auch in der Facharztweiterbildung zum Arzt für Öffentliches<br />

Gesundheitswesen, bewertete schon 1999 eine Arbeitsgruppe der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern in ihrem „Bericht über die gesetzlichen<br />

Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben sowie zur Wahrung<br />

und Wiederherstellung der Gesundheit bei Großschadensereignissen“ die Situation<br />

zur Integration der Gesundheitsämter in den Katastrophenschutz wie folgt: „Die<br />

Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Bewältigung von Katastrophen<br />

und Großschadensereignissen ist ungenügend gelöst“ [6].<br />

Im Einzelnen sollten im vorliegenden <strong>Forschung</strong>sprojekt folgende Punkte untersucht<br />

werden:<br />

• Gesetzesgrundlagen zur Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in<br />

die katastrophenmedizinische Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />

Deutschland und deren Umsetzung<br />

• Richtlinien und Erlasse auf Länder- und Kreisebenen, die Bezug zur Einbindung<br />

des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />

aufweisen<br />

• Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals<br />

im öffentlichen Gesundheitsdienst bezüglich katastrophenmedizinischer<br />

Versorgung der Bevölkerung<br />

• der Ausbildungsstand des Personals im öffentlichen Gesundheitsdienst zur notfall-<br />

/katastrophenmedizinischen Versorgung<br />

• Evaluierung der Katastrophenschutzbehörden bezüglich der Einbindung des<br />

öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Bewältigung von Katastrophensituationen<br />

• Erstellung eines Konzeptes zur Behebung der festgestellten Defizite des ärztlichen<br />

Personals und der Fachberufe im öffentlichen Gesundheitsdienst zur<br />

besseren Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die notfall-/katastrophenmedizinische<br />

Versorgung.<br />

3. Methodik und Ergebnisse<br />

3.1 Rechtsgrundlagen<br />

Es wurde eine ausführliche Analyse und Kommentierung der Gesetzeslage im<br />

Bund sowie in den Bundesländern erarbeitet. Daran anschließend erfolgte eine<br />

synoptische Auflistung der einschlägigen Regelungsgegenstände und ihrer Fundstellen.<br />

In einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung wurde versucht, ein län-<br />

116


derübergreifendes Gesamtfazit zu ziehen, verbunden mit einem vorsichtigen Ausblick<br />

auf etwaige Konsequenzen für den Gesetzgeber und die gesetzanwendende<br />

Verwaltung.<br />

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass auf der Grundlage der geltenden Katastrophenschutz-<br />

und Gesundheitsdienstgesetze deren erkennbarer Normzweck erfüllt werden<br />

kann. Wo es dem Gesetzeswortlaut an Explizität mangelt – dies ist der Regelfall<br />

– sollte nicht mit dem Verlangen nach Klartext i. S. von Buchstäblichkeit<br />

reagiert werden. Dies würde zu einer unnötigen Aufblähung der Gesetze durch<br />

Überregulierung führen, die den rechtspolitisch immer wieder geltend gemachten<br />

Bestrebungen nach Deregulierung zuwiderliefe. Dafür, dass die hier zu würdigende<br />

Gesetzeslage keineswegs defizitär ist, spricht auch der Umstand: In den Katastrophenschutzgesetzen<br />

der Länder sind Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen<br />

nur sporadisch erfolgt und, wo dies der Fall ist, thematisch nicht einschlägig<br />

(s. hierzu die Ausführungen zu § 43 Abs.1 Nr.1 LBKG Rh.-Pf.). Dies<br />

wiederum kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es aus der Sicht des Gesetzgebers<br />

einer weiteren Durchnormierung – und sei es durch die Exekutive – nicht<br />

bedarf, die formelle Gesetzeslage vielmehr ausreicht und alles Weitere auf Verwaltungsebene,<br />

also durch administrative und organisatorische Maßnahmen im Wege<br />

des Gesetzesvollzugs und damit durch Ausfüllung und Ausführung der Gesetze<br />

i. S. des Normzwecks zu erfolgen hat und – von der Gesetzeslage gedeckt – auch<br />

erfolgen kann. Somit ergibt sich – thesenförmig verkürzt – die folgende richtungweisende<br />

Handlungsempfehlung: Das Ausschöpfen der Möglichkeiten vorhandener<br />

Gesetze geht vor Schaffung weiterer neuer oder Änderung bestehender<br />

Gesetze.<br />

3.2 Inhalte der Ausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals<br />

im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

Es wurden die aktuellen Curricula der obligatorischen Ausbildung für ärztliches<br />

Personal innerhalb des Studiums der Humanmedizin und im Rahmen der Weiterbildung<br />

zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen systematisch nach<br />

Bezügen zur Beherrschung von Katastrophen durchforstet. Hierfür wurde im studentischen<br />

Bereich der Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und<br />

pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zugrunde gelegt [7]. Im Bereich der fachärztlichen<br />

Weiterbildung wurden die vom Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes e.V. herausgegebenen (Muster-)Richtlinien zur Weiterbildung<br />

im Öffentlichen Gesundheitswesen als Basis verwendet [8]. Außerdem<br />

wurde der 6-monatige Kurs in der Facharztweiterbildung für das Öffentliche<br />

Gesundheitswesen bezüglich katastrophenmedizinischer Weiterbildungsaspekte<br />

analysiert. Im Hinblick auf fakultative Fortbildungsmöglichkeiten wurden die Programme<br />

der in Deutschland bestehenden Lehr- und <strong>Forschung</strong>sakademien für das<br />

öffentliche Gesundheitswesen in Berlin, Düsseldorf, München und Schwerin<br />

[9,10,11] sowie der Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> in Ahrweiler<br />

erkundet [12].<br />

117


Ärztliches Personal<br />

In allen Abschnitten von Studium und Facharztweiterbildung finden sich vereinzelt<br />

Punkte, die zwar Bezug zu einer Katastrophe haben, aber es ist kein durchgehendes<br />

Gesamtkonzept erkenntlich. Zwei- bis dreistündige Referate zu Katastrophensituationen<br />

stellen einen Bruchteil der Ausbildung; viele dringend für einen<br />

Katastrophenfall zu unterrichtende Themen werden nicht einmal erwähnt. Praktische<br />

Anwendungen und Übungen für den Ernstfall sind im Curriculum nicht enthalten.<br />

Das Wissen, das für ein erfolgreiches Management einer Katastrophe im Zusammenwirken<br />

mit anderen Institutionen, Behörden, etc. notwendigerweise vorhanden<br />

sein muss, wird – wenn überhaupt – nur als fakultative, freiwillige Fortbildungsmöglichkeit<br />

angeführt. Zuständigkeitsgrenzen und Schnittstellen zu anderen<br />

medizinischen Diensten sind in der Aus- und Weiterbildung nicht transparent; eine<br />

Schulung für Prioritäten oder Gewichtsverteilungen im ÖGD für den Katastrophenfall<br />

ist nicht erkenntlich. Logistische Abläufe, strategisches Vorgehen,<br />

koordiniertes Handeln und kommunikative Eigenschaften werden nicht vermittelt.<br />

Ob sich der neu entwickelte Studiengang Rescue Engineering etablieren und ob<br />

katastrophenmedizinische Fachkompetenz generiert wird, kann derzeit noch nicht<br />

beurteilt werden.<br />

Nicht-ärztliches Personal<br />

Als Ausgangslage zeigt sich eine inhomogene Mischung verschiedenster Berufsgruppen<br />

innerhalb des nicht-ärztlichen Personals der Gesundheitsämter, die verschiedenste<br />

Ausbildungsgrundlagen und- schwerpunkte aufweisen. Je nach Ausbildungsstätte<br />

und der beruflichen Aus- und Fortbildung und Spezialisierung im<br />

öffentlichen Gesundheitswesen nimmt die Vermittlung katastrophenmedizinisch<br />

relevanter Lehr- und Lerninhalte einen sehr unterschiedlichen Umfang und Stellenwert<br />

ein. Eine katastrophenmedizinische Ausbildung im Sinne eines Gesamtkonzeptes<br />

für eine Berufsgruppe oder alle beteiligten Gruppen ist nicht erkennbar.<br />

3.3 Evaluierung des ärztlichen Personals der unteren Gesundheitsbehörde<br />

bezüglich katastrophenmedizinischer Kenntnisse<br />

Zur Erhebung der Kenntnisse und Vorstellungen der Ärzte, die im ÖGD für die<br />

katastrophenmedizinische Belange zuständig sind oder es sein sollten, wurde ein<br />

Fragebogen an der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universität Ulm, entwickelt.<br />

Der Fragebogen umfasste drei katastrophenmedizinisch relevante Hauptthemenkomplexe,<br />

die evaluiert werden sollten:<br />

1. Berufsausbildung der im ÖGD tätigen Ärzte (Studium, Facharztweiterbildung),<br />

2. Katastrophenmedizinische Kenntnisse und deren Herkunft,<br />

3. Intentionen und Perspektiven.<br />

Der Fragenkatalog wurde anhand von in der Literatur vorgegebenen Anforderungsprofilen<br />

an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall erstellt [5,13,14,15,16].<br />

118


Nach Abstimmung mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag<br />

wurde er Anfang Mai 2001 an alle unteren Gesundheitsbehörden der Bundesrepublik<br />

Deutschland (Anzahl n = 429) verschickt. Die Auswertung der zurückgesandten<br />

Fragebögen erfolgte anonym.<br />

Von n = 429 angeschriebenen Gesundheitsämtern antworteten insgesamt bundesweit<br />

n = 339 (79 %).<br />

Das ärztliche Personal im ÖGD, das für die Katastrophenbewältigung zuständig<br />

ist, besteht zu 91 % aus Fachärzten für öffentliches Gesundheitswesen, 22 % besitzen<br />

den Fachkundenachweis Rettungsdienst, 4 % haben den Kurs Leitender Notarzt<br />

absolviert. Fast zwei Drittel der Ärzte im ÖGD sind eigenen Angaben zufolge<br />

bereits in Katastrophenplanungen involviert. Kenntnisse zu einzelnen medizinischen<br />

Teilbereichen werden im Rahmen des Studiums erworben. Hier muss<br />

jedoch ausdrücklich betont werden, dass dies keine spezifisch katastrophenmedizinischen<br />

Kenntnisse sind, sondern nur Wissen zur Behandlung von Einzelfällen<br />

darstellt. Auch während der Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen<br />

wird nur zu einem geringen Anteil katastrophenmedizinisches Wissen<br />

(Seuchenbekämpfung) vermittelt. Es besteht ein ausgeprägtes Problembewusstsein<br />

bei den Ärzten im ÖGD hinsichtlich ihrer Integration in den Katastrophenschutz.<br />

Der Bedarf nach speziellen Fortbildungen ist erkannt, die Wünsche nach speziellen<br />

Fortbildungsinhalten (hauptsächlich Einsatztaktik, Seuchenbekämpfung und<br />

Planung zum Management von Gefahrgutunfällen) werden klar geäußert.<br />

3.4 Evaluation der unteren Katastrophenschutzbehörden zur Integration<br />

der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienste in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung<br />

Zur Evaluation der für die Katastrophenbewältigung zuständigen Behörden und<br />

Personen (Katastrophenschutzbeauftragte) wurde wiederum ein Fragebogen [in<br />

Zusammenarbeit mit Katastrophenschutzbeauftragten und dem Deutschen Städteund<br />

Landkreistag] entwickelt, mit welchem drei Hauptthemenkomplexe eruiert<br />

werden sollten:<br />

1. Aktueller Stand der Integration der Ärzte des ÖGD in den Katastrophenschutz<br />

2. Erwartungen der Katastrophenschutzbeauftragten an die Ärzte des ÖGD<br />

3. Identifikation von Problemen und Vorschlägen zu deren Lösung für die<br />

Zukunft.<br />

Der Fragebogen wurde Ende August 2001 an n=438 Katastrophenschutzbeauftragte<br />

in der Bundesrepublik Deutschland verschickt. Die Auswertung der Fragebögen<br />

erfolgte anonym. Insgesamt wurden 338 Bögen von den angeschriebenen<br />

Katastrophenschutzbehörden zurückgeschickt. Bezüglich der Einbindung der<br />

Ärzte des ÖGD in ihre Katastrophenplanungen geben 12 (3,5 %) Landkreise oder<br />

Städte an, dass keine Einbindung besteht. Die häufigste Art der Einbindung stellt<br />

die Einbindung in Einzelfällen mit 50,6 % der Antworten dar. Eine feste Einbindung<br />

in die Katastrophen- oder Alarmpläne oder die Existenz einer festen Rufbe-<br />

119


eitschaft eines Arztes des Gesundheitsamtes geben nur 19,6% beziehungsweise<br />

12,8 % der Befragten an.<br />

Die aktuelle Einbindung der Ärzte des ÖGD in Katastrophenpläne ist vor allem<br />

für die Situationen Seuchenfall, besondere Erkrankungen von Einzelpersonen und<br />

amtlich festgestellte Katastrophen vorgesehen. Fast 60 % der Befragten haben<br />

Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Ärzten des ÖGD aus Übungen und/oder<br />

Realeinsätzen. Diese Zusammenarbeit wird in 44 bzw. 56 % der Fälle als sehr gut<br />

beurteilt. Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten von der Integration der<br />

Ärzte des ÖGD in die katastrophenmedizinische Versorgung vor allem Informationen<br />

zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen und organisatorischer Bewältigung<br />

im A-, B-, C- und Seuchenfall. Des weiteren werden allgemeine medizinische<br />

Informationen und die Planung der Einsatzabläufe innerhalb der unteren<br />

Gesundheitsbehörden von den Amtsärzten gewünscht. Nach Meinung der Katastrophenschutzbeauftragten<br />

der Landkreise und kreisfreien Städte sollte die katastrophenmedizinische<br />

Ausbildung der Ärzte für öffentliches Gesundheitswesen im<br />

Rahmen der Facharztweiterbildung deutlich verstärkt werden.<br />

4. Konzeptentwicklung<br />

4.1 Konzepte zur verbesserten katastrophenmedizinischen Aus- und<br />

Weiterbildung der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

Zur Verbesserung des katastrophenmedizinischen Wissens im Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst wird ein modulares Ausbildungskonzept mit katastrophenmedizinischen<br />

Lehrinhalten vorgeschlagen, das in die Weiterbildung zum Facharzt für<br />

öffentliches Gesundheitswesen zu integrieren ist. Es beinhaltet die Module:<br />

1. Studium der Humanmedizin<br />

2. Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen<br />

3. Fakultative Fortbildung<br />

4. Eigenständiger Informationsgewinn.<br />

Als langfristige und effektive Lösung ist die Schaffung einer eigenständigen Vorlesung<br />

„Katastrophenmedizin“ vorzusehen, in der die Grundlagen rechtlicher,<br />

medizinischer und organisatorischer Belange, die bei der Katastrophenbewältigung<br />

essenziell sind, zu vermitteln sind [17].<br />

Die wesentlichen Inhalte zum Erwerb katastrophenmedizinischer Kenntnisse sind<br />

in die Weiterbildung zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen zu integrieren.<br />

Es wird ein 120-stündiges Curriculum vorgeschlagen, das im Rahmen<br />

einer dreiwöchigen intensiven katastrophenmedizinischen Basisausbildung zum<br />

einen die Anforderungen aus der Literatur an die Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />

abdeckt, zum anderen werden aber auch die schwerpunktmäßig von den Ärzten<br />

im ÖGD geforderten Weiterbildungsinhalte berücksichtigt.<br />

120


Nach unseren Untersuchungen sind die Ärzte im ÖGD an einer umfassenden<br />

beruflichen Ausbildung für den Katastrophenfall interessiert und auch bereit, eine<br />

solche zu absolvieren. Nationale und wünschenswert auch internationale Akademien<br />

müssen Wissen zur medizinisch-organisatorischen Katastrophenbewältigung<br />

vermitteln, das auf das Aufgabenprofil der Ärzte im ÖGD im Katastrophenfall<br />

zugeschnitten ist.<br />

4.2 Konzepte zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte<br />

im Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Planung, Vorbereitung<br />

und Praxis der Katastrophenabwehr<br />

Vor dem Hintergrund der umfangreichen Anforderungen an den Arzt im ÖGD im<br />

Katastrophenfall zeigen unsere Untersuchungen Mängel bei der Einbindung des<br />

ÖGD in die Planung, Vorbereitung und Praxis der Katastrophenbewältigung auf.<br />

Dafür sicherlich mitentscheidend ist die momentan nur unzureichend vorhandene<br />

Sachkompetenz der Ärzte für katastrophenmedizinische Aufgaben.<br />

Stellt man vor diesem Szenario den im Projekt ermittelten Informationsbedarf der<br />

Katastrophenschutzbeauftragten den von den Ärzten im ÖGD angegeben eigenen<br />

Kenntnissen gegenüber, so zeichnet sich eine beträchtliche Diskrepanz zwischen<br />

dem benötigten ärztlichen Wissen und den von den Ärzten im ÖGD verfügbaren<br />

Kenntnissen ab (Abbildung 1).<br />

Abb. 1: Gegenüberstellung des Informationsbedarfs der Katastrophenschutzbeauftragten nach<br />

eigener Angabe im Vergleich zum Wissen der Ärzte im ÖGD<br />

121


So erwarten derzeit fast Dreiviertel der Katastrophenschutzbeauftragten umfassende<br />

medizinische Auskünfte zu Symptomen, Therapie und Organisation der betroffenen<br />

Bevölkerung für die Versorgung derselben bei Freisetzung von radioaktiven<br />

Stoffen oder Ereignissen mit biologischen Kampfstoffen und chemischen Gefahrenstoffen<br />

von den Ärzten im ÖGD. Im Gegensatz hierzu bezeichnen die Ärzte im<br />

ÖGD selbst ihre Kenntnisse für diese spezifischen Situationen nur in 20 – 50% als<br />

überhaupt vorhanden!<br />

Allein aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich akuter Handlungsbedarf zur<br />

Erweiterung der Sachkompetenz der im Katastrophemanagement tätigen Ärzte im<br />

ÖGD. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung der<br />

Bundesrepublik Deutschland im Katastrophenfall sollen deshalb Modelle vorgestellt<br />

und vor dem Konzept der Integration von Wissens-/Kompetenzzentren mit<br />

Verfügbarkeit von professionellen Spezialkenntnissen und Möglichkeiten zur<br />

Nutzung von Synergieeffekten diskutiert werden.<br />

Modelle zur Erweiterung der Sachkompetenz der Ärzte im Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst<br />

Grundsätzlich zielte unsere Intention bei der Entwicklung der nachfolgenden<br />

Strukturen auf Modelle ab, die innerhalb der Grenzen des politisch und finanziell<br />

Machbaren bleiben. So könnte unserer Ansicht zufolge allein durch intensiviertes<br />

Ausschöpfen von Synergieeffekten in einem Netz aus bereits existierendem Spezialwissen<br />

zur Katastrophenbewältigung in Deutschland der heutzutage im ÖGD<br />

tätige Arzt bei verhältnismäßig geringem finanziellen und personellen Mehraufwand<br />

mit deutlich verbesserter Sachkompetenz ausgestattet werden.<br />

Abb. 2: Zweistufiges Modul zum Wissenserwerb für den Arzt im ÖGD<br />

122


Jeder Arzt im ÖGD besitzt ein allgemeines katastrophenmedizinisches Basiswissen.<br />

Für die Bewältigung von Katastrophen, Großschadensereignissen und speziellen<br />

Situationen sind weiterführende Informationen abrufbar. Der Arzt im ÖGD<br />

weiß um diese Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und kann diese nutzen.<br />

Als Informationsquellen werden zum einen lokal im Gesundheitsamt eine jederzeit<br />

verfügbare Wissensdatenbank bereitgestellt und zum anderen werden Anlaufstellen<br />

für den Arzt im ÖGD in vorhandenen und zu etablierenden Wissenszentren<br />

mit besonderen Kompetenzen als Ansprechpartner für weiterführendes professionelles<br />

Spezialwissen eingerichtet. Diese Wissens- und Kompetenzzentren mit<br />

besonderer Expertise und besonderen Möglichkeiten werden nachfolgend der Einfachheit<br />

halber als „Wissenszentren“ bezeichnet.<br />

Kommentar:<br />

Durch den Erwerb katastrophenmedizinischer Basisqualifikation von allen Ärzten<br />

im ÖGD wird erzielt, dass grundsätzlich jeder Arzt im ÖGD im Bedarfsfall innerhalb<br />

eines festen Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienstes gewisse, bei einer<br />

Katastrophe erforderliche Basisaufgaben, in ihren Grundzügen übernehmen kann.<br />

Art und der Umfang eines solchen Trainings sollten vom Aufwand des zu vermittelnden<br />

Wissens und von den Anstrengungen, die der Arzt für diese Ausbildung investieren<br />

müsste, in der Wirklichkeit als Rahmenmodell implementierbar sein. Die<br />

Quellen, die zur Informationsschöpfung für den Arzt im ÖGD geschaffen werden<br />

müssen, sollten als weiterführende Auskunftsmöglichkeiten dienen und ein aktualisiertes<br />

Basiswissen, Hintergrundwissen und bei speziellen Fragestellungen<br />

spezifische Erkenntnisse zur Findung von Problemlösungen anbieten. Hierdurch<br />

sollte jeder Arzt im ÖGD der Situation angemessen im jeweiligen Fall reagieren<br />

können.<br />

Systeme zur Wissensakquirierung für die Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

Als Basis von Modellen zur Wissensakquirierung für die Ärzte würde sich ein<br />

mehrstufiges System aus Modulen anbieten. Die Abstufung sollte hier nicht im<br />

Sinne einer zeitlichen oder hierarchischen Abfolge betrachtet werden, sondern ist<br />

nach Bedarf gewichtet um sich ergänzend zu nützen.<br />

Lokale Datenbank<br />

Für das Nachschlagen und Suchen von Spezialinformationen würde sich das<br />

Bereitstellen einer lokalen Wissensdatenbank in CD- oder DVD-Trägerformat<br />

anbieten, die in jedem Gesundheitsamt vorliegen sollte. Zu Zwecken der Aktualisierung<br />

und zentralen Pflege ist zusätzlich die Möglichkeit eines Internet-Zugangs<br />

vorzusehen. Die lokale Datenbank ist nicht zur Wissensakquisition im Akutfall<br />

vorzuhalten, sondern zur Hilfestellung bei Präventionsmaßnahmen und vor allem<br />

zum Aktualisieren des eigenen Wissens. Die Inhalte der lokalen Wissensbank<br />

123


könnten somit analog zu den Stoffplänen für eine verbesserte Ausbildung der Ärzte<br />

im ÖGD strukturiert und sollten weiterführende Links zu Informationen, Daten<br />

und Maßnahmen aus den Bereichen Katastrophenschutz, <strong>Zivilschutz</strong> und Notfallvorsorge<br />

enthalten. Handlungsalgorithmen für Anlaufstellen und Möglichkeiten<br />

zur Kontaktierung spezifischer Behörden, Hilfsorganisationen, Instituten, Verbänden<br />

und der Bundeswehr sollten mit eingebunden werden. Die Datenbank sollte<br />

über Verweise auf personelle und materielle (medizinische) Hilfeleistungspotenziale<br />

aus allen Gebieten Deutschlands und eventuell der angrenzenden europäischen<br />

Nachbarstaaten verfügen (Abbildung 3).<br />

Allgemeine Abwehr von Schadensereignissen<br />

Allgemeine Prävention von Großschadensereignissen,<br />

Katastrophen<br />

und besonderen Erkrankungen<br />

Allgemeine Bewältigung von Großschadensereignissen,<br />

Katastrophen<br />

und besonderen Erkrankungen<br />

Allgemeine Nachbearbeitung von<br />

Großschadensereignissen, Katastrophen<br />

und besonderen Erkrankungen<br />

Öffentlicher Gesundheitsdienst –<br />

Systemimmanente Katastrophenprävention<br />

Öffentlicher Gesundheitsdienst –<br />

Systemimmanente Katastrophenbewältigung<br />

Spezifische Katastrophenabwehr<br />

Management bei Freisetzung radioaktiver<br />

Stoffe (A-Fall)<br />

Abb. 3: Struktur und Inhaltsexpose einer lokalen Wissens-Datenbank<br />

Management bei Freisetzung biologischer<br />

(Kampf-) Stoffe (B-Fall)<br />

Management bei Freisetzung ziviler<br />

Schadstoffe / chemischer Kampfstoffe<br />

(C-Fall)<br />

Management von hochkontagiösen<br />

Erkrankungen<br />

Epidemiologische und geographische<br />

Besonderheiten Deutschlands<br />

Organisation, Taktik, Administration Besonderheiten bei (Verdacht auf)<br />

Terror, Aufklärung, Surveillance<br />

Warnsysteme, Kommunikation,<br />

Information<br />

Staats- und völkerrechtliche<br />

Grundlagen<br />

Zivil-militärische Zusammenarbeit<br />

(ZMZ)<br />

Weiterweisende Links<br />

Im Internet unbedingt genutzt werden sollte das neu aufgebaute Deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem<br />

(deNIS) [18] mit Hintergrundinformationen und<br />

Hinweisen für das Management von Katastrophen, das auf eine Bestandsaufnahme<br />

des bestehenden Hilfeleistungspotenzials in Deutschland ausgerichtet ist. Es<br />

ist darüber hinaus zu diskutieren, ob dem Arzt im ÖGD neben dem offenen, für<br />

jeden Nutzer des Internet zugänglichen Portals nicht auch die zweite Ausbaustu-<br />

124


fe von deNIS mit weiterführenden vertraulichen Informationen über die Vernetzung<br />

vorhandener Datenbanken der Bundesressorts, der Länder und internationaler<br />

Organisationen zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden sollte.<br />

Kommentar:<br />

Der Versuch die Gesamtheit katastrophenmedizinischer Erkenntnisse in ihrer Relevanz<br />

für das Öffentliche Gesundheitswesen in einer nach Themenkreisen geordneten<br />

Datenbank für den Arzt im ÖGD darzustellen, würde Nachdruck auf eine<br />

gegliederte Bestandsaufnahme des vorhandenen Wissens unserer Zeit als Grundlage<br />

für den Bevölkerungsschutz am Anfang einer neuen Ära potenzieller Bedrohungen<br />

durch gezielte Katastropheninduktion aufgrund terroristischer Kräfte des<br />

21. Jahrhunderts legen. Durch den Zugriff auf eine in allen Gesundheitsämtern<br />

identisch vorhandene Datenbank kann Objektivität in der Wissensvermittlung<br />

angestrebt werden; bei regelmäßiger Aktualisierung durch zentrale Updates<br />

besteht die Möglichkeit über die neuesten medizinischen, organisatorischen, rechtlichen,<br />

bevölkerungspolitischen und sonstigen Entwicklungen von Bedeutsamkeit<br />

zu informieren. Einheitliche Standards hinsichtlich des Prozedere können so in örtliche<br />

Gegebenheiten und die jeweiligen institutionellen bzw. persönlichen Erfahrungen<br />

des Einzelnen einfließen.<br />

Überregionale Wissens- und Kompetenzzentren<br />

Bei Auftreten eines Großschadensereignisses, einer Katastrophe oder einer besonderen<br />

Erkrankung müssten dem diensthabenden Arzt im ÖGD für zusätzliche<br />

Fragen, die er aus dem ihm zur Verfügung stehenden Wissen heraus nicht mehr<br />

beantworten kann, kompetente, rasch weiterführende Informationsmöglichkeiten<br />

bereit gestellt werden. Diese müssen als “Ansprechpartner” rund um die Uhr mit<br />

24 Stunden Bereitschaft zugänglich sein. Im Idealfall können diese Zentren auch<br />

Hilfe vor Ort bei außergewöhnlichen Ereignissen mit Ausrüstungen, Geräten,<br />

Fahrzeugen, Material und speziell qualifiziertem Personal leisten sowie spezifische<br />

Räumlichkeiten wie Isoliereinheiten oder Dekontaminationseinrichtungen<br />

vermitteln (Abbildung 4).<br />

In Deutschland ist die alltägliche Gefahrenabwehr effizient und gut geregelt. Auf<br />

dieser Basis könnten zur Unterstützung der Ärzte im ÖGD deshalb als Anlaufstellen<br />

zur Einholung von weiterführenden Auskünften, Erfahrungen, Beratungen oder<br />

Hilfen von außen bereits vorhandene und bei Bedarf zusätzlich zu etablierende<br />

überregionale Wissens- und Kompetenzzentren nach ihrer professionellen Ausrichtung<br />

mit fundiertem Spezialwissen dienen. Im Zusammenhang der Neustrukturierung<br />

der Einbindung der Ärzte in die Katastrophenabwehr wäre die Definition<br />

von Nationalen Wissens- und Kompetenzzentren über ein „Qualitätsprädikat<br />

Wissenszentrum“ essenziell.<br />

125


Abb. 4: Möglichkeit des Wissenserwerbs und der Unterstützung für den Arzt im ÖGD in einem<br />

Wissens- und Kompetenzzentrum (modifiziert nach R. Fock, RKI Berlin)<br />

Das Konzept einer Etablierung von Wissens- und Kompetenzzentren wurde in der<br />

1998 geschaffenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe Seuchenschutz unter Federführung<br />

des RKI für Einzelfälle von hochkontagiösen Erkrankungen vorgeschlagen<br />

[14, 19, 20, 21]. In diesem veröffentlichten Rahmenkonzept sind für verschiedene<br />

Regionen Deutschlands so genannte Kompetenzzentren vorgesehen. Unter<br />

„Kompetenzzentrum“ ist eine organisatorische Zusammenführung von Personen<br />

mit besonderem Fachwissen im Sinne eines fest etablierten Arbeitsteams zu verstehen.<br />

Ihm sollten in jedem Fall Fachleute der Gesundheitsbehörde, des Behandlungszentrums,<br />

des Rettungsdienstes und ein Krankenhaushygieniker, im Einsatzfall<br />

auch ein Beauftragter des örtlichen Lagezentrums oder der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde<br />

sowie ein Vertreter der für die Koordinierung zuständigen<br />

Landesgesundheitsbehörde angehören. Die Bezeichnung dieser bereits benannten<br />

Zentren variiert: z.B. „Kompetenzzentrum“ in Frankfurt/M., „Seuchenstab“ in<br />

Leipzig, „Fachstab Seuchenschutz“ in Hamburg. Diese sog. Kompetenzzentren<br />

stellen Informationen zu Fragen des Managements in dem jeweiligen Einzugsbereich<br />

zur Verfügung; im Einzelfall werden konkrete Beratungs- und Entscheidungshilfen<br />

angeboten. Sie sind 24-stündlich erreich- bzw. alarmierbar. Gegebenenfalls<br />

kann von einem Kompetenzzentrum auch vor Ort (konsiliarische) Hilfestellung<br />

geleistet werden [19].<br />

In Erweiterung dieser Modellstruktur für hochkontagiöse Erkrankungen in Einzelfällen<br />

müssen für Ereignisse wie die Freisetzung radioaktiver Stoffe, biologischer<br />

(Kampf-) Stoffe und chemischer Gefahrenstoffe tragfähige Netzwerkstrukturen in<br />

Form von Wissens- und Kompetenzzentren für jeden der genannten Bereiche<br />

geschaffen werden [22, 23]. Mögliche Ansatzpunkte für schon existierende Wissens-<br />

und Kompetenzzentren sind in Abb. 5 ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />

exemplarisch aufgeführt.<br />

126


Abb. 5: Mögliche Komponenten im konzeptionellen Plan von Zentren anhand beispielhafter Auswahl<br />

von bereits existierenden Schnittstellen mit katastrophenmedizinisch relevantem<br />

Spezialwissen; A-Fall = Ereignis mit Freisetzung radioaktiver Stoffe, B-Fall = Ereignis<br />

mit Freisetzung biologischer (Kampf-)Stoffe, und C-Fall = Ereignis mit Freisetzung chemischer<br />

Gefahrenstoffe<br />

Anforderungsprofil und Kriterien für ein Wissens- und Kompetenzzentrum<br />

Bei der dezentralen Neukonzeption der „Seuchenschutzzentren“ zeigte sich, dass<br />

die Einbindung unterschiedlicher Strukturen zu einer heterogenen Organisationsformation<br />

führte. Zur Einhaltung von Zielsetzungen wie Strukturqualität, integrale<br />

Zusammenarbeit und Qualitätssicherung muss deshalb ein nationales Netzwerk<br />

im Sinne einer „Ständigen Kommission“ als Koordinierungsorgan der Kompetenzzentren<br />

etabliert werden (Abb. 6). Die an die aktuellen politischen und strukturellen<br />

Gegebenheiten anzupassenden Vereinbarungen zur Kooperation müssen darüber<br />

hinaus von verbindlicher Abstimmung mit verpflichtendem und verlässlichem<br />

Charakter zu Informations-, Kommunikations- und Erfahrungsaustausch geprägt<br />

sein. Eine der Kernaufgabe einer Koordinierungsstelle wäre die übergreifende<br />

Verknüpfung der Vielzahl wertvoller Informationen, die über die verschiedenen<br />

Zentren und zahlreichen Institutionen verstreut sind. Im Katastrophenfall könnte<br />

deren mühsame und zeitaufwendige Zusammenführung so verringert werden. Die<br />

prinzipielle Strukturierung der Kompetenzzentren sowie deren Vernetzung zeigt<br />

Abb. 7.<br />

Als organisatorische Struktureinheit dieser spezifischen Katastrophenabwehr wird<br />

für die Bereiche Freisetzung radioaktiver Substanzen, Freisetzung biologischer<br />

127


(Kampf-)Stoffe, Freisetzung chemischer Schad-/Kampfstoffe sowie Management<br />

von hochkontagiösen Erkrankungen jeweils die bundesweite Schaffung von<br />

„Kompetenzzentren“ empfohlen, die durch ein übergeordnetes Netzwerk koordiniert<br />

werden. Sinnvollerweise ist jedem dieser Bereiche ein federführendes „Zentralinstitut“<br />

voranzustellen (Abb. 7).<br />

Abb. 6: Mögliches Anforderungsprofil zur Eignung als Kompetenzzentrum als Anlaufstelle für<br />

den Arzt im ÖGD<br />

Kommentar zur Neugestaltung der Einbindung der Ärzte im ÖGD in die<br />

Katastrophenabwehr unter Hinzuziehen von Wissens- und Kompetenzzentren:<br />

Wir sind uns dessen selbstverständlich bewusst, dass der hier skizzierte Plan der<br />

Verknüpfung von Ärzten im ÖGD und Wissenszentren zum Transfer von Wissen<br />

und Hilfe von außen für die Bewältigung von Schadensereignissen jeglicher Art<br />

zwangsläufig in bestehende administrative oder politische Zuständigkeiten von<br />

Behörden, Instituten, Gebietskörperschaften und anderen Rechtsformen eingreift.<br />

Es ist aber zu bedenken, dass in diesen Zentren das aktuell notwendige Fachwissen<br />

auf hohem Niveau ohnehin vorhanden ist, also zusagen länderübergreifend<br />

abrufbereit vorgehalten wird. Dies könnte unter Zugrundelegen von entsprechenden<br />

Vereinbarungen und der Schaffung von Organisationsstrukturen zur Einsparung<br />

von erheblichen Kosten beitragen.<br />

128


Erfordernisse und zukunftsweisende Lösungsansätze<br />

Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, erscheint uns jedoch<br />

die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr mit<br />

Zusammenführung der einzelnen Netzwerkkomponenten „Freisetzung radioaktiver<br />

Substanzen“, „Freisetzung biologischer (Kampf-)Stoffe“, „Freisetzung chemischer<br />

Schad-/Kampfstoffe“ sowie „Management von hochkontagiösen Erkrankungen“<br />

nicht nur zur direkten Einbindung der Ärzte im ÖGD empfehlenswert, sondern<br />

zur Vorsorge und zum Schutz der Bevölkerung bei Katastrophen notwendig.<br />

Abb. 7: Prinzipieller Strukturaufbau und Vernetzung von Kompetenzzentren. A-Fall = Ereignis<br />

mit Freisetzung radioaktiver Stoffe, B-Fall = Ereignis mit Freisetzung biologischer<br />

(Kampf-)Stoffe, C-Fall = Ereignis mit Freisetzung chemischer Gefahrenstoffe, und „Seuchen“<br />

= hochkontagiöse Erkrankungen.<br />

5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

Als Ergebnisse der sehr ausführlichen Untersuchungen können folgende Schlussfolgerungen<br />

bzw. Empfehlungen ausgesprochen werden:<br />

• Nach Analysen der Gesetzeslage besteht keine Notwendigkeit zur Änderung<br />

der Katastrophenschutzgesetze hinsichtlich der Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes. Sowohl eine implizite Einbindung in den meisten<br />

Bundesländern als auch die explizite Einbindung in einigen wenigen Bundesländern<br />

kann für die Lösung der anstehenden verbesserten Einbindung des<br />

129


ÖGD als ausreichend bewertet werden. Als Empfehlung kann vorgegeben werden,<br />

bei einer anstehenden Neufassung der Katastrophenschutzgesetze eine<br />

explizite Einbindung des ÖGD analog zum Gesetz über den Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienst in Sachsen-Anhalt vorzunehmen.<br />

• De facto ist die Einbeziehung der Ärzte im ÖGD in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland z.Z. nur<br />

situationsadaptiert und bedarfsorientiert. Eine feste Einbindung besteht in<br />

geringem Umfang. Die Integration des ÖGD in Katastrophenpläne ist für spezifische<br />

Situationen, wie Auftreten einer Seuche, hochkontagiöse Infektionen<br />

von Einzelpersonen und amtlich festgestellte Katastrophen, meistens zwar etabliert,<br />

eine explizite Implementierung ist jedoch zu fordern.<br />

• Eingehende Kenntnisse und Erfahrungen besitzen die Ärzte des ÖGD nach<br />

unseren Untersuchungen nur für Seuchenfälle. Die unmittelbare Einbindung<br />

des ÖGD bei spezifischen Situationen, wie zum Beispiel dem Ausbruch von<br />

Seuchen oder bei Bioterrorismus, ist jedoch unabdingbar. Die Kenntnisse des<br />

ärztlichen Personals im ÖGD in den Bereichen Unfälle mit chemischen und<br />

radioaktiven Stoffen müssen deutlich erweitert werden. Eine große Diskrepanz<br />

besteht zwischen dem tatsächlich vorhandenen Wissen und dem Wunsch nach<br />

tiefergehenden Kenntnissen. Das Ärztliche Personal im ÖGD erkennt den<br />

bestehenden Fortbildungsbedarf sehr wohl und signalisiert Bereitschaft,<br />

zusätzliche Fortbildungen zu absolvieren.<br />

• Die Katastrophenschutzbeauftragten erwarten durch die Integration der Ärzte<br />

im ÖGD vor allem Informationen zu Symptomen, therapeutischen Maßnahmen<br />

und organisatorischer Bewältigung von A-, B-, C- und Seuchenfällen,<br />

diese Erwartungen können die meisten Ärzte im ÖGD bedingt durch den derzeitigen<br />

Wissensstand jedoch nicht bieten.<br />

• Die Katastrophenschutzbehörden müssen in ihre Katastrophenpläne und vorbereitenden<br />

Maßnahmen zur Katastrophenabwehr die Gesundheitsämter verbindlich<br />

unter definierten Kriterien integrieren (z.B. Rufbereitschaftspläne,<br />

Festlegung von konkreten Alarmierungsplänen). Alarmierungspläne sollten das<br />

real existierende Gefahrenpotenzial in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen<br />

besonders berücksichtigen. Anhand der Einsatzpläne muss die genaue vertikale<br />

und horizontale Einbindungsstruktur sowie Weisungskompetenz geregelt<br />

werden.<br />

• Es gilt in entscheidendem Umfang, die tatsächlichen katastrophenmedizinischen<br />

Kenntnisse der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu steigern.<br />

Hierfür müssen Konzepte und Modellstrukturen zur Verbesserung der studentischen<br />

Ausbildung und der Weiterbildung für den Facharzt für das Öffentliche<br />

Gesundheitswesen sowie zur Verbesserung der Sachkompetenz der<br />

momentan im ÖGD tätigen Ärzte entwickelt werden.<br />

• Ein wissensbasiertes Management innerhalb der unteren Gesundheitsbehörden<br />

ist unabdingbar. Es beinhaltet die Einrichtung nationaler Wissenszentren mit<br />

130


spezifischen Aufgaben (A-, B-, C- und Infektabwehr) mit ständiger Erreichbarkeit,<br />

sowie die Schaffung „vor Ort“ anwendbarer Wissensdatenbanken und<br />

Expertensysteme mit ÖGD-spezifischen Gefahrenabwehr-Modulen.<br />

• Als längerfristige Lösung und damit in die Zukunft weisend, scheint uns zudem<br />

die Einrichtung eines nationalen Netzwerks zur Katastrophenabwehr mit direkter<br />

Einbindung der Ärzte des ÖGD zur Vorsorge und zum Schutz der Bevölkerung<br />

bei Katastrophen empfehlenswert.<br />

Literatur<br />

[1] Bartels F: Katastrophenmedizin. Wir müssen uns schnell auf die neue Lage<br />

einstellen. Dtsch Ärzteblatt 2001; 43: C2208–C2210<br />

[2] From the Center for Disease Control and Prevention, New York City Department<br />

of Health response to terrorist attack, September 11, 2001. JAMA 2001;<br />

286:1830<br />

[3] Friedrich M, Göbel D, Gringmuth H et al.: Zentrale Begriffe des Zivil- und<br />

Katastrophenschutzes. In: Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge und<br />

Katastrophenschutz (Hrsg.) Projektarbeitsgruppe 5 “Einheitlicher Sprachgebrauch“.<br />

Stand August 2000. Internetadresse: http://www.katastrophenvorsorge.de.<br />

Zugang verifiziert am 21. November 2001<br />

[4] Gesetz zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es (<strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetz –<br />

ZSNeuOG) vom 25. März 1997 (BGBl.I S.726); geändert durch das Haushaltssanierungsgesetz<br />

vom 22. Dezember 1999 (BGBl.I S.2534)<br />

[5] Curio F: Zivil- und Katastrophenschutz in Das grüne Gehirn, der Arzt des<br />

