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pdf-Dokument - Evangelische Kirche im Rheinland

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Gefördert durch:<br />

<strong>Kirche</strong>nkreisverband Düsseldorf<br />

<strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat<br />

2006<br />

JAHRESBERICHT<br />

Europäischer Flüchtlingsfonds


Inhalltsverzeiichniis<br />

Einleitung 5<br />

Überblick 7<br />

Asylverfahrensberatung 12<br />

EFF-Projekt „Sozialer Beistand“ 16<br />

Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren 34<br />

Rückkehrberatung 40<br />

Kooperationen 47<br />

Öffentlichkeitsarbeit 54<br />

Schlussfolgerungen und Ausblick 61<br />

Impressum 64<br />

3


Einleitung<br />

„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“<br />

Mit diesem Zitat von Hermann Hesse charakterisierte unsere Praktikantin Sarah<br />

Hemmes am Ende ihres 7-monatigen Praktikums den Kern der Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n<br />

Flüchtlingsreferates.<br />

In der Tat gibt es Momente in der Arbeit mit den Flüchtlingen, in denen es aus den<br />

verschiedensten Gründen so scheint, als sei ihre Situation ausweglos. Ihr Asylverfahren<br />

- und damit auch ihr gesamtes Leben - ist an einer best<strong>im</strong>mten Stelle in eine Sackgasse<br />

geraten.<br />

Aus Scham oder Verdrängung konnten sie wesentliche Gründe, die zu ihrer Flucht<br />

geführt haben, nicht schildern. Sie fühlten sich durch einzelne<br />

Behördenmitarbeiter/innen missverstanden oder schlecht behandelt. Sie waren kurz<br />

nach dem Überstehen ihrer Flucht mit best<strong>im</strong>mten Dingen – zum Beispiel ihrer<br />

Gesundheit oder der Gesundheit ihrer Kinder, mit der Suche nach verschwundenen<br />

Angehörigen, mit der Orientierung in einem fremden Land – so überfordert und<br />

blockiert, dass sie sich nicht auf das Wesentliche in ihrem Asylverfahren konzentrieren<br />

konnten.<br />

Kurz gesagt: Irgendetwas „ging schief“. In solchen Situationen wenden sich Flüchtlinge<br />

an uns und bitten uns, oftmals sehr verzweifelt, um Hilfe. Dann kommt es vor, dass<br />

große Anstrengungen unternommen werden müssen, um zu versuchen, aus der<br />

Sackgasse wieder herauszukommen.<br />

Viele Recherchen sind notwendig, akribisch muss die Fluchtgeschichte nochmals<br />

aufgearbeitet werden. In Zusammenarbeit mit Rechtsanwält/-innen, Psychotherapeut/innen<br />

und Hilfsorganisationen muss die gesamte Biographie, wie in einem Puzzle, zu<br />

einem nachvollziehbaren Ganzen zusammengefügt werden.<br />

Dann kann es <strong>im</strong> Einzelfall gelingen, dass das zunächst unmöglich Scheinende – nämlich<br />

den verfolgten und schutzbedürftigen Menschen trotz aller Hindernisse zu ihrem Recht<br />

zu verhelfen – doch noch möglich wird.<br />

Solche Erfolgserlebnisse und das Miterleben von Freude und Erleichterung bei unseren<br />

Klientinnen und Klienten, wenn sie endlich, oft nach jahrelanger Unsicherheit anerkannt<br />

werden, sind es, die uns <strong>im</strong>mer wieder ermutigen, uns auch für die „unmöglichen“ Fälle<br />

einzusetzen.<br />

Düsseldorf, <strong>im</strong> März 2007<br />

Jessica te Heesen<br />

EINLEITUNG<br />

5


Zum Titelbild dieses Jahresberichtes<br />

Das Deckblatt dieses Berichtes zeigt einen der Einsatzorte, an denen das <strong>Evangelische</strong><br />

Flüchtlingsreferat tätig ist: das „Hotelschiff SIESTA“, den Ort, an dem Flüchtlinge, die<br />

sich in Nordrhein-Westfalen melden, in den ersten Tagen ihres Asylverfahrens<br />

untergebracht sind.<br />

Das Bild zeigt diesen Ort nicht objektiv, so wie es ein Foto tun würde.<br />

Man könnte also meinen, es sei deshalb nicht realistisch. Da es sich um ein gemaltes<br />

Bild handelt, stellt es „nur“ die subjektive Wirklichkeit des kleinen Künstlers, der dieses<br />

Bild geschaffen hat, dar – und zeigt dadurch vielleicht deutlicher die Wirklichkeit der<br />

Flüchtlinge, als ein Foto dies könnte.<br />

Was fällt auf be<strong>im</strong> Betrachten des Bildes?<br />

Das Schiff wird hat eine freundliche Ausstrahlung. Es ist bunt, mit Vorhängen<br />

geschmückt, und die Sonne scheint an einem blauen H<strong>im</strong>mel.<br />

Man könnte an Urlaub denken, an ein Ausflugs- oder ein Kreuzfahrtschiff. Der Name<br />

„Hotelschiff SIESTA“ scheint dazu zu passen.<br />

Menschen, die dieses „Hotelschiff“ schon einmal besucht haben, werden sich vermutlich<br />

über die Darstellung des Schiffes wundern. Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des<br />

<strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates, nehmen es nämlich oft als trostlos aussehenden,<br />

unfreundlichen Ort wahr, insbesondere wenn man ihn in seiner wenig einladenden<br />

Umgebung sieht: Ein Industriegebiet am Rande Düsseldorfs, nicht sehr weit entfernt<br />

vom eleganten Medienhafen. Auf der nahe gelegenen Durchfahrtsstraße rauschen die<br />

LKW vorbei, so dass man um seine Sicherheit fürchten muss, wenn man sich vom Schiff<br />

aus in Richtung S-Bahnhof oder Innenstadt bewegen möchte. Hinzu kommt der oft<br />

beißende Geruch, der aus einer Futtermittelfabrik in die Luft strömt.<br />

Und doch erleben einige seiner „Bewohner“ dieses Schiff als einen positiven Ort: als<br />

Zufluchtsort nach einer langen und beschwerlichen Flucht, als einen Ort, an dem sie sich<br />

endlich einmal in Sicherheit fühlen können.<br />

Was für unsere Klientinnen und Klienten wichtig ist, damit sie sich an diesem Ort sicher<br />

und aufgehoben fühlen, und wie wir uns bemühen, einen Beitrag dazu zu leisten, davon<br />

handelt der folgende Bericht.<br />

6<br />

EINLEITUNG


Arbeitsschwerpunkte<br />

Arbeitsschwerpunkte <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat waren <strong>im</strong> Jahr 2006 wie in den<br />

Jahren zuvor die Verfahrensberatung sowie das durch den Europäischen<br />

Flüchtlingsfonds (EFF) geförderte Projekt „Vertrauensbildende Maßnahmen –<br />

Perspektivenberatung – Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer<br />

Beistand“.<br />

Ein weiterer, noch relativ neuer Arbeitsbereich ist die Rückkehrberatung.<br />

Standorte<br />

Wie auch in den Vorjahren, wurde der zahlenmäßig größte Anteil unserer Klientinnen<br />

und Klienten auf dem „Hotelschiff SIESTA“ <strong>im</strong> Düsseldorfer Hafen beraten und<br />

betreut. Trotz unserer häufigen Anwesenheit mit mehreren Beraterinnen und<br />

Dolmetscher/innen auf dem Schiff konnten wir dennoch auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr nicht<br />

alle bedürftigen Flüchtlinge mit einer Beratung und Betreuung erreichen.<br />

Der Wohncontainer am Flughafen Düsseldorf ist die Unterkunft für die Flüchtlinge,<br />

bei denen das Flughafenverfahren nach § 18a AsylVerfG durchgeführt wird. In allen dort<br />

vorkommenden Fällen fand eine umfassende Begleitung der Asylsuchenden durch das<br />

gesamte Verfahren statt.<br />

In unseren Beratungsräumen in der ersten Etage <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> wurden<br />

einige der auf dem Schiff untergebrachten Einzelpersonen und Familien beraten, die<br />

eine ausführliche Beratung in geschütztem Rahmen benötigten. Darüber hinaus suchten<br />

uns hier zahlreiche Klientinnen und Klienten auf, die wir durch die weiteren Phasen ihres<br />

Verfahrens begleiteten.<br />

In den Fällen, in denen das Verfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, werden<br />

die noch bestehenden aufenthaltsrechtlichen Perspektiven besprochen. Auch die Frage,<br />

ob eine Ausreise ins Herkunftsland sinnvoll und gewünscht ist, kann hier in Ruhe und<br />

ohne Druck thematisiert werden.<br />

Die Rückkehrberatung findet in unserem Beratungsbüro in der zweiten Etage <strong>im</strong><br />

Haus der <strong>Kirche</strong> statt.<br />

A s ylverfa<br />

h re n sb<br />

e ra tu n g<br />

ÜBERBLICK<br />

S ta n d o rte<br />

S c h iff H a u s d e r K irc h e F lu g h a fe n<br />

P ro je kt<br />

S o zia le r<br />

B e ista n d<br />

A s ylverfa<br />

h re n sb<br />

e ra tu n g<br />

R ü ckkehrb<br />

e ra tu n g<br />

2 .0 06 P e rso ne n in sge sam t<br />

P ro je kt<br />

S o zia le r<br />

B e ista n d<br />

A s ylve<br />

rfa h re n sb<br />

e ra tu n g<br />

7


Das Team<br />

Leiterinnen des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates sind Daniela Bröhl<br />

(Personal/Finanzen/Projekte) und Jessica te Heesen (Außenvertretung/<br />

Öffentlichkeitsarbeit/Fundraising), beide sind mit einer Vollzeitstelle <strong>im</strong> Bereich der<br />

Verfahrensberatung tätig.<br />

Für die Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren bestand zunächst Unsicherheit<br />

darüber, ob bzw. in welcher Höhe wir durch das Land Nordrhein-Westfalen eine<br />

