pdf-Dokument - Evangelische Kirche im Rheinland
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Gefördert durch:<br />
<strong>Kirche</strong>nkreisverband Düsseldorf<br />
<strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat<br />
2006<br />
JAHRESBERICHT<br />
Europäischer Flüchtlingsfonds
Inhalltsverzeiichniis<br />
Einleitung 5<br />
Überblick 7<br />
Asylverfahrensberatung 12<br />
EFF-Projekt „Sozialer Beistand“ 16<br />
Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren 34<br />
Rückkehrberatung 40<br />
Kooperationen 47<br />
Öffentlichkeitsarbeit 54<br />
Schlussfolgerungen und Ausblick 61<br />
Impressum 64<br />
3
Einleitung<br />
„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“<br />
Mit diesem Zitat von Hermann Hesse charakterisierte unsere Praktikantin Sarah<br />
Hemmes am Ende ihres 7-monatigen Praktikums den Kern der Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n<br />
Flüchtlingsreferates.<br />
In der Tat gibt es Momente in der Arbeit mit den Flüchtlingen, in denen es aus den<br />
verschiedensten Gründen so scheint, als sei ihre Situation ausweglos. Ihr Asylverfahren<br />
- und damit auch ihr gesamtes Leben - ist an einer best<strong>im</strong>mten Stelle in eine Sackgasse<br />
geraten.<br />
Aus Scham oder Verdrängung konnten sie wesentliche Gründe, die zu ihrer Flucht<br />
geführt haben, nicht schildern. Sie fühlten sich durch einzelne<br />
Behördenmitarbeiter/innen missverstanden oder schlecht behandelt. Sie waren kurz<br />
nach dem Überstehen ihrer Flucht mit best<strong>im</strong>mten Dingen – zum Beispiel ihrer<br />
Gesundheit oder der Gesundheit ihrer Kinder, mit der Suche nach verschwundenen<br />
Angehörigen, mit der Orientierung in einem fremden Land – so überfordert und<br />
blockiert, dass sie sich nicht auf das Wesentliche in ihrem Asylverfahren konzentrieren<br />
konnten.<br />
Kurz gesagt: Irgendetwas „ging schief“. In solchen Situationen wenden sich Flüchtlinge<br />
an uns und bitten uns, oftmals sehr verzweifelt, um Hilfe. Dann kommt es vor, dass<br />
große Anstrengungen unternommen werden müssen, um zu versuchen, aus der<br />
Sackgasse wieder herauszukommen.<br />
Viele Recherchen sind notwendig, akribisch muss die Fluchtgeschichte nochmals<br />
aufgearbeitet werden. In Zusammenarbeit mit Rechtsanwält/-innen, Psychotherapeut/innen<br />
und Hilfsorganisationen muss die gesamte Biographie, wie in einem Puzzle, zu<br />
einem nachvollziehbaren Ganzen zusammengefügt werden.<br />
Dann kann es <strong>im</strong> Einzelfall gelingen, dass das zunächst unmöglich Scheinende – nämlich<br />
den verfolgten und schutzbedürftigen Menschen trotz aller Hindernisse zu ihrem Recht<br />
zu verhelfen – doch noch möglich wird.<br />
Solche Erfolgserlebnisse und das Miterleben von Freude und Erleichterung bei unseren<br />
Klientinnen und Klienten, wenn sie endlich, oft nach jahrelanger Unsicherheit anerkannt<br />
werden, sind es, die uns <strong>im</strong>mer wieder ermutigen, uns auch für die „unmöglichen“ Fälle<br />
einzusetzen.<br />
Düsseldorf, <strong>im</strong> März 2007<br />
Jessica te Heesen<br />
EINLEITUNG<br />
5
Zum Titelbild dieses Jahresberichtes<br />
Das Deckblatt dieses Berichtes zeigt einen der Einsatzorte, an denen das <strong>Evangelische</strong><br />
Flüchtlingsreferat tätig ist: das „Hotelschiff SIESTA“, den Ort, an dem Flüchtlinge, die<br />
sich in Nordrhein-Westfalen melden, in den ersten Tagen ihres Asylverfahrens<br />
untergebracht sind.<br />
Das Bild zeigt diesen Ort nicht objektiv, so wie es ein Foto tun würde.<br />
Man könnte also meinen, es sei deshalb nicht realistisch. Da es sich um ein gemaltes<br />
Bild handelt, stellt es „nur“ die subjektive Wirklichkeit des kleinen Künstlers, der dieses<br />
Bild geschaffen hat, dar – und zeigt dadurch vielleicht deutlicher die Wirklichkeit der<br />
Flüchtlinge, als ein Foto dies könnte.<br />
Was fällt auf be<strong>im</strong> Betrachten des Bildes?<br />
Das Schiff wird hat eine freundliche Ausstrahlung. Es ist bunt, mit Vorhängen<br />
geschmückt, und die Sonne scheint an einem blauen H<strong>im</strong>mel.<br />
Man könnte an Urlaub denken, an ein Ausflugs- oder ein Kreuzfahrtschiff. Der Name<br />
„Hotelschiff SIESTA“ scheint dazu zu passen.<br />
Menschen, die dieses „Hotelschiff“ schon einmal besucht haben, werden sich vermutlich<br />
über die Darstellung des Schiffes wundern. Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des<br />
<strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates, nehmen es nämlich oft als trostlos aussehenden,<br />
unfreundlichen Ort wahr, insbesondere wenn man ihn in seiner wenig einladenden<br />
Umgebung sieht: Ein Industriegebiet am Rande Düsseldorfs, nicht sehr weit entfernt<br />
vom eleganten Medienhafen. Auf der nahe gelegenen Durchfahrtsstraße rauschen die<br />
LKW vorbei, so dass man um seine Sicherheit fürchten muss, wenn man sich vom Schiff<br />
aus in Richtung S-Bahnhof oder Innenstadt bewegen möchte. Hinzu kommt der oft<br />
beißende Geruch, der aus einer Futtermittelfabrik in die Luft strömt.<br />
Und doch erleben einige seiner „Bewohner“ dieses Schiff als einen positiven Ort: als<br />
Zufluchtsort nach einer langen und beschwerlichen Flucht, als einen Ort, an dem sie sich<br />
endlich einmal in Sicherheit fühlen können.<br />
Was für unsere Klientinnen und Klienten wichtig ist, damit sie sich an diesem Ort sicher<br />
und aufgehoben fühlen, und wie wir uns bemühen, einen Beitrag dazu zu leisten, davon<br />
handelt der folgende Bericht.<br />
6<br />
EINLEITUNG
Arbeitsschwerpunkte<br />
Arbeitsschwerpunkte <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat waren <strong>im</strong> Jahr 2006 wie in den<br />
Jahren zuvor die Verfahrensberatung sowie das durch den Europäischen<br />
Flüchtlingsfonds (EFF) geförderte Projekt „Vertrauensbildende Maßnahmen –<br />
Perspektivenberatung – Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer<br />
Beistand“.<br />
Ein weiterer, noch relativ neuer Arbeitsbereich ist die Rückkehrberatung.<br />
Standorte<br />
Wie auch in den Vorjahren, wurde der zahlenmäßig größte Anteil unserer Klientinnen<br />
und Klienten auf dem „Hotelschiff SIESTA“ <strong>im</strong> Düsseldorfer Hafen beraten und<br />
betreut. Trotz unserer häufigen Anwesenheit mit mehreren Beraterinnen und<br />
Dolmetscher/innen auf dem Schiff konnten wir dennoch auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr nicht<br />
alle bedürftigen Flüchtlinge mit einer Beratung und Betreuung erreichen.<br />
Der Wohncontainer am Flughafen Düsseldorf ist die Unterkunft für die Flüchtlinge,<br />
bei denen das Flughafenverfahren nach § 18a AsylVerfG durchgeführt wird. In allen dort<br />
vorkommenden Fällen fand eine umfassende Begleitung der Asylsuchenden durch das<br />
gesamte Verfahren statt.<br />
In unseren Beratungsräumen in der ersten Etage <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> wurden<br />
einige der auf dem Schiff untergebrachten Einzelpersonen und Familien beraten, die<br />
eine ausführliche Beratung in geschütztem Rahmen benötigten. Darüber hinaus suchten<br />
uns hier zahlreiche Klientinnen und Klienten auf, die wir durch die weiteren Phasen ihres<br />
Verfahrens begleiteten.<br />
In den Fällen, in denen das Verfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, werden<br />
die noch bestehenden aufenthaltsrechtlichen Perspektiven besprochen. Auch die Frage,<br />
ob eine Ausreise ins Herkunftsland sinnvoll und gewünscht ist, kann hier in Ruhe und<br />
ohne Druck thematisiert werden.<br />
Die Rückkehrberatung findet in unserem Beratungsbüro in der zweiten Etage <strong>im</strong><br />
Haus der <strong>Kirche</strong> statt.<br />
A s ylverfa<br />
h re n sb<br />
e ra tu n g<br />
ÜBERBLICK<br />
S ta n d o rte<br />
S c h iff H a u s d e r K irc h e F lu g h a fe n<br />
P ro je kt<br />
S o zia le r<br />
B e ista n d<br />
A s ylverfa<br />
h re n sb<br />
e ra tu n g<br />
R ü ckkehrb<br />
e ra tu n g<br />
2 .0 06 P e rso ne n in sge sam t<br />
P ro je kt<br />
S o zia le r<br />
B e ista n d<br />
A s ylve<br />
rfa h re n sb<br />
e ra tu n g<br />
7
Das Team<br />
Leiterinnen des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates sind Daniela Bröhl<br />
(Personal/Finanzen/Projekte) und Jessica te Heesen (Außenvertretung/<br />
Öffentlichkeitsarbeit/Fundraising), beide sind mit einer Vollzeitstelle <strong>im</strong> Bereich der<br />
Verfahrensberatung tätig.<br />
Für die Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren bestand zunächst Unsicherheit<br />
darüber, ob bzw. in welcher Höhe wir durch das Land Nordrhein-Westfalen eine<br />
Förderung dieser Arbeit erhalten würden.<br />
Bedauerlicherweise konnte durch allgemeine Kürzungen nur noch eine ¼-Stelle<br />
gefördert werden. Aufgrund des langen Wartens auf den Zuwendungsbescheid mussten<br />
wir uns in der ersten Jahreshälfte (in Absprache mit der Bezirksregierung Arnsberg) mit<br />
Honorarstellen behelfen. Die Honorartätigkeiten wurden in den Monaten Januar bis<br />
März von Moritz Rudzio und von April bis Juni von Miguel Temprano (<strong>im</strong> Mai und Juni<br />
in Einzefällen vertreten von Nadia Helmke-Fatehpour) übernommen.<br />
Von Juli bis Dezember konnten wir Miguel Temprano dann – nach Erhalt des<br />
Zuwendungsbescheides - mit einem Arbeitsvertrag für ¼-Stelle für die Beratung <strong>im</strong><br />
Flughafenverfahren einstellen.<br />
Im EFF-Projekt „Vertrauensbildende Maßnahmen – Perspektivenberatung –<br />
Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer Beistand“ war als<br />
Projektmitarbeiterin in der sozialen Betreuung Corrie Voigtmann mit einer halben<br />
Stelle tätig.<br />
8<br />
ÜBERBLICK<br />
v.l.o. Miguel Temprano, Corrie Voigtmann, Claudia Mans-Althoff,<br />
Jessica te Heesen, Daniela Bröhl, Birgül Kahraman<br />
Für den Bereich der<br />
Rückkehrberatung<br />
wurden Birgül<br />
Kahraman mit 8,5<br />
Stunden und Miguel<br />
Temprano seit April<br />
als Honorarkraft und<br />
seit Juli mit einem<br />
Arbeitsvertrag mit<br />
11,5 Stunden<br />
eingestellt.<br />
In den ersten 3 Monaten des Jahres waren – wegen des noch fehlenden<br />
Zuwendungsbescheides – diese 11,5 Stunden durch eine Honorartätigkeit von Giti<br />
Sadi abgedeckt worden.
Für den Sekretariatsbereich verantwortlich war Claudia Mans-Althoff mit 12,5<br />
Stunden <strong>im</strong> Flüchtlingsreferat.<br />
Von Januar bis Juli leistete Sarah Hemmes vor Beginn ihres Jurastusdiums ein<br />
freiwilliges Praktikum <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat ab. Ihre Tätigkeit war für uns<br />
eine sehr große Unterstützung, insbesondere in der Betreuung der Klient/innen, aber<br />
auch bei den umfangreichen Verwaltungsaufgaben.<br />
Weitere Unterstützung erhielten wir von teils ehrenamtlich, teils auf Honorarbasis<br />
tätigen Sprach- und Kulturmittler/-innen <strong>im</strong> EFF-Projekt sowie in der Verfahrens-<br />
und Rückkehrberatung.<br />
Birgül Kahraman<br />
Rückkehrberatung<br />
Jessica te Heesen<br />
Verfahrensberatung<br />
Leitung<br />
Corrie Voigtmann<br />
EU-Projekt<br />
„Sozialer Beistand“<br />
ÜBERBLICK<br />
Das Team<br />
Claudia Mans-Althoff<br />
Sekretariat<br />
Daniela Bröhl<br />
Verfahrensberatung<br />
Leitung<br />
Miguel Temprano und Honorarkräfte<br />
Verfahrensberatung am Flughafen<br />
Rückkehrberatung<br />
Honorarkräfte<br />
Ehrenamtliche<br />
Leitung: Jessica te Heesen und Daniela Bröhl; Verantwortung für die Projekte: Daniela Bröhl<br />
9
Statistik<br />
Im vergangenen Jahr wurden <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat insgesamt 2006<br />
Menschen beraten und betreut.<br />
10<br />
215<br />
Personen<br />
180<br />
146 142<br />
97<br />
Haupt-Herkunftsländer der vom Ev. Flüchtlingsreferat<br />
beratenen Flüchtlinge 2006<br />
74<br />
Irak<br />
Russ. Föd.<br />
Ghana<br />
Iran<br />
Türkei<br />
Kamerun<br />
62 61 61<br />
Serbien<br />
Libanon<br />
Syrien<br />
Niger<br />
Aserbeidschan<br />
53 50 47 47 47 45 40 34 34 29 29 28 27 27 26 26 22 20<br />
Algerien<br />
Marokko<br />
Ägypten<br />
Armenien<br />
Pakistan<br />
Kongo<br />
Myanmar<br />
Eritrea<br />
Afghanistan<br />
Äthiopien<br />
Weißrussland<br />
Guinea<br />
Georgien<br />
Indien<br />
Tunesien<br />
Angola<br />
Die Haupt-Herkunftsländer waren Irak, die Russische Föderation, Ghana, Iran und die<br />
Türkei.<br />
Die hohe Anzahl der Personen aus Ghana lässt sich dadurch erklären, dass sehr viele<br />
hochschwangere Frauen aus Ghana auf dem Schiff waren, die von uns <strong>im</strong> Rahmen<br />
unseres EFF-Projektes betreut und mit Kleidung und anderen Hilfen versorgt wurden.<br />
Eine Beratung und Betreuung wurde von 1256 Männern (62,6 %) und 750 Frauen<br />
(37,4 %) in Anspruch genommen.<br />
1256<br />
750<br />
2006<br />
Weiblich<br />
Männlich<br />
insgesamt<br />
Personen in der Beratung 2006<br />
47 40<br />
ÜBERBLICK<br />
773 1021<br />
68 1 56<br />
2006<br />
0-17 F.<br />
0-17 u.<br />
18-27<br />
28-49<br />
50-64<br />
65 u.ä.<br />
Alter unbek.<br />
insgesamt<br />
17 95 97 2<br />
Erlaubnis<br />
Gestattung<br />
Duldung<br />
anderer Titel<br />
1737<br />
58<br />
2006<br />
ohne Titel<br />
o. A.<br />
insgesamt<br />
1. Geschlecht 2. Altersgruppe 3. Aufenthaltsstatus
Der größte Teil unserer Klientinnen und Klienten ist in den Altersgruppen von 28-49 und<br />
18-27 Jahren. 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden von uns während des<br />
Aufenthalts auf dem Asylschiff unterstützt.<br />
Die meisten der Flüchtlinge auf dem Schiff werden von uns vor ihrer Anhörung beraten<br />
und sind noch nicht <strong>im</strong> Besitz einer Aufenthaltsgestattung (daher „ohne Titel“). Die Zahl<br />
der Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung (= <strong>im</strong> laufendem Asylverfahren) und mit<br />
Duldung (= nach negativ abgeschlossenem Asylverfahren) ist mit 95 bzw. 97 Personen<br />
in etwa gleich hoch.<br />
Abs<br />
Arech<br />
Unterbr.<br />
Gesdh.<br />
PP/T<br />
Umv.<br />
Exist.<br />
AuF<br />
ÜBERBLICK<br />
AsVer<br />
Themenschwerpunkte <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
AsVer = Asylverfahren<br />
AuF= Aufarbeitung der<br />
Fluchtgeschichte<br />
Umv= Umverteilung<br />
Arech= Aufenthaltsrecht<br />
Abs= Abschiebung<br />
PP/T=<br />
Psych.Probleme/Traumatisierung<br />
Gesdh= Gesundheit<br />
Unterb= Unterbringung<br />
Exist= Existenzsicherung<br />
Anmerkungen zur Statistik:<br />
Da unser Angebot auf dem Schiff niedrigschwellig ist, können wir dort keine genauen<br />
statistischen Daten erheben.<br />
Insbesondere die Altersangaben beruhen oftmals auf unseren Schätzungen.<br />
Außerdem nehmen wir nur in wenigen Fällen die Namen der beratenen Personen auf,<br />
und es besteht nicht <strong>im</strong>mer die Gelegenheit, uns über die erfolgten Beratungen<br />
gegenseitig zu informieren; daher sind Doppelzählungen nicht ausgeschlossen.<br />
11
Asylverfahrensberatung<br />
Schwerpunkt der Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates ist seit dessen Bestehen<br />
die Asylverfahrensberatung, insbesondere in der Aufnahmesituation auf dem Schiff, aber<br />
auch in den weiteren Phasen des Asylverfahrens.<br />
In den vergangenen Jahren hat sich unser Fokus mehr und mehr auf die Personen<br />
gerichtet, die aufgrund erlittener Gewalterfahrungen und daraus folgenden<br />
Traumafolgestörungen, schwerer körperlicher Erkrankungen oder sonstiger besonderer<br />
Schutzbedürftigkeit eine intensive Stützung und Beratung benötigen.<br />
Gerade für das vergangene Jahr lässt sich feststellen, dass die in unserer<br />
Verfahrensberatung intensiv betreuten Flüchtlinge ausschließlich Teilnehmer/innen des<br />
EFF-Projektes bzw. besonders schutzbedürftige Personen sind (s. auch unten stehende<br />
Projektberichte).<br />
In der Asylverfahrensberatung auf dem Schiff kristallisiert sich weiterhin mehr und mehr<br />
heraus, dass der Vertrauensaufbau eine entscheidende Rolle für den Verlauf der<br />
Beratung und damit auch des Asylverfahrens spielt.<br />
Folgende Fallkonstellationen treten in unserer Beratung am häufigsten auf:<br />
Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Flüchtlinge (zumeist Familien, allein stehende<br />
Frauen oder generell Einzelpersonen – Männer oder Frauen -, die noch unter dem<br />
Eindruck erlittener Gewalt oder massiver Verfolgung stehen), die ihr anfängliches<br />
Misstrauen jeglichen Informationen gegenüber erst dadurch überwinden können, dass<br />
sie uns als Helfer/Innen-Team erleben, das vorsichtig und einfühlsam auf sie zugeht und<br />
sie erst einmal mit ihren Sorgen und Nöten und individuellen Bedürfnissen wahrn<strong>im</strong>mt.<br />
Diese Personen müssen erst Vertrauen fassen, bis sie sich auf eine Beratung einlassen<br />
können.<br />
12<br />
Asyllverfahrensberatung
Asyllverfahrensberatung<br />
Eine individuelle Beratung in ruhiger Atmosphäre <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> und bei Bedarf<br />
individuelle Maßnahmen zur Stützung und Stabilisierung helfen oftmals dabei, dass die<br />
Flüchtlinge „sicheren Boden unter den Füßen haben“ um sich in dem zunächst<br />
unübersichtlichen Asylverfahren orientieren zu können.<br />
Interessanterweise sind einige von ihnen dann – nach den Stützungsmaßnahmen -<br />
besonders hellhörig und aufmerksam. Sie nehmen die Informationen aus der Beratung<br />
sehr schnell auf, sind in der Lage, die Beratungsinhalte umzusetzen und in der wenige<br />
