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TexT - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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viel Musik oder Disney-filme, in denen viel gesungen wird. familien<br />

erzählen, dass ihr Angehöriger mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> bestimmte<br />

Lieder, ja ganze CDs sowie die Lieblingsmusicals viele<br />

Male hintereinander und immer wieder hört. Zwar mag das<br />

für die familie bisweilen etwas anstrengend werden (wenn man<br />

dasselbe Lied bereits zirka 6000 Mal gehört hat), für Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> scheint es aber wohltuend zu sein, wenn sie<br />

immer wieder dasselbe hören oder sehen.<br />

DIe NACHTeILe eINeS GUTeN<br />

VISUeLLeN GeDÄCHTNISSeS<br />

Trotz der großen Vorteile eines guten visuellen Gedächtnisses<br />

kann dies auch einige Probleme nach sich ziehen. Um Ihnen<br />

die Ursache dieser Probleme zu verdeutlichen, werden wir hier<br />

die drei Bereiche erläutern, in denen die größten Schwierigkeiten<br />

auftreten. Wir werden auch darauf eingehen, wie Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> von anderen leicht missverstanden werden<br />

können und welcher Stress dabei für die Person mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

entstehen kann.<br />

Lehrer und Arbeitgeber sind häufig enttäuscht, wenn Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> nicht adäquat auf verbale Anweisungen<br />

reagieren und in solchen Situationen einfach „abzuschalten“<br />

scheinen. Dass diese Menschen in der Regel ein schlechtes auditives<br />

Gedächtnis haben und auf visuelle Hilfen angewiesen sind,<br />

wird übersehen. Dies kann zu Unstimmigkeiten führen, zusätzlich<br />

zu bestimmten Problemen in Zusammenhang mit dem – an<br />

sich – guten visuellen Gedächtnis.<br />

Drei Besonderheiten bei den Gedächtnisleistungen von Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, die zu Problemen führen können,<br />

sind<br />

1. Schwierigkeiten, Erinnerungen<br />

zeitlich richtig einzuordnen<br />

2. die Neigung, Erinnerungen in der Gegenwart<br />

erneut zu durchleben, und<br />

3. die Neigung, bestimmte Erinnerungen<br />

stets zu wiederholen<br />

1. Schwierigkeiten, erinnerungen<br />

zeitlich richtig einzuordnen<br />

Obwohl Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> sich oft außergewöhnlich<br />

gut an Situationen in der Vergangenheit erinnern können,<br />

wissen sie jedoch manchmal nicht, wann sich diese genau ereignet<br />

haben. Grund dafür sind ihre Schwierigkeiten beim Verstehen<br />

des abstrakten Zeitkonzepts. Viele kennen und verstehen<br />

zwar die Uhrzeiten im Sinne von Abendessen um sechs Uhr und<br />

so weiter, können aber abstrakte Zeitkonzepte wie unter anderem<br />

den Zeitverlauf (ob nun Monate oder Jahre vergangen sind)<br />

nicht erfassen. folge davon ist, dass viele Menschen mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> Erlebnisse, an die sie sich erinnern, nicht gut einordnen<br />

können beziehungsweise sie nicht als einen Teil der Vergangenheit<br />

ansehen.<br />

2. erinnerungen in der Gegenwart erneut durchleben<br />

Wie bereits zuvor angesprochen, scheinen Menschen mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> oft in Bildern oder visueller form an Ereignisse zu denken<br />

oder sich an sie zu erinnern. Wird dieses visuelle Denken<br />

mit einem fehlenden Zeitverständnis kombiniert, tritt ein interessantes<br />

Phänomen auf. Viele Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

g PSYCHOLOGIE<br />

scheinen Situationen aus der Vergangenheit in der Gegenwart<br />

wieder oder erneut zu durchleben, als würden sie gerade eben<br />

passieren. Häufig werden die Gefühle und die Emotionen des ursprünglichen<br />

Ereignisses ebenfalls erneut durchlebt.<br />

Diese Neigung kann positiv oder negativ sein, je nach Art des<br />

Ereignisses aus der Vergangenheit. So kann zum Beispiel das erneute<br />

Durchleben positiver Situationen wie Urlaub oder feiertage<br />

mit der familie sehr vergnüglich sein. Auf der anderen Seite<br />

kann das Wiedererleben von negativen Erfahrungen wie einem<br />

beängstigenden Gewitter oder der Beerdigung eines engen Angehörigen<br />

traumatisch sein. Vielen Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

bereitet es Schwierigkeiten zu realisieren, dass das Ereignis<br />

nicht noch einmal passiert. Die damit verbundenen Gefühle werden<br />

bei dem erneuten Erleben der damaligen Situation oft verstärkt.<br />

Dies wird in dem Abschnitt über posttraumatische Belastungsstörungen<br />

genauer erläutert.<br />

3. Die Neigung, bestimmte erinnerungen<br />

stets zu wiederholen<br />

Viele Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> durchleben bestimmte Erinnerungen<br />

immer wieder aufs Neue. Meistens sind dies Erinnerungen,<br />

die starke positive oder negative Gefühle hervorrufen.<br />

Es ist durchaus verständlich, dass man positive Ereignisse wiederholen<br />

möchte. Wir hören oft, dass Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

immer wieder fotoalben oder Bilder von Urlauben, feiertagen<br />

und so weiter anschauen. Aufgrund ihres guten visuellen<br />

Gedächtnisses können sie sich an den jeweiligen Zeitpunkt in<br />

der Vergangenheit zurückversetzen und dieses Ereignis noch<br />

einmal durchleben. für sie ist es, als seien sie wieder genau dort<br />

und verbrächten eine schöne Zeit mit familie und freunden.<br />

Auch sind Videoaufnahmen sehr beliebt. Viele Menschen mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> sehen sich sehr gerne Videos von schönen, besonderen<br />

Ereignissen aus der Vergangenheit an.<br />

Allerdings neigen viele auch dazu, negative Ereignisse erneut<br />

zu durchleben. In vielen fällen bedeutet das für sie, eine gewisse<br />

Kontrolle über die negative Erfahrung zu gewinnen. Dies ist vergleichbar<br />

mit Menschen ohne <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, die einen Traum<br />

so lange immer wieder träumen, bis das Problem gelöst ist. Die<br />

Person fühlt sich fast gezwungen, diese Erfahrungen erneut zu<br />

durchleben, und scheint dies selbst kaum beeinflussen zu können.<br />

Dies trifft vor allem auf Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zu,<br />

die sowieso dazu neigen, Dinge zu wiederholen. Negative Erfahrungen<br />

verstärken diesen Prozess noch.<br />

Die am häufigsten erneut durchlebten negativen Erinnerungen<br />

sind Situationen, in denen der Mensch mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

sich schuldig fühlt, weil er etwas falsch gemacht hat. Viele familien<br />

und Betreuer können nicht verstehen, woher diese Schuldgefühle<br />

kommen. Manche Ereignisse erscheinen ihnen völlig unbedeutend<br />

oder sie erinnern sich überhaupt nicht daran. Oftmals<br />

befinden sich die anderen dann in einer etwas unangenehmen<br />

Lage, weil sie wiederholt Entschuldigungen für Ereignisse akzeptieren<br />

müssen, die schon Monate oder sogar Jahre zurückliegen<br />

und denen sie keinerlei Bedeutung beimessen. So zerbrach<br />

zum Beispiel ein junger Mann einen Teller bei einem Essen, wozu<br />

freunde seiner Eltern eingeladen hatten. Obwohl dieses Ereignis<br />

über sechs Jahre zurücklag, entschuldigte er sich immer wieder,<br />

wenn er die freunde der Eltern sah. Manchmal entstehen in<br />

diesem Zusammenhang auch komische Situationen. Bei seinem<br />

ersten Termin in unserer Ambulanz erzählte ein junger Mann mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, dass ihm sein Vater ein Bein gestellt hatte. Sein<br />

Vater lachte und erklärte uns, dass dies aus Versehen passiert war<br />

Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 57 I Januar 2008 13

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