Förderung dieser Arbeit erhalten würden.<br />

Bedauerlicherweise konnte durch allgemeine Kürzungen nur noch eine ¼-Stelle<br />

gefördert werden. Aufgrund des langen Wartens auf den Zuwendungsbescheid mussten<br />

wir uns in der ersten Jahreshälfte (in Absprache mit der Bezirksregierung Arnsberg) mit<br />

Honorarstellen behelfen. Die Honorartätigkeiten wurden in den Monaten Januar bis<br />

März von Moritz Rudzio und von April bis Juni von Miguel Temprano (<strong>im</strong> Mai und Juni<br />

in Einzefällen vertreten von Nadia Helmke-Fatehpour) übernommen.<br />

Von Juli bis Dezember konnten wir Miguel Temprano dann – nach Erhalt des<br />

Zuwendungsbescheides - mit einem Arbeitsvertrag für ¼-Stelle für die Beratung <strong>im</strong><br />

Flughafenverfahren einstellen.<br />

Im EFF-Projekt „Vertrauensbildende Maßnahmen – Perspektivenberatung –<br />

Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer Beistand“ war als<br />

Projektmitarbeiterin in der sozialen Betreuung Corrie Voigtmann mit einer halben<br />

Stelle tätig.<br />

8<br />

ÜBERBLICK<br />

v.l.o. Miguel Temprano, Corrie Voigtmann, Claudia Mans-Althoff,<br />

Jessica te Heesen, Daniela Bröhl, Birgül Kahraman<br />

Für den Bereich der<br />

Rückkehrberatung<br />

wurden Birgül<br />

Kahraman mit 8,5<br />

Stunden und Miguel<br />

Temprano seit April<br />

als Honorarkraft und<br />

seit Juli mit einem<br />

Arbeitsvertrag mit<br />

11,5 Stunden<br />

eingestellt.<br />

In den ersten 3 Monaten des Jahres waren – wegen des noch fehlenden<br />

Zuwendungsbescheides – diese 11,5 Stunden durch eine Honorartätigkeit von Giti<br />

Sadi abgedeckt worden.


Für den Sekretariatsbereich verantwortlich war Claudia Mans-Althoff mit 12,5<br />

Stunden <strong>im</strong> Flüchtlingsreferat.<br />

Von Januar bis Juli leistete Sarah Hemmes vor Beginn ihres Jurastusdiums ein<br />

freiwilliges Praktikum <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat ab. Ihre Tätigkeit war für uns<br />

eine sehr große Unterstützung, insbesondere in der Betreuung der Klient/innen, aber<br />

auch bei den umfangreichen Verwaltungsaufgaben.<br />

Weitere Unterstützung erhielten wir von teils ehrenamtlich, teils auf Honorarbasis<br />

tätigen Sprach- und Kulturmittler/-innen <strong>im</strong> EFF-Projekt sowie in der Verfahrens-<br />

und Rückkehrberatung.<br />

Birgül Kahraman<br />

Rückkehrberatung<br />

Jessica te Heesen<br />

Verfahrensberatung<br />

Leitung<br />

Corrie Voigtmann<br />

EU-Projekt<br />

„Sozialer Beistand“<br />

ÜBERBLICK<br />

Das Team<br />

Claudia Mans-Althoff<br />

Sekretariat<br />

Daniela Bröhl<br />

Verfahrensberatung<br />

Leitung<br />

Miguel Temprano und Honorarkräfte<br />

Verfahrensberatung am Flughafen<br />

Rückkehrberatung<br />

Honorarkräfte<br />

Ehrenamtliche<br />

Leitung: Jessica te Heesen und Daniela Bröhl; Verantwortung für die Projekte: Daniela Bröhl<br />

9


Statistik<br />

Im vergangenen Jahr wurden <strong>im</strong> <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat insgesamt 2006<br />

Menschen beraten und betreut.<br />

10<br />

215<br />

Personen<br />

180<br />

146 142<br />

97<br />

Haupt-Herkunftsländer der vom Ev. Flüchtlingsreferat<br />

beratenen Flüchtlinge 2006<br />

74<br />

Irak<br />

Russ. Föd.<br />

Ghana<br />

Iran<br />

Türkei<br />

Kamerun<br />

62 61 61<br />

Serbien<br />

Libanon<br />

Syrien<br />

Niger<br />

Aserbeidschan<br />

53 50 47 47 47 45 40 34 34 29 29 28 27 27 26 26 22 20<br />

Algerien<br />

Marokko<br />

Ägypten<br />

Armenien<br />

Pakistan<br />

Kongo<br />

Myanmar<br />

Eritrea<br />

Afghanistan<br />

Äthiopien<br />

Weißrussland<br />

Guinea<br />

Georgien<br />

Indien<br />

Tunesien<br />

Angola<br />

Die Haupt-Herkunftsländer waren Irak, die Russische Föderation, Ghana, Iran und die<br />

Türkei.<br />

Die hohe Anzahl der Personen aus Ghana lässt sich dadurch erklären, dass sehr viele<br />

hochschwangere Frauen aus Ghana auf dem Schiff waren, die von uns <strong>im</strong> Rahmen<br />

unseres EFF-Projektes betreut und mit Kleidung und anderen Hilfen versorgt wurden.<br />

Eine Beratung und Betreuung wurde von 1256 Männern (62,6 %) und 750 Frauen<br />

(37,4 %) in Anspruch genommen.<br />

1256<br />

750<br />

2006<br />

Weiblich<br />

Männlich<br />

insgesamt<br />

Personen in der Beratung 2006<br />

47 40<br />

ÜBERBLICK<br />

773 1021<br />

68 1 56<br />

2006<br />

0-17 F.<br />

0-17 u.<br />

18-27<br />

28-49<br />

50-64<br />

65 u.ä.<br />

Alter unbek.<br />

insgesamt<br />

17 95 97 2<br />

Erlaubnis<br />

Gestattung<br />

Duldung<br />

anderer Titel<br />

1737<br />

58<br />

2006<br />

ohne Titel<br />

o. A.<br />

insgesamt<br />

1. Geschlecht 2. Altersgruppe 3. Aufenthaltsstatus


Der größte Teil unserer Klientinnen und Klienten ist in den Altersgruppen von 28-49 und<br />

18-27 Jahren. 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden von uns während des<br />

Aufenthalts auf dem Asylschiff unterstützt.<br />

Die meisten der Flüchtlinge auf dem Schiff werden von uns vor ihrer Anhörung beraten<br />

und sind noch nicht <strong>im</strong> Besitz einer Aufenthaltsgestattung (daher „ohne Titel“). Die Zahl<br />

der Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung (= <strong>im</strong> laufendem Asylverfahren) und mit<br />

Duldung (= nach negativ abgeschlossenem Asylverfahren) ist mit 95 bzw. 97 Personen<br />

in etwa gleich hoch.<br />

Abs<br />

Arech<br />

Unterbr.<br />

Gesdh.<br />

PP/T<br />

Umv.<br />

Exist.<br />

AuF<br />

ÜBERBLICK<br />

AsVer<br />

Themenschwerpunkte <strong>im</strong> Jahr 2006<br />

AsVer = Asylverfahren<br />

AuF= Aufarbeitung der<br />

Fluchtgeschichte<br />

Umv= Umverteilung<br />

Arech= Aufenthaltsrecht<br />

Abs= Abschiebung<br />

PP/T=<br />

Psych.Probleme/Traumatisierung<br />

Gesdh= Gesundheit<br />

Unterb= Unterbringung<br />

Exist= Existenzsicherung<br />

Anmerkungen zur Statistik:<br />

Da unser Angebot auf dem Schiff niedrigschwellig ist, können wir dort keine genauen<br />

statistischen Daten erheben.<br />

Insbesondere die Altersangaben beruhen oftmals auf unseren Schätzungen.<br />

Außerdem nehmen wir nur in wenigen Fällen die Namen der beratenen Personen auf,<br />

und es besteht nicht <strong>im</strong>mer die Gelegenheit, uns über die erfolgten Beratungen<br />

gegenseitig zu informieren; daher sind Doppelzählungen nicht ausgeschlossen.<br />

11


Asylverfahrensberatung<br />

Schwerpunkt der Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates ist seit dessen Bestehen<br />

die Asylverfahrensberatung, insbesondere in der Aufnahmesituation auf dem Schiff, aber<br />

auch in den weiteren Phasen des Asylverfahrens.<br />

In den vergangenen Jahren hat sich unser Fokus mehr und mehr auf die Personen<br />

gerichtet, die aufgrund erlittener Gewalterfahrungen und daraus folgenden<br />

Traumafolgestörungen, schwerer körperlicher Erkrankungen oder sonstiger besonderer<br />

Schutzbedürftigkeit eine intensive Stützung und Beratung benötigen.<br />

Gerade für das vergangene Jahr lässt sich feststellen, dass die in unserer<br />

Verfahrensberatung intensiv betreuten Flüchtlinge ausschließlich Teilnehmer/innen des<br />

EFF-Projektes bzw. besonders schutzbedürftige Personen sind (s. auch unten stehende<br />

Projektberichte).<br />

In der Asylverfahrensberatung auf dem Schiff kristallisiert sich weiterhin mehr und mehr<br />

heraus, dass der Vertrauensaufbau eine entscheidende Rolle für den Verlauf der<br />

Beratung und damit auch des Asylverfahrens spielt.<br />

Folgende Fallkonstellationen treten in unserer Beratung am häufigsten auf:<br />

Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Flüchtlinge (zumeist Familien, allein stehende<br />

Frauen oder generell Einzelpersonen – Männer oder Frauen -, die noch unter dem<br />

Eindruck erlittener Gewalt oder massiver Verfolgung stehen), die ihr anfängliches<br />

Misstrauen jeglichen Informationen gegenüber erst dadurch überwinden können, dass<br />

sie uns als Helfer/Innen-Team erleben, das vorsichtig und einfühlsam auf sie zugeht und<br />

sie erst einmal mit ihren Sorgen und Nöten und individuellen Bedürfnissen wahrn<strong>im</strong>mt.<br />

