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Kanapee

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nem Bett unter einem konópion, einem Baldachin aus Purpur und Gold, in<br />

den Smaragde und andere edle Steine eingewoben waren.“ Nur eingefleischte<br />

Etymologen oder Entomologen können hier noch an eine<br />

Stechmücke denken.<br />

Im späteren 1. Jahrhundert v. Chr. ist das Wort ins Lateinische übergegangen,<br />

nicht zufällig zu der Zeit, in der sich das senatorische Rom über<br />

das Luxusleben des Antonius und der Kleopatra und ihre „unnachahmlichen<br />

Lebenskünste“ weidlich entrüstete. Der Augusteische Dichter Horaz<br />

empört sich bei der Vorstellung, das „schändliche conopium“, das Prachtund<br />

Prunkbett, Schimpf- und Schandbett dieser beiden unter römischen<br />

Feldzeichen zu sehen; den etwas jüngeren Properz schaudert es bei dem<br />

Gedanken, die „königliche Dirne des blutschänderischen Kanopus“ hätte<br />

ihr „abscheuliches conopium“ auf dem Kapitol aufstellen können. Der Anklang<br />

des Wortes an den Namen der leichtlebigen Stadt Kanobos alias Canopus<br />

kam dem Dichter noch gut zupass, die Empörung zu schüren.<br />

Im Lateinischen ist neben dieses conópium später ein conopéum getreten; danach<br />

erscheint im 12. Jahrhundert im Französischen ein conopé im Sinne<br />

eines Bettvorhangs und im 17. Jahrhundert im Französischen und bald<br />

auch im Deutschen ein canapé im Sinne eines eleganten Salonmöbels. Die<br />

Zeiten ändern sich: Derlei üppig gepolsterte „<strong>Kanapee</strong>s“ mit ein paar raffiniert<br />

drapierten Kissen darauf sind Lifestyle von gestern. Doch das Wort hat sich<br />

in der Partywelt behauptet, und so kommen die <strong>Kanapee</strong>s neuerdings mit<br />

dem Catering Service in Gestalt quadratischer oder kreisrunder, getoasteter<br />

oder ungetoasteter Weißbrotschnittchen daher, und statt mit kunstvoll arrangierten<br />

Kissen sind sie nun üppig mit Tartar und Roastbeef, Lachsmousse<br />

und Crevetten und anderen Unwiderstehlichkeiten befrachtet. Die sind<br />

ja allemal gut; aber Hand aufs Herz: Schmecken sie nicht noch einmal so<br />

gut, wenn die Gedanken dabei in die Jahrhunderte und Jahrtausende<br />

zurückschweifen: zu Ludwig XVI. und seiner Marie Antoinette, zu Antonius<br />

und Kleopatra, zu Judith und Holofernes und schließlich zu Herodot<br />

und den selig unter ihren Mückennetzen träumenden Fischern im Nildelta?<br />

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