Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4 <strong>Mozart</strong> im Gottesdienst und im Konzertsaal<br />
Dort sind sie mit großem Orchester, professionellen<br />
männlichen Sängern (Frauen waren als Ausführende<br />
auch für die Sopran- und Altpartien nicht<br />
zugelassen), drei Posaunen zur Verstärkung der<br />
tieferen Chorstimmen und zwei Orgeln von den<br />
vier Emporen, die die Vierung umrahmen, mit einzigartiger<br />
Wirkung erklungen. Dieselben Werke<br />
wurden aber auch in der Stiftskirche St. Peter mit<br />
einem nach Zahl und Vermögen der Aufführenden<br />
bescheidenen Ensemble zur Aufführung gebracht.<br />
Beliebt waren <strong>Mozart</strong>s Kompositionen im Stift zum<br />
Heiligen Kreuz in Augsburg, aber auch in den<br />
österreichischen und bayerischen Wallfahrtsorten<br />
und Klosterkirchen in der näheren und weiteren<br />
Umgebung Salzburgs.<br />
<strong>Mozart</strong>s Kirchenmusik steht – wie die seiner<br />
Zeitgenossen Joseph und Johann Michael Haydn –<br />
gewiss in Kontrast zum Ernst des Palestrina-Stils<br />
oder zur protestantischen Kirchenmusik eines<br />
Johann Sebastian Bach. Doch stand ihm bei Bedarf<br />
das ganze Repertoire kontrapunktischer Satztechniken<br />
zu Gebote, wie die fugierten Sätze, etwa das<br />
„Pignus futurae“ der Sakramentslitanei KV 125<br />
oder das Kyrie des Requiem zeigen. Seine Zeitgenossen<br />
haben sich an der eingängigen Melodik<br />
der Kirchenstücke erfreut; selbst in Klöstern hat<br />
man Stücke aus seinen Opern mit lateinischen<br />
Texten versehen. Um 1820 war bereits ein großer<br />
Teil seiner Kirchenmusik im Druck erschienen.<br />
Spätere Generationen haben <strong>Mozart</strong> dann in<br />
ihrem Kampf um die einzig „wahre Kirchenmusik“<br />
den nötigen Ernst und mit Hinweis auf seine<br />
Mitgliedschaft in der Freimaurerloge eine echte<br />
Verwurzelung im Katholizismus abgesprochen –<br />
sicherlich zu Unrecht, denn die Freimaurerloge<br />
diente <strong>Mozart</strong> in erster Linie zur Pflege sozialer<br />
Kontakte (und sicherte ihm manches Darlehen von<br />
Logenbrüdern), und von Oberflächlichkeit und<br />
fehlendem Engagement kann nicht die Rede sein.<br />
Durch die strikte Befolgung der liturgischen<br />
Texte, die vollständig und ohne eigenmächtige<br />
Eingriffe wiedergegeben sind, sowie den überschaubaren<br />
Aufführungsapparat steht einer Verwendung<br />
von <strong>Mozart</strong>s Messen im Gottesdienst<br />
nichts im Wege. Dabei kann sich gerade die Kürze<br />
der Missae breves in unserer schnelllebigen Zeit als<br />
Vorteil erweisen. Leider fehlen heute oft die Mittel,<br />
um auch Vespergottesdienste und Andachten mit<br />
großer Kirchenmusik auszustatten, sodass manche<br />
seiner schönsten Kirchenkompositionen weitgehend<br />
unbekannt sind. Hierzu zählen die Vespern<br />
und Litaneien, die sich im 18. Jahrhundert besonderer<br />
Beliebtheit erfreuten. Sie würden es ebenso<br />
wie die Kantate Davide penitente, die aus der<br />
unvollendeten c-Moll-Messe hervorgegangen ist,<br />
verdienen, wenigstens in Kirchenkonzerten verstärkt<br />
aufgeführt zu werden, wie dies für das<br />
Requiem oder die Motette Exsultate jubilate seit<br />
langem gilt. Der Theologe Karl Barth hat einmal<br />
das geflügelte Wort geprägt, dass die Engel im<br />
Himmel vor Gottvater Bach spielen würden, wenn<br />
sie aber ganz unter sich seien, lieber <strong>Mozart</strong>.<br />
Auf Erden sieht es wohl kaum anders aus.<br />
Missa in c KV 139<br />
„Waisenhausmesse“<br />
Erste Seite der autographen<br />
Partitur (Staatsbibliothek<br />
zu Berlin, Preußischer<br />
Kulturbesitz; Abbildung<br />
in Carus 40.614)