Diese Personen müssen erst Vertrauen fassen, bis sie sich auf eine Beratung einlassen<br />

können.<br />

12<br />

Asyllverfahrensberatung


Asyllverfahrensberatung<br />

Eine individuelle Beratung in ruhiger Atmosphäre <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> und bei Bedarf<br />

individuelle Maßnahmen zur Stützung und Stabilisierung helfen oftmals dabei, dass die<br />

Flüchtlinge „sicheren Boden unter den Füßen haben“ um sich in dem zunächst<br />

unübersichtlichen Asylverfahren orientieren zu können.<br />

Interessanterweise sind einige von ihnen dann – nach den Stützungsmaßnahmen -<br />

besonders hellhörig und aufmerksam. Sie nehmen die Informationen aus der Beratung<br />

sehr schnell auf, sind in der Lage, die Beratungsinhalte umzusetzen und in der wenige<br />

Tage später folgenden Anhörung strukturiert über ihre Erlebnisse zu sprechen.<br />

Im Idealfall, wenn wir best<strong>im</strong>mte Maßnahmen eingeleitet haben (z.B. eine<br />

Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung be<strong>im</strong> Bundesamt einzuschalten<br />

o.ä.), verläuft das Asylverfahren bereits <strong>im</strong> Bundesamt so, dass die Fluchtgründe<br />

ausreichend detailliert in der Anhörung zur Sprache kommen und in angemessener<br />

Weise durch das Bundesamt gewürdigt werden.<br />

Glücklicherweise haben wir auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr in einigen Fällen Anerkennungen<br />

<strong>im</strong> Verwaltungsverfahren be<strong>im</strong> Bundesamt erreicht, die zu einem guten Teil auf die in<br />

den ersten Tagen auf dem Schiff stattgefundene Unterstützung und Stabilisierung<br />

zurückzuführen waren.<br />

Eine weitere Gruppe, ebenfalls von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, die<br />

aufgrund von Krankheiten oder aus anderen Gründen Hilfe benötigen, andererseits aber<br />

keine asylrelevante Verfolgungsgeschichte haben, profitieren von unserer Hilfe insoweit,<br />

dass sie nach einer „ersten Hilfe“ an weitere Stellen und Hilfsorganisationen vermittelt<br />

werden, die sich um ihre jeweiligen Belange kümmern.<br />

Diese Flüchtlinge halten in der Regel über längere Zeit Kontakt zu uns und nehmen<br />

unsere Beratung auch in weiteren Phasen ihres Verfahrens in Anspruch. Hier geht es<br />

dann oftmals eher um eine realistische Erarbeitung ihrer Perspektiven in Deutschland<br />

hinsichtlich der Erfolgsaussicht von Rechtsmitteln, das <strong>im</strong>mer wieder neue<br />

Auseinandersetzen mit der oftmals unerträglichen Lebenssituation in Deutschland, und<br />

damit auch die Frage nach der (Un)Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung oder nach<br />

einer freiwilligen Ausreise.<br />

Der Bestandteil der<br />

Perspektivenberatung<br />

innerhalb<br />

der Verfahrensberatung ist<br />

für unsere Klient/innen<br />

sehr wichtig und kann nur<br />

deshalb vertrauensvoll<br />

ablaufen, da sie wissen,<br />

dass wir sie mit all ihren<br />

Ängsten und<br />

Befürchtungen ernst<br />

nehmen.<br />

13


Eine dritte (und sehr wichtige) Klient/Innengruppe ist die Gruppe derjenigen Flüchtlinge,<br />

deren Asylgründe aus verschiedenen Gründen in der Anhörung nicht zur Sprache kamen<br />

- z.B. weil sie nach erlittenen Traumata nicht in der Lage waren, über diese zu<br />

sprechen, weil sie aus Scham oder Angst etwas verschwiegen haben, weil es nicht<br />

aufklärbare Missverständnisse in der Anhörung durch mangelhaftes Dolmetschen gab<br />

oder weil sie sich durch die Anhörungssituation oder die/den Anhörer/in angegriffen,<br />

nicht respektiert oder nicht ernst genommen fühlten.<br />

In diesen Fällen, in denen es zu einer Ablehnung durch das Bundesamt kommt, ist der<br />

Kontakt in der Regel durch unsere Dolmetscher/innen und eine vorübergehende enge<br />

Verzahnung mit der Verfahrensberatung in der Aufnahmeeinrichtung Schöppingen oder<br />

Hemer bestehen geblieben.<br />

Nach der Zuweisung in einen anderen Ort (<strong>im</strong> letzten Jahr sind verstärkt unsere<br />

Klient/innen vom Schiff nach der Erstaufnahme nach Düsseldorf zugewiesen worden,<br />

einige aber auch in andere mehr oder weniger weiter entfernte Orte), werden diese<br />

Personen zu unseren „Langzeit-Klient/innen“, die wir durch das gesamte weitere<br />

Verfahren begleiten. Es finden also meist während des laufenden Klageverfahrens vor<br />

dem Verwaltungsgericht zahlreiche, zum Teil mehrstündige, Beratungsgespräche statt,<br />

in denen behutsam die Fluchtgeschichte aufgearbeitet werden muss. Dies zieht sich<br />

über mehrere Monate und bietet die Chance, dadurch, dass mehr Zeit zur Verfügung<br />

steht, auch traumatische Erlebnisse zumindest ansatzweise in das Verfahren<br />

einzubringen, psychologische Gutachten einzuholen und eine weitgehend vollständige<br />

authentische Fluchtgeschichte herauszuarbeiten.<br />

Hier ist eine enge Vernetzung mit diversen Stellen notwendig: Gedächtnisprotokolle der<br />

Beratungsgespräche müssen an die Rechtsanwälte/innen gegeben werden, Kontakt und<br />

regelmäßiger Austausch mit Psychotherapeut/innen ist notwendig, und zusätzlich<br />

erleben wir <strong>im</strong>mer häufiger, wie wichtig eine Betreuung am Wohnort, die sich um die<br />

„kleinen Dinge des Alltags“ kümmert, notwendig ist.<br />

Immer mehr gehen wir dazu über, Netzwerke von Hand in Hand arbeitenden<br />

Helfer/innen aufzubauen, damit eine weittestmögliche Stützung der Klient/innen erreicht<br />

werden kann (vgl. hierzu auch den Punkt „Kooperationen“, in dem auf diese Netzwerke<br />

genauer eingegangen wird).<br />

Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass allein eine regelmäßige Beratung in<br />

Kombination mit einer rechtlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei besonders<br />

schutzbedürftigen Personen meistens nicht ausreicht.<br />

Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge benötigen tragende Beziehungen, die der<br />

erlittenen Entwurzelung entgegensteuern können.<br />

14<br />

Asyllverfahrensberatung


Asyllverfahrensberatung<br />

(Klientin, Sprach- u. Kulturmittlerin und Birgül Kahraman)<br />

Ehrenamtliche Betreuer/innen am Wohnort, Kontakte zu Personen aus einer<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinde, Praktikant/innen, bei Jugendlichen die Anbindung an das MUT-Projekt<br />

des Psychosozialen Zentrums Düsseldorf oder ähnliche Hilfsangebote sind sehr hilfreich<br />

für eine Stabilisierung und haben dadurch mittelbar sogar positiven Einfluss auf den<br />

weiteren Verlauf des Asylverfahrens.<br />

15


Beschreibung des EFF-Projekts „Vertrauensbildende Maßnahmen –<br />

Perspektivenberatung – Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer<br />

Beistand“ (von Daniela Bröhl)<br />

Der Europäische Flüchtlingsfonds (EFF) fördert seit dem Jahr 2001 unsere einjährigen<br />

Projekte, die jeweils von unserem Referat innovativ entwickelt und mit großem Erfolg<br />

durchgeführt wurden. Seit Ende Dezember 2005 steht uns erstmalig eine auf fast<br />

zweieinhalb Jahre konzipierte Projektförderung zur Verfügung.<br />

Die soziale Betreuung und Begleitung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen<br />

bildet in unseren EFF-Projekten den Grundstein für eine wesentlich effektivere<br />

Verfahrensberatung.<br />

Der Aufbau von Vertrauen ist in der ersten –entscheidenden- Phase des Verfahrens für<br />

den weiteren Verfahrensablauf von großer Bedeutung.<br />

Es stellte sich <strong>im</strong> Verlauf der vergangenen Projekte heraus, dass Ratsuchende sich<br />

<strong>im</strong>mer wieder, auch nach ihrer Zuweisung, an uns wenden. Gründe dafür sind:<br />

- Lebenskrisen<br />

- Ängste über den Fortgang des Verfahrens<br />

- Ausreiseaufforderungen<br />

- Wunsch nach Rückkehr in das Herkunftsland<br />

- und vieles mehr<br />

Allgemeine Informationen zu dem neuen Projekt<br />

Das aus diesen Erfahrungen entwickelte, mehrjährige Projekt (bis Ende April 2008) trägt<br />

den etwas sperrigen Namen „Vertrauensbildende Maßnahmen – Perspektivenberatung –<br />

Rückkehrmanagement: Beratung und sozialer Beistand“.<br />

Im Mittelpunkt steht die ganzheitliche Betreuung der besonders schutzbedürftigen<br />

Personen beginnend mit den ersten Tagen in Deutschland.<br />

Neu ist, dass wir als kontinuierlicher, verlässlicher und lückenloser Ansprechpartner eine<br />

vertrauensvolle Beratung und Begleitung bis zur erstrebten Aufenthaltsverfestigung oder<br />

– auf Wunsch- Rückkehr und Reintegration ins He<strong>im</strong>atland gewährleisten können.<br />

Das bedeutet:<br />

- in allen Phasen des Verfahrens und mit allen möglichen Beteiligten die<br />

Anliegen der Betroffenen zu koordinieren;<br />

- die Netzwerke der Flüchtlingsbetreuung und weitere Hilfsstrukturen in den<br />

jeweiligen Wohnorten zu nutzen bzw. zu entwickeln;<br />

- gleich zu Beginn des Verfahrens einen opt<strong>im</strong>alen Vertrauensaufbau<br />

zu ermöglichen, um während der gesamten Zeit des unsicheren Aufenthaltes:<br />

• eine effektivere Verfahrensberatung zu gestalten<br />

• den jeweiligen Verfahrensstand regelmäßig zu reflektieren und transparent<br />

zu machen<br />

• die Eigenverantwortung für das Verfahren zu stärken<br />

• realistische Perspektiven gemeinsam zu entwickeln<br />

16<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“


Diese kontinuierliche Wegweiser-Funktion wird gewährleistet durch die persönliche und<br />

telefonische soziale Begleitung der Ratsuchenden durch die Sozialpädagogin,<br />

Verfahrensberaterinnen und die Kulturmittler/innen in elf Sprachen.<br />

Der soziale Beistand bezieht sich auf die drei Beratungsbereiche (zum besseren<br />

Verständnis <strong>im</strong> folgenden in 3 Module unterteilt): Verfahrensberatung,<br />

Perspektivenberatung und Rückkehrberatung.<br />

Corrie Voigtmann betreut die Schutzbedürftigen nachmittags auf dem Asylschiff, sowie<br />

bei Bedarf innerhalb der Perspektivenberatung und Rückkehrberatung ‚unterwegs’.<br />

Regelmäßige ehrenamtliche Sprach-<br />

und Kulturmittler/innen sowie<br />

Honorarmitarbeiterinnen unterstützen<br />

das Projekt in allen Phasen und in<br />

unterschiedlichen Bereichen.<br />

Telefonsprechstunden mit unseren<br />

Dolmetscher/innen stellen sicher, dass<br />

Ratsuchende sich <strong>im</strong>mer vertrauensvoll<br />

direkt mit uns verständigen können.<br />

Dies ist wichtig, da schutzbedürftige<br />

Flüchtlinge in der Regel Bekannten<br />

oder Verwandten gegenüber ihre<br />

persönlichsten Anliegen verbergen<br />

möchten.<br />

Modul 1 des Projektes: Vertrauensbildende Maßnahmen in der Aufnahmephase<br />

- Beratung und sozialer Beistand auf dem Asylschiff<br />

Aktuelle Situation auf dem Schiff<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

(Unsere Sprach- und Kulturmittlerin in der Telefonsprechstunde)<br />

Die Rahmenbedingungen auf dem Asylschiff haben sich 2006 sowohl für die<br />

Asylsuchenden als auch für uns verschlechtert, da sich die Anzahl der zu betreuenden<br />

Flüchtlinge nach Schließung aller weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW merklich<br />

erhöht hat. Etwa 80 Personen befinden sich täglich auf dem Asylschiff. Die<br />

durchschnittliche Verweildauer hat sich von 4 Tagen auf 5-6 Tage erhöht.<br />

Außerdem sind zunehmend viele sehr schwer kranke Personen an Bord, deren<br />

Gesundheitsversorgung aufgrund fehlender Ansprechmöglichkeit des Sozialamtes nicht<br />

genügend gewährleistet ist.<br />

Zu einem kaum zu deckenden Beratungsbedarf kommt noch ein erhöhtes<br />

Konfliktpotential unter den Bewohnern hinzu, insbesondere durch junge Männer aus<br />

Kriegsgebieten, sowie Personen, die von außerhalb auf das Schiff kommen und die<br />

Bewohner/innen belästigen bzw. verunsichern.<br />

17


Zielgruppe des Projektes sind:<br />

18<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Leider können wir bisher<br />

auf dem Asylschiff keinen<br />

einzigen Raum für<br />

Beratungen für die<br />

besonders<br />

Schutzbedürftigen nutzen.<br />

Es ist sehr umständlich<br />

und zeitaufwändig,<br />

Flüchtlinge vom Schiff<br />

abholen zu müssen, damit<br />

sie in unsere<br />

Beratungsstelle kommen<br />

können, um ein<br />

vertrauliches Gespräch zu<br />

führen.<br />

• kranke Personen:<br />

• Behinderte, Dialysepatienten, Personen, mit schweren unzureichend<br />

behandelten Verletzungen und Krankheiten, u.a. HIV<br />

• Personen <strong>im</strong> Krankenhaus<br />

• traumatisierte Personen<br />

• alleinerziehende Frauen mit Kindern und Neugeborenen sowie<br />

Hochschwangere<br />

• minderjährige unbegleitete Flüchtlinge<br />

• auch Kinder, die <strong>im</strong> Familienverband leben<br />

• volljährige, aber dennoch schutzbedürftige Jugendliche, vor allem junge<br />

Frauen ohne Famlienanschluss<br />

• psychisch Kranke, verwirrte Personen, Suizidgefährdete<br />

• Opfer von Menschenhandel, Opfer sexueller Gewalt<br />

Unsere Zielgruppe, die besonders schutzbedürftigen Personen, leiden sehr unter der<br />

angespannten Situation auf dem Asylschiff.<br />

Soziale Aktivitäten <strong>im</strong> Rahmen des Projektes<br />

Die Projektmitarbeiterin Corrie Voigtmann unterstützt die schutzbedürftigen Personen an<br />

drei bis vier Nachmittagen pro Woche, mit Hilfe der Sprach- und Kulturmittlerinnen, mit<br />

• stützenden Gesprächen, Entlastung durch Kinderbetreuung, Versorgung mit<br />

Kleidung, Kinderwagen, etc<br />

• Vermittlung zu intensiven Gesprächen mit den Verfahrensberaterinnen bei Bedarf<br />

auch <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong>, beispielsweise über traumatisierende Erlebnisse <strong>im</strong><br />

He<strong>im</strong>atland oder bei der Flucht<br />

• Gesprächsangeboten bei Diagnosen wie Krebs, HIV, TBC


•<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

• Begleitung zu Psychiatern oder PSZ; Ärzten, Krankenhäusern, Dialysezentrum,<br />

AIDS-Beratungsstellen<br />

• Besuchen bei Krankenhausaufenthalten: Beistand/ Übersetzung bei<br />

Arztgesprächen vor Operationen/bei Diagnosen, Versorgung mit Wäsche und<br />

Hygieneartikeln, Kontaktaufnahme mit Bundesamt und Sozialamt, Sicherstellung<br />

der Asylantragstellung, u. v. m.<br />

• Begleitung zum Bundesamt (Anhörung), der Zentralen Ausländerbehörde oder<br />

Sozialamt, zu Kleiderkammern und Beratungsstellen<br />

• Kontaktaufnahme zu den Sachbearbeiter/innen Asyl des Bundesamtes für<br />

Migration und Flüchtlinge, sowie Mitarbeitenden weiterer Behörden: Zentrale<br />

Ausländerbehörde, Jugendamt, Vormundschaftsgericht, etc.<br />

(Kleiderkammer auf dem Schiff)<br />

Asylverfahrensberatung auf dem Schiff<br />

Seitens des Sozialamtes dürfen wir auf<br />

dem Asylschiff ein kleines Z<strong>im</strong>mer als<br />

Kleiderkammer nutzen. Der Bedarf an<br />

Kleidung ist sehr hoch, nicht alle<br />

Personen können das Benötigte<br />

erhalten.<br />

Von den Mitarbeitenden des Asylschiffes<br />

werden wir gelegentlich auf Kranke,<br />

sofern diese sich verständlich machen<br />

konnten, aufmerksam gemacht. Die<br />

Ehrenamtlichen sind sehr motiviert und<br />

engagiert und begleiten erkrankte<br />

besonders Schutzbedürftige zu Ärzten<br />

und Krankenhäusern und dolmetschen<br />

dort.<br />

Die Asylverfahrensberatung findet <strong>im</strong>mer parallel zu den anderen Aktivitäten statt.<br />

Besteht durch die Schutzbedürftigkeit eines Flüchtlings ein besonderer Beratungsbedarf,<br />

werden <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> ausführliche Gespräche <strong>im</strong> Vorfeld der Anhörung, auch unter<br />

Einbeziehung traumatisierender Ereignisse durchgeführt. Bei Notwendigkeit werden<br />

andere Fachberatungsstellen, z.B. das PSZ, Ärzte und Therapeuten, hinzugezogen.<br />

Durch die vertrauensbildenden Maßnahmen <strong>im</strong> Vorfeld der Verfahrensberatung sind die<br />

Bewohner/innen des Asylschiffes häufig offen und interessiert an der Beratung.<br />

19


Die Sprach- und Kulturmittler/innen starten nach einigen Einzelgesprächen mit<br />

Gruppenberatungen in unterschiedlichen Sprachen, zunächst mit ganz allgemeinen<br />

Informationen über Fragen wie<br />

20<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

• Kann ich einen Deutsch-Kurs machen?<br />

• Darf ich arbeiten?<br />

• Können wir bei meiner Schwester in Frankfurt leben?<br />

• Wie kann ich einen Arzt aufsuchen und mich verständigen?<br />

• Wo ist Hemer, Jena, Trier…, darf ich dann trotzdem nach Köln fahren?<br />

• Wie kann ich einen Arzt finden?<br />

Wenn sich dann so nach und nach eine größere Gruppe versammelt hat und alle<br />

Aspekte geklärt sind, die die Personen aktuell bewegen, sind die Personen in der Lage,<br />

sich auch mit den Grundlagen des Asylverfahrens zu beschäftigen. Die<br />

Verfahrensberaterinnen lenken das Gespräch auf die Bedeutung und die Wichtigkeit der<br />

Anhörung. Wir beschreiben den Ablauf der Anhörung und klären umfassend über Rechte<br />

und Pflichten auf.<br />

Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 1<br />

Durch das umfassende Angebot der Beratung und Betreuung kann die<br />

Verfahrensberatung sehr gut ihre Clearing-Funktion erfüllen: Besondere Aspekte wie<br />

Traumatisierung, geschlechtsspezifische Verfolgung und Krankheiten können leichter<br />

erkannt und von Beginn an in das Asylverfahren eingebracht werden.<br />

Die Schutzbedürftigen wissen durch die intensive Betreuung und Vorbereitung von<br />

Anfang an, dass sie selbst ihr Asylverfahren aktiv betreiben und sich <strong>im</strong>mer über den<br />

jeweiligen Sachstand und ihre Handlungsmöglickeiten informieren müssen.<br />

Sie sind über die Möglichkeit der Nutzung von Hilfsstrukturen informiert und können<br />

nach einer Zuweisung von uns konkrete Ansprechpartner genannt bekommen.<br />

Auf Wunsch der Ratsuchenden leiten wir alle gewonnenen Informationen wie<br />

Gesprächsprotokolle, Atteste und Rechercheergebnisse an die entsprechenden Stellen<br />

(Bundesamt, Verwaltungsgericht, Rechtsanwälte, Therapeuten, etc.) weiter, um die<br />

Flüchtlinge davon zu entlasten, traumatisierende Ereignisse <strong>im</strong>mer wieder neu<br />

beschreiben zu müssen. Mit den gesammelten Vorinformationen können die weiteren<br />

Ansprechpartner dann entsprechend sensibel die noch notwendigen Fragen an die<br />

Betroffenen vorbereiten.


EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Modul 2: Der soziale Beistand in der Perspektivenberatung<br />

Die Beratung selbst findet <strong>im</strong> Haus der <strong>Kirche</strong> statt. Innerhalb der Perspektivenberatung<br />

werden nur Personen, die eines besonderen Schutzes bedürfen und zu der Zielgruppe<br />

des Projektes gehören, bei dringendem Bedarf als Projektteilnehmer/innen<br />

aufgenommen.<br />

Die soziale Begleitung unterstützt die schutzbedürftigen Personen z.B. bei belastenden<br />

Terminen bei Behörden. Behördenmitarbeiter/innen werden allein durch Anwesenheit<br />

der Sozialarbeiterin häufig 'kooperativer'. Es kommt vor, dass Personen, die schwer<br />

traumatisiert sind, bei Besuchen in Ausländerbehörden oder Terminen in<br />

Verwaltungsgerichten zusammenbrechen und zum Arzt bzw. in die Psychiatrie gebracht<br />

werden müssen.<br />

Es ist auch vorgekommen, dass Personen, die von uns zunächst nicht als besonders<br />

schutzbedürftig eingeschätzt worden sind, solche Angst vor best<strong>im</strong>mten<br />

Behördenkontakten hatten, dass sie (unnötigerweise) abtauchen, so dass erst von<br />

unserer Seite wieder Verhandlungen mit der Ausländerbehörde nötig sind, um zu<br />

verhindern, dass zur Fahndung ausgeschrieben wird. In diesen Fällen sind dann mehrere<br />

Termine zur Perspektivenberatung nötig, damit die Personen erst einmal in die Lage<br />

versetzt werden, ihre persönliche Siuation real einzuschätzen und –dann zunächst mit<br />

unserer Unterstützung - entsprechend handeln zu können.<br />

Einige Richter/innen be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie Mitarbeiter/innen des<br />

Bundesamtes schätzen unsere Anwesenheit bei den Verfahren und würdigen unsere<br />

schriftliche und/oder mündliche Einschätzung der jeweiligen Schutzbedürftigkeit, <strong>im</strong><br />

Berichtsjahr 2006 häufig mit positivem Ausgang!<br />

Die Fallbearbeitung mit schutzbedürftigen und traumatisierten Personen ist sehr<br />

zeitaufwändig. Es zeigt sich, dass ein Konzentrieren auf das Verfahren erst möglich ist,<br />

wenn Krisen psychischer oder physischer Art in Behandlung sind oder (mit<br />

Unterstützung) bewältigt werden können.<br />

Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 2<br />

Die enge Anbindung an das Flüchtlingsreferat, eine feste Ansprechpartnerin und<br />

regelmäßige Gesprächstermine sowie Telefonate führen dazu, dass die Personen mehr<br />

auf sich achten. Arzt- sowie Behörden- und Rechtsanwaltstermine werden viel<br />

regelmäßiger wahrgenommen, da wir <strong>im</strong>mer nachfragen, bzw. selber auch Kontakte zu<br />

diesen Ansprechpartnern halten.<br />

Die von uns betreuten Flüchtlinge 'sitzen ihre Probleme nicht mehr aus', sondern werden<br />

nun selber aktiv und fühlen sich durch unsere Unterstützung gestärkt und ermutigt.<br />

Wir halten zudem regelmäßige Kontakte zu ehren- oder hauptamtlichen Berater/innen<br />

vor Ort, die einen engeren und direkten Konakt zu den Flüchtlingen halten und uns bei<br />

Problemen einschalten können.<br />

Die regelmäßige und systematische Reflexion des Verfahrensstandes sichert die aktive<br />

Auseinandersetzung der schutzbedürftigen Personen mit allen aufenthaltsrechtlich<br />

wichtigen Aspekten. So werden keine Fristen versäumt und alle Mitwirkungspflichten<br />

beachtet.<br />

21


Modul 3: der soziale Beistand in der Rückkehrberatung<br />

Da auch in diesem Modul der Schwerpunkt auf den besonders Schutzbedürftigen liegt,<br />

ist die Bearbeitung des Einzelfalls nicht nur für den sozialen Beistand, sondern auch für<br />

die Berater/innen (zeit)aufwändiger und arbeitsintensiver, als bei unkomplizierten<br />

Fallkonstellationen.<br />

Schutzbedürftige Flüchtlinge, die in ihr Herkunftsland ausreisen wollen, brauchen viel<br />

mehr Stützung und Unterstützung, als wir angenommen haben, selbst, wenn ihr<br />

Entschluss fest steht. Glücklicherweise werden wir hier sehr von unseren<br />

Honorarmitarbeiter/innen, die sich speziell für die Rückkehrberatung auch ehrenamtlich<br />

engagieren, unterstützt.<br />

Die Ehrenamtlichen<br />

betreuen vorwiegend<br />

Personen in ihrer<br />

eigenen Muttersprache,<br />

obwohl die Klient/innen<br />

selber (mehr oder<br />

weniger perfekt)<br />

deutsch sprechen. Es<br />

scheint in dieser Phase<br />

wichtig zu sein, noch<br />

einmal alle Wünsche,<br />

Befürchtungen,<br />

Ängste und Hoffnungen<br />

in der Muttersprache<br />

kommunizieren zu<br />

können. Vielleicht ist<br />

damit schon ein inneres<br />

Abschiednehmen von<br />

Deutschland und ein<br />

(Unsere ehrenamtliche Sprach- und Kulturmittlerin für die arabische Sprache) 'sich-einlassen' auf die<br />

He<strong>im</strong>at verbunden.<br />

Unsere Ehrenamtlichen stellen also einen sozialen Beistand innerhalb der Beratung<br />

selbst dar.<br />

Weitere Aufgaben des sozialen Beistandes sind in dieser Phase:<br />

• Begleitung zu Ausländerbehörden bei Verhandlungen über die Modalitäten und<br />

den Zeitrahmen der Ausreise<br />

• Unterstützung bei Vorbereitungsmaßnahmen: Suche nach geeigneten<br />

Qualifizierungsmaßnahmen, vermitteln in Projekte <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland, gegebenenfalls<br />

Anträge auf kleine Startdarlehen, etc.<br />

• Begleitung zu Ärzten und Therapeuten und übersetzen von Attesten in die<br />

Muttersprache für die Weiterbehandlung vor Ort<br />

• Organisieren von Medikamenten und medizinischen Hilfsmitten: Rollstühle,<br />

Gehhilfen, Utensilien für künstliche Ernährung, und vieles mehr<br />

• Begleitung zu Botschaften zur Passbeschaffung<br />

• Unterstützung bei Formalitäten: Legalisierung von (Geburts)-urkunden,<br />

Ansprüche an Rentenversicherung, Kündigung der Wohnung, etc.<br />

22<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“


• Unterstützende Telefonate durch die ehrenamtlichen Muttersprachler mit<br />

Familienangehörigen, potentiellen Arbeitgebern oder Hilfsorganisationen <strong>im</strong><br />

He<strong>im</strong>atland<br />

• Unterstützung bei der Organisation der eigentlichen Ausreise: Transport von<br />

Hausrat, Übergepäck, Begleitung zum Flughafen bzw. Busbahnhof<br />

Wir sind regelmäßig mit komplizierten Fällen befasst. Dies hat dazu geführt, dass wir<br />

sehr gute Kontakte zu den zuständigen Mitarbeiterinnen <strong>im</strong> Innenministerium, in der<br />

Zentralen Ausländerbehörde, zu IOM, ZIRF u.a. entwickelt haben und durch einen<br />

'kurzen Draht' Konfliktfälle schnell lösen können oder gemeinsam nach Lösungen<br />

suchen.<br />

Ergebnis der Projektmaßnahme in Modul 3<br />

Personen aus unserer Zielgruppe brauchen häufig viel Zeit, um zu einer Entscheidung zu<br />

finden und ihre Reise dann sorgfältig vorzubereiten. Da unsere Beratung <strong>im</strong>mer<br />

ergebnisoffen ist, können sie sicher sein, dass wir niemals Druck ausüben, dass sie eine<br />

zeitintensiv vorbereitete Reise in das He<strong>im</strong>atland auch zeitnah antreten. Sie brauchen<br />

die Zeit, um Sicherheit <strong>im</strong> Hinblick auf ihre eigene Entscheidung zu gewinnen.<br />

Je besser die Reise vorbereitet werden kann und je realistischer eine<br />

Zukunftsperspektive <strong>im</strong> Herkunftsland ist (Arbeitsplatz, Vorbereitung zum Aufbau einer<br />

Selbständigkeit, Anbindung an eine Hilfsorganisation, vorherige Absprachen mit der<br />

Familie vor Ort, etc.) desto weniger Zweifel entstehen.<br />

So konnten die bisherigen Klient/innen in Sicherheit und Würde mit ihren jeweiligen<br />

Zukunftsperspektiven in das Herkunftsland zurückkehren. Von den meisten Personen<br />

haben wir kurz nach der Ankunft eine Rückmeldung erhalten, langfristige Erfahrungen<br />

liegen noch nicht vor.<br />

Jahresbericht 2006 über das EFF-Projekt von Corrie Voigtmann<br />

Ich möchte meinen Beitrag zu dem Jahresbericht 2006 mit „Fallbeispielen“ eröffnen.<br />

Meine Arbeit auf der „Siesta“ stand auch <strong>im</strong> Jahr 2006 unter der Prämisse, die<br />

schützbedürftigen Flüchtlinge zu betreuen. Es handelt sich hier um die Menschen, die<br />

nach ihrer Flucht dringend Hilfe bedürfen.<br />

„Fallbeispiel“: Das Wort gefällt mir <strong>im</strong> Zusammenhang mit diesen Menschen nicht, ich<br />

möchte es deshalb eher Schicksalsgeschichten nennen. Es sind nur einige, damit sie als<br />

Leserinnen und Leser einen Einblick bekommen in meine Arbeit auf dem Asylschiff.<br />

„I left my breastfed baby“<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Eine junge Frau aus Bangladesh war mit zwei Kindern (9 und 10 Jahre alt) angekommen. Ich<br />

versorgte sie erst mit den notwendigsten Sachen (Kleidung und Hygieneartikel) und kam dadurch<br />

mit ihr ins Gespräch. Sie fing an zu weinen und sagte: „I left my breastfed baby“ und erzählte<br />

mir, was geschehen war.<br />

Sie war schon sehr jung verheiratet worden. Ihr Mann hatte sie jahrelang eingesperrt,<br />

geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt. Ihr Bruder hat nach den vielen Jahren des Leidens<br />

eine Flucht für sie organisiert. Sie hat ihren Mann mit den Kindern verlassen und wurde<br />

23


irgendwohin gebracht. Von dort aus wollte man sie mit den Kindern außer Landes bringen. Sie<br />

hatte keine Ahnung wohin, in welches Land, Hauptsache fort.<br />

Außer den zwei älteren Kindern hatte sie auch ein Kleinkind dabei, das sie noch stillte. Die<br />

Schlepper weigerten sich, dieses Kind mitzunehmen, es wäre zu risikoreich. Sie konnte auf<br />

keinen Fall zurück zu ihrem Mann, und irgendwo anders konnte sie sich nicht verstecken, ihr<br />

Mann würde sie finden. Ihr Bruder hat das Baby zu einer Kusine gebracht, die es versorgen<br />

wollte.<br />

Die Frau war am Ende ihrer Kräfte, sie war sehr traurig und weinte fast die ganze Zeit aus<br />

Sorgen um ihr Baby. Ich konnte es ermöglichen, dass sie ihre Kusine in Bangladesh anruft. Die<br />

Mutter hatte es schon richtig gespürt: Am Tage des Anrufs war das Baby noch zweiwöchigem<br />

Krankenhausaufenthalt gerade erst zur Kusine zurückgekehrt. Nach dem Telefonat hat sie sich<br />

etwas beruhigt.<br />

Nach der Anhörung be<strong>im</strong> Bundesamt wurde sie in einen anderen Ort verlegt. Dort wurde sie<br />

weiter betreut von Kolleginnen, die ich verständigt hatte. Nach einigen Wochen wurde die Frau<br />

durch das Bundesamt als Flüchtling anerkannt. Ich hoffe sehr, dass sie irgendwann ihr Baby<br />

wieder sehen kann.<br />

Glückliches Wiedersehen<br />

Nach diesem sehr traurigen Fall hatte ich am Abend ein fast entgegengesetztes Erlebnis. Eine<br />

junge Frau aus den Niederlanden rief auf meinem Diensthandy an, ich war schon zu Hause. Sie<br />

suchte nach sechs Jahren Trennung ihre Mutter und hoffte, sie in Deutschland, in Düsseldorf, zu<br />

finden. Ihr Vater hatte best<strong>im</strong>mt, dass die Mädchen (die Anruferin hat noch eine jüngere<br />

Schwester) in den Niederlanden be<strong>im</strong> Vater blieben, nachdem die Mutter damals nach Düsseldorf<br />

geflüchtet war (mehrere Aufenthalte in Frauenhäusern in den Niederlanden hatten nicht<br />

geholfen, der Mann hatte sie dort <strong>im</strong>mer wieder gefunden und fast tot geprügelt).<br />

Nach einigen Recherchen habe ich die Mutter gefunden, die sich natürlich sehr freute, dass ihre<br />

Tochter sie gesucht hat. Sie haben sich bald darauf getroffen und hoffen diesen Kontakt weiter<br />

ausbauen zu können.<br />

Nastaran<br />

Wir, unser Dolmetscher für Farsi und ich, wollten nach einem langen Beratungsnachmittag vom<br />

Schiff nach Hause gehen. Da kam noch ein Mann zu uns, er bat um Hilfe. Ich fragte ihn, was wir<br />

für ihn tun können. Er sagte, seine Tochter sei krank und sie bräuchte dringend einen Arzt. Ich<br />

sagte ihm, dass ich sofort ein Taxi bestellen werde und sie ins Krankenhaus gebracht wird. Der<br />

Mann fing an zu weinen. Es war eine Erlösung für ihn, dass er Hilfe bekam.<br />

Die Familie, seine Frau und die zwei Kinder, waren mit ihm aus Iran geflohen und schon mehrere<br />

Wochen unterwegs. Sie waren einen Tag vorher abends in Düsseldorf angekommen (von Istanbul<br />

nach Frankfurt geflogen, von dort mit dem Zug nach Köln und dann noch nach Düsseldorf), am<br />

Tag darauf um 6 Uhr geweckt worden, und sie sind nach dem Frühstück zum Bundesamt<br />

gebracht worden; dort verbrachten sie viele Stunden.<br />

Sie hatten in der Nacht kaum geschlafen, weil es der Tochter sehr schlecht ging. Die Familie war<br />

total erschöpft und hatte Angst vor der bevorstehenden Nacht. Nachdem ich das Taxi gerufen<br />

hatte, bin ich in das Z<strong>im</strong>mer gegangen, in dem die Familie unterbracht war. Ich erschrak<br />

furchtbar, als ich den Zustand der Tochter sah. Sie war völlig apathisch, bekam kaum Luft, es<br />

war einfach nur schrecklich. Das 11-jährige Mädchen, Nastaran, war schwerstbehindert, und die<br />

lange Flucht hatte ihren Zustand dramatisch verschl<strong>im</strong>mert.<br />

24<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“


Die Familie ist mit dem Dolmetscher ins Krankenhaus gefahren. Als ich anrief, sagte mir die<br />

behandelnde Ärztin, dass es ein absoluter Notfall ist und dass sie nicht davon ausgehen, dass das<br />

Mädchen die Nacht überleben wird. Sie wog bei der Einlieferung 9,6 kg und war in einem sehr<br />

schlechten körperlichen Zustand.<br />

Die Mutter durfte bei ihrer Tochter bleiben, der Vater ist mit seinem Sohn (6 Jahre alt) zurück<br />

zum Schiff gegangen. Diese Familie war viele Stunden <strong>im</strong> Bundesamt gewesen, waren mit Bus<br />

und Bahn unterwegs und NIEMAND hat sich um sie gekümmert, obwohl die Mutter das Kind die<br />

ganze Zeit getragen hat und es deutlich zu sehen war, dass die Kleine schwer krank war.<br />

Für mich persönlich ist eigentlich das Schrecklichste in diesem Fall, dass niemand geholfen hat.<br />

In was für einer Gesellschaft leben wir!<br />

Das Kind wurde <strong>im</strong> Krankenhaus liebevoll behandelt und betreut. Die Mutter war die ganze Zeit<br />

dabei und die Familie wurde von allen Mitarbeiter/innen unseres Referates sehr unterstützt.<br />

Daran waren viele Menschen beteiligt, DolmetscherIn, Sozialpädagogin, Beraterin (vor der<br />

Anhörung), Betreuung für den kleinen Bruder. Es gab viele Gespräche mit den verschiedensten<br />

Ärzten und Ärztinnen (in diesem Krankenhaus hatte man so einen Fall noch nicht erlebt), mit<br />

vielen Ämtern (die Familie sollte ursprünglich nach Nord-Deutschland).<br />

Die Familie durfte in Düsseldorf bleiben, eine Wohnung musste eingerichtet werden. Nach einigen<br />

Monaten durfte Nastaran das Krankenhaus verlassen. Sie hatte drei Kilo zugenommen! Es<br />

musste sehr viel organisiert werden, damit sie dort untergebracht werden konnte (Spezialbett,<br />

Rollstuhl, Pflege, besondere Ernährung usw.).<br />

Nach einigen Wochen wurde ich morgens, kurz nach sieben Uhr angerufen. Es war die Mutter,<br />

und sie weinte und schrie ins Telefon, ich habe sie erst gar nicht verstanden. Es kam dann ein<br />

Mann ans Telefon, und er erzählte mir, dass sie <strong>im</strong> Krankenhaus sind. Wir sind sofort dorthin<br />

gefahren. Nastaran war gestorben. Sie hat einen epileptischen Anfall gehabt. Der Vater hat bei<br />

der Feuerwehr angerufen, aber er dachte, dass sie ihn nicht verstanden haben. Die Familie ist in<br />

der Nacht mit dem Kind auf dem Arm, der kleine Bruder <strong>im</strong> Schlafanzug dabei, zum Krankenhaus<br />

gelaufen.<br />

Unterwegs ist Nastaran gestorben.<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Im Krankenhaus haben die Ärzte noch lange versucht, sie wieder zu beleben, aber es war zu<br />

spät. Ein Drama. In ein fremdes Land gekommen voller Hoffnung, und dann stirbt das geliebte<br />

Kind. Die Tage darauf wurden beherrscht von Trauer, aber auch von Entscheidungen und<br />

Organisation. Die Beerdigung sollte stattfinden. Aber wo?<br />

Sie konnten es in der He<strong>im</strong>at beerdigen lassen (bei einer freiwilligen Rückkehr!) oder mussten sie<br />

hier beerdigen lassen. Die Familie konnte aber nicht zurück, da der Vater in Iran in Gefahr ist.<br />

Die Bestattung wurde <strong>im</strong> Sinne der Familie geregelt, es fand eine moslemische Beerdigung statt.<br />

Die MitarbeiterInnen des Ev. Flüchtlingsreferates waren da, mehrere Krankenschwestern, eine<br />

Vertreterin des Sozialamtes. Wir haben uns hinterher noch zusammengesetzt und dadurch der<br />

Familie das Gefühl geben können, dass sie nicht allein ist. Mehrere evangelische Gemeinden<br />

haben uns finanziell und mit Anteilnahme enorm unterstützt.<br />

Die Familie wird weiterhin von uns unterstützt, damit sie den schweren Verlust nicht allein tragen<br />

muss.<br />

25


Kleine Hilfen<br />

Manchmal muss man bei der Arbeit Barrieren oder sich selbst überwinden.<br />

Eine Frau aus Irak war mit ihren drei kleinen Kindern auf dem Schiff. Ich hörte von dem<br />

Hausmeister, dass sie die Nacht <strong>im</strong> Aufenthaltsraum verbracht hatten, weil in ihrem Z<strong>im</strong>mer<br />

Tiere waren! Ich fragte bei ihr nach und auch sie war mit ihren Kräfte am Ende und konnte nur<br />

noch weinen. Nach einiger Zeit konnte ich sie trösten und beruhigen. Ich sagte, sie sollen mir die<br />

Tiere mal zeigen.<br />

Es waren sehr viele Spinnen in mehreren Größen, wirklich große Exemplare waren auch dabei!<br />

Meine Spinnenphobie (zuhause entfernen nur andere die Spinnen) musste ich überwinden, und<br />

ich verbrachte einige Zeit damit, die Tierchen einzufangen und hinaus zu befördern. Dem<br />

ältesten Sohn (10) zeigte ich, wie man am besten vorgeht, und er übernahm diese Tätigkeit.<br />

Auch so kann die Arbeit auf dem Schiff aussehen.<br />

Diese Frau brauchte natürlich zusätzlich andere Hilfe. Ihr Mann und ältester Sohn waren<br />

ebenfalls geflohen, aber in der Türkei ins Gefängnis geraten und von dort aus in Syrien gelandet.<br />

Sie machte und macht sich darüber große Sorgen, und es fällt ihr sehr schwer, die anderen drei<br />

Kinder zu versorgen. Sie lebt jetzt in der Nähe von Düsseldorf und wird weiter von uns betreut<br />

und beraten.<br />

Schwangere Frauen<br />

Vor einigen Wochen hatte eine noch junge Frau eine sehr schwere Geburt, das Baby musste<br />

wieder belebt werden und noch mehrere Wochen <strong>im</strong> Krankenhaus bleiben. Die Frau brauchte<br />

Hilfe. Dazu gehörten Krankenhausbesuche, Besorgung von Babykleidung und Kleidung für die<br />

Mutter, Gespräche mit Ärzten und Therapeuten.<br />

26<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

(Dieses Bild wurde von Nastarans kleinem Bruder Mohammad Jawad gemalt)


Sie sollte in Düsseldorf bleiben, damit die besondere und sehr aufwendige Pflege des Kindes<br />

gewährleistet ist. Dem Kind geht es jetzt gut, und die Mutter ist sehr dankbar, dass ihr von<br />

unserem Referat in ihrer schwierigen Situation geholfen wurde.<br />

Eine andere Mutter hatte ihr Kind bekommen und sollte sechs Tage später mit dem Zug nach<br />

München reisen. Es ging ihr noch nicht besonders gut. Sie durfte noch einen Tag länger in<br />

Düsseldorf bleiben, so dass ich noch genügend Zeit hatte, kurzfristig einen Kinderwagen zu<br />

besorgen. Für die Mutter eine große Erleichterung, bequemer mit Gepäck und Kind nach<br />

München zu reisen!<br />

Alleine sterben<br />

Die Sozialarbeiterin aus einem Krankenhaus in Düsseldorf rief bei uns <strong>im</strong> Büro an und erzählte<br />

von einer Frau aus Aserbaidschan, die schon zwei Wochen dort liege und fragte, ob wir uns nicht<br />

um sie kümmern können, da sie sich nicht mit ihr verständigen könne.<br />

Ich bin mit unserer Dolmetscherin ins Krankenhaus gefahren, und wir haben die Frau besucht,<br />

ihr Kleidung, Obst, Hygieneartikel und etwas Süßes gebracht. Sie hat sich sehr gefreut. Der Arzt<br />

kam dazu, und wir hatten eine längere Unterhaltung mit ihm und der Frau.<br />

Endlich konnte sie Fragen stellen und erzählen. Der Arzt sagte uns, dass sie sehr krank sei, aber<br />

mit Medikamenten könne man ihr helfen. Am nächsten Tag ist unsere Dolmetscherin noch mal<br />

bei ihr gewesen und hat ihr die Sachen gebracht, worum sie gebeten hatte, und sich für einen<br />

weiteren Besuch mit ihr verabredet.<br />

Ein paar Tage später rief man aus dem Krankenhaus an und sagte uns, dass die Frau nachts<br />

gestorben sei. Wieder ein trauriges Geschehen. Weit weg von der He<strong>im</strong>at und ganz allein. Wir<br />

haben auch für sie die Beerdigung mitorganisiert und einige Kolleginnen waren als Einzige bei der<br />

Bestattung.<br />

Mehr konnten wir für sie nicht tun. Sie hatte keine einzige Adresse oder einen Namen einer<br />

Person dabei, an die wir uns hätten wenden können. Wir konnten niemandem mitteilen, dass sie<br />

hier in Deutschland gestorben ist. Auf ihrem Grab haben wir ein Schild anbringen lassen mit<br />

ihrem Namen.<br />

Schwer verletztes, krankes Mädchen<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Ein Vater war mit seiner 11-jährigen Tochter auf der „Siesta“ angekommen. Sie kamen aus<br />

Aserbaidschan. Sie fielen mir sofort auf, weil beide sehr schlecht aussahen.<br />

Ich kam mit ihnen ins Gespräch und es stellte sich schnell heraus, dass sie eine furchtbare<br />

Geschichte erlebt hatten und die Tochter schwer erkrankt war. Es war sehr gut, dass an diesem<br />

Tag die Dolmetscherin da war und sie direkt ihre Geschichte erzählen konnten.<br />

Die Frau (41 Jahre) des Mannes und der Sohn (21 Jahre) wurden am Geburtstag der Frau beide<br />

umgebracht, sie sind erstochen worden. Die Tochter erlitt bei diesem Überfall schwerste<br />

Verletzungen, aber überlebte. Sie war mehrere Monate <strong>im</strong> Krankenhaus. Ihre Milz musste<br />

entfernt werden und sie wurde psychologisch betreut.<br />

Durch die Flucht nach Deutschland hat sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Ich<br />

konnte für das Mädchen einen sofortigen Termin bei einem Internisten bekommen. Ein<br />

Dolmetscher hat sie dahin begleitet. Die Anhörung des Vaters konnte um einige Tage verschoben<br />

werden, da es ihm psychisch und physisch sehr schlecht ging. Die Verlegung in eine andere Stadt<br />

27


wurde ebenfalls zurückgezogen. Sie konnten in Düsseldorf bleiben, damit die Tochter die<br />

ärztliche Betreuung bekommen konnte, die sie in diesem Moment dringend brauchte.<br />

Sie bekam mehrere Bluttransfusionen und andere ärztliche Behandlungen. Es stellte sich heraus,<br />

dass sie sich durch die vielen Bluttransfusionen in Aserbaidschan eine schwerwiegende Krankheit<br />

zugezogen hatte. Sie wird ihr ganzes Leben an den Folgen dieses Überfalls zu leiden haben.<br />

Mittlerweile geht es ihr körperlich etwas besser, sie geht in Düsseldorf zur Schule.<br />

Tschetschenin mit fünf Kindern<br />

Eine Frau aus Tschetschenien mit 5 Kindern war auf der „Siesta“ angekommen. Sie hatte Glück,<br />

dass eine Dolmetscherin da war, so konnten wir ihr und den Kindern direkt helfen.<br />

Am nächsten Tag wurde sie von einer Kollegin beraten. Die Anhörung war schon zwei Tage<br />

später. Dort ist sie vollkommen zusammengebrochen und die Entscheiderin des Bundesamtes rief<br />

uns <strong>im</strong> Büro an und bat um Unterstützung. Telefonisch wurde gemeinsam entschieden, dass es<br />

das Beste sei, die Frau in die Psychiatrie zu bringen.<br />

Ein Kind war bei ihr, die anderen 4 Kinder allein auf der „Siesta“. Eine Kollegin des<br />

Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge brachte die Frau in die Klinik und den Jungen zurück<br />

zum Schiff. Mit dem Jugendamt wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Kinder unterzubringen.<br />

Das Kinderhe<strong>im</strong> in Düsseldorf konnte keine fünf Kinder aufnehmen. Es sollte dann eine 24stündige<br />

Betreuung an Bord kommen. Auch dieses klappte nicht. Die Kinder mussten bis abends<br />

auf dem Schiff betreut werden, sie waren verängstigt und traurig, dass die Mama nicht<br />

wiederkam. Eine tschetschenische Familie hat die Kinder dann für die Zeit, die die Mutter in der<br />

Klinik verbracht hat, aufgenommen.<br />

28<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

(Leamas Bild von der He<strong>im</strong>at Aserbaidschan)


Nach vielem Hin und Her wurden die Kinder abgeholt, die Mutter in der Klinik weiter betreut und<br />

nach ihrer Entlassung aus der Klinik und dem Umzug in eine Wohnung in Düsseldorf tatkräftig<br />

unterstützt.<br />

Es war eine gute Zusammenarbeit mit vielen Behörden, zusammen konnten wir das Beste für die<br />

Familie leisten.<br />

Frau S.<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Das Flüchtlingsreferat wurde durch den Sozialdienst eines Krankenhauses in Düsseldorf<br />

angerufen und um Hilfe gebeten für eine russisch sprechende Frau, die dort für längere Zeit<br />

bleiben müsse.<br />

Ich besuchte mit einer Dolmetscherin die kranke Frau. Ich habe Kleidung (Nachthemd,<br />