Öffentlichen Gesundheitswesens. Bachmann W (Hrsg.) Loseblattwerk,<br />

August 2002<br />

[6] <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern: Bericht über Untersuchungen<br />

der gesetzlichen Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben<br />

sowie zur Wahrung und Wiederherstellung der Gesundheit bei<br />

Großschadensereignissen. Mai 1999<br />

[7] Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP),<br />

Mainz: Gegenstandskatalog für den zweiten Teil der Ärztlichen Prüfung,<br />

zweiter Nachdruck 1999<br />

[8] Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern,<br />

Köln: Musterweiterbildungsordnung und Musterrichtlinien zum Facharzt für<br />

öffentliches Gesundheitswesen in der Fassung 10/2000<br />

131


[9] Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, Auf’m Hennekamp<br />

70, 4022 Düsseldorf Fortbildungskatalo 2001 Tel 0211-31096-0;<br />

www.afoeg.nrw.de<br />

[10] Akademie für das öffentliche Gesundheitswesen im Bayerischen Staatsministerium<br />

für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit,<br />

Winzererstr. 9, 80797 München, Gedruckter Stoffplan des Lehrganges zur<br />

Vorbereitung auf die Prüfung für den öffentlichen Gesundheitsdienst,<br />

April–Dezember 2000. Tel: 089-1261-01<br />

[11] Akademie für Sozialmedizin Mecklenburg-Vorpommern e.V., Lessingstr. 31,<br />

19059 Schwerin, Programm Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen,<br />

1995. Tel: 0385-7440-150<br />

[12] Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AKNZ), Ramersbacherstr. 95,<br />

53474 Bad-Neuenahr-Ahrweiler, Fortbildungsangebot nach Internetangaben:<br />

www.bzs.bund.de/aknz.htm<br />

[13] Neuhauser S: Der Amtsarzt im Rettungsdienst und Katastrophenschutz, eine<br />

vernachlässigte Aufgabe. Öff. Gesundh.-Wesen 1988;50:683-687<br />

[14] Fock R: Management und Kontrolle lebensbedrohender hochkontagiöser<br />

Infektionskrankheiten. Bundesgesundheitsbl., Gesundheitsforsch., Gesundheitsschutz<br />

1994 (42): 389-401<br />

[15] Wenzel, G: Mitwirkung der Gesundheitsämter bei Katastrophen- und <strong>Zivilschutz</strong>.<br />

Vortrag vor der Amtsärztebesprechung des Ministeriums für Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales, Mitteilungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages,<br />

1/1998<br />

[16] Weber K: Neuere Aspekte rettungsdienstlicher Aufgabenstellungen für<br />

Gesundheitsämter, Öff. Gesundh.-Wesen 1989;51:674–681<br />

[17] Domres B, Schneider BM, Manger A (1999) Konzept eines Studienganges<br />

„Katastrophenmedizin“. In: Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin:<br />

(Hrsg) 10. Jahreskongress Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin.<br />

23.-24. Oktober in Berlin. Abstractband<br />

[18] Corr B: deNIs geht online. Dt Notfallvorsorge-Informationssystem nimmt<br />

Wirkbetrieb auf. Bevölkerungsschutz 2002; 2:15-16. Internetadresse:<br />

www.denis.de<br />

[19] Fock R, Peters M, Wirtz A, Scholz D, Fell G, Bußmann H: Rahmenkonzept<br />

zur Gefahrenabwehr bei außergewöhnlichen Seuchengeschehen. Gesundheitswesen<br />

2001; 63: 695–702<br />

132


[20] Fock, R, Koch, U, Finke, EJ, Niedrig, M, Wirtz, A, Peters, M, Scholz,<br />

D, Fell, G, Bußmann, H, Bergmann, H, Grünewald, T, Fleischer, K, Ruf, B:<br />

Schutz vor lebensbedrohenden importierten Krankheiten. Strukturelle Erfordernisse<br />

bei der Behandlung von Patienten und anti-epidemiologische Maßnahmen.<br />

Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2000;<br />

43:891–899<br />

[21] Gottschalk R, Star S, Bellinger O, Brodt HR, Just G, Helm EB, Wirtz A:<br />

Kompetenzzentren für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen.<br />

Hess Ärzteblatt 2002; 5:307–310<br />

[22] Finke EJ, Loscher J, Koch H: Planning of medical support for a threatened<br />

or actual biological environment. Principles, policies, and procedures. In:<br />

NBC risks, current capabilities, and future perspectives for protection. Sohns<br />

T and Voicu VA: NATO science series Vol 25, 1999, Kluwer Acad. Publisher<br />

Dordrecht<br />

[23] The sunshine project: Hintergrundpapier zu „Biologische Waffen – <strong>Forschung</strong>sprojekte<br />

der Bundeswehr“ und „Gentechnische Arbeiten bei der<br />

Bundeswehr 2002“. Internetadresse: http://www.sunshine-project.de<br />

133


Bedrohung durch biologische und chemische<br />

Substanzen<br />

Dietrich Henschler<br />

Einleitung<br />

Die <strong>Schutzkommission</strong> wurde vor gut einem halben Jahrhundert konstituiert. Als<br />

Aufgabe formulierte man die Beratung der Regierung in Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes<br />

im Kriegs- und Katastrophenfall. Die Arbeit sollte auf drei Säulen<br />

ruhen, gekennzeichnet durch die drei Buchstaben: A für Atomwaffen, B für<br />

biologische, und C für chemische Waffen. Die Gewichtung der drei Bereiche war<br />

von Beginn an sehr unterschiedlich, über lange Zeit dominierten die Strahlenphysik<br />

und die Radiobiologie alles andere, vor allem im <strong>Forschung</strong>saufwand. Die<br />

Messprogramme zur Verfolgung des Fallout von A-Waffentests brachten präzise<br />

Informationen zu den steigenden und fallenden Aktivitäten der A-Waffen entwickelnden<br />

Staaten. Die Suche nach geeigneten Strahlenschutzstoffen wurde mit<br />

enormem Aufwand betrieben, ohne dass daraus eine nachhaltige Umsetzung in<br />

praktisches Handeln resultierte. <strong>Forschung</strong>en über biologische Waffen wurden nur<br />

zeitweise und dann in eher bescheidenem Umfang durchgeführt; auch im letzten<br />

Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> kommt die biologische Bedrohung nur<br />

knapp zu Wort. Die Gruppe, die sich mit C-Waffen beschäftigte, war stets – im<br />

Vergleich mit der Strahlenforschung – klein, aber doch recht erfolgreich.<br />

Schon früh wurde eine Therapiemethode bei akuten Reizgasvergiftungen entwickelt<br />

und eingeführt, sie hat sich bis heute als Standard immer wieder bestätigt; zur<br />

Behandlung der Blausäurevergiftung, obwohl im <strong>Zivilschutz</strong> von eher nachgeordneter<br />

Bedeutung, hat man einige wichtige Beiträge geliefert; und die Therapie und<br />

Prophylaxe der Nervengasvergiftungen wurde durch intensive <strong>Forschung</strong> auf eine<br />

rationale Basis gestellt.<br />

Paradigmenwandel<br />

Im Laufe der nunmehr mehr als 5 Jahrzehnte des Bestehens und Wirkens der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> haben sich die Gewichte der drei Säulen wiederholt und z.T.<br />

erheblich verschoben. Auf politisch bedingte Änderungen der Bedrohungslagen<br />

hat die Kommission meist rasch und folgerichtig reagiert. So traten Probleme des<br />

Strahlenschutzes zeitweilig zurück, um dann durch das Großereignis von Tschernobyl<br />

einen erneuten, mächtigen Schub zu erfahren. Die Golfkriege aktualisierten<br />

das Interesse an Hautkampfstoffen, und die Massenvergiftung durch Sarin in der<br />

Tokyoter U-Bahn bestätigte intensive Warnungen der Experten vor dem Einsatz<br />

von C-Waffen zu terroristischen Zwecken. Weiter wurde die Bearbeitung von<br />

135


Schutzmassnahmen bei Störfällen in der Chemieproduktion und die Schadstofffreisetzung<br />

bei Bränden aufgegriffen und intensiv voran getrieben.<br />

Den vergleichsweise größten Bedeutungswandel erfuhren aber wohl, zumindest in<br />

der Wahrnehmung, B-Waffen durch den Briefversand von Milzbrandsporen nach<br />

dem 11. September 2001 in USA, und die so verursachten Erkrankungs- und<br />

Todesfälle. Deren Bedrohungspotenzial scheint, vor allem durch die Unsicherheiten<br />

und Unvollkommenheiten in der Kenntnis der Anwendungsmöglichkeiten einerseits,<br />

und der Möglichkeit der seuchenhaften Ausbreitung lebender Agenzien<br />

andererseits in eine neue Größenordnung vorgestoßen zu sein.<br />

In Deutschland hat es eine kuriose Entwicklung gegeben. Mit der Vereinigung von<br />

Bundesrepublik und DDR ging ein Wechsel in der Beurteilung der Bedrohungslage<br />

einher. Er hat zu einem paradoxen Szenario geführt: Warnungen von Kennern<br />

vor der sich anbahnenden Anwendung von B- und C-Waffen in Terrorismusaktivitäten<br />

wurden in den Wind geschlagen. Sie galten bei politischen Entscheidungsträgern<br />

und Behörden als inaktuell und inopportun. <strong>Forschung</strong>svorhaben wurden<br />

zurückgefahren, Zuständigkeiten geändert, die Nützlichkeit und Notwendigkeit<br />

von Fördermaßnahmen hat man – auch in der <strong>Schutzkommission</strong> – in Frage<br />

gestellt. Bis der 11. September 2001 einen dramatischen Paradigmenwandel und<br />

radikalen Umschwung bewirkte. Seither hätte man gern zurück, was man vor 10<br />

bis 12 Jahren vergab.<br />

Zwei kürzliche, wichtige Tagungen sind Anlass, erneut über das Mandat der<br />

<strong>Schutzkommission</strong> im Hinblick auf B- und C-Waffen nachzudenken. Die erste<br />

wurde vom Sanitätsdienst der Bundeswehr durch das Institut für Pharmakologie<br />

und Toxikologie in München-Neuherberg am 9./10. April 2003 mit dem Thema<br />

„Pathophysiologie bullöser Erkrankungen und Hautschäden durch blasenziehende<br />

Gifte“ veranstaltet; sie war international und hochgradig besetzt. Die zweite<br />

fand am 17./18 Mai 2003 in Berlin-Spandau statt, organisiert von der Deutschen<br />

Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM). Titel: „Bedrohung durch biologische<br />

und chemische Substanzen“. Ich habe beide besucht und möchte über einige<br />

dort vorgetragene Ergebnisse berichten, die ich für wichtig in der Diskussion<br />

um die <strong>Schutzkommission</strong> halte. Auf manche Details der Berliner Tagung zu B-<br />

Waffen kann ich verzichten, da andere Referate dieser Sitzung sich ausführlicher<br />

damit beschäftigen.<br />

Gemeinsames und Unterschiedliches bei B- und C-Waffen<br />

Es gibt einige Gemeinsamkeiten, aber viele bedeutsame Unterschiede der Bedrohung<br />

zwischen B- und C-Waffen. Gemeinsam ist das Ziel, im Zuge kriegerischer<br />

Auseinandersetzungen oder in terroristischer Absicht einen Gegner durch Angriff<br />

auf seine Gesundheit akut oder nachhaltig zu schädigen oder zu töten. Die Unterschiede<br />

sind zahlreich: Bei C-Waffen verfügt man seit 1915 durch zahlreiche Masseneinsätze<br />

der klassischen Stoffe über umfängliche Felderfahrungen, bei B-Waffen<br />

fehlen diese; weder lebende Erreger noch Toxine sind (bisher) in Kriegen<br />

systematisch eingesetzt worden. Damit ist die Abschätzung von Gefahrenszenarien<br />

136


ei C-Waffen als gut, bei B-Waffen als unsicher zu werten. Der praktische Einsatz<br />

von C-Waffen wird wegen ihrer Flüchtigkeit auch in größeren Arealen erleichtert<br />

bzw. erst möglich, Toxine und z.T. Erreger müssen auf Aerosolträger gebracht werden,<br />

deren Ausbringung ist vergleichsweise schwierig, sie sinken rasch ab,<br />

bestimmte Erreger müssen abgesprüht werden, was nur in begrenzten Arealen<br />

möglich ist. Während der Wirkungseintritt bei C-Waffen und Toxinen in der Regel<br />

rasch erfolgt, gibt es bei Erregern stets eine mehrtägige Latenzzeit. Erste Symptome<br />

sind bei C-Waffen weitgehend spezifisch, bei Erregern unspezifisch, meist<br />

bestehen sie lediglich in uncharakteristischem Fieber und Unwohlsein. Ganz<br />

erheblich sind die Unterschiede in den Kenntnissen zu Wirkungsweise und Wirkungsbedingungen:<br />

Bei C-Waffen existieren drei, durch die chemischen Merkmale<br />

wohl definierte Gruppen, deren Wirkungsmechanismen einfach und gut bekannt<br />

sind; bei den biologischen Substanzen zählt man ca. 20 verschiedene Agenzien,<br />

die sich in ihrer Wirkungsdynamik z.T. sehr stark unterscheiden, wobei die Erreger<br />

eine komplexe Abfolge von Wechselwirkungen mit körpereigenen Strukturen<br />

und biologischen Steuerungs- und Abwehrmechanismen durchlaufen, die nur zum<br />

geringeren Teil bekannt bzw. aufgeklärt sind, insgesamt besteht bei B-Waffen also<br />

eine erhebliche Unsicherheit der Gefahreneinschätzung im Einzelfall. Hinzu<br />

kommt, dass die diagnostischen Möglichkeiten in Form des Erregernachweises<br />

zwar z.T. gegeben sind, sie können aber wegen der Latenzzeit erst spät ansetzen,<br />

sind zeitaufwendig und liefern i.A. keine quantitativen Daten. Therapien sind für<br />

C-Waffen grundsätzlich erarbeitet und verfügbar (Ausnahme: Loste). Wichtige<br />

Kenntnisse bringen hier gewerbliche Vergiftungen mit Analogstoffen, die im Prinzip<br />

gleich wie bei Kampfstoffen ablaufen, die Verfahren sind mithin in ihrer technischen<br />

Brauchbarkeit und Effizienz gut evaluiert. Bei B-Stoffen sind wirksame<br />

Therapien nur bei Bakterien in Form von Antibiotika verfügbar, bei Viren existiert,<br />

streng genommen, nur teilweise eine wirksame Prophylaxe in Form von Impfungen.<br />

Fortschritte in der B-Waffenabwehr<br />

Die DGKM-Tagung hat die mit dem B-Waffeneinsatz verbundenen Problematiken<br />

breit und kompetent dargestellt. Technische Einzelheiten sollen hier nicht behandelt<br />

werden. Wesentliche Fortschritte wurden auf zwei Feldern erzielt: (1) Die<br />

Bekämpfung der Seuchenausbreitung erfordert die strenge Isolation Infizierter. Die<br />

schon bestehenden Isolations- und Behandlungszentren sind in einen Organisationsplan<br />

eingebunden. Er bündelt vorhandene und noch zu ergänzende Einrichtungen<br />

sowie die zuständigen Organisationsstrukturen sinnvoll. Transportmittel,<br />

Schutzanzüge für medizinisches Personal, Dekontaminationsmöglichkeiten, Arzneimittelversorgung<br />

u.a.m. wurden vorgestellt, z.T. mit praktischen Übungen<br />

erläutert. (2) Die diagnostischen Methoden der Erregeridentifikation werden zügig<br />

weiterentwickelt. Sowohl bei der PCR- und der ELISA-Technik, als auch bei Zellkulturverfahren<br />

zielen die Bemühungen auf die Verkürzung der Indikationszeit und<br />

die Erhöhung der Spezifität und Praktikabilität. Der Außenstehende gewann den<br />

Eindruck, dass durch die Aktivitäten der DGKM und die mit ihr kooperierenden<br />

Organisationen die Bemühungen um eine Optimierung des B-Schutzes sowohl von<br />

137


der organisatorischen Seite, als auch von der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit<br />

in guten Händen sind.<br />

Historisches<br />

Die DGKM-Tagung glänzte durch einen Festvortrag von Eberhard Geißler (Max-<br />

Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch) zur Geschichte der B-<br />

Waffenentwicklung, ergänzt durch eine Posterausstellung. Von den zahlreichen<br />

Informationen seien einige verblüffende zitiert: Die erste dokumentierte Anwendung<br />

von B-Waffen datiert aus 1763, wo britische Kolonialtruppen Kleidung von Pockenkranken,<br />

als Geschenk deklariert, an aufständische Indianer verteilten. Schon im<br />

Mittelalter soll vereinzelt das Verschleppen von Pestleichen in gegnerische Lager<br />

praktiziert worden sein. Milzbrandsporen, die heute als gefährlichste B-Waffe gelten<br />

und in mehreren Ländern produziert und vorrätig gehalten wurden und werden,<br />

sind von 1902 bis kurz vor Weltkrieg I zusammen mit Rotzerregern in einer<br />

Anstalt des deutschen Generalstabes auf ihre Eignung zur Dezimierung gegnerischer<br />

Pferde-, Esel- und Maultierbestände, damals unentbehrliche Transportmittel<br />

an den Fronten, geprüft worden. Man hielt das Verfahren für nicht praktikabel und<br />

gab es auf. Milzbrand diente den Deutschen als Sabotagemittel hinter den Fronten:<br />

Bei einem deutschen Agenten fand man 1917 in Nordnorwegen Würfelzucker.<br />

In den konfiszierten Stücken wies man noch 1998 lebensfähige Milzbrandbakterien<br />

nach. Im Weltkrieg II gab es u.a. auf Seiten der Alliierten intensive <strong>Forschung</strong>en<br />

an B-Waffen. In Deutschland sind 9 <strong>Forschung</strong>sprogramme aus jener<br />

Zeit dokumentiert. Hitler verbot jedoch den Einsatz gegen Menschen. Große<br />

Anstrengungen wurden auf Angriff und Abwehr von Kartoffelkäfern verwendet;<br />

diese Spezies ist aber erst nach dem Krieg, quasi auf friedlichen Wegen, in unsere<br />

Felder eingefallen. Die DDR vermutete eine Kartoffelkäfer-Attacke durch die<br />

USA, Bert Brecht schrieb über die ausgebrochene Hysterie ein Spottgedicht. Ein<br />

Unfall mit Milzbrandsporen ereignete sich 1979 in Swerdlovsk, wo zufolge der<br />

Undichtigkeit einer Produktionsanlage Hunderte von Anwohnern erkrankten und<br />

– nach zugänglichen Berichten – mindestens 68 starben.<br />

Über C-Waffen wurden auf der DGKM-Tagung drei Referate gehalten. Sie brachten<br />

nichts Neues. Umso bedeutsamer sind die auf der Münchener Veranstaltung<br />

mitgeteilten Fortschritte auf dem Gebiet der S-Lost-<strong>Forschung</strong>. Schwefellost<br />

erzeugt, mit wenigen bis 24 Stunden Latenz, auf Haut und Schleimhäuten dick aufschießende<br />

Blasen; nach deren Aufplatzen bilden sich tief ausgestanzte, nekrotisierende,<br />

hartnäckig voranschreitende Geschwüre mit geringer Heilungstendenz.<br />

Spätfolgen sind Haut- und Bronchialkrebs. Die Gründe für die lange Latenzzeit,<br />

und der eigentliche biochemische Wirkungsmechanismus sind noch unbekannt.<br />

Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Aktivitäten im Irak haben das Interesse<br />

an diesem Thema neu geweckt. U.a. in amerikanischen und englischen Laboratorien<br />

sind umfängliche <strong>Forschung</strong>en im Gange. Bekannt ist, dass die Blasenbildung<br />

der Haut an der untersten, der erneuernden Epidermisschicht beginnt. Dort kommt<br />

es vorauslaufend zu einem Anstieg der Proteasenaktivität, wobei der Phosphodiesterase<br />

eine Schlüsselrolle zukommt. Eine Reihe von Versuchsmodellen, von Zellund<br />

Gewebekulturen bis zu intakten Minischweinen und den Ohren von genetisch<br />

138


veränderten Nacktmäusen, sind erarbeitet und einsatzfähig. Die Zellablösung ist<br />

an Acetylcholinrezeptoren geknüpft, cholinerge Stoffe hemmen die Blasenbildung<br />

und scheinen aussichtsreich als neues Therapieprinzip. Radikalfänger wie DMPS,<br />

neu entwickelte Mercaptopyridinderivate und Acetylcystein, zeigen große prophylaktische,<br />

sowie beachtliche therapeutische Effekte. Als neue <strong>Forschung</strong>sansätze<br />

zur Auffindung einer kausalen Therapie sind in Bearbeitung: Ermittlung der<br />

durch Alkylierungsreaktionen bedingten genetischen Veränderungen an Keratinozyten<br />

(toxicogenomics), Bestimmung der metabolischen Totalbilanz von S-Lost<br />

(metabonomics) mit dem Ziel der Auffindung geeigneter Biomarker, ultrafeinstrukturelle<br />

Veränderungen vor und während der Blasenbildung, und Prüfung der<br />

Wirksamkeit von Cocktails aus mehreren entzündungshemmenden Substanzen.<br />

Als Therapievorschläge nach derzeitigem Stand wurden formuliert: möglichst<br />

frühzeitiger Einsatz von lokal applizierten Glucocorticoiden (eigentlich eine Prophylaxe,<br />

doch sehr effektiv), die chirurgische Laserabrasion betroffener Hautareale<br />

(in Versuchen an Minischweinen hochwirksam), Einleitung einer Hypothermie,<br />

und gezielte, hochdosierte Anwendung verschiedener Antiphlogistika.<br />

Ausblick<br />

Die eindrucksvollen Fortschritte, die auf den beiden referierten Tagungen berichtet<br />

worden sind, geben manche wichtige Hinweise für eine Standortbestimmung<br />

der <strong>Schutzkommission</strong> auf diesen beiden Feldern. Zwei übergreifende Aspekte<br />

möchte ich herausgreifen, um Empfehlungen an die Kommission für eine vertiefte<br />

Diskussion zu begründen.<br />

Zu den C-Waffen: In Deutschland hat es seit langem nur geringe Aktivitäten auf<br />

dem Gebiet der alkylierenden C-Stoffe gegeben. Bislang fehlt es an diagnostischen<br />

Möglichkeiten, eine Exposition frühzeitig, d.h. vor dem Auftreten erster Symptome<br />

zu quantifizieren. Die Kenntnis der Schwere einer Vergiftung ist aber entscheidend<br />

für das weitere Handeln im Katastrophenfall mit vielen Betroffenen. In USA<br />

sucht man intensiv nach geeigneten Biomarkern. Auf diesem Gebiet gibt es gerade<br />

in Deutschland hohe Kompetenz und praktische Erfahrung: In der Erfassung<br />

von Reaktionsprodukten elektrophiler Substanzen (bzw. deren Metaboliten) mit<br />

biochemischen Strukturen, nämlich DNA, Enzymen, und Membranbestandteilen,<br />

die Rückschlüsse auf Primärläsionen an essentiellen Targets erlauben. Solche Biomonitoringmethoden<br />

bedienen sich chemischer und immunchemischer Analyseverfahren.<br />

Sie sind hochempfindlich, hoch spezifisch und verlässlich, bei Problembearbeitungen<br />

der Gewebetoxikologie haben sie sich weithin bewährt. Hier ist ein<br />

maßgeblicher Beitrag durch Arbeiten in der <strong>Schutzkommission</strong> denkbar.<br />

Zu den B-Waffen: Einen Krieg mit biologischen Substanzen hat es bisher nicht<br />

gegeben. Die enorme, z.T. extreme Wirkungsstärke der Agenzien ist bekannt, das<br />

Bedrohungspotenzial wird als sehr hoch eingeschätzt. Doch sind mit den bisher<br />

bekannten Erregern die oberen Grenzen keineswegs erreicht. Die moderne Molekularbiologie<br />

hat Methoden erarbeitet, die durch genetische Manipulation die Wirkungsstärke<br />

von Erregern in neue Dimensionen steigern können. Die Instrumentarien<br />

für solche Operationen sind wenig aufwändig, und durch „dual use“ in vie-<br />

139


len Laboratorien verfügbar. Die Aufgabe, die sich terroristische Gruppen stellen,<br />

ist also – entsprechende wissenschaftliche Ausbildung vorausgesetzt – für eine<br />

missbräuchliche Anwendung nicht allzu schwer. Kürzlich haben sich anlässlich der<br />

Jahrestagung der AAAS in Denver 32 Redakteure und Herausgeber der maßgeblichen<br />

biomedizinischen Zeitschriften getroffen, in denen die Fortschritte auf diesem<br />

molekulargenetischen Gebiet veröffentlicht werden. Man hat beschlossen,<br />

Veröffentlichungen, in denen für einen Missbrauch geeignete Ergebnisse mitgeteilt<br />

werden, zu verändern oder abzulehnen, also eine Art Zensur einzurichten. Als<br />

Entscheidungskriterium soll gelten: Eingriff dann, wenn die Risiken den Nutzen<br />

überwiegen; eine salomonische, nicht eben hilfreiche Formulierung. Dieser Vorgang<br />

hat eine intensive Debatte unter Fachleuten ausgelöst. Die <strong>Schutzkommission</strong><br />

wird sich, wie immer sie die Probleme der B-Waffen aufgreifen mag, dieser<br />

Diskussion um ein wissenschaftsethisches Konfliktfeld nicht entziehen können.<br />

Literatur:<br />

Geißler, Eberhard: Schwarzer Tod und Amikäfer. Biologische Waffen und ihre<br />

Geschichte. – C.G. Roßberg, Frankenberg/Sa.<br />

140


Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft<br />

des Katastrophenschutzes<br />

Peer Rechenbach<br />

1 Prolog<br />

Von einer Katastrophe spricht man, wenn durch<br />

• ein Naturereignis,<br />

• einen technischen Störfall,<br />

• einen Flächenbrand,<br />

• eine Epidemie,<br />

• kriminelle Handlungen, Sabotage, Terroranschläge oder kriegsbedingte Waffenwirkungen<br />

eine hohe Zahl von Menschen oder eine große Region betroffen worden ist und<br />

die Summe aller Hilfsmaßnahmen (staatliche oder privat organisierte Hilfe) nicht<br />

allen betroffenen Menschen, in der für die Rettung oder Versorgung erforderlichen<br />

Zeit, gewährt werden kann und die Selbsthilfe der Menschen nicht ausreicht bzw.<br />

die Erreichbarkeit in der Nähe verfügbarer Rettungsmittel nicht gegeben ist.<br />

Das staatliche Handeln muss darauf konzentriert sein, dass durch<br />

• den vorbeugenden Katastrophenschutz (disaster prevention),<br />

• die umfassende Abwehrbereitschaft (disaster preparedness) und<br />

• den abwehrenden Katastrophenschutz (disaster protection)<br />

der Eintritt von Katastrophen vermieden oder zumindest der eintretende Schaden<br />

durch koordiniertes gemeinschaftliches Handeln aller verfügbaren Ressourcen des<br />

Bundes, der Länder, Kommunen sowie der privaten Organisationen unter einheitlicher<br />

Leitung wirksam begrenzt wird.<br />

2 Einführung<br />

Mit diesem Bericht werden grundlegende Möglichkeiten zur Steigerung der<br />

Abwehrbereitschaft bezüglich der technischen Ressourcen zur Diskussion vorgelegt.<br />

Weiterhin werden verschiedene Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen<br />

genannt, die insbesondere bei der Bearbeitung und Bewertung der genannten<br />

gewürdigt werden müssen. Der Bericht beschränkt sich dabei auf die qualitativen<br />

technischen Anforderungen aus strategischer Sicht.<br />

141


Grundsätzlich müssen sich die Maßnahmen zur Optimierung des abwehrenden<br />

Katastrophenschutzes an folgenden Arbeitsschritten orientieren:<br />

1. Erfassung und Bewertung der Risiken<br />

2. Erfassung und Bewertung der Verwundbarkeit bezüglich der<br />

• Bevölkerung<br />

• Umwelt und Lebensbedingungen<br />

• Daseinsvorsorge<br />

• gewerblichen Wirtschaft<br />

• staatlichen Verwaltung.<br />

3. Entwicklung eines strategischen Gefahrenabwehrkonzeptes<br />

4. Entwicklung taktischer Handlungskonzepte zur Gefahrenabwehr<br />

5. Erfassung und Bewertung der verfügbaren personellen Ressourcen<br />

6. Entwicklung und Bereitstellung entsprechender technischer Ressourcen<br />

7. Entwicklung eines geeigneten Aus-, Fortbildungs- und Trainingskonzeptes<br />

8. Entwicklung und Einführung einer Einsatzplanung und -organisation.<br />

Die genannten Positionen sollten dabei weitgehend in chronologischer Reihenfolge<br />

bearbeitet werden. Diese vorgezogene Detailbetrachtung bezüglich der technischen<br />

Ressourcen berücksichtigt die vorhandenen, historisch gewachsenen Strukturen,<br />

eine Reihe von Erkenntnissen aus entsprechenden <strong>Forschung</strong>sberichten und<br />

den gewonnenen Erfahrungen. Eine abschließende Festlegung kann jedoch erst<br />

dann getroffen werden, wenn alle anderen Positionen gleichermaßen bearbeitet<br />

und die Abhängigkeiten ganzheitlich berücksichtigt wurden. Die Konzeption des<br />

Deutschen Städtetages [13] [14] nennt Forderungen, die in diesem Bericht bezüglich<br />

der technischen Ausstattung weiterentwickelt und konkretisiert werden. Die<br />

jeweils regional vorzuhaltenden quantitativen materiellen und personellen Bedarfe<br />

müssen auf der Basis entsprechender Risikoanalysen [32] durch die Länder und<br />

Kommunen quantitativ definiert werden.<br />

Neben den strategischen Anforderungen an die technischen Ressourcen muss<br />

gleichermaßen die abgestufte Versorgungskonzeption als politisches Ziel definiert<br />

und eine mittel- bis langfristig wirkende Strategie zur Erfassung, Aus- und Fortbildung,<br />

Training und Motivation der haupt- und ehrenamtlichen personellen<br />

Ressourcen erarbeitet werden.<br />

Die Abwehr national bedeutsamer Schadenslagen kann nur gelingen, wenn die verschiedenen<br />

personellen und materiellen Ressourcen des Bundes, der Länder, der<br />

Kommunen sowie der verschiedenen Hilfsorganisationen zu einem ganzheitlichen<br />

Gefahrenabwehr-Management-System zusammengeführt werden.<br />

142


3 Vorbemerkung<br />

Mit der Beendigung der globalen Konfrontation der beiden Machtblöcke zum<br />

Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ergab sich eine veränderte<br />

sicherheitspolitische Lage, in deren Folge der Bund wesentliche Strukturen im<br />

<strong>Zivilschutz</strong> aufgab und die ergänzende technische Ausstattung der Einheiten und<br />

Einrichtungen des Katastrophenschutzes der Länder deutlich reduziert wurde [3].<br />

Der Bund konzentrierte sich in den darauf folgenden Jahren auf die Ergänzung<br />

gemäß § 12 des <strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetzes [2], realisierte dies jedoch aufgrund<br />

der begrenzten Haushaltsmittel nicht vollständig. Die Länder und Kommunen<br />

haben im gleichen Zeitraum aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen<br />

nur partiell zusätzliche Anstrengungen unternommen, die entstandenen Lücken<br />

durch weitere Vorhaltungen in der technischen Ausstattung oder durch organisatorische<br />

Maßnahmen zu schließen. Insbesondere die personelle Ausstattung der<br />

Katastrophenschutzämter auf allen Ebenen wurde deutlich reduziert. Damit war<br />

verbunden, dass keine oder nur sehr geringe Planungsleistungen zur Erstellung<br />

regionaler Abwehrkonzepte oder geeignete Rahmenempfehlungen erarbeitet und<br />

eingeführt wurden. Eine weitgehend zwischen den Ländern und Kommunen harmonisierte<br />

Gefahrenabwehrkonzeption, wie sie seitens des Bundes im <strong>Zivilschutz</strong><br />

in Teilbereichen vorhanden war, wurde nicht oder nur ansatzweise entwickelt oder<br />

fortgeschrieben.<br />

Mit den Ereignissen am 11. September 2001 in New York und Washington D. C.<br />

durch global operierende Terroristen wurde erneut deutlich, dass erhebliche<br />

Anstrengungen zur Optimierung der Gefahrenabwehr bei national bedeutsamen<br />

Schadenslagen nötig sind, um den Herausforderungen im Sinne eines effektiven<br />

Schutzes der Bevölkerung zu begegnen. Diese Tatsache war auch aus den Erfahrungen<br />

der internationalen Terroranschläge der letzten 30 Jahre grundsätzlich<br />

erkennbar. Hier sei besonders an die Ereignisse in München 1972, Berlin 1986,<br />

New York 1993, Tokio 1995 und Oklahoma 1995 erinnert. Insbesondere ist deutlich<br />

geworden, dass die ausgeprägte Differenzierung zwischen den Zuständigkeiten<br />

der Länder im Katastrophenschutz und der Zuständigkeit des Bundes im <strong>Zivilschutz</strong><br />

für den betroffenen Bürger nicht verständlich ist und in Teilbereichen die<br />

gebotene Struktur einer effektiven Gefahrenabwehr behindert. Die Ministerpräsidenten<br />

der Länder haben deshalb beschlossen, dass diesbezüglich neue gesetzliche<br />

Regelungen gefunden werden sollen [89].<br />

Von den Innenministerien wurde in den vergangenen Monaten die „Neue Strategie<br />

zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ [1] entwickelt, durch die ständige<br />

Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) beschlossen<br />

und in die Umsetzungsphase überführt 1 . Mit dieser grundsätzlichen Zielvorgabe<br />

ist eine intensivere gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung des Bundes und der<br />

Länder grundsätzlich möglich. Im Rahmen der Gesamtverteidigung muss künftig<br />

die militärische, polizeiliche und zivile Sicherheitsvorsorge stärker aufeinander<br />

abgestimmt sein, damit alle personellen und technischen Ressourcen effektiv zur<br />

akuten Gefahrenabwehr herangezogen werden können.<br />

1 Die Quellenangaben sind in eckige Klammern gesetzt und in Kap.14 wiedergegeben<br />

143


4 Besondere Bedrohungslage<br />

Mit den Herausforderungen der täglichen Gefahrenabwehr, der besonderen Gefahrenrisiken<br />

durch technische Anlagen (z.B. Störfallbetriebe, Kernkraftwerke und<br />

Transport gefährlicher Güter) oder durch Naturereignisse können schwerwiegende<br />

Gefahren nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere infolge von kriminellen<br />

Handlungen, Sabotage oder Terroranschlägen sind schwere Schäden mit national<br />

bedeutsamen Auswirkungen möglich. Die Ressourcen zur Sicherstellung einer<br />

überregionalen Gefahrenabwehr müssen vollständig ausgeschöpft werden.<br />

In den letzten Jahren wurde im <strong>Zivilschutz</strong> grundsätzlich davon ausgegangen [3],<br />

dass<br />

• nur räumlich begrenzte Schadenslagen eintreten und insbesondere keine großflächigen<br />

Zerstörungen der Infrastruktur zu besorgen sind und<br />

• die Abwehrkräfte nur nach einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf ihre volle<br />

Leistungsfähigkeit herstellen müssen, so dass spezielle Vorhaltungen und Planungen<br />

nicht geboten sind.<br />

Die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA haben jedoch eine neue<br />

Form des global wirkenden Terrorismus deutlich gemacht. Die im Folgenden beispielhaft<br />

genannten terroristischen Anschläge, wie<br />

• der Sprengstoffanschlag auf eine Synagoge AL GHRIBA (Djerba ) am<br />

11. April 2002 mit 19 Toten,<br />

• Sprengstoffanschlag auf französische Ingenieure in Karatschi (PAK) am 08.<br />

Mai 2002 mit 14 Toten,<br />

• Sprengstoffanschlag auf das US-Konsulat in Karatschi (PAK) am 14. Juni 2002<br />

mit 12 Toten,<br />

• Sprengstoffanschlag in Kabul (AFG) am 05. September 2002 mit 26 Toten,<br />

• der Sprengstoffanschlag auf das Tankmotorschiff LIMBURG im Roten Meer<br />

(YEM) am 06. Oktober 2002 mit 1 Toten,<br />

• der Sprengstoffanschlag in Kuta (Bali ) am 13. Oktober 2002 mit 202<br />

Toten,<br />

• die Geiselnahme im Musical-Theater von Moskau (RUS) am 23. Oktober 2002<br />

mit 128 toten Geiseln,<br />

• der Sprengstoffanschlag in Mombasa (KEN) am 28. November 2002 mit 16<br />

Toten,<br />

• Sprengstoffanschläge in Riad (SAR) am 12. Mai 2003 mit 34 Toten,<br />

• Sprengstoffanschlag in Snamenskoje (RUS) am 12. Mai 2003 mit 59 Toten,<br />

• Sprengstoffanschlag bei Grosny (RUS) am 14. Mai 2003 mit 18 Toten,<br />

• Sprengstoffanschläge in Casablanca (MRO) am 17. Mai 2003 mit 31 Toten,<br />

144


zeigen, dass eine effektive Abwehrbereitschaft geboten ist. Weiterhin wurde bei<br />

dem Sprengstoffanschlag auf das TMS LIMBURG (Ladung ca. 400.000 Barrel 2<br />

Rohöl, von den 90.000 Barrel ausliefen und eine Fläche von ca. 500 km 2 verunreinigten)<br />

erneut deutlich, dass auch der Schutz der Umwelt einbezogen werden<br />

muss. Vergleichbare Anschläge auf den Schiffsverkehr in der Nord- oder Ostsee<br />

hätten unabsehbare Folgen für das Ökosystem und die Verkehrsinfrastruktur.<br />

Die bisher übliche Annahme, der Katastrophenschutz im <strong>Zivilschutz</strong> könne seine<br />

Gefahrenabwehr aufgrund einer hinreichend langen Vorwarnzeit nach Bedarf<br />

lageabhängig vorbereiten, lässt sich nur noch eingeschränkt aufrechterhalten.<br />

Verschärft wird die Situation durch das hohe Maß an Verwundbarkeit der hoch entwickelten<br />

und vernetzten Gesellschaft [32]. Dies gilt speziell im Hinblick auf die<br />

herbeigeführten, finalen zerstörerischen Eingriffe der Terroristen.<br />

Es muss weiterhin festgestellt werden, dass bestimmte Güter, die im Katastrophenfall<br />

plötzlich in sehr großen Mengen verbraucht bzw. benötigt werden, nicht ohne<br />

weiteres in entsprechenden Mengen zeitgerecht geliefert oder bereitgestellt werden<br />

können. Vielfach müssen Rohstoffe am globalen Markt mit entsprechenden<br />

Lieferzeiten geordert oder Produktionsstätten außerhalb Europas aktiviert werden.<br />

Dabei wird auch auf das politische Problem hingewiesen, dass die Regierung der<br />

liefernden Nation die Ausfuhr der betreffenden Stoffe wegen eines gesteigerten<br />

Eigenbedarfs verweigern könnte.<br />

Das Elbe-Hochwasser im August 2002 zeigte am Beispiel einiger Ortschaften, dass<br />

die üblicherweise verfügbare Infrastruktur (Telekommunikation, Energieversorgung<br />

mit Gas und Elektrizität, Trinkwasser, öffentlicher Personennahverkehr und<br />

Straßenanbindung) binnen Stunden zerstört und für Tage oder Wochen ausgefallen<br />

ist [19] [90]. Ähnliche Wirkungen waren auch bei der Schneekatastrophe 1979<br />

in Schleswig-Holstein und bei der Sturmflut 1962 in Hamburg zu beobachten.<br />

Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Verwundbarkeit der technisierten Gesellschaft<br />

in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen hat und vergleichbare<br />

Ereignisse erheblich höhere Personen- und Sachschäden verursachen werden.<br />

5 Gefahrenabwehr<br />

Die Möglichkeiten zur Steigerung der Abwehrbereitschaft konzentrieren sich in<br />

diesem Bericht auf die akute Gefahrenabwehr. Dabei wird grundsätzlich zwischen<br />

der polizeilichen und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr differenziert. Weiterhin<br />

ist in der Katastrophenabwehr eine chronologische Differenzierung in folgende<br />

Phasen üblich, sofern ein Schadengebiet lokalisierbar ist und mit technischen Mitteln<br />

eine Schadenbekämpfung möglich erscheint:<br />

2 ca. 63 Mio. Liter<br />

145


Phase I – Suche und Rettung –<br />

• Erster Angriff (in der Regel nur Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst 3 )<br />

• Aktivierung der Führungsorganisation am Schadensort und im Umfeld (operativ/taktische<br />

Führung)<br />

• Aktivierung übergeordneter Ressourcen der Gefahrenabwehr (administrative<br />

Katastrophenschutzleitung, Katastrophenschutz, BA THW 4 , HIORG 5 , BW 6<br />

und dgl.)<br />

Phase II – Schadenseindämmung –<br />

• Zielführende Aktivierung aller Ressourcen der staatlichen Verwaltung<br />

• Integration zusätzlicher gewerblicher Ressourcen<br />

• Heranführung weiterer überregionaler Kräfte der Gefahrenabwehr<br />

• Sicherstellung eines Notbetriebs staatlicher Stellen<br />

Phase III – Schadenbeseitigung –<br />

• Herstellung einer funktionierenden Infrastruktur<br />

• Gewährleistung vollständigen staatlichen Handelns<br />

• Bereitstellung geeigneter Wohnquartiere<br />

• Bereitstellung finanzieller Mittel zur Selbsthilfe<br />

Phase IV – Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes –<br />

Ein besonderes Augenmerk muss auf Gefahrenlagen gerichtet werden, die eine<br />

unmittelbare Gefahrenabwehr in einem Schadengebiet nicht zulassen. So ist die<br />

Ausbreitung einer Epidemie, die flächendeckende radioaktive Kontamination<br />

(infolge eines Unfalls in einem Kernkraftwerk oder der Absturz eines Satelliten<br />

mit Kernreaktor) oder einer Tier- bzw. Pflanzenseuche nicht mit den üblichen<br />

Methoden der technischen Gefahrenabwehr zu bekämpfen. Auf die Optimierung<br />

der hierfür erforderlichen Prozesse muss künftig intensiver geachtet werden.<br />

Während sich die polizeiliche Gefahrenabwehr insbesondere auf die Warnung,<br />

Strafverfolgung, Beweissicherung, Verkehrslenkung und Sicherung der Handlungsfähigkeit<br />

staatlicher Stellen konzentriert, muss sich die nicht polizeiliche<br />

Gefahrenabwehr in der ersten Phase auf die Rettung und sachgerechte Versorgung<br />

bzw. Betreuung der akut gefährdeten oder betroffenen Menschen konzentrieren.<br />

Um die erforderlichen Maßnahmen bestimmten Arbeitsbereichen zuordnen zu<br />

können, muss zwischen operativ taktischen und administrativen Aufgaben unterschieden<br />

werden. Insbesondere folgende Bereiche sind den operativen/taktischen<br />

Aufgaben zuzuordnen:<br />

3Einheiten, die rund um die Uhr verfügbar sind<br />

4 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk<br />

5 Hilfsorganisationen wie Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, Deutsches<br />

Rotes Kreuz, Johanniter-Unfallhilfe und Malteser Hilfsdienst<br />

6 Bundeswehr<br />

146


• Führung der Gefahrenabwehrkräfte<br />

• Kommunikation<br />

• Technische Gefahrenabwehr<br />

• Suche + Rettung<br />

• Bergung<br />

• Trinkwassernotversorgung<br />

• Brandschutz<br />

• Abwehr radiologischer Gefahrenlagen<br />

• Abwehr biologischer Gefahrenlagen<br />

• Abwehr chemischer Gefahrenlagen<br />

• Abwehr von Umweltgefahren<br />

• Notfallmedizinische, rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung<br />

• Betreuung (Verpflegung, Versorgung, Unterbringung, Registrierung, Zusammenführung,<br />

Personenauskunft, psychosoziale Betreuung und Notfallseelsorge<br />

bezüglich der betroffenen Menschen)<br />

• Logistik (Instandsetzung, Verpflegung und Versorgung der Gefahrenabwehrkräfte).<br />

Folgende Bereiche sind beispielhaft den administrativen Aufgaben zuzuordnen:<br />

• Warnung der Bevölkerung (mit Verhaltenshinweisen)<br />

• Information zur Gefahrenlage und deren weitere Entwicklung<br />

• Evakuierung<br />

• Bereitstellung von Notunterkünften<br />

• Seuchenprävention<br />

• Bereitstellung von Handgeldern<br />

• Sicherstellung der Verkehrsinfrastruktur<br />

• Sicherstellung der Ver- und Entsorgung<br />

– Heizmittel (Gas, Kohle, Öl)<br />

– Elektrische Energie<br />

– Trinkwasser<br />

– Abwasserentsorgung<br />

– Abfallentsorgung<br />

• Versorgungsmittel des täglichen Bedarfs<br />

• Sperrgebietserklärung<br />

• Eigentumssicherung<br />

• Medizinische Versorgung<br />

• Pflegerische Versorgung<br />

• Sicherstellung staatlichen Handelns<br />

147


• Konzentration staatlicher Ressourcen auf die Abwehr bzw. Minderung der<br />

Wirkungen<br />

• Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur<br />

• Bereitstellung geeigneter Quartiere.<br />

6 Einsatz- und Führungsorganisation<br />

Die gesamten personellen und materiellen Ressourcen des Katastrophenschutzes<br />

müssen harmonisch in eine risikogerechte Einsatz- und Führungsorganisation integriert<br />

sein. Es obliegt grundsätzlich den Ländern und Kommunen, aus den örtlich<br />

bzw. regional verfügbaren Ressourcen schlagkräftige Einheiten zu bilden. Mit<br />

einer entsprechenden Führungsorganisation muss sichergestellt sein, dass insbesondere<br />

bei Großschadenfällen oder Katastrophen auch gemischte bzw. spezielle<br />

Verbände in der überregionalen Hilfe abgerufen und eingesetzt werden können.<br />

Eine Differenzierung nach Trägerorganisationen bzw. Bundes- oder Landespotenzialen<br />

darf nicht angewandt werden. Nur solche Trägerorganisationen bzw. Einheiten<br />

dürfen für den überregionalen Einsatz herangezogen werden, die über eine<br />

besonders hohe Leistungsbereitschaft verfügen. Die Trägerorganisationen müssen<br />

ihrerseits die Gewähr dafür übernehmen, dass die verfügbaren materiellen<br />

Ressourcen personell durch ehren- oder hauptamtliche Helfer besetzt werden, die<br />

über ein überdurchschnittliches Fachwissen und einen hohen Trainingsstand verfügen.<br />

Mit fachdienstübergreifenden Übungen (mehr als 300 Helfer) muss regelmäßig<br />

der Einsatz im Großschadensfall oder Katastrophen unter Anwendung der<br />

definierten Einsatzplanung und -organisation trainiert werden. Um einen überregionalen<br />

Einsatz unterschiedlicher Einheiten über die Grenzen der Länder bzw.<br />

im internationalen Raum in der Gefahrenabwehr sachgerecht zu gewährleisten,<br />

müssen einheitliche Einsatzgrundsätze erarbeitet, eingeführt und umgesetzt werden.<br />

Hier muss durch eine zentrale Koordinierung sichergestellt werden, dass im<br />

Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung keine Lücken im System auftreten.<br />

Die Führungsstruktur muss so organisiert werden, dass eine klare Aufgabenabtrennung<br />

zwischen den administrativen und operativ/taktischen Bereichen gewährleistet<br />

ist. Die Verantwortungsbereiche (politisch, administrativ und operativ/taktisch)<br />

müssen sich eindeutig personifizieren lassen. Regelungen, in denen ein<br />

„imaginärer“ Führungs- oder Einsatzstab kaum nachvollziehbare Entscheidungen<br />

getroffen hat, müssen ausgeschlossen sein. Ziele, Prioritäten und getroffene Entscheidungen<br />

müssen allen beteiligten Ebenen schnellstmöglich bekannt gemacht<br />

werden. Die personifizierten und verantwortlichen Führungskräfte in den einzelnen<br />

Aufgabenbereichen bedienen sich in der Regel eines Führungs- oder Fachstabes,<br />

der die erforderlichen Informationen sammelt, aufbereitet und darstellt,<br />

Entscheidungen vorbereitet sowie die Ergebnisse im Sinne des verantwortlichen<br />

Führers umsetzt. Insbesondere bei der unmittelbaren Gefahrenabwehr müssen die<br />

vorrangigen Aufgaben in der so genannten Auftragstaktik den ausführenden<br />

Einheiten oder Einrichtungen übertragen werden. Detaillierte Ausführungsanweisungen<br />

sind nur in wenigen Ausnahmefällen geboten (z.B. besondere Gefahrenlagen<br />

durch gefährliche Stoffe). Bei allen Katastrophen ist davon auszugehen, dass<br />

ein akuter Mangel an technischen und personellen Ressourcen besteht und ein<br />

148


ständiges Informationsdefizit (z.B. infolge fehlender oder falscher Meldungen<br />

oder mangelnder Kommunikationswege) herrscht. Gleichwohl muss das gesamte<br />

Handeln des Führers diese Mangelsituation berücksichtigen. Übergeordnete Führungsinstanzen<br />

müssen primär dafür Sorge tragen, dass den nachgeordneten Stellen<br />

ständig sofort verfügbare, überregional herangeführte, personelle und technische<br />

Ressourcen bereit gestellt werden.<br />

Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung für die Grundstruktur in der Aufgabentrennung einer<br />

Führungsorganisation<br />

Die Führungs- und Fachstäbe, die den jeweils verantwortlichen Führer bei seinen<br />

Entscheidungen unterstützen, müssen so organisiert sein, dass sie die anfallenden<br />

Aufgaben optimal bewältigen. Insbesondere in der Phase I hat sich die in der<br />

Feuerwehrdienstvorschrift „Führung und Leitung im Einsatz“ (FwDV 100)<br />

beschriebene Stabsorganisation für die akute Gefahrenabwehr bei der Führung<br />

operativ/taktischer Einheiten bewährt. Grundsätzlich ist diese Stabsorganisation<br />

auch in anderen Aufgabenbereichen einsetzbar. Es muss jedoch für jeden verantwortlichen<br />

Leiter des Stabes klar sein, dass er eine Organisationsform bilden muss,<br />

mit der die momentan anfallenden Aufgaben optimal bewältigt werden können.<br />

Beim Übergang einzelner Phasen muss die Stabsorganisation geprüft und ggf. dem<br />

geänderten Anforderungsprofil inhaltlich und personell angepasst werden. Die personelle<br />

Ausstattung in den einzelnen Aufgabenbereichen kann dabei sehr unterschiedlich<br />

sein und muss gleichermaßen den Anforderungen kontinuierlich angepasst<br />

werden. Die Handlungsprozesse eines jeden Führungsstabes müssen<br />

schnellstmöglich aus der Reaktionsphase in eine Aktionsphase überführt werden.<br />

Eine Kontrolle des Geschehens ist nur aus der Aktionsphase heraus möglich.<br />

Solange die Führungsinstanzen nur auf die Ereignisse reagieren, ist eine geordnete<br />

Gefahrenabwehr im Katastrophenfall in der Regel nicht möglich. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, dass bestimmten Führungsstellen definierte Reaktionsmechanis-<br />

149


men zugeordnet werden müssen. So muss jede Rettungsleitstelle und Feuerwehreinsatzzentrale<br />

auf eine lebensbedrohliche Hilfsanforderung (Brand, Unfall oder<br />

dgl.) sofort und unmittelbar reagieren können.<br />

Von der politisch administrativen Führungsperson muss eine offensive („aggressive“)<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit organisiert und geleistet werden. Jede<br />

Zurückhaltung oder zeitliche Verzögerung führt in diesem Bereich zu einer negativen<br />

Eigendynamik. Damit können die Medien nicht mehr für die originären<br />

Belange einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit zur sachgerechten Information der<br />

Bürger genutzt werden.<br />

Bild 1: Einzelne Aktionen zur Menschenrettung müssen durch vorgegebene Reaktionsmechanismen<br />

gewährleistet werden und dürfen nicht erst zur Befassung eines Führungsstabes<br />

führen<br />

Mit der Aktivierung der Administration ist gewährleistet, dass alle Ressourcen der<br />

öffentlichen Verwaltung (Hoch- und Tiefbauämter, Verkehrsbetrieb, Ver- und Entsorgungsbetriebe<br />

sowie Schul-, Umwelt- und Sozialämter) als unterstützende<br />

Instanzen zur Versorgung und Betreuung in der Gefahrenabwehr herangezogen<br />

werden können oder im Rahmen der eigenen Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr<br />

unmittelbar beitragen.<br />

150


Abbildung 2: Beispielhafte Untergliederung in der Führungsorganisation<br />

Abbildung 3: Beispielhafte Gliederung eines Führungsstabes zur Katastrophenabwehr<br />

151


Abbildung 4: Gliederung eines Führungsstabes entsprechend der Feuerwehrdienstvorschrift<br />

„Führung und Leitung im Einsatz“ FwDV 100<br />

7 Vorhandene Leistungspotenziale<br />

Die Länder und der Bund haben umfangreiche Maßnahmen zur nicht polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr realisiert. Die je nach Landesrecht im Katastrophenschutz mitwirkenden<br />

Einheiten und Einrichtungen gewährleisten die Aufgaben zum Schutz<br />

der Bevölkerung vor den Gefahren bei Unglücksfällen, Bränden, Störfällen oder<br />

Naturereignissen. Der Schutz vor den besonderen Gefahren und Schäden, die im<br />

Verteidigungsfall (Waffenwirkungen, Terroranschläge mit national bedeutsamen<br />

Auswirkungen und dgl.) drohen, obliegt ihnen gleichermaßen. Die regionale qualitative<br />

und quantitative Ausstattung orientiert sich dabei grundsätzlich an den örtlichen<br />

Risiken und deren Bewertung nach weitgehend individuellen Überlegungen<br />

bzw. traditionellen Strukturen. Risikoanalysen, die die besondere Verwundbarkeit<br />

infolge von kriminellen Handlungen, Sabotageakten oder Terroranschlägen<br />

würdigen oder die zivilschutztaktischen Belange berücksichtigen, fehlen weitgehend.<br />

Die ergänzende Ausstattung des Bundes für den Katastrophenschutz im<br />

<strong>Zivilschutz</strong> berücksichtigt für die quantitative Zuordnung bisher ausschließlich<br />

den Bevölkerungsschlüssel.<br />

Bisher sind die Potenziale in keiner zentralen Datenbank erfasst. Somit ist nicht<br />

gewährleistet, dass in bestimmten Fällen benötigte Ressourcen zielgerichtet angefordert<br />

werden können. Es ist derzeit weitgehend vom Zufall abhängig, ob und<br />

inwieweit die zuständigen Stellen wissen, wo Anforderungen zielführend sind. Der<br />

Verband der chemischen Industrie (VCI e. V.) hat mit seinem seit über 25 Jahren<br />

bestehenden Transport-Unfall-Informations-System (TUIS) grundsätzlich übertragbare<br />

Maßstäbe gesetzt. Dabei erscheint es nicht geboten, dass die überwiegend<br />

genormten Elemente der Grundversorgung im Datenbestand erfasst werden, sondern<br />

insbesondere die Potenziale, die für spezielle Maßnahmen zur Gefahrenab-<br />

152


wehr vorgehalten werden. Seitens der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt<br />

wurde nunmehr mit dem deutschen Notfallvorsorge-Informations-<br />

System (deNIS) begonnen, diese Informationslücke zu schließen.<br />

7.1 Potenziale der Länder und Kommunen im Katastrophenschutz<br />

In den Kommunen sind zur Sicherstellung der Gefahrenabwehr leistungsfähige<br />

Feuerwehren und Rettungsdienste eingerichtet. Im Rahmen der nachbarschaftlichen<br />

Hilfe wird grundsätzlich gewährleistet, dass bei Großschadenslagen ausreichende<br />

Abwehrpotenziale bereitgestellt werden. Diese Einrichtungen sind teilweise<br />

durch spezielle Maßnahmen des jeweiligen Landes so ergänzt bzw. verstärkt<br />

worden, dass sie auch den besonderen Anforderungen einer Katastrophe partiell<br />

gewachsen sind. Dabei ist der überregionale Einsatz der Einheiten die Regel.<br />

Eine detaillierte Darstellung der verfügbaren Gefahrenabwehrpotenziale (z.B.<br />

Neukonzeption der Abwehr von Großschadenereignissen in Nordrhein-Westfalen<br />

oder Notstands-Fernbereitschaften der Bayerischen Feuerwehren [73] [77]) der<br />

Länder ist derzeit aus den genannten Gründen nicht möglich. Nur für Teilbereiche<br />

stehen entsprechende Tabellen bzw. Übersichten zur Verfügung [78]. Eine harmonische<br />

Integration der ergänzenden technischen Ausstattung des Bundes in die vorhandenen<br />

Potenziale der Länder in Abhängigkeit zu den örtlichen Risiken und der<br />

Verwundbarkeit erfolgt nicht oder nur zufällig.<br />

Die folgenden Angaben zeigen nur eine grobe Übersicht.<br />

Die öffentlichen Rettungsdienste der Länder verfügen über 7<br />

• ca. 32 000 hauptamtliche Helfer (69,4 % Rettungsassistenten, 27,8 % Rettungssanitäter<br />

und 2,8 % sonstige Helfer),<br />

• ca. 5 % der Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst werden von ehrenamtlichen<br />

Helfern erbracht [48]<br />

• ca. 17 000 Notärzte<br />

• 264 Rettungsleitstellen<br />

• 1 832 Rettungswachen (90 % ständig besetzt)<br />

• 1 054 Standorte mit arztbesetzten Rettungsmitteln (NAW 8 , NEF 9 und dgl.)<br />

• 50 Standorte mit Rettungshubschraubern (RTH)<br />

• 26 Standorte mit Intensivtransporthubschraubern (ITH)<br />

• 3329 Rettungswagen (davon 59,2 % ständig besetzt)<br />

• 2 773 Krankentransportwagen (davon 6,8 % ständig besetzt)<br />

7 Angaben aus dem FORPLAN Projekt „Infrastruktur und Leistungen im Rettungsdienst für die Jahre<br />

2000 und 2001“<br />

8 Notarztwagen<br />

9 Notarzteinsatzfahrzeug<br />

153


• 343 Notarztwagen (davon 76,7 % ständig besetzt)<br />

• 1159 Notarzt-Einsatzfahrzeuge (davon 75 % ständig besetzt).<br />

Die öffentlichen Feuerwehren verfügen über 10<br />

• 24 531 Freiwillige Feuerwehren<br />

• 1 059 000 ehrenamtliche Mitgliedern (ohne Jugendfeuerwehren)<br />

• 99 Berufsfeuerwehren<br />

• 27 614 hauptamtliche Feuerwehrbeamte<br />

• 33 361 Feuerwehrhäuser (nicht ständig besetzt)<br />

• 619 Feuerwachen (ständig besetzt).<br />

Diese weitgehend kommunalen Potenziale der öffentlichen Feuerwehren und des<br />

Rettungsdienstes sind insbesondere durch die Einrichtung (siehe Kap. 11.3) von<br />

überregional einsetzbaren Spezial-Einsatz-Gruppen (SEG 11 ) durch die Trägerorganisationen,<br />

die Kommunen und die Länder ergänzt worden. Vergleichbare statistische<br />

Angaben bezüglich der Quantität und Qualität dieser SEG stehen nicht<br />

zur Verfügung. Weitere Potenziale der Ländern sind nicht genannt, weil keine entsprechenden<br />

statistischen Informationen vorliegen und eine Abfrage der vorhandenen<br />

Ressourcen von der Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> im Bundesverwaltungsamt<br />

aufgrund fehlender Meldungen und mangelnder Vergleichbarkeit nicht abgeschlossen<br />

wurde. Auch die Potenziale der nichtöffentlichen Feuerwehren (Werk- und<br />

Betriebsfeuerwehren) bleiben unberücksichtigt, da sie weitgehend die besonderen<br />

betrieblichen Risiken abdecken müssen und für überregionale Aufgaben in der<br />

Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen.<br />

Die privaten Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD) sind mit<br />

ihren zusätzlichen personellen und materiellen Ressourcen in den Katastrophenschutz<br />

der Kommunen bzw. Länder integriert. Die Struktur dieser Einheiten ist<br />

sehr unterschiedlich. Weiterhin wirken örtlich kleinere Organisationen (z.B.<br />

Deichwacht, Bergwacht und dgl.) mit unterschiedlicher Struktur mit. Entsprechende<br />

vollständige und vergleichbare statistische Informationen sind derzeit nicht verfügbar.<br />

Die Spezial-Einsatz-Gruppen (siehe auch Tabelle 1) werden zur risikogerechten<br />

Gefahrenabwehr zwingend benötigt. Bisher erfolgte diesbezüglich keine Ergänzung<br />

der Ausstattung durch den Bund an die Länder, weil für diese Bereiche entsprechende<br />

Fachgruppen der Bundesanstalt THW zur Verfügung stehen (siehe<br />

auch Tabelle 3).<br />

10 Feuerwehr-Jahrbuch 2002/03<br />

11 auch Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG) genannt<br />

154


Tabelle 1: Eingerichtete Spezial-Einsatz-Gruppen (SEG), beim THW Fachgruppen<br />

SEG/ORG ASB DLRG DRK Feuerwehr<br />

* auch integraler Bestandteil der DRK Hilfszüge<br />

JUH MHD THW<br />

Tauchen - X X X<br />

Höhenrettung X X<br />

Wasserrettung X X X X X<br />

Dekontamination X<br />

Dekontamination<br />

verletzter Personen<br />

Spüren und Messen X<br />

Rettungsdienst X X X X X<br />

Sanitätsdienst X X X X<br />

Betreuungsdienst X X * X X<br />

Verpflegung X X * X X X X<br />

Versorgung X X * X X X X<br />

Trinkwasseraufbereitung<br />

X * X<br />

Notfallseelsorge X X X X<br />

Psychologische<br />

Betreuung<br />

(Krisenintervention)<br />

X * X<br />

Luftbeobachtung X<br />

Brücken- und Stegebau X X<br />

Räumen X X<br />

Ortung verschütteter<br />

Personen<br />

X X X X X X<br />

Pumpen X X<br />

Ölschadenbekämpfung X X<br />

Öl-Wasser-Separation X<br />

Elektroversorgung X * X X<br />

Logistik X X X * X X X X<br />

Kommunikation X X X * X X X X<br />

Führung X X X * X X X X<br />

155


7.2 Grundpotenziale des Bundes für die Rettung und technische Gefahrenabwehr<br />

Die Potenziale der Länder werden auf der Grundlage des <strong>Zivilschutz</strong>gesetzes vom<br />

Bund in den Bereichen Brandschutz, ABC-Schutz sowie Sanitäts- und Betreuungswesen<br />

auf der Basis des Bevölkerungsschlüssels ergänzt (siehe Tabelle 2). Weiterhin<br />

unterhält der Bund mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk eine flächendeckend<br />

verfügbare Organisation zur technischen Gefahrenabwehr. Die Leistungspotenziale<br />

der Bundesanstalt THW sind in der Tabelle 3 wiedergegeben.<br />

Die Bereitschaftspolizeien der Länder sowie bestimmte Einheiten des Bundesgrenzschutzes<br />

(BGS) sind mit technischen Zügen (Gerätekraftwagen, verschiedene<br />

Transport-Lkw, Lichtmastanhänger, Stromerzeuger, Kleinboot, Taucherfahrzeug<br />

und dgl.) ausgestattet, die gleichermaßen zur technischen Gefahrenabwehr<br />

herangezogen werden können, soweit keine polizeilichen Aufgaben in einer höheren<br />

Priorität stehen. Diese Einheiten sind grundsätzlich mit den Spezial-Einsatz-<br />

Gruppen vergleichbar.<br />

Der Bundesgrenzschutz betreibt unter anderem an 16 Standorten 24 Erkundungsund<br />

Transporthubschrauber für den <strong>Zivilschutz</strong>. Diese Fluggeräte sind vollständig<br />

in die Sicherstellung der flächendeckenden Luftrettung im Bundesgebiet auf der<br />

Grundlage der Rettungsdienstgesetze der Länder eingebunden.<br />

Zur Sicherung der Bundeswasserstraßen sowie der Nord- und Ostsee hat der Bund<br />

gemeinsam mit den Küstenländern ein umfangreiches Gefahrenabwehrmanagement<br />

eingerichtet. Damit wird sichergestellt, dass alle verfügbaren Ressourcen des<br />

Bundes und der Länder sowie der beteiligten Reedereien zeit- und sachgerecht zur<br />

Gefahrenabwehr koordiniert eingesetzt werden 12 , dass umfangreiche technische<br />

Hilfsmittel verfügbar sind 13 .<br />

12 Funktionalität des Havarie-Kommandos in Cuxhaven der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung<br />

13Schadstoffunfallbekämpfungsschiffe, Öl-Wasser-Separationsanlagen und dgl.<br />

156


Tabelle 2: Fahrzeugausstattung des Bundes an die Länder und Kommunen ohne sogenannte<br />

Platzhalterfahrzeuge (Stand: Jan. 2003)<br />

Brandschutz<br />

Modul Fahrzeug SOLL IST<br />

sanitätsdienstliche<br />

Versorgung<br />

betreuungsdienstliche<br />

Versorgung<br />

ABC-Schutz<br />

Löschgruppenfahrzeug LF 16-TS 927 924<br />

Schlauchwagen SW 2000-Tr 833 356<br />

Arzttruppkraftwagen 880 858<br />

Krankentransportwagen mit vier<br />

Tragen<br />

1760 1544<br />

Lastkraftwagen Bt-LKW 880 446<br />

Kleinbus Bt-Kombi 1320 566<br />

Feldkochherd FKH 880 864<br />

Personendekontamination DEKON-P 440 373<br />

Gerätedekontamination DEKON-G<br />

(alt)<br />

ABC-Erkundungskraftwagen<br />

ABC-ErkKW<br />

220 176<br />

1320 531<br />

157


Tabelle 3: Einheiten der Bundesanstalt THW (Stand: März 2002)<br />

* Derzeit sind noch nicht alle genannten Einheiten vollständig aufgestellt und ausgerüstet.<br />

** steht für die regionale Gefahrenabwehr nur bedingt zur Verfügung<br />

7.3 Spezielle Leistungen des Bundes<br />

Einheit Zahl<br />

Technischer Zug 810<br />

Fachgruppe Infrastruktur 264<br />

Fachgruppe Räumen 132<br />

Fachgruppe Wassergefahren 132<br />

Fachgruppe Elektroversorgung 66<br />

Fachgruppe Ortung 66<br />

Fachgruppe Wasserschaden / Pumpen 66<br />

Fachgruppe Logistik 66<br />

Fachgruppe Führung / Kommunikation 66<br />

Fachgruppe Trinkwasserversorgung 32<br />

Fachgruppe Brückenbau 16<br />

Fachgruppe Ölschaden * 16<br />

Fachgruppe Auslandseinsätze ** 6<br />

Der Bund hat seit 1998, verstärkt seit dem 11. September 2001, seine Leistungen<br />

insbesondere in folgenden Bereichen ausgeweitet:<br />

• Entwicklung einer Grundkonzeption für ein länderübergreifendes Krisenmanagement<br />

(Ausbau der Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen),<br />

• Auf- und Ausbau des Deutschen Notfallvorsorge-Informations-Systems (deNIS<br />

I + II),<br />

• Einrichtung und Betrieb eines „Gemeinsamen Melde- und Lage-Zentrums<br />

(GMLZ) in Analogie zum Monitoring + Information Centre (MIC) der Europäischen<br />

Gemeinschaft,<br />

• Kooperation mit der Europäischen Gemeinschaft im Zivil- und Katastrophenschutz,<br />

• Aus- und Fortbildung sowie Training (Verstärktes Seminarangebot der Akademie<br />

für Krisenmanagement, Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> -AKNZ-),<br />

• Wissenstransfer (Workshop’s der AKNZ),<br />

158


• Warnung und Information der Bevölkerung mit einem Satelliten gestützten<br />

Kommunikations-System,<br />

• Unterstützung der bürgerschaftlichen Selbsthilfe,<br />

• Förderung von <strong>Forschung</strong>s- und Entwicklungsvorhaben, insbesondere bezüglich<br />

der in den Berichten der <strong>Schutzkommission</strong> genannten Bereiche [4] [5].<br />

In diesem Zusammenhang sind beispielhaft die Quellen [28] [29] [30] [31] [32]<br />

[35] [37] [38] zu nennen,<br />

• Aufbau und Organisation einer „Zentralen Untersuchungs-Gruppe des Bundes“<br />

14 (TASK FORCE) zur Identifizierung von Radionukliden und Entschärfung<br />

unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) mit dem<br />

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem<br />

Bundesgrenzschutz (BGS),<br />

• Zentrale Koordinierung der Aufgaben in der Gefahrenabwehr durch das<br />

Robert-Koch-Institut bei Seuchen oder der Freisetzung gefährlicher biologischer<br />

Agenzien,<br />

• Betrieb des Orts-Dosisleistungs-Messnetzes des Bundesamtes für Strahlenschutz<br />

mit über 2.000 stationären Messstellen.<br />

Die Heranziehung von Einheiten der Bundeswehr hat sich insbesondere bei der<br />

Bewältigung von Naturkatastrophen gut bewährt. Es muss jedoch für eine ganzheitliche<br />

Gefahrenabwehrplanung berücksichtigt werden, dass entsprechend leistungsfähige<br />

Einheiten grundsätzlich erst nach einigen Tagen verfügbar sind. Der<br />

akute unmittelbare Einsatz ist insbesondere an Wochenenden sowie an Werkfeiertagen<br />

weitgehend ausgeschlossen. Weiterhin ist die lokale Präsenz der Bundeswehr<br />

an vielen Standorten deutlich reduziert worden. Gleichzeitig haben in den vergangenen<br />

Monaten die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr bei internationalen<br />

Missionen der UN, den EU oder der NATO deutlich zugenommen, die<br />

gleichermaßen zu einer Reduzierung der personellen Ressourcen geführt haben.<br />

Im Rahmen der Risikoanalysen der Länder und Kommunen muss zusätzlich<br />

geprüft werden, ob und inwieweit bestimmte Stützpunkte auch als Zielobjekte für<br />

Terroranschläge dienen könnten. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen und der<br />

allgemeinen Verpflichtung zur Sicherstellung des <strong>Zivilschutz</strong>es, muss die regionale<br />

Einsatzplanung zur Gefahrenabwehr bei Katastrophen, grundsätzlich ohne die<br />

Heranziehung der Ressourcen der Bundeswehr realisiert werden.<br />

8 Schwachstellen<br />

Nach dem 11. September 2001 wurden in einer Reihe von Diskussionen und Veröffentlichungen<br />

Schwachstellen der vorhandenen technischen Ausstattung<br />

beschrieben und Forderungen erhoben [7] [8] [9] [13] [14] [18] [23] [32] [52] [53].<br />

Weiterhin wurde in den Berichten der <strong>Schutzkommission</strong> 15 besondere Problemfelder<br />

beschrieben [4] [5].<br />

14 ZUB<br />

15 <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />

159


Insbesondere wurden folgende übergeordnete Defizite benannt:<br />

• Unzureichende Koordinierung zwischen den Katastrophenschutzmaßnahmen<br />

der Länder und des Bundes. Katastrophenschutz und <strong>Zivilschutz</strong> muss als<br />

Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden.<br />

• Fehlende Analysen des bestehenden Risikos und der Vulnerabilität auf allen<br />

Ebenen.<br />

• Unzureichende Vernetzung sektoraler Informationssysteme und fehlende Expertendateien.<br />

• Mangelnde Ausbildung im Bereich des Zusammenwirkens der beteiligten<br />

Organisationen und Einrichtungen.<br />

• Ausbildung der Koordinierungs- und Krisenstäbe (Kreis/Bezirk/Land/Bund)<br />

– soweit überhaupt vorhanden – unzureichend.<br />

• Stationäre medizinische Versorgung und öffentlicher Gesundheitsdienst sind<br />

bisher auf bedeutende Szenarien in keiner Weise vorbereitet.<br />

• Flächendeckende Versorgung mit Medikamenten oder Impfstoffen nicht<br />

sichergestellt.<br />

• Fehlende krisensichern Kommunikationsverbindungen.<br />

• Transport und Behandlung kontaminierter verletzter/erkrankter Personen nicht<br />

oder nur ansatzweise sichergestellt.<br />

• Unzureichende Selbstschutzmaßnahmen der gefährdeten bzw. betroffenen Bürger.<br />

• Warnung und Information der Bürger nicht zeitgerecht gewährleistet (Weckruf).<br />

Bezüglich der ergänzenden technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes im<br />

<strong>Zivilschutz</strong> wurden Schwachstellen von den Ländern, den Kommunen und den<br />

Trägerorganisationen formuliert [51] [76]. Weiterhin konnten bei der Bewältigung<br />

der Hochwasserlagen im Sommer 2002 Schwachstellen beobachtet werden.<br />

Diese im folgenden genannten Schwachstellen beziehen sich auf die derzeitige allgemeine<br />

Grundkonzeption der Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den<br />

Ländern:<br />

Strukturelle Schwachstellen<br />

• Die personellen und materiellen Ausstattungen der Spezial-Einsatz-Gruppen<br />

sind nicht einheitlich definiert. Der Bund, die Länder und Kommunen ergänzen<br />

entsprechende Einheiten in unterschiedlicher Weise und Zielrichtung.<br />

Gerade diese Einheiten sind jedoch für überregionale Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />

von besonderer Bedeutung und müssen deshalb in einheitliche<br />

Strukturen überführt werden.<br />

• Die vom Bund zugewiesenen Fahrzeuge aus der Grundkonzeption der achtziger<br />

Jahre werden aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen weiter betrieben,<br />

obwohl sie in keiner Weise den Anforderungen der derzeitigen Grundkon-<br />

160


zeption entsprechen (so genannte „Platzhalterfahrzeuge“). Eine sachgerechte<br />

Aufgabenwahrnehmung und harmonische Integration in die Ausstattung der<br />

Länder, Kommunen oder Trägerorganisationen ist somit in vielen Bereichen<br />

nicht gewährleistet. Aufgaben können mit den ehrenamtlichen Helfern nicht<br />

trainiert werden, weil die entsprechende Funktionalität nicht gegeben ist.<br />

• Die erforderliche technische Ausstattung muss bedarfs- und zeitorientiert erfolgen.<br />

Zeiträume von mehreren Monaten ohne geeignete Geräte- oder Fahrzeugausstattung<br />

demotivieren die ehrenamtlichen Helfer nachhaltig. Die uneingeschränkte<br />

Leistungsbereitschaft und Alarmierbarkeit kann nur gewährleistet<br />

werden, wenn technische und organisatorische Ausfallzeiten auf wenige Tage<br />

beschränkt sind.<br />

• Für die technischen Ausstattungen des Katastrophenschutzes müssen länderübergreifend<br />

einheitliche Qualitätsstandards definiert werden. Es ist derzeit<br />

nicht transparent, welche Leistungen mit den bereitgestellten Ausstattungen<br />

von den überwiegend ehrenamtlichen Helfern erbracht werden sollen.<br />

• Die derzeitigen Planungsgrößen für die Bereitstellung und Zuweisung von<br />

Fahrzeugen bzw. Einheiten und Einrichtungen im Katastrophenschutz müssen<br />

im Rahmen der Risikoanalysen der Länder geprüft und unter Berücksichtigung<br />

der Versorgungsstufen zugeordnet werden. So ist z.B. die Bereitstellung von<br />

1320 ABC-ErkKW 16 auf der Grundlage des Bevölkerungsschlüssels nicht<br />

nachvollziehbar.<br />

• Die internationale technische Entwicklung von Werkzeugen und Geräten muss<br />

auch mit der technischen Ausstattung zeitgerecht umgesetzt werden. Es ist für<br />

den ehrenamtlichen Helfer nicht nachvollziehbar, warum er Menschen in höchster<br />

Not mit veralteten, teilweise untauglichen Mitteln retten und versorgen<br />

soll, wenn in der gewerblichen Wirtschaft oder in der medizinischen/rettungsdienstlichen<br />

Versorgung der Bürger eine deutlich bessere Ausstattung üblich<br />

ist. Die Ausstattung muss regelmäßig dem Stand der Technik angepasst werden.<br />

• Die gesamte technische Ausstattung im Katastrophenschutz sollte weitgehend<br />

mit modularen Systemkomponenten realisiert werden. Es ist nicht akzeptabel,<br />

dass Fahrzeuge komplett ausfallen, weil einzelne Systeme nicht zeitgerecht<br />

instand gesetzt werden können.<br />

Fahrzeuge<br />

• Fahrzeuge und Geräte müssen komplett im voll funktionsfähigen Zustand ausgeliefert<br />

und erhalten werden.<br />

• Um die harmonische Integration der technischen Ausstattung in die örtlichen<br />

Strukturen zu gewährleisten, müssen alle zentral beschafften Fahrzeuge eine<br />

ausreichende Gewichts- und Volumenreserve haben.<br />

• Um Fahrzeuge mit Rettungsmitteln zur Gefahrenabwehr auch in Bereichen mit<br />

zerstörter Infrastruktur einsetzen zu können, muss eine ausreichende Motorisierung<br />

sowie eine Gelände- und Watfähigkeit gegeben sein.<br />

16 ABC-Erkundungskraftwagen<br />

161


• Die ergonomischen Erkenntnisse sowie die Anforderungen der Funktionalität<br />

müssen auch bei der technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes ausreichend<br />

gewürdigt werden.<br />

Schutzausstattung<br />

• Die Effektivität der persönlichen Schutzausstattung der Helfer und Helferinnen<br />

muss kontinuierlich dem Stand der Technik angepasst werden.<br />

• Die Auswahl und Zuweisung persönlicher Schutzausstattung in Anlehnung an<br />

die einschlägige EG-Richtlinie 17 zur Ausstattung der Helfer im Katastrophenschutz<br />

ist nur in Teilbereichen vollzogen worden. Bezüglich der Schutzausstattung<br />

gegen ABC-Gefahren bestehen in den einzelnen Trägerorganisationen<br />

erhebliche Verunsicherungen der Art, dass nicht beurteilt werden kann, welche<br />

Teilaufgaben von welchen Fachdiensten wahrgenommen werden und wie die<br />

jeweiligen Schnittstellen sachgerecht umgesetzt werden sollen. Bei einer großflächigen<br />

Kontamination durch radioaktive Stoffe oder biologische Agenzien<br />

stehen keine geeigneten Schutzanzüge in ausreichenden Stückzahlen (z.B.<br />

Infektionsschutzanzüge, einfache leichte Kontaminationsschutzanzüge zur<br />

Probenahme oder Chemikalienschutzanzüge zum Abdichten von Leckagen)<br />

zur Verfügung.<br />

• Die Bereitstellung bestimmter persönlicher Schutzausstattungen oder Vorsorgemaßnahmen<br />

(z.B. Schutzimpfungen) muss für alle vorhandenen ehren- oder<br />

hauptamtlichen Helfer aller Trägerorganisationen innerhalb eines Fachdienstes<br />

bzw. Aufgabenbereiches gleich sein.<br />

Brandschutz<br />

• Die derzeit übliche Methode der Löschwasserentnahme und Förderung mit<br />

dem Schlauchwagen (SW 2000-Tr) und dem Löschgruppenfahrzeug (LF 16-<br />

TS) entspricht nicht dem Stand der Technik. Insbesondere unter Berücksichtigung<br />

der rückläufigen Entwicklung von verfügbaren Helfern, der Notwendigkeit<br />

bei Überflutungen leistungsfähige Pumpenkapazitäten einsetzen zu können<br />

und bei Ausfall der Sammelwasserversorgung große Mengen von Wasser<br />

fördern zu müssen, ist der Einsatz effektiverer technischer Lösungen geboten<br />

(siehe entsprechende Pumpen der gewerbliche Wirtschaft).<br />

• Für die Sicherstellung einer effektiven Wasserförderung müssen zusätzliche<br />

mobile Behälter zur Verfügung stehen.<br />

• Es stehen bei Großschadenslagen nur unzureichende Auffangbehälter für<br />

gefährliche Stoffe oder kontaminiertes Wasser zur Verfügung.<br />

• Zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft des Schlauchwagens (SW 2000-<br />

Tr) bei der Bestückung mit B-Druckschläuchen ist ein umfangreicher und zeitintensiver<br />

Personaleinsatz notwendig, der von ehrenamtlichen Helfern kaum<br />

noch geleistet werden kann.<br />

17 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz die Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen<br />

durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (89/656/EWG)<br />

162


Technische Gefahrenabwehr<br />

• Die Erfahrungen aus einer Vielzahl von Katastrophen (New York City, Washington<br />

D. C. 11.09.2001, Kuta 11.04.2002, Elbehochwasser 2002 und dgl.)<br />

zeigen, dass infolge der Vertrümmerung die Zugänglichkeit des Schadengebietes<br />

nur mit dem Einsatz schwerer Räumgeräte hergestellt werden kann. Alle<br />

weiteren Rettungsmaßnahmen hängen entscheidend von der schnellen Wirksamkeit<br />

entsprechender Mittel (Radlader, Trümmerbagger, Krane und dgl.) ab<br />

[19]. Die Verfügbarkeit entsprechender Mittel aus der gewerblichen Wirtschaft,<br />

den Bereitschaftspolizeien und der Bundesanstalt THW hat sich auch beim<br />

Elbehochwasser als unzureichend erwiesen.<br />

ABC-Schutz<br />

• Insbesondere für die Abwehr von biologischen Gefahren muss die Ausstattung<br />

der ABC-ErkKW um die B-Probenahme erweitert werden. Entsprechende<br />

Konzepte sind zu entwickeln und umzusetzen.<br />

• Bei dem Verdacht einer großflächigen Kontamination oder Verseuchung müssen<br />

ABC-ErkKW eingesetzt und über entsprechende Kommunikationsmittel<br />

gelenkt werden. Dafür stehen weitestgehend keine Einrichtungen (ähnlich den<br />

früheren ABC-Melde- und Beobachtungs-Stellen) zur Verfügung. Mit der<br />

Bereitstellung entsprechender Messleitfahrzeuge oder der flächendeckenden<br />

Einrichtung so genannter zentraler Auswertestellen kann diese funktionelle<br />

Lücke, analog zu den Gefahrenabwehrplanungen bei Störfällen in kerntechnischen<br />

Anlagen geschlossen werden.<br />

• Es bestehen für bestimmte Bereiche nur unzureichende stationäre Messstationen<br />

zur Verfügung. Deshalb werden entsprechende Spür- und Messfahrzeuge<br />

(ABC-ErkKW) eingesetzt. Diese Fahrzeuge sind nicht mit einer Überdruckbelüftung<br />

ausgestattet, welche das Eindringen schädlicher Gase weitgehend verhindern<br />

könnte. Es müssen deshalb geeignete Fernerkundungs-Systeme verfügbar<br />

sein, die das Gelände so erkunden, dass eine Gefährdung der Besatzung<br />

des normalen Erkundungsfahrzeuges weitgehend ausgeschlossen wird.<br />

• Die in Teilbereichen erforderliche Probenahme von Luft-, Wasser- oder Boden<br />

aus großflächig kontaminierten Bereichen ist mit der verfügbaren Ausstattung<br />

nicht ausreichend realisierbar. Gekapselte, druckbelüftete (gasdichte) Fahrzeuge,<br />

die in ein kontaminiertes Gebiet eindringen und entsprechende Spür- und<br />

Messaufträge durchführen oder Proben nehmen können, stehen nicht zur Verfügung.<br />

