AktuellInterview mit dem neuen Präsidenten der Musikkommission des SBV<strong>Blaise</strong> <strong>Héritier</strong>: «Wichtig ist, das,was man tun möchte, gut zu tun!»Nach dem tragischen Hinschied von Eric Conus hat <strong>Blaise</strong> <strong>Héritier</strong> erst kürzlich sein Amt angetreten.Für unser UNISONO verrät er die Ausrichtung seiner künftigen Tätigkeit sowie die musikalischePhilosophie, die dahinter steckt.Gemischte Gefühle<strong>Blaise</strong> <strong>Héritier</strong>, wie sind Ihre Gefühle alsneuer Präsident der Musikkommission(MK) des <strong>Schweizer</strong> <strong>Blasmusikverband</strong>es(SBV)?<strong>Blaise</strong> <strong>Héritier</strong>: Die Gefühle sind gemischt,denn Eric Conus war einer meinerengsten Freunde und ich würde es eindeutigvorziehen, dass er noch unter uns wäre,und nicht, dass ich seine Nachfolge antretenmüsste. Angesichts der tragischen Umständesind die Gefühle, mit denen ichdiese Stelle antrete, denn auch geteilt. Aberandererseits ist es eine schöne und interessanteVerantwortung, die mich erwartet.Und ich bin über meine Wahl sehr glücklich.Anlässlich der Wahl Ihres Vorgängersstellte man sich die Frage, ob ein Romanddas Amt des MK-Präsidenten mit seinenzahlreichen Kontakten auch in die Deutschschweizüberhaupt annehmen könne. Istdiese Frage wieder aufgeworfen worden?Überhaupt nicht. Dazu kommt, dassich innerhalb der Musikkommission nieirgendeine sprachliche Aufspaltung gespürthabe. Es gibt hier überhaupt keinenGruppen- oder Sprachkrieg: die MK istein Team, dass verantwortungsvoll amFortschritt der musikalischen Anliegenarbeitet. Vielleicht ist die sprachliche Herkunftin einem «politischen» Gremium wiedem Zentralkomitee (ZK) wichtiger. Ichhatte bis jetzt jedenfalls nie den Eindruck,dass man mir als Romand mit Herablassungbegegnet wäre, und die Erfahrungen,die ich bis heute habe machen können,haben nie einen solchen Eindruck hinterlassen.<strong>Blaise</strong> <strong>Héritier</strong>Fliegender StartWelches sind Ihre Projekte als MK-Präsident?Vorerst gilt es, die nahe Zukunft zu planen:Das Eidgenössische Musikfest 2006 inLuzern erscheint bereits am Horizont. Zudemgilt es, die Fragen zu den Normetüdenfür die Ausbildungskurse zu beantworten,denn sie sind für die Prüfungen und dieZukunft unseres Nachwuchses wichtig. Ichmöchte etwas Interessantes schaffen, dasin der ganzen Schweiz Verwendung findenkann. Dies ist die Grundlage und ich binüberzeugt, dass wir einen kleinsten gemeinsamenNenner finden können, deruns zum Hauptziel führen wird, nämlicheiner Jugend, die gut spielen kann.Ich stelle mir ein Nebeneinander verschiedener,durch den SBV genehmigterStudienpläne vor, die alle zum gleichenAusbildungsziel führen. Die musikalischeAusbildung variiert im Zeichen des Föderalismusvon Kanton zu Kanton ganz beträchtlich.Es gibt Kantone, in denen derInstrumentalunterricht in den Stundenplander Schule integriert ist. Es gibt andere,wo Absprachen und Konventionen mitKonservatorien und Musikschulen bestehen.Und dann gibt es nochmals andereRegionen, wo es gar nichts gibt. Wir sehenhier drei sehr unterschiedliche Unterrichtsmodelle,die sich niemals in dieselbestrenge Reglementsstruktur einbindenlassen.Wie sehen Sie die Organisation der MK?Ich muss gestehen, dass dies eineschwierige Zeit ist, denn ich habe keineÜbergangszeit gehabt. Im Klartext: Ich lerne!Für eine Musikkommission gibt es nichtunzählige Möglichkeiten, um zu funktionieren.Es gilt Entscheidungen zu treffen,und dann muss jeder gemäss deren Konsequenzenarbeiten. Ich sehe mich als Mittelpunkt,von wo aus delegiert wird. So glaubeich, dass die administrativen Aufgabenbesser aufgeteilt werden können, wenneine klare und präzise Linie festgelegt ist.