Tage später folgenden Anhörung strukturiert über ihre Erlebnisse zu sprechen.<br />
Im Idealfall, wenn wir best<strong>im</strong>mte Maßnahmen eingeleitet haben (z.B. eine<br />
Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung be<strong>im</strong> Bundesamt einzuschalten<br />
o.ä.), verläuft das Asylverfahren bereits <strong>im</strong> Bundesamt so, dass die Fluchtgründe<br />
ausreichend detailliert in der Anhörung zur Sprache kommen und in angemessener<br />
Weise durch das Bundesamt gewürdigt werden.<br />
Glücklicherweise haben wir auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr in einigen Fällen Anerkennungen<br />
<strong>im</strong> Verwaltungsverfahren be<strong>im</strong> Bundesamt erreicht, die zu einem guten Teil auf die in<br />
den ersten Tagen auf dem Schiff stattgefundene Unterstützung und Stabilisierung<br />
zurückzuführen waren.<br />
Eine weitere Gruppe, ebenfalls von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, die<br />
aufgrund von Krankheiten oder aus anderen Gründen Hilfe benötigen, andererseits aber<br />
keine asylrelevante Verfolgungsgeschichte haben, profitieren von unserer Hilfe insoweit,<br />
dass sie nach einer „ersten Hilfe“ an weitere Stellen und Hilfsorganisationen vermittelt<br />
werden, die sich um ihre jeweiligen Belange kümmern.<br />
Diese Flüchtlinge halten in der Regel über längere Zeit Kontakt zu uns und nehmen<br />
unsere Beratung auch in weiteren Phasen ihres Verfahrens in Anspruch. Hier geht es<br />
dann oftmals eher um eine realistische Erarbeitung ihrer Perspektiven in Deutschland<br />
hinsichtlich der Erfolgsaussicht von Rechtsmitteln, das <strong>im</strong>mer wieder neue<br />
Auseinandersetzen mit der oftmals unerträglichen Lebenssituation in Deutschland, und<br />
damit auch die Frage nach der (Un)Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung oder nach<br />
einer freiwilligen Ausreise.<br />
Der Bestandteil der<br />
Perspektivenberatung<br />
innerhalb<br />
der Verfahrensberatung ist<br />
für unsere Klient/innen<br />
sehr wichtig und kann nur<br />
deshalb vertrauensvoll<br />
ablaufen, da sie wissen,<br />
dass wir sie mit all ihren<br />
Ängsten und<br />
Befürchtungen ernst<br />
nehmen.<br />
13
Eine dritte (und sehr wichtige) Klient/Innengruppe ist die Gruppe derjenigen Flüchtlinge,<br />
deren Asylgründe aus verschiedenen Gründen in der Anhörung nicht zur Sprache kamen<br />
- z.B. weil sie nach erlittenen Traumata nicht in der Lage waren, über diese zu<br />
sprechen, weil sie aus Scham oder Angst etwas verschwiegen haben, weil es nicht<br />
aufklärbare Missverständnisse in der Anhörung durch mangelhaftes Dolmetschen gab<br />
oder weil sie sich durch die Anhörungssituation oder die/den Anhörer/in angegriffen,<br />
nicht respektiert oder nicht ernst genommen fühlten.<br />
In diesen Fällen, in denen es zu einer Ablehnung durch das Bundesamt kommt, ist der<br />
Kontakt in der Regel durch unsere Dolmetscher/innen und eine vorübergehende enge<br />
Verzahnung mit der Verfahrensberatung in der Aufnahmeeinrichtung Schöppingen oder<br />
Hemer bestehen geblieben.<br />
Nach der Zuweisung in einen anderen Ort (<strong>im</strong> letzten Jahr sind verstärkt unsere<br />
Klient/innen vom Schiff nach der Erstaufnahme nach Düsseldorf zugewiesen worden,<br />
einige aber auch in andere mehr oder weniger weiter entfernte Orte), werden diese<br />
Personen zu unseren „Langzeit-Klient/innen“, die wir durch das gesamte weitere<br />
Verfahren begleiten. Es finden also meist während des laufenden Klageverfahrens vor<br />
dem Verwaltungsgericht zahlreiche, zum Teil mehrstündige, Beratungsgespräche statt,<br />
in denen behutsam die Fluchtgeschichte aufgearbeitet werden muss. Dies zieht sich<br />
über mehrere Monate und bietet die Chance, dadurch, dass mehr Zeit zur Verfügung<br />
steht, auch traumatische Erlebnisse zumindest ansatzweise in das Verfahren<br />
einzubringen, psychologische Gutachten einzuholen und eine weitgehend vollständige<br />
authentische Fluchtgeschichte herauszuarbeiten.<br />
Hier ist eine enge Vernetzung mit diversen Stellen notwendig: Gedächtnisprotokolle der<br />
Beratungsgespräche müssen an die Rechtsanwälte/innen gegeben werden, Kontakt und<br />
regelmäßiger Austausch mit Psychotherapeut/innen ist notwendig, und zusätzlich<br />
erleben wir <strong>im</strong>mer häufiger, wie wichtig eine Betreuung am Wohnort, die sich um die<br />
„kleinen Dinge des Alltags“ kümmert, notwendig ist.<br />
Immer mehr gehen wir dazu über, Netzwerke von Hand in Hand arbeitenden<br />
Helfer/innen aufzubauen, damit eine weittestmögliche Stützung der Klient/innen erreicht<br />
werden kann (vgl. hierzu auch den Punkt „Kooperationen“, in dem auf diese Netzwerke<br />
genauer eingegangen wird).<br />
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass allein eine regelmäßige Beratung in<br />
Kombination mit einer rechtlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei besonders<br />
schutzbedürftigen Personen meistens nicht ausreicht.<br />
Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge benötigen tragende Beziehungen, die der<br />
erlittenen Entwurzelung entgegensteuern können.<br />
14<br />
Asyllverfahrensberatung
Asyllverfahrensberatung<br />
(Klientin, Sprach- u. Kulturmittlerin und Birgül Kahraman)<br />
Ehrenamtliche Betreuer/innen am Wohnort, Kontakte zu Personen aus einer<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinde, Praktikant/innen, bei Jugendlichen die Anbindung an das MUT-Projekt<br />
des Psychosozialen Zentrums Düsseldorf oder ähnliche Hilfsangebote sind sehr hilfreich<br />
für eine Stabilisierung und haben dadurch mittelbar sogar positiven Einfluss auf den<br />
weiteren Verlauf des Asylverfahrens.<br />
15
Beschreibung des EFF-Projekts „Vertrauensbildende Maßnahmen –<br />
Perspektivenberatung – Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer<br />
Beistand“ (von Daniela Bröhl)<br />
Der Europäische Flüchtlingsfonds (EFF) fördert seit dem Jahr 2001 unsere einjährigen<br />
Projekte, die jeweils von unserem Referat innovativ entwickelt und mit großem Erfolg<br />
durchgeführt wurden. Seit Ende Dezember 2005 steht uns erstmalig eine auf fast<br />
zweieinhalb Jahre konzipierte Projektförderung zur Verfügung.<br />
Die soziale Betreuung und Begleitung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen<br />
bildet in unseren EFF-Projekten den Grundstein für eine wesentlich effektivere<br />
Verfahrensberatung.<br />
Der Aufbau von Vertrauen ist in der ersten –entscheidenden- Phase des Verfahrens für<br />
den weiteren Verfahrensablauf von großer Bedeutung.<br />
Es stellte sich <strong>im</strong> Verlauf der vergangenen Projekte heraus, dass Ratsuchende sich<br />
<strong>im</strong>mer wieder, auch nach ihrer Zuweisung, an uns wenden. Gründe dafür sind:<br />
- Lebenskrisen<br />
- Ängste über den Fortgang des Verfahrens<br />
- Ausreiseaufforderungen<br />
- Wunsch nach Rückkehr in das Herkunftsland<br />
- und vieles mehr<br />
Allgemeine Informationen zu dem neuen Projekt<br />
Das aus diesen Erfahrungen entwickelte, mehrjährige Projekt (bis Ende April 2008) trägt<br />
den etwas sperrigen Namen „Vertrauensbildende Maßnahmen – Perspektivenberatung –<br />
Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer Beistand“.<br />
Im Mittelpunkt steht die ganzheitliche Betreuung der besonders schutzbedürftigen<br />
Personen beginnend mit den ersten Tagen in Deutschland.<br />
Neu ist, dass wir als kontinuierlicher, verlässlicher und lückenloser Ansprechpartner eine<br />
vertrauensvolle Beratung und Begleitung bis zur erstrebten Aufenthaltsverfestigung oder<br />
– auf Wunsch- Rückkehr und Reintegration ins He<strong>im</strong>atland gewährleisten können.<br />
Das bedeutet:<br />
- in allen Phasen des Verfahrens und mit allen möglichen Beteiligten die<br />
Anliegen der Betroffenen zu koordinieren;<br />
- die Netzwerke der Flüchtlingsbetreuung und weitere Hilfsstrukturen in den<br />
jeweiligen Wohnorten zu nutzen bzw. zu entwickeln;<br />
- gleich zu Beginn des Verfahrens einen opt<strong>im</strong>alen Vertrauensaufbau<br />
zu ermöglichen, um während der gesamten Zeit des unsicheren Aufenthaltes:<br />
• eine effektivere Verfahrensberatung zu gestalten<br />
• den jeweiligen Verfahrensstand regelmäßig zu reflektieren und transparent<br />
zu machen<br />
• die Eigenverantwortung für das Verfahren zu stärken<br />
• realistische Perspektiven gemeinsam zu entwickeln<br />
16<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“
Diese kontinuierliche Wegweiser-Funktion wird gewährleistet durch die persönliche und<br />
telefonische soziale Begleitung der Ratsuchenden durch die Sozialpädagogin,<br />
Verfahrensberaterinnen und die Kulturmittler/innen in elf Sprachen.<br />
Der soziale Beistand bezieht sich auf die drei Beratungsbereiche (zum besseren<br />
Verständnis <strong>im</strong> folgenden in 3 Module unterteilt): Verfahrensberatung,<br />
Perspektivenberatung und Rückkehrberatung.<br />
Corrie Voigtmann betreut die Schutzbedürftigen nachmittags auf dem Asylschiff, sowie<br />
bei Bedarf innerhalb der Perspektivenberatung und Rückkehrberatung ‚unterwegs’.<br />
Regelmäßige ehrenamtliche Sprach-<br />
und Kulturmittler/innen sowie<br />
Honorarmitarbeiterinnen unterstützen<br />
das Projekt in allen Phasen und in<br />
unterschiedlichen Bereichen.<br />
Telefonsprechstunden mit unseren<br />
Dolmetscher/innen stellen sicher, dass<br />
Ratsuchende sich <strong>im</strong>mer vertrauensvoll<br />
direkt mit uns verständigen können.<br />
Dies ist wichtig, da schutzbedürftige<br />
Flüchtlinge in der Regel Bekannten<br />
oder Verwandten gegenüber ihre<br />
persönlichsten Anliegen verbergen<br />
möchten.<br />
Modul 1 des Projektes: Vertrauensbildende Maßnahmen in der Aufnahmephase<br />
- Beratung und sozialer Beistand auf dem Asylschiff<br />
Aktuelle Situation auf dem Schiff<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
(Unsere Sprach- und Kulturmittlerin in der Telefonsprechstunde)<br />
Die Rahmenbedingungen auf dem Asylschiff haben sich 2006 sowohl für die<br />
Asylsuchenden als auch für uns verschlechtert, da sich die Anzahl der zu betreuenden<br />
Flüchtlinge nach Schließung aller weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW merklich<br />
erhöht hat. Etwa 80 Personen befinden sich täglich auf dem Asylschiff. Die<br />
durchschnittliche Verweildauer hat sich von 4 Tagen auf 5-6 Tage erhöht.<br />
Außerdem sind zunehmend viele sehr schwer kranke Personen an Bord, deren<br />
Gesundheitsversorgung aufgrund fehlender Ansprechmöglichkeit des Sozialamtes nicht<br />
genügend gewährleistet ist.<br />
Zu einem kaum zu deckenden Beratungsbedarf kommt noch ein erhöhtes<br />
Konfliktpotential unter den Bewohnern hinzu, insbesondere durch junge Männer aus<br />
Kriegsgebieten, sowie Personen, die von außerhalb auf das Schiff kommen und die<br />
Bewohner/innen belästigen bzw. verunsichern.<br />
17
Zielgruppe des Projektes sind:<br />
18<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Leider können wir bisher<br />
auf dem Asylschiff keinen<br />
einzigen Raum für<br />
Beratungen für die<br />
besonders<br />
Schutzbedürftigen nutzen.<br />
Es ist sehr umständlich<br />
und zeitaufwändig,<br />
Flüchtlinge vom Schiff<br />
abholen zu müssen, damit<br />
sie in unsere<br />
Beratungsstelle kommen<br />
können, um ein<br />
vertrauliches Gespräch zu<br />
führen.<br />
• kranke Personen:<br />
• Behinderte, Dialysepatienten, Personen, mit schweren unzureichend<br />
behandelten Verletzungen und Krankheiten, u.a. HIV<br />
• Personen <strong>im</strong> Krankenhaus<br />
• traumatisierte Personen<br />
• alleinerziehende Frauen mit Kindern und Neugeborenen sowie<br />
Hochschwangere<br />
• minderjährige unbegleitete Flüchtlinge<br />
• auch Kinder, die <strong>im</strong> Familienverband leben<br />
• volljährige, aber dennoch schutzbedürftige Jugendliche, vor allem junge<br />
Frauen ohne Famlienanschluss<br />
• psychisch Kranke, verwirrte Personen, Suizidgefährdete<br />
• Opfer von Menschenhandel, Opfer sexueller Gewalt<br />
Unsere Zielgruppe, die besonders schutzbedürftigen Personen, leiden sehr unter der<br />
angespannten Situation auf dem Asylschiff.<br />
Soziale Aktivitäten <strong>im</strong> Rahmen des Projektes<br />
Die Projektmitarbeiterin Corrie Voigtmann unterstützt die schutzbedürftigen Personen an<br />
drei bis vier Nachmittagen pro Woche, mit Hilfe der Sprach- und Kulturmittlerinnen, mit<br />
• stützenden Gesprächen, Entlastung durch Kinderbetreuung, Versorgung mit<br />
Kleidung, Kinderwagen, etc<br />
• Vermittlung zu intensiven Gesprächen mit den Verfahrensberaterinnen bei Bedarf<br />
auch <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong>, beispielsweise über traumatisierende Erlebnisse <strong>im</strong><br />
He<strong>im</strong>atland oder bei der Flucht<br />
• Gesprächsangeboten bei Diagnosen wie Krebs, HIV, TBC
•<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
• Begleitung zu Psychiatern oder PSZ; Ärzten, Krankenhäusern, Dialysezentrum,<br />
AIDS-Beratungsstellen<br />
• Besuchen bei Krankenhausaufenthalten: Beistand/ Übersetzung bei<br />
Arztgesprächen vor Operationen/bei Diagnosen, Versorgung mit Wäsche und<br />
Hygieneartikeln, Kontaktaufnahme mit Bundesamt und Sozialamt, Sicherstellung<br />
der Asylantragstellung, u. v. m.<br />
• Begleitung zum Bundesamt (Anhörung), der Zentralen Ausländerbehörde oder<br />
Sozialamt, zu Kleiderkammern und Beratungsstellen<br />
• Kontaktaufnahme zu den Sachbearbeiter/innen Asyl des Bundesamtes für<br />
Migration und Flüchtlinge, sowie Mitarbeitenden weiterer Behörden: Zentrale<br />
Ausländerbehörde, Jugendamt, Vormundschaftsgericht, etc.<br />
(Kleiderkammer auf dem Schiff)<br />
Asylverfahrensberatung auf dem Schiff<br />
Seitens des Sozialamtes dürfen wir auf<br />
dem Asylschiff ein kleines Z<strong>im</strong>mer als<br />
Kleiderkammer nutzen. Der Bedarf an<br />
Kleidung ist sehr hoch, nicht alle<br />
Personen können das Benötigte<br />
erhalten.<br />
Von den Mitarbeitenden des Asylschiffes<br />
werden wir gelegentlich auf Kranke,<br />
sofern diese sich verständlich machen<br />
konnten, aufmerksam gemacht. Die<br />
Ehrenamtlichen sind sehr motiviert und<br />
engagiert und begleiten erkrankte<br />
besonders Schutzbedürftige zu Ärzten<br />
und Krankenhäusern und dolmetschen<br />
dort.<br />
Die Asylverfahrensberatung findet <strong>im</strong>mer parallel zu den anderen Aktivitäten statt.<br />
Besteht durch die Schutzbedürftigkeit eines Flüchtlings ein besonderer Beratungsbedarf,<br />
werden <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> ausführliche Gespräche <strong>im</strong> Vorfeld der Anhörung, auch unter<br />
Einbeziehung traumatisierender Ereignisse durchgeführt. Bei Notwendigkeit werden<br />
andere Fachberatungsstellen, z.B. das PSZ, Ärzte und Therapeuten, hinzugezogen.<br />
Durch die vertrauensbildenden Maßnahmen <strong>im</strong> Vorfeld der Verfahrensberatung sind die<br />
Bewohner/innen des Asylschiffes häufig offen und interessiert an der Beratung.<br />
19
Die Sprach- und Kulturmittler/innen starten nach einigen Einzelgesprächen mit<br />
Gruppenberatungen in unterschiedlichen Sprachen, zunächst mit ganz allgemeinen<br />
Informationen über Fragen wie<br />
20<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
• Kann ich einen Deutsch-Kurs machen?<br />
• Darf ich arbeiten?<br />
• Können wir bei meiner Schwester in Frankfurt leben?<br />
• Wie kann ich einen Arzt aufsuchen und mich verständigen?<br />
• Wo ist Hemer, Jena, Trier…, darf ich dann trotzdem nach Köln fahren?<br />
• Wie kann ich einen Arzt finden?<br />
Wenn sich dann so nach und nach eine größere Gruppe versammelt hat und alle<br />
Aspekte geklärt sind, die die Personen aktuell bewegen, sind die Personen in der Lage,<br />
sich auch mit den Grundlagen des Asylverfahrens zu beschäftigen. Die<br />
Verfahrensberaterinnen lenken das Gespräch auf die Bedeutung und die Wichtigkeit der<br />
Anhörung. Wir beschreiben den Ablauf der Anhörung und klären umfassend über Rechte<br />
und Pflichten auf.<br />
Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 1<br />
Durch das umfassende Angebot der Beratung und Betreuung kann die<br />
Verfahrensberatung sehr gut ihre Clearing-Funktion erfüllen: Besondere Aspekte wie<br />
Traumatisierung, geschlechtsspezifische Verfolgung und Krankheiten können leichter<br />
erkannt und von Beginn an in das Asylverfahren eingebracht werden.<br />
Die Schutzbedürftigen wissen durch die intensive Betreuung und Vorbereitung von<br />
Anfang an, dass sie selbst ihr Asylverfahren aktiv betreiben und sich <strong>im</strong>mer über den<br />
jeweiligen Sachstand und ihre Handlungsmöglickeiten informieren müssen.<br />
Sie sind über die Möglichkeit der Nutzung von Hilfsstrukturen informiert und können<br />
nach einer Zuweisung von uns konkrete Ansprechpartner genannt bekommen.<br />
Auf Wunsch der Ratsuchenden leiten wir alle gewonnenen Informationen wie<br />
Gesprächsprotokolle, Atteste und Rechercheergebnisse an die entsprechenden Stellen<br />
(Bundesamt, Verwaltungsgericht, Rechtsanwälte, Therapeuten, etc.) weiter, um die<br />
Flüchtlinge davon zu entlasten, traumatisierende Ereignisse <strong>im</strong>mer wieder neu<br />
beschreiben zu müssen. Mit den gesammelten Vorinformationen können die weiteren<br />
Ansprechpartner dann entsprechend sensibel die noch notwendigen Fragen an die<br />
Betroffenen vorbereiten.