Unterwäsche, Pantoffeln, Hygieneartikel, Handtücher und etwas Süßes) für sie mitgenommen.<br />

Wir waren beide erschüttert über den Zustand der Frau. Sie war sehr krank, obwohl erst dreißig<br />

Jahre alt, sah sie viel älter aus. Ihre Haare waren Büschelweise herausgerissen, sie war total<br />

abgemagert (wog nur noch knapp 40 kg). Ihr psychischer Zustand war dementsprechend.<br />

Nachdem wir einige Zeit bei ihr waren, erzählte sie uns, <strong>im</strong>mer wieder von heftigem Weinen<br />

unterbrochen, ihre Geschichte.<br />

Sie hatte in ihrer He<strong>im</strong>at Dagestan schreckliches durchlebt und wäre während der Flucht in<br />

einem Lastwagen fast erfroren. Sie konnten (es waren weitere sechs Personen <strong>im</strong> Auto) die<br />

ganzen Tage nichts trinken und essen, weil alles gefroren war. Sie mussten die ganze Zeit<br />

stehen, und da sie verletzt worden war, ist ihr das sehr schwer gefallen.<br />

Hier in Deutschland ist sie zusammengebrochen, und man hat sie in ein Krankenhaus gebracht.<br />

Sie muss jetzt <strong>im</strong>mer zur Dialyse, anfangs 5x in der Woche, später 3x.<br />

Ich habe mit ihrem behandelnden Arzt und der Sozialarbeiterin gesprochen, und wir haben<br />

Absprachen getroffen, wie wir die Frau am besten gemeinsam weiter betreuen konnten. Des<br />

Weiteren haben wir Frau S. zum Frauenarzt begleitet (<strong>im</strong> Krankenhaus), das war sehr<br />

emotional, weil sie dort erzählte, was ihr über zwei Jahre von Männern angetan worden war.<br />

Wir versprachen ihr wiederzukommen, und das war für sie schon eine Hilfe. Sie fühlte sich durch<br />

unseren Besuch viel besser.<br />

Wir haben sie öfter <strong>im</strong> Krankenhaus besucht, auch unsere Praktikantin war öfter da. Es wurde ein<br />

Asylantrag für sie gestellt. Die Beratung vor der Anhörung hat Frau te Heesen <strong>im</strong> Krankenhaus<br />

gemacht. Es fanden regelmäßig Gespräche mit dem Arzt und mit der Sozialarbeiterin vor Ort<br />

statt.<br />

Mit dem Sozialamt, Bundesamt und Unna-Massen (Umverteilung) wurde viel telefoniert. Wir, die<br />

Mitarbeiterinnen des Flüchtlingsreferates, hatten von ihr eine Vollmacht erhalten, z.B. Gespräche<br />

mit Ärzte und Pflegepersonal zu führen, Geld abzuholen be<strong>im</strong> Sozialamt, Anträge zu stellen usw.<br />

Die Anhörung fand nach vorheriger Absprache mit dem Arzt und der Einzelentscheiderin <strong>im</strong><br />

Krankenhaus statt. Ich war als Vertrauensperson dabei. Die Anhörung war sehr anstrengend für<br />

Frau S., sie wurde von der Einzelentscheiderin äußerst rücksichtsvoll durchgeführt.<br />

Frau S. sollte ursprünglich nach Lebach verteilt werden. Da sie eine besondere Dialyse braucht,<br />

konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Arzt und den zuständigen Behörden dafür sorgen, dass<br />

sie in Düsseldorf bleiben kann.<br />

Unsere Praktikantin und ich haben ihr neues Z<strong>im</strong>mer für sie hergerichtet. Das Z<strong>im</strong>mer ist nur mit<br />

einem Bett, Tisch, Stühle und Schrank versehen, sie brauchte also die Gegenstände, um dort<br />

29


überhaupt leben zu können: Bettwäsche, Töpfe, Geschirr, Besteck, Handtücher, Spülsachen,<br />

usw.<br />

Am nächsten Tag haben wir sie <strong>im</strong> Krankenhaus abgeholt und zum Bundesamt begleitet. Sie<br />

musste noch erkennungsdienstlich behandelt werden. Die Zuweisung in die Wohnung musste mit<br />

dem sozialen Dienst der Stadt geklärt werden. Es war eine Tortur für die Frau S., die Monate <strong>im</strong><br />

Bett verbracht hatte, dort stundenlang warten zu müssen.<br />

Die Sozialämter (BAMF und Stadt) arbeiteten sehr gut zusammen, so dass wir von Bundesamt<br />

aus direkt in ihre Wohnung fahren konnten. Die anderen Mitarbeiter <strong>im</strong> BAMF waren äußerst<br />

unfreundlich und unhöflich.<br />

Der Verwalter erwartete uns schon und half uns sehr zügig bei der Erledigung der Formalitäten.<br />

Er holte eine Nachbarin hinzu, die russisch spricht und die sich sofort bereit erklärte, Frau S. zu<br />

helfen. Die Nachbarin ist mit mir einkaufen gegangen, damit Frau S. für die ersten Tage versorgt<br />

war.<br />

Frau S. wird dre<strong>im</strong>al in der Woche mit einem Taxi zur Dialyse gebracht, dort wieder abgeholt und<br />

nach Hause gefahren. Der Taxifahrer spricht russisch und ist sehr nett, er bringt sie hoch, hat<br />

einmal etwas Suppe gekocht und sie geholfen mit dem essen, weil sie völlig hilflos war. Seine<br />

Frau hat für Frau S. eingekauft und sie besucht.<br />

Nach wenigen Wochen wurde Frau S. durch das Bundesamt nach § 60 Abs. 1 AufenthG<br />

anerkannt.<br />

Dieser „Fall“ war sehr aufwendig, arbeitsintensiv, psychisch belastend, aber es war sehr wichtig,<br />

dass wir Frau S. zur Seite stehen konnten.<br />

Diese Geschichten zeigen in etwa, mit welchen Nöten und Sorgen die Flüchtlinge in<br />

Deutschland ankommen. Da ich aus unserem Team die meiste Zeit auf dem Schiff<br />

verbringe und für die soziale Betreuung zuständig bin, begegnen mir als Erste diese<br />

unterstützungsbedürftigen Menschen.<br />

Das Jahr 2006 war für uns alle sehr emotional, da zwei Menschen verstorben sind, die<br />

wir in einem Fall sehr intensiv betreut haben. Ein kleines Mädchen und eine Frau sind<br />

fern von der He<strong>im</strong>at hier in Deutschland gestorben.<br />

Das Mädchen wurde durch Eltern, Krankenhauspersonal und viele andere liebevoll<br />

betreut. Die Frau aus Aserbaidschan war ganz allein, durch Zufall haben wir erfahren,<br />

dass sie <strong>im</strong> Krankenhaus liegt und wir konnten sie noch besuchen und sie mit schönen<br />

Sachen und Aufmerksamkeit versorgen. Sie war allein gekommen und ist allein<br />

gestorben. Das war für uns alle sehr traurig. Wir werden die beiden Verstorbenen <strong>im</strong><br />

Gedächtnis behalten.<br />

Sehr tief bewegt hat mich das Schicksal der jungen Frau aus Bangladesch, die ihr Baby<br />

auf der Flucht nicht mitnehmen durfte. Sie hatte keine Wahl, sie wollte ihre zwei<br />

anderen Kinder retten.<br />

Da stößt man an Grenzen. Wie kann man eine Mutter, die ein Baby, das noch gestillt<br />

wurde zurücklassen musste, trösten?<br />

Am gleichen Tag konnte ich der jungen Frau, die in den Niederlanden lebt, nach 6jähriger<br />

Trennung helfen, ihre Mutter zu finden. Sie haben sich mittlerweile getroffen,<br />

und das gibt mir Hoffnung, dass die Mutter aus Bangladesch ihr Kind auch irgendwann<br />

wieder sehen wird.<br />

30<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“


Die Bedeutung der sozialen Betreuung auf dem Schiff<br />

Die soziale Betreuung vor Ort war und ist ein wichtiges Element in der Flüchtlingsarbeit.<br />

Es waren täglich 40-100 Menschen auf dem Schiff, die <strong>im</strong> Regelfall dort nur ein paar<br />

Tage blieben. In diesen Tagen mussten sie einen Asylantrag stellen und <strong>im</strong> Rahmen der<br />

„erkennungsdienstlichen Behandlung“ ihre Fingerabdrücke abgeben, danach folgten die<br />

Anhörung und die Weiterverlegung an einen anderen Ort.<br />

Viele Flüchtlinge waren oft nur froh, dass sie irgendwo angekommen waren (sie haben<br />

meistens keinen Einfluss darauf, in welches europäische Land sie gebracht werden), wo<br />

sie sich sicher fühlen konnten. Sie hatten kaum noch Kraft und Initiative, die Anhörung<br />

zu überstehen. Diese Situation mussten wir versuchen zu ändern, sie ermutigen und<br />

stärken. Wir wollten ihnen bewusst machen, dass die Anhörung der wichtigste Teil <strong>im</strong><br />

Asylverfahren ist.<br />

Das Team des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates, da beziehe ich die KulturmittlerInnen<br />

ausdrücklich mit ein, versuchte so gut wie möglich, dieser Aufgabe gerecht zu werden.<br />

Mit der sozialen Betreuung fanden wir Kontakt zu den Flüchtlingen, erste Bedürfnisse<br />

wurden befriedigt, und dadurch wurde Vertrauen aufgebaut. Die Beratung war dadurch<br />

einfacher. Die Flüchtlinge fühlten, dass wir für sie da waren. Unser Ziel ist es, dass die<br />

AsylbewerberInnen ein gerechtes Verfahren durchlaufen können.<br />

Personen, die zur Anhörung <strong>im</strong> Bundesamt mussten und nach unserer Meinung<br />

Unterstützung brauchten, versuchte ich selbst zu begleiten. Durch die Mitarbeit von<br />

Praktikanten oder Praktikantinnen konnte ich diese zeitaufwendige Arbeit teilweise<br />

abgeben. Viele Asylsuchende hatten große Angst vor der Anhörung und fühlten sