2 r e p o rta g e — recycling
<strong>AUS</strong> <strong>ALT</strong> <strong>MACH</strong> <strong>NEU</strong> von Corinna Sager Was wir heute als Recycling bezeichnen, war vor dem zeitalter der industrialisierung eine ökonomische selbstverständlichkeit: aufgrund der güterknappheit und hoher Produktionskosten wurden Dinge zwangsläufig wiederverwendet oder in den Produktionskreislauf zurückgeführt – sei es in ihrer ursprünglichen oder in einer abgewandelten Form. mit zunehmendem Wohlstand entwickelte unsere gesellschaft jedoch ein immer größer werdendes Konsumbedürfnis: neue anschaffungen wurden zur Regel und gebrauchtes immer seltener wiederverwendet. zusätzlich achteten auch die Hersteller immer stärker darauf, dass bei der Produktentwicklung die lebensdauer eines Produktes mit bedacht wurde – und diese sollte endlich sein. Kein Wunder also, dass der aufkommende müll bald eine große Herausforderung an städte und Kommunen stellte. Bereits vor 50 Jahren fanden die themen Umweltschutz und abfallbewältigung daher eingang in die deutsche gesetzgebung, und die menschen entwickelten ein erstes Bewusstsein dafür. Heute ist die Bereitschaft der Deutschen zur mülltrennung im internationalen Vergleich sehr hoch. schon Kinder lernen, dass altpapier nichts im Restmüll zu suchen hat, altglas nach Farben sortiert werden muss und Verpackungsmaterialien in die „gelbe tonne“ gehören – im Jahr 2007 wurden ca. 75% des zu trennenden mülls ordnungsgemäß entsorgt. Doch das Recycling-system und vor allem die „gelbe tonne“ stehen immer wieder im mittelpunkt von Diskussionen. ihre Wirkungsfähigkeit wird von Fachleuten hinterfragt und viele Bürger zweifeln, ob sich der ganze aufwand wirklich lohnt. „moderne sortiertechnik hat den gelben sack längst überflüssig gemacht.“, schrieb Dirk asendorpf bereits 2007 in der zeitung Die zeit und „sechzehn Jahre nach einführung von grünem Punkt und gelbem sack können maschinen das trennen und sortieren des abfalls besser erledigen, als wir es von Hand tun“. Gewissensberuhigung oder wahrer Umweltschutz? trotz anerkannter positiver Wirkungen gibt es also gute gründe, die effektivität des aktuellen Recycling-systems zu hinterfragen, und auch die Wirkung, die das trennen von abfall in Privathaushalten hat, darf kritisch beäugt werden. sicherlich ist es mitunter ein erfolg der „gelben tonne“, dass das Bewusstsein für Recycling in der Bevölkerung gestiegen ist. gleichzeitig fungiert die mülltrennung jedoch als Form der gewissensberuhigung, sagen Kritiker. „im gelben sack findet eine mentale entsorgung des schlechten gewissens statt“, brachte Jürgen Hahn, ehemaliger abteilungsleiter für abfall im Umweltbundesamt, seine provokative meinung im Jahr 2006 auf den Punkt. Fest steht, dass nicht nur bei Umweltaktivisten, sondern auch in deutschen gesetzestexten abfallvermeidung als oberstes ziel der abfallwirtschaft anerkannt ist. müll gar nicht erst entstehen zu lassen ist der beste Weg, die Umwelt zu schonen und unnötigen energieaufwand zu vermeiden. Da auf absehbare zeit jedoch weiterhin viel müll produziert werden wird, ist es notwendig, nicht nur das Bewusstsein der Bevölkerung für abfallvermeidung zu schärfen, sondern methoden des Recyclings weiter zu entwickeln. Dabei spielen die möglichkeiten der technik eine wichtige Rolle, aber auch Designer sind gefragt! recycling — reportage ein Künstler verwandelt nutzlos gewordene tannenbäume nach dem Weihnachtsfest in Möbelstücke, alte reissäcke werden als Handtaschen wiedergeboren und aus den resten ausrangierter Heißluftballons entstehen modische Jacken. „Upcycling“ nennt sich dieser trend, bei dem abfälle nicht nur wiederverwertet, sondern in höherwertige produkte umgewandelt werden. auch im Fairen Handel gibt es solche recycling-Waren, die durch ein individuelles Design und ausgezeichnete Handarbeit überzeugen. Bevor wir Ihnen ein konkretes produkt vorstellen, blicken wir zunächst kurz auf die geschichte des recyclings und seine aktuelle Situation in Deutschland. Letztlich stellen wir uns die Frage, vor welchen Herausforderungen das recycling der Zukunft steht. Einzigartige Blickfänge – Upcycling-Produkte liegen im Trend 3 Wer denkt, eine Plastikflasche würde nach dem Recycling-Prozess immer als Plastikflasche wiedergeboren, der irrt. Bei der herkömmlichen Wiederverwertung von abfallstoffen kommt es stark auf die zusammensetzung des materials an, ob eine erneute nutzung auf gleichwertiger ebene überhaupt möglich ist. Beim Plastik Pet ist dies zum Beispiel der Fall, doch andere Plastiksorten sind nur beim erstgebrauch für lebensmittel geeignet. Danach finden sie nur noch in minderwertigen Plastikprodukten Verwendung – ein klassisches Beispiel für das so genannte „Downcycling“. Bei diesem Recycling-Prozess werden Produkte bzw. materialien stufenweise abgewertet, d. h. sie verlieren positive eigenschaften, so dass sie irgendwann nicht mehr für die Herstellung neuer Produkte geeignet sind. „Upcycling“ hingegen beinhaltet die idee, abfallprodukte aufzuwerten und sie einem neuen, höherwertigen zweck zuzuführen. Das kann sich sowohl auf eine bessere Qualität als auch auf einen höheren nutzwert beziehen. Das Konzept passt gut in unsere zeit, denn Produkte mit individuellem Design sind „in“ und die Bereitschaft zu nachhaltigem Konsum setzt sich in unserer gesellschaft immer mehr durch. auch in entwicklungsländern finden sich viele Beispiele dafür, wie aus abfall schöne Produkte entstehen. Das Upcycling findet hier vor allem aus Kostengründen statt: Während Rohmaterialien teuer sind, steht müll leider meist in großen mengen zur Verfügung. Dass aus dieser not heraus einzigartige Produkte entstehen, zeigt das sortiment der Weltläden: