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Integration und Erinnerungskultur - TSN - Tiroler Schulnetz

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zitiere - „nicht darin, sie in die Struktur der Unterdrückung zu ‚integrieren’, sondern diese Struktur sozu verändern, dass sie ‚Wesen für sich selbst’ werden können“. Hier liegt sie auf, die InklusivePädagogik: „Wesen für sich selbst werden“. Das muss auch erkämpft. Das muss auch erkämpftwerden, rechtlich, politisch, in allen Bezügen, auf allen Ebenen, auch auf der eigenen, auch imReflexiven.Um die Struktur in diesem Sinn zu verändern, muss man der Hoffnung Raum <strong>und</strong> Wege bereiten.Was heißt das? „Man muss dem Leben zur Seite stehen“ sagte, verschmitzt <strong>und</strong> gütig eine betagteJüdin einem Kamerateam.Eine Studentin schrieb mir von ihren ihr anvertrauten behinderten Frauen zwischen 19 <strong>und</strong> 83 Jahren.Sie schreibt von Frohsinn, einem Badeausflug – <strong>und</strong>... von einem großen Problem.Viele Badegäste zeigten „zum Teil heftig, wie bedrohlich der Anblick war. Einige packten ihre Sachenzusammen <strong>und</strong> breiteten sie mit ‚Sicherheitsabstand’ wieder aus.“Eine Mutter kam angerannt: „’Ihr wollt wohl, dass sich mein Kind bei der da (einer Mongoloiden)ansteckt!.“Mutter verließ mit Töchterchen das Schwimmbad.„Ein älterer Mann regte sich fürchterlich auf <strong>und</strong> sagte zum Schluß: ‚Der Hitler hat euch wohlvergessen als es ums Vergasen ging!’ Da drehte sich Hedwig, eine 72jährige Patientin, welche fast niesprach zu ihm um, blickte ihm fest in die Augen <strong>und</strong> sagte mit ruhiger Stimme: ‚Wir sind gar nicht sodumm wie du glaubst - aber wir haben uns im Kohlenkeller versteckt, als so böse Leute wie du kamenum uns zu holen. Leider haben sie sehr viele gef<strong>und</strong>en!! Uns aber nicht“ (Prüfungsarbeit M.: im Archivd. Verf.).Hedwig lernte das „Elend“ kennen – <strong>und</strong> überlebte. Das erinnert uns an den Anfang, ansInnsbrucklied, ans Aussätzigsein.Nun berichtet die Studentin, dass der Mann tatsächlich - berührt - war, sich wirklich geschämt habe.Ich möchte nicht verheimlichen, wie dankbar ich für diesen Schluss bin. Der Bericht zeigt mir, welchhohes Potential an Hoffnungsfähigkeit, Idealismus <strong>und</strong> gutem Willen unsere Studierenden mitbringen.Vielleicht haben sie auch einen Vorsprung an Beziehungswissen, das ihnen einfach als ein Geschenkihrer späten Geburt in die Wiege gelegt ist.Für sie <strong>und</strong> ihre Zukunft sollten wir trachten, mit aller Aufmerksamkeit, Geduld <strong>und</strong> Kraft das, Caruso,„zerrissene Lebensgewebe zu flicken“ (1972, 142). Das ist auch Erinnerungsarbeit <strong>und</strong>allerdringlichste.Ich erinnere mich an eine Kinderzeichnung. Eine Südtiroler Lehrerin hat mit ihren Kindern den Brucheiner Brieffre<strong>und</strong>schaft zwischen einer deutschen Klasse <strong>und</strong> ihrer Klasse refektiert.Die Zeichnung zeigte eine Brücke, die sich von der untergehenden Sonne anhebt. Danerben <strong>und</strong>darüber sehr viel Schwarz. Neben der Brücke links <strong>und</strong> rechts je ein Mädchen, beide fröhlich. EinMädchen schaut in Richtung des anderen Mädchens, das andere nicht. Das Schwarz des Himmels istdurch einge Blumen unterbrochen. Mädchen, Licht, lumen <strong>und</strong> Schatten.Caruso <strong>und</strong> die Kinderzeichnung deuten auf andere, oft unerwartete Ausleuchtungen <strong>und</strong> das Dunkledarin wirft Licht mit Schatten, ein humanes Licht, nicht grell, ein mahnendes, stilles Licht, das unsernst <strong>und</strong> behutsam werden lässt.Ernst <strong>und</strong> behutsam angesichts der politischen wie körperlich-seelischen Schutzlosigkeiten von unsMenschen.Wir sind angewiesen auf Gemeinschaft - <strong>und</strong> begabt, Gemeinschaft zu leben. Diese Begabung zufördern <strong>und</strong> reich zu entfalten, scheint mir das höchste pädagogische Ziel zu sein.Literatur (auch weiterführend):• Anna Aluffi-Pentini, Peter Gstettner, Walter Lorenz, Vladimir Wakounig (Hg.): AntirassistischePädagogik in Europa. Theorie <strong>und</strong> Praxis, Klagenfurt/Celovec, 1999 (Drava Verlag)• W. Bohleber: Nationalismus, Fremdenhaß <strong>und</strong> Antisemitismus. PsychoanalytischeÜberlegungen, in: Psyche (Frankfurt/M.), XLVI (1992), August, S. 689-709

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