Übrigens freue ich mich, auf ein eingespieltesund verantwortungsbewusstes Teamzählen zu können. Jeder leitet einen Fachbereichund führt dort die Geschäfte ineigener Verantwortlichkeit.Jeder sollte stets sein BestesgebenWas möchten Sie erreichen?Ich möchte meine Präsidentschaft unterdas Motto stellen «Alle tun das gut, wassie tun möchten, von der 4. bis zur Höchst-4 UNISONO 1• 2005
klasse». Dies ist ein Leitsatz. In der Tat kannman auch in der 4. Klasse sehr gut spielen.Bedingung ist, dass man das, was man unternimmt,gut machen will. Jedes Konzertsollte ein Qualitätskonzert sein – unabhängigvom Schwierigkeitsgrad der gespieltenStücke. All dies bedeutet für die MusikantenGrundlagenarbeit im Bereich ihrer musikalischenKenntnisse. Das bedeutet auch,es immer gut machen zu wollen, kaum gehtman aus dem Probelokal hinaus. Das Wo,Wann und Wie sind unwichtig. Alle unsereöffentlichen Auftritte formen das Bild, dasdie Bevölkerung von uns hat.All das Gesagte hängt sowohl vom Dirigentenals auch von allen Musikanten ab.Selbst dann, wenn es nur um zehn MinutenMusik geht, und selbst dann, wenn manden Eindruck hat, niemand höre zu. Wichtigist, stets seinen Fähigkeiten entsprechend,bestmöglich zu spielen.Die Blasmusik steht an einemWendepunktWie sehen Sie die Zukunft der Blasmusik?Es ist unbestritten, wir stehen an einemWendepunkt. Wir leben in einer Zwischenzeitzwischen der Blechmusik vonPapa und dem, was entstehen wird beziehungsweisebleibt. In der Blasmusikbewegungsind zwei oder gar drei verschiedeneGeschwindigkeiten im Fortschrittzu erkennen. Es gibt solche, die sichgar nicht entwickelt haben, es gibt solche inurbanen Gebieten. Viele möchten Musikmachen und nicht nur einen Zeitvertreibhaben.Im Vergleich zu früher sind die Musikantenheute bereit, weite Wege zu machen,um das zu erhalten, was sie sichwünschen. Der Verein am Wohnort hatkann sie nicht mehr fesseln, wenn er ihnendies nicht bietet. Und da komme ich wiederumauf die Wichtigkeit des «gut Spielens»zurück, in der 4. und in der Höchstklasse.Der leidenschaftliche Musikantkann das, was er sucht, überall finden.Wenn hingegen die Qualität stimmt, dannbleibt der hier ausgebildete Musikant inseinem 4.-Klass-Verein und geht vielleichtzusätzlich noch in ein Blasorchester odereine Brass Band der Höchstklasse.Konkret heisst das, dass wahrscheinlichviele Vereine ums Überleben kämpfen werden.Ich befürchte, dass gewisse Orte ihrenDorfverein verlieren werden. Gleichzeitigwird es aber viele Vereine geben, in denenalles bestens läuft. Unser Ziel kann nichtsein, eine Zwei-Klassen-Blasmusikwelt zuschaffen. Vielmehr soll es eine Blasmusikgeben, die gut läuft und ein zahlreichesPublikum anzieht. Auf diese Weise werdendie Eltern ihre Kinder in die Musikschuleschicken, was uns wiederum den Nachwuchssichert.Ohne Qualität spielendie Kinder Klavier und nichtin der BlasmusikKönnen wir dies etwas genauer haben?Wenn die öffentlichen Auftritte qualitativnicht genügen, werden die Eltern ihreKinder eher in die Klavierstunde als in denAnfängerkurs der Blasmusik schicken.Nach meiner Meinung ist nichts wichtiger,als viele Junge zu gewinnen. Es ist eine Tatsache,dass sie eher vierzehn Freizeitbeschäftigungenhaben als nur eine und dasssie ständig von der einen zur anderen «zappen».Es liegt aber an uns, so gut zu sein,dass sie die Blasmusik als ihr Hobby Nr. 1betrachten.Zudem scheint mir, dass das Argumentvon der Konkurrenz anderer Freizeitbeschäftigungenzu lange als Ausrede gegoltenhat. Ein Körnchen Wahrheit ist sicherdabei, aber wir müssen einen Rahmen anbieten,in dem die Leute sich wohl fühlenund wo sie dabei sein möchten.Dies ist eine echte Herausforderung andie Dirigenten!Sicher, das hängt weit gehend von derAusbildung und der Ausstrahlung des Dirigentenab. Aber nicht nur! Das ist auch abhängigvom Präsidenten. Damit es funktioniert,braucht es beide. Ein guter Dirigentmit einem nachlässigen Präsidenten beispielsweisefunktioniert nicht. Und dasUmgekehrte gilt auch!Aufgabestücke müssen gefallenMuss das Repertoire geändert werden?Zweifellos muss etwas geschehen.Vordringlich muss etwas auf Stufe SBV geschehen.Konkret heisst dies: Die Aufgabestückemüssen gut sein. Wir müssen hiersehr achtsam sein. Zudem müssen wirdafür besorgt sein, dass nur gute Stücke inder Wettstückliste stehen.Im Grunde ist es schwierig, das Repertoirezu beeinflussen. Es lässt sich nicht verhindern,dass irgendjemand eine schlechteBearbeitung von einem Stück macht. DieMK hat hingegen die Pflicht, Aufgabestückevorzulegen, die Sinn machen und die nichtbloss eine Aneinanderreihung technischerSchwierigkeiten sind. Natürlich ist dies allessehr subjektiv, wenn aber ein Aufgabestückspäter nie mehr gespielt wird, heisstdies, dass man irgendwo an irgendwas vorbeigegangen ist.AktuellDennoch gibt es viele Stücke, die nichtlange halten…Unter anderem gibt es natürlich auchdas Kriterium der Mode oder des Überdrusses.Ich halte es jedenfalls nicht fürnötig, dass die gesamte heutige Musikmengeder Nachwelt noch hundert Jahre erhaltenbleiben muss. Wir sollten hingegenerreichen, dass jedes Aufgabestück sozusageneine Stufe auf der Treppe unseresFortschrittes ist.Wird es eine Einheitsbesetzung, eine ArtStandardbesetzung geben?Da bin ich nicht sicher. Sicher ist hingegen,dass wir mit dem konkreten Ist-Zustand leben müssen. Angesichts derBesetzungsprobleme muss man mit demauskommen, was man hat. Vielleicht gibt eseine Lösung mit variablen Instrumentierungenauf der Basis von zwölf Stimmen,die man in Funktion der vorhandenen Leuteverteilt.Die Welt der Blasmusikgehört ihren MitgliedernWelche Botschaft möchten Sie weitergeben?Ich glaube fest, dass die Blasmusikihren Mitgliedern gehört und dass es andenen liegt, ihr Leben zu verleihen. Ichkomme auf das eingangs Gesagte zurück:«Wichtig ist, das, was man tun möchte, gutzu tun!» Das ist entscheidend. Alles andereist nur die Folge!Interview vonJean-Raphaël Fontannaz/Übersetzung GSLOffizielleVertragsunterzeichnungzwischen dem <strong>Schweizer</strong><strong>Blasmusikverband</strong> undMöbel Pfistersowie Lancierung des neuenNachwuchsförderpreises«Prix Möbel Pfister»Donnerstag, 27. Januar 2005,ab 17.30 Uhrbei Möbel Pfister in SuhrDer Anlass wird umrahmt von einerJugendformation derBrass Band Bürgermusik Luzern.UNISONO 1 • 2005 5