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Modul 2: Der soziale Beistand in der Perspektivenberatung<br />
Die Beratung selbst findet <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> statt. Innerhalb der Perspektivenberatung<br />
werden nur Personen, die eines besonderen Schutzes bedürfen und zu der Zielgruppe<br />
des Projektes gehören, bei dringendem Bedarf als Projektteilnehmer/innen<br />
aufgenommen.<br />
Die soziale Begleitung unterstützt die schutzbedürftigen Personen z.B. bei belastenden<br />
Terminen bei Behörden. Behördenmitarbeiter/innen werden allein durch Anwesenheit<br />
der Sozialarbeiterin häufig 'kooperativer'. Es kommt vor, dass Personen, die schwer<br />
traumatisiert sind, bei Besuchen in Ausländerbehörden oder Terminen in<br />
Verwaltungsgerichten zusammenbrechen und zum Arzt bzw. in die Psychiatrie gebracht<br />
werden müssen.<br />
Es ist auch vorgekommen, dass Personen, die von uns zunächst nicht als besonders<br />
schutzbedürftig eingeschätzt worden sind, solche Angst vor best<strong>im</strong>mten<br />
Behördenkontakten hatten, dass sie (unnötigerweise) abtauchen, so dass erst von<br />
unserer Seite wieder Verhandlungen mit der Ausländerbehörde nötig sind, um zu<br />
verhindern, dass zur Fahndung ausgeschrieben wird. In diesen Fällen sind dann mehrere<br />
Termine zur Perspektivenberatung nötig, damit die Personen erst einmal in die Lage<br />
versetzt werden, ihre persönliche Siuation real einzuschätzen und –dann zunächst mit<br />
unserer Unterstützung - entsprechend handeln zu können.<br />
Einige Richter/innen be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie Mitarbeiter/innen des<br />
Bundesamtes schätzen unsere Anwesenheit bei den Verfahren und würdigen unsere<br />
schriftliche und/oder mündliche Einschätzung der jeweiligen Schutzbedürftigkeit, <strong>im</strong><br />
Berichtsjahr 2006 häufig mit positivem Ausgang!<br />
Die Fallbearbeitung mit schutzbedürftigen und traumatisierten Personen ist sehr<br />
zeitaufwändig. Es zeigt sich, dass ein Konzentrieren auf das Verfahren erst möglich ist,<br />
wenn Krisen psychischer oder physischer Art in Behandlung sind oder (mit<br />
Unterstützung) bewältigt werden können.<br />
Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 2<br />
Die enge Anbindung an das Flüchtlingsreferat, eine feste Ansprechpartnerin und<br />
regelmäßige Gesprächstermine sowie Telefonate führen dazu, dass die Personen mehr<br />
auf sich achten. Arzt- sowie Behörden- und Rechtsanwaltstermine werden viel<br />
regelmäßiger wahrgenommen, da wir <strong>im</strong>mer nachfragen, bzw. selber auch Kontakte zu<br />
diesen Ansprechpartnern halten.<br />
Die von uns betreuten Flüchtlinge 'sitzen ihre Probleme nicht mehr aus', sondern werden<br />
nun selber aktiv und fühlen sich durch unsere Unterstützung gestärkt und ermutigt.<br />
Wir halten zudem regelmäßige Kontakte zu ehren- oder hauptamtlichen Berater/innen<br />
vor Ort, die einen engeren und direkten Konakt zu den Flüchtlingen halten und uns bei<br />
Problemen einschalten können.<br />
Die regelmäßige und systematische Reflexion des Verfahrensstandes sichert die aktive<br />
Auseinandersetzung der schutzbedürftigen Personen mit allen aufenthaltsrechtlich<br />
wichtigen Aspekten. So werden keine Fristen versäumt und alle Mitwirkungspflichten<br />
beachtet.<br />
21
Modul 3: der soziale Beistand in der Rückkehrberatung<br />
Da auch in diesem Modul der Schwerpunkt auf den besonders Schutzbedürftigen liegt,<br />
ist die Bearbeitung des Einzelfalls nicht nur für den sozialen Beistand, sondern auch für<br />
die Berater/innen (zeit)aufwändiger und arbeitsintensiver, als bei unkomplizierten<br />
Fallkonstellationen.<br />
Schutzbedürftige Flüchtlinge, die in ihr Herkunftsland ausreisen wollen, brauchen viel<br />
mehr Stützung und Unterstützung, als wir angenommen haben, selbst, wenn ihr<br />
Entschluss fest steht. Glücklicherweise werden wir hier sehr von unseren<br />
Honorarmitarbeiter/innen, die sich speziell für die Rückkehrberatung auch ehrenamtlich<br />
engagieren, unterstützt.<br />
Die Ehrenamtlichen<br />
betreuen vorwiegend<br />
Personen in ihrer<br />
eigenen Muttersprache,<br />
obwohl die Klient/innen<br />
selber (mehr oder<br />
weniger perfekt)<br />
deutsch sprechen. Es<br />
scheint in dieser Phase<br />
wichtig zu sein, noch<br />
einmal alle Wünsche,<br />
Befürchtungen,<br />
Ängste und Hoffnungen<br />
in der Muttersprache<br />
kommunizieren zu<br />
können. Vielleicht ist<br />
damit schon ein inneres<br />
Abschiednehmen von<br />
Deutschland und ein<br />
(Unsere ehrenamtliche Sprach- und Kulturmittlerin für die arabische Sprache) 'sich-einlassen' auf die<br />
He<strong>im</strong>at verbunden.<br />
Unsere Ehrenamtlichen stellen also einen sozialen Beistand innerhalb der Beratung<br />
selbst dar.<br />
Weitere Aufgaben des sozialen Beistandes sind in dieser Phase:<br />
• Begleitung zu Ausländerbehörden bei Verhandlungen über die Modalitäten und<br />
den Zeitrahmen der Ausreise<br />
• Unterstützung bei Vorbereitungsmaßnahmen: Suche nach geeigneten<br />
Qualifizierungsmaßnahmen, vermitteln in Projekte <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland, gegebenenfalls<br />
Anträge auf kleine Startdarlehen, etc.<br />
• Begleitung zu Ärzten und Therapeuten und übersetzen von Attesten in die<br />
Muttersprache für die Weiterbehandlung vor Ort<br />
• Organisieren von Medikamenten und medizinischen Hilfsmitten: Rollstühle,<br />
Gehhilfen, Utensilien für künstliche Ernährung, und vieles mehr<br />
• Begleitung zu Botschaften zur Passbeschaffung<br />
• Unterstützung bei Formalitäten: Legalisierung von (Geburts)-urkunden,<br />
Ansprüche an Rentenversicherung, Kündigung der Wohnung, etc.<br />
22<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“
• Unterstützende Telefonate durch die ehrenamtlichen Muttersprachler mit<br />
Familienangehörigen, potentiellen Arbeitgebern oder Hilfsorganisationen <strong>im</strong><br />
He<strong>im</strong>atland<br />
• Unterstützung bei der Organisation der eigentlichen Ausreise: Transport von<br />
Hausrat, Übergepäck, Begleitung zum Flughafen bzw. Busbahnhof<br />
Wir sind regelmäßig mit komplizierten Fällen befasst. Dies hat dazu geführt, dass wir<br />
sehr gute Kontakte zu den zuständigen Mitarbeiterinnen <strong>im</strong> Innenministerium, in der<br />
Zentralen Ausländerbehörde, zu IOM, ZIRF u.a. entwickelt haben und durch einen<br />
'kurzen Draht' Konfliktfälle schnell lösen können oder gemeinsam nach Lösungen<br />
suchen.<br />
Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 3<br />
Personen aus unserer Zielgruppe brauchen häufig viel Zeit, um zu einer Entscheidung zu<br />
finden und ihre Reise dann sorgfältig vorzubereiten. Da unsere Beratung <strong>im</strong>mer<br />
ergebnisoffen ist, können sie sicher sein, dass wir niemals Druck ausüben, dass sie eine<br />
zeitintensiv vorbereitete Reise in das He<strong>im</strong>atland auch zeitnah antreten. Sie brauchen<br />
die Zeit, um Sicherheit <strong>im</strong> Hinblick auf ihre eigene Entscheidung zu gewinnen.<br />
Je besser die Reise vorbereitet werden kann und je realistischer eine<br />
Zukunftsperspektive <strong>im</strong> Herkunftsland ist (Arbeitsplatz, Vorbereitung zum Aufbau einer<br />
Selbständigkeit, Anbindung an eine Hilfsorganisation, vorherige Absprachen mit der<br />
Familie vor Ort, etc.) desto weniger Zweifel entstehen.<br />
So konnten die bisherigen Klient/innen in Sicherheit und Würde mit ihren jeweiligen<br />
Zukunftsperspektiven in das Herkunftsland zurückkehren. Von den meisten Personen<br />
haben wir kurz nach der Ankunft eine Rückmeldung erhalten, langfristige Erfahrungen<br />
liegen noch nicht vor.<br />
Jahresbericht 2006 über das EFF-Projekt von Corrie Voigtmann<br />
Ich möchte meinen Beitrag zu dem Jahresbericht 2006 mit „Fallbeispielen“ eröffnen.<br />
Meine Arbeit auf der „Siesta“ stand auch <strong>im</strong> Jahr 2006 unter der Prämisse, die<br />
schützbedürftigen Flüchtlinge zu betreuen. Es handelt sich hier um die Menschen, die<br />
nach ihrer Flucht dringend Hilfe bedürfen.<br />
„Fallbeispiel“: Das Wort gefällt mir <strong>im</strong> Zusammenhang mit diesen Menschen nicht, ich<br />
möchte es deshalb eher Schicksalsgeschichten nennen. Es sind nur einige, damit sie als<br />
Leserinnen und Leser einen Einblick bekommen in meine Arbeit auf dem Asylschiff.<br />
„I left my breastfed baby“<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Eine junge Frau aus Bangladesh war mit zwei Kindern (9 und 10 Jahre alt) angekommen. Ich<br />
versorgte sie erst mit den notwendigsten Sachen (Kleidung und Hygieneartikel) und kam dadurch<br />
mit ihr ins Gespräch. Sie fing an zu weinen und sagte: „I left my breastfed baby“ und erzählte<br />
mir, was geschehen war.<br />
Sie war schon sehr jung verheiratet worden. Ihr Mann hatte sie jahrelang eingesperrt,<br />
geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt. Ihr Bruder hat nach den vielen Jahren des Leidens<br />
eine Flucht für sie organisiert. Sie hat ihren Mann mit den Kindern verlassen und wurde<br />
23
irgendwohin gebracht. Von dort aus wollte man sie mit den Kindern außer Landes bringen. Sie<br />
hatte keine Ahnung wohin, in welches Land, Hauptsache fort.<br />
Außer den zwei älteren Kindern hatte sie auch ein Kleinkind dabei, das sie noch stillte. Die<br />
Schlepper weigerten sich, dieses Kind mitzunehmen, es wäre zu risikoreich. Sie konnte auf<br />
keinen Fall zurück zu ihrem Mann, und irgendwo anders konnte sie sich nicht verstecken, ihr<br />
Mann würde sie finden. Ihr Bruder hat das Baby zu einer Kusine gebracht, die es versorgen<br />
wollte.<br />
Die Frau war am Ende ihrer Kräfte, sie war sehr traurig und weinte fast die ganze Zeit aus<br />
Sorgen um ihr Baby. Ich konnte es ermöglichen, dass sie ihre Kusine in Bangladesh anruft. Die<br />
Mutter hatte es schon richtig gespürt: Am Tage des Anrufs war das Baby noch zweiwöchigem<br />
Krankenhausaufenthalt gerade erst zur Kusine zurückgekehrt. Nach dem Telefonat hat sie sich<br />
etwas beruhigt.<br />
Nach der Anhörung be<strong>im</strong> Bundesamt wurde sie in einen anderen Ort verlegt. Dort wurde sie<br />
weiter betreut von Kolleginnen, die ich verständigt hatte. Nach einigen Wochen wurde die Frau<br />
durch das Bundesamt als Flüchtling anerkannt. Ich hoffe sehr, dass sie irgendwann ihr Baby<br />
wieder sehen kann.<br />
Glückliches Wiedersehen<br />
Nach diesem sehr traurigen Fall hatte ich am Abend ein fast entgegengesetztes Erlebnis. Eine<br />
junge Frau aus den Niederlanden rief auf meinem Diensthandy an, ich war schon zu Hause. Sie<br />
suchte nach sechs Jahren Trennung ihre Mutter und hoffte, sie in Deutschland, in Düsseldorf, zu<br />
finden. Ihr Vater hatte best<strong>im</strong>mt, dass die Mädchen (die Anruferin hat noch eine jüngere<br />
Schwester) in den Niederlanden be<strong>im</strong> Vater blieben, nachdem die Mutter damals nach Düsseldorf<br />
geflüchtet war (mehrere Aufenthalte in Frauenhäusern in den Niederlanden hatten nicht<br />
geholfen, der Mann hatte sie dort <strong>im</strong>mer wieder gefunden und fast tot geprügelt).<br />
Nach einigen Recherchen habe ich die Mutter gefunden, die sich natürlich sehr freute, dass ihre<br />
Tochter sie gesucht hat. Sie haben sich bald darauf getroffen und hoffen diesen Kontakt weiter<br />
ausbauen zu können.<br />
Nastaran<br />
Wir, unser Dolmetscher für Farsi und ich, wollten nach einem langen Beratungsnachmittag vom<br />
Schiff nach Hause gehen. Da kam noch ein Mann zu uns, er bat um Hilfe. Ich fragte ihn, was wir<br />
für ihn tun können. Er sagte, seine Tochter sei krank und sie bräuchte dringend einen Arzt. Ich<br />
sagte ihm, dass ich sofort ein Taxi bestellen werde und sie ins Krankenhaus gebracht wird. Der<br />
Mann fing an zu weinen. Es war eine Erlösung für ihn, dass er Hilfe bekam.<br />
Die Familie, seine Frau und die zwei Kinder, waren mit ihm aus Iran geflohen und schon mehrere<br />
Wochen unterwegs. Sie waren einen Tag vorher abends in Düsseldorf angekommen (von Istanbul<br />
nach Frankfurt geflogen, von dort mit dem Zug nach Köln und dann noch nach Düsseldorf), am<br />
Tag darauf um 6 Uhr geweckt worden, und sie sind nach dem Frühstück zum Bundesamt<br />
gebracht worden; dort verbrachten sie viele Stunden.<br />
Sie hatten in der Nacht kaum geschlafen, weil es der Tochter sehr schlecht ging. Die Familie war<br />
total erschöpft und hatte Angst vor der bevorstehenden Nacht. Nachdem ich das Taxi gerufen<br />
hatte, bin ich in das Z<strong>im</strong>mer gegangen, in dem die Familie unterbracht war. Ich erschrak<br />
furchtbar, als ich den Zustand der Tochter sah. Sie war völlig apathisch, bekam kaum Luft, es<br />
war einfach nur schrecklich. Das 11-jährige Mädchen, Nastaran, war schwerstbehindert, und die<br />
lange Flucht hatte ihren Zustand dramatisch verschl<strong>im</strong>mert.<br />
24<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“
Die Familie ist mit dem Dolmetscher ins Krankenhaus gefahren. Als ich anrief, sagte mir die<br />
behandelnde Ärztin, dass es ein absoluter Notfall ist und dass sie nicht davon ausgehen, dass das<br />
Mädchen die Nacht überleben wird. Sie wog bei der Einlieferung 9,6 kg und war in einem sehr<br />
schlechten körperlichen Zustand.<br />
Die Mutter durfte bei ihrer Tochter bleiben, der Vater ist mit seinem Sohn (6 Jahre alt) zurück<br />
zum Schiff gegangen. Diese Familie war viele Stunden <strong>im</strong> Bundesamt gewesen, waren mit Bus<br />
und Bahn unterwegs und NIEMAND hat sich um sie gekümmert, obwohl die Mutter das Kind die<br />
ganze Zeit getragen hat und es deutlich zu sehen war, dass die Kleine schwer krank war.<br />
Für mich persönlich ist eigentlich das Schrecklichste in diesem Fall, dass niemand geholfen hat.<br />
In was für einer Gesellschaft leben wir!<br />
Das Kind wurde <strong>im</strong> Krankenhaus liebevoll behandelt und betreut. Die Mutter war die ganze Zeit<br />
dabei und die Familie wurde von allen Mitarbeiter/innen unseres Referates sehr unterstützt.<br />
Daran waren viele Menschen beteiligt, DolmetscherIn, Sozialpädagogin, Beraterin (vor der<br />
Anhörung), Betreuung für den kleinen Bruder. Es gab viele Gespräche mit den verschiedensten<br />
Ärzten und Ärztinnen (in diesem Krankenhaus hatte man so einen Fall noch nicht erlebt), mit<br />
vielen Ämtern (die Familie sollte ursprünglich nach Nord-Deutschland).<br />
Die Familie durfte in Düsseldorf bleiben, eine Wohnung musste eingerichtet werden. Nach einigen<br />
Monaten durfte Nastaran das Krankenhaus verlassen. Sie hatte drei Kilo zugenommen! Es<br />
musste sehr viel organisiert werden, damit sie dort untergebracht werden konnte (Spezialbett,<br />
Rollstuhl, Pflege, besondere Ernährung usw.).<br />
Nach einigen Wochen wurde ich morgens, kurz nach sieben Uhr angerufen. Es war die Mutter,<br />
und sie weinte und schrie ins Telefon, ich habe sie erst gar nicht verstanden. Es kam dann ein<br />
Mann ans Telefon, und er erzählte mir, dass sie <strong>im</strong> Krankenhaus sind. Wir sind sofort dorthin<br />
gefahren. Nastaran war gestorben. Sie hat einen epileptischen Anfall gehabt. Der Vater hat bei<br />
der Feuerwehr angerufen, aber er dachte, dass sie ihn nicht verstanden haben. Die Familie ist in<br />
der Nacht mit dem Kind auf dem Arm, der kleine Bruder <strong>im</strong> Schlafanzug dabei, zum Krankenhaus<br />
gelaufen.<br />
Unterwegs ist Nastaran gestorben.<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Im Krankenhaus haben die Ärzte noch lange versucht, sie wieder zu beleben, aber es war zu<br />
spät. Ein Drama. In ein fremdes Land gekommen voller Hoffnung, und dann stirbt das geliebte<br />
Kind. Die Tage darauf wurden beherrscht von Trauer, aber auch von Entscheidungen und<br />
Organisation. Die Beerdigung sollte stattfinden. Aber wo?<br />
Sie konnten es in der He<strong>im</strong>at beerdigen lassen (bei einer freiwilligen Rückkehr!) oder mussten sie<br />
hier beerdigen lassen. Die Familie konnte aber nicht zurück, da der Vater in Iran in Gefahr ist.<br />
Die Bestattung wurde <strong>im</strong> Sinne der Familie geregelt, es fand eine moslemische Beerdigung statt.<br />
Die MitarbeiterInnen des Ev. Flüchtlingsreferates waren da, mehrere Krankenschwestern, eine<br />
Vertreterin des Sozialamtes. Wir haben uns hinterher noch zusammengesetzt und dadurch der<br />
Familie das Gefühl geben können, dass sie nicht allein ist. Mehrere evangelische Gemeinden<br />
haben uns finanziell und mit Anteilnahme enorm unterstützt.<br />
Die Familie wird weiterhin von uns unterstützt, damit sie den schweren Verlust nicht allein tragen<br />
muss.<br />
25
Kleine Hilfen<br />
Manchmal muss man bei der Arbeit Barrieren oder sich selbst überwinden.<br />
Eine Frau aus Irak war mit ihren drei kleinen Kindern auf dem Schiff. Ich hörte von dem<br />
Hausmeister, dass sie die Nacht <strong>im</strong> Aufenthaltsraum verbracht hatten, weil in ihrem Z<strong>im</strong>mer<br />
Tiere waren! Ich fragte bei ihr nach und auch sie war mit ihren Kräfte am Ende und konnte nur<br />
noch weinen. Nach einiger Zeit konnte ich sie trösten und beruhigen. Ich sagte, sie sollen mir die<br />
Tiere mal zeigen.<br />
Es waren sehr viele Spinnen in mehreren Größen, wirklich große Exemplare waren auch dabei!<br />
Meine Spinnenphobie (zuhause entfernen nur andere die Spinnen) musste ich überwinden, und<br />
ich verbrachte einige Zeit damit, die Tierchen einzufangen und hinaus zu befördern. Dem<br />
ältesten Sohn (10) zeigte ich, wie man am besten vorgeht, und er übernahm diese Tätigkeit.<br />
Auch so kann die Arbeit auf dem Schiff aussehen.<br />
Diese Frau brauchte natürlich zusätzlich andere Hilfe. Ihr Mann und ältester Sohn waren<br />
ebenfalls geflohen, aber in der Türkei ins Gefängnis geraten und von dort aus in Syrien gelandet.<br />
Sie machte und macht sich darüber große Sorgen, und es fällt ihr sehr schwer, die anderen drei<br />
Kinder zu versorgen. Sie lebt jetzt in der Nähe von Düsseldorf und wird weiter von uns betreut<br />
und beraten.<br />
Schwangere Frauen<br />
Vor einigen Wochen hatte eine noch junge Frau eine sehr schwere Geburt, das Baby musste<br />
wieder belebt werden und noch mehrere Wochen <strong>im</strong> Krankenhaus bleiben. Die Frau brauchte<br />
Hilfe. Dazu gehörten Krankenhausbesuche, Besorgung von Babykleidung und Kleidung für die<br />
Mutter, Gespräche mit Ärzten und Therapeuten.<br />
26<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
(Dieses Bild wurde von Nastarans kleinem Bruder Mohammad Jawad gemalt)
Sie sollte in Düsseldorf bleiben, damit die besondere und sehr aufwendige Pflege des Kindes<br />
gewährleistet ist. Dem Kind geht es jetzt gut, und die Mutter ist sehr dankbar, dass ihr von<br />
unserem Referat in ihrer schwierigen Situation geholfen wurde.<br />
Eine andere Mutter hatte ihr Kind bekommen und sollte sechs Tage später mit dem Zug nach<br />
München reisen. Es ging ihr noch nicht besonders gut. Sie durfte noch einen Tag länger in<br />
Düsseldorf bleiben, so dass ich noch genügend Zeit hatte, kurzfristig einen Kinderwagen zu<br />
besorgen. Für die Mutter eine große Erleichterung, bequemer mit Gepäck und Kind nach<br />
München zu reisen!<br />
Alleine sterben<br />
Die Sozialarbeiterin aus einem Krankenhaus in Düsseldorf rief bei uns <strong>im</strong> Büro an und erzählte<br />
von einer Frau aus Aserbaidschan, die schon zwei Wochen dort liege und fragte, ob wir uns nicht<br />
um sie kümmern können, da sie sich nicht mit ihr verständigen könne.<br />
Ich bin mit unserer Dolmetscherin ins Krankenhaus gefahren, und wir haben die Frau besucht,<br />
ihr Kleidung, Obst, Hygieneartikel und etwas Süßes gebracht. Sie hat sich sehr gefreut. Der Arzt<br />
kam dazu, und wir hatten eine längere Unterhaltung mit ihm und der Frau.<br />
Endlich konnte sie Fragen stellen und erzählen. Der Arzt sagte uns, dass sie sehr krank sei, aber<br />
mit Medikamenten könne man ihr helfen. Am nächsten Tag ist unsere Dolmetscherin noch mal<br />
bei ihr gewesen und hat ihr die Sachen gebracht, worum sie gebeten hatte, und sich für einen<br />
weiteren Besuch mit ihr verabredet.<br />
Ein paar Tage später rief man aus dem Krankenhaus an und sagte uns, dass die Frau nachts<br />
gestorben sei. Wieder ein trauriges Geschehen. Weit weg von der He<strong>im</strong>at und ganz allein. Wir<br />
haben auch für sie die Beerdigung mitorganisiert und einige Kolleginnen waren als Einzige bei der<br />
Bestattung.<br />
Mehr konnten wir für sie nicht tun. Sie hatte keine einzige Adresse oder einen Namen einer<br />
Person dabei, an die wir uns hätten wenden können. Wir konnten niemandem mitteilen, dass sie<br />
hier in Deutschland gestorben ist. Auf ihrem Grab haben wir ein Schild anbringen lassen mit<br />
ihrem Namen.<br />
Schwer verletztes, krankes Mädchen<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Ein Vater war mit seiner 11-jährigen Tochter auf der „Siesta“ angekommen. Sie kamen aus<br />
Aserbaidschan. Sie fielen mir sofort auf, weil beide sehr schlecht aussahen.<br />
Ich kam mit ihnen ins Gespräch und es stellte sich schnell heraus, dass sie eine furchtbare<br />
Geschichte erlebt hatten und die Tochter schwer erkrankt war. Es war sehr gut, dass an diesem<br />
Tag die Dolmetscherin da war und sie direkt ihre Geschichte erzählen konnten.<br />