Die vorhandenen Fahrzeuge (z.B. ABC-ErkKW) können grundsätzlich<br />

in ein kontaminiertes Gebiet eindringen, wobei die Besatzung mit Chemikalienschutzanzügen<br />

ausgerüstet entsprechende Proben nehmen kann. Jedoch<br />

muss anschließend davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug sowohl von<br />

innen wie von außen kontaminiert ist. Während eine Dekontamination der<br />

äußeren Oberflächen grundsätzlich möglich ist, erscheint eine sachgerechte<br />

Dekontamination des Innen- und Motorraumes ausgeschlossen.<br />

• Die vorhandenen Mittel zur Probenahme bei ABC-Gefahren stehen in keinem<br />

sachgerechten Kontext zur Probenaufbereitung und messtechnischen Analyse.<br />

Systeme und Verfahren zur Probenahme müssen ganzheitlich in die Prozesse<br />

der Probenaufbereitung und Analyse integriert sein. Dabei muss grundsätzlich<br />

163


eine vollständige Trennung der Verfahren zur Entnahme radioaktiver Proben,<br />

biologischer Agenzien oder gefährlicher chemischer Stoffe erfolgen. Für viele<br />

analytische Bereiche sind die Verfahren zur Probenahme und Aufbereitung in<br />

entsprechenden technischen Regeln festgelegt. In Anlehnung an diese Regeln<br />

müssen spezielle Verfahren für den ABC-Dienst entwickelt und in die ganzheitliche<br />

Konzeption integriert werden. Entsprechende Lösungen wurden für<br />

die Analyse von Rauchgas-, Luft-, Wasser- und Bodenproben zur Identifizierung<br />

chemischer gefährlicher organischer Stoffe mit einem Massenspektrometer-System<br />

und vorgeschaltetem Gaschromatographen erarbeitet und stehen zur<br />

Verfügung (siehe Abschlussbericht „Entwicklung und Erprobung von Standardverfahren<br />

in der Praxis” 18 ).<br />

• Einrichtungen zur Aufnahme des kontaminierten Waschwassers an Dekontaminations-Stellen<br />

stehen nicht ausreichend zur Verfügung.<br />

• Der Betrieb einer Dekontaminationsstation für Personen oder Geräte (z.B. mit<br />

den Modulen DEON-P oder DEKON-G) ist mit den verfügbaren Helfern nicht<br />

sachgerecht realisierbar. Die lokale Einsatzplanung muss eine entsprechende<br />

personelle Verstärkung mit mindestens 9 Helfern vorsehen.<br />

• Die Verlastung der Geräte auf den Fahrzeugen der vom Bund bereitgestellten<br />

DEKON-P- oder -G-Module ist nicht einsatzgerecht. Für die Entnahme der<br />

Geräte müssen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die es einer Person (z.B. Fahrer)<br />

ermöglicht, das Fahrzeug vollständig zu entladen.<br />

• Einheitliche Handlungsabläufe und eine geeignete Ausstattung für eine größere<br />

Anzahl verletzter/erkrankter Personen, die mit radioaktiven, gefährlichen<br />

chemischen Stoffen oder biologischen Agenzien kontaminiert sind, liegen nicht<br />

vor. Die Verschleppung der Kontamination insbesondere in die therapeutischen<br />

und diagnostischen Einrichtungen zur sachgerechten medizinischen Versorgung<br />

muss ausgeschlossen sein. Gleichzeitig ist eine schnelle und sachgerechte<br />

Behandlung der Verletzungen bzw. Erkrankungen sicherzustellen. Es muss<br />

angenommen werden, dass sich die betroffenen verletzten Personen nicht<br />

eigenständig entkleiden und einer groben Reinigung unterziehen können. Eine<br />

Kontrolle der Wirksamkeit der behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich<br />

der radioaktiven Stoffe mit begrenzten Mitteln möglich. Vergleichbare<br />

Lösungsansätze, wie sie in den USA für Städte mit mehr als 500 000 Einwohnern<br />

realisiert wurden, sind in der Bundesrepublik derzeit nicht vorhanden.<br />

• Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit, die im Zusammenhang mit behelfsmäßiger<br />

Fahrzeugdesinfektion aufgrund der Ausbreitungsgefahr der Maul- und<br />

Klauen-Seuche oder der Geflügelpest gesammelt wurden, belegen eindeutig,<br />

dass die derzeit im ABC-Dienst vorhandene Ausstattung nur eine unzureichende<br />

Dekontamination der Einsatzmittel zulässt. Arbeitsmittel wie Folien, Holzbauteile,<br />

Sprühkammern und dgl. fehlen. Eine Kontrolle der Wirksamkeit der<br />

behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich der radioaktiven Stoffe mit<br />

begrenzten Mitteln möglich. Einheitliche Vorgaben, welche zusätzlichen Mittel<br />

zur Dekontamination in Abhängigkeit zu den gefährlichen Stoffen eingesetzt<br />

werden sollen, liegen nicht vor. Eine eindeutige Erfassung der verschiedenen<br />

18 <strong>Forschung</strong>svorhaben ”Schnellanalyse bei Chemieunfällen und Bränden mit dem mobilen GC-MS-<br />

System” BMBF-Vorhaben 01 ZF 9503/9 Technische Universität Hamburg-Harburg Prof. Dr. Matz<br />

164


Werkstoffoberflächen der zu dekontaminierenden Geräte und eine daraus abgeleitete<br />

Handlungsanweisung, welche Dekontaminationsmittel in Abhängigkeit<br />

zur Kontamination, in welcher Weise und mit welcher Einwirkzeit einzusetzen<br />

sind, fehlt vollständig.<br />

• Einheitliche Handlungsabläufe und eine geeignete Ausstattung für eine größere<br />

Anzahl betroffener Personen, die mit radioaktiven, gefährlichen chemischen<br />

Stoffen oder biologischen Agenzien kontaminiert sind, liegen nicht vor. Mit der<br />

Aktivierung geeigneter öffentlicher Einrichtungen (z.B. Sport- und Freizeitanlagen,<br />

Schwimmbäder oder dgl.) können behelfsmäßig betroffene Personen<br />

einer groben Reinigung unterzogen werden. Eine Kontrolle der Wirksamkeit<br />

der behelfsmäßigen Reinigung ist nur im Bereich der radioaktiven Stoffe mit<br />

begrenzten Mitteln möglich. Einheitliche Vorgaben, welche zusätzlichen Mittel<br />

zur Dekontamination in Abhängigkeit zu den gefährlichen Stoffen eingesetzt<br />

werden sollen, liegen nicht vor. Bezüglich einer biologischen oder chemischen<br />

Kontamination können ggf. zusätzlich vorbeugende medizinische Maßnahmen<br />

eingeleitet bzw. vorbereitet werden. Eine Ausstattung der Personen mit geeigneter<br />

wärmender Ersatzkleidung sowie die sachgerechte Entsorgung der kontaminierten<br />

Wäsche ist nicht vorbereitet. Gleichermaßen stehen Einrichtungen<br />

zur Aufnahme des kontaminierten Waschwassers nicht oder nur in unzureichendem<br />

Maße zur Verfügung. Die örtlichen Kapazitäten des ABC-Dienstes<br />

reichen grundsätzlich für diesen Aufgabenbereich nicht aus.<br />

• Einheitliche Dekontaminationsmittel und -verfahren sind nicht vorhanden (die<br />

örtlichen Maßnahem zur Bekämpfung der Maul- und Klauen-Seuche oder der<br />

Geflügelpest orientierten sich an den individuellen Vorgaben des jeweiligen<br />

Veterinäramtes).<br />

Rettungs- und Sanitätswesen<br />

• Die ergänzende Ausstattung im Sanitätsdienst ist nicht mit den Funktionsabläufen<br />

des Rettungsdienstes harmonisiert. Der Sanitätsdienst in seiner bisherigen<br />

Grundstruktur kann die Anforderungen der modernen Notfallmedizin nicht erfüllen.<br />

Der Rettungsdienst ist strukturell und mengenmäßig nicht den Anforderungen<br />

national bedeutsamer Gefahrenlagen gewachsen. Die von den Ländern, Kommunen<br />

oder Trägerorganisationen zusätzlich eingerichteten Spezial-Einsatz-<br />

Gruppen schließen die bestehende Divergenz in der Regel nicht. Eine technische<br />

und taktische Verzahnung der Einheiten des Rettungsdienstes, der Spezial-Einsatz-Gruppen<br />

(SEG) und des Sanitäts- bzw. Betreuungsdienstes ist geboten.<br />

• Die personelle Ausstattung der Sanitätsmodule (ArztTrKW 19 und KTW 4Tr 20 )<br />

reicht für die sachgerechte Versorgung der verletzten oder erkrankten Personen<br />

nicht aus. Der Krankentransportwagen muss mit drei Helfern besetzt werden.<br />

Zusätzlich müssen mindestens weitere sechs Helfer für die Aufgaben am Behandlungsplatz<br />

zugeordnet werden (gemäß dem Grundkonzept zur Versorgung von ca.<br />

50 verletzten Personen).<br />

• Die in den kommunalen Feuerwehren und Rettungsdiensten tätigen hauptamtlichen<br />

Einsatzkräfte sind integraler Bestandteil der ganzheitlichen Gefahrenab-<br />

19 Arzttruppkraftwagen<br />

20 Krankentransportwagen mit vier Tragen<br />

165


wehr im Zivil- und Katastrophenschutz. Um die entsprechenden qualitativen<br />

Anforderungen insbesondere zur Versorgung lebensgefährlich verletzter oder<br />

erkrankter Personen durch Rettungsassistenten und -sanitäter sicherzustellen,<br />

müssen diese überwiegend hauptamtlichen Helfer in alle medizinisch-technischen<br />

Geräte (gemäß Medizin-Produkte-Gesetz) des Bundes gleichermaßen eingewiesen<br />

sein.<br />

• Eine sachgerechte Versorgung einer Vielzahl von verletzten oder erkrankten Personen<br />

mit entsprechend qualifizierten Rettungsassistenten bzw. sanitätern kann<br />

bei national bedeutsamen Gefahrenlagen nur gewährleistet werden, wenn die<br />

sofortige Alarmierbarkeit der dienstfreien haupt- und der ehrenamtlichen Helfer<br />

gewährleistet ist.<br />

Betreuungswesen<br />

• Die derzeit vorhandenen dezentralen Personenauskunftsstellen sind den quantitativen<br />

Anforderungen bei Großschadenslagen (mehr als 100 Betroffene oder<br />

international bedeutsame Ereignisse mit einer Vielzahl von Nachfragen aus<br />

dem Ausland) in Teilbereichen nicht gewachsen. Die beispielhaften, technischen<br />

und personellen Vorbereitungen der Länder Berlin und Bayern zeigen<br />

richtungsweisende Lösungen. Um auf der Basis der Erfahrungen von Großschadenfällen<br />

(z.B. Brände in der Gletscherbahn in Kaprun oder im Montblanc-Tunnel)<br />

mit Opfern aus verschiedenen Staaten sachgerechte Lösungen<br />

zu realisieren, müssen mindestens vier zentrale rechnergestützte Personenauskunftsstellen<br />

eingerichtet sowie bei entsprechenden Großschadenfällen anlassbezogen<br />

aktiviert und betrieben werden. Diese Personenauskunftsstellen müssen<br />

in einem Rechnerverbund arbeiten und über eine einheitliche Rufnummer<br />

erreichbar sein.<br />

• Die für den Betrieb von Notunterkünften erforderliche Ausstattung (Feldbetten,<br />

Wolldecken, Hygieneartikel, Handtücher, Seife und dgl.) sowie ergänzende<br />

Kleidung für eine Vielzahl von Menschen die ggf. evakuiert werden müssen,<br />

fehlt weitgehend.<br />

Informations- und Kommunikationswesen<br />

• Die Einheiten und Einrichtungen erfassen im Schadengebiet eine Vielzahl unterschiedlicher<br />

Daten (Personendaten sowie Spür- und Messergebnisse), die<br />

schnellstmöglich in den übergeordneten Führungsstellen zur weiteren Verarbeitung<br />

und insbesondere zur Lagedarstellung und -beurteilung benötigt werden. Es<br />

müssen technische Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, die eine schnelle<br />

und sichere Datenübertragung sowie Weiterverarbeitung gewährleisten.<br />

• Alle Systeme zur Auswertung gesammelter Daten (Personendaten sowie Spürund<br />

Messergebnisse) müssen mit einheitlichen Software-Systemen ausgewertet<br />

werden können. Grundsätzlich müssen die Daten in weitverbreitete Standard-Software<br />

importiert werden können (z.B. MS OFFICE “).<br />

• Es stehen keine geeigneten Informationstechniken für notwendige Datenbankabfragen<br />

(z.B. gefährliche Stoffe oder Kampfmittel) oder zur Datenerfassung<br />

(z.B. Personendaten in der Notunterkunft und am Behandlungsplatz) zur Verfügung.<br />

166


• Befehle oder Lageinformationen werden nur verbal über Funk übertragen. Dies<br />

führt insbesondere bei ortsfremden Einheiten (z.B. infolge der gebotenen überregionalen<br />

Hilfe im <strong>Zivilschutz</strong>) zu Fehlinterpretationen und erheblichen Nachfragen.<br />

• Die Verfügbarkeit einheitlicher Landkarten für die Einheiten ist nicht gewährleistet.<br />

Mit der Bereitstellung geeigneter Informationstechnik könnten alle Einheiten<br />

auf entsprechendes digitales Kartenmaterial zugreifen. Insbesondere bei<br />

überregionalen Einsätzen ohne entsprechende Ortskenntnis ist dies zwingend<br />

geboten.<br />

Führung<br />

• Im <strong>Zivilschutz</strong> werden aufgrund der außergewöhnlich schweren Schäden massiv<br />

Einheiten aus größeren Entfernungen im Rahmen der überregionalen Hilfe<br />

angefordert und eingesetzt. Die örtlich vorhandenen Befehls- und Führungsstellen<br />

(Bereitstellungsräume, Abschnittsführungsstellen, Technische Einsatzleitungen,<br />

Versorgungsstützpunkte und Einsatzabschnittsführungsstellen) reichen<br />

quantitativ nicht aus. Weiterhin werden zusätzliche mobile Befehlsstellen<br />

benötigt, die die Einheiten sammeln und in das Schadensgebiet führen. Um<br />

diesen Aufgaben gerecht werden zu können, müssen zusätzlich mobile Einrichtungen<br />

zum Betrieb entsprechender Befehlsstellen geschaffen werden.<br />

Qualitative Schwachstellen<br />

• Die derzeit bei den Ländern und Kommunen verfügbare ergänzende Ausstattung<br />

des Katastrophenschutzes ist qualitativ nicht geeignet, bei gezielten Terroranschlägen<br />

auf große Industrie- oder Verkehrsanlagen (z.B. große Störfallbetriebe,<br />

Tunnelanlagen der Fern- und Autobahnen, Hafenumschlagsanlagen,<br />

internationale Verkehrsflughäfen) eine Gefahrenabwehr (Menschenrettung,<br />

Bekämpfung von Flächenbränden und dgl.) sachgerecht zu realisieren. Die<br />

kommunale oder landeseigene Ausstattung für die tägliche Gefahrenabwehr,<br />

den Großschaden- oder Katastrophenfall ist auf die örtlichen Risiken abgestimmt.<br />

Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass alle Systeme des<br />

Gefahrenabwehrmanagements funktionstauglich sind und insbesondere die<br />

betrieblichen Anlagen zur Störfallsicherheit (z.B. stationäre Löschanlagen,<br />

baulicher Brand- und Explosionsschutz und dgl.) greifen. Wenn durch gezielte<br />

Terroranschläge oder Waffenwirkungen diese Systeme versagen, reichen die<br />

normalen Potenziale der Gefahrenabwehr (einschließlich der Nachbarschaftshilfe)<br />

nicht aus. Insbesondere fehlen für diese Fälle (nur bei Waffenwirkungen<br />

zu erwarten) Langzeitatemschutzgeräte, Hochleistungswasser- und Schaumwerfer,<br />

Turbolöscher, Gelenkmastbühnen, Großlüfter und dgl. Nur mit dem<br />

Einsatz überregionaler Spezialisten (TASK FORCES) können solche Szenarien<br />

letztendlich begrenzt werden [25].<br />

• Besondere Maßnahmen der Gefahrenabwehr, insbesondere in den Aufgabenbereichen<br />

der Identifizierung von nuklearen, biologischen oder chemischen<br />

Gefahren, sind nur in enger Kooperation mit entsprechenden Spezialisten realisierbar.<br />

Das erforderliche Fachwissen ist in wenigen Kompetenzzentren verfügbar<br />

und muss von dort angefordert werden können (TASK FORCES).<br />

167


In einer engen Wechselbeziehung zur technischen Ausstattung stehen folgende<br />

Schwachstellen, die gleichermaßen formuliert wurden und insbesondere in der<br />

Einsatz- und Führungsorganisation sowie der Ausbildung entsprechend zu würdigen<br />

sind:<br />

• engere Verzahnung der Ausbildungsschwerpunkte,<br />

• Berücksichtigung der zukünftigen Helferzahlen,<br />

• einheitliche Sprachregelung insbesondere im Führungsvorgang,<br />

• Darstellung der taktischen Einsatzgrundsätze der Einheiten bzw. Einsatzmittel<br />

(z.B. ABC-ErkKW),<br />

• Darstellung der üblichen einsatztaktischen Prozess- und Handlungsabläufe bei<br />

der Erkundung der A-, B- oder C-Gefahrenlage,<br />

• Integration freiwilliger spontaner Hilfskräfte in die Strukturen des Katastrophenschutzes,<br />

• Ausbildungskonzeption der Kräfte im Katastrophenschutz,<br />

• Rahmenkonzept einer Führungsorganisation für die operativ/taktischen Maßnahmen<br />

der Gefahrenabwehr,<br />

• Rahmenkonzept einer Führungsorganisation für die administrativ/organisatorischen<br />

Maßnahmen,<br />

• Kooperation im Rahmen der Zusammenarbeit (auch zivil-militärisch) bei<br />

nationalen Katastrophen oder bei internationalen Hilfseinsätzen der EU, der<br />

NATO bzw. der UN,<br />

• Einheitliche Begriffe in der Gefahrenabwehr des Bundes und der Länder,<br />

• Einheitliche Strukturen für eine regionale quantitative Verstärkung bei Großschadenslagen<br />

oder Katastrophen,<br />

• Einheitliche Strukturen für eine überregionale qualitative Verstärkung bei<br />

Großschadenslagen oder Katastrophen,<br />

• Für alle vorhandenen ehren- oder hauptamtlichen Helfer aller Trägerorganisationen<br />

muss eine einheitliche Basisausbildung bezüglich der Strukturen und<br />

Gefahrenpotenziale in der täglichen Gefahrenabwehr, bei Großschadensfällen,<br />

bei Katastrophen, bei Waffenwirkungen und Terroranschlägen realisiert werden.<br />

• Die notwendige Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit medizinischen,<br />

rettungsdienstlichen, sanitätsdienstlichen, betreuungsdienstlichen, versorgungsdienstlichen,<br />

pflegerischen und/oder psycho-sozialen Leistungen im Gefahrenfall<br />

geht fließend ineinander über. Dabei muss in einer ganzheitlichen Betrachtung<br />

sichergestellt werden, dass die erforderlichen Leistungen auch im Gefahrenfall<br />

kontinuierlich den betroffenen Menschen an seinem tatsächlichen<br />

Aufenthaltsort (Wohnung, Behandlungsplatz, Notunterkunft, Krankenhaus<br />

oder Ersatzquartier) erreichen.<br />

168


9 Wechselwirkungen<br />

Eine Neukonzeption der technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes steht<br />

insbesondere in einer engen Wechselbeziehung zu folgenden Bereichen:<br />

• Risikoanalysen und Bewertungen der Länder<br />

• Strategische Ziele<br />

• Taktische Konzepte<br />

• Definition der Versorgungsstufen<br />

• Vorhandene technische Ressourcen der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr der<br />

Länder und Kommunen<br />

• Zusätzlich verfügbare technische Ressourcen der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

des Bundes<br />

• Ausbildung der Einsatz- und Führungskräfte im Zivil- und Katastrophenschutz<br />

• Zahl der verfügbaren haupt- und ehrenamtlichen Helfer im Zivil- und Katastrophenschutz<br />

(öffentliche und private Träger)<br />

• Neuordnung der Führungsstrukturen<br />

– Einheitliche Begriffe in der Gefahrenabwehr des Bundes und der Länder<br />

– Rahmenkonzept eines Führungssystems für die operativ/taktischen Maßnahmen<br />

der akuten Gefahrenabwehr (z.B. FwDV 10021 )<br />

– Rahmenkonzept eines Führungssystems für die administrativ/organisatorischen<br />

Maßnahmen der politisch gesamtverantwortlichen Führung<br />

• Förderung der Selbstschutzmaßnahmen der Bürger<br />

• Warnung und Information der Bürger<br />

• Integration freiwilliger spontaner Hilfskräfte in die Strukturen des Zivil- und<br />

Katastrophenschutzes<br />

• Intensivierung der Kooperation im Rahmen der Zusammenarbeit (auch zivilmilitärisch)<br />

bei internationalen Hilfseinsätzen der EU (MIC22 + ECHO23 ), der<br />

NATO (EADRCC24 ) bzw. der UN (OCHA/INSARAG25 )<br />

Insbesondere muss sich die Stationierung von Einheiten im Katastrophenschutz an<br />

den jeweiligen Risikoanalysen der Länder und den damit verbundenen Versorgungsstufen<br />

orientieren.<br />

Da die Ergebnisse aus den verschiedenen Bereichen im Rahmen dieses Berichtes<br />

noch nicht vorliegen, kann die Diskussion derzeit nicht abgeschlossen werden.<br />

Gleichwohl kann die neue Zielorientierung zur technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes<br />

gestartet und mit einer entsprechenden Detailplanung begonnen<br />

werden.<br />

21 Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 -Führung und Leitung im Einsatz-<br />

22 Monitoring and Information Centre<br />

23European Community Humanitarian Office<br />

24 Euro-Atlantic Disaster Response Co-ordination Centre<br />

25 United Nations Office of Coordination Humanitarian Affairs, International Search and Rescue<br />

Advisory Group<br />

169


9.1 Aufgabenvielfalt in der Gefahrenabwehr<br />

Die genannten Terroranschläge, die Erfahrungen aus den jüngsten Naturkatastrophen<br />

in Verbindung mit der teilweise beeinträchtigten Infrastruktur (Räumung von<br />

Krankenhäusern und Altenheimen, Ausfall der Energieversorgung, Zerstörung von<br />

örtlichen Arztpraxen sowie dem Ausfall dezentraler Pflegedienste) machen deutlich,<br />

dass eine ganzheitliche Gefahrenabwehr sich nicht ausschließlich auf die<br />

Bekämpfung lokaler technischer oder natürlicher Gefahren beschränkt, sondern<br />

eine Vielfalt von unterschiedlichen Aufgaben wahrgenommen werden müssen. Die<br />

Aufgaben von der medizinischen, rettungsdienstlichen, sanitätsdienstlichen,<br />

betreuungsdienstlichen, versorgungsdienstlichen, pflegedienstlichen und psychosozialen<br />

Betreuung der betroffenen Menschen gehen fließend ineinander über. Die<br />

Unpassierbarkeit von Verkehrswegen machen auch eine lokale medizinische oder<br />

pflegerische ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte bzw. dem<br />

Pflegepersonal unmöglich. Ein schadensbedingtes hohes Aufkommen von ambulant<br />

zu versorgenden Patienten in einer beeinträchtigten Infrastruktur verlangt<br />

koordinierende Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden. Die Zuführung einer<br />

Vielzahl verletzter oder erkrankter Patienten in die Krankenhäuser zwingt zu einer<br />

deutlichen Aufstockung des dort tätigen Personals. Gleichzeitig werden Patienten<br />

entlassen, deren Heilbehandlung zu einem späteren Zeitpunkt oder im Rahmen<br />

einer ambulanten häuslichen Pflege realisiert wird. Dies erfordert gleichermaßen<br />

die Steigerung der Verfügbarkeit zusätzlicher Kräfte des Rettungs- und Sanitätsdienstes<br />

als auch des pflegerischen sowie medizinischen Personals.<br />

Nur mit einer umfassenden Einsatzplanung und -organisation sowie der entsprechenden<br />

Führungsorganisation können diese vielfältigen Aufgaben bewältigt werden.<br />

Dabei müssen alle Ressourcen erschlossen, motiviert und aktiviert werden.<br />

Die dafür erforderliche konzeptionelle Vorbereitung muss von den Ländern, Kommunen<br />

und Trägerorganisationen in Abhängigkeit zu den Ergebnissen der Risikoanalyse<br />

kurzfristig realisiert werden.<br />

9.2 Demographische Entwicklung<br />

Deutschland hat ein gegliedertes, zum großen Teil auf Ehrenamtlichkeit und<br />

Freiwilligkeit beruhendes einheitliches Hilfeleistungssystem. Die besondere<br />

Leistungsfähigkeit der täglichen Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes<br />

liegt in der dezentralen Präsenz und den damit verbundenen kurzen Interventionszeiten.<br />

Dies gewährleistet auch bei Großschadensfällen oder Katastrophen die<br />

schnellstmögliche Aktivierung aller notwendigen regionalen und überregionalen<br />

Ressourcen. Gleichzeitig schafft diese örtliche Präsenz eine enge Verbundenheit<br />

mit der Bevölkerung und einer hohen Akzeptanz. Diese hohe Effektivität kann<br />

künftig nur garantiert werden, wenn auch weiterhin Bürger und Bürgerinnen bereit<br />

sind, sich bei den ehrenamtlichen Organisationen für den Dienst in den Feuerwehren,<br />

dem Rettungsdienst und dem Katastrophenschutz zu engagieren [66] [67].<br />

Aufgrund der demographischen Entwicklung ist in den letzten Jahren ein deutlicher<br />

Rückgang an verfügbaren Jugendlichen (16 bis 20 Jahre) zu verzeichnen<br />

[46]. Um dennoch eine ausreichende Zahl an Nachwuchs zu rekrutieren, müssen<br />

erhebliche Anstrengungen bezüglich der Attraktivität des jeweiligen Dienstes und<br />

170


der Helfermotivation geleistet werden. Insbesondere müssen die ehrenamtlichen<br />

Potenziale (z.B. berufliche Qualifikationen) optimal genutzt werden. Notwendige<br />

Ausbildungsveranstaltungen müssen zeitlich auf das zwingende Mindestmaß<br />

begrenzt werden. Gleichzeitig sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die<br />

mit der Aus- und Fortbildung im Katastrophenschutz auch die berufliche Qualifikation<br />

fördert (z.B. Kommunikationstechnik, Fahrerlaubnis, und dgl.). Unnötige<br />

Belastungen des Ehrenamtes mit zeitintensiven administrativen Aufgaben sind<br />

auszuschließen.<br />

Die Motivation der Helfer wird auch durch eine funktionstaugliche und hochwirksame<br />

technische Ausstattung gefördert. Die Möglichkeit, in der Gefahrenabwehr<br />

beim Großschadensfall oder in einer Katastrophe mit Fahrzeugen und Geräten zu<br />

arbeiten, die den betroffenen Bürgern schnell und wirksam helfen, motiviert die<br />

Helfer für einen langen Zeitraum. Sofern ehrenamtliche Helfer mit technisch unzureichenden,<br />

veralteten Einsatzmitteln oder mit mangelhafter Ausbildung eingesetzt<br />

werden müssen, ist eine wirksame Rettung nicht oder nur verzögert möglich. Dieser<br />

Sachverhalt kann eine nachhaltige, weitgehend irreversible Demotivation des<br />

Helfers auslösen. Aus dieser Erkenntnis muss der Schluss gezogen werden, dass<br />

auch die kontinuierliche Bereitstellung moderner und leistungsfähiger technischer<br />

Ausstattung nachhaltig die Motivation der ehrenamtlichen Helfer stärkt. Weiterhin<br />

ist zu berücksichtigen, dass für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben in<br />

der Gefahrenabwehr künftig weniger Helfer verfügbar sind, als dies in den vergangenen<br />

Jahrzehnten gegeben war [68]. Deshalb muss die technische Ausstattung<br />

im Katastrophenschutz so gestaltet sein, dass grundsätzlich mit weniger Personal<br />

dasselbe Ziel erreicht wird.<br />

Bei der regionalen Zuweisung von Einheiten an Trägerorganisationen ist künftig<br />

seitens der Länder stärker zu berücksichtigen, dass personalintensive Aufgaben nur<br />

an die Standorte gegeben werden können, die nachhaltig eine sachgerechte personelle<br />

Besetzung gewährleisten. Stützpunkte, die aufgrund der strukturellen Bedingungen<br />

zugewiesene Einheiten personell über einen längeren Zeitraum nicht besetzen<br />

können, müssen von diesen Aufgaben entbunden werden. Hier müssen die<br />

Wechselbeziehungen zwischen den Ergebnissen der Risikoanalyse und dem damit<br />

verbundenen Bedarf an Einheiten mit der örtlichen Verfügbarkeit von ehrenamtlichen<br />

Helfern Berücksichtigung finden.<br />

9.3 Ehren- und hauptamtliches Personal<br />

Das flächendeckende Hilfeleistungssystem basiert in den Kommunen auf den Einheiten<br />

des Rettungsdienstes und den Feuerwehren unter Einbeziehung der nachbarschaftlichen<br />

Hilfe. Diese Basis wird durch Ergänzungen des jeweiligen Landes<br />

durch spezielle Einheiten und Einrichtungen für den überregionalen Einsatz und<br />

Großschadensfall erweitert.<br />

Für die Motivation der ehrenamtlichen Helfer ist eine effektive Integration in die<br />

tägliche Gefahrenabwehr, insbesondere im Rettungsdienst, zwingend geboten.<br />

Durch entsprechende organisatorische Maßnahmen der Länder, Kommunen und<br />

171


Trägerorganisationen muss künftig intensiver gewährleistet werden, dass die<br />

ehrenamtlichen Helfer kontinuierlich mitwirken.<br />

Die Aufgaben werden dabei von einer Vielzahl von hauptamtlichen und ehrenamtlichen<br />

Kräften gemeinschaftlich wahrgenommen. Auch im Katastrophenschutz<br />

wird diese gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung gleichermaßen umgesetzt.<br />

Bei der Zuweisung von Einheiten und Einrichtungen an Trägerorganisationen bzw.<br />

der Ausbildung von haupt- und ehrenamtlich arbeitenden Personen dürfen deshalb<br />

keine rechtlichen oder formalen Vorbehalte bezüglich einzelner Gruppierungen<br />

(ehren- oder hauptamtlich) greifen.<br />

Im Rahmen der täglichen Gefahrenabwehr leisten insbesondere die Feuerwehren<br />

und der Rettungsdienst Nachbarschaftshilfe, um örtliche Mehrbedarfe kurzfristig<br />

auszugleichen. Bei Großschadensfällen werden schnellstmöglich zusätzliche<br />

Reserven aktiviert (z.B. Spezial-Einsatz-Gruppen). Die Erfahrung der vergangenen<br />

Jahrzehnte hat gezeigt, dass für die überregionale Unterstützung im Katastrophenfall<br />

kurzfristig ca. 10 % der ständig verfügbaren personellen und materiellen<br />

Ressourcen in Marsch gesetzt werden können. Dies erfolgt in der Regel ohne nachhaltige<br />

Beeinträchtigung der örtlichen Sicherheitsanforderungen. Zusätzlich erforderliche<br />

Kräfte in derselben Größenordnung (weitere 10 %), können in der Regel<br />

nach einer kurzen Vorlaufzeit aktiviert werden. Bei einem Gesamtvolumen in den<br />

verschiedenen staatlichen und privaten Trägerorganisationen von mindestens 1,5<br />

Mio. ehren- und hauptamtlichen Helfern, stehen somit grundsätzlich für die<br />

Bekämpfung von Katastrophen bundesweit über 250 000 Einsatzkräfte des Rettungsdienstes,<br />

der Feuerwehren, der privaten Hilfsorganisationen und der Bundesanstalt<br />

Technisches Hilfswerk für überregionale Einsatzaufgaben zur Verfügung.<br />

Dabei wurde eine Reserve von ca. 50 000 Helfern nicht berücksichtigt.<br />

Um die zeitliche Belastung ehrenamtlicher Helfer im Katastrophenschutz aufgrund<br />

ihrer beruflichen Verpflichtungen zu begrenzen, muss in den größeren Kommunen<br />

geprüft werden, ob grundsätzlich bei überregionalen Einsätzen schwerpunktmäßig<br />

hauptamtliche Kräfte entsendet werden und die örtliche Gefahrenabwehr<br />

stärker von den ehrenamtlichen Kräften gesichert wird. Damit ergibt sich eine<br />

effektivere Flexibilität in der zeitlichen Belastung der ehrenamtlichen Helfer und<br />

damit der jeweiligen Arbeitgeber.<br />

9.4 Ausbildung<br />

Die Art der technischen Ausstattung beeinflusst die Notwendigkeit einer mehr oder<br />

weniger intensiven Aus- und Fortbildung. Grundsätzlich muss festgestellt werden,<br />

dass insbesondere die ehrenamtlichen Helfer mit der technischen Ausstattung und<br />

dem sachgerechten Umgang mit den verschiedenen Geräten ausgebildet und trainiert<br />

sein müssen. Der Einsatz der gesamten Ausstattung in der täglichen Gefahrenabwehr<br />

sowie bei Übungen und Demonstrationen muss uneingeschränkt<br />

ge-währleistet sein. Die entsprechenden Verbrauchs- und Betriebsmittel sowie der<br />

erhöhte finanzielle Aufwand in der Instandhaltung muss getragen werden, weil<br />

172


nur so gewährleistet wird, dass der jeweilige Helfer optimal trainiert und somit<br />

eine effektive Rettung der betroffenen Bürger realisiert ist.<br />

Neben den regionalen Ausbildungsveranstaltungen muss verstärkt durch überörtliche<br />

Übungen mit mehr als 300 Helfern gewährleistet werden, dass der Einsatz<br />

der gesamten technischen Ausstattung in einer dynamischen Wechselbeziehung<br />

mit anderen Einheiten trainiert wird. Insbesondere bei Übungen mit anderen Fachdiensten<br />

wird die Leistungsfähigkeit des gesamten Gefahrenabwehrpotenzials für<br />

den Helfer und den Bürger transparent. Grundsätzlich muss gewährleistet werden,<br />

dass jeder Helfer (haupt- und ehrenamtlich) alle vier Jahre an einer entsprechenden<br />

Großübung mit weitgehend realistischen Bedingungen teilnehmen kann.<br />

Aus bestimmten Aufgabenbereichen ergeben sich besondere Anforderungen an<br />

Funktionsträger, die derzeit nicht in der ergänzenden Aus- und Fortbildung ausreichend<br />

berücksichtigt sind (z.B. Fachberater in der Gefahrenabwehr, organisatorische<br />

Leiter im Rettungsdienst und dgl.). Künftig müssen auch diese Funktionen<br />

entsprechend berücksichtigt werden.<br />

9.5 Integration spontaner Helfer<br />

Bei den schweren Katastrophen der vergangenen Jahre (z.B. Oder-Hochwasser<br />

1996, New York, Washington D. C. 2001 und Elbe-Hochwasser 2002) wurde deutlich,<br />

dass eine Vielzahl von spontanen Hilfskräften sich als Katastrophenhelfer zur<br />

Verfügung stellen. Dabei wird deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger gleichwohl<br />

bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es muss jedoch in zunehmender<br />

Weise beobachtet werden, dass eine längere Bindung mit regelmäßigen Dienstund<br />

Ausbildungsveranstaltungen in einer Katastrophenschutzeinheit nicht favorisiert<br />

wird. Diese Bürgerinnen und Bürger, die spontan ihre Hilfe anbieten, können<br />

in verschiedene Bereiche (z.B. Betreuung, Verpflegung, Deichsicherung) der akuten<br />

Gefahrenabwehr integriert werden und steigern die Effektivität der operativ/taktischen<br />

Einheiten. Künftig muss stärker berücksichtigt werden, dass eine<br />

Integration der spontanen Helfer gewährleistet wird. Insbesondere müssen die<br />

Transportkapazitäten für Helfer gesteigert sowie einfache Hilfs- und Arbeitsmittel<br />

in ausreichender Zahl vorgehalten werden.<br />

10 Katastrophenabwehr als Gemeinschaftsaufgabe des<br />

Bundes und der Länder<br />

Nach den Ereignissen am 11. September 2001 haben die verantwortlichen Stellen<br />

des Bundes und der Länder eine Reihe von Aktivitäten mit dem Ziel gestartet, die<br />

• Vorsorge zur Vermeidung von Katastrophen,<br />

• Abwehrbereitschaft,<br />

• Katastrophenabwehr,<br />

173


weiter zu optimieren [1] [7] [8] [9]. Als Grundlage eines Konzeptes zum Schutz<br />

der Gesellschaft vor Gefahren dienen entsprechende Risikoanalysen, die insbesondere<br />

für folgende großflächige, national bedeutsame Gefahren- und Schadenslagen<br />

zu entwickeln sind:<br />

• Schwere ABC-Unfälle,<br />

• Flächenbrände,<br />

• Unwetter, Überschwemmungen und Erdbeben,<br />

• Störungen lebenswichtiger Infrastruktur,<br />

• Massenanfall Betroffener, insbesondere Verletzter.<br />

Besondere Gefahren, die durch Terroranschläge mit biologischen Agenzien oder<br />

chemischen Stoffen eintreten können, sind zu berücksichtigen.<br />

Die Konzeption soll nach der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in<br />

Deutschland“ zukünftig auf der Basis der gewonnenen Risikokategorien (potenzielle<br />

Gefährdung, Bevölkerungsdichte und dgl.) auf folgende Versorgungsstufen<br />

ausgerichtet werden [1]:<br />

• normierter alltäglicher Schutz (Stufe I),<br />

• standardisierter flächendeckender Grundschutz (Stufe II),<br />

• erhöhter Schutz für gefährdete Regionen und Einrichtungen (Stufe III),<br />

• Sonderschutz mit Hilfe von Spezialkräften für von Bund und Ländern gemeinsam<br />

definierte besondere Gefahren (Stufe IV TASK FORCES).<br />

Die strategische Neuordnung der technischen Ausstattung im Katastrophenschutz<br />

muss sich daran orientieren, dass die sachgerechte Bewältigung der Gefahrenabwehr<br />

unabhängig von der Ursache realisiert wird. Einsatzmittel, die von den privaten<br />

Trägerorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD), Kommunen,<br />

Ländern oder dem Bund bereitgestellt wurden, müssen ganzheitlich in einer wirkungsbezogenen<br />

Gefahrenabwehrkonzeption zusammengeführt werden. Die technische<br />

Konzeption muss darauf abgestellt sein, dass sich z.B. die Fahrzeuge und<br />

Geräte des Bundes zur Ergänzung des Katastrophenschutzes im <strong>Zivilschutz</strong> harmonisch<br />

in die Ausstattung der Kommunen und Länder für die tägliche Gefahrenabwehr<br />

integrieren.<br />

11 Struktur der Einheiten und Einrichtungen<br />

Die Strukturen der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes sind in<br />

den Ländern und Kommunen sowie in den privaten Hilfsorganisationen unterschiedlich<br />

realisiert und auf der Grundlage der lokalen Entwicklungen historisch<br />

gewachsen. Lediglich die vom Bund vorgegebenen Module, der ergänzenden technischen<br />

Ausstattung des Katastrophenschutzes im <strong>Zivilschutz</strong>, sind bundesweit<br />

einheitlich vorgegeben. Die jeweilige regionale Integration dieser Module wurde<br />

weitgehend individuell geregelt.<br />

174


11.1 Zentrale Einrichtungen<br />

Seitens des Bundes stehen nunmehr für die Bewältigung national bedeutsamer<br />

Gefahrenlagen insbesondere folgende zentrale Einrichtungen<br />

• Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> (ZfZ),<br />

• Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> (AKNZ),<br />

• Deutsches Notfallvorsorge-Information-System (deNIS),<br />

• Gemeinsames Melde- und Lagezentrum (GMLZ),<br />

• Interministerielle Koordinierungsgruppe für großflächige Gefährdungslagen<br />

beim BMI (Geschäftsführung),<br />

• Bundesamt für Strahlenschutz (BfS),<br />

• Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (BA THW),<br />

• Robert-Koch-Institut (RKI),<br />

• Havariekommando in der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord<br />

für die Vorbereitung, Koordinierung und Durchführung der effektiven Gefahrenabwehr<br />

zur Verfügung. Diese Einrichtungen unterstützen auf Anforderung die Länder<br />

bei Katastrophen oder Großschadenslagen aktiv in der Gefahrenabwehr.<br />

11.2 Einheiten<br />

Einheiten unterschiedlicher Fachbereiche (Brandschutz, technische Gefahrenabwehr,<br />

Dekontamination, Spüren und Messen, Rettungs- und Sanitätsdienst, Betreuung,<br />

Versorgung, Wasserrettung, Kommunikation und Führung) sind grundsätzlich<br />

flächendeckend vorhanden und mit ehren- und hauptamtlichen Kräften besetzt.<br />

Die Einheiten werden nach operativ/taktischen Gesichtspunkten geführt und eingesetzt.<br />

Der taktische Einsatzwert der Einheiten ist auf der Basis der technischen<br />

Ausstattung und personellen Leistungsfähigkeit festgelegt. Die Aufstellung von<br />

Einheiten und Einrichtungen einschließlich der Einsatzplanung sowie der Führungs-<br />

und Einsatzorganisation obliegt den Ländern und Kommunen.<br />

Die Einheiten gliedern sich grundsätzlich in folgende Formen:<br />

• Trupp 1)<br />

• Staffel 1)<br />

• Gruppe 2)<br />

• Zug<br />

• Erweiterter Zug<br />

• Verband 3)<br />

1) keine selbstständige taktische Einheit<br />

2) erste selbstständige taktische Einheit<br />

3) Verbände werden entsprechend der Aufgabenstellung aus Zügen ggf. unterschiedlicher Fachdienste<br />

gebildet<br />

175


Es muss insbesondere bei überregionalen Hilfeanforderungen oder bei der Koordinierung<br />

durch die Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />

gewährleistet werden, dass die von den Ländern oder Kommunen aufgestellten<br />

Einheiten dem angeforderten Einsatzwert (technisch/personell) tatsächlich entsprechen.<br />

Im Großschadensfall oder bei Katastrophen muss die quantitative Verstärkung<br />

der örtlichen Kräfte in erster Linie aus einer maximalen Entfernung von<br />

150 km gewährleistet werden. Einheiten zur Ablösung der Kräfte können im besonderen<br />

Bedarfsfall auch aus größeren Entfernungen herangeführt werden.<br />

11.3 Spezial-Einsatz-Gruppen<br />

Um spezielle Aufgaben in der Gefahrenabwehr innerhalb einer Region durch<br />

besonders qualifizierte, geeignete und ausgerüstete Einsatzkräfte wahrnehmen zu<br />

lassen, wurden so genannte Spezial-Einsatz-Gruppen 26 (SEG) aufgestellt.<br />

Anmerkung<br />

Die in Teilbereichen übliche Bezeichnung der SEG als Schnell-Einsatz-Gruppe ist<br />

relativ. Hier lösen unterschiedliche Erwartungshaltungen Irritationen aus. Auch<br />

die Verwendung des Begriffes Sonder-Einsatz-Gruppe ist aufgrund der historischen<br />

Bedeutung nicht angezeigt. Die Verwendung des Begriffs Spezial-Einsatz-<br />

Gruppe trifft den tatsächlichen Sachverhalt.<br />

Die Tabelle 1 zeigt, welche Spezial-Einsatz-Gruppen 27 in den verschiedenen Organisationen<br />

eingerichtet wurden (soweit bekannt).<br />

Es muss insbesondere bei überregionalen Hilfeanforderungen oder bei der Koordinierung<br />

durch die Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen<br />

gewährleistet werden, dass alle gleich bezeichneten SEG einen weitgehend gleichen<br />

technisch/personellen Einsatzwert haben. Grundsätzlich soll eine SEG so<br />

organisiert sein, dass sie innerhalb von 30 Minuten nach der Alarmierung ausrücken<br />

kann. Im Großschadensfall oder bei Katastrophen sollte die Verfügbarkeit<br />

von SEG aus einer maximalen Entfernung von 150 km gewährleistet werden. Einheiten<br />

zur Ablösung der SEG können im besonderen Bedarfsfall auch aus größeren<br />

Entfernungen herangeführt werden.<br />

11.4 Task Forces<br />

In einer TASK FORCE werden die speziellen wissenschaftlichen, analytischen,<br />

technischen, logistischen und personellen Fähigkeiten und Leistungen in einer<br />

operativ/taktischen Einheit kombiniert. Grundsätzlich muss eine TASK FORCE<br />

26 auch als Schnell-Einsatz-Gruppen oder Fach-Gruppen (THW) bezeichnet<br />

27 die Fachgruppen des THW entsprechen den Spezial-Einsatz-Gruppen anderer Trägerorganisationen<br />

176


immer an ein entsprechendes überregionales Kompetenzzentrum (international<br />

anerkannte Einrichtung) gebunden sein. Die führenden Mitglieder einer TASK<br />

FORCE müssen über ein exzellentes wissenschaftliches, technisches, medizinisches,<br />

operatives, taktisches und logistisches Spezialwissen in ihrem jeweiligen<br />

Aufgabenspektrum verfügen. Für die einzelnen Aufgabenbereiche sind jeweils nur<br />

wenige, qualitativ hochwertige TASK FORCES erforderlich. Bei einer maximalen<br />

Entfernung von 150 km, kann das gesamte Bundesgebiet mit ca. neun Standorten<br />

flächendeckend versorgt werden. Die TASK FORCES unterstützen die<br />

örtlichen Einrichtungen in der akuten Gefahrenabwehr im Rahmen der Amtshilfe.<br />

Die örtliche Verantwortung und Führung bleibt dabei unangetastet. Der Abmarsch<br />

der TASK FORCE in das Einsatzgebiet erfolgt innerhalb von 30 Minuten nach der<br />

Alarmierung. Der Einsatz der TASK FORCES ist grundsätzlich überall in<br />

Deutschland möglich. Die gesamte Ausstattung einer TASK FORCE muss weitgehend<br />

luftverlastbar gestaltet sein, damit der überregionale Einsatz schnellstmöglich<br />

gewährleistet ist. Es muss durch entsprechende Regelungen sichergestellt sein,<br />

dass die TASK FORCES jederzeit für den Lufttransport auf entsprechend geeignete<br />

Transporthubschrauber des Bundesgrenzschutzes zugreifen können.<br />

Die TASK FORCES sind weiterhin für den Einsatz im Ausland, insbesondere im<br />

Auftrag der EU, der NATO oder der UN, vorzusehen.<br />

TASK FORCES müssen grundsätzlich dort eingerichtet werden, wo entsprechende<br />

personelle Kapazitäten jederzeit verfügbar sind 28 und die erforderliche technische<br />

Ausstattung weitgehend vorhanden ist. Sofern mehr als eine TASK FORCE<br />

in einem Spezialbereich eingerichtet wird, ist eine einheitliche Ausstattung sicher<br />

zu stellen.<br />

Um kurzfristig der potenziellen Bedrohung durch Terroranschläge mit gefährlichen<br />

chemischen Stoffen effektiver begegnen zu können, müssen insbesondere<br />

für den Bereich der Identifizierung gefährlicher chemischer Stoffe, an den Standorten<br />

Heyrothsberge (SA), Mannheim (BW) und Hamburg (FHH) entsprechende<br />

TASK FORCES aktiviert werden. Die dafür erforderliche qualifizierte personelle<br />

und technischen Ausstattung ist an diesen Standorten in wesentlichen Teilen vorhanden.<br />

12 Anforderungen an die technische Ausstattung im<br />

Katastrophenschutz<br />

Die im folgenden genannten Bereiche werden in diesem Bericht nicht weiter thematisiert,<br />

müssen jedoch bei der ganzheitlichen Betrachtung gleichermaßen zur<br />

technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes Berücksichtigung finden:<br />

• Koordinierung länderübergreifender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />

• Warnung und Information der Bevölkerung<br />

28 24 h pro Tag, an 365 Tagen pro Jahr, ggf. mit einer Rufbereitschaft<br />

177


• Sicherstellung des Gesundheitsschutzes<br />

• Bevorratung wichtiger medizinischer Verbrauchsmittel, Geräte und Medikamente<br />

• Bevorratung entsprechender Impfstoffe<br />

• Sicherstellung einer ausreichenden Trinkwassernotversorgung<br />

• Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsinfrastruktur<br />

• Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des täglichen<br />

Bedarfs (Nahrungsmittel, Hygieneartikel und dgl.)<br />

• Sicherstellung der Versorgung mit thermischer und elektrischer Energie<br />

• Sicherstellung einer ausreichenden Entsorgung (Müll- und Abwasserbeseitigung).<br />

Auch bezüglich dieser genannten Arbeitsbereiche ist eine analoge strategische<br />

Neuorientierung bzw. Anpassung an die Bedrohungs- und Risikosituationen geboten.<br />

Alle Ressourcen des Bundes, der Länder und Kommunen sowie der Trägerorganisationen<br />

stehen für die Aufgabenwahrnehmung im Sinne einer ganzheitlichen<br />

gemeinschaftlichen Gefahrenabwehr uneingeschränkt zur Verfügung. Die auf der<br />

Grundlage der Risikoanalysen in Verbindung mit den Versorgungsstufen definierte<br />

Vorhaltung muss grundsätzlich verfügbar sein, es ist dabei unbedeutend,<br />

welcher Trägerorganisation (z.B. DRK) die ergänzende Ausstattung zugeordnet<br />

wurde.<br />

Besondere quantitative technische Bedarfe in der konkreten Aufgabenabwicklung<br />

bei einem Großschadensfall müssen aus entsprechenden überregionalen Logistik-<br />

Zentren zugeführt werden. Damit wäre gewährleistet, dass die Basiskomponenten<br />

in den einzelnen Versorgestufen auch bei einer überdurchschnittlich hohen Einsatzbelastung<br />

mit ausreichendem Material versorgt werden können.<br />

Auf die alternative Aufstellung leistungsstarker großer Ergänzungseinheiten sollte<br />

weiterhin verzichtet werden, weil diese Einheiten erfahrungsgemäß nur sehr selten<br />

zum Einsatz kommen, erhebliche zeitliche Verzögerungen (Alarmierung,<br />

Anfahrt und dgl.) eintreten und nur eine geringe Professionalisierung zu erwarten<br />

ist.<br />

Die hier dargestellte strategische Konzeption der technischen Ausstattung orientiert<br />

sich an den bundesweiten allgemeinen Aufgabenbereichen. Grundsätzlich<br />

sind bezüglich der Gliederungen der Einheiten und Einrichtungen regionale Unterschiede<br />

auf der Basis örtlicher Risiken möglich, die alternative Ausstattungsvarianten<br />

zur Folge haben müssen. Spezielle Strukturen, die sich in der täglichen<br />

Gefahrenabwehr bewährt haben, sollten unbedingt beibehalten und unter Berücksichtigung<br />

der neuen bzw. ergänzten Risikoanalyse fortgeschrieben werden.<br />

178


12.1 Schutzausstattung<br />

Grundsätzlich muss für alle Helfer in den verschiedenen Trägerorganisationen auf<br />

der Basis der einschlägigen Arbeitsschutzregeln entsprechende Schutzkleidung<br />

bereitgestellt werden [60] [61] [62]. Dabei muss zwischen der persönlichen<br />

Schutzausstattung (z.B. Helm, Schutzstiefel und dgl.) und der bedarfsorientierten<br />

zusätzlichen Schutzausstattung (z.B. Atemschutz) differenziert werden. Während<br />

die persönliche Ausstattung dem ehren- oder hauptamtlichen Helfer übergeben<br />

wird, steht die zusätzliche Schutzausstattung nur anlassbezogen zu Verfügung<br />

(z.B. Chemikalienschutzanzug oder dgl.).<br />

Um den besonderen Gefahren durch radioaktive und chemische Stoffe oder biologische<br />

Agenzien sachgerecht begegnen zu können, muss jeder Helfer in der<br />

Brandbekämpfung, der technischen Gefahrenabwehr, bei der ABC-Abwehr<br />

(Gefahrenbeseitigung, Dekontamination und Erkundung) sowie im Rettungs- und<br />

Sanitätseinsatz auf Schutzausstattungen zugreifen können, die ihm einen Schutz<br />

gewährleisten bzw. den geschützten Umgang mit Patienten erlauben. Diese Ausstattung<br />

muss entweder als persönliche Schutzausrüstung dem jeweiligen Helfer<br />

zugewiesen oder als Standardbeladung auf dem Einsatzfahrzeug für besondere<br />

Fälle vorgehalten werden. Wird die Ausstattung als Standardbeladung auf den Einsatzfahrzeugen<br />

vorgehalten, ist zusätzlich eine ausreichende Reserve von mindestens<br />

15 % erforderlich.<br />

Für die rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung von verletzten/erkrankten<br />

Personen mit zunächst unklarem Krankheitsbild muss eine Infektionsschutzausstattung,<br />

die auch gegen entsprechende biologische Agenzien (B-Kampfstoffe)<br />

schützt, für alle haupt- und ehrenamtlichen Helfer verfügbar sein. Diese erforderliche<br />

Ausstattung wird insbesondere bei national bedeutsamen Gefahrenlagen<br />

(z.B. Terroranschläge mit biologischen Agenzien) benötigt. Deshalb müssen auf<br />

den entsprechenden Fahrzeugen für alle Besatzungsmitglieder (mindestens drei<br />

Helfer) Einweg-Infektions- und -Kontaminationsschutzanzüge verfügbar sein. Die<br />

derzeit in den einschlägigen Normen nur optional geforderte Ausstattung ist unzureichend.<br />

12.2 Gesundheitsvorsorge<br />

Um eine umfassende sachgerechte Aufgabenwahrnehmung bei der Brandbekämpfung,<br />

der ABC- und technischen Gefahrenabwehr sowie bei der Versorgung verletzter/erkrankter<br />

Personen durch den Rettungs- und Sanitätsdienst zu gewährleisten,<br />

müssen in den verschiedenen Aufgabenbereichen umluftabhängiger oder in<br />

besonderen Fällen umluftunabhängiger Atemschutz eingesetzt werden. Weiterhin<br />

ist der Einsatz von Kontaminationsschutz- oder Chemikalienschutzanzügen bei<br />

entsprechenden Schadenslagen zu erwarten. Aufgrund der bei national bedeutsamen<br />

Gefahrenlagen zu erwartenden Aufgaben müssen grundsätzlich die in Tabelle<br />

4 dargestellten Anforderungen des Berufsgenossenschaftlichen Grundsatzes<br />

179


G 26 29 erfüllt werden. Alle Helfer, die aus gesundheitlichen Gründen den Anforderungen<br />

der Gruppe 2 oder 3 nicht entsprechen, müssen mindestens den Anforderungen<br />

der Gruppe 1 genügen. Ansonsten können sie bei der Betreuung der<br />

betroffenen Bevölkerung eingesetzt werden.<br />

Tabelle 4: Gebotene arbeitsmedizinische Vorsorge des Personals in der Gefahrenabwehr<br />

Weiterhin muss im Rahmen einer umfassenden Vorsorge auch für die ehrenamtlichen<br />

Helfer ein freiwilliger Impfschutz realisiert werden. Insbesondere gegen<br />

• Hepatitis A<br />

• Hepatitis B<br />

• Tetanus<br />

• Tollwut<br />

• Typhus<br />

• Diphtherie 1)<br />

• Masern 1)<br />

• Röteln 1)<br />

• Mumps 1)<br />

• Poliomyelitis<br />

• Frühsommermeningoenzephalitis<br />

• Spezielle Impfungen und Prophylaxen für Auslandseinsätze (nur für Helfer, die<br />

für Auslandseinsätze vorgesehen sind oder bedarfsorientiert eingesetzt werden)<br />

1) nur sofern kein ausreichender Impfschutz gegeben ist<br />

G 26 Gruppe 3 G 26 Gruppe 2<br />

Hauptamtlich<br />

Ehrenamtlich<br />

Hauptamtlich<br />

Ehrenamtlich<br />

Brandschutz 100 % 80 % - 20 %<br />

ABC-Schutz 100 % 80 % - 20 %<br />

Medizinischer Dienst 25 % 25 % 75 % 75 %<br />

Rettungs- und Sanitätsdienst 25 % 25 % 75 % 75 %<br />

Betreuung - - - -<br />

sind Schutzimpfungen geboten. Bei den hauptamtlichen Einsatzkräften ist dies in<br />

der Regel sichergestellt.<br />

29 Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem Berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsatz G 26 „Atemschutzgeräte“ (BGI 504-26) in Verbindung mit den Anhaltspunkten<br />

der speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorge „allg. Teil“ (BGI 504-0)<br />

180


Weitere erforderliche medizinische Untersuchungen des ehren- oder hauptamtlichen<br />

Personals im Rahmen der Vorsorge (z.B. für Köche im Betreuungsdienst<br />

oder besondere Funktionen in den TASK FORCES) müssen gleichermaßen sichergestellt<br />

sein. Eine ungleiche Behandlung der ehren- und hauptamtlichen Helfer in<br />

den Ländern, Kommunen oder Trägerorganisationen muss ausgeschlossen sein.<br />

12.3 Zentrale Vorhaltungen<br />

Um den besonderen Anforderungen bei überregionalen Einsätzen gerecht zu werden,<br />

müssen zusätzliche Ausstattungen für die ehren- und hauptamtlichen Helfer<br />

vorgehalten werden, die eine Übernachtung, Nahrungsaufnahme, persönliche<br />

Hygiene und zusätzlichen Witterungsschutz (winterfest) sowie spezielle Schutzmaßnahmen<br />

gewährleisten. Da für überregionale Einsätze auf ca. 250000 Helfer<br />

zurückgegriffen werden kann (siehe Kap. 9.3), sind entsprechende Mittel (Wetterschutz,<br />

Trainingsanzug, Ess- und Kochgeschirr, Feldbett, Schlafsack, Overgarment<br />

mit Kontaminationsschutz und dgl.) in geeigneten Logistik-Zentren vorzuhalten<br />

bzw. den Helfern im Bedarfsfall als persönliche Ausstattung zuzuweisen. Dabei<br />

scheint aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre (Oder- oder Elbehochwasser)<br />

eine Vorhaltung für 15 % der haupt- und ehrenamtlichen Helfer ausreichend<br />

(37 500 Sätze) zu sein. Diese Ausstattung muss auch bei fachdienstübergreifenden<br />

Übungen uneingeschränkt nutzbar sein. Die Ersatzbeschaffung muss so<br />

gestaltet werden, dass jährlich 10 % des Bestandes erneuert wird. Haupt- und<br />

ehrenamtliche Helfer in Einheiten, die grundsätzlich für den überregionalen oder<br />

internationalen Einsatz vorgesehen sind (z.B. TASK FORCES), müssen unmittelbar<br />

mit entsprechender Ausstattung versorgt sein.<br />

Bestimmte Schutzausstattungen (Filtereinsätze, Ölschutzkleidung, Einwegschutzanzüge<br />

und dgl.) müssen insbesondere bei großflächigen Schadenslagen (z.B.<br />

Schadstofffreisetzung mit der Kontamination großer Flächen) zeitgerecht verfügbar<br />

sein. Diese Ausstattungen müssen gleichermaßen in geeigneten Logistik-Zentren<br />

vorgehalten werden. Prüfpflichtige Ausstattungen (z.B. Atemschutzgeräte,<br />

Chemikalienschutzanzüge) müssen in einem geeigneten Rotationssystem in die<br />

tägliche Nutzung (z.B. an Landesfeuerwehrschulen) integriert werden. Die Ersatzbeschaffung<br />

muss so gestaltet sein, dass grundsätzlich jährlich 5 bis 10 % der jeweiligen<br />

Bestände erneuert werden.<br />

12.4 Brandbekämpfung<br />

Infolge von Waffenwirkungen oder Terroranschlägen können Explosionen und<br />

Brände ausgelöst werden. Unter besonderen Rahmenbedingungen können sich<br />

diese Brände zu Flächenbränden ausdehnen. Dies ist insbesondere dann zu erwarten,<br />

wenn eine Vielzahl von zunächst kleinen Bränden nicht oder verspätet<br />

bekämpft und sich zu Flächenbränden ausbreiten oder durch eine unzureichende<br />

Löschwasserversorgung (z.B. Zerstörung/Ausfall der Sammelwasserversorgung)<br />

nicht sachgerecht bekämpft werden können. Weiterhin verursachen Waffenwirkungen<br />

oder gezielte Terroranschläge die Zerstörung der vorbeugenden baulichen und<br />

181


etrieblichen Maßnahmen zur Störfallbegrenzung in großen oder gefährlichen<br />

Industrie- und Verkehrsanlagen (z.B. Tanklager). Die in der täglichen Gefahrenabwehr<br />

und für den Großschadensfall ausreichenden Einsatzmittel setzen die<br />

Funktionstauglichkeit der anlagenspezifischen Gefahrenabwehrsysteme voraus.<br />

Sofern diese nicht wirken oder infolge der Waffenwirkung bzw. des Anschlags<br />

überdimensionale Schäden eingetreten sind, sind die normal verfügbaren Mittel<br />

unzureichend.<br />

Weiterhin ist eine Ergänzung des Brandschutzes für die Bekämpfung von außergewöhnlichen<br />

Großbränden in Verkehrs- oder Industrieanlagen sowie für die<br />

Sicherstellung der Wasserversorgung, die sich aus der Aufgabenstellung ergeben,<br />

erforderlich.<br />

12.4.1 Sicherstellung der Wasserversorgung<br />

Bei national bedeutsamen Gefahrenlagen ist die Konzentration einer Vielzahl von<br />

Abwehrkräften zur Schadensbekämpfung zwingend geboten. Zur Realisierung der<br />

Menschenrettung und Brandbekämpfung ist der Einsatz großer Wassermengen<br />

notwendig. Diese erforderlichen Mengen stehen in der Sammelwasserversorgung<br />

zur Trinkwasserbereitstellung nicht oder nur unzureichend zur Verfügung. Insbesondere<br />

wenn aufgrund der auslösenden Elemente (z.B. Waffenwirkung oder Terroranschlag)<br />

die Sammelwasserversorgung zerstört ist, muss eine unabhängige<br />

Löschwasserversorgung in der Regel über große Entfernungen realisiert werden.<br />

Auf der Basis dieses Sachverhalts wurde von einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe<br />

ein neues Konzept erarbeitet [51]. Die Erfahrungen durch die Terroranschläge<br />

sowie die Notwendigkeit zur Entwässerung bei Überflutungen gleichermaßen<br />

Hochleistungspumpen einsetzen zu müssen, lassen die im genannten Konzept [51]<br />

aufgezeigte Alternative zur weiteren Nutzung von genormten Schlauchwagen<br />

nicht mehr zu.<br />

12.5 Technische Gefahrenabwehr<br />

Ziel der technischen Gefahrenabwehr ist es, Menschen aus lebensbedrohlichen<br />

Zwangslagen zu befreien und sie einer ggf. erforderlichen medizinischen und rettungsdienstlichen<br />

Versorgung oder Betreuung zuzuführen. Die Bergung von getöteten<br />

Personen und deren würdevolle Behandlung gehört gleichermaßen zur technischen<br />

Gefahrenabwehr. Die Wirkungen der Gefahren auf die Umwelt und wichtige<br />

Infrastrukturbereiche (Verkehrsnetz, Energie- und Trinkwasserversorgung und<br />

dgl.) sind durch entsprechende Abwehrmaßnahmen zu begrenzen.<br />

Insbesondere mit den technischen Möglichkeiten der Bundesanstalt THW mit den<br />

folgenden Fachgruppen 30<br />

30 mit den Spezial-Einsatz-Gruppen des Länder, Kommunen oder Trägerorganisationen vergleichbar<br />

182


• Ortung<br />

• Räumen<br />

• Brückenbau<br />

• Pumpen<br />

• Elektroversorgung<br />

• Trinkwasserversorgung<br />

wird der Katastrophenschutz der Länder bezüglich der technische Gefahrenabwehr<br />

vom Bund qualitativ verstärkt. Zusätzlich erfolgt mit den technischen Zügen des<br />

Technischen Hilfswerks eine quantitative Verstärkung. Die Länder, Kommunen<br />

und Trägerorganisationen verfügen über eine weitergehende umfangreiche Ausstattung,<br />

um insbesondere eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben in der Gefahrenabwehr<br />

(Ölschadenbekämpfung, Rettungshundestaffeln, Rettungs- und Bergungstaucher<br />

und dgl.) zu gewährleisten. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Terroranschlägen<br />

der jüngsten Vergangenheit (starke Zertrümmerung der Zufahrten<br />

und dgl.) müssen zusätzliche Kapazitäten für die Trümmerbeseitigung, die Entwässerung<br />

und Elektroversorgung geschaffen werden.<br />

12.6 Abwehr von chemischen, biologischen, radiologischen oder<br />

nuklearen Gefahren<br />

Bei der Abwehr der CBRN-Gefahren wird eindeutig zwischen den verschiedenen<br />

Gefahren durch<br />

• nukleare Wirkungen (Wärmestrahlung, Druckwelle, radioaktive Strahlung,<br />

nuklearer elektromagnetischer Impuls und dgl.)<br />

• gefährliche radioaktive Stoffe<br />

• gefährliche biologische Agenzien<br />

• gefährliche chemische Stoffe<br />

und deren Kombinationen differenziert. Vergleichbare Abwehrmechanismen dürfen<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um grundverschiedene physikalische,<br />

biologische oder chemische Wirkungen handelt. Deshalb müssen alle<br />

ABC-Komponenten grundsätzlich differenziert betrachtet werden.<br />

12.6.1 Auffangen, Eindämmen und Sichern radiologischer, biologischer<br />

oder chemischer Stoffe<br />

Vorbehaltlich der Risikoanalysen sind die für die tägliche Gefahrenabwehr und<br />

Großschadensfälle verfügbaren Ressourcen ausreichend. Um den besonderen<br />

Anforderungen bei national bedeutsamen Gefahrenlagen zu entsprechen, müssen<br />

spezielle TASK FORCES mit entsprechenden zusätzlichen Einsatzmitteln (z.B.<br />

Transportbehälter, mobile Desinfektionseinrichtungen, Behälter mit großem Auffangvolumen<br />

und dgl.) ausgestattet werden.<br />

183


12.6.2 Dekontamination der Einsatzkräfte<br />

Mit der Dekontamination der Einsatzkräfte muss gewährleistet werden, dass die<br />

Helfer vor Gefahren radioaktiver, biologischer oder chemischer Stoffe durch eine<br />

schnelle Dekontamination sachgerecht geschützt werden. Die entsprechenden<br />

Anlagen und Einrichtungen müssen mobil an den Ort verbracht werden können,<br />

wo die Einsatzkräfte den Risiken unmittelbar ausgesetzt sind oder sein könnten.<br />

Die Anlagen müssen so gestaltet sein, dass eine schnelle sachgerechte Dekontamination<br />

von radioaktiven oder chemischen Stoffen bzw. eine Entseuchung möglich<br />

ist. Dabei wirken die Einsatzkräfte soweit möglich mit. Die Dekontamination<br />

der Einsatzkräfte erscheint mit den derzeit bereitgestellten Mitteln möglich. Die<br />

Anforderungen an die technischen Systeme wurden in den letzten Jahren im Rahmen<br />

von Feldversuchen definiert und in einer neuen praxistauglichen Konzeption<br />

für die vom Bund bereitgestellten Module festgeschrieben (DEKON-P). Da der<br />

Betrieb einer Personen-Dekontamination personalintensiv ist, eine umfangreiche<br />

Wasserver- und -entsorgung installiert werden muss sowie weitere logistische Aufgaben<br />

sicherzustellen sind, muss die entsprechende personelle Ausstattung sichergestellt<br />

werden. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu berücksichtigen, dass ggf.<br />

auch eine psychosoziale Betreuung geboten ist. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />

und -methoden müssen entwickelt und erprobt werden und den entsprechenden<br />

Einheiten zur Verfügung stehen.<br />

12.6.3 Dekontamination der Einsatzmittel<br />

Mit der Dekontamination von Fahrzeugen, Geräten sowie von Schutzausstattungen<br />

muss gewährleistet werden, dass diese Mittel für die weitere Verwendung verfügbar<br />

bleiben. Insbesondere im Rahmen der Gefahrenabwehr ist es geboten, dass<br />

keine Engpässe bei Ressourcen eintreten. Derzeit sind mobile technische Verfahren<br />

zur Dekontamination von Fahrzeugen, Geräten und Schutzausstattungen, die<br />

radioaktive, biologische und chemische Stoffe gleichermaßen vollständig beseitigen<br />

bzw. unschädlich machen, nicht verfügbar. Für den Aufgabenbereich der<br />

Dekontamination von Straßenfahrzeugen stehen einsatztaugliche Systemkomponenten<br />

zur Verfügung. Grundsätzlich sind diese Systeme auch geeignet, andere<br />

Oberflächen (z.B. Verkehrswege) zu dekontaminieren. Da der Betrieb einer Geräte-Dekontamination<br />

personalintensiv ist, eine umfangreiche Wasserver- und -entsorgung<br />

installiert werden muss sowie weitere logistische Aufgaben sicherzustellen<br />

sind, muss die personelle Ausstattung sichergestellt werden.<br />

Es kann dabei jedoch nur eine grobe Oberflächendekontamination der äußeren<br />

Fahrzeugteile bzw. Oberfläche realisiert werden. Damit wird eine Kontaminationsverschleppung<br />

begrenzt. Eine vollständige Dekontamination ist grundsätzlich<br />

nicht möglich. Es muss deshalb im Einzelfall genau geprüft werden, ob in Abhängigkeit<br />

zur Gefahrenlage die äußere Oberflächendekontamination ausreicht und<br />

eine Gefährdung der Fahrzeugnutzer sowie eine Kontaminationsverschleppung<br />

nicht gegeben ist oder durch besondere Maßnahmen (z.B. Schutzkleidung) ausgeschlossen<br />

werden kann. Nur für den Bereich der radioaktiven Kontamination wird<br />

mit entsprechenden Mess-Systemen unmittelbar geprüft, wie erfolgreich die<br />

184


Dekontaminationsmaßnahmen waren. Bei einer biologischen oder chemischen<br />

Kontamination ist dies nicht oder nur sehr bedingt möglich. Für schwach energetische<br />

Strahlung ist der Nachweis mit den im Katastrophenschutz üblicherweise<br />

verfügbaren Geräten gleichermaßen nicht möglich. Einsatzfahrzeuge, die zur<br />

Gefahrenerkundung oder -abwehr in einem kontaminierten Gebiet eingesetzt<br />

waren, können nach einer Oberflächendekontamination bedingt weiterverwendet<br />

werden, wenn die Besatzung entsprechend geschützt (Kontaminationsschutz) und<br />

eine Beeinträchtigung des Einsatzauftrages nicht zu erwarten ist.<br />

Die Dekontamination spezieller flüssigkeits- bzw. gasdichter Schutzkleidung muss<br />

mit mobilen Anlagen realisiert werden. Im Bereich der radioaktiven Kontamination<br />

kann mit entsprechenden Mess-Systemen unmittelbar geprüft werden, wie<br />

erfolgreich die Dekontaminationsmaßnahmen waren. Bei einer biologischen oder<br />

chemischen Kontamination ist dies nicht oder nur sehr bedingt möglich. Mit entsprechenden<br />

Maßnahmen, muss in bestimmten Fällen gewährleistet werden, dass<br />

die spezielle Schutzkleidung nach der Dekontamination wieder verwendet werden<br />

kann. Gleichzeitig sind <strong>Forschung</strong>svorhaben einzuleiten, mit denen messtechnische<br />

Möglichkeiten zum Kontaminationsnachweis gefährlicher chemischer Stoffe<br />

entwickelt werden. Gleichwohl ist festzustellen, dass eine Dekontamination<br />

bestimmter gefährlicher chemischer Stoffe mit den derzeit verfügbaren Verfahren<br />

nicht möglich ist.<br />

Die Wirksamkeit der Dekontamination der Vielzahl verschiedener Einsatzmittel<br />

(Beleuchtungsgeräte, Schläuche, Rettungsmittel und dgl.) kann aufgrund der<br />

unterschiedlichen Oberflächen und den damit verbundenen Abhängigkeiten<br />

(Stoffeigenschaften, Eindringtiefe, Dekontaminationsmittel und dgl.) derzeit nicht<br />

abschließend beurteilt werden. Einheitliche mobile Verfahren, deren Funktionalität<br />

und Wirksamkeit unter Einsatzbedingungen wissenschaftlich bestätigt wurde, sind<br />

nicht bekannt.<br />

Aufgrund der genannten Rahmenbedingungen sind derzeit lediglich mobile Systeme<br />

verfügbar, die eine grobe Oberflächendekontamination von Fahrzeugen<br />

gewährleisten oder flüssigkeitsdichte Schutzanzüge dekontaminieren, um eine<br />

bedingte Weiterverwendung zu gewährleisten. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />

und -methoden müssen entwickelt, erprobt und den Einheiten zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Alternativ zur Dekontamination der Schutzanzüge steht die erweiterte Ausstattung,<br />

die Engpässe in der Gefahrenabwehr ausschließt. Diese Lösung wird bis auf wenige<br />

Ausnahmen auch in der täglichen Gefahrenabwehr praktiziert. Eine abschließende<br />

Bewertung muss auf der Basis wirtschaftlicher Untersuchungen (Investitions-<br />

und Betriebskosten) getroffen werden.<br />

12.6.4 Dekontamination betroffener Personen<br />

Mit der Dekontamination der betroffenen Personen wird gewährleistet, dass die<br />

Bevölkerung vor Gefahren radioaktiver, biologischer oder chemischer Stoffe durch<br />

eine schnelle Dekontamination vor weitergehenden Gefahren geschützt wird. Die<br />

185


Dekontamination von Personen, die mit chemischen Nerven- oder Hautkampfstoffen<br />

(z.B. VX, Sarin, Soman, Tabun, Schwefel- oder Stickstofflost) kontaminiert<br />

sind, muss so schnell wie möglich unter Anwendung aller verfügbaren einfachen<br />

Möglichkeiten realisiert werden [80] [81] [83] [85] [86]. Die Heranführung und<br />

der Aufbau spezieller Einheiten und Einrichtungen ist in diesen Fällen zeitlich<br />

nicht vertretbar. Die Schnelligkeit der Dekontamination entscheidet über Leben<br />

und Tod der betroffenen Personen [79]. Qualitative Mängel oder unzumutbar<br />

anmutende Methoden (z.B. Einsatz von kaltem Wasser) müssen als lebensrettende<br />

Maßnahme akzeptiert werden. Dabei müssen entsprechend geeignete bevölkerungsnahe<br />

Anlagen und Einrichtungen (z.B. Schwimmbäder, Turnhallen und dgl.)<br />

genutzt werden. Die im Bereich der kerntechnischen Anlagen verfügbaren Notfallstationen<br />

werden dabei vorrangig genutzt. Einheitliche Dekontaminationsmittel<br />

und -methoden müssen entwickelt und bereitgestellt werden. Die mobilen Einrichtungen<br />

des Katastrophenschutzes (z.B. DEKON-P/G + ABC-ErkKW) unterstützen<br />

in besonderen Fällen mit der messtechnischen Ausstattung. Die ggf. erforderlichen<br />

unterstützenden Leistungen sind mit den derzeit bereitgestellten Mitteln<br />

möglich. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu berücksichtigen, dass ggf. eine<br />

psychosoziale Betreuung geboten ist.<br />

12.6.5 Dekontamination verletzter Personen<br />

Die schnelle und sachgerechte medizinische, rettungs- oder sanitätsdienstliche Versorgung<br />

verletzter oder erkrankter Personen, die mit radioaktiven oder chemischen<br />

Stoffen kontaminiert sind, muss mit den mobilen DEKON-P-Modulen unter Einbeziehung<br />

des Rettungs- und Sanitätsdienstes realisiert werden [50]. Damit wird<br />

ausgeschlossen, dass kontaminierte Patienten Einrichtungen des Rettungsdienstes<br />

oder des Krankenhauses kontaminieren und somit weitere Gefahrenstellen entstehen.<br />

Vorbehaltlich der Ergebnisse des laufenden Entwicklungsvorhabens zur Optimierung<br />

der Prozess- und Handlungsabläufe bei der medizinischen Versorgung<br />

kontaminierter Patienten31 muss sichergestellt werden, dass der Patient zunächst<br />

durch den Rettungs- und Sanitätsdienst versorgt wird, soweit dies vor der Dekontamination<br />

möglich ist und unter Vollschutz durch die Einsatzkräfte realisiert werden<br />

kann. Die Dekontamination erfolgt unter Berücksichtigung der besonderen<br />

Hinweise des Rettungs- und Sanitätsdienstes. Die weitergehende Versorgung wird<br />

anschließend vom Rettungs- und Sanitätsdienst sichergestellt. Da Patienten grundsätzlich<br />

keine selbständigen Handlungen während der Dekontamination realisieren<br />

können, müssen die DEKON-P-Module personell durch mindestens sechs speziell<br />

qualifizierte Helfer des Rettungs- oder Sanitätsdienstes verstärkt werden. Die<br />

zusätzlich notwendige Schutzausstattung sowie die entsprechenden Einrichtungen<br />

zur Lagerung und Dekontamination der Patienten müssen bereitgestellt werden.<br />

Sanitäts-, rettungsdienstliche oder medizinische Rettungs- und Versorgungsmittel<br />

müssen gleichermaßen verfügbar sein. Für die Dekontamination von Personen, die<br />

mit chemischen Nerven- oder Hautkampfstoffen (z.B. VX, Sarin, Soman, Tabun,<br />

Schwefel- oder Stickstofflost) kontaminiert sind, gelten die im Kap. 12.6.4 bereits<br />

genannten Grundsätze. Einheitliche Dekontaminationsmittel und -methoden müs-<br />

31 „Erstellung eines Konzeptes zur Dekontamination verletzter Personen“ Prof. Dr. Domres Chirurgische<br />

Universitätsklinik Tübingen<br />

186


sen entwickelt und bereitgestellt werden. Im Rahmen der Einsatzplanung ist zu<br />

berücksichtigen, dass ggf. eine psychosoziale Betreuung geboten ist.<br />

12.6.6 Erkundung radiologischer, biologischer oder chemischer Gefahren<br />

Grundsätzlich wird bei der messtechnischen Erfassung radiologischer, biologischer<br />

oder chemischer Gefahren zwischen folgenden Kernaufgaben differenziert:<br />

• Identifizierung<br />

• Überwachung (Monitoring)<br />

• Nachweis einer Kontamination bzw. Kontrolle der Dekontamination<br />

• Dosisüberwachung 32 .<br />

12.6.6.1 Identifizierung<br />

Eine sachgerechte Beurteilung der Gefahrenlage ist nur möglich, wenn die freigesetzten<br />

gefährlichen Stoffe (Nuklide, Kampfstoffe oder Industriechemikalien<br />

sowie biologische Agenzien) eindeutig zu identifizieren sind. Der Einsatz einfacher<br />

Mess-Systeme zur Überwachung (Monitoring) des Schadensortes bzw. des<br />

Umfeldes zum Schutz der Bevölkerung ist weitgehend nur nach der Identifizierung<br />

möglich. Die rettungsdienstliche und medizinische Versorgung verletzter<br />

Personen sowie anti-epidemische Maßnahmen sind nur möglich, wenn den behandelnden<br />

Ärzten die Ursache (Schadstoff) der Körperschädigungen (Vergiftungen,<br />

Verätzungen, Erkrankungen und dgl.) bekannt sind. Insbesondere bei Großschadenslagen<br />

infolge von Terroranschlägen, Explosionen, Naturereignissen oder<br />

kriminellen Handlungen mit radioaktiven und/oder chemischen Stoffen muss eine<br />

schnelle Identifizierung vor Ort erfolgen. Die verfügbaren technischen Mess-Systeme<br />

erlauben es, dass Spezial-Einheiten (TASK FORCES) von entsprechenden<br />

Kompetenz-Zentren diese notwendige Identifizierung sicherstellen.<br />

Eine entsprechende Einheit (ZUB, siehe Kap. 7.2) zur Identifizierung von unbekannten<br />

Radionukliden in Verbindung mit der Entschärfung von unkonventionellen<br />

Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) steht beim Bundeskriminalamt in<br />

Verbindung mit dem Bundesgrenzschutz sowie dem Bundesamt für Strahlenschutz<br />

zur Verfügung. Ob und inwieweit weitere als Spezial-Einheit (TASK FORCE)<br />

geeignete Standorte verfügbar sind, muss kurzfristig geprüft werden.<br />

Insbesondere ein großer Teil der verdampfbaren organischen Schadstoffverbindungen<br />

(z.B. Kampfstoffe), die über die Ausbreitung in der Luft als Gas oder Aerosol<br />

hohe toxische Konzentrationen verursachen können, lassen sich mit einem<br />

mobilen Massenspektrometer-System mit vorgeschaltetem Gaschromatographen<br />

(so genanntes GC-MS-System) identifizieren 33 . Keine oder unzureichende Analy-<br />

32 nur bei radioaktiven Stoffen<br />

33 <strong>Forschung</strong>svorhaben ”Schnellanalyse bei Chemieunfällen und Bränden mit mobilem GC-MS-<br />

System” Vorhaben BMBF 01 VQ 9109 Technische Universität Hamburg-Harburg Prof. Dr. Matz<br />

187


seergebnisse bei der so genannten ”Vor Ort Analytik” liefert das GC-MS-System<br />

bei toxischen Stäuben, Säuren oder Laugen.<br />

Auf der Basis der Erfahrungen<br />

• der Bundeswehr mit dem Spürpanzer FUCHS<br />

• der Feuerwehren<br />

– Frankfurt am Main<br />

– Mannheim<br />

– Hamburg<br />

• Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt (Heyrothsberge)<br />

• des Kampfmittelräumdienstes der Polizei Berlin<br />

• des Landesumweltamtes Brandenburg<br />

• des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen<br />

mit dem mobilen GC-MS-System kann festgestellt werden, dass es derzeit kein<br />

anderes marktgängiges Analyse-System zur Vor-Ort-Identifizierung von chemischen<br />

Gefahrstoffen gibt, das gleichermaßen geeignet ist.<br />

Entsprechend geeignete Systeme zur Identifizierung gefährlicher chemischer Stoffe<br />

(insbesondere organische Industriechemikalien und Kampfstoffe) stehen in<br />

Frankfurt am Main34 , Mannheim, Berlin, Hamburg, Essen, Potsdam und Heyrothsberge<br />

zur Verfügung. Es muss kurzfristig geklärt werden, ob und inwieweit an diesen<br />

Standorten entsprechende TASK FORCES eingerichtet werden können.<br />

Grundsätzlich ist eine direkte messtechnische Erfassung biologischer Gefahren<br />

unmittelbar am Schadensort noch nicht möglich. Eine Identifizierung der biologischen<br />

Agenzien kann erst durch eine sachgerechte Probenahme und -aufbereitung<br />

sowie der Auswertung erfolgen. Insbesondere die Integration bestehender Kompetenz-Zentren<br />

in die akute Gefahrenabwehr ist vorrangig anzustreben. Unter<br />

Berücksichtigung der verfügbaren Kapazitäten zur Identifikation von gefährlichen<br />

Bakterien, Viren, Parasiten und Pilzen in entsprechenden Laboren, Konsiliarlaboren<br />

und Referenz-zentren35 erscheinen die Standorte mit entsprechender Laborkapazität<br />

(L3- bzw. L4-Labore) in Verbindung mit der jeweiligen Bandbreite grundsätzlich<br />

geeignet (insbesondere die Standorte Berlin, Hamburg, München, Frankfurt<br />

am Main und Leipzig) [69]. Um im Rahmen einer schnellen Vor-Ort-<br />

Detektion schnellstmöglich verwertbare Ergebnisse zu erzielen, wurden zwei entsprechende<br />

<strong>Forschung</strong>s- bzw. Entwicklungsverfahren gestartet. Ergebnisse sind<br />

jedoch erst ab 2004/2005 verfügbar. Nach Abschluss der genannten Arbeiten muss<br />

schnellstmöglich geprüft werden, ob und inwieweit an den Kompetenz-Zentren<br />

überregionale TASK FORCES für die schnelle Vor-Ort-Identifizierung biologischer<br />

Agenzien eingerichtet werden können. Gleichzeitig mit der Identifizierung<br />

der biologischen Gefahren stehen dann im Schadensgebiet entsprechende Spezialisten<br />

bezüglich der ggf. notwendigen therapeutischen Maßnahmen für infizierte<br />

Personen zur Verfügung.<br />

34 nicht für den Lufttransport geeignet<br />

35 „Steckbriefe seltener und importierter Infektionserreger“ Robert Koch-Institut Berlin 1998<br />

188


12.6.6.2 Schadstoffüberwachung (Monitoring)<br />

Die kontinuierliche Überwachung der Ortsdosisleistung sowie die Dosisüberwachung<br />

ist bei radiologischen Gefahrenlagen mit entsprechenden Systemen möglich.<br />

Gleichermaßen ist die gezielte Suche nach einzelnen Quellen (so genannten<br />

HOT SPOTS) sowie die Aufnahme von Dosisleistungs-Profilen gewährleistet. Die<br />

vom Bund bereitgestellten ABC-ErkKW, DEKON-P- und DEKON-G-Module<br />

sind mit den entsprechenden Überwachungssystemen gemäß den einschlägigen<br />

Feuerwehrdienstvorschriften 36 ausgestattet. Vergleichbare Fahrzeuge der Länder,<br />

Kommunen und Trägerorganisationen bedürfen teilweise einer entsprechenden<br />

Nachrüstung. In besonderen Fällen, z.B. Freisetzung schwachenergetischer Strahler<br />

über die Rauchgase infolge des Brandes eines medizinischen Diagnosezentrums,<br />

sind die vorhandenen Mess-Systeme des Katastrophenschutzes grundsätzlich<br />

nicht geeignet. Die Detektion eines α- und Neutronenstrahlers ist derzeit<br />

flächendeckend gleichermaßen nicht gewährleistet. Dieses Gefahrenpotenzial<br />

kann insbesondere bei Terroranschlägen oder kriminellen Handlungen nicht ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Bezüglich der kontinuierlichen Überwachung chemischer Gefahrenpotenziale sind<br />

unterschiedliche Systeme erforderlich und verfügbar. Kombinationen unterschiedlicher<br />

Detektions-Systeme zu einem so genannten Gefahrstoff-Detektoren-Array<br />

(GDA) mit entsprechender Auswertung liefern ein relativ breitbandiges System<br />

zur Identifizierung technisch verbreiteter Schadstoffe. Meßsysteme auf der Basis<br />

eines Photoionisationsdetektors oder eines Ionenmobilitäts-Spektrometers sind für<br />

bestimmte Schadstoffe gleichermaßen geeignet und auf den neu ausgelieferten<br />

Fahrzeugen des Bundes vorhanden. Eine vergleichbare Verbreitung bei den Fahrzeugen<br />

der Länder, Kommunen oder der Trägerorganisationen konnte bisher nur<br />

ansatzweise beobachtet werden. Diesbezüglich muss kurzfristig geprüft werden,<br />

ob mit der Markteinführung eines Gefahrstoff-Detektoren-Arrays (GDA) mit integriertem<br />

PID, IMS und weiteren elektrochemischen Zellen zur umfassenden<br />

Detektion gefährlicher Stoffe eine flächendeckende Optimierung der Gerätesausstattung<br />

realisiert werden kann 37 . Zur schnellen Orientierung bezüglich der Gefahrenpotenziale<br />

sollten alle ABC-ErkKW und vergleichbare Fahrzeuge der Länder<br />

und Kommunen mit dem Gefahrstoff-Informations-System CHEMIS 38 ausgestattet<br />

werden. Für den Nachweis von brennbaren bzw. explosiven Gasen ist der Einsatz<br />

von Explosionsgrenzen-Mess-Systemen (Ex-Meter) üblich und weitgehend<br />

flächendeckend vorhanden. Die Kombination der genannten Detektions-Systeme<br />

mit einem geographischen Informations-System (GIS) muss künftig flächendeckend<br />

realisiert werden.<br />

Vergleichbare Systeme zur kontinuierlichen Überwachung der Gefahrenpotenziale<br />

durch biologische Agenzien sind derzeit nicht verfügbar. Im Rahmen von laufenden<br />

Entwicklungsvorhaben werden derzeit Systeme und Prozesse bezüglich ihrer<br />

36 Feuerwehrdienstvorschrift Strahlenschutz – Rahmenvorschriften FwDV 9/1 – und – Einsatzgrundsätze<br />

FwDV 9/2 –<br />

37 z.B. System der Firma AIRSENSE ANALYTICS; Hagenower Str. 73, D-19061 Schwerin Germany<br />

38 Gefahrstoff-Datenbank-System CHEMIS des Bundesamtes für Risikobewertung<br />

189


Einsatztauglichkeit getestet, um eine kontinuierliche Probenahme in potenziell<br />

gefährdeten Bereichen zu gewährleisten und eine sachgerechte Auswertung zu realisieren.<br />

Geeignete Systeme müssen schnellstmöglich flächendeckend bereitgestellt<br />

werden.<br />

12.6.6.3 Überwachung der Dosis<br />

Die Erfassung der Ortsdosisleistung wird mit den entsprechenden Geräten realisiert.<br />

Insbesondere die Kombination mit der elektronischen Datenverarbeitung und<br />

Kommunikationstechnik gewährleistet eine sachgerechte Erfassung und Bewertung<br />

der aufgenommenen Dosis. Die Auswertung der gewonnenen Daten sowie<br />

die ggf. notwendige Einstellung bestimmter Alarmschwellen wird nach Einführung<br />

des digitalen Funknetzes über die moderne Kommunikationstechnik von zentraler<br />

Stelle möglich sein. Die Länder müssen mit den entsprechenden Behörden<br />

die ggf. erforderliche Personendosimetrie vorbereiten und im Einsatzfall realisieren.<br />

Eine vergleichbare Überwachung der Dosis bei biologischen oder chemischen<br />

Gefahrenpotenzialen ist derzeit nicht möglich.<br />

12.6.6.4 Kontaminationsnachweis<br />

Der Nachweis einer radiologischen Kontamination muss auch unter Einsatzbedingungen<br />

gewährleistet sein. Um die Kontamination der Geräteoberflächen der<br />

erforderlichen Mess-Systeme kontinuierlich zu überwachen und bei entsprechend<br />

vielen Einsatzkräften oder -geräten zeitgerecht arbeiten zu können, muss die Zahl<br />

der bereitgestellten Geräte gesteigert werden. Die Detektion von reinen α- oder β-<br />

Strahlen (ggf. in Verbindung mit einer zusätzlichen Neutronen-Strahlung) muss<br />

durch entsprechende Spezialeinheiten (TASK FORCES) sichergestellt werden.<br />

Der Nachweis einer erfolgreichen Dekontamination von gefährlichen chemischen<br />

Stoffen ist derzeit nur begrenzt möglich. Mit der Schnelleinlass-Sonde des GC-<br />

MS-Systems sind orientierende Messungen z.B. durch eine entsprechende TASK<br />

FORCE grundsätzlich möglich.<br />

12.6.7 Großflächige Belastung mit gefährlichen radioaktiven oder<br />

chemischen Stoffen<br />

Bei einer großflächigen Belastung durch radioaktive Stoffe liefert das stationäre<br />

ODL-Messnetz 39 des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) eine ausreichende<br />

Orientierung.<br />

Vergleichbare Systeme sind für biologische oder chemische Gefahrenlagen derzeit<br />

nicht vorhanden. Mit einem passiven Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer-<br />

System (FTIR) ist eine Fernerkundung chemischer Gefahrenlagen möglich.<br />

39 Orts-Dosis-Leistungs-Messnetz<br />

190


Gleichzeitig liefert das System in bestimmten Fällen eine eindeutige Identifizierung<br />

einer Vielzahl luftgetragener gefährlicher Stoffe über Entfernungen von mehr<br />

als 1 000 m. Weiterhin grenzt das System die „Identifikations-Lücke”, die vom<br />

GC-MS-System 40 in der „Vor-Ort-Analytik“ nicht geleistet wird, weiter ein. Mit<br />

der Markteinführung dieses Systems müssen insbesondere die einzurichtenden<br />

TASK FORCES ausgestattet werden. Weiterhin erscheint hier der Einsatz so<br />

genannter Mess-Leitfahrzeuge bzw. zentrale Auswertestellen sinnvoll. Da diese,<br />

die erforderlichen Spür- und Mess-Trupps zielorientiert lenken müssen, muss eine<br />

vorherige Fernerkundung gewährleistet werden. Damit werden besondere Risiken<br />

für die Spür- und Mess-Trupps begrenzt.<br />

Automatische Systeme, die großflächige biologische Gefährdungslagen erfassen,<br />

sind nicht bekannt.<br />

Die detaillierte Erkundung potenziell mit gefährlichen radioaktiven oder chemischen<br />

Stoffen belasteter Gebiete wird mit den ABC-Erkundungskraftwagen<br />

oder gleichwertigen Fahrzeugen der Länder und Kommunen realisiert. Der mobile<br />

Spür- und Messeinsatz dieser Fahrzeuge muss von einer zentralen Stelle nach<br />

sachlichen Erwägungen (Wetterdaten, Freisetzungsparameter, Ausbreitungsprognose,<br />

Risikobereiche, Spür- und Messergebnisse und dgl.) gelenkt werden. Die<br />

Fahrzeuge bzw. Trupps müssen dabei kontinuierlich über entsprechende Kommunikationseinrichtungen<br />

mit der lenkenden Stelle verbunden sein. Zur Sicherstellung<br />

dieser insbesondere bei großflächigen Gefahrenlagen gebotenen Aufgabe<br />

müssen zusätzlich entsprechend ausgestattete Mess-Leitfahrzeuge bereitgestellt<br />

werden. Die örtlich vorhandenen Gerätewagen (GW) der täglichen Gefahrenabwehr<br />

(GW-Öl, GW-Strahlenschutz, GW-Gefahrgut, GW-Atemschutz und dgl.), die<br />

gleichermaßen Spür- und Messaufträge ausführen können, müssen flächendeckend<br />

in die mobile Erkundung integriert werden, soweit es die jeweilige technische Ausstattung<br />

zulässt. Um bei besonderen Gefahrenlagen, die Ausbreitung von radioaktiven<br />

oder chemischen gefährlichen Stoffen in einer Region kontinuierlich überwachen<br />

zu können, sollten mobile Mess-Stationen entwickelt und vorgehalten<br />

werden, die im akuten Gefahrenfall aufgestellt und kontinuierlich Mess-Werte an<br />

die zentrale Auswertestelle senden.<br />

Weiterhin ist eine Harmonisierung mit anderen, im Auftrag des Bundes oder der<br />

Länder entwickelten Prognose-Systemen (z.B. Integration der Ausbreitungs-Software<br />

DISMA 41 , des Programm-Systems LASAIR 42 sowie der einheitlichen Integration<br />

der digitalen Grundkarten im so genannten ATKIS-Format 43 ) mit dem Ziel<br />

geboten, dass eine einheitliche Software zur Erfassung, Prognose und Darstellung<br />

40 Massenspektrometer-System mit vorgeschaltetem Gaschromatographen zur Identifizierung unbekannter<br />

organischer Substanzen mit Luft als Trägergas<br />

41 „Rechnergestütztes Beratungs-System für das Krisenmanagement bei chemischen Unfällen“ <strong>Zivilschutz</strong>forschung<br />

Neue Folge Band 38 ISSN 0343-5164<br />

42 6. Informationsveranstaltung zur nuklearspezifischen Gefahrenabwehr Bundesamt für Strahlenschutz<br />

Juni 2001 zur Einführung des rechnergestützten Prognose-Systems zur Lagrange-Simulation<br />

der Ausbreitung und Inhalation von Radionukliden (LASAIR)<br />

43Amtliches topographisch-kartographisches Informations-System der Landesvermessungsämter<br />

191


der großflächigen Gefährdungslagen auf einem einheitlichen geographischen<br />

Informations-System gewährleistet wird (siehe auch GEO-FES des Landes Berlin).<br />

Die entsprechenden digitalen Karten für das gesamte Bundesgebiet sowie für<br />

die angrenzenden Bereiche der Nachbarstaaten (Maßstäbe 1:10 000, 1:25 000<br />

sowie 1:50 000 im entsprechenden Datenformat) müssen für alle Spür- und Messfahrzeuge<br />

und Befehlsstellen bereitgestellt werden. Weiterhin müssen alle Messleitfahrzeuge<br />

mit einem einheitlichen Gefahrstoff-Informations-System (z.B.<br />

CHEMIS 44 ) ausgestattet werden.<br />

12.7 Rettungs- und sanitätsdienstliche Versorgung der betroffenen<br />

Menschen<br />

Mit den Strukturen sowie der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes<br />

der Länder und Kommunen ist sichergestellt, dass die Aufgaben der täglichen<br />

Gefahrenabwehr zeit- und sachgerecht bewältigt werden. Diese Aufgaben werden<br />

überwiegend von hauptamtlichen Helfern unter Einbeziehung ehrenamtlicher<br />

Leistungen (ca. 5 %) wahrgenommen [48]. Bei einem Massenanfall von verletzten/erkrankten<br />

Personen wird unter Einbeziehung der unmittelbaren nachbarschaftlichen<br />

Hilfe sowie der dafür eingerichteten landeseigenen Ergänzungen<br />

(Spezial-Einsatz-Gruppen Rettungsdienst, Katastrophenschutz, Arzneimitteldepots<br />

und dgl.) eine sachgerechte Gefahrenabwehr gewährleistet. Großschadensfälle der<br />

letzten Jahre belegen dies (z.B. Eisenbahnunglücke in Enschede und Brühl). Dabei<br />

ist anzumerken, dass über die unmittelbare nachbarschaftliche Hilfe hinaus, überregionale<br />

Rettungsmittel aus Entfernungen von mehr als 80 km eingesetzt werden<br />

müssen. Für die sachgerechte medizinische Versorgung (insbesondere bei bestimmten<br />

Verletzungen) erfolgt die Zuweisung in Krankenhäuser, die in größeren<br />

Entfernungen liegen können. Weiterhin ist nach einer abschließenden Diagnose<br />

und ersten medizinischen Behandlung eine Verlegung in spezielle Einrichtungen<br />

zu erwarten. Dies bedeutet, dass nach den primären Beförderungsaufträgen (erste<br />

Zuführung in ein Krankenhaus) eine erhebliche Zahl an sekundären Beförderungen<br />

(Verlegung in ein spezielles Krankenhaus) zu bewältigen ist.<br />

Die regionale Leistungsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes mit den Ergänzungen<br />

für den Großschaden- oder Katastrophenfall ist in Abhängigkeit zur Bevölkerungsdichte<br />

sehr unterschiedlich. Grundsätzlich kann angenommen werden,<br />

dass auch in dünn besiedelten Regionen eine Versorgung von ca. 50 verletzten/<br />

erkrankten Personen bei einem Schadensfall gewährleistet wird. In den Ballungsräumen<br />

ist die Versorgung von bis zu 300 Patienten (in Ausnahmefällen bis zu 500)<br />

weitgehend gesichert. Dies ist jedoch entscheidend von den auslösenden Elementen<br />

(Explosion, Flugzeugabsturz oder Epidemie) und den damit verbundenen Verletzungsmustern/Krankheitsbildern<br />

abhängig.<br />

Aufgrund von Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen können Größenordnungen<br />

mit 1 000 verletzten Menschen nicht ausgeschlossen werden (siehe Beispiele<br />

in Kap. 4). Bei unerwartet auftretenden Ereignissen kann die Versorgung<br />

44 Gefahrstoff-Datenbank-System CHEMIS des Bundesamtes für Risikobewertung<br />

192


grundsätzlich nur mit einer Zuführung von überregionalen Einheiten und Spezial-<br />

Einsatz-Gruppen aus Entfernungen bis zu 150 km gewährleistet werden.<br />

Da die Verletztenmuster/Krankheitsbilder in Abhängigkeit zum auslösenden Element<br />

sehr unterschiedlich ausgeprägt sind [40], muss für eine Konzeption ein<br />

Ereignis angenommen werden. Im Folgenden wird ein entsprechendes Beispiel<br />

(Explosion) mit mechanischen Verletzungen mit der in der Tabelle 5 genannten<br />

Verteilung genutzt 45 .<br />

Tabelle 5: Patientenverteilung nach Sichtungskategorien 46<br />

Kategorie Rel.<br />

Anteil<br />

Abs.<br />

Anteil<br />

Ergebnis der Triage Maßnahmen<br />

– 8 % 80 Tot Registrierung,<br />

Fundort,<br />

Geschlecht,<br />

geschätztes Alter<br />

(Baby, Kleinkind,<br />

Kind, Jugendlicher,<br />

Erwachsener,<br />

älter als 60 Jahre<br />

IV 7 % 70 Ohne Überlebenschance<br />

III 40 % 400 Leicht<br />

verletzt/erkrankt<br />

II 30 % 300 Schwer<br />

verletzt/erkrankt<br />

I 15 % 150 Akute vitale<br />

Bedrohung<br />

Betreuende abwartende<br />

Behandlung<br />

Spätere ggf. ambulante<br />

Behandlung<br />

sanitätsdienstliche<br />

Versorgung<br />

Dringende<br />

rettungsdienstliche<br />

Versorgung<br />

Sofortige notfallmedizinische<br />

und<br />

rettungsdienstliche<br />

Versorgung<br />

Insbesondere infolge von Bränden oder Schadstofffreisetzungen (Giftgaswolken),<br />

die z.B. durch Explosionen ausgelöst wurden, werden besonders viele Personen<br />

getroffen [86]. Da in diesen Fällen eine Sauerstoffversorgung als wesentliche Maßnahme<br />

der medizinischen Erstversorgung darstellt, wurde diese logistische Herausforderung<br />

berücksichtigt.<br />

Für die sachgerechte Rettung und Versorgung der Patienten am Schadensort müssen<br />

Rettungskräfte unterschiedlicher Fachdienste effektiv zusammenarbeiten.<br />

45 Serverity of Incident S = 1,125 (fires, Explosions) [40]<br />

46 Sichtungskategorien gemäß 1. Konsensuskonferenz am 15.03.2002 in Ahrweiler [20]<br />

193


Die im Folgenden beispielhaft genannten Prozessabläufe dienen lediglich der Konzeption.<br />

Es bleibt den Ländern bzw. Kommunen vorbehalten, entsprechende Regelungen<br />

mit einer detaillierten Einsatzplanung und -organisation zu treffen. Dies gilt<br />

für die erforderliche Führungsorganisation (in der Regel leitender Notarzt und<br />

organisatorischer Leiter Rettungsdienst) zur Schadensbewältigung gleichermaßen.<br />

Der Rettungs- und Sanitätsdienst übernimmt die geretteten Personen an den<br />

Patientenablagen von den Rettungskräften der Feuerwehren und des Technischen<br />

Hilfswerkes. Die verletzten Personen werden einer Sichtung durch entsprechend<br />

qualifizierte Notärzte und zur weiteren Versorgung dem Behandlungsplatz zugeführt.<br />

Eine unmittelbare Beförderung in ein Notfallkrankenhaus erfolgt grundsätzlich<br />

nicht. Als Behandlungsplätze werden geeignete Örtlichkeiten (z.B. Turnhallen<br />

und dgl.) genutzt. Ergänzend werden schnell aufzubauende Zelte mit entsprechender<br />

Einrichtung und Logistik (Heizung, Beleuchtung und dgl.) bereitgestellt.<br />

Die sachgerechte Versorgung dieser Vielzahl von teilweise lebensbedrohlich verletzten<br />

Personen wird mit allen verfügbaren Ressourcen der Gefahrenabwehr<br />

sichergestellt. Aufgrund der längeren Anfahrtswege werden die sonst im Rettungsdienst<br />

üblichen Hilfsfristen grundsätzlich nicht eingehalten. Auf der Basis der<br />

üblichen Konzepte für einen Massenanfall von Verletzten/Erkrankten (MANV)<br />

müssen mindestens die in Tabelle 6 genannten personellen Kapazitäten für die<br />

einzelnen Kategorien alarmiert und zugeführt werden:<br />

Tabelle 6: Minimaler Bedarf an qualifiziertem Personal 47 (orientierende Darstellung)<br />

Sichtungskategorie<br />

Zahl der<br />

Verletzten<br />

Notärzte<br />

Ärzte RA RS RH SA SH Helfer<br />

anderer<br />

Fachdienste<br />

I ■ 150 20 10 60 30 18 12 16 30<br />

II ■ 300 10 20 30 60 48 48 32 60<br />

III ■ 400 4 4 - 16 6 18 26 40<br />

IV ■ 70 3 4 15 15 12 6 10 7<br />

Dieses in der Tabelle 6 genannte Personal (75 Ärzte. 105 RA, 121 RS, 84 RH, 84<br />

SA, 84 SH und 92 sonstige Helfer – 645-), muss unter Einbeziehung aller ehrenund<br />

hauptamtlichen Kräfte einschließlich der dienstfreien Schichten des hauptamtlichen<br />

Rettungsdienstes bereitgestellt werden (gemäß der entsprechenden Einsatzplanung<br />

der Länder bzw. Kommunen). Weitere Funktionen wie der leitende Notarzt,<br />

der organisatorische Leiter im Rettungsdienst, weitere erforderliche Ärzte für<br />

die Sichtung (ca. 30) oder sonstiges Personal, sind in der Tabelle nicht genannt,<br />

müssen jedoch gleichermaßen verfügbar sein. Dabei wird angenommen, dass die<br />

47 RA Rettungsassistent; RS Rettungssanitäter, RH Rettungshelfer, SA Sanitäter, SH Sanitätshelfer;<br />

die Qualifikationen der RH, SA und SH müssen einheitlich definiert werden<br />

194


erforderliche Versorgungskapazität zu maximal ca. 20 % bis 30 % aus dem öffentlichen<br />

Rettungsdienst bereitgestellt werden kann, ohne gravierende Auswirkungen<br />

im Regelrettungsdienst zu verursachen. Ergänzend müssen insbesondere die Rettungs-<br />

und Sanitätshelfer sowie die Sanitäter durch die Sanitätsmodule der ergänzenden<br />

Ausstattung des Bundes herangezogen werden. Für Führungs-, Kommunikations-,<br />

Registrierungs- und Logistikaufgaben müssen der örtlichen Einsatzleitung<br />

(in der Regel der leitende Notarzt und der organisatorische Leiter Rettungsdienstes)<br />

mindestens 18 Helfer zur Verfügung stehen. Die hier genannten quantitativen<br />

und qualitativen Anforderungen bilden die untere quantitative Grenze. Bei<br />

einer linearen Steigerung (> 500 Patienten) der sonst üblicherweise im Rettungsdienst<br />

bereitgestellten Ressourcen, wären deutlich mehr Helfer geboten [74]. Die<br />

erforderliche Aus- und Fortbildung der hier genannten ehrenamtlichen Helfer (Rettungshelfer<br />

48 , Sanitäter und Sanitätshelfer) muss bundeseinheitlich entsprechend<br />

den Anforderungen definiert werden.<br />

Nach der ersten Sichtung (Triage) müssen die notwendigen Behandlungsmaßnahmen<br />

zur Erstversorgung (Sicherung der Vitalfunktionen) und Herstellung der<br />

Transportfähigkeit festgelegt und am Behandlungsplatz umgesetzt werden. Grundsätzlich<br />

kann jedes Notfallkrankenhaus ca. 1 bis 5 % seiner normalen Bettenkapazität<br />

pro Stunde an Patienten aufnehmen [40]. Mit dem Schadenseintritt und der<br />

Aktivierung der Notfallplanung der Krankenhäuser werden die Bettenkapazitäten<br />

kurzfristig deutlich gesteigert (bis zu 40 %), indem ein Teil der Patienten in die<br />

häusliche Pflege entlassen und im voraus geplante Fälle nicht aufgenommen werden.<br />

Die tatsächlich realisierbaren Möglichkeiten müssen in den entsprechenden<br />

regionalen Einsatzplänen festgelegt sein. Die Aufnahme von Notfallpatienten der<br />

Sichtungskategorien I und II erfordert jedoch bestimmte diagnostische Kapazitäten,<br />

die nicht beliebig gesteigert werden können. Deshalb wird vorbehaltlich einer<br />

entsprechenden Einsatzplanung und -organisation zunächst davon ausgegangen,<br />

dass die Patienten nicht alle in die örtlichen Krankenhäuser befördert werden, sondern<br />

auch in Krankenhäuser in größeren Entfernungen. Dies erfordert eine längere<br />

Verweilzeit der Patienten am Behandlungsplatz und eine entsprechende Transportvorbereitung<br />

und -stabilisierung.<br />

Die Beförderung der Patienten in eine geeignete medizinische Versorgungseinrichtung<br />

erfolgt nach folgenden grundsätzlichen Kriterien und wird abschließend vom<br />

Leitenden Notarzt festgelegt:<br />

Höchste Transportpriorität<br />

• Patienten mit nicht ausreichend stabilisierten Vitalfunktionen der Sichtungskategorie<br />

I werden den nächstgelegenen Notfallversorgungskrankenhäusern mit<br />

einem arztbesetzten Rettungsmittel (ggf. Rettungshubschrauber) zugeführt.<br />

48 die qualitativen Anforderungen an Rettungshelfer sind z.B. in NRW definiert<br />

195


Nachrangige Transportpriorität<br />

• Patienten mit weitgehend stabilisierten Vitalfunktionen der Sichtungskategorien<br />

I und II werden den Notfallversorgungskrankenhäusern der zweiten und<br />

dritten Linie grundsätzlich ohne Arztbegleitung zugeführt.<br />

Patienten der Kategorie III, die nur liegend einer medizinischen Versorgungseinrichtung<br />

zugeführt werden können, werden grundsätzlich in ein geeignetes Krankenhaus<br />

der 3. oder 4. Linie befördert. Dabei werden mit geeigneten Fahrzeugen<br />

auch Sammelbeförderungen realisiert. Patienten, die sitzend befördert werden können,<br />

werden einer geeigneten Notfallpraxis oder einem Krankenhaus zugeführt.<br />

Ortskundige Patienten, die am Schadensort ambulant versorgt wurden, werden mit<br />

geeigneten Transportmitteln (z.B. Taxi) einer niedergelassenen Arztpraxis zugeführt.<br />

Ortsunkundige Patienten, werden grundsätzlich in ein geeignetes Krankenhaus<br />

der 3. oder 4. Linie befördert. Die Bewältigung eines Massenanfalls von<br />

1 000 verletzten/erkrankten Personen kann nicht ohne eine sachgerechte Integration<br />

der niedergelassenen Ärzte realisiert werden. Weiterhin müssen in der ersten<br />

Phase Ärzte aus den Krankenhäusern zum Schadensort beordert werden, um dort<br />

die sachgerechte Sichtung und Notversorgung zu realisieren. Die dafür notwendigen<br />

regionalen Planungen müssen von den zuständigen Stellen des öffentlichen<br />

Gesundheitswesens realisiert werden.<br />

Ob und inwieweit Ärzte aus der notärztlichen Versorgung am Schadensort einer<br />

Transportbegleitung zugeordnet werden, entscheidet der leitende Notarzt unter<br />

Berücksichtigung der sachgerechten Versorgung des gesamten Aufkommens von<br />

verletzten Personen, auch wenn dadurch die Gefahr besteht, dass einzelne Patienten<br />

irreversible Schäden erleiden.<br />

Für die Sicherung und Stabilisierung der Vitalfunktionen, zur Herstellung der<br />

Transportfähigkeit und der sachgerechten Versorgung müssen die Ressourcen des<br />

öffentlichen Rettungsdienstes in quantitativer Hinsicht nachhaltig verstärkt werden.<br />

Insbesondere die ergänzenden Sanitätsmodule, die vom Bund bereitgestellt<br />

werden, sollten wie folgt modifiziert werden:<br />

Fahrzeuge Personal<br />

1 Gerätewagen Rettung (GW-RETT) mit 2 RH + 2 SA + 2 SH<br />

1 Sanitätskombi (SAN-KOMBI) mit 2 RH + 2 SA + 2 SH<br />

4 Notfallkrankenwagen (KTW) mit 4 RH + 4 SA + 4 SH.<br />

Der Gerätewagen Rettung (GW-RETT) muss mit Versorgungsmodulen (Rollcontainer<br />

oder dgl.) für mindestens 50 Patienten der Sichtungskategorien I (8 Patienten),<br />

II + IV (14 Patienten), III (26 Patienten) und IV (2 Patienten) ausgestattet und<br />

mit jeweils 2 Rettungshelfern, 2 Sanitätern und 2 Sanitätshelfern personell besetzt<br />

werden. Weiterhin müssen schnell aufbaubare Versorgungszelte (4 Stück à 30 m 2<br />

zuzüglich zwei Verbindungs-Kreuzzelten) und eine umfassende Versorgung mit<br />

medizinischem Sauerstoff zur Verfügung stehen. Alle Entnahmestellen für medizinischen<br />

Sauerstoff müssen einheitlich mit den in den Krankenhäusern und Rettungsdienst<br />

üblichen Systemen ausgestattet werden. Für die Zelte muss eine ent-<br />

196


sprechende Betriebsausstattung (Heizung, Beleuchtung, Einrichtung und dgl.) zur<br />

Verfügung stehen. Alle Ergänzungsmodule (GW-RETT, SAN-KOMBI + 4 Notfallkrankenwagen)<br />

müssen grundsätzlich einer geeigneten Versorgungsstation<br />

(z.B. Notarztstation 49 ) logistisch zugeordnet werden, die die komplette Ausstattung<br />

mit den entsprechenden Arzneimitteln zur Versorgung der Patienten vorhält und<br />

in einem Rotationsverfahren sicherstellt, dass eine Überlagerung ausgeschlossen<br />

wird.<br />

Zur Sicherstellung einer sachgerechten Dokumentation (Registrierung, Transportmittel,<br />

Transportziel und dgl.), Kommunikation und Logistik (Betriebsorganisation<br />

an der Verletztenablage, dem Behandlungsplatz und dem Krankenwagenhalteplatz)<br />

muss geeignete Kommunikations- und Informationstechnik sowie entsprechende<br />

logistische Führungsmittel für ca. 6 entsprechend qualifizierte Führungsassistenten<br />

zur Verfügung stehen. Grundsätzlich müssen alle Daten zum frühestmöglichen<br />

Zeitpunkt erfasst und dokumentiert werden [75]. Die dafür erforderlichen<br />

Systeme (Patientenanhängekarten, Notebook mit spezieller Software und<br />

dgl.) müssen verfügbar und zu den Systemen im Betreuungsdienst sowie in den<br />

Personenauskunftsstellen kompatibel sein.<br />

Zur Sicherstellung des erweiterten Transportbedarfs müssen für den Katastrophenfall<br />

zusätzliche Notfallkrankenwagen (in Anlehnung an die Norm „Krankenkraftwagen“<br />

DIN EN 1789 Stand: 12/1999 oder vergleichbar) zur Verfügung stehen.<br />

Abweichend von der genannten Norm können die Fahrzeuge so gestaltet werden,<br />

dass ein weiterer Patient liegend oder zwei sitzende Patienten befördert werden<br />

können (Nottrage und Klappsitze oder dgl.). Die Fahrzeuge sind personell so zu<br />

besetzen, wie es für die Beförderung des Patienten geboten ist bzw. in den einschlägigen<br />

Rechtsnormen der Länder definiert wurde.<br />

In geeigneten Zentren müssen weitere Materialien (z.B. Vorsorgungscontainer für<br />

Patienten unterschiedlicher Sichtungskategorien, med. Sauerstoff und weitere Verbrauchsmittel)<br />

zur Ergänzung vorgehalten werden, damit der quantitative Bedarf<br />

bei entsprechenden Schadenslagen zeitgerecht gedeckt werden kann.<br />

Als Schutzausstattung für die Helfer muss neben der üblichen persönlichen<br />

Arbeitsschutzkleidung die fahrzeugbezogene Vorhaltung (Fahrzeuge des öffentlichen<br />

Rettungsdienstes wie die Fahrzeuge des Katastrophenschutzes) von entsprechenden<br />

Ausstattungs-Sätzen mit<br />

• Atemanschluss (Atemschutzmaske) mit Filter,<br />

• flüssigkeitsdichtem Einweg-Infektions- und -Kontaminationsschutzanzug (Overall<br />

mit Kapuze),<br />

• Einweg-Überschuhen und<br />

• Infektions- und Kontaminationsschutz-Handschuhen<br />

realisiert werden.<br />

49 oder gleichermaßen geeignetem Stützpunkt<br />

197


Weiterhin ist zu gewährleisten, dass die Vorhaltungen gemäß Rettungsdienstplan 50<br />

für die tägliche Gefahrenabwehr, den Großschaden- oder Katastrophenfall nicht<br />

durch die technische Ergänzung des Katastrophenschutzes reduziert wird.<br />

Die kooperative Mitwirkung insbesondere der ehrenamtlichen Helfer im Rahmen<br />

von Praktika im öffentlichen Rettungsdienst ist im Rahmen des Trainings geboten.<br />

Die Länder und Kommunen müssen stärker als bisher sicherstellen, dass die<br />

haupt- und ehrenamtlichen Helfer gemeinschaftlich trainieren und alle gleichermaßen<br />

den Anforderungen des Medizin-Produkte-Gesetzes entsprechen und sachgerecht<br />

eingewiesen sind.<br />

Im Rahmen der Einsatzplanung und -organisation muss gewährleistet werden, dass<br />

eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung zur Versorgung bei einem Massenanfall<br />

von Verletzten/Erkrankten realisiert werden kann. Für die übergeordnete<br />

Anforderung von Einheiten muss gewährleistet sein, dass bundesweit vergleichbare<br />

Leistungspotentiale für definierte Einheiten bestehen (z.B. Rahmenempfehlungen).<br />

Die Krankenhäuser müssen verpflichtet werden, für die Bewältigung eines Massenanfalls<br />

von Verletzten oder Erkrankten zwingend notwendigen Reservekapazitäten<br />

(OP-Räume, diagnostische Einrichtungen, Intensivpflege-Kapazitäten,<br />

Medikamente und Verbrauchsmittel und dgl.) in einer Größenordnung von 10 bis<br />

15 % der normalen Kapazitäten vorzuhalten. Für ein ganzheitliches Versorgungskonzept<br />

ist dies zwingend geboten. Die diesbezüglichen Lösungsansätze aus verschiedenen<br />

Ländern (z.B. B, RP + NRW) sind richtungsweisend. Diesbezüglich<br />

muss eine klare Kostenregelung getroffen werden.<br />

12.8 Betreuungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung<br />

Die bestehenden strategischen Konzeptionen bezüglich der Betreuung gewährleisten<br />

weitgehend eine sachgerechte Versorgung der betroffenen Bevölkerung. Die<br />

technische Ausstattung muss kontinuierlich dem Stand der Technik angepasst werden<br />

und ist mit den anderen Modulen (insbesondere zum Rettungs- und Sanitätsdienst)<br />

kompatibel zu halten. So muss beispielhaft die Ausstattung mit ergänzenden<br />

Zelten (zwei Zelte à 30 m 2 mit einem Verbindungs-Kreuzzelt) mit den Zelten<br />

im Sanitäts- und Rettungsdienst kombinierbar sein. Durch die Einsatzplanung<br />

muss sichergestellt werden, dass eine psychosoziale Betreuung (Betreuung der<br />

Opfer, der Angehörigen/Hinterbliebenen sowie der Einsatzkräfte) der betroffenen<br />

Menschen gewährleistet wird. Die Einrichtungen der Notfallseelsorge und der Krisen-Interventions-Teams<br />

müssen mit den Betreuungseinrichtungen kooperieren.<br />

Bezüglich der Registrierung und Datenerfassung der betroffenen Bevölkerung sind<br />

ganzheitliche Systeme bereitzustellen. Die dezentral erfassten Daten müssen im<br />

Rahmen des digitalen Kommunikationsnetzes an übergeordneten Stellen gebündelt<br />

weitergegeben werden können.<br />

50 oder vergleichbare Planunterlage zur Sicherstellung des öffentlichen Rettungsdienstes (Notfallrettung<br />

und Krankenbeförderung) innerhalb der Gebietskörperschaft<br />

198


Die vielfältigen lokalen Strukturen zur Sicherstellung einer sachgerechten Personenauskunft,<br />

müssen bezüglich ihrer Effektivität und Effizienz durch zentrale Einrichtungen<br />

ersetzt werden. Auf der Basis der Erfahrungen bei Großschadenslagen<br />

(z.B. Brand im Montblanc-Tunnel, Brand der Seilbahn in Kaprun) mit mehr als<br />

100 betroffenen Menschen der gemeinsamen Auskunftsstelle (GASt, Emergency<br />

Procedures Information Centre EPIC) des Landes Bayern müssen bundesweit vier<br />

bis sechs zentrale Auskunftsstellen in Kooperation mit der polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

eingerichtet werden. Die Auskunftsstellen sollten über eine einheitliche<br />

Rufnummer erreicht und bei entsprechenden Großschadenslagen (mehr als 100<br />

betroffene Personen oder bei internationaler Bedeutung mit entsprechend vielen<br />

Anfragen aus dem Ausland) aktiviert werden. Die Datenbestände aller aktivierten<br />

Auskunftsstellen bei schweren Unglücksfällen oder großflächigen Katastrophen<br />

müssen über einen Rechnerverbund kontinuierlich abgeglichen werden. Die<br />

zukunftsweisende Weiterentwicklung der Software des Landes Berlin sollte dabei<br />

berücksichtigt werden. Eine im norddeutschen Raum angesiedelte Auskunftsstelle<br />

muss die besonderen Anforderungen erfüllen, die sich aus schweren Seeunfällen<br />

mit großen Passagierschiffen oder Fähren ergeben können. Die Anfragen aus<br />

dem benachbarten Ausland müssen geordnet bestimmten Auskunftsstellen zugeordnet<br />

werden, die auch die entsprechenden Fremdsprachen im Betrieb vorhalten.<br />

Die zentralisierten Auskunftsstellen arbeiten grundsätzlich als „Dienstleister“ für<br />

die mit den Ermittlungen beauftragte Polizeidienststelle. Dabei werden die Anfragen<br />

von Angehörigen potenziell betroffener Menschen registriert und katalogisiert,<br />

um der ermittelnden Polizeidienststelle eine maximale Informations-Unterstützung<br />

zu gewähren und sie gleichzeitig von der Vielzahl der An- und Nachfragen freizustellen.<br />

Anfragen von offenkundig nicht betroffenen Anrufern werden abschließend<br />

beantwortet. Die zentralisierten Personenauskunftsstellen werden von der<br />

ermittelnden Polizeidienststelle mit hoheitlichen Aufgaben beliehen. Näheres muss<br />

in einer entsprechenden Vereinbarung durch die Länder untereinander und mit dem<br />

Bund geregelt werden. Eine mögliche Zuordnung der Länder und benachbarter<br />

Staaten an die jeweilige Auskunftsstelle ist in Tabelle 7 wiedergegeben.<br />

Für die sachgerechte Versorgung der betroffenen Bevölkerung in Notunterkünften<br />

werden in den Logistik-Zentren Wolldecken, Feldbetten, Essgeschirr und dgl. vorgehalten.<br />

Tabelle 7: Mögliche Zuordnungen an die einzurichtenden Auskunftsstellen<br />

Auskunftsstelle Länder Staaten<br />

München<br />

(weitgehend vorhanden)<br />

By, BW, SN AUT, CZE, CHE, FRA,<br />

LIE, ITA, ESP, PRT,<br />

GRC<br />

Köln NRW, HE, SL, RP LUX, BEL, NLD,<br />

Berlin<br />

(weitgehend vorhanden)<br />

B, BB, SA, TH FIN, EST, LTU, LVA,<br />

SVN, RUS, UKR, BLR<br />

Hamburg NI, HB, HH, SH, MP DNK, GBR, NOR,<br />

SWE<br />

199


Die Aufgaben des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes müssen bezüglich<br />

der möglichen Unterstützung bei zivilen Katastrophen neu geordnet und bezüglich<br />

der Aufgaben bei bewaffneten Konflikten im Rahmen der Genfer Konvention<br />

in Verbindung mit den Aktivitäten des INTERNATIONAL COMMITEE OF THE<br />

RED CROSS-ICRC-(private schweizerische Hilfsorganisation) klar abgegrenzt<br />

werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Katastrophenschutz-Einheiten der<br />

Kreis- und Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes integraler Bestandteil<br />

der staatlichen Katastrophenabwehr sind und somit auch den entsprechenden Weisungen<br />

der verantwortlichen staatlichen Stellen unterliegen. Die Kreis und Landesverbände<br />

des DRKs sind im Bundesverband zusammengeschlossen, der seinerseits<br />

wiederum in die internationale Rot-Kreuz-Organisation (INTERNATIONAL<br />

FEDERATION OF THE RED CROSS AND RED CRECCENT SOCIETY ) integriert<br />

ist. Bei Hilfsmaßnahmen im Rahmen bewaffneter Konflikte auf der Basis<br />

der Genfer Konvention arbeitet ausschließlich das ICRC ohne Kooperation mit<br />

anderen nationalen oder internationalen Stellen (Wahrung der absoluten Neutralität).<br />

12.9 Kommunikation<br />

Die Kommunikation ist eine elementare Grundvoraussetzung für die effektive<br />

Gefahrenabwehr. Die Kommunikation in vertikaler Richtung zum Informationsaustausch<br />

der hierarchisch gegliederten Führungsstellen und in horizontaler Richtung<br />

der Einsatzabschnitte und Fachdienste untereinander ist zwingend geboten.<br />

Im Großschadensfall oder bei Katastrophen muss eine umfassende Lagebeurteilung,<br />

die Alarmierung und Heranführung von Einheiten mit entsprechenden<br />

Kommunikationsmitteln gewährleistet werden. Bei Gefahrenlagen von nationaler<br />

Bedeutung müssen insbesondere ortsfremde Einheiten in den betroffenen Regionen<br />

eingesetzt werden. Der damit verbundene gesteigerte Kommunikationsbedarf<br />

muss gleichermaßen sichergestellt werden. Eine effiziente Kommunikation kann<br />

auch dadurch gewährleistet werden, indem die Meldungen auf das zwingend Notwendige<br />

beschränkt und die Möglichkeiten der weitgehenden Formalisierung und<br />

Automatisierung ausgeschöpft werden.<br />

Die derzeit für die tägliche Gefahrenabwehr, den Großschadensfall und für<br />

Katastrophen bereitgestellten mobilen Führungsmittel reichen insbesondere bei<br />

Gefahrenlagen von nationaler Bedeutung quantitativ nicht aus. Mit der Aktivierung<br />

der überregionalen Hilfe und Zuführung der Einheiten über große Entfernungen<br />

müssen zusätzlich Führungsaufgaben für die auf dem Marsch befindlichen<br />

Einheiten und die einzurichtenden Bereitstellungsräume bereit stehen. Weiterhin<br />

müssen im Schadensgebiet fachliche und räumliche Einsatzabschnitte mit entsprechenden<br />

Einsatzabschnittsführungsstellen eingerichtet werden, für die entsprechende<br />

Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen müssen. Die modernen<br />

Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik müssen vollständig<br />

ausgeschöpft werden. Um diesen gesteigerten Kommunikationsbedarf zu gewährleisten,<br />

müssen zusätzliche Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM) bereitgestellt<br />

werden. Diese Fahrzeuge müssen mit entsprechenden Informations- und<br />

Kommunikationsmitteln sowie Darstellungsmitteln ausgestattet werden. Mit den<br />

200


technischen Möglichkeiten dieser Fahrzeuge muss der funktionale Betrieb abgesetzter<br />

Befehlsstellen, zusätzlicher Funkzellen sowie eine Einsatzabschnittskommunikation<br />

(einschließlich des Funk- und Datenverkehrs in unterirdischen Verkehrsanlagen<br />

oder ausgedehnten baulichen Anlagen) sichergestellt werden. Weiterhin<br />

können digitale Lagekarten geführt, präsentiert und vervielfältigt werden.<br />

Mit der gemeinsamen Einführung eines digitalen Funknetzes für alle Behörden<br />

und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) durch die Länder und den<br />

Bund, werden dringend notwendige technische Möglichkeiten eröffnet. Derzeit<br />

wird noch in den analogen Funknetzen überwiegend verbal kommuniziert. Dies<br />

führt zu erheblichen Übertragungsfehlern, wenn bestimmte Informationen z.B. aus<br />

einer Datenbank übermittelt werden. Mit der Einführung der digitalen Technik<br />

würde der überwiegende Teil aller Informationen als Text-Meldung oder in Form<br />

einer Lagekarte übermittelt. Weiterhin würden die Möglichkeiten der automatisierten<br />

Informationsübertragung genutzt. Damit würde gewährleistet, dass alle erforderlichen<br />

Stellen gleichzeitig informiert werden.<br />

12.9.1 Anforderungen an ein digitales Funknetz<br />

Mit dem Aufbau des zentralen digitalen Funknetzes für die BOS muss in allen<br />

Regionen gewährleistet werden, dass<br />

• alle Dienste des Systems bundesweit jederzeit verfügbar sind,<br />

• eine unterbrechungsfreie Kommunikation auch bei einem Übergang von einer<br />

Zelle in die nächste gegeben ist,<br />

• der überdurchschnittlich hohe Bedarf an Kommunikationskanälen bei Gefahrenlagen<br />

von nationaler Bedeutung uneingeschränkt verfügbar ist,<br />

• eine ausreichende Redundanz gegeben ist,<br />

• zusätzliche Kapazitäten durch mobile Einrichtungen kurzfristig geschaffen<br />

werden,<br />

• die Leitstelle mit den ihr zugeordneten auf dem Marsch befindlichen Einheiten<br />

systemweit kommunizieren kann,<br />

• die berechtigten Leitstellen über entsprechende Schnittstellen verfügen, die<br />

– die Verwaltung der operativ/taktischen Adressen vornehmen,<br />

– die Prioritäten von Gruppen-, Einzel- und Datenkommunikation sowie der<br />

Notrufe und Alarmierungen steuern,<br />

– die Berechtigungen bezüglich der Sprach-, Daten-, Alarmierungs- und Telefonkommunikation<br />

zuteilen und definieren,<br />

– dynamische Gruppen nach fachlichen oder räumlichen Anforderungen bilden,<br />

– die Nichterreichbarkeit des Teilnehmers anzeigen,<br />

– Einzelverbindungen auch in Gruppen ermöglichen,<br />

– Einzelgespräche unterbrechen können,<br />

– Datenverbindungen aller Art schalten können,<br />

201


• die einzelne Funkstelle an jedem beliebigen Standort des Bundesgebietes Mitglied<br />

einer oder mehrerer Gruppen mit entsprechenden Berechtigungen sein<br />

kann,<br />

• innerhalb einer Gruppe jeder jeden hören kann, unabhängig davon, in welcher<br />

Funkzelle er sich befindet,<br />

• ein Notruf im Netz möglich ist,<br />

• jeder Notruf von den anderen Mitgliedern der Gruppe erkannt wird,<br />

• eine gesicherte jederzeitige Datenübertragung (einschließlich der Telemetrie-<br />

Daten) gegeben ist,<br />

• eine Steigerung der Datenübertragungsrate ermöglicht wird,<br />

• die verbale Kommunikation durch die Datenübertragung nicht beeinträchtigt<br />

wird,<br />

• die Alarmierung der ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen innerhalb einer<br />

Gebietskörperschaft (200 Einheiten mit jeweils 10 Mitgliedern innerhalb von<br />

15 Minuten) technisch realisierbar ist,<br />

• die so genannte Funk-Draht-Verbindung in alle Netze gegeben ist,<br />

• das digitale Funknetz der BOS 51 von kommerziell genutzten Netzen vollständig<br />

getrennt und unabhängig ist.<br />

Grundsätzlich müssen alle Fahrzeuge im Katastrophenschutz mit mindestens<br />

einem entsprechenden digitalen Funkgerät ausgestattet werden. Alle Fahrzeuge mit<br />

einer Besatzung von mehr als 5 Helfern sowie alle ABC-Erkundungsfahrzeuge und<br />

Gerätewagen Kommunikation sind mit mindestens einem entsprechenden Datenterminal<br />

(PC) auszustatten. Für jeden Trupp (ab zwei Helfer) muss ein digitales<br />

Handsprechfunkgerät zur Verfügung stehen.<br />

12.9.2 Anforderungen an die Leitstellen in der nicht polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr<br />

Eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung wird mit integrierten Rettungs-<br />

Leitstellen (iRLSt) zur Alarmierung und Lenkung der Einheiten der nicht polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr gewährleistet werden. Dabei ist anzustreben, dass mindestens<br />

in jeder Region eine auch für Großschadensfälle arbeitsfähige integrierte<br />

Leitstelle verfügbar ist.<br />

Grundsätzlich müssen die integrierten Leitstellen folgende Aufgaben sicherstellen:<br />

• Annahme der Notrufe (europaweit einheitlicher Notruf 112)<br />

• Alarmierung und Information von Angehörigen der verantwortlichen Führungskräfte<br />

und der Führungsstäbe (administrativ-organisatorische und operativ-taktische<br />

Führung)<br />

• Alarmierung der Krankenhäuser bei einem Massenanfall von Verletzten<br />

(MANV)<br />

51 Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

202


• Alarmierung der Ver- und Entsorgungsbetriebe<br />

• Alarmierung der Verkehrsbetriebe (z.B. bei Evakuierungen oder Räumungen)<br />

• Warnung und Information der betroffenen Bevölkerung auf Weisung der politisch<br />

gesamtverantwortlichen Führungsperson<br />

• Alarmierung und Information der Polizei<br />

• Alarmierung, Heranführen und Bereitstellung aller Einheiten<br />

– der Feuerwehren (Brandschutz, technische Gefahrenabwehr, ABC-Schutz,<br />

Umweltschutz)<br />

– der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (Technische Züge und Fachgruppen)<br />

– der Notfallrettung (Rettungsdienst, Hilfsorganisationen, Feuerwehren und<br />

dgl.)<br />

– der Krankenbeförderung (Rettungsdienst, Hilfsorganisationen, Feuerwehren<br />

und dgl.)<br />

– des Sanitäts- und Betreuungsdienstes (Hilfsorganisationen)<br />

– des Notarztdienstes<br />

– der leitenden Notärzte<br />

– der Spezial-Einsatz-Gruppen52 (z.B. Tauchen, Rettung, Rettungshundestaffel<br />

und dgl.)<br />

– der kassenärztlichen Notdienstärzte<br />

– der Versorgung<br />

• Beschaffung von Informationen<br />

• Anlegen und Fortschreiben der übergeordneten Lagekarte<br />

• Anlegen und Fortschreiben der übergeordneten Kräftelage<br />

• Beschaffung, Bereitstellung und Übertragung von Informationen (z.B. Gefahrgutdaten).<br />

Es sollte für den Katastrophenschutz mittelfristig sichergestellt werden, dass alle<br />

wesentlichen Sicherheitselemente, die für gewerbliche Gefahrenmeldestellen gelten,<br />

auch bei öffentlichen integrierten Rettungs-Leitstellen umgesetzt werden53 .<br />

Insbesondere bei Gefahren von nationaler Bedeutung ist der schnelle Informationsaustausch<br />

zwischen benachbarten und/oder übergeordneten Leitstellen von<br />

zentraler Bedeutung. Um jederzeit der interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

für Großschadenslagen beim BMI einen schnellen Überblick über die Gesamtlage<br />

zu gewähren, muss unter Einbeziehung von deNIS II ein spezielles Informations-Netz<br />

(„LSt-INTRANET“ 54 ) der integrierten Rettungs-Leitstellen mit einem<br />

52 auch Schnell-Einsatz-Gruppen genannt<br />

53Verband der Schadenversicherer (VdS), Richtlinie 2172 Wach- und Sicherheitsunternehmen – Bauliche,<br />

technische und personelle Voraussetzungen – Juni 1996<br />

54 Internes-Leitstellen-Informations-Netzwerk<br />

203


so genannten „Meldeticker“ 55 eingerichtet werden. Dieses Verfahren hat sich z.B.<br />

bei Großübungen im Rahmen der zivil-/militärischen Zusammenarbeit (große Seeunfallübung<br />

2001) bewährt und wird in ähnlicher Form zur Information bestimmter<br />

Stellen der Gefahrenabwehr innerhalb einzelner Länder (z.B. Freie und Hansestadt<br />

Hamburg) eingesetzt. Die Länder müssen dabei die integrierten Leitstellen<br />

der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr in eine hierarchische Struktur überführen<br />

und den Informationsaustausch der benachbarten und übergeordneten Leitstellen<br />

organisieren. Mit einem automatisierten Verfahren kann im so genannten Leitstellen-Intranet<br />

automatisch sichergestellt werden, dass Schadensereignisse ab einer<br />

bestimmten Größenordnung informell an die benachbarten und übergeordneten<br />

Leitstellen weitergeleitet werden. Mit diesem hierarchischen System wird dann<br />

gewährleistet, dass grundsätzlich alle potenziell betroffenen Stellen frühzeitig<br />

weitgehend automatisiert informiert sind und ggf. eigene Vorbereitungen, Informationen,<br />

Alarmierungen und Benachrichtigungen tätigen können. Für die Erstellung<br />

entsprechender gestufter Lagekarten liegen die erforderlichen Informationen<br />

gleichermaßen vor. Mobile Befehlsstellen müssen bedarfsgerecht entsprechend<br />

ihrer hierarchischen Stellung integriert werden. Die dafür erforderliche Soft- sowie<br />

die zentrale Hardware muss für den Katastrophenschutz bereitgestellt und kontinuierlich<br />

erneuert werden. Die beteiligten Leit- oder Befehlsstellen benötigen für<br />

die Integration einen leistungsfähigen INTERNET-Zugang an einem PC. Ein Eingriff<br />

in die übliche Leitstellensoftware ist nicht erforderlich. Diese weitgehend<br />

automatisierte Informationsstruktur stellt sicher, dass das nationale Melde- und<br />

Informationszentrum (MIC/D 56 , GMLZ) die Meldungen der Melde- und Informations-Zentren<br />

der Länder (z.B. MIC/BB 57 oder MIC/HH) bündelt und an das<br />

Monitoring- and Information-Centre der EU (MIC/EU) weiterleitet.<br />

Abbildung 5: Prinzipielle Darstellung des Informationsflusses in einem so genannten Leitstellen-<br />

INTRANET<br />

55 formalisierte Darstellung der Informationen via INTRANET in einem formalisierten Situations-<br />

Report (SITREP)<br />

56 Monitoring- and Information-Centre Germany, Gemeinsames Melde- und Lage-Zentrum<br />

57 Monitoring- and Information-Centre Brandenburg bzw. Hamburg<br />

204


12.10 TASK FORCE<br />

Um den speziellen Anforderungen insbesondere bei Gefahrenlagen von nationaler<br />

Bedeutung sachgerecht zu entsprechen, müssen weitere TASK FORCES aufgestellt<br />

und betrieben werden. TASK FORCES sollten grundsätzlich nur in Kompetenz-Zentren<br />

eingerichtet werden, die bereits entsprechende personelle und<br />

wesentliche materielle Ressourcen vorhalten. Diese materiellen Ressourcen müssen<br />

ggf. entsprechend dem Ergebnis der Risikoanalyse individuell ergänzt werden,<br />

wenn sichergestellt ist, dass die TASK FORCE jederzeit innerhalb von 30 Minuten<br />

nach der Alarmierung zu überregionalen Einsätzen abrücken kann. Die TASK<br />

FORCES beraten und unterstützen die örtliche Einsatzleitung bei den umzusetzenden<br />

taktischen Maßnahmen der Gefahrenabwehr sowie der Warnung bzw. Information<br />

der Bevölkerung. In besonderen Fällen führen die TASK FORCES die<br />

gebotenen Abwehrmaßnahmen im Auftrage der örtlich zuständigen Einsatzleitung<br />

eigenständig durch.<br />

Derzeit erscheint die Einrichtung von folgenden TASK FORCES aufgrund der<br />

beschriebenen Bedrohungslage und offenkundigen Risiken [4] [5] [7] [9] [13] [14]<br />

[31] erforderlich zu sein:<br />

a. Identifizierung und Überwachung von unbekannten Radionukliden 58<br />

b. Identifizierung von unbekannten biologischen Agenzien 59<br />

c. Identifizierung und Überwachung von unbekannten chemischen Stoffen<br />

d. Industriebrandbekämpfung<br />

e. Abdichten, Umfüllen, Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen Stoffen bei<br />

großen Schadstofffreisetzungen<br />

f. Schiffssicherung bei Havarien mit Seeschiffen und der Freisetzung gefährlicher<br />

Stoffe oder Bränden<br />

g. Entseuchung von Fahrzeugen, Geräten, Einrichtungen und Gebäuden, die mit<br />

hochinfektiösen Erregern kontaminiert sind<br />

h. Erkennen und Entschärfen 60 von unbekannten Spreng- und Brandmitteln<br />

i. Sicherstellung einer maritimen Notfallrettung auf See bei einem Massenanfall<br />

von verletzten/erkrankten Personen 61 .<br />

Aufgrund der offenkundigen Risiken erscheint die schnellstmögliche Einrichtung<br />

von fünf TASK FORCES der Kategorie a, b, c, g und h, jeweils 4 TASK FORCES<br />

der genannten Kategorie d und e sowie einer TASK FORCE der Kategorie f geboten.<br />

58 die ZUB ist weitgehend einer TASK FORCE gleichzusetzen (siehe Kap. 7.3)<br />

59 Umsetzung kann erst nach Abschluss der eingeleiteten <strong>Forschung</strong>s- und Entwicklungsvorhaben<br />

begonnen werden<br />

60 nur soweit dies aufgrund einer außergewöhnlichen Lage über die Möglichkeiten des örtlich zuständigen<br />

Kampfmittelbeseitigungsdienstes geht<br />

61 gehört grundsätzlich nicht zum Aufgabenfeld des <strong>Zivilschutz</strong>es, ist jedoch im Katastrophenschutz<br />

gleichermaßen nutzbar<br />

205


Die Einheiten und Einrichtungen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger<br />

62 sowie der maritimen Notfallrettung bei einem Massenanfall von verletzten<br />

oder erkrankten Personen auf See, sind bezüglich der Zielorientierung weitgehend<br />

den Strukturen einer TASK FORCE gleichzusetzen.<br />

12.10.1 Identifizierung und Überwachung von unbekannten Radionukliden<br />

Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei radiologischen Gefahrenlagen wird<br />

gewährleistet, wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Insbesondere<br />

bei Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten<br />

radioaktiven Stoffe nicht bekannt. Die üblicherweise verfügbare Ausstattung im<br />

Katastrophenschutz lässt eine Identifizierung grundsätzlich nicht zu. Die im<br />

Gewerbe genutzten Strahlenquellen sind auf der Grundlage der bestehenden<br />

Rechtsnormen bekannt und in den Einsatzplänen der Gefahrenabwehrbehörden<br />

detailliert beschrieben. Während bei großflächigen Gefahrenlagen das stationäre<br />

Messnetz sowie die Ursache (z.B. Kernwaffeneinsatz) eindeutige Rückschlüsse<br />

zulassen, ist bei kleinflächigen Kontaminationen (z.B. Freisetzung durch eine so<br />

genannte schmutzige Bombe) oder einzelnen Punktstrahlern (so genannte HOT<br />

SPOTS) eine unmittelbare Identifizierung geboten.<br />

Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen, müssen entsprechende<br />

TASK FORCES zur Identifizierung der Radionuklide für den überregionalen Einsatz<br />

bereitgestellt werden. Zur materiellen Ausstattung gehört mindestens:<br />

• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />

• 1 ABC-Messleitfahrzeug (ABC-MLF)<br />

• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />

• 1 Spürfahrzeug mit speziellen Mess- und Detektions-Systemen sowie dem erforderlichen<br />

Zubehör.<br />

Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />

Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenz-<br />

Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />

nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />

12.10.2 Identifizierung von unbekannten biologischen Agenzien<br />

Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei biologischen Gefahrenlagen wird gewährleistet,<br />

wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Insbesondere<br />

bei Waffenwirkungen oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten biologischen<br />

Stoffe nicht bekannt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass biologische<br />

Gefahrenlagen erst mit der Häufung entsprechender Krankheitsbilder bei<br />

einer Vielzahl von Patienten erkannt werden.<br />

62 DGzRS<br />

206


Derzeit wird im Rahmen von zwei <strong>Forschung</strong>sprojekten ermittelt, ob und inwieweit<br />

spezielle Detektions- und Identifizierungsmöglichkeiten für einen schnellen<br />

Vor-Ort-Einsatz verfügbar sind. Erst mit dem Abschluss dieser Vorhaben kann entschieden<br />

werden, inwieweit die Einrichtung entsprechender TASK FORCES sinnvoll<br />

ist.<br />

12.10.3 Identifizierung und Überwachung von unbekannten chemischen<br />

Stoffen<br />

Eine sachgerechte Gefahrenabwehr bei chemischen Gefahrenlagen wird gewährleistet,<br />

wenn schnellstmöglich eine eindeutige Identifizierung erfolgt. Die üblicherweise<br />

im Katastrophenschutz verwendeten Detektions-Systeme lassen eine Identifizierung<br />

in der Regel nicht zu. Die Transportkennzeichnung sowie die Gefahrenabwehrpläne<br />

für Betriebe, die der Störfallverordnung unterliegen, liefern<br />

normalerweise die erforderlichen Informationen. Insbesondere bei Waffenwirkungen<br />

oder bei Terroranschlägen sind die freigesetzten gefährlichen chemischen<br />

Stoffe hingegen nicht bekannt. Spezielle Mess-Systeme lassen eine schnelle Vor-<br />

Ort-Identifizierung zu, die die erforderlichen Informationen für eine sachgerechte<br />

Gefahrenabwehr liefern. Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen,<br />

müssen entsprechende TASK FORCES zur Identifizierung der gefährlichen chemischen<br />

Stoffe für den überregionalen Einsatz bereitgestellt werden. Zur materiellen<br />

Ergänzung gehört mindestens:<br />

• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />

• 1 ABC-Messleitfahrzeug mit zusätzlichem Fernerkundungs-System (FTIR 63 )<br />

(ABC-MLF)<br />

• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />

• 1 Spürfahrzeug mit speziellen Mess- und Detektions-Systemen (z.B. GC-MS-<br />

System) sowie dem erforderlichen Zubehör<br />

Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />

Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenz-<br />

Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />

nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />

12.10.4 Brandbekämpfung in Verkehrs- und Industrieanlagen<br />

Insbesondere in den großen Ballungsräumen mit entsprechenden überdurchschnittlichen<br />

Industrie- und Verkehrsanlagen ist eine Konzentration von folgenden speziellen<br />

Risiken vorhanden:<br />

• ausgedehnte unterirdische Verkehrsanlagen mit einzelnen Streckenabschnitten<br />

von mehr als 1500 m<br />

• internationale Flughäfen mit Linienflugverkehr<br />

63passives Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer<br />

207


• internationaler See- und/oder Binnenschiffsverkehr mit hohen Umschlagsraten<br />

von Containern oder Massengut mit einem hohen Anteil von gefährlichen<br />

Gütern (> 20 %)<br />

• internationale <strong>Forschung</strong>seinrichtungen, z.B. mit Laboren der Bio-Gefahrgruppe<br />

B3/B4 oder Umgang mit offenen radioaktiven Strahlern<br />

• einer Vielzahl 64 von Betrieben, die der Störfallverordnung mit Sondereinsatzplan<br />

unterliegen<br />

• geschlossene Versammlungsstätten für mehr als 15 000 Zuschauer.<br />

Um den genannten Risiken sachgerecht zu begegnen, müssen entsprechende<br />

TASK FORCES zur Industriebrandbekämpfung für den überregionalen Einsatz<br />

bereitgestellt werden. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />

• Wasser-/Schaum-Werfer hoher Leistung (> 20 000 L/min) 65<br />

• Teleskopbühne mit Monitor (> 40 m Arbeitshöhe)<br />

• Schaummittelvorrat (wasser- bzw. polymerfilmbildender Schaum AFFF)<br />

• Langzeitatemschutzgeräte für mehr als 2 h Einsatzzeit (z.B. Kreislaufgeräte)<br />

• Chemikalienschutzanzüge<br />

• Hochleistungslüfter (z.B. Belüftung unterirdischer Verkehrstunnelanlagen)<br />

• Turbolöscher (z.B. Wassernebel in großen Höhen, Lüftung unterirdischer Straßen-Tunnelanlagen,<br />

Verwirbelung von Schadstoffwolken).<br />

Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />

Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeigneten Kompetenz-<br />

Zentren erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />

nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />

12.10.5 Abdichten, Umfüllen, Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen<br />

Stoffen<br />

Insbesondere infolge von Waffenwirkungen oder gezielten Terroranschlägen auf<br />

Tanklager oder Pipelines können erhebliche Mengen gefährlicher Stoffe freigesetzt<br />

werden. Um eine Gefährdung für die Menschen und die Umwelt zu begrenzen,<br />

müssen die Rohrleitungen oder Tanks abgedichtet und kontrolliert entleert werden.<br />

Weiterhin sind die freigesetzten Stoffe aufzunehmen und zu entsorgen. Die vorhandenen<br />

Kapazitäten, insbesondere der Werk- und Betriebsfeuerwehren, reichen<br />

bei entsprechenden Szenarien nicht aus. Um den genannten Risiken sachgerecht<br />

zu begegnen, müssen entsprechende TASK FORCES zum Abdichten, Umfüllen,<br />

Aufnehmen und Entsorgen von gefährlichen Stoffen für den überregionalen Einsatz<br />

bereitgestellt werden. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />

• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />

64 Mehr als 25 Betriebe<br />

65 z.B. Willams-Werfer<br />

208


• 1 ABC-Mess-Leitfahrzeuge mit Fernerkundungs-System (ABC-MLF)<br />

• 2 ABC-Erkundungskraftwagen (ABC-ErkKW)<br />

• 1 Tankfahrzeug (Tank aus Edelstahl, Faltbehälter für aggressive Flüssigkeiten<br />

und dgl.)<br />

• 1 Rüstwagen Gefahrgut (Fackel, Umfüll- und Gaspendel-Systeme und dgl.)<br />

• 1 Öl-Wasser-Separations-Anlage (SEPCON).<br />

Der tatsächliche Bedarf und die individuelle Zuordnung muss abschließend auf der<br />

Grundlage der Risikoanalysen der Länder an entsprechend geeignete Kompetenzzentren<br />

erfolgen. Die jeweiligen Standorte der Kompetenz-Zentren müssen dabei<br />

nicht mit den Risikoregionen übereinstimmen.<br />

12.10.6 Schiffssicherung bei Havarien mit Seeschiffen und der<br />

Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Bränden<br />

Derzeit stehen dem Havariekommando für die Schiffsicherung bei Havarien Kapazitäten<br />

zur Verfügung, die die normalen Risiken abdecken. Bei terroristischen<br />

Anschlägen wie auf das Tankmotorschiff LIMBURG (siehe Kap. 4) sind schnellstmöglich<br />

speziell ausgerüstete und trainierte Kräfte einer TASK FORCE zu aktivieren,<br />

die die Abwehrmaßnahmen der Schiffsleitung und der normalen Kräfte<br />

unterstützen. Die dafür benötigte Ausrüstung muss so gestaltet werden, dass sie<br />

mit den Einsatzkräften schnellstmöglich mit entsprechenden Transporthubschraubern<br />

zum Havaristen befördert werden kann. Als spezielle Ausstattung sind weitgehend<br />

dieselben Geräte erforderlich, die auch jetzt für die normalen Einsätze<br />

bereitgestellt sind. Zur materiellen Ergänzung gehört mindestens:<br />

• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />

• 1 LKW für den Transport der Ausrüstung<br />

• Langzeitatemschutzgeräte, Brandbekämpfungsmittel, Abdicht-, Auffang- und<br />

Neutralisationsmittel für gefährliche Stoffe<br />

• 1 Öl-Wasser-Separations-Anlage (SEPCON).<br />

Eine individuelle Zuordnung erfolgt auf der Grundlage der Risikoanalysen des<br />

Havariekommandos in Kooperation mit den Küstenländern an entsprechend geeigneten<br />

Kompetenz-Zentren.<br />

12.10.7 Entseuchung von Fahrzeugen, Geräten, Einrichtungen<br />

und Gebäuden<br />

Bei terroristischen Anschlägen oder Waffenwirkungen mit biologischen Agenzien<br />

kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Vielzahl von Bürgern erkranken und<br />

209


zusätzlich Krankenhausversorgungseinrichtungen aktiviert werden müssen. Nach<br />

erfolgreicher Seuchenbekämpfung müssen Fahrzeuge, Geräte, Einrichtungen oder<br />

ganze Gebäude sachgerecht desinfiziert werden. Dieses Aufgabenvolumen geht<br />

deutlich über die normal verfügbaren Mittel und Methoden hinaus. Zur Sicherstellung<br />

dieser komplexen Desinfektionsaufgaben müssen entsprechende TASK FOR-<br />

CES an geeigneten Kompetenz-Zentren eingerichtet werden. Zur materiellen<br />

Ergänzung gehört mindestens:<br />

• 1 Gerätewagen Kommunikation (GW-KOM)<br />

• 1 Entseuchungsfahrzeug mit spezieller Ausstattung.<br />

Eine individuelle Zuordnung erfolgt auf der Grundlage der Risikoanalysen des<br />

Robert-Koch-Instituts in Kooperation mit den Landeshygieneämtern an entsprechend<br />

geeigneten Kompetenz Zentren.<br />

12.10.8 Erkennen und Entschärfen von unbekannten<br />

Spreng- und Brandmitteln<br />

Zur Vorbereitung terroristischer Aktivitäten oder Sabotageakten werden möglicherweise<br />

umfangreiche verdeckte Waffen- und Sprengstofflager angelegt und<br />

durch Sprengfallen gesichert. Für die Sicherung und Entschärfung dieser Waffenund<br />

Sprengstofflager müssen entsprechende TASK FORCES in Kooperation mit<br />

den Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt und den Kampfmittelbeseitigungsdiensten<br />

der Länder eingerichtet werden. Insbesondere durch eine intensive<br />

Einsatzvorbereitung mit einem entsprechenden Informationsaustausch wird das<br />

spezielle Fachwissen trainiert und erweitert. Zusätzliche technische Ausstattungen<br />

scheinen nicht geboten.<br />

12.11 Zentrale Einrichtungen<br />

12.11.1 Einrichtung von Logistik-Zentren<br />

Bei Katastrophen und Großschadenslagen müssen zur optimalen Gefahrenabwehr<br />

zusätzliche Einsatzmittel (z.B. Overgarment, Einweg-Kontaminations-Schutzanzüge,<br />

Motorkettensägen, Stromerzeuger, Prüfröhrchen, Pumpen, Chemikalienschutzanzüge,<br />

Atemfilter, Messgeräte, Sandsäcke, Wolldecken, Feldbetten, Zelte,<br />

Verband- und Arzneimittel) sowie entsprechende Verbrauchs- und Betriebsstoffe<br />

(Kraftstoff, Schaummittelkonzentrat, Einweggeschirr, Sand und dgl.) schnellstmöglich<br />

bereitgestellt werden, die üblicherweise in den entsprechenden Stückzahlen<br />

nicht auf den Einsatzfahrzeugen mitgeführt oder in den regionalen Stützpunkten<br />

vorgehalten werden. Weiterhin sind in der Regel zusätzliche überregional<br />

arbeitende Einsatzkräfte beteiligt, die in entsprechenden Bereitstellungsräumen<br />

gleichermaßen versorgt, verpflegt und ggf. untergebracht werden müssen. Für die<br />

betroffene Bevölkerung, die vorübergehend in Notunterkünften einquartiert werden<br />

muss, müssen gleichermaßen Vorhaltungen bereitgestellt werden. Um dieses<br />

210


entsprechend den örtlichen Risiken sicherzustellen, werden von den Ländern<br />

geeignete Liegenschaften ausgewählt, vorbereitet und entsprechende Einsatz- und<br />

Verbrauchsmittel vorgehalten. Dafür eignen sich insbesondere vorhandene landeseigene<br />

Logistik-Zentren, Landesfeuerwehr- oder Rettungsdienstschulen, Stützpunkt-<br />

oder Berufsfeuerwehren und feuerwehrtechnische Zentralen sowie vergleichbar<br />

geeignete Einrichtungen. Risikogerechte Ergänzungen dieser zusätzlichen<br />

Einsatz- und Verbrauchsmittel müssen für den Katastrophenschutz bereitgestellt<br />

und kontinuierlich ersetzt werden. Die Vorhaltung dieser Lagergüter (dabei<br />

sind Gruppen zu bilden) kann in jeweils unterschiedlichen Logistik-Zentren des<br />

Landes bzw. der Kommunen realisiert werden. Für die im Katastrophenfall erforderliche<br />

Transportlogistik muss ein geeignetes Transportfahrzeug (LKW mit Ladebordwand,<br />

Sattelträgerfahrzeug, Wechselladerträgerfahrzeug (16 t) mit Seilwinde<br />

und Kraneinrichtung mit zwei Abrollbehältern mit Plane, Spriegel und Ladebordwand<br />

oder dgl.) zur Verfügung stehen. Die im Bedarfsfall erforderliche Transportlogistik<br />

muss von der entsprechenden Einrichtung des Landes bzw. der Kommune<br />

über eine entsprechende Rufbereitschaft so sichergestellt werden, dass die angeforderten<br />

Einsatzmittel innerhalb von 90 bis 150 Minuten abmarschbereit sind.<br />

12.11.2 Transport- und Erkundungshubschrauber<br />

Zur Sicherstellung der bei Großschadensfällen oder Katastrophen erforderlichen<br />

Transport- bzw. Erkundungsbedarfe müssen geeignete Fluggeräte zeitgerecht<br />

bereitgestellt werden. Insbesondere der schnelle Transport einer TASK FORCE<br />

muss mit entsprechend geeigneten Fluggeräten gewährleistet werden.<br />

12.12 Grundsätze für Fahrzeuge und Geräte<br />

Die bereitzustellende technische Ausstattung für den Einsatz bei Gefahrenlagen<br />

von nationaler Bedeutung muss aufgrund der besonderen Situation bestimmten<br />

überdurchschnittlichen Anforderungen gerecht werden. Die Einsatzmittel des<br />

Katastrophenschutzes werden für die Rettung und Versorgung betroffener Menschen<br />

sowie zur Abwehr von Flächenbränden, technischer oder natürlicher Gefahren<br />

sowie zur Erkundung eingesetzt. Die in diesen Fällen vorherrschende Gefahrenlage<br />

ist dadurch gekennzeichnet, dass<br />

• eine Vielzahl von Menschen<br />

• eine große Region<br />

• die normal verfügbare Infrastruktur<br />

akut betroffen sind. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge und Geräte unter widrigen<br />

Bedingungen, in schwierigen Arbeitsbereichen, unter erheblichen Zeitdruck von<br />

überwiegend ehrenamtlichen Helfern eingesetzt werden müssen. Die Einsatzmittel<br />

werden dabei über einen langen Zeitraum an der technischen Leistungsgrenze<br />

betrieben. Weiterhin ist der Nachschub von Verbrauchs- und Betriebsmitteln in der<br />

Regel erst nach Stunden oder sogar Tagen möglich. Die Einhaltung von sonst<br />

üblichen Wartungs- und Pflegeintervallen ist in der Regel nicht gewährleistet.<br />

211


Dabei ist der erfolgreiche Einsatz dieser Geräte für viele betroffene Menschen die<br />

einzige Rettung. Es muss durch die Auswahl der bereitzustellenden Einsatzmittel<br />

gewährleistet werden, dass Fahrzeuge und Geräte diesen überdurchschnittlichen<br />

Anforderungen uneingeschränkt gerecht werden. Weiterhin muss die Ersatzteilund<br />

Betriebsmittelverfügbarkeit auch in Krisensituationen während der gesamten<br />

wirtschaftlichen Lebensdauer kurzfristig gewährleistet sein. Für Fahrzeuge oder<br />

Geräte, deren Ersatzteilversorgung aufgrund der Lebensdauer nur aus wenigen<br />

weit entfernten zentralen Lagern nach mehreren Tagen oder Wochen möglich ist,<br />

sind für den Einsatz im Katastrophenschutz ungeeignet. Um eine ortsnahe und<br />

schnelle Ersatzteilversorgung weitgehend problemlos sicherzustellen, müssen<br />

grundsätzlich handelsübliche und im normalen wirtschaftlichen Gewerbebetrieb<br />

verbreitete Systeme für die Fahrzeuge und Geräte zur Anwendung kommen. Für<br />

spezielle Einsatzmittel, die im gewerblichen Bereich weitgehend unüblich sind,<br />

müssen ggf. Verbrauchs- und Betriebsmittel sowie entsprechende Ersatzteile in<br />

geeigneter Weise verfügbar gehalten werden, damit in der akuten Katastrophenabwehr<br />

Engpässe ausgeschlossen sind.<br />

12.12.1 Lebens- und taktische Gebrauchsdauer<br />

Bezüglich der wirtschaftlichen Lebensdauer der technischen Ausstattung werden<br />

grundsätzlich folgende Bereiche differenziert:<br />

• Fahrgestell<br />

• Fahrzeugausrüstung (Geräte, Aggregate, Aufbauten und Einrichtungen die fest<br />

mit dem Fahrgestell bzw. dem Antrieb verbunden sind)<br />

• Ausstattung<br />

– Geräte / Beladung<br />

– Persönliche Ausstattung<br />

– Reserve- und Ergänzungsausstattung in Logistik-Zentren.<br />

Grundsätzlich muss für alle einzelnen Elemente auf der Basis wirtschaftlicher<br />

Grundsätze eine entsprechende Lebensdauer definiert sein. Die Gebrauchsdauer<br />

dieser Elemente endet spätestens dann, wenn der einsatztaktische/technische<br />

Zweck zur Gefahrenabwehr nicht mehr sachgerecht erfüllt wird. Die wirtschaftliche<br />

Lebensdauer kann dann außerhalb des Katastrophenschutzes über die taktische<br />

Gebrauchsdauer hinaus gehen. In den Fällen, wo das Fahrgestell aus wirtschaftlichen,<br />

einsatztaktischen und technischen Gründen noch weiter betrieben werden<br />

kann, die Fahrzeugausrüstung und/oder Ausstattung aber den taktisch und technischen<br />

Anforderungen der sachgerechten und schnellen Gefahrenabwehr bzw.<br />

-erkundung nicht mehr entspricht, muss durch eine entsprechende Grundinstandsetzung<br />

mit einer Anpassung der Ausrüstung und Ausstattung der taktische Einsatzwert<br />

an das erforderliche Profil angepasst werden. Der jeweilige Umfang der<br />

Grundinstandsetzung ist dabei vom jeweiligen Fahrzeugtyp, der technologischen<br />

Entwicklung und der taktischen Verwendbarkeit einzelner Ausrüstungen und Ausstattungen<br />

abhängig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Betrieb<br />

des Fahrgestells für die folgenden Jahre ausreichend gewährleistet bleibt. Die Ver-<br />

212


wendbarkeit einzelner Elemente der Ausstattung kann dabei deutlich kürzer oder<br />

in einzelnen Fällen auch länger sein, als die des Fahrzeuges.<br />

Die derzeit im Katastrophenschutz gebräuchlichen kalkulatorischen und tatsächlichen<br />

Betriebszeiten der Fahrzeuge müssen den taktischen Anforderungen angepasst<br />

werden. Der derzeitige Zeitaufwand für die Beschaffung von Ersatzteilen für<br />

Fahrzeuge die älter als 18 Jahre sind, ist mit den damit verbundenen Ausfallzeiten<br />

nicht akzeptabel und führt in vielen Bereichen zu Demotivation der ehrenamtlichen<br />

Helfer. Es ist künftig stärker zu berücksichtigen, dass die Industrie die<br />

flächendeckende Bereitstellung von Ersatzteilen nur für ca. 5 bis 7 Jahre nach<br />

Produktionseinstellung des Fahrzeugtyps gewährleistet. Dies wird aufgrund vorliegender<br />

Erfahrungen weitgehend nur noch von den deutschen Nutzfahrzeug-<br />

herstellern erreicht. Andere internationale Hersteller haben erfahrungsgemäß deutlich<br />

kürzere Zeiträume. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs werden auch<br />

die nationalen Hersteller weitere Reduzierungen vornehmen. Da im Bereich der<br />

Nutzfahrzeuge die jeweiligen Typen über einen Zeitraum von 5 bis 8 Jahren produziert<br />

werden, ergibt sich eine weitgehend flächendeckend gesicherte Ersatzteilbereitstellung<br />

von 7 bis maximal 15 Jahren. Die in der Vergangenheit von einzelnen<br />

Aufbauherstellern mehrfach praktizierte Verwendung spezieller Teile zur Aufrüstung<br />

des Serienfahrgestells in eine höhere Gewichtsklasse hat beispielhaft zu<br />

erheblichen zeitlichen und technischen Problemen bei der Ersatzteilbereitstellung<br />

(Stoßdämpfer, Reifen, Auspuffanlagen und dgl.) für die Fahrzeuge geführt. Diese<br />

Behinderungen müssen künftig im Katastrophenschutz weitgehend ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen mit den Fahrzeuggenerationen der vergangenen<br />

Jahrzehnte bestehen erhebliche Zweifel, ob die technische Qualität der Fahrzeuge<br />

und der speziellen Ausrüstung einen wirtschaftlichen Betrieb von mehr als<br />

18 Jahren erlauben.<br />

12.12.2 Gewichts- und Volumenreserve<br />

Bei einer langjährigen Verwendungszeit der Fahrzeuge von über 10 Jahren sind<br />

im Rahmen des technischen Fortschritts Veränderungen zu erwarten. Um den veränderten<br />

technischen oder taktischen Anforderungen zu entsprechen, müssen Fahrzeuge<br />

im Katastrophenschutz mit einer ausreichenden Gewichts- und Volumenreserve<br />

von mindestens 15 % konzipiert werden. Die Ausrüstung und Ausstattung<br />

muss, soweit es die technischen und taktischen Anforderungen zulassen, in Segment-<br />

bzw. Modulbauweise ausgeführt werden.<br />

12.12.3 Multifunktionalität<br />

Grundsätzlich muss mit den Fahrzeugen des Katastrophenschutzes ein möglichst<br />

weites Aufgabenspektrum multifunktional bearbeitet werden. Je höher der Gebrauchswert<br />

in der Bekämpfung von Großschadensfällen ist, desto höher ist die<br />

Akzeptanz bei den ehrenamtlichen Helfern. Fahrzeuge, die nur für ein begrenztes<br />

213


Spektrum konzipiert sind, sind daher nur bedingt geeignet. So wurden z.B. die<br />

Schlauchwagen und DEKON-P-Fahrzeuge während der Hochwasserkatastrophe<br />

Elbe 2002 als Transportfahrzeuge für Güter aller Art (z.B. Sandsäcke, Feldbetten,<br />

Wolldecken und dgl.) eingesetzt. Die Ladekapazität und die Ladebordwand ermöglichten<br />

eine multifunktionale Nutzung. Neben den Kernaufgaben der Fahrzeuge<br />

müssen weitgehend alternative, multifunktionale Nutzungsmöglichkeiten gewährleistet<br />

werden. Für die multifunktionale Verwendung muss sichergestellt werden,<br />

dass die jeweilige Beladung grundsätzlich von einer Person entladen werden kann.<br />

12.12.4 Einsatzdauer<br />

Alle Fahrzeuge und Geräte müssen grundsätzlich so konzipiert werden, dass eine<br />

sofortige Einsatzdauer von mindestens 8 Stunden gewährleistet wird. Mit entsprechenden<br />

Ladesystemen, Betriebsvorräten und Reserven (z.B. Akkus) kann dies<br />

sichergestellt werden.<br />

12.12.5 Betriebskosten<br />

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen müssen alle Maßnahmen Berücksichtigung<br />

finden, die die Betriebskosten des technisch/ taktischen Konzeptes begrenzen,<br />

ohne den Einsatzwert zu reduzieren.<br />

13 Zusammenfassung<br />

Auf der Basis der derzeit bestehenden technischen Ausstattung des Katastrophenschutzes<br />

wurde unter Einbeziehung der Schwachstellen der offenkundig neuen<br />

Bedrohungslage und den Erfahrungen aus Großschadensfällen, Katastrophen und<br />

Terroranschlägen strategische Grundsätze bezüglich der technischen Ausstattung<br />

entwickelt. Die vielfältigen Wechselbeziehungen (z.B. Verfügbarkeit von ehrenamtlichen<br />

Helfern, Ausbildung und dgl.) wurden soweit möglich gewürdigt.<br />

Der Bund, die Länder und Kommunen bleiben in der Pflicht, eine den jeweiligen<br />

Risiken angepasste Einsatzplanung und -organisation zu realisieren sowie die<br />

erforderlichen Führungsstrukturen zu definieren bzw. der neuen Bedrohungslage<br />

anzupassen. Auf die Aufstellung spezieller multifunktionaler Katastrophenschutz-<br />

Einheiten wurde verzichtet, da damit eine Integration in die tägliche Gefahrenabwehr<br />

erschwert und keine ausreichenden Einsatzerfahrungen erworben werden<br />

können.<br />

Mit der strategischen Neukonzeption wird die technische Ausstattung dem Stand<br />

der Technik in der Gefahrenabwehr angepasst sowie auf die besonderen Risiken<br />

durch Waffenwirkungen, Terroranschläge und ABC-Gefahren fokussiert.<br />

Besonders hohe Risiken müssen mit der Einrichtung spezieller TASK FORCES<br />

(z.B. Industriebrandbekämpfung, Identifizierung von ABC-Gefahren und dgl.)<br />

aufgefangen werden.<br />

214


Weiterhin müssen spezielle unterstützende Leistungen (z.B. Datenverarbeitung,<br />

Erarbeitung von Ausbildungs- und Einsatzgrundsätzen) zentral erbracht werden,<br />

die insbesondere den überregionalen Einsatz der Einheiten in der Gefahrenabwehr<br />

gewährleisten und die Rettungsmaßnahmen für den betroffenen Bürger optimieren.<br />

Mit der vorgelegten strategischen Konzeption der technischen Ausstattung des<br />

Katastrophenschutzes für die Bewältigung national bedeutender Gefahrenlagen<br />

wurde den Ergebnissen der Risikobewertung der Länder, den daraus resultierenden<br />

strategischen Planungen zur Gefahrenabwehr sowie den entsprechend zu entwickelnden<br />

taktischen Prozessen vorgegriffen. Deshalb müssen die vorliegenden<br />

Ergebnisse in Abhängigkeit zu den strategischen und taktischen Gefahrenabwehrkonzepten,<br />

einer kritischen Kontrolle unterzogen und entsprechend weiterentwickelt<br />

bzw. angepasst werden. Gleichwohl erscheint es geboten, mit zielgerichteten<br />

Sofortmaßnahmen<br />

• den bereits getroffenen Entscheidungen zu folgen und vorhandene Möglichkeiten<br />

zur Aktivierung von TASK FORCES zu nutzen,<br />

• die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erstellung der Risikound<br />

Verwundbarkeits-Analysen zu realisieren,<br />

• eine ganzheitliche Betrachtung aller gebotenen Maßnahmen einzuleiten und<br />

• gebotene Entwicklungen von Prototypen für die Felderprobung voranzutreiben.<br />

Die dafür erforderlichen Mittel müssen bereitgestellt werden.<br />

14 Quellen<br />

[1] Ständige Konferenz der Innenminister / -senatoren der Länder (IMK)<br />

Beschluss TOP 23 vom 06.06.2002<br />

Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />

[2] Gesetz zur Neuordnung des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

<strong>Zivilschutz</strong>neuordnungsgesetz – ZSNeuOG<br />

BGBl. 1997 Teil I Nr. 21 S. 726 ff<br />

[3] Bundesministerium des Innern<br />

Bericht zur zivilen Verteidigung – Gesamtkonzeption –<br />

Juni 1995<br />

[4] Bundesministerium des Innern<br />

Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen<br />

und im Verteidigungsfall<br />

Zweiter Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim BMI<br />

Oktober 2001<br />

215


[5] Bundesministerium des Innern<br />

Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen<br />

und im Verteidigungsfall<br />

Gefahrenbericht der <strong>Schutzkommission</strong> beim BMI<br />

Oktober 1996<br />

[6] Bundesministerium des Innern<br />

Konzeption zur Informationszentrale des Bundes<br />

– Deutsches Notfallvorsorge Informations-System deNIS –<br />

Geschäftsstelle der Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

BMI, THW, BZS, BVA 2000<br />

[7] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />

Für eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />

Überlegungen für eine gemeinsame Rahmenkonzeption zur Weiterentwikklung<br />

des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

Grundsatzpapier für das Bundesministerium des Innern und den Arbeitskreis<br />

V der Innenministerkonferenz (AKV/IMK)<br />

Entwurf Stand: 01. März 2002<br />

[8] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />

Bund-Länder Zusammenarbeit in Fragen des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

Ergebnisprotokoll des Workshop 13. + 14. 12. 2001<br />

[9] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />

Neukonzeption des <strong>Zivilschutz</strong>es<br />

– Bedrohungsanalyse, Szenarien, Handlungsbedarf –<br />

Tischvorlage der AKNZ zum Workshop am 13. + 14. 12. 2001<br />

[10] Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für <strong>Zivilschutz</strong> –<br />

Feinkonzept über die Kostenregelung für die Standortebene des Katastrophenschutzes<br />

im <strong>Zivilschutz</strong><br />

2002<br />

[11] Hessisches Ministerium des Innern und für Sport<br />

Katastrophenschutz in Hessen<br />

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit<br />

dem Landesbeirat für Brandschutz, Allgemeine Hilfe und Katastrophenschutz<br />

August 2002<br />

[12] Hessisches Ministerium des Innern und für Sport<br />

Katastrophenschutz in Hessen – Gefährdungsanalyse für das Land Hessen –<br />

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit<br />

dem Landesbeirat für Brandschutz, Allgemeine Hilfe und Katastrophenschutz<br />

September 2000<br />

216


[13] Deutscher Städtetag<br />

Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren im Deutschen Städtetag<br />

Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Teil A Eckpunkte<br />

[14] Deutscher Städtetag<br />

Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren im Deutschen Städtetag<br />

Reform des Zivil- und Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Teil B Konzeption<br />

[15] Malteser Hilfsdienst<br />

R. Kersten<br />

Infektionstransporte nach dem Einsatz von Kampfstoffen<br />

– Eine Herausforderung für den Sanitätsdienst im Katastrophenschutz –<br />

NOTFALLVORSORGE 1/2002 S. 18 ff<br />

[16] DRK Generalsekretariat<br />

Der Hilfszug des Deutschen Roten Kreuzes<br />

Juli 2002<br />

[17] DRK Generalsekretariat<br />

Einsatzmodule der internationalen Katastrophenhilfe<br />

– Emergency Response Units (ERUs) –<br />

Juli 2002<br />

[18] Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V.<br />

Möglichkeiten zur Einbindung der Wasserrettung in das System der Gefahrenabwehr<br />

von Bund, Ländern und Gemeinden<br />

Präsidium Februar 2002<br />

[19] Deutscher Feuerwehr Verband e. V.<br />

Die Hochwasserkatastrophe an der Elbe im August 2002<br />

Erfahrungen – Analysen – Konsequenzen<br />

Sept. 2002<br />

[20] Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands<br />

Sichtungskategorien im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz<br />

– Ergebnisse der 1. Konsensuskonferenz 15.03.2002 –<br />

BAND e. V.<br />

[21] Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e. V.<br />

Protokoll der Arbeitsgruppe „CIMIC-Kooperation zwischen Streitkräften,<br />

Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen“<br />

2000<br />

217


[22] Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz<br />

Ergebnisprotokoll der 5. Plenarsitzung der ständigen Konferenz für<br />

Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz<br />

2000<br />

[23] LFV Baden-Württemberg<br />

Positionspapier zum Zivil- und Katastrophenschutz<br />

Brandhilfe 11/2001 Seite 371 ff.<br />

[24] LFV Sachsen<br />

Führungsorganisation und Führungsmittel für Feuerwehreinsätze mit<br />

gefährlichen Stoffen und Gütern – Rahmenempfehlung 002 –<br />

Landesfeuerwehrverband Sachsen e. V. 1999<br />

[25] Berliner Feuerwehr<br />

Seminarband zum 10. Seminar über Großschadenereignisse<br />

Gemeinsame Veranstaltung der Berliner Polizei und Feuerwehr 2000<br />

[26] Polizei München<br />

Emergency Procedures Information Centre – EPIC –<br />

Informationsbroschüre zur Gemeinsamen Auskunftsstelle – GAST – 1995<br />

[27] U. Krieger<br />

Das Rettungswesen und der Sanitätsdienst in außerordentlichen Lagen in<br />

der Schweiz<br />

Vortrag im Rahmen der 43. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />

Bundesminister des Innern 1994<br />

[28] E. Pfenninger; W. Birkholz<br />

Statuserhebung zur Situation medizinischer Hilfssysteme im Zivil- und<br />

Katastrophenschutz in der BRD<br />

Vortrag im Rahmen der 42. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />

Bundesminister des Innern 1993<br />

[29] E. Pfenninger; D. Richter, W. Birkholz<br />

Ergebnisse zur Statuserhebung des medizinischen Katastrophenschutzes in<br />

der BRD<br />

Vortrag im Rahmen der 43. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />

Bundesminister des Innern 1994<br />

[30] W. R. Dombrowsky<br />

Humanitäre Hilfe in Ruanda. Erfahrungen aus einem Quick-Alert-Einsatz<br />

für die Katastrophenbegleitforschung und die Ausbildung<br />

Vortrag im Rahmen der 44. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong> beim<br />

Bundesminister des Innern 1995<br />

[31] Prof. Dr.-Ing. G. Matz, A. Schillings, P. Rechenbach<br />

TASK FORCE für die Schnellanalytik bei großen Chemieunfällen und<br />

218


Bränden<br />

Technische Universität Hamburg-Harburg<br />

März 2001<br />

[32] Prof. Dr. L. Clausen, Dr. W. Dombrowsky, J. Horenczuk, Dr. W. Streitz<br />

Erstellung eines Schutzdatenatlasses<br />

Katastrophenschutzforschungsstelle der Christian-Albrechts-Universität zu<br />

Kiel<br />

November 2001<br />

[33] Kommission „Krankenhausapotheken und Arzneimittelwesen“<br />

Arznei- und Verbandmittelliste für Krankenhäuser als Vorhaltung für Notund<br />

Katastrophenfälle<br />

DAS KRANKENHAUS Nr. 11 1985 S. 471 ff<br />

[34] Ch. Hugo, W. Probst<br />

Achtung Bio-Einsatz! – Das Einsatzkonzept der Feuerwehr Planegg –<br />

BRANDSCHUTZ Nr. 4 2002 S. 362 ff<br />

[35] Chr. Jochum<br />

Gefahrenanalyse zur Bewertung des Gefahrenpotenzials von prozessbezogenen<br />

Anlagen<br />

Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

– Fb 985 – 2000<br />

[36] R. Lipp<br />

Führen im Zivil- und Katastrophenschutz<br />

[37] E. Plate, L. Clausen, U. de Haar, H.-B. Kleeberg, G. Klein,<br />

G. Mattheß, R. Roth H. Schmincke<br />

Naturkatastrophen und Katastrophenvorbeugung<br />

Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />

VCH Verlagsgesellschaft 1993<br />

[38] S. Hartwig<br />

Große technische Gefahrenpotenziale – Risikoanalysen und Sicherheitsfragen<br />

–<br />

Battelle-Institut Springer-Verlag 1983<br />

[39] S. M. Christoph; A. Woltmann; E. Muhl; H. P. Bruch<br />

Effektive präklinische Polytraumaversorgung – Strategien zwischen optimaler<br />

Therapie und schneller Versorgung in einem Krankenhaus –<br />

Notfallsymposium Lübeck Mai 2002<br />

[40] Prof. Dr. J. de Boer<br />

Order in Chaos –modelling medical disaster management–<br />

Department of Surgery –Free University Hospital Amsterdam–<br />

219


[41] T. Hinsche<br />

Hausarbeit „Es ist ein Konzept zu entwickeln, wie das vom Bund zur Verfügung<br />

gestellte ABC-Erkundungsfahrzeug in die allgemeine Taktik der<br />

Gefahrenabwehr der Feuerwehren integriert werden kann“<br />

Brand- und Katastrophenschutzschule Heyrothsberge September 2002<br />

[42] G. Julga<br />

Perspektiven und Innovation – Fixation – Transport – Rettungsmittel –<br />

Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />

[43] P. Kober<br />

Infektionsschutzgesetz – Richtlinie zum Management hochkontagiöser<br />

Erkrankungen im Land Mecklenburg-Vorpommern –<br />

Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />

[44] N. Wischnewski<br />

Infektionsrisiko im Rettungsdienst<br />

Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />

[45] B. Domres, A. Manger<br />

Einheitliche gesetzliche Vereinbarung für Schnell-Einsatz-Gruppen notwendig?<br />

Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />

[46] Bundesministerium des Innern<br />

Modellrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland bis zum Jahr 2050<br />

Juli 2000<br />

[47] BMI Interministerielle Koordinierungsgruppe<br />

Konzeption zur Informationszentrale des Bundes – Deutsches Notfallvorsorge<br />

Informations-System – (deNIS)<br />

November 2000<br />

[48] M. Stein<br />

Die Rolle des Ehrenamtes in marktfähigen Geschäftsfeldern<br />

Vortrag zum 10. DRK Rettungskongress Rostock Mai 2002<br />

[49] DFV<br />

Feuerwehr-Jahrbuch 2002/03<br />

Deutscher Feuerwehr-Verband e. V.<br />

[50] J. Schreiber<br />

Massenanfall von Verletzten (MANV) mit gefährlichen Stoffen und Gütern<br />

(GSG) – Einsatzbearbeitung durch den Sanitäts- und Rettungsdienst –<br />

SEGmente, Band 6 Vorabdruck, 2002<br />

220


[51] Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Möglichkeiten der technischen Konzeption des Brandschutzdienstes<br />

Behörde für Inneres, Feuerwehr – Einsatzabteilung – August 2001<br />

[52] Ausschuss Rettungswesen<br />

Massenanfall von Verletzten und Erkrankten (MANV)<br />

Bericht der Arbeitsgruppe im Ausschuss Rettungswesen Januar 2001<br />

[53] Ausschuss Rettungswesen<br />

Strukturfragen<br />

Bericht der Arbeitsgruppe im Ausschuss Rettungswesen Januar 2001<br />

[54] LFV Baden-Württemberg<br />

Weiterentwicklung des Zivil- und Katastrophenschutzes<br />

Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg zur<br />

Konkretisierung von Maßnahmen vom Sept. 2002<br />

[55] Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Bericht des Polizeipräsidenten in Hamburg als örtlichen Luftschutzleiter<br />

über die schweren Großluftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 –<br />

Erfahrungen –<br />

Teil I Berichtsband Okt. 1943<br />

[56] Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Bericht des Polizeipräsidenten in Hamburg als örtlichen Luftschutzleiter<br />

über die schweren Großluftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 –<br />

Erfahrungen –<br />

Teil II Anlagenband Okt. 1943<br />

[57] Dipl.-Ing. H. Brunswig<br />

Einsatzerfahrungen des Brandschutzdienstes – Eine kritische Darstellung<br />

der Brandschutzorganisation, Brandschutztechnik und Brandschutztaktik<br />

des zivilen Luftschutzes im zweiten Weltkrieg –<br />

Gutachten für das Bundesamt für Zivilen Bevölkerungsschutz 1959<br />

[58] Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Bericht des vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg berufenen<br />

Sachverständigen Ausschusses zum Ablauf der Flutkatastrophe 1962<br />

1962<br />

[59] S. Bondke<br />

Erfahrungen der Feuerwehr Hamburg bei den niedersächsischen Waldbränden<br />

1975 mit Vorschlägen zur Bildung einer leistungsfähigen Katastrophenschutzleitung<br />

Feuerwehr Hamburg 1976<br />

221


[60] EU<br />

Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des<br />

Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit<br />

Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 12.06.1989<br />

[61] EU<br />

Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des<br />

Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsverhältnis<br />

oder Leiharbeitsverhältnis<br />

Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 25.06.1991<br />

[62] EU<br />

Ermittlung von physikalischen, biologischen oder chemischen Risiken im<br />

Hinblick auf die Verwendung persönlicher Schutzausrüstungen<br />

Anhang I der Richtlinie 89/391/EWG<br />

[63] K. Senkpiel, H. Ohgke<br />

Biologische Aspekte von Luft-, speziell Atemschutz-Filtern<br />

Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Medizinischen<br />

Universität zu Lübeck Sept. 2001<br />

[64] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, D. Scholz, G. Fell, H. Bußmann<br />

Rahmenkonzept zur Gefahrenabwehr bei außergewöhnlichen Seuchengeschehen<br />

Gesundheitswesen Nr. 63/2001 S. 695 ff<br />

[65] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, B. Ruf, U. Koch, T. Grünewald<br />

Erste medizinische Maßnahmen und antiepidemische Maßnahmen bei<br />

Verdacht auf virales hämorrhagisches Fieber<br />

MED WELT Nr. 52/2001 S. 126/23 ff<br />

[66] Deutscher Bundestag<br />

Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Zukunft des Bürgerlichen<br />

Engagements“<br />

Bundestags-Drucksache 14/8900 vom Juni 2002<br />

[67] Deutscher Bundestag<br />

Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“<br />

Bundestags-Drucksache 14/8800 vom März 2002<br />

[68] H. Birg<br />

Die demographische Zeitenwende – der Bevölkerungsrückgang in Deutschland<br />

und Europa –<br />

Verlag C. H. Beck 2001<br />

222


[69] R. Fock, M. Peters, A. Wirtz, B. Ruf, U. Koch, T. Grünewald, E.-J. Finke,<br />

M. Niedrig, D. Scholz, G. Fell, H. Bußmann, H. Bergmann, K. Fleischer,<br />

B. Ruf<br />

Schutz vor lebensbedrohenden importierten Krankheiten<br />

Bundesgesundheitsblatt Nr. 10/2000<br />

[70] Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren der Länder (IMK)<br />

Beschluss TOP 36 vom 06.12.2002<br />

Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland<br />

[71] Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren der Länder (IMK)<br />

Beschluss TOP 36 vom 06.12.2002<br />

Unterstützung durch die Bundeswehr beim Schutz der Bevölkerung vor den<br />

Folgen terroristischer Anschläge, insbesondere für die Bereiche biologische<br />

und chemische Stoffe, Sanitätswesen und Kommunikation<br />

[72] Robert-Koch-Institut<br />

Zielgerichtetes bund-länderübergreifendes biologisches Krisenmanagement<br />

Aufgaben, personelle und materielle Anforderungen (Biological Risk<br />

Management)<br />

Projektbereicht 2002<br />

[73] NRW<br />

Neukonzeption der Abwehr von Großschadenereignissen im Land Nordrhein-Westfalen<br />

– Struktur, Stärke, Ausstattung und Verteilung der nach dem<br />

FSHG mitwirkenden Einheiten –<br />

Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen Okt. 1998<br />

[74] NRW<br />

Einsatzplanung für den Massenanfall von Verletzten (MANV) am Beispiel<br />

der Stadt Köln<br />

Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen Mai 2001<br />

[75] BVA/AKNZ/Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte<br />

Deutschlands<br />

Dokumentation der Sichtung bei Großschadenereignissen und Katastrophen<br />

Bericht zur 2. Konsensuskonferenz in Bad Breisig am 29.10.2002<br />

[76] Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V.<br />

Ergänzungsvorschläge zum Fachbereich Wasserrettung<br />

Präsidium Januar 2003<br />

[77] Bayerisches Staatsministerium des Innern<br />

Jahrbuch für den Brand- und Katastrophenschutz 2003<br />

223


[78 IdF NRW<br />

Neukonzeption zur Abwehr von Großschadenereignissen im Land NRW<br />

Struktur, Stärke, Ausstattung und Verteilung der nach dem FSHG mitwirkenden<br />

Einheiten<br />

Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen<br />

[79] Dr. A. Ziegler<br />

Massenanfall kontaminierter Personen aus (not-)ärztlicher Sicht<br />

Vortrag im Rahmen der Internationalen Fachtagung der Vereinigung für<br />

Gefahrstoff- und Brandschutzforschung an der Universität Salzburg im<br />

Februar 2003<br />

[80] SBCCOM<br />

Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />

Guidlines for Mass Casualty Decontamination During a Terrorist Chemical<br />

Agent Incident<br />

US Army Soldier and Biological Chemical Command Jan. 2000<br />

[81] SBCCOM<br />

Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />

Guidlines for Cold Weather Mass Casualty Decontamination During a<br />

Terrorist Chemical Agent Incident<br />

US Army Soldier and Biological Chemical Command Jan. 2002<br />

[82] SBCCOM<br />

Chemical Weapons Improved Response Program (CWIRP)<br />

Guidlines for Incident Commander’s Use of Firefighter Protective Ensemble<br />

(FFPE) with Self-Contained Breathing Apparatus (SCBA) for Rescue<br />

Operations During a Terrorist Chemical Agent Incident<br />

US Army Soldier and Biological Chemical Command Aug. 1999<br />

[83] Haz Mat for Health Care<br />

Management of the Contaminated Patient –Use of a Decon Resource Team-<br />

[84] Queensland Government<br />

Chemical /Haz Mat Plan-A Functional Plan of the State of Queensland<br />

Multi-Agency Response Plan to CBR Incidents<br />

State of Queensland Jan. 2002<br />

[85] R. Napier<br />

Nerv Gas Attack –Tokyo–<br />

FIRE & RESCUE S 34 ff, 1995<br />

[86] H. Murakami<br />

Untergrundkrieg – Der Anschlag auf Tokio –<br />

DUMONT 2002<br />

224


[87] Bundesverwaltungsamt – Akademie für Notfallplanung und <strong>Zivilschutz</strong> –<br />

Sachstandsbericht zur Problemstudie – Risiken in Deutschland –<br />

Tischvorlage der AKNZ zur 10. Sitzung des AFKzV in<br />

Dresden am 19. + 20. Februar 2003<br />

[88] D. Stratmann<br />

Strategien des Rettungsdienstes – Konsequenzen nach dem 11. September<br />

2001 –<br />

NOTFALL & RETTUNGSMEDIZIN 2/2003 S. 102 ff<br />

[89] MPK<br />

Zivil- und Katastrophenschutz<br />

TOP 2 der Besprechung der Regierungschefs der Länder am 27.03.2003 in<br />

Berlin<br />

[90] H. P. von Kirchbach<br />

Bericht der unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung<br />

Flutkatastrophe 2002<br />

Sächsische Staatsregierung 2002<br />

[91] BAND e. V.<br />

Positionspapier der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte<br />

Deutschlands<br />

NOTARZT Nr. 19, 2003 S. 37 ff<br />

[92] agbf<br />

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren<br />

im Deutschen Städtetag<br />

BRANDSCHUTZ Nr. 56, 2002 S. 946 ff<br />

225


Autoren<br />

Henschler, Detlev<br />

Professor Dr.<br />

Institut für Toxikologie der<br />

Universität<br />

Versbacher Straße 9<br />

97078 Würzburg<br />

Himmelseher, Sabine<br />

Dr. med.<br />

Klinik für Anästhesiologie<br />

Klinikum rechts der Isar<br />

Technische Universität München<br />

Ismaningerstraße 22<br />

81675 München<br />

Knobloch, Jürgen<br />

Professor Dr.<br />

Institut für Tropenmedizin<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

Keplerstraße 15<br />

72074 Tübingen<br />

König, Silke<br />

Universitätsklinik für<br />

Anästhesiologie<br />

Universitätsklinikum Ulm<br />

Steinhövelstraße 9<br />

89075 Ulm<br />

Miska, Horst<br />

Dr.<br />

Ministerium des Innern<br />

und für Sport<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Mainz<br />

Pfenninger, Ernst<br />

Professor Dr. med.<br />

Universitätsklinik für<br />

Anästhesiologie<br />

Klinikum der Universität Ulm<br />

Steinhövelstraße 9<br />

89075 Ulm<br />

Popović, Michael<br />

Dr. med<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Landesärztekammer Hessen<br />

Im Vogelsgesang 3<br />

60488 Frankfurt<br />

Reichenbach, Heinz<br />

Dr.<br />

Steinmatten 34<br />

79194 Gundelfingen<br />

Rechenbach, Peer<br />

Dr.<br />

Diplom-Ingenieur<br />

Ltd. Branddirektor<br />

Hamburg<br />

Rosen, Klaus-Henning<br />

Ministerialdirektor<br />

Abteilungsleiter im<br />

Bundesministerium des Innern<br />

Alt Moabit 101 D<br />

10559 Berlin<br />

227


Scharmann, Arthur<br />

Professor Dr. Dr. h.c. mult.<br />

I. Physikalisches Institut der<br />

Justus-Liebig-Universität<br />

Heinrich-Buff-Ring 16<br />

35392 Gießen<br />

Steig, Joachim<br />

Ministerialdirektor<br />

Abteilungsleiter im<br />

Bundesministerium des Innern<br />

Alt Moabit 101 D<br />

10559 Berlin<br />

Ternes Thomas<br />

ESWE-Institut an der<br />

Johannes Gutenberg-<br />

Universität Mainz<br />

Söhnleinstraße 152<br />

65201 Wiesbaden<br />

Wilken, Rolf-Dieter<br />

Prof. Dr.<br />

ESWE-Institut an der<br />

Johannes Gutenberg-<br />

Universität Mainz<br />

Söhnleinstraße 152<br />

65201 Wiesbaden<br />

Weiss, Wolfgang<br />

Professor Dr.<br />

Bundesamt für Strahlenschutz<br />

Rosastr. 9<br />

79098 Freiburg<br />

228<br />

Wirth Erich<br />

Dr.<br />

Bundesamt für Strahlenschutz<br />

Rosatr. 9<br />

79098 Freiburg


Band 56<br />

Aufbau und Ablauf der Dekontamination<br />

und Notfallversorgung Verletzter bei<br />

Zwischenfällen mit chemischen Gefahrstoffen<br />

2005, 272 Seiten, Broschur<br />

Band 55<br />

51. und 52. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

– Vorträge –<br />

2005, 232 Seiten, Broschur<br />

Band 54<br />

E. Pfenninger, S. Himmelseher, S. König<br />

Untersuchung zur Einbindung des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes in die katastrophenmedizinische<br />

Versorgung in der<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

2005, 288 Seiten, Broschur<br />

Band 53<br />

L. Clausen<br />

Schwachstellenanalyse aus Anlass der<br />

Havarie der PALLAS<br />

2003, 219 Seiten, Broschur<br />

Band 52<br />

49. und 50. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

- Vorträge –<br />

2003, 212 Seiten, Broschur<br />

Band 51<br />

W.R. Dombrowsky, J. Horenczuk, W. Streitz<br />

Erstellung eines Schutzdatenatlasses<br />

2003, 268 Seiten, Broschur<br />

<strong>Zivilschutz</strong>-<strong>Forschung</strong>, Neue Folge<br />

Schriftenreihe der <strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des Innern<br />

Herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

im Auftrag des Bundesministeriums des Innern<br />

ISSN 0343-5164<br />

Band 50<br />

R. Zech<br />

Entgiftung von Organophosphaten durch<br />

Phosphorylphosphatasen und Ethanolamin<br />

2001, 186 Seiten, Broschur<br />

Band 49<br />

G. Matz, A. Schillings, P. Rechenbach<br />

Task Force für die Schnellanalytik bei<br />

großen Chemieunfällen und Bränden<br />

2003, 268 Seiten, Broschur<br />

Band 48<br />

<strong>Schutzkommission</strong> beim Bundesminister des<br />

Innern<br />

“Zweiter Gefahrenbericht“<br />

2001, 92 Seiten, Broschur<br />

Band 47<br />

J. Rasche, A. Schmidt, S. Schneider, S Waldtmann<br />

Organisation der Ernährungsnotfallvorsorge<br />

2001, 86 Seiten, Broschur<br />

Band 46<br />

F. Gehbauer, S. Hirschberger, M. Markus<br />

Methoden der Bergung Verschütteter aus<br />

zerstörten Gebäuden<br />

2001, 232 Seiten, Broschur<br />

Band 45<br />

V. Held<br />

Technologische Möglichkeiten einer möglichst<br />

frühzeitigen Warnung der Bevölkerung<br />

- Kurzfassung -<br />

Technological Options for an Early Alert of<br />

the Population<br />

- Short Version -<br />

2001, 144 Seiten, Broschur<br />

229


Band 44<br />

E. Pfenninger, D. Hauber<br />

Medizinische Versorgung beim Massenanfall<br />

Verletzter bei Chemikalienfreisetzung<br />

2001, 140 Seiten, Broschur<br />

Band 43<br />

D. Ungerer, U. Morgenroth<br />

Empirisch-psychologische Analyse des<br />

menschlichen Fehlverhaltens in Gefahrensituationen<br />

und seine verursachenden und<br />

modifizierenden Bedingungen sowie von<br />

Möglichkeiten zur Reduktion des Fehlverhaltens<br />

2001, 300 Seiten, Broschur<br />

Band 42<br />

45., 46. und 48. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

- Vorträge -<br />

2000, 344 Seiten, Broschur<br />

Band 41<br />

W. König, A. Drynda, B. König, R.Arnold, P.<br />

Wachtler, M. Köller<br />

Einfluss von Zytokinen und Lipidmediatoren<br />

auf die Kontrolle und Regulation spezifischer<br />

Infektabwehr bei Brandverletzung<br />

2001, 76 Seiten, Broschur<br />

Band 40<br />

F. Schuppe<br />

Entwicklung von Dekontaminationsmitteln<br />

und –verfahren bei Austritt von Industriechemikalien<br />

2001, 124 Seiten, Broschur<br />

Band 39<br />

TÜV Energie und Umwelt GmbH<br />

Optimierung des Schutzes vor luftgetragenen<br />

Schadstoffen in Wohngebäuden<br />

2001, 108 Seiten, Broschur<br />

Band 38<br />

W. Kaiser, M. Schindler<br />

Rechnergestütztes Beratungssystem für das<br />

Krisenmanagement bei chemischen Unfällen<br />

(DISMA®)<br />

1999, 156 Seiten, Broschur<br />

Band 36<br />

M. Weiss, B. Fischer, U. Plappert, T. M. Fliedner<br />

Biologische Indikatoren für die Beurteilung<br />

multifaktorieller Beanspruchung<br />

Experimentelle, klinische und systemtechnische<br />

Untersuchung<br />

1998, 104 Seiten, Broschur<br />

230<br />

Band 35<br />

K Amman, A.-N. Kausch, A. Pasternack, J.<br />

Schlobohm, G. Bresser, P. Eulenburg<br />

Praxisanforderungen an Atem- und Körperschutzausstattung<br />

zur Bekämpfung von<br />

Chemieunfällen<br />

2003, 158 Seiten, Broschur<br />

Band 34<br />

S. Bulheller, W. Heudorfer<br />

Untersuchung der Wirksamkeit von Selbstschutzausstattung<br />

bei Chemieunfällen<br />

2003, 278 Seiten, Broschur<br />

Band 33<br />

J. Bernhardt, J. Haus, G. Hermann, G. Lasnitschka,<br />

G. Mahr, A. Scharmann<br />

Laserspektrometrischer Nachweis von<br />

Strontiumnukliden<br />

1998, 128 Seiten, Broschur<br />

Band 32<br />

G. Müller<br />

Kriterien für Evakuierungsempfehlungen bei<br />

Chemikalienfreisetzungen<br />

1998, 244 Seiten +Faltkarte, Broschur<br />

Band 31<br />

G. Schallehn und H. Brandis<br />

Beiträge zur Isolierung und Identifizierung<br />

von Clostridium sp. und Bacillus sp. sowie<br />

zum Nachweis deren Toxine<br />

1998, 80 Seiten, Broschur<br />

Band 30<br />

G. Matz<br />

Untersuchung der Praxisanforderung an<br />

die Analytik bei der Bekämpfung großer<br />

Chemieunfälle<br />

1998, 192 Seiten, Broschur<br />

Band 29<br />

D. Hesel, H. Kopp und U. Roller<br />

Erfahrungen aus Abwehrmaßnahmen bei<br />

chemischen Unfällen<br />

1997, 152 Seiten, Broschur<br />

Band 28<br />

R. Zech<br />

Wirkungen von Organophosphaten<br />

1997, 110 Seiten, Broschur<br />

Band 27<br />

G. Ruhrmann, M. Kohring<br />

Staatliche Risikokommunikation bei<br />

Katastrophen<br />

Informationspolitik und Akzeptanz<br />

1996, 207 Seiten, Broschur


Band 26<br />

43. und 44. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

- Vorträge -<br />

1997, 326 Seiten, Broschur<br />

Band 25<br />

K. Buff, H. Greim<br />

Abschätzung der gesundheitlichen Folgen<br />

von Großbränden<br />

- Literaturstudie - Teilbereich Toxikologie<br />

1997, 138 Seiten, Broschur<br />

Band 24<br />

42. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

- Vorträge -<br />

1996, 205 Seiten, Broschur<br />

Band 23<br />

K. Haberer, U. Böttcher<br />

Das Verhalten von Umweltchemikalien in<br />

Boden und Grundwasser<br />

1996, 235 Seiten, Broschur<br />

Band 22<br />

B. Gloebel, C. Graf<br />

Inkorporationsverminderung für radioaktive<br />

Stoffe im Katastrophenfall<br />

1996, 206 Seiten, Broschur<br />

Band 21<br />

Arbeiten aus dem Fachausschuß III:<br />

Strahlenwirkungen – Diagnostik und Therapie<br />

1996, 135 Seiten, Broschur<br />

Band 20<br />

Arbeiten aus dem Fachausschuß V<br />

I. - D. Henschler: Langzeitwirkungen phosphororganischer<br />

Verbindungen<br />

II. - H. Becht: Die zellvermittelte typübergreifende<br />

Immunantwort nach Infektion mit dem<br />

Influenzavirus<br />

III. - F. Hoffmann, F. Vetterlein, G. Schmidt:<br />

Die Bedeutung vasculärer Reaktionen beim<br />

akuten Nierenversagen nach großen Weichteilverletzungen<br />

(Crush-Niere)<br />

1996, 127 Seiten, Broschur<br />

Band 19<br />

Radioaktive Strahlungen<br />

I. - B. Kromer unter Mitarbeit von K.O. Münnich,<br />

W. Weiss und M. Zähringer:<br />

Nuklidspezifische Kontaminationserfassung<br />

II. - G. Hehn:<br />

Datenaufbereitung für den Notfallschutz<br />

1996, 164 Seiten, Broschur<br />

Band 18<br />

L. Clausen, W. R. Dombrowsky, R. L. F.<br />

Strangmeier<br />

Deutsche Regelsysteme<br />

Vernetzungen und Integrationsdefizite bei<br />

der Erstellung des öffentlichen Gutes Zivilund<br />

Katastrophenschutz in Europa<br />

1996, 130 Seiten, Broschur<br />

Band 17<br />

41. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

– Vorträge –<br />

1996, 197 Seiten, Broschur<br />

Band 16<br />

F.E. Müller, W. König, M. Köller<br />

Einfluß von Lipidmediatoren auf die Pathophysiologie<br />

der Verbrennungskrankheit<br />

1993, 42 Seiten, Broschur<br />

Band 15<br />

Beiträge zur dezentralen Trinkwasserversorgung<br />

in Notfällen<br />

Teil II: K. Haberer und M. Drews<br />

1. Einfache organische Analysenmethoden<br />

2. Einfache Aufbereitungsverfahren<br />

1993, 144 Seiten, Broschur<br />

Band 14<br />

Beiträge zu Strahlenschäden und Strahlenkrankheiten<br />

I. - H. Schüßler: Strahleninduzierte Veränderungen<br />

an Säugetierzellen als Basis für die somatischen<br />

Strahlenschäden<br />

II. - K.H. von Wangenheim, H.-P. Peterson,<br />

L.E. Feinendegen: Hämopoeseschaden, Therapieeffekte<br />

und Erholung<br />

III. - T.M. Fliedner, W. Nothdurft: Präklinische<br />

Untersuchungen zur Beschleunigung der Erholungsvorgänge<br />

in der Blutzellbildung nach<br />

Strahleneinwirkung durch Beeinflussung von<br />

Regulationsmechanismen<br />

IV. - G.B. Gerber: Radionuklid Transfer<br />

1993, 268 Seiten, Broschur<br />

Band 13<br />

H. Mönig, W. Oehlert, M. Oehlert, G. Konermann<br />

Modifikation der Strahlenwirkung und ihre<br />

Folgen für die Leber<br />

1993, 90 Seiten, Broschur<br />

231


Band 12<br />

Biologische Dosimetrie<br />

I.- H. Mönig, W. Pohlit, E. L. Sattler:<br />

Einleitung: Dosisabschätzung mit Hilfe der Biologischen<br />

Dosimetrie<br />

II. – H. J. Egner et al.: Ermittlung der Strahlenexposition<br />

aus Messungen an Retikulozyten<br />

III. – H. Mönig, G. Konermann: Strahlenbedingte<br />

Änderung der Chemilumineszenz von<br />

Granulozyten als biologischer Dosisindikator<br />

IV. – P. Bidon et al.: Zellmembranänderungen<br />

als biologische Dosisindikatoren. Strahleninduzierte<br />

Membranänderung im subletalen Bereich.<br />

Immunbindungsreaktionen an Lymphozyten<br />

1993, 206 Seiten, Broschur<br />

Band 11 vergriffen<br />

Beiträge zur Katastrophenmedizin<br />

1993, 135 Seiten, Broschur<br />

Band 10 vergriffen<br />

W. R. Dombrowsky<br />

Bürgerkonzeptionierter Zivil- und Katastrophenschutz<br />

Das Konzept einer Planungszelle Zivil- und<br />

Katastrophenschutz<br />

1992, 79 Seiten, Broschur<br />

Band 9 vergriffen<br />

39. und 40. Jahrestagung der <strong>Schutzkommission</strong><br />

beim Bundesminister des Innern<br />

– Vorträge –<br />

1993, 264 Seiten, Broschur<br />

Band 8 vergriffen<br />

Beiträge zur dezentralen Trinkwasserversorgung<br />

in Notfällen<br />

Teil I: K. Haberer und U. Stürzer<br />

1991, 78 Seiten, Broschur<br />

Band 7 vergriffen<br />

E. Pfenninger und F. W. Ahnefeld<br />

Das Schädel-Hirn-Trauma<br />

1991, 208 Seiten, Broschur<br />

Band 6 vergriffen<br />

O. Messerschmidt und A. Bitter<br />

Neutronenschäden<br />

Untersuchungen zur Pathophysiologie,<br />

Diagnostik, Prophylaxe und Therapie<br />

1991, 96 Seiten, Broschur<br />

Band 5 vergriffen<br />

R. E. Grillmaier und F. Kettenbaum<br />

Strahlenexposition durch Ingestion von<br />

radioaktiv kontaminiertem Trinkwasser<br />

1991, 104 Seiten, Broschur<br />

232<br />

Band 4 vergriffen<br />

W. R. Dombrowsky<br />

Computereinsatz im Zivil- und Katastrophenschutz<br />

– Möglichkeiten und Grenzen<br />

1991, 94 Seiten, Broschur<br />

Band 3vergriffen<br />

B. Lommler, E. Pitt, A. Scharmann, R. Simmer<br />

Der Nachweis schneller Neutronen in der<br />

Katastrophendosimetrie mit Hilfe von Ausweisen<br />

aus Plastikmaterial<br />

1990, 66 Seiten, Broschur<br />

Band 2 - vergriffen -<br />

G. Hehn<br />

Gammastrahlung aus radioaktivem Niederschlag<br />

– Berechnung von Schutzfaktoren<br />

1990, 66 Seiten, Broschur<br />

Band 1 - vergriffen -<br />

L. Clausen und W.R. Dombrowsky<br />

Zur Akzeptanz staatlicher Informationspolitik<br />

bei technischen Großunfällen und<br />

Katastrophen<br />

1990, 115 Seiten, Broschur<br />

Katastrophenmedizin - Leitfaden für die<br />

ärztliche Versorgung im Katastrophenfall<br />

3. ergänzte Auflage 2003,<br />

360 Seiten, Broschur<br />

Broschüren und eine komplette Liste aller<br />

bisher erschienenen und bereits vergriffenen<br />

Bände können kostenlos bezogen werden bei:<br />

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe<br />

Deutschherrenstraße 93-95<br />

53177 Bonn

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