Die Frau (41 Jahre) des Mannes und der Sohn (21 Jahre) wurden am Geburtstag der Frau beide<br />
umgebracht, sie sind erstochen worden. Die Tochter erlitt bei diesem Überfall schwerste<br />
Verletzungen, aber überlebte. Sie war mehrere Monate <strong>im</strong> Krankenhaus. Ihre Milz musste<br />
entfernt werden und sie wurde psychologisch betreut.<br />
Durch die Flucht nach Deutschland hat sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Ich<br />
konnte für das Mädchen einen sofortigen Termin bei einem Internisten bekommen. Ein<br />
Dolmetscher hat sie dahin begleitet. Die Anhörung des Vaters konnte um einige Tage verschoben<br />
werden, da es ihm psychisch und physisch sehr schlecht ging. Die Verlegung in eine andere Stadt<br />
27
wurde ebenfalls zurückgezogen. Sie konnten in Düsseldorf bleiben, damit die Tochter die<br />
ärztliche Betreuung bekommen konnte, die sie in diesem Moment dringend brauchte.<br />
Sie bekam mehrere Bluttransfusionen und andere ärztliche Behandlungen. Es stellte sich heraus,<br />
dass sie sich durch die vielen Bluttransfusionen in Aserbaidschan eine schwerwiegende Krankheit<br />
zugezogen hatte. Sie wird ihr ganzes Leben an den Folgen dieses Überfalls zu leiden haben.<br />
Mittlerweile geht es ihr körperlich etwas besser, sie geht in Düsseldorf zur Schule.<br />
Tschetschenin mit fünf Kindern<br />
Eine Frau aus Tschetschenien mit 5 Kindern war auf der „Siesta“ angekommen. Sie hatte Glück,<br />
dass eine Dolmetscherin da war, so konnten wir ihr und den Kindern direkt helfen.<br />
Am nächsten Tag wurde sie von einer Kollegin beraten. Die Anhörung war schon zwei Tage<br />
später. Dort ist sie vollkommen zusammengebrochen und die Entscheiderin des Bundesamtes rief<br />
uns <strong>im</strong> Büro an und bat um Unterstützung. Telefonisch wurde gemeinsam entschieden, dass es<br />
das Beste sei, die Frau in die Psychiatrie zu bringen.<br />
Ein Kind war bei ihr, die anderen 4 Kinder allein auf der „Siesta“. Eine Kollegin des<br />
Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge brachte die Frau in die Klinik und den Jungen zurück<br />
zum Schiff. Mit dem Jugendamt wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Kinder unterzubringen.<br />
Das Kinderhe<strong>im</strong> in Düsseldorf konnte keine fünf Kinder aufnehmen. Es sollte dann eine 24stündige<br />
Betreuung an Bord kommen. Auch dieses klappte nicht. Die Kinder mussten bis abends<br />
auf dem Schiff betreut werden, sie waren verängstigt und traurig, dass die Mama nicht<br />
wiederkam. Eine tschetschenische Familie hat die Kinder dann für die Zeit, die die Mutter in der<br />
Klinik verbracht hat, aufgenommen.<br />
28<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
(Leamas Bild von der He<strong>im</strong>at Aserbaidschan)
Nach vielem Hin und Her wurden die Kinder abgeholt, die Mutter in der Klinik weiter betreut und<br />
nach ihrer Entlassung aus der Klinik und dem Umzug in eine Wohnung in Düsseldorf tatkräftig<br />
unterstützt.<br />
Es war eine gute Zusammenarbeit mit vielen Behörden, zusammen konnten wir das Beste für die<br />
Familie leisten.<br />
Frau S.<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Das Flüchtlingsreferat wurde durch den Sozialdienst eines Krankenhauses in Düsseldorf<br />
angerufen und um Hilfe gebeten für eine russisch sprechende Frau, die dort für längere Zeit<br />
bleiben müsse.<br />
Ich besuchte mit einer Dolmetscherin die kranke Frau. Ich habe Kleidung (Nachthemd,<br />
Unterwäsche, Pantoffeln, Hygieneartikel, Handtücher und etwas Süßes) für sie mitgenommen.<br />
Wir waren beide erschüttert über den Zustand der Frau. Sie war sehr krank, obwohl erst dreißig<br />
Jahre alt, sah sie viel älter aus. Ihre Haare waren Büschelweise herausgerissen, sie war total<br />
abgemagert (wog nur noch knapp 40 kg). Ihr psychischer Zustand war dementsprechend.<br />
Nachdem wir einige Zeit bei ihr waren, erzählte sie uns, <strong>im</strong>mer wieder von heftigem Weinen<br />
unterbrochen, ihre Geschichte.<br />
Sie hatte in ihrer He<strong>im</strong>at Dagestan schreckliches durchlebt und wäre während der Flucht in<br />
einem Lastwagen fast erfroren. Sie konnten (es waren weitere sechs Personen <strong>im</strong> Auto) die<br />
ganzen Tage nichts trinken und essen, weil alles gefroren war. Sie mussten die ganze Zeit<br />
stehen, und da sie verletzt worden war, ist ihr das sehr schwer gefallen.<br />
Hier in Deutschland ist sie zusammengebrochen, und man hat sie in ein Krankenhaus gebracht.<br />
Sie muss jetzt <strong>im</strong>mer zur Dialyse, anfangs 5x in der Woche, später 3x.<br />
Ich habe mit ihrem behandelnden Arzt und der Sozialarbeiterin gesprochen, und wir haben<br />
Absprachen getroffen, wie wir die Frau am besten gemeinsam weiter betreuen konnten. Des<br />
Weiteren haben wir Frau S. zum Frauenarzt begleitet (<strong>im</strong> Krankenhaus), das war sehr<br />
emotional, weil sie dort erzählte, was ihr über zwei Jahre von Männern angetan worden war.<br />
Wir versprachen ihr wiederzukommen, und das war für sie schon eine Hilfe. Sie fühlte sich durch<br />
unseren Besuch viel besser.<br />
Wir haben sie öfter <strong>im</strong> Krankenhaus besucht, auch unsere Praktikantin war öfter da. Es wurde ein<br />
Asylantrag für sie gestellt. Die Beratung vor der Anhörung hat Frau te Heesen <strong>im</strong> Krankenhaus<br />
gemacht. Es fanden regelmäßig Gespräche mit dem Arzt und mit der Sozialarbeiterin vor Ort<br />
statt.<br />
Mit dem Sozialamt, Bundesamt und Unna-Massen (Umverteilung) wurde viel telefoniert. Wir, die<br />
Mitarbeiterinnen des Flüchtlingsreferates, hatten von ihr eine Vollmacht erhalten, z.B. Gespräche<br />
mit Ärzte und Pflegepersonal zu führen, Geld abzuholen be<strong>im</strong> Sozialamt, Anträge zu stellen usw.<br />
Die Anhörung fand nach vorheriger Absprache mit dem Arzt und der Einzelentscheiderin <strong>im</strong><br />
Krankenhaus statt. Ich war als Vertrauensperson dabei. Die Anhörung war sehr anstrengend für<br />
Frau S., sie wurde von der Einzelentscheiderin äußerst rücksichtsvoll durchgeführt.<br />
Frau S. sollte ursprünglich nach Lebach verteilt werden. Da sie eine besondere Dialyse braucht,<br />
konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Arzt und den zuständigen Behörden dafür sorgen, dass<br />
sie in Düsseldorf bleiben kann.<br />
Unsere Praktikantin und ich haben ihr neues Z<strong>im</strong>mer für sie hergerichtet. Das Z<strong>im</strong>mer ist nur mit<br />
einem Bett, Tisch, Stühle und Schrank versehen, sie brauchte also die Gegenstände, um dort<br />
29
überhaupt leben zu können: Bettwäsche, Töpfe, Geschirr, Besteck, Handtücher, Spülsachen,<br />
usw.<br />
Am nächsten Tag haben wir sie <strong>im</strong> Krankenhaus abgeholt und zum Bundesamt begleitet. Sie<br />
musste noch erkennungsdienstlich behandelt werden. Die Zuweisung in die Wohnung musste mit<br />
dem sozialen Dienst der Stadt geklärt werden. Es war eine Tortur für die Frau S., die Monate <strong>im</strong><br />
Bett verbracht hatte, dort stundenlang warten zu müssen.<br />
Die Sozialämter (BAMF und Stadt) arbeiteten sehr gut zusammen, so dass wir von Bundesamt<br />
aus direkt in ihre Wohnung fahren konnten. Die anderen Mitarbeiter <strong>im</strong> BAMF waren äußerst<br />
unfreundlich und unhöflich.<br />
Der Verwalter erwartete uns schon und half uns sehr zügig bei der Erledigung der Formalitäten.<br />
Er holte eine Nachbarin hinzu, die russisch spricht und die sich sofort bereit erklärte, Frau S. zu<br />
helfen. Die Nachbarin ist mit mir einkaufen gegangen, damit Frau S. für die ersten Tage versorgt<br />
war.<br />
Frau S. wird dre<strong>im</strong>al in der Woche mit einem Taxi zur Dialyse gebracht, dort wieder abgeholt und<br />
nach Hause gefahren. Der Taxifahrer spricht russisch und ist sehr nett, er bringt sie hoch, hat<br />
einmal etwas Suppe gekocht und sie geholfen mit dem essen, weil sie völlig hilflos war. Seine<br />
Frau hat für Frau S. eingekauft und sie besucht.<br />
Nach wenigen Wochen wurde Frau S. durch das Bundesamt nach § 60 Abs. 1 AufenthG<br />
anerkannt.<br />
Dieser „Fall“ war sehr aufwendig, arbeitsintensiv, psychisch belastend, aber es war sehr wichtig,<br />
dass wir Frau S. zur Seite stehen konnten.<br />
Diese Geschichten zeigen in etwa, mit welchen Nöten und Sorgen die Flüchtlinge in<br />
Deutschland ankommen. Da ich aus unserem Team die meiste Zeit auf dem Schiff<br />
verbringe und für die soziale Betreuung zuständig bin, begegnen mir als Erste diese<br />
unterstützungsbedürftigen Menschen.<br />
Das Jahr 2006 war für uns alle sehr emotional, da zwei Menschen verstorben sind, die<br />
wir in einem Fall sehr intensiv betreut haben. Ein kleines Mädchen und eine Frau sind<br />
fern von der He<strong>im</strong>at hier in Deutschland gestorben.<br />
Das Mädchen wurde durch Eltern, Krankenhauspersonal und viele andere liebevoll<br />
betreut. Die Frau aus Aserbaidschan war ganz allein, durch Zufall haben wir erfahren,<br />
dass sie <strong>im</strong> Krankenhaus liegt und wir konnten sie noch besuchen und sie mit schönen<br />
Sachen und Aufmerksamkeit versorgen. Sie war allein gekommen und ist allein<br />
gestorben. Das war für uns alle sehr traurig. Wir werden die beiden Verstorbenen <strong>im</strong><br />
Gedächtnis behalten.<br />
Sehr tief bewegt hat mich das Schicksal der jungen Frau aus Bangladesch, die ihr Baby<br />
auf der Flucht nicht mitnehmen durfte. Sie hatte keine Wahl, sie wollte ihre zwei<br />
anderen Kinder retten.<br />
Da stößt man an Grenzen. Wie kann man eine Mutter, die ein Baby, das noch gestillt<br />
wurde zurücklassen musste, trösten?<br />
Am gleichen Tag konnte ich der jungen Frau, die in den Niederlanden lebt, nach 6jähriger<br />
Trennung helfen, ihre Mutter zu finden. Sie haben sich mittlerweile getroffen,<br />
und das gibt mir Hoffnung, dass die Mutter aus Bangladesch ihr Kind auch irgendwann<br />
wieder sehen wird.<br />
30<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“
Die Bedeutung der sozialen Betreuung auf dem Schiff<br />
Die soziale Betreuung vor Ort war und ist ein wichtiges Element in der Flüchtlingsarbeit.<br />
Es waren täglich 40-100 Menschen auf dem Schiff, die <strong>im</strong> Regelfall dort nur ein paar<br />
Tage blieben. In diesen Tagen mussten sie einen Asylantrag stellen und <strong>im</strong> Rahmen der<br />
„erkennungsdienstlichen Behandlung“ ihre Fingerabdrücke abgeben, danach folgten die<br />
Anhörung und die Weiterverlegung an einen anderen Ort.<br />
Viele Flüchtlinge waren oft nur froh, dass sie irgendwo angekommen waren (sie haben<br />
meistens keinen Einfluss darauf, in welches europäische Land sie gebracht werden), wo<br />
sie sich sicher fühlen konnten. Sie hatten kaum noch Kraft und Initiative, die Anhörung<br />
zu überstehen. Diese Situation mussten wir versuchen zu ändern, sie ermutigen und<br />
stärken. Wir wollten ihnen bewusst machen, dass die Anhörung der wichtigste Teil <strong>im</strong><br />
Asylverfahren ist.<br />
Das Team des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates, da beziehe ich die KulturmittlerInnen<br />
ausdrücklich mit ein, versuchte so gut wie möglich, dieser Aufgabe gerecht zu werden.<br />
Mit der sozialen Betreuung fanden wir Kontakt zu den Flüchtlingen, erste Bedürfnisse<br />
wurden befriedigt, und dadurch wurde Vertrauen aufgebaut. Die Beratung war dadurch<br />
einfacher. Die Flüchtlinge fühlten, dass wir für sie da waren. Unser Ziel ist es, dass die<br />
AsylbewerberInnen ein gerechtes Verfahren durchlaufen können.<br />
Personen, die zur Anhörung <strong>im</strong> Bundesamt mussten und nach unserer Meinung<br />
Unterstützung brauchten, versuchte ich selbst zu begleiten. Durch die Mitarbeit von<br />
Praktikanten oder Praktikantinnen konnte ich diese zeitaufwendige Arbeit teilweise<br />
abgeben. Viele Asylsuchende hatten große Angst vor der Anhörung und fühlten sich<br />
sicherer, wenn wir als Beistand dabei waren.<br />
Besondere Flüchtlingsgruppen <strong>im</strong> Projekt<br />
Kranke und Behinderte:<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
Die Umstände auf dem Schiff haben sich etwas verändert. Es gibt jetzt ein Z<strong>im</strong>mer <strong>im</strong><br />
Parterre, das für kranke oder gehbehinderte Menschen frei gehalten wird. Dadurch hat<br />
sich das Hochtragen von Rollstühlen zum Glück erledigt. Es ist <strong>im</strong>mer noch schwer<br />
genug um als kranker Mensch, Rollstuhlfahrer oder Rollstuhlfahrerin auf dem Schiff<br />
untergebracht zu werden.<br />
Kinder:<br />
Die Kinder, die mit den Eltern<br />
mitkamen, versuchte ich <strong>im</strong>mer<br />
zu betreuen. Die Zahl der<br />
Kinder schwankte sehr,<br />
manchmal waren keine Kinder<br />
auf der „Siesta“, am nächsten<br />
Tag dann vielleicht 20. Dadurch<br />
konnte man diese Betreuung<br />
schwer vorausplanen. Sie<br />
waren dann auch nach ein paar<br />
Tagen wieder weg. So blieb mir<br />
nur, kurzfristige Spielangebote<br />
und Betreuung zu bieten damit<br />
die Eltern und die Kinder sich<br />
etwas erholen konnten.<br />
31
Jugendliche (minderjährige unbegleitete Flüchtlinge):<br />
Die Jugendlichen unter 18 Jahre, die allein nach Deutschland kamen, brauchten<br />
natürlich unsere Aufmerksamkeit. Einerseits sind sie in der BRD ab 16 Jahre selbst für<br />
das Asylverfahren verantwortlich, haben anderseits bis 18 Jahre Anspruch auf einen<br />
Vormund und auf eine jugendgemäße Unterbringung. Da besteht eine Diskrepanz.<br />
Leider konnten wir diese nicht ändern, sondern wir konnten nur versuchen, dass es den<br />
Jugendlichen hier soweit möglich gut ging und sie in den Orten, die nach Düsseldorf für<br />
sie zuständig waren, in Obhut des Jugendamtes kamen.<br />
Schwangere Frauen:<br />
Eine Gruppe der Schutzbedürftigen, die ich besonders intensiv betreute, waren die<br />
schwangeren Frauen. Es waren wöchentlich <strong>im</strong>mer mehrere auf dem Schiff, die meisten<br />
von ihnen aus afrikanischen Ländern. Viele hatten noch keine ärztliche Untersuchung<br />
gehabt, sie waren in keiner Weise auf die Geburt eines Kindes vorbereitet.<br />
Die meisten der schwangeren Frauen kommen aus Ghana oder Nigeria. Oft sind sie in<br />
den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft. Sie haben keine passende Kleidung, nichts<br />
für das Baby, das bald kommt.<br />
Wenn es nur einigermaßen möglich ist, werden sie von den Behörden so schnell wie<br />
möglich verlegt: oft in Orte, die ziemlich weit weg sind von Düsseldorf (Oldenburg, Jena,<br />
Eisenhüttenstadt, Karlsruhe, München). Meiner Meinung nach ist das in diesem Zustand<br />
eine Zumutung für die Frauen. Mit ärztlichen Attesten und Überzeugungskraft gelingt es<br />
uns manchmal, dass die Frauen in Düsseldorf entbinden können.<br />
Wenn mehrere hochschwangere Frauen gleichzeitig auf dem Schiff sind, können wir eine<br />
Hebamme kommen lassen. Das ist für die Frauen viel bequemer, sie brauchen dann<br />
nicht stundenlang in Arztpraxen zu sitzen (sie haben ja keinen Termin). Die Frauen<br />
fühlen sich versorgt und dadurch gut aufgehoben. Ich versuche, den werdenden Müttern<br />
Kleidung für die Zeit, die sie <strong>im</strong> Krankenhaus verbringen (Nachthemden, Unterwäsche,<br />
Handtücher), mitzugeben und Kleidung für die Babys. Bei Verlegung in andere<br />
Unterkünfte verständige ich die Kolleginnen vor Ort, damit sie dort weiter betreut<br />
werden.<br />
Wenn die Babys in Düsseldorf geboren werden, betreue ich die Mütter <strong>im</strong> Krankenhaus<br />
und nach ihrer Entlassung. Viele mussten ein paar Tage nach der Entbindung weiter<br />
reisen, z.B. nach München.<br />
Es gab mehrere Zwillingsgeburten, diese Frauen brauchten noch mehr Aufmerksamkeit,<br />
da sie oft (wenn sie noch nicht ärztlich untersucht worden waren) völlig überrascht<br />
waren und sich bei der Aufgabe, die vor ihnen lag, überfordert fühlten. Sie mussten erst<br />
mit dieser Situation vertraut gemacht werden.<br />
Als sehr positiv haben wir <strong>im</strong> vergangen Jahr die Mitarbeit und Unterstützung aus vielen<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinden, Gruppen, von einzelnen Personen und Firmen erfahren:<br />
• Wir bekamen zahlreiche Spenden für die Kleiderkammer.<br />
• Eine Gruppe strickte Mützen und Schals.<br />
• Zwei Frauen packten liebevoll Überraschungspäckchen für Babys, brachten<br />
Ostersachen, Nachthemden usw.<br />
• Es gab zwei wunderbare Benefizkonzerte, der Erlös war fantastisch.<br />
• Menschen feierten ihren Geburtstag und verzichteten auf Geschenke zugunsten<br />
der Flüchtlinge.<br />
• Die Firma Henkel war jederzeit bereit, uns mit Sachspenden zu unterstützen.<br />
32<br />
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“
EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />
• Zwei Frauen hatten eine wunderbare Idee, es wurden Päckchen für Weihnachten<br />
gepackt. Diese Frauen an<strong>im</strong>ierten viele Menschen in ihrer Umgebung<br />
mitzumachen, das Resultat war überwältigend und es gab Weihnachten viele<br />
glückliche Menschen auf der „Siesta“.<br />
• Wir bekamen Kollektengelder, es wurde auf Veranstaltungen Geld gesammelt und<br />
manchmal gingen Spenden auf dem Konto ein, die uns überraschten und sehr<br />
erfreuten (eine Gruppe von Jugendlichen sammelte spontan für die Flüchtlinge,<br />
als Frau Superintendentin Menzfeld-Tress bei einem Schulgottesdienst über ihre<br />
Situation berichtet hatte).<br />
• Das „Nostalgiecafé“ der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath stiftete den Erlös ihres<br />
Kuchenverkaufes für das Schiffsprojekt.<br />
Die Hilfe für die Flüchtlinge durch das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat war auch <strong>im</strong> Jahr<br />
2006 eine dringend notwendige Aufgabe, die wir als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
sehr gerne machen, und durch die finanzielle und „geistige“ Unterstützung fällt uns<br />
vieles leichter.<br />
Vielen, vielen Dank an alle, die diese Arbeit unterstützen.<br />
33
Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren (von Miguel Temprano)<br />
DAS FLUGHAFENVERFAHREN<br />
Das Flughafenverfahren nach § 18a AsylVfG ist ein extrem schnelles Verfahren. Für<br />
Personen, die bei der Bundespolizei auf dem Flughafen um Asyl nachsuchen, wird das<br />
Asylverfahren vor der Einreise durchgeführt. So wird es gewährleistet, dass bei einem<br />
perspektivenlosen Asylantrag das Verfahren schnell abgewickelt wird und ein<br />
Asylsuchender nach Ablehnung des Antrags schnell in das Herkunftsland<br />
zurückgewiesen wird. In das Flughafenverfahren kommen Menschen, die ohne gültige<br />
Papiere ins Bundesgebiet einreisen und/oder aus sicheren Herkunftsstaaten kommen.<br />
Dies sind solche Staaten, bei denen man aufgrund der allgemeinen politischen<br />
Verhältnisse davon ausgeht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche<br />
oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.<br />
Ankunft, erste Befragung und Unterbringung<br />
Die Flüchtlinge, die als „illegal Einreisende“ oder Asylsuchende fest genommen werden,<br />
werden erst einmal von der Bundespolizei befragt. Wenn sie den Wunsch äußern, einen<br />
Asylantrag zu stellen, werden sie in den Transitbereich des Flughafens (Container)<br />
gebracht.<br />
Diesen Bereich dürfen die Flüchtlinge nicht verlassen. Das Gelände ist umzäunt und wird<br />
von Mitarbeitern einer privaten Sicherheitsfirma (SIBA) 24 Stunden bewacht. Die<br />
Flüchtlinge werden von Mitarbeitenden der Firma European Homecare (EHC) betreut.<br />
EHC ist für die Unterbringung der Flüchtlinge und die Versorgung mit Lebensmitteln,<br />
Kleidung und Hygieneartikeln zuständig.<br />
1. Vor der Anhörung<br />
34<br />
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />
Im Flughafenverfahren wird also die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland<br />
entweder gestattet oder verweigert. Aufgrund der extrem kurzen Fristen und der<br />
besonderen Belastungssituation <strong>im</strong> Flughafencontainer werden die Flüchtlinge<br />
während des gesamten Verfahrens durch den/die Verfahrensberater/in begleitet.<br />
Er/sie n<strong>im</strong>mt Kontakt mit den Flüchtlingen auf, informiert über den Ablauf des<br />
Flughafenverfahrens und über die Bedeutung der Anhörung.<br />
Wichtig neben der Weitergabe von Informationen zum Flughafenverfahren ist die<br />
Clearingfunktion der Verfahrensberatung. Im Rahmen der Beratung prüfen wir, ob<br />
der Flüchtling beispielsweise krank oder sehr erschöpft ist oder schon <strong>im</strong> Vorfeld<br />
Hinweise auf eine Traumatisierung, schwere Krankheiten oder geschlechtsspezifische<br />
Verfolgung gegeben werden. In solchen Fällen informieren wir die/ den jeweils<br />
zuständige/n Sachbearbeiter/in Asyl über die Besonderheiten, die uns in dem<br />
jeweiligen Fall aufgefallen sind.<br />
2. Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)<br />
Innerhalb von 48 Stunden nach der Befragung durch die Bundespolizei werden die<br />
Flüchtlinge von einer/m Sachbearbeiter/in Asyl der Düsseldorfer Außenstelle des<br />
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu ihren Asylgründen angehört. Bei jeder<br />
Anhörung ist ein/e Verfahrensberater/in als Beistand anwesend.
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />
Nach der Anhörung wird das Ergebnis der Entscheidung direkt dem Antragstellter<br />
mitgeteilt.<br />
Bei einer positiven Entscheidung wird dem Flüchtling die Einreise ins Bundesgebiet<br />
gestattet. Das bedeutet keine Annerkennung, sondern nur, dass sie ihr reguläres<br />
Asylverfahren durchlaufen können. Die/der Berater/in erklärt dann den weiteren<br />
Verlauf des Asylverfahrens, bleibt in Kontakt mit dem Flüchtling und ggf. mit dessen<br />
Angehörigen und n<strong>im</strong>mt Kontakt mit einer Beratungsstelle am Zuweisungsort auf.<br />
Eine negative Entscheidung würde bedeuten, dass dem Flüchtling die Einreise ins<br />
Bundesgebiet verweigert wird. Zu diesem Schluss kommen die Sachbearbeiter/innen<br />
Asyl meist dann, wenn sie denken oder glauben, dass der Flüchtling keinerlei<br />
asylrelevante Gründe hat oder dies nicht glaubhaft machen konnte. Dann nehmen<br />
wir bei Bedarf Kontakt mit einem Rechtsberater, mit einer psychosozialen Betreuung<br />
oder zu Angehörigen <strong>im</strong> Herkunftsland auf.<br />
3. Nach der Anhörung; Bescheidzustellung<br />
Besonders in dieser Phase ist es sehr wichtig, die Flüchtlinge mit der negativen<br />
Entscheidung nicht alleine zu lassen. Ohnmachtsgefühle bis hin zu Suizidgedanken<br />
können vorkommen.<br />
Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Verfahrensberaterin Kontakt mit dem/der Rechtsberater/in<br />
auf. Diese/r kommt dann meist am Tag der Bescheidzustellung zum Container und<br />
berät die Flüchtlinge.<br />
Die BAMF-Entscheidung wird dann zusammen mit der Einreiseverweigerung durch<br />
die Bundespolizei zugestellt. Der Flüchtling hat das Recht auf eine Beratung durch<br />
einen Anwalt. Die Kosten werden vom BAMF übernommen. Nach der Rechtsberatung<br />
hat der Flüchtling 3 Tage Zeit, einen Antrag auf Gewährung vorläufigen<br />
Rechtsschutzes be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf zu stellen.<br />
Das Verwaltungsgericht entscheidet innerhalb von max<strong>im</strong>al 14 Tagen über den<br />
Antrag.<br />
Wesentliche Aufgaben der Verfahrensberatung am Flughafen<br />
zusammengefasst:<br />
• Verfahrensberatung: Ablauf des Flughafenverfahrens und die Bedeutung der<br />
Anhörung<br />
• Sozialer Beistand, Gespräche zur Stützung und Stabilisierung<br />
• Clearingfunktion: Auf Besonderheiten des Flüchtlings achten und diese<br />
gegebenenfalls dem Sachbearbeiter Asyl weitergeben, z.B. Verdacht auf<br />
Krankheit, Traumatisierung etc.<br />
• Kontaktaufnahme mit dem Rechtsanwalt<br />
• Kontaktaufnahme mit Ärzten oder anderen Beratungsstellen<br />
• In Fällen von Krankenhausaufenthalt Kontaktaufnahme mit dem Krankenhaus-<br />
Sozialdienst und Krankenhausbesuch<br />
• Kontakt zu Bundesamt, Bundespolizei und Verwaltungsgericht<br />
• In Einzelfällen (bei Einreisegestattung) Begleitung zur Erstaufnahmeeinrichtung<br />
(Hotelschiff Siesta)<br />
• Telefonische Betreuung und Beratung der Familie/Verwandten<br />
• In Einzelfällen Kontakt mit Flüchtlingsorganisationen <strong>im</strong> Herkunftsland<br />
• Recherche über das Herkunftsland und Weitergabe der Informationen an<br />
Rechtsanwalt<br />
35
Problembereiche des Flughafenverfahrens <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
Viele Flüchtlinge denken, dass die Befragung durch die Bundespolizei bereits die<br />
Anhörung zu ihren Asylgründen ist. Sie sind misstrauisch und haben Angst vor den<br />
uniformierten Bundespolizei-Beamten. Manchmal können sie sich später in der Anhörung<br />
nicht richtig erinnern, was sie den Bundespolizei-Beamten geschildert haben und<br />
verstehen nicht, warum teilweise die gleichen Fragen beantwortet werden müssen.<br />
36<br />
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />
(Blick durch das vergitterte Tor aus der Perspektive der Flüchtlinge)<br />
Meist erleben wir die<br />
Flüchtlinge in der<br />
Beratung sehr müde,<br />
verwirrt und<br />
misstrauisch. Es ist sehr<br />
schwierig, in der kurzen<br />
Zeit des Verfahrens das<br />
Vertrauen der<br />
Flüchtlinge zu gewinnen.<br />
Das Flughafenverfahren<br />
stellt für die Flüchtlinge<br />
eine Extremsituation<br />
dar, und dadurch ist mit<br />
Konfliktpotential zu<br />
rechnen.<br />
Der Umgang mit den Beamten der Bundespolizei ist für die Flüchtlinge oft schwierig<br />
oder sehr verwirrend. Die Flüchtlinge haben den Eindruck, dass die Polizeibeamten sie<br />
als Kr<strong>im</strong>inelle behandeln und eher wenig Rücksicht auf ihre Schicksale nehmen.<br />
Die Informationen innerhalb der Bundespolizei werden intern oft unzureichend<br />
weitergeleitet. So kommt es häufig vor, dass die Beamten bei Schichtwechsel ihre<br />
Kollegen nicht genau darüber informieren, was<br />
bereits geschehen ist und was noch zu tun ist. Besonders bei Einreiseverweigerungen<br />
kommt es dann vor, dass keine oder die falschen Unterlagen mitgebracht werden, so<br />
dass sich die Termine verzögern, oder dass Dolmetscher doppelt bestellt werden.<br />
In manchen Fällen mussten wir den – oft jungen und unerfahrenen – Bundespolizei-<br />
Beamten gemeinsam mit der/dem Sachbearbeiter/in Asyl des Bundesamtes den Ablauf<br />
des Verfahrens erklären.<br />
Nach der Landung und Festnahme wird den Flüchtlingen von der Bundespolizei nicht<br />
erlaubt zu telefonieren. Nachdem sie in Deutschland angekommen sind, wollen sie oft<br />
mit ihren Familien Kontakt aufnehmen und ihnen Bescheid sagen, einfach dass sie<br />
angekommen sind. Leider ermöglichen die Bundespolizei-Beamten ihnen dies nicht,<br />
obwohl die Asylsuchenden ein Recht darauf haben, wenigstens einmal bei ihren<br />
Angehörigen anzurufen.<br />
Auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr gab es wieder Probleme mit der Einlegung von Rechtsmitteln<br />
nach der Einreiseverweigerung. Obwohl der Flüchtling laut Gesetz 3 Tage Zeit hat zu<br />
entscheiden, ob er gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen möchte, verlangten<br />
die Beamten der Bundespolizei in mehreren Fällen, dass die Asylsuchenden direkt am
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />
Tag der Bescheidzustellung einen Vordruck unterschreiben sollten, ob sie Rechtsmittel<br />
einlegen oder nicht.<br />
Dadurch entsteht folgendes Problem: Der unterschriebene Vordruck wird zum<br />
Verwaltungsgericht geschickt, und das Gericht sieht, dass Rechtsmittel eingelegt wurde,<br />
jedoch ohne Rechtsanwalt und ohne Klagebegründung. Das Verwaltungsgericht kann<br />
dann sofort die Klage ablehnen.<br />
Dies ist seit einigen Jahren <strong>im</strong>mer wieder ein Problem! Wir hatten es schon mehrfach<br />
angesprochen und nahmen einige Male mit dem zuständigen Dienstgruppenleiter der<br />
Bundespolizei Kontakt auf.<br />
Im vergangenen Jahr gab es vier solcher Vorfälle. In zwei Fällen haben wir zu spät<br />
davon erfahren, da die betreffenden Personen die Unterlagen <strong>im</strong> Gebäude der<br />
Bundespolizei vorgelegt bekamen, als niemand von der Verfahrensberatung anwesend<br />
war.<br />
In einem Fall konnte der Rechtsanwalt in letzter Minute verhindern, dass ein Fehler<br />
passierte – beinahe wäre der Flüchtling schon zurückgewiesen worden! -, und <strong>im</strong> vierten<br />
Fall habe ich dem zuständigen Polizeibeamten deutlich erklärt, dass der Flüchtling erst<br />
eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen könne und dann erst entscheiden müsse, ob<br />
er Rechtsmittel einlegen möchte oder nicht.<br />
Daher ist es für uns besonders wichtig, die Flüchtlinge <strong>im</strong> ganzen Flughafenverfahren<br />
intensiv zu betreuen und zu begleiten und genau auf den korrekten Verfahrensablauf zu<br />
achten.<br />
Bei manchen Anhörungen es ist vorgekommen, dass die Qualität des Dolmetschers<br />
unzureichend war. Die Rolle des Dolmetschers ist <strong>im</strong> Flughafenverfahren von enormer<br />
Relevanz. Sie sind nicht nur Vermittler einer Sprache, sondern können mit der Art und<br />
Weise ihrer Übersetzung den Verlauf der Befragung beeinflussen. Manchmal werden als<br />
Notlösung von Seiten des Bundesamtes Dolmetscher/innen bestellt, die die Sprache, auf<br />
der die Anhörung durchgeführt wird, nicht perfekt beherrschen. Es passiert aber auch,<br />
dass selbst dann, wenn Dolmetscher/in und Flüchtling die gleiche Sprache sprechen und<br />
aus dem gleichen Land kommen, eine aggressive Körpersprache oder Reaktionen des<br />
Dolmetschers zu Verwirrung und Nervosität des Flüchtlings führen. Eine ruhige<br />
Anhörung und korrekte Haltung des Sachbearbeiters Asyl und des Dolmetschers ist auf<br />
jeden Fall nötig. Leider geschieht das aber nicht <strong>im</strong>mer. Im regelmäßigen Kontakten mit<br />
Beamten des Bundesamtes versuchen wir <strong>im</strong>mer wieder, darauf aufmerksam zu machen<br />
und zu empfehlen, dass gerade für das Flughafenverfahren professionelle gute<br />
Dolmetscher quasi Pflicht sein sollten.<br />
Auch die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge ist oft problematisch. Meist werden<br />
die Flüchtlinge in das Krankenhaus der Kaiserwerther Diakonie gebracht, weil es sich in<br />
der Nähe des Flughafens befindet. Nachdem es in der Vergangenheit einige Male<br />
vorgekommen ist, dass Flüchtlinge bei gesundheitlichen Beschwerden als S<strong>im</strong>ulanten<br />
eingestuft oder –aufgrund der Bewachung durch Polizisten- vom Krankenhauspersonal<br />
für Straftäter gehalten wurden, organisierten wir gemeinsam mit dem DW <strong>Rheinland</strong><br />
eine Fortbildungsveranstaltung in diesem Krankenhaus (s. auch Öffentlichkeitsarbeit).<br />
Zusammen mit dem Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf und der<br />
Abschiebungsbeobachtung haben wir zur Problematik der kranken und traumatisierten<br />
Flüchtlinge Stellung genommen. Das Ziel dieser Fortbildungsveranstaltung war die<br />
Sensibilisierung der Ärzte, Ärztinnen, Schwestern und Pfleger für die Probleme der<br />
Flüchtlinge, die sich <strong>im</strong> Flughafenverfahren befinden.<br />
37
Damit Sie sich ein Besseres Bild von unserer Arbeit am Flughafen machen können, hier<br />
2 Fallbeispiele:<br />
Fallbeispiel 1:<br />
Ein Mann aus Iran wurde aufgrund gefälschter <strong>Dokument</strong>e bei der Einreisekontrolle von<br />
den Beamten der Bundespolizei fest genommen. Er leidet unter Depressionen. Er<br />
berichtete, seine Familie sei <strong>im</strong>mer politisch aktiv gewesen, sein Vater und Bruder seien<br />
aufgrund von politischen Aktivitäten von der Regierung bzw. während der Revolution<br />
verhaftet worden. Unter diesen Umständen und dem ständigen politischen und sozialen<br />
Druck seien seine psychologischen Probleme <strong>im</strong>mer akuter geworden. Nachdem er<br />
mehrere Selbstmordversuche hinter sich hatte, sei es ihm empfohlen worden, nach<br />
langer intensiver psychologischer Behandlung das Land zu verlassen. So hat er Kontakt<br />
zu einem Schlepper, der für ihn falsche Papiere für Deutschland besorgte,<br />
aufgenommen. Er wollte aber eigentlich nach Belgien, wo er einen politisch sehr aktiven<br />
Mann kannte, der ihm Hilfe versprochen hat.<br />
Der Sachbearbeiter Asyl hielt seine Gründe zwar für bedauerlich, aber nicht für<br />
asylrelevant. Depressionen seien in Iran behandelbar, die ärztlichen Empfehlungen nicht<br />
aussagekräftig genug und die politischen Probleme ganz normal <strong>im</strong> Iran. Seine Einreise<br />
wurde nicht gestattet. Sein Anwalt hat dagegen Rechtsmittel be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht<br />
eingelegt.<br />
Während seines Aufenthalts <strong>im</strong> Asylcontainer war er psychisch sehr angeschlagen. Er<br />
sprach <strong>im</strong>mer wieder von suizidalen Gedanken. Er hatte offensichtlich auch physische<br />
Probleme, sprach aber nicht darüber. Nachdem wir mehrmals fragten, ob es ihm<br />
körperlich gut gehe, gab er zu, dass er Magenprobleme hatte und deswegen nichts<br />
essen könne. Nach einer Magenspiegelung wurde bei ihm eine Magenblutung<br />
diagnostiziert. Sein psychischer Zustand verschlechterte sich deutlich, und er drohte<br />
explizit mit einem erneuten Selbstmordversuch. Nach einer fachlichen Betreuung und<br />
einem Clearinggespräch wurde er auf der psychiatrischen Station des Diakonie-<br />
Krankenhauses Kaiserswerth aufgenommen.<br />
Seine Klage wurde abgelehnt, aber fast gleichzeitig kamen weitere Ergebnisse von der<br />
Magenspiegelung. Er hatte auch eine bakterielle Infektion und benötigte dafür<br />
Medikamente. Am nächsten Tag wurde ihm mitgeteilt, dass er aufgrund der extremen<br />
belastenden Situation nach Verlassen der Psychiatrie doch nach Deutschland einreisen<br />
durfte.<br />
Fallbeispiel 2:<br />
Ein Minderjähriger aus Sri Lanka wurde aufgrund gefälschter <strong>Dokument</strong>e bei der<br />
Einreisekontrolle von den Beamten der Bundespolizei ertappt. Daraufhin sprach er sein<br />
Asylgesuch aus und kam somit ins Flughafenverfahren. Während seiner Anhörung zeigte<br />
sich der junge Mann sehr zurückhaltend. Den ersten Teil der Befragung schaffte er<br />
relativ problemlos, aber sobald es um seine Asylgründe ging, brach er fast zusammen.<br />
Seine mehrmonatige Flucht nach Deutschland aus einer lebensgefährlichen Verfolgung in<br />
seinem He<strong>im</strong>atland war für ihn extrem belastend, dadurch war sein psychischer Zustand<br />
sehr labil geworden. Er war kaum in der Lage, über seine belastenden Erfahrungen zu<br />
sprechen. Der Sachbearbeiter Asyl sah dies als Hinweis auf seine Glaubwürdigkeit an<br />
und hielt es für notwendig, dass eine zweite Anhörung zu einem späteren Zeitpunkt<br />
durchgeführt würde. Die Einreise des jungen Mannes wurde gestattet.<br />
Dieser Fall war ein klassisches Beispiel dafür, dass sich unsere Aufgabe nicht nur auf das<br />
reine Flughafenverfahren begrenzt, sondern dass eine weitere Betreuung des Flüchtlings<br />
benötigt wird. Wir hielten Kontakt mit dem Sachbearbeiter Asyl, um so erfahren zu<br />
können, wie der Fall <strong>im</strong> Bundesamt weiter verlief. Wir kontaktierten die Familie des<br />
38<br />
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren
Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />
jungen Mannes, sodass sie wussten wo er sich befindet und ihn besuchen bzw. abholen<br />
konnten. Wir empfahlen der Familie, die Vormundschaft des jungen Mannes zu<br />
übernehmen. Er wurde von uns zum Schiff und am nächsten Tag zur Zentralen<br />
Ausländerbehörde begleitet. Außerdem, insbesondere aufgrund der Bedingungen des<br />
Fluchtweges nach Deutschland, nahmen wir Kontakt mit einem Arzt auf mit der Bitte um<br />
allgemeine Untersuchung, und aufgrund seines psychologischen Zustandes mit dem<br />
psychosozialen Zentrum, mit der Bitte um psychologische Betreuung.<br />
Der junge Mann wurde ein zweites Mal angehört und seine Familie übernahm seine<br />
Vormundschaft, er befindet sich unter psychologischer Betreuung und wartet auf die<br />
endgültige Entscheidung vom Bundesamt.<br />
Statistik <strong>im</strong> Flughafenverfahren<br />
Am Flughafen Düsseldorf haben <strong>im</strong> Jahr 2006 insgesamt 59 Personen das<br />
Flughafenverfahren durchlaufen.<br />
Personen insgesamt 59<br />
Fälle 54<br />
Einreisegestattung 35<br />
Einreiseverweigerung 19<br />
Die Flüchtlinge kamen aus folgenden Herkunftsländern:<br />
Türkei 23<br />
Pakistan 10<br />
Afghanistan 7<br />
Irak 5<br />
Sri Lanka 3<br />
Äthiopien 2<br />
Iran 2<br />
Kuba 1<br />
Ghana 1<br />
Trotz der geringeren Kapazitäten (Reduktion der Stelle von ½ auf ¼) hat das<br />
<strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat in allen (59) Fällen die Asylsuchenden <strong>im</strong><br />
Flughafenverfahren betreut. Da der Beratungsaufwand oftmals höher war als der<br />
Stundenumfang, mussten die Kolleginnen aus der regulären Verfahrensberatung in<br />
einigen Fällen die Vertretung übernehmen.<br />
Eine Bereitschaft wurde an 250 Werktagen und 10 Feier- und Wochenenden von uns<br />
vorgehalten.<br />
39
Rückkehrberatung (von Birgül Kahraman)<br />
Seit Mai 2005 hat sich unser Beratungsangebot um den Schwerpunkt der<br />
Rückkehrberatung erweitert, die in die Verfahrensberatung integriert bzw. eng an diese<br />
angebunden ist.<br />
Oberste Prinzipien unserer Rückkehrberatung sind die Freiwilligkeit und<br />
Ergebnisoffenheit.<br />
Wichtig dabei ist:<br />
• Im Rahmen der Rückkehrberatung werden die Aspekte einer Ausreise genauso<br />
sorgfältig wie innerhalb der Verfahrensberatung die Aspekte des Bleiberechtes<br />
offen angesprochen.<br />
• Es finden intensive Gespräche zur Entscheidungsfindung statt. Die Flüchtlinge<br />
sollen sich nicht gedrängt fühlen und können sich Zeit lassen.<br />
• Die Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland werden ausgelotet und Kontakte zu Projekten,<br />
Nichtregierungsorganisationen und <strong>Kirche</strong>n <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland aufgenommen.<br />
• Erst wenn alle Aspekte (aufenthaltsrechtliche Perspektiven hier sowie<br />
Möglichkeiten zur Existenzsicherung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland) ausgelotet sind und nur<br />
dann, wenn die Person sich bewusst zu einer Ausreise entschieden hat, beginnen<br />
wir mit der konkreten Vorbereitung und Organisation der Ausreise.<br />
Beschreibung der Rückkehrberatung<br />
In den Fällen, in denen Flüchtlinge sich von sich aus an das <strong>Evangelische</strong><br />
Flüchtlingsreferat wenden, weil sie ausreisen wollen oder sich mit dem Thema der<br />
Ausreise auseinandersetzen möchten, werden sie an den/die Mitarbeiter/in der<br />
Rückkehrberatung verwiesen. Diese/r vereinbart sofort einen Besprechungstermin in<br />
unserem Hause.<br />
Das erste Gespräch ist ein informatives Gespräch. Es werden alle notwendigen<br />
Informationen gesammelt und die Ressourcen geprüft. Dazu gehören persönliche,<br />
psychosoziale und finanzielle Ressourcen.<br />
Bei Flüchtlingen, die aus äußeren Anlässen sehr zügig zurückkehren wollten, beginnt<br />
sofort die konkrete Organisation der Ausreise.<br />
Diese Personen befanden sich <strong>im</strong> vergangenen Jahr meist <strong>im</strong> Anfangsstadium des<br />
Asylverfahrens und waren noch in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht oder sie<br />
befanden sich <strong>im</strong> laufenden Verfahren. Zu den äußeren Anlässen gehörten insbesondere<br />
familiäre Ereignisse wie Tod oder Krankheit naher Angehöriger.<br />
In der Anfangsphase des Asylverfahrens kam das Thema freiwillige Rückkehr am<br />
häufigsten zur Sprache. Gerade zu Beginn des Verfahrens standen bei den<br />
Ratsuchenden zum Thema Rückkehr Enttäuschungen und Ängste <strong>im</strong> Mittelpunkt der<br />
Gefühle. Meist waren den Flüchtlingen von den Schleppern und Verwandten/Bekannten<br />
falsche Hoffnungen und Vorstellungen gemacht worden.<br />
40<br />
Rückkehrberatung
Rückkehrberatung<br />
Nach negativ<br />
abgeschlossenem<br />
Asylverfahren stehen<br />
die Flüchtlinge unter<br />
dem Druck der<br />
Ausreiseverspflichtung.<br />
In diesem Stadium ist<br />
es besonders wichtig,<br />
die negativen Gefühle<br />
wie Ängste, Trauer und<br />
Sorge um die Zukunft<br />
aufzugreifen und diese<br />
auch ernst zu nehmen.<br />
Die Rückkehrberaterin<br />
begleitet und<br />
unterstützt die<br />
Flüchtlinge in jedem<br />
Stadium des<br />
Asylverfahrens und auch bei den aktiven Vorbereitungen einer freiwilligen Ausreise.<br />
Zu den Vorbereitungen gehören unter anderem diese Aufgaben bzw.<br />
Arbeitsschritte:<br />
• Kontakt mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Rücknahme des<br />
Asylantrages)<br />
• Kontakt mit der Zentralen Ausländerbehörde oder kommunalen Ausländerbehörde<br />
(Ausstellung der Reisepapiere und Grenzübertrittbescheinigung)<br />
• Kontakt zur zuständigen Botschaft<br />
• Kontakt zum zuständigen Sozialamt<br />
• Kontakt mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) , Ausfüllen und<br />
Weiterleitung der REAG/GARP-Anträge<br />
• Kontakt mit der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung<br />
(ZIRF)<br />
• Recherche über weitere Unterstützungsmöglichkeiten in Deutschland oder <strong>im</strong><br />
He<strong>im</strong>atland<br />
• Kontakt mit der Zentralen Arbeitsvermittlung (ZAV)<br />
• Kontakt mit der Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte <strong>im</strong> Bereich der<br />
Migration und der Entwicklungszusammenarbeit (AGEF)<br />
• Kontakt zum Gesundheitsamt z.B. bei ärztlichen Begleitungen<br />
• Kontakt zum medizinischen Logistik-Netzwerk MELONET in Bonn<br />
• Kontakt zur Ärzten/Psychiatern und Begleitpersonen<br />
• Kontakte zu Krankenhäusern<br />
• Kontakte mit verschiedenen Fluggesellschaften, insbesondere Lufthansa<br />
• Kontakt zu anderen bundesweiten Rückkehrprojekten wie z.B. „He<strong>im</strong>atgarten“<br />
oder „Coming Home“<br />
• Kontakt und Austausch mit Rückkehrberatungsstellen in NRW<br />
• Kontakte/Recherche bei Amnesty International, Solwodi, anderen NGO’s<br />
• Kontakte zu <strong>Kirche</strong>ngemeinden in den Herkunftsländern<br />
• Recherche über die jeweiligen Herkunftsländer<br />
41
Besondere Entwicklungen <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
1. Rückkehrbudget<br />
Unsere Netzwerke und Kontakte haben sich seit Mai 2005 erweitert (siehe oben).<br />
Die landesgeförderten Rückkehrberatungsstellen haben vom Land NRW für das Jahr<br />
2006 einen Zuschuss von 20.000 Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Aus diesem<br />
Budget können pro Person max<strong>im</strong>al 500 Euro bzw. pro Familie 1.000 Euro verausgabt<br />
werden.<br />
Wir können diese Mittel aber nicht sofort auszahlen, sondern es muss zuvor eine<br />
Absprache mit der Bezirksregierung getroffen und abgeklärt werden, ob das Geld für<br />
den gewünschten Zweck ausgegeben werden darf.<br />
Zudem müssen wir sicherstellen, dass das Geld auch tatsächlich für den vorgesehenen<br />
Zweck <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland eingesetzt wird; dies muss nachgewiesen und dokumentiert<br />
werden.<br />
Die Mittel sind ausschließlich<br />
a) für den Transport bzw. Erwerb von Hausrat (auch Übergepäck)<br />
b) und / oder für Arbeitsgeräte zur beruflichen Wiedereingliederung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />
c) und / oder für dringend benötigte medizinische Hilfsmittel (jedoch keine<br />
Medikamente)<br />
zu verwenden.<br />
Durch diese Mittel konnten wir einigen Menschen zusätzliche finanzielle Hilfe anbieten,<br />
die ihnen den Neuanfang in ihrem Herkunftsland erleichterte. Das Budget wird es auch<br />
<strong>im</strong> nächsten Jahr geben.<br />
2. Krankheitsfälle<br />
Eine besondere Problematik stellten in diesem Jahr gehäufte Fälle von besonders<br />
schutzbedürftigen Rückkehrern dar. Es handelte sich um kranke und psychisch kranke<br />
Personen, die nicht ohne weiteres alleine reisen konnten. In diesen Fällen war die<br />
Rückkehrberatung noch zeitintensiver, weil einfach viele Punkte geklärt werden<br />
mussten, vor allem, ob die Person ärztlich begleitet werden musste und wer dafür die<br />
Kosten übernahm.<br />
In diese Fällen haben wir mit dem medizinischen Logistik-Netzwerk Melonet<br />
zusammengearbeitet: Melonet organisiert ärztliche Begleitungen bei freiwilliger<br />
Rückkehr.<br />
In einigen der Fälle haben wir unsere Klient/innen bis zum Ablugflughafen begleitet, weil<br />
sie aufgrund ihrer Krankheit nicht in der Lage waren, alleine dorthin zu gelangen. Dabei<br />
wurden wir unterstützt von unseren Sprach- und Kulturmittler/innen, die auch bei<br />
Beratungsgesprächen übersetzten und ebenso wie in der Verfahrensberatung wesentlich<br />
zum Vertrauensaufbau beitrugen.<br />
42<br />
Rückkehrberatung
Ergebnisse aus der Rückkehrberatung <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
Unsere Erfahrungen haben uns deutlich gezeigt, dass Menschen, die sich gedanklich mit<br />
der Rückkehr in ihr Herkunftsland beschäftigen, sich in einem langwierigen Prozess<br />
befinden, der mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist.<br />
Unsere in die Verfahrensberatung integrierte Rückkehrberatung gibt diesen Menschen<br />
einen Raum, in dem sie sich ohne Zwang und Zeitdruck bewegen können. Wir nehmen<br />
ihre Ängste und Unsicherheiten ernst und erarbeiten mit ihnen sowohl Perspektiven der<br />
Aufenthaltsverfestigung als auch Perspektiven einer freiwilligen Ausreise.<br />
Es ist uns wichtig, dass die Klient/innen ihre Entscheidung mit unserer Unterstützung,<br />
aber dennoch selbstständig treffen.<br />
Allein aus diesem Grund kann eine Rückkehrberatung sinnvoll und <strong>im</strong> Sinne der<br />
betroffenen Personen gestaltet und – <strong>im</strong> Falle, dass diese die Ausreise tatsächlich<br />
wünschen eine Rückkehr in Würde gewährleistet werden.<br />
Damit Sie sich nun ein Bild von unserer Arbeit machen können, folgen nun einige<br />
Fallbeispiele:<br />
Fallbeispiel 1:<br />
Kosovo<br />
Rückkehrberatung<br />
Ein 25-jähriger junger Kosovare stellte einen Asylantrag be<strong>im</strong> Bundesamt für Migration und<br />
Flüchtlinge. In der Erstaufnahmeinrichtung „Hotelschiff Siesta“ wurde er von meinen Kolleginnen<br />
zum Verfahrensablauf beraten. Nach dem Gespräch stellte sich heraus, dass der junge Mann<br />
seinen Asylantrag zurücknehmen und in seine He<strong>im</strong>at zurückkehren wollte.<br />
43
Daraufhin wurde ein Termin in unserer Beratungsstelle vereinbart, und der Klient wurde an das<br />
Team der Rückkehrberatung verwiesen.<br />
Es folgen einige Gesprächstermine, bei denen Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland ausgelotet wurden.<br />
Der junge Mann hatte eine Ausbildung als Bautechniker absolviert. Die Rückkehrberatung nahm<br />
Kontakt mit AGEF in Prishtina auf. Der Bewerbungsbogen wurde dann zusammen mit dem<br />
jungen Mann in deutscher und albanischer Sprache ausgefüllt und nach Berlin zu AGEF geschickt.<br />
Die Rückkehrberatung unterstützte den Mann auch bei den konkreten Ausreiseformalitäten. Dazu<br />
gehörte in diesem Fall der Kontakt mit dem Bundesamt, mit IOM und der Zentralen<br />
Ausländerbehörde Düsseldorf. Letztere kümmerte sich um Passersatzpapiere,<br />
Grenzübertrittsbescheinigung und Ausstellung der Rückkehrvignetten für Österreich, Italien und<br />
Albanien. Diese benötigte er, weil er über den Landweg ausreisen wollte. Da IOM sich nur um die<br />
Organisation der Reise über den Luftweg kümmert, aber nicht um die Ausreise über Land, haben<br />
wir ihn dabei unterstützt, die Fahrkarten zu besorgen. Einer unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
begleitete den jungen Mann zum Reisebüro.<br />
Fallbeispiel 2:<br />
Iran<br />
Herr H. stellte ca. vor 2 Jahren einen Asylantrag in Düsseldorf. Dieser wurde negativ beschieden,<br />
und auch seine VG-Verhandlung brachte keinen Erfolg.<br />
In Iran hatte er 3 Jahre Maschinenbau studiert. Hier in Deutschland hatte er unter anderem<br />
gehofft, sein Studium weiterzuführen zu können. Auch dies scheiterte, da er seit 2 Jahren nur<br />
eine Duldung besaß. Der junge Mann hatte keine Perspektive mehr in Deutschland und<br />
kontaktierte uns mit den Überlegungen zu einer eventuellen freiwilligen Rückkehr.<br />
Es fanden mehrere Gesprächstermine statt, in denen wir durch unsere persisch sprechende<br />
Dolmetscherin/Rückkehrberaterin Giti Sadi unterstützt wurden. Einige Beratungsgespräche zur<br />
Perspektivberatung folgten, die teilweise sogar über mehrere Stunden dauerten.<br />
Ein weiterer Ausreisegrund war auch die plötzliche Krankheit der Mutter <strong>im</strong> Iran, die dazu führte,<br />
dass Herr H. nun so schnell wie möglich ausreisen wollte.<br />
Nun wurden die konkreten Ausreiseformalitäten in Angriff genommen: der Kontakt zur Zentralen<br />
Ausländerbehörde Köln, zu IOM und zur iranischen Botschaft.<br />
Herr H. hatte in den 2 Jahren in Deutschland viel an Fachliteratur (Maschinenbau) erworben bzw.<br />
von Freunden und Bekannten geschenkt bekommen. Diese wollte er mitnehmen.<br />
Wir führten mehrere Telefonate mit der Fluggesellschaft, die darauf beharrte, dass Herr H. nur<br />
35 Kilo mitnehmen durfte - Herr H. hatte aber wesentlich mehr Gepäck. Für ihn war es sehr<br />
wichtig, die Fachliteratur nach Hause mitzunehmen.<br />
Da Übergepäck ziemlich teuer ist, haben wir Kontakt zum Luftfrachtzentrum (Cargo)<br />
aufgenommen und konnten schließlich aus Spendenmitteln die Kosten für eine Luftfracht in Höhe<br />
von 160 Euro übernehmen.<br />
Zusätzlich hatte Herr H. große Angst, alleine zur Ausländerbehörde zu gehen, um seinen<br />
Nationalpass vorzuzeigen und eine Grenzübertrittsbescheinigung abzuholen. Deshalb wurde er<br />
von unserer Dolmetscherin /Rückkehrberaterin zur Ausländerbehörde begleitet.<br />
44<br />
Rückkehrberatung
Fallbeispiel 3:<br />
Iran<br />
In der Verfahrensberatung stellte sich heraus, dass ein junger Mann so schnell wie möglich in<br />
den Iran zurückkehren wollte.<br />
Daraufhin wurde sofort ein Termin in unserem Haus vereinbart. Der Mann war eigentlich in<br />
Karlsruhe angemeldet und musste sich auch dort aufhalten. Er war nach Düsseldorf gekommen,<br />
weil er hier Bekannte hatte. Diese konnten ihm jedoch auch nicht weiterhelfen und brachten ihn<br />
zur Erstaufnahmeeinrichtung, wo er jedoch illegal war und nicht bleiben durfte.<br />
Wir nahmen Kontakt mit der Zentralen Ausländerbehörde Düsseldorf und erreichten, dass er für<br />
die Zeit bis zu seiner Rückkehr in den Iran auf dem Schiff übernachten durfte.<br />
Nun stellte sich heraus, dass der Mann psychisch krank war und nicht ohne ärztliche Begleitung<br />
fliegen durfte.<br />
Wir nahmen Kontakt mit IOM auf und beantragten Rückkehrhilfen nach REAG/GARP, die auch<br />
sofort genehmigt wurden.<br />
Ein Problem bestand allerdings darin, dass die Kosten für die ärztliche Begleitung vom Sozialamt<br />
in Karlsruhe übernommen werden mussten.<br />
Ich war <strong>im</strong> ständigen Kontakt mit dem Sozialamt in Karlsruhe, mit IOM und Melonet. Der junge<br />
Iraner war durch seine psychische Krankheit auf unsere intensive Unterstützung angewiesen.<br />
Unsere Sprach- und Kulturmittler waren bei allen Beratungen anwesend. Da der junge Iraner<br />
auch nicht in der Lage war, den Düsseldorfer Flughafen alleine zu finden, wurde er von unserem<br />
Dolmetscher zum Flughafen begleitet.<br />
Fallbeispiel 4:<br />
Äthiopien<br />
Rückkehrberatung<br />
Eine äthiopische Frau stellte in Düsseldorf einen Asylantrag. Bevor sie jedoch zu ihren<br />
Asylgründen be<strong>im</strong> Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört werden konnte, kam sie ins<br />
Krankenhaus.<br />
Die Ärzte stellten fest, dass Frau H. an Krebs litt und nicht mehr lange leben würde.<br />
Nach einigen Monaten entschied sich Frau H., freiwillig nach Äthiopien zurückzukehren, um dort<br />
bei ihrer Familie zu sterben.<br />
Daraufhin wurde unsere Beratungsstelle kontaktiert, da aber Frau H. schwerkrank <strong>im</strong><br />
Krankenhaus lag, mussten wir Termine mit einer ehrenamtlichen Dolmetscherin vereinbaren, um<br />
mit ihr alles Notwendige zu besprechen.<br />
Der Bruder von Frau H. reiste mit einem Visum nach Deutschland, um seine Schwester so schnell<br />
wie möglich zu ihrer Familie nach Äthiopien zu bringen.<br />
Wir nahmen Kontakt mit IOM auf und kümmerten uns um die Ausreiseformalitäten.<br />
Da Frau H. künstlich ernährt wurde und einen künstlichen Darmausgang hatte, musste sie auf<br />
dem Flug nach Äthiopien von einem Arzt begleitet werden. Von IOM bekam sie eine<br />
Reisebeihilfe, Starthilfe und die Transportkosten erstattet. Die Transportkosten waren in diesem<br />
Fall etwas höher, weil sie liegend transportiert werden musste (3 Sitzplätze).<br />
45
Die Mehrkosten für die ärztliche Begleitung sollten eigentlich vom Sozialamt übernommen<br />
werden, das sich aber zunächst weigerte. Erst nach mehreren Telefonaten und Verhandlungen<br />
erreichten wir, dass das Sozialamt die Kosten für ärztliche Begleitung zugesagt hat.<br />
Die Begleitung wurde von Melonet organisiert, die Koordination lag jedoch in unserer Hand. Wir<br />
waren die Ansprechpartner für IOM, Melonet, die Ausländerbehörde, für den Bruder, die<br />
Dolmetscherin, das Krankhaus und später für die Lufthansa.<br />
Frau H. benötigte einige spezielle medizinische Hilfsmittel, die wir ihr aus dem Rückkehrbudget in<br />
Höhe von 500 Euro finanzieren konnten.<br />
Am Tag des Abfluges (ab Frankfurt) ist der Lufthansa ein großer Fehler unterlaufen: Die Crew der<br />
Lufthansa vergaß Frau H., den Begleitarzt und den Bruder in Frankfurt!<br />
Da der nächste Flug erst in 2 Tagen möglich war, musste Frau H. in einem Krankenhaus<br />
außerhalb des Frankfurter Flughafens untergebracht werden. Dies war wieder mit hohen Kosten<br />
verbunden.<br />
Da sie sich nicht mehr in Düsseldorf befand, sah sich das Düsseldorfer Sozialamt nicht genötigt,<br />
die Kosten zu übernehmen. Mit Lufthansa konnte die Kostenübernahme auch nicht so zügig<br />
geklärt werden, obwohl der Fehler eindeutig bei der Fluggesellschaft lag.<br />
Auch hier mussten wir mit den verschiedenen Akteuren wie z.B. mit dem Krankenhaus in<br />
Frankfurt und der Lufthansa nach Lösungen suchen und verhandeln.<br />
Nach ca. 3 Wochen konnten wir erreichen, dass Frau H. lebend in Äthiopien ankam und vor Ort<br />
einem Arzt übergeben wurde.<br />
Später erhielten wir die Nachricht, dass Frau H. ca. 3 Wochen nach ihrer Ankunft in Äthiopien <strong>im</strong><br />
Kreise ihrer Familie gestorben ist.<br />
Fallbeispiel 5:<br />
Syrien<br />
Ein Syrer kontaktierte unsere Beratungsstelle.<br />
Er lebt seit 5 Jahren in Deutschland mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis.<br />
Seit einigen Monaten war er arbeitslos und hatte dadurch persönlich keine Perspektive in<br />
Deutschland. Es fanden regelmäßig Perspektivberatungen in unserem Hause statt. Dabei wurden<br />
lange Gespräche geführt, in denen seine Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland und hier in Deutschland<br />
ausgelotet wurden.<br />
Von Beruf war er Mathematiklehrer und wollte als solcher auch in Syrien wieder arbeiten. Wir<br />
nahmen Kontakt mit der Zentralen Arbeitsvermittlung in Frankfurt auf und füllten zusammen mit<br />
Herrn O. einen Bewerbungsbogen aus.<br />
Nach langem Warten erfuhren wir, dass die ZAV keine geeignete Stelle in Syrien ausfindig<br />
machen konnte. Wir nahmen daraufhin Kontakt zu anderen Organisationen wie z.B. AGEF auf.<br />
Diese Organisation arbeitet mit der ZAV zusammen und versucht, rückkehrwilligen Menschen<br />
eine berufliche Perspektive <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland zu geben.<br />
Herr O. ist in dieser Wartezeit <strong>im</strong>mer wieder sehr verunsichert, was zur Folge hat, dass er häufig<br />
seine Meinung zur Rückkehr ändert.<br />
Daher ist er in unserer vertrauensvollen Perspektivberatung sehr gut aufgehoben. Wir geben ihm<br />
die Zeit, die er für seine Entscheidungsfindung braucht.<br />
Herr O. ist noch nicht zurückgekehrt. Wir befinden uns noch <strong>im</strong>mer in der Phase der<br />
Entscheidungsfindung.<br />
46<br />
Rückkehrberatung
Kooperatiionen<br />
Kooperation mit anderen Beratungsstellen und Einrichtungen<br />
Erstaufnahmeeinrichtungen in Schöppingen und Hemer<br />
Seit der Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung in Düren sind die einzigen<br />
verbliebenen Aufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen diejenigen in Schöppingen<br />
und Hemer.<br />
Das heißt, dass alle Flüchtlinge, die ihre Anhörung in Düsseldorf hatten, vom Schiff aus<br />
entweder in die Aufnahmeeinrichtung Schöppingen oder Hemer gebracht werden.<br />
Die Klient/innen, die von uns <strong>im</strong> Rahmen des Projektes betreut oder ausführlich beraten<br />
wurden und bei denen wir feststellen, dass sie weiterhin dringenden Beratungs- oder<br />
Betreuungsbedarf haben, werden von uns telefonisch an die Kolleginnen vermittelt.<br />
Unser Angebot an die Flüchtlinge, sie vor ihrer Ankunft bei den Kolleginnen schon<br />
„anzukündigen“ und die wichtigsten Informationen zu ihren besonderen Problemlagen<br />
den Beratungsstellen mitzuteilen, wurde <strong>im</strong> vergangenen Jahr von allen gerne<br />
angenommen.<br />
Grundsätzlich werden in der Beratung selbstverständlich alle Asylsuchenden von uns auf<br />
die Möglichkeit hingewiesen, die Verfahrensberatung der Kolleginnen und Kollegen in<br />
den Erstaufnahmeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Jedoch ist die persönliche<br />
Vermittlung in den Fällen von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen von ganz<br />
entscheidender Bedeutung:<br />
Es fällt uns mehr und mehr auf, dass gerade diese Menschen eine lückenlose Betreuung<br />
benötigen – es ist daher sehr wichtig, sie gewissermaßen der nächsten Stelle, bei der<br />
sie Hilfe erhalten können, „in die Hand zu legen“. Eine bestmögliche Stabilisierung ist<br />
dann gewährleistet, wenn wir sicherstellen können, dass der Kontakt bzw. die<br />
Betreuung an keiner Stelle abreißt.<br />
Notwendig ist auch, den Flüchtlingen, die aus ihren Herkunftsländern ähnliche<br />
Beratungsstrukturen gar nicht kennen, erst einmal zu erklären, welche Hilfsangebote sie<br />
in Deutschland erhalten können und wo sie diese finden.<br />
In dem Moment, in dem sie zu unserer Beratungsstelle Vertrauen gefasst haben, fragen<br />
die Flüchtlinge oftmals danach, ob „unsere Organisation“ auch in der<br />
Erstaufnahmeeinrichtung tätig ist. Sobald wir dann die Namen der Kolleginnen nennen,<br />
ist die Erleichterung darüber spürbar, dort auch Ansprechpersonen zu haben, mit denen<br />
wir zusammenarbeiten.<br />
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Klient/innen, die aus der Erstaufnahme direkt nach<br />
Düsseldorf oder in die Umgebung von Düsseldorf zugewiesen wurden, merklich<br />
gestiegen. Diese wurden dann von den Kolleginnen an uns zurück vermittelt, so dass<br />
eine nahtlose Verfahrensberatung von Beginn bis zum Abschluss des Asylverfahrens<br />
stattfand.<br />
47
Kooperation mit Beratungsstellen und ehrenamtlichen Betreuungspersonen in<br />
kleinen Orten in Nordrhein-Westfalen<br />
Nach dem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung werden die Flüchtlinge oftmals in<br />
sehr kleine Orte und Dörfer mit schlechter Infrastruktur zugewiesen. Fachärztliche oder<br />
therapeutische Hilfe zu bekommen, ist hier manchmal ein großes Problem. Hinzu<br />
kommt, dass in einigen Fällen die nächste Fachberatungsstelle einige Kilometer entfernt<br />
ist und lange (teure) Busfahrten zurückgelegt werden müssen.<br />
Die Schließungen von Beratungsstellen bzw. ihre <strong>im</strong>mer begrenzter werdenden<br />
Kapazitäten machen sich hier teilweise drastisch bemerkbar.<br />
Gerade in den kleinen Orten ist die Gefahr der Vereinsamung groß, insbesondere dann,<br />
wenn zum Beispiel allein stehende Flüchtlinge in einer Unterkunft untergebracht werden,<br />
in der sie keine Landsleute finden.<br />
Glücklicherweise hatten wir <strong>im</strong> vergangenen Jahr in mehreren Fällen die Möglichkeit,<br />
eng mit ehrenamtlich tätigen Menschen zu arbeiten, die sich sehr intensiv um einzelne<br />
Klient/innen oder Flüchtlingsfamilien kümmerten.<br />
So entstanden kleinen Netzwerke von Hilfen aus ehren- und hauptamtlicher Beratung<br />
und Betreuung.<br />
Die persönliche, ehrenamtliche Betreuung bestand beispielsweise in der Begleitung zu<br />
Behörden, Ärzten und zu Beratungsstellen in Nachbarorten, Vermittlung an Sprachkurse<br />
vor Ort, Hilfe bei der Anmeldung der Kinder in Schule oder Kindergarten etc.<br />
Andererseits war<br />
weiterhin die Anbindung<br />
an uns mit Hilfe unserer<br />
Dolmetscher/innen<br />
gewährleistet: Diese<br />
blieben telefonisch in<br />
Kontakt mit den<br />
Flüchtlingen, so dass<br />
regelmäßig in<br />
Rücksprache mit uns die<br />
weiteren<br />
asylverfahrensrechtlichen<br />
Belange geregelt werden<br />
konnten.<br />
Beratungsgespräche<br />
(Asylverfahrensberatung)<br />
fanden in unserer<br />
Beratungsstelle mit Hilfe<br />
der Dolmetscher/innen<br />
statt; Fahrtkosten<br />
konnten wir, wenn nötig, aus Spendenmitteln übernehmen.<br />
Wir sind davon überzeugt, dass eine solche „Rundum-Unterstützung“ für die besonders<br />
schutzbedürftigen Flüchtlinge eine enorme stabilisierende Wirkung hat.<br />
48<br />
Kooperatiionen
Kooperatiionen<br />
Umgekehrt gehen wir davon aus, dass ohne solche Stabilisierungsmaßnahmen einige<br />
der Flüchtlinge die Belastungen des Asylverfahrens und der schwierigen<br />
Lebensumstände psychisch nicht hätten ertragen können.<br />
Dies motiviert uns, uns auch weiterhin um den Aufbau von umfassenden „Hilfs-<br />
Netzwerken“ zu bemühen.<br />
Beratungsstellen in den Zuweisungsorten in anderen Bundesländern<br />
Ähnlich wie bei der Kooperation mit den Beratungsstellen in den nordrhein-westfälischen<br />
Erstaufnahmeeinrichtungen versuchen wir, den Flüchtlingen auf dem Schiff, die in<br />
andere Bundesländer zugewiesen werden, Adressen von Beratungsstellen und<br />
Einrichtungen am Zuweisungsort mitzugeben bzw. in besonderen Fällen direkt einen<br />
Kontakt/ eine Vermittlung herzustellen.<br />
Wir bemühen uns weiterhin, Netzwerke <strong>im</strong> gesamten Bundesgebiet aufzubauen, um<br />
Klient/innen bei Bedarf an kompetente Stellen weiterleiten zu können. Bereits<br />
bestehende gute Kontakte beispielsweise zu den Verfahrensberatungsstellen der<br />
Diakonie in Jena/ Eisenberg und Eisenhüttenstadt haben wir rege genutzt und zusätzlich<br />
in vielen Fällen Kontakte in andere Orte, beispielsweise Oldenburg, Hamburg und<br />
München, aufgenommen.<br />
Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf<br />
Das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf ist eine der für unsere Arbeit<br />
wichtigsten Institutionen.<br />
Wie in den vergangenen Jahren konnten einige der von uns betreuten Klientinnen und<br />
Klienten Therapieplätze oder Plätze zur Begutachtung erhalten, wurden auf die<br />
Warteliste aufgenommen oder erhielten kurzfristige Termine zur Krisenintervention oder<br />
zu Clearinggesprächen.<br />
Ein regelmäßiger Austausch mit den Therapeut/innen ist oftmals sehr wichtig, um sich<br />
gegenseitig über die jeweils relevanten Aspekte zu informieren und <strong>im</strong>mer wieder<br />
abzust<strong>im</strong>men, welche Maßnahmen für die betreffende Person sinnvoll sind. Gerade in<br />
den Fällen, in denen schon seit einigen Jahren eine gemeinsame arbeitsteilige<br />
Betreuung (durch das PSZ therapeutische Hilfe und psychosoziale Betreuung zur<br />
Bewältigung ihres Alltags und durch uns die Beratung zu asylrechtlichen Fragen)<br />
besteht, sind <strong>im</strong>mer wieder Absprachen notwendig.<br />
Weitere Kooperation zum PSZ besteht <strong>im</strong> Bereich der gemeinsamen Organisation von<br />
Veranstaltungen (s. auch das Kapitel Öffentlichkeitsarbeit).<br />
Für die <strong>im</strong> EFF-Projekt tätigen Sprach- und Kulturmittler/innen und weitere ehrenamtlich<br />
Mitarbeitende konnten wir <strong>im</strong> vergangenen Jahr erneut eine Supervision anbieten, die<br />
durch Therapeutinnen des Psychosozialen Zentrums durchgeführt wurde. Finanzielle<br />
Unterstützung dafür erhielten wir vom Diakonischen Werk <strong>Rheinland</strong>.<br />
49
Weitere Flüchtlingsberatungsstellen in Düsseldorf<br />
Sozialdienst für Flüchtlinge der Stadt Düsseldorf<br />
Im Jahr 2006 ist es in vielen Fällen vorgekommen, dass wir Flüchtlinge auf dem Schiff<br />
<strong>im</strong> Rahmen des Projektes betreut hatten, die dann später nach Düsseldorf zugewiesen<br />
wurden.<br />
Besonders häufig waren dies schwerstkranke Flüchtlinge, die eine Zuweisung nach<br />
Düsseldorf erhielten, um eine notwendige, meist sehr aufwändige medizinische<br />
Versorgung (in best<strong>im</strong>mten fachärztlichen Schwerpunktpraxen, der Uniklinik oder in<br />
anderen Krankenhäusern) zu gewährleisten (s. auch Fallbeispiele <strong>im</strong> EFF-Projekt).<br />
Diese Flüchtlinge wurden in den Übergangswohnhe<strong>im</strong>en in Düsseldorf untergebracht, für<br />
die zwei Sozialarbeiterinnen der Stadt Düsseldorf verantwortlich sind.<br />
Seit vielen Jahren arbeiten wir mit dem Sozialdienst für Flüchtlinge sehr gut zusammen.<br />
Die Kooperation hat sich jedoch durch die gemeinsam betreuten Fälle ganz erheblich<br />
verstärkt. Da wir in den Fällen Vorkenntnisse und Informationen über den Hintergrund<br />
der Flüchtlinge und ihre speziellen Bedürfnisse hatten, konnten wir die Kolleginnen über<br />
die Besonderheiten informieren. In gemeinsamen Fallbesprechungen, meist telefonisch,<br />
konnten dann alle wichtigen Dinge geklärt und notwendige Maßnahmen eingeleitet<br />
werden, begonnen mit einer angemessenen Unterbringung von Schwerstkranken<br />
(oftmals ist dann ein eigenes Bad notwendig, die Appartements oder Z<strong>im</strong>mer mit<br />
eigenem Bad sind jedoch sehr begrenzt), aber auch mit weitergehenden konkreten<br />
lebenspraktischen Hilfen, die von den Kolleginnen organisiert wurden.<br />
So konnten wir gemeinsam eine möglichst gute Versorgung der Flüchtlinge erreichen.<br />
Caritas-Migrationsdienst und Deutsches Rotes Kreuz<br />
Die seit Jahren bewährte Arbeitsteilung nach Arbeitsschwerpunkten hat auch <strong>im</strong><br />
vergangenen Jahr dazu geführt, dass unnötige Mehrfachberatungen vermieden wurden.<br />
Wir erleben es als entlastend zu wissen, dass wir uns gemäß unserem Arbeitsauftrag auf<br />
die Asylverfahrensberatung und auf die Perspektiven- und Rückkehrberatung<br />
konzentrieren können, dass aber andere Belange der Flüchtlinge bei den anderen<br />
Düsseldorfer Fachberatungsstellen gut aufgehoben sind und wir bei Anfragen, die nicht<br />
in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, dorthin verweisen können.<br />
Aids-Hilfe Düsseldorf, Krankenhaussozialdienste, Krankenhausseelsorge<br />
Gerade aufgrund der steigenden Zahl schwer erkrankter Flüchtlinge war es weiterhin<br />
sehr hilfreich, dass eine gute Zusammenarbeit mit der Aids-Hilfe und verschiedenen<br />
Krankenhaus-Sozialdiensten besteht. Auch die Krankenhausseelsorge ist in diesem<br />
Zusammenhang zu erwähnen. Die Flüchtlinge, die durch ihre Krankheitssituation noch<br />
zusätzlich belastet sind, benötigen eine ganzheitliche psychosoziale Unterstützung.<br />
So war es für uns eine gute Nachricht, dass die Düsseldorfer Aids-Hilfe <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
durch eine neue auf die Migrantinnenarbeit spezialisierte Kollegin Verstärkung erhalten<br />
hat.<br />
50<br />
Kooperatiionen
Kooperatiionen<br />
Gute und erfolgreiche Kooperationen bestanden außerdem mit folgenden<br />
Einrichtungen:<br />
• Kleiderkammern von Renatec und Caritas <strong>im</strong> Rahmen des EFF-Projekts<br />
• Frauenberatungsstelle und SOLWODI Duisburg in Fällen von Gewalt betroffener<br />
Flüchtlingsfrauen<br />
• Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW und Rubicon Köln sowie Mashallah<br />
Essen (in Fällen von geschlechtsspezifischer Verfolgung/ Verfolgung aufgrund von<br />
Homosexualität)<br />
• Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Düsseldorf<br />
• Betreuer/innen in den Abschiebehaftanstalten Neuss und Büren<br />
Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen<br />
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />
Aufgrund unseres Arbeitsschwerpunktes der Verfahrensberatung ist natürlich die<br />
Düsseldorfer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Behörde in<br />
Düsseldorf, mit der wir am häufigsten Kontakt aufnehmen.<br />
Oft gibt es konkrete Anliegen, die sich aus der Beratung vor der Anhörung ergeben, wie<br />
zum Beispiel das Verschieben eines Anhörungstermins wegen Krankheit, der Wunsch<br />
nach einem Dolmetscher für eine best<strong>im</strong>mte Sprache oder der Wunsch von Frauen, von<br />
einer weiblichen Sachbearbeiterin Asyl mit Hilfe einer Dolmetscherin angehört zu<br />
werden. Die Zusammenarbeit ist insgesamt, besonders wenn es um solche Anliegen<br />
geht, gut.<br />
Insbesondere durch die Beratung <strong>im</strong> Flughafenverfahren sowie durch vereinzelt<br />
stattfindende Begleitungen von Klient/innen zur Anhörung kennen wir die meisten<br />
Sachbearbeiter/innen Asyl persönlich.<br />
Probleme der Klient/innen, die uns in der Beratung aufgefallen sind (z.B. Verdacht auf<br />
Traumatisierung) können wir <strong>im</strong> Einverständnis mit den Klient/innen vorab den<br />
Sachbearbeiter/innen Asyl mitteilen (diese „Clearingfunktion“ ist ein wichtiger<br />
Bestandteil der Verfahrensberatung).<br />
Natürlich gibt es <strong>im</strong>mer wieder Fälle, mit denen wir nicht einverstanden sind: weil wir<br />
beispielsweise den Eindruck hatten, dass die Sachermittlungen des Bundesamtes zu<br />
oberflächlich waren, dass den Flüchtlingen nicht ausreichend Gelegenheit gegeben<br />
wurde, in Ruhe ihre Fluchtgründe zu schildern, dass sie in der Anhörung durch<br />
verwirrende Zwischenfragen oder unfreundliche Behandlung verunsichert wurden (dies<br />
ist insbesondere bei Traumatisierten, die störungsbedingt manchmal sehr misstrauisch<br />
sind, fatal) oder weil eingereichte <strong>Dokument</strong>e zu wenig gewürdigt wurden.<br />
51
52<br />
Praktikantin Sarah Hemmes<br />
Wir suchen dann das Gespräch mit den<br />
jeweiligen Sachbearbeiter/innen Asyl,<br />
setzen uns aber auch über generelle,<br />
eher strukturelle Probleme <strong>im</strong><br />
Asylverfahren hin und wieder mit der<br />
Leitung der Düsseldorfer Außenstelle,<br />
ggf. auch mit der Zentrale in<br />
Verbindung.<br />
In Fällen von DÜ-Verfahren (Verfahren<br />
zur Feststellung, welches europäische<br />
Land für die Durchführung des<br />
Asylverfahrens zuständig ist), wandten<br />
wir uns häufig an die hierfür zuständige<br />
Außenstelle des Bundesamtes in<br />
Dortmund.<br />
Wichtig für die Kommunikation und Kooperation mit dem Bundesamt waren auch die<br />
zwei Gesprächsrunden, die zum Thema Traumatisierung und Flughafenverfahren <strong>im</strong><br />
Bundesamt stattfanden, sowie die Tagung des DW Rehinland mit den nordrheinwestfälischen<br />
Außenstellen des Bundesamtes (s. auch Öffentlichkeitsarbeit).<br />
Zentrale Ausländerbehörde<br />
Ansprechpartnerin bei Fragen zur Zuweisung ist die Zentrale Ausländerbehörde.<br />
Erfolgreiche fallbezogene Lösungen konnten bei der Zuweisung schwer kranker,<br />
reiseunfähiger Personen gefunden werden.<br />
Seit Beginn der Rückkehrberatung sind die Fälle der Kooperation zu Rückkehrfragen<br />
häufiger geworden. Insbesondere können wir uns bei Fragen zur Rücknahme des<br />
Asylantrags und zur Passbeschaffung für eine freiwillige Ausreise an die Zentrale<br />
Ausländerbehörde wenden.<br />
Bezirksregierung Arnsberg<br />
Durch die Zunahme von Fällen von schwerer Krankheit und/oder schweren psychischen<br />
Erkrankungen ist es häufiger notwendig geworden, sich bezüglich der Zuweisung an die<br />
hierfür zuständige Bezirksregierung Arnsberg zu wenden. Nach unserer Rücksprache mit<br />
der Bezirksregierung und dem Vorlegen entsprechender Atteste/Stellungnahmen, teils in<br />
Kooperation mit Bundesamt und Sozialamt, konnten die Flüchtlinge an die Orte<br />
zugewiesen werden, an denen eine spezielle therapeutische oder medizinische<br />
Versorgung möglich war.<br />
Kommunale Ausländerbehörden<br />
Kooperatiionen<br />
Im Bereich der Verfahrensberatung finden nach wie vor nur punktuelle, auf wenige<br />
Einzelfälle beschränkte Kontakte zu Ausländerbehörden statt. Der Einzugsbereich<br />
unserer Klientel erstreckt sich auf den gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf und teils<br />
darüber hinaus. So bestanden beispielsweise Kontakte zu den Ausländerbehörden in<br />
Düsseldorf, Duisburg, Essen, Dormagen und Mönchengladbach, meist zu<br />
aufenthaltsrechtlichen Fragen oder zur Erteilung von Aufenthaltsdokumenten/<br />
Reiseausweisen für anerkannte Flüchtlinge.
In der Rückkehrberatung spielt der Kontakt zu den Ausländerbehörden eine sehr<br />
wichtige Rolle, gerade wenn es um die Verlängerung der Duldungen oder um die<br />
Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen zur Ermöglichung einer freiwilligen<br />
Ausreise geht (s. hierzu auch den Bericht aus der Rückkehrberatung).<br />
Sozialamt<br />
Kooperatiionen<br />
In der Betreuung der Flüchtlinge auf dem Schiff ist eine wichtige Behörde das Sozialamt<br />
(Amt für soziale Sicherung) in der Erkrather Straße <strong>im</strong> Gebäude von ZAB und<br />
Bundesamt. Wir wenden uns an die Mitarbeitenden, wenn Bedarf nach ärztlicher/<br />
fachärztlicher Behandlung besteht, wenn Frauen nach ihrer Entbindung<br />
Babyerstausstattung benötigen, wenn Absprachen aufgrund eines<br />
Krankenhausaufenthalts notwendig sind, wenn Kranke oder junge Mütter reiseunfähig<br />
sind und nicht sofort an einen weit entfernten Zuweisungsort reisen können usw.<br />
Im vergangenen Jahr ist es in Einzelfällen notwendig gewesen, eine ambulante Pflege<br />
auf dem Schiff zu organisieren.<br />
Insgesamt ist die Zusammenarbeit sehr gut, und es besteht grundsätzlich <strong>im</strong>mer<br />
Gesprächsbereitschaft seitens des Sozialamtes. An einigen Fallbeispielen <strong>im</strong> Bericht aus<br />
dem EFF-Projekt ist jedoch zu erkennen, dass leider nicht in allen Fällen zufrieden<br />
stellende Situationen erreicht wurden; es ist daher notwendig, <strong>im</strong>mer wieder über die<br />
problematische Situation gerade in der Gesundheitsversorgung <strong>im</strong> Gespräch zu bleiben<br />
und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen.<br />
53
Öffentlichkeitsarbeit<br />
In unserer Arbeit mit Flüchtlingen ist es uns wichtig,<br />
• in der Gesellschaft, insbesondere in kirchlichen Gruppen, auf die schwierige<br />
Lebenssituation von Flüchtlingen aufmerksam zu machen und um Verständnis<br />
und Solidarität zu werben<br />
• uns nach unseren Möglichkeiten <strong>im</strong> Dialog mit Behörden um einvernehmliche<br />
Lösungen in schwierigen Fällen zu bemühen, aber auch auf negative asylpolitische<br />
Entwicklungen oder auch ungerechte oder respektlose Behandlung unserer<br />
Klient/innen hinzuweisen<br />
• bei Kooperationspartnern und Einrichtungen, die eher „am Rande“ mit<br />
Flüchtlingen zu tun haben (beispielsweise in der Seelsorge oder <strong>im</strong><br />
Gesundheitssystem), fachliche Informationen und Hilfestellungen zum Umgang<br />
mit Flüchtlingen zu geben.<br />
Im vergangenen Jahr haben wir eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt oder an<br />
ihnen mitgewirkt, die hier vorgestellt werden sollen:<br />
Veranstaltungen <strong>im</strong> Dialog mit Behörden<br />
Wie auch schon in den vergangenen Jahren, arbeiten wir in den<br />
Vorbereitungsgruppen von zwei jährlich stattfindenden Fachtagungen mit: der<br />
gemeinsamen Tagung des Diakonischen Werkes <strong>im</strong> <strong>Rheinland</strong> mit der Zentralen<br />
Ausländerbehörde („Behördentagung“) sowie der gemeinsamen Tagung des<br />
Diakonischen Werkes <strong>im</strong> <strong>Rheinland</strong> mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />
(BAMF).<br />
Auf der so genannten Behördentagung <strong>im</strong> Mai moderierte Jessica te Heesen eine<br />
Arbeitsgruppe mit dem Thema „Zwischen Recht und Gewissen.<br />
Abschiebungspraxis in NRW“. Vertreter/iInnen von Ausländerbehörden und<br />
Flüchtlingsberatungsstellen diskutierten nach den fachlichen Beiträgen von Birgül<br />
Kahraman/ Abschiebungsbeobachtung, Klaudia Dolk/ Rechtsanwältin und Herrn Gertler/<br />
Ausländerbehörde Mettmann kontrovers über die rigide Abschiebungspraxis in<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Sehr wichtig ist uns der Dialog mit den Sachbearbeiter/innen Asyl der Düsseldorfer<br />
Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. In Fortsetzung der<br />
<strong>im</strong> Jahr 2005 begonnenen Gesprächsrunden fand eine solche <strong>im</strong> März 2006, vorbereitet<br />
von Jessica te Heesen und Frau Michaelsen, Sonderbeauftragte für<br />
geschlechtsspezifische Verfolgung <strong>im</strong> BAMF Düsseldorf, statt, bei der insbesondere<br />
Fragen zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen thematisiert wurden.<br />
An einer weiteren Gesprächsrunde <strong>im</strong> BAMF nahmen <strong>im</strong> September Daniela Bröhl und<br />
Miguel Temprano teil. Hier konnten sie die problematischen Fälle in der Zusammenarbeit<br />
<strong>im</strong> Flughafenverfahren thematisieren.<br />
Mitwirkung an Gottesdiensten, Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinden und kirchlichen Gruppen<br />
Ebenso wie <strong>im</strong> Vorjahr wurde <strong>im</strong> Rahmen des Kargottesdienstes in der evangelischen<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinde Gerreshe<strong>im</strong> durch die Superintendentin Cornelia Oßwald der<br />
dramatische Fall einer unserer Klientinnen vorgestellt.<br />
54<br />
Öffentlliichkeiitsarbeiit
Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />
In fünf weiteren Gottesdiensten konnten wir (Jessica te Heesen und Corrie Voigtmann)<br />
die Situation der Flüchtlinge in Düsseldorf in den Mittelpunkt stellen:<br />
• in einem Gottesdienst in der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath/Hellerhof <strong>im</strong> April;<br />
• <strong>im</strong> Pfingstgottesdienst (Open-Air-Gottesdienst) <strong>im</strong> Schlosspark Garath <strong>im</strong><br />
Juni;<br />
• <strong>im</strong> Gottesdienst anlässlich der Eröffnung der Interkulturellen Woche <strong>im</strong><br />
September, der in der Lukaskirche stattfand und in Kooperation mit dem<br />
Psychosozialen Zentrum Düsseldorf, dem Zentrum für Interkulturelle Begegnung<br />
und Beratung (Z.I.B.B.) der Diakonie, dem Diakoniepfarrer Herrn Frantzmann und<br />
dem Pfarrer der Christus-<strong>Kirche</strong>ngemeinde, Herrn Sticherling, vorbereitet und<br />
durch Text-, Theater- und Musikbeiträge von Flüchtlingen und Migrant/innen<br />
bereichert wurde;<br />
• <strong>im</strong> 5-nach-12-Gottesdienst der Friedenskirchengemeinde <strong>im</strong> Oktober, in<br />
dem die Situation der neu auf dem Asylschiff angekommenen Flüchtlinge Thema<br />
des Gottesdienstes war;<br />
• <strong>im</strong> Basar-Gottesdienst der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Wersten <strong>im</strong> November – die<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinde stellte die Hälfte des Erlöses ihres Basars für unsere Arbeit auf<br />
dem Schiff zur Verfügung.<br />
Wir möchten ausdrücklich den <strong>Kirche</strong>ngemeinden für ihr großes Interesse an unserer<br />
Arbeit und für die finanzielle Unterstützung danken!<br />
Auf der Synode des <strong>Kirche</strong>nkreises Düsseldorf-Ost hatte Jessica te Heesen <strong>im</strong><br />
November die Gelegenheit, über die Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates zu<br />
berichten. Die große Aufmerksamkeit der Synodalen und die vielen interessierten<br />
Rückfragen sowie spätere positive Rückmeldungen und Kontakte waren und sind für uns<br />
sehr ermutigend.<br />
Auch die Aufklärung von Jugendlichen über die Lebenssituation von Flüchtlingen in<br />
Deutschland ist uns ein wichtiges Anliegen. So freuen wir uns darüber, wenn wir von<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinden oder Lehrer/innen gebeten werden, Unterrichts- oder<br />
Konfirmandenstunden zu gestalten. Zu nennen sind hier für das Jahr 2006 die<br />
Gestaltung einer Einheit für Konfirmand/innen der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath (Pfr.<br />
Ungerathen) <strong>im</strong> Februar sowie der Besichtigung des Schiffes mit Schülern des<br />
Religionskurses eines Berufskollegs <strong>im</strong> November, die <strong>im</strong> Anschluss einen<br />
Schulgottesdienst zum Thema Flucht und Asyl gestalteten.<br />
Über zwei „Highlights“ soll an dieser Stelle berichtet werden:<br />
Im Jahr 2006 kamen wir in den Genuss von 2 Benefizkonzerten zugunsten unserer<br />
Arbeit mit Flüchtlingen auf dem Schiff:<br />
• Ein Konzert der in Düsseldorf und weit darüber hinaus bekannten Gruppe Morris<br />
Open (British Folk) <strong>im</strong> März in der evangelischen <strong>Kirche</strong>ngemeinde Urdenbach<br />
• sowie das Benefiz-Chorkonzert in Garath <strong>im</strong> November.<br />
Auf beiden Konzerten hatten wir (Jessica te Heesen und Corrie Voigtmann) die<br />
Möglichkeit, mit kurzen Textbeiträgen vor einem Publikum von jeweils ca. 100 -150<br />
Personen sowie mit Infoständen <strong>im</strong> Anschluss an die Konzerte die Situation der<br />
Flüchtlinge auf dem Schiff vorzustellen.<br />
55
Gleichzeitig waren die wunderschöne Musik von Morris Open und die Gesangsbeiträge<br />
der Chöre ein Hochgenuss und die durch die Konzerte deutlich gemachte „moralische<br />
Unterstützung“ der Musiker/innen für uns eine enorme Ermutigung, für die wir sehr<br />
dankbar sind.<br />
Von den eingegangenen beachtlichen Spendenbeiträgen konnten wir bereits viel<br />
konkrete Hilfe für Flüchtlinge leisten.<br />
Vorträge und Vorstellung der Flüchtlingsarbeit in verschiedenen Gruppen<br />
Corrie Voigtmann und Jessica te Heesen berichteten <strong>im</strong> Februar auf dem politischen<br />
Gesprächskreis „SPD, <strong>Kirche</strong>n und jüdische Gemeinden“ über die Situation von<br />
Flüchtlingen in Düsseldorf. Auf der Internetseite von „evangelisch in Düsseldorf“ wurde<br />
hierüber berichtet.<br />
Weitere Gelegenheit, um über die Aufgaben des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates zu<br />
berichten, gab es in einem Gesprächskreis des afw (actionsring frau und welt) <strong>im</strong><br />
März sowie bei einem Treffen der <strong>Evangelische</strong>n Arbeitnehmerbewegung <strong>im</strong><br />
August.<br />
Im Mai konnten Daniela Bröhl und Jessica te Heesen (zum wiederholten Male) <strong>im</strong><br />
Rahmen eines Psychologie-Seminars der Fachhochschule für öffentliche<br />
Verwaltung Duisburg über das Asylverfahren informieren. Die Einführung und<br />
Begrüßung auf dem „Hotelschiff SIESTA“ sowie eine Führung über das Schiff wurde<br />
durch Herrn Bezold vom Amt für soziale Sicherung übernommen. Für eine Themen-<br />
Einheit zur Frage der Erkennung von Traumatisierung <strong>im</strong> Asylverfahren konnten wir Frau<br />
Michaelsen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewinnen. Unsere<br />
Dolmetscherin Giti Sadi wirkte bei der Gestaltung einer Unterrichtseinheit über das<br />
Leben von Flüchtlingen und die psychischen Belastungen bei langjähriger<br />
Aufenthaltsunsicherheit mit.<br />
Informationen <strong>im</strong> Stadtteil Heerdt über das Schiff<br />
Aufgrund von Gerüchten über die mögliche Verlegung des Schiffes von Hamm nach<br />
Heerdt gab es <strong>im</strong> Mai ein Treffen von Anwohner/innen in einer Gaststätte in Heerdt, in<br />
dem diese über ihre Sorgen und Befürchtungen über die möglichen Auswirkungen auf<br />
ihr Wohngebiet diskutierten. Vertreter der Stadtverwaltung berichteten über den<br />
tatsächlichen Stand der Planungen, wodurch sich recht schnell herausstellte, dass das<br />
Schiff voraussichtlich am alten Standort bleiben würde (was sich inzwischen bestätigt<br />
hat). Das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat nahm als gesamtes Team an dieser<br />
Veranstaltung teil. Unterstützt durch Herrn Superintendent Jerzembeck-Kuhlmann<br />
konnten wir über die Lebenssituation der Flüchtlinge zu Beginn des Asylverfahrens<br />
informieren und für Verständnis in der Anwohnerschaft werben. In anschließenden<br />
Gesprächen mit einzelnen Teilnehmer/innen an der Veranstaltung kamen sehr gute<br />
Kontakt zustande; eine der auf der Veranstaltung anwesenden Frauen organisierte <strong>im</strong><br />
Stadtteil daraufhin eine große Handtücher-Spendenaktion für das Asylschiff, durch die<br />
wir viele Flüchtlinge mit Handtüchern versorgen konnten.<br />
Veranstaltungen mit Fortbildungscharakter<br />
Aufgrund verschiedener problematischer Situationen <strong>im</strong> Flughafenverfahren, bei denen<br />
kranke Asylsuchende in das Diakonie-Krankenhaus Kaiserswerth (Florence-<br />
Nightingale-Krankenhaus) eingeliefert worden waren, war bereits <strong>im</strong> Jahr 2005 in einem<br />
56<br />
Öffentlliichkeiitsarbeiit
Gespräch des Diakonischen Werkes mit der Krankenhaus-Leitung vereinbart worden,<br />
eine Fortbildungsveranstaltung für Ärzt/innen durchzuführen. In Absprache mit<br />
Herrn Dr. Pernice, Oberarzt am FNK, konnte <strong>im</strong> Juli bei einer krankenhausinternen<br />
Fortbildung in verschiedenen Vorträgen (Jessica te Heesen über das Flughafenverfahren,<br />
Birgül Kahraman über die Abschiebungsbeobachtung und Eva van Keuk/ PSZ Düsseldorf<br />
über psychische Traumatisierung) über die Situation schwer kranker und traumatisierter<br />
Flüchtlinge informiert werden.<br />
Im April wurden Corrie Voigtmann und Jessica te Heesen von der Station MX1 der<br />
Uniklinik eingeladen, über das Asylverfahren und besondere Schwierigkeiten schwer<br />
kranker Flüchtlinge zu informieren. Anlass dafür war die <strong>im</strong>mer wieder notwendige und<br />
gute Kooperation zwischen dieser Station und dem <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat in<br />
Fällen von Flüchtlingen mit HIV/ Aids und anderen hoch infektiösen Krankheiten.<br />
Eine weitere wichtige Veranstaltung zur Kooperation und Information war ein<br />
Arbeitstreffen des Netzwerks AIDS-Seelsorge in Wuppertal <strong>im</strong> November, in dem<br />
Jessica te Heesen in einem Vortrag über die Thematik Aids/ Krankheit als<br />
Abschiebungshindernis berichten konnte.<br />
Veranstaltungen<br />
Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />
Frauentag<br />
Inzwischen ist es schon fast Tradition, dass wir einmal jährlich in Zusammenarbeit mit<br />
dem <strong>Evangelische</strong>n Frauenreferat und dem Psychosozialen Zentrum Düsseldorf eine<br />
Veranstaltung für Frauen organisieren, in dem das Kennenlernen und das Feiern <strong>im</strong><br />
Mittelpunkt stehen.<br />
Auch <strong>im</strong> Jahr 2006 fand eine solche Veranstaltung statt, diesmal anlässlich des<br />
Internationalen Frauentages; als weitere Kooperationspartnerinnen kamen die<br />
konfessionellen frauen düsseldorf hinzu.<br />
Am 11. März trafen sich 40 Frauen aus vielen verschiedenen Ländern in der<br />
Kreuzeskirche zu einem Tag unter dem Motto „Frauen treffen Frauen: Fremdes achten –<br />
Frieden suchen“.<br />
Neben Musik, Tanz und gemeinsamem Essen stand ein Gespräch in spielerischer Form<br />
<strong>im</strong> Mittelpunkt, in dem jede Frau anhand ihrer eigenen Biografie über das berichtete,<br />
was ihr in der Fremde geholfen hat. Sehr eindrucksvolle Lebensgeschichten und<br />
teilweise überraschende Gemeinsamkeiten wurden deutlich.<br />
Fachtagung zur Dublin<br />
II-Verordnung<br />
In Kooperation mit dem<br />
Psychosozialen Zentrum<br />
und Barbara Gladysch fand<br />
<strong>im</strong> August eine Fachtagung<br />
zum Thema<br />
„Tschetschenische<br />
Flüchtlinge in Polen und die<br />
Auswirkungen der<br />
Verordnung Dublin II“ statt.<br />
57
Neben einem Bericht von<br />
Malika Abdoulva-khabova<br />
über das Asyl-recht in Polen<br />
und die Lebensbedingungen<br />
der Flüchtlinge dort sowie<br />
einem Vortrag der<br />
Rechtsanwältin Klaudia Dolk<br />
über die Umset-zung der<br />
Dublin-Verord-nung in<br />
Deutschland war ein<br />
Höhepunkt dieser<br />
Veranstaltung der Film<br />
„Lieber Musl<strong>im</strong>“, der<br />
Original-Szenen aus dem<br />
Leben eines Journalisten-<br />
Ehepaars in Tschetschenien<br />
vor ihrer Flucht sowie<br />
(Die Referentin Malika Abdoulvakhabova) Interviews mit ihnen in Polen zeigt und ihr<br />
Schicksal äußerst eindrücklich und<br />
bewegend darstellt. Der Film wurde uns von der Regisseurin Kerstin Nickig persönlich<br />
vorgeführt und erläutert. Für das anwesende Fachpublikum, das konkret in der<br />
praktischen Arbeit mit den so genannten DÜ-Verfahren befasst ist, war es eine<br />
informative und gleichzeitig tief beeindruckende Veranstaltung.<br />
NRW-Fest am Rheinufer<br />
Anlässlich des 60. Geburtstages des Landes NRW fand am Wochenende des 26. und 27.<br />
August ein großes Fest am Rheinufer statt, bei dem sich Institutionen und Initiativen<br />
präsentieren konnten.<br />
Gemeinsam mit dem Psychosozialen Zentrum und dem Z.I.B.B. (Zentrum für<br />
Interkulturelle Begegnung und Beratung) organisierten wir eine Foto-Ausstellung mit<br />
Portraits von „Eingeborenen“, Flüchtlingen und anderen Migrant/innen unter dem Motto<br />
„Nachbarschaftlich-Respektvoll-Weltoffen“. Am Infostand konnte man sich über die<br />
evangelische Flüchtlings- und Migrationsarbeit in Düsseldorf informieren und an einer<br />
Fotoaktion teilnehmen, bei der gleichzeitig Wünsche für ein nachbarschaftliches und<br />
weltoffenes NRW formuliert wurden.<br />
Unterstützt wurden wir nicht nur von Mitgliedern des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises Asyl,<br />
die sehr engagiert am Infostand mit den Vorübergehenden ins Gespräch kamen,<br />
sondern auch von einer kleinen Improvisations-Theatergruppe sowie der<br />
Trommelgruppe des evangelischen Notfallseelsorgers Olaf Schaper.<br />
Afrikan. Nobelpreisträgerin Wangari Maattai<br />
Im September waren wir in Zusammenarbeit mit der Organisation SGI-D (Soka Gakkai<br />
International- Deutschland) Mit-Veranstalterinnen einer Lesung aus dem Buch Wangari<br />
Maathai – Mutter der Bäume über die Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai mit<br />
einem Vortrag sowie einer anschließenden äthiopischen Kaffeezeremonie. Daniela Bröhl<br />
repräsentierte das Flüchtlingsreferat auf dieser Veranstaltung.<br />
58<br />
Öffentlliichkeiitsarbeiit
Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />
Infotag Kosovo<br />
Als Kooperationsveranstaltung des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates mit dem<br />
Psychosozialen Zentrum Düsseldorf und der Flüchtlingsberatung des DRK fand <strong>im</strong><br />
Oktober der Kosovo-Infotag mit dem Thema „Gibt es Chancen auf ein Bleiberecht?“<br />
statt, bei dem Kerstin Leidt, Rechtsanwältin aus Duisburg, und Claus-Ulrich Prölß,<br />
Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, über die Rechtsprechung des OVG NW zu<br />
psychischen Erkrankungen und über den aktuellen Stand in Bezug auf die<br />
bevorstehende Bleiberechtsregelung informierten.<br />
Das Jubiläum des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises Asyl<br />
Für uns als <strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat bildete die Jubiläumsfeier des <strong>Evangelische</strong>n<br />
Arbeitskreises Asyl anlässlich seines 15-jährigen Bestehens den klaren Veranstaltungs-<br />
Höhepunkt des Jahres 2006.<br />
Der Arbeitskreis blickte zurück auf seine 15-jährige Geschichte. In einer Rede unseres<br />
ehemaligen Superintendenten Gerhard Gericke wurde noch einmal hervorgehoben, mit<br />
wie viel Engagement die Mitglieder des Arbeitskreises sich in all den Jahren für eine<br />
gerechte Behandlung von Flüchtlingen in Düsseldorf eingesetzt haben und dass das<br />
Flüchtlingsreferat sein Entstehen letztlich diesem Arbeitskreis verdankt.<br />
Das Besondere an diesem Abend war jedoch die Begegnung des Arbeitskreises mit<br />
einigen der Flüchtlinge, über deren Schicksale wir in vielen Sitzungen berichtet hatten<br />
und die auf vielfältige Weise, teilweise durch praktische Unterstützung oder auch durch<br />
gute Ratschläge und hilfreiche Hinweise, vom Arbeitskreis begleitet worden waren.<br />
Ein Spiel mit einem bunten Sprungtuch, das die Vielfalt aller Anwesenden symbolisierte,<br />
bot die Gelegenheit, darüber ins Gespräch zu kommen, was die jeweiligen Menschen mit<br />
dem <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreis Asyl verbindet.<br />
59
Für unsere Klient/innen war dies eine Gelegenheit, sich für den Rückhalt, den sie durch<br />
die Unterstützung der evangelischen <strong>Kirche</strong> – und zwar nicht nur durch das<br />
Flüchtlingsreferat als solches, sondern auch durch die dahinter stehende Institution<br />
<strong>Kirche</strong> - zu bedanken. In sehr bewegenden Worten drückte jede und jeder der<br />
anwesenden Flüchtlinge auf ganz individuelle Weise, zum Teil in deutscher Sprache, zum<br />
Teil mit Hilfe unserer Dolmetscher/innen, ihren Dank an die evangelische <strong>Kirche</strong> aus.<br />
Herzlichen Dank auch an Frau von Weiß, die an diesem Abend für die schöne<br />
musikalische Begleitung sorgte.<br />
Weihnachten auf dem Schiff<br />
An Heiligabend und am ersten Weihnachtstag sorgte Corrie Voigtmann mit der<br />
Unterstützung von ehrenamtlichen Helfer/innen dafür, dass sich die Flüchtlinge in<br />
Deutschland in der Weihnachtszeit willkommen fühlten.<br />
An Heiligabend schmückte sie den Aufenthaltsraum, verteilte von der Bäckerei<br />
Masmeier aus Garath gespendetes Gebäck und Kuchen und sorgte damit für<br />
weihnachtliche Atmosphäre.<br />
Das Schönste für die Flüchtlinge waren jedoch die Weihnachtsgeschenke, die sie am<br />
ersten Weihnachtstag erhielten:<br />
Frau Gerda Friedrich und Frau Margret Preis aus der evangelischen <strong>Kirche</strong>ngemeinde<br />
Urdenbach hatten schon viele Wochen zuvor begonnen, in ihrer Gemeinde und <strong>im</strong><br />
Bekanntenkreis dafür zu werben, Weihnachtsgeschenke in mit Geschenkpapier<br />
beklebten Schuhkartons zu verpacken. Als Hilfestellung für die Schenkenden hatten sie<br />
eine Liste mit für die Flüchtlinge schönen und nützlichen Dingen zusammengestellt.<br />
168 Geschenkpakete kamen zusammen, die am Weihnachtstag <strong>im</strong> Rahmen einer<br />
Weihnachtsfeier und teilweise auch noch in den Tagen danach den Flüchtlingen<br />
überreicht wurden. Die Flüchtlinge auf dem Schiff waren sehr glücklich und gerührt über<br />
die liebevoll zusammengestellten, jeweils ganz individuell gestalteten Geschenke. Ein<br />
afrikanischer Mann, der in seinem Päckchen einen Brief mit der Aufschrift „God bless<br />
you“ fand, war darüber überglücklich und dankte Frau Voigtmann strahlend mit den<br />
Worten, dies sei sein Glückstag.<br />
60<br />
Öffentlliichkeiitsarbeiit
Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />
Schlussfolgerungen und Ausblick<br />
Die Erfahrungen aus dem Jahr 2006 haben erneut bestätigt, dass die Schwerpunkte, die<br />
wir in der Beratung und Betreuung der Flüchtlinge setzen, genau den Bedürfnissen<br />
unserer Klientinnen und Klienten entsprechen:<br />
1. Beistand und Beziehungsaufbau in Krisensituationen<br />
Gerade in der Anfangsphase des Asylverfahrens sind viele – mit steigender Tendenz- in<br />
einem außerordentlich schlechten Zustand: erschöpft, manche körperlich und psychisch<br />
schwerstkrank, orientierungslos, entwurzelt. Sie haben ihr Zuhause, ihre Familie, ihren<br />
Besitz verloren, kurz: alles, was ihnen Sicherheit gegeben hatte.<br />
Sofort beginnt das Asylverfahren, die Flüchtlinge wissen nicht, was mit ihnen geschieht,<br />
welche Termine sie wahrnehmen müssen und was diese bedeuten; sie sind unsicher,<br />
wem man vertrauen kann.<br />
Die erste Anlaufstelle für diese Menschen ist das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat:<br />
Wir versuchen herausfinden, wer besonders schutzbedürftig ist, wir informieren,<br />
begleiten und sind Beistand.<br />
Unsere Ziele sind es, ihnen die Angst vor dem Verfahren zu nehmen, sie zu ermutigen<br />
und dabei zu unterstützen, dass die authentische Geschichte mit allen wesentlichen<br />
Aspekten in einem möglichst fairen Verfahren gewürdigt wird.<br />
In einigen Fällen <strong>im</strong> vergangenen Jahr hörten wir von unseren Klientinnen, dass wir die<br />
ersten Personen waren, denen sie sich mit ihrem schweren Schicksal anvertrauen<br />
konnten. Sie hatten <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland mit keinem ihrer Freunde oder Angehörigen<br />
sprechen können, um diese nicht auch noch zu gefährden.<br />
Frau S., die schwerstkranke Frau, die wir <strong>im</strong> Florence-Nightingale-Krankenhaus und<br />
nach ihrer Entlassung so lange betreuten, fasste ihren Dank für das Sich-Anvertrauen-<br />
Können mit den folgenden Worten zusammen:<br />
„Danke für Ihre Menschlichkeit. Menschliche Beziehungen sind <strong>im</strong> Leben das Wichtigste:<br />
Sie heilen die Seele.“<br />
2. Koordinationsstelle und „Ruhepol“<br />
Egal, in welcher Phase des Asylverfahrens oder des Aufenthaltes sich die Flüchtlinge<br />
befinden: Die meisten von ihnen empfinden ihre Lage als äußerst verunsichernd, oft<br />
unübersichtlich, manchmal sogar bedrohlich.<br />
Nicht nur die Unüberschaubarkeit des Asylverfahrens und das Gefühl der<br />
Fremdbest<strong>im</strong>mung durch die vielen verwirrenden Regeln und Mitwirkungspflichten, auch<br />
die oftmals sehr unangenehmen Lebensumstände in den Flüchtlingsunterkünften und<br />
die lange Aufenthaltsunsicherheit bewirken, dass die Flüchtlinge den Eindruck haben, in<br />
Deutschland nie zur Ruhe kommen zu können und sich in einem nicht enden wollenden<br />
Chaos zu befinden.<br />
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Um dieser großen Unsicherheit etwas entgegenzusetzen, bedarf es einer umfassenden<br />
Betreuung, die wir mit Hilfe unserer Projekte versuchen anzubieten.<br />
Die Netzwerke aus hauptamtlichen Berater/innen, Sprach- und Kulturmittler/innen, die<br />
persönlich und telefonisch Kontakt halten sowie ehrenamtlichen Betreuern helfen dabei,<br />
dass die Flüchtlinge sich wie in einem Netz aufgefangen fühlen.<br />
Dabei ist es entscheidend, ihnen zu vermitteln, dass an einer Stelle „die Fäden zusammenlaufen“.<br />
Gerade bei traumatisierten Menschen, die besonders unter dem Gefühl des<br />
Kontrollverlusts leiden, ist dies von entscheidender Bedeutung.<br />
3. <strong>Kirche</strong> als unterstützende und vertrauenswürdige Institution<br />
Wir erleben häufig, dass die Flüchtlinge sofort nach ihrer Einreise die <strong>Kirche</strong> als die<br />
Institution in Deutschland kennen lernen, die für sie da ist und der sie vertrauen<br />
können.<br />
Besonders deutlich wurde dies auf der Jubiläumsfeier des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises<br />
Asyl:<br />
Alle Flüchtlinge, die uns kennen gelernt haben - egal ob sie schon viele Jahre in<br />
Deutschland sind oder erst ganz kurz, zudem sind die meisten von ihnen sind Musl<strong>im</strong>e -,<br />
bedankten sich bei der evangelischen <strong>Kirche</strong> für die Menschlichkeit und Wärme, die<br />
ihnen entgegen gebracht wurde.<br />
Für sie alle war es sofort völlig klar, dass hinter den einzelnen helfenden Menschen „die<br />
<strong>Kirche</strong>“ steht.<br />
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Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />
(Klientin in ihrem Übergangswohnhe<strong>im</strong> für Flüchtlinge)
Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />
Ein Beispiel veranschaulicht dies sehr gut:<br />
Herr A. aus dem Iran wurde wenige Wochen nach seiner Einreise von einem<br />
Behördenmitarbeiter aufgefordert, diesem best<strong>im</strong>mte Informationen zu geben.<br />
Herr A. war zuerst verunsichert und gab zur Antwort: „Das muss ich erst mit den<br />
Mitarbeiterinnen des Flüchtlingsreferates besprechen. Ich vertraue hier in Deutschland<br />
nur der evangelischen <strong>Kirche</strong>.“<br />
Es ist uns deutlich geworden, dass unsere Arbeit einen großen Teil Seelsorge beinhaltet<br />
- für (Mit-)Menschen, die sich in ganz besonderen Notlagen befinden und die in dieser<br />
Not Menschen brauchen, die ihnen ein Stück ihrer Last tragen helfen und Hilfen geben,<br />
um an Leib und Seele wieder heil zu werden.<br />
Klienten aus dem Kaukasus, Dolmetscher/innen, Corrie Voigtmann und Birgül Kahraman<br />
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Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat Düsseldorf<br />
Bastionstrasse 6<br />
40213 Düsseldorf<br />
Tel. 0211-8985/229<br />
Fax 0211-8985-201<br />
E-Mail: fluechtlingsreferat@evdus.de<br />
Internet: www.evangelisch-in-duesseldorf.de<br />
Redaktion: Jessica te Heesen<br />
Textbeiträge von Daniela Bröhl, Birgül Kahraman, Corrie Voigtmann<br />
und Miguel Temprano<br />
Fotos: Daniela Bröhl, Elena Adamovskaja (S. 36), Miguel Temprano (S. 18)<br />
Layout: Claudia Mans-Althoff<br />
Copyright 2007 <strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat<br />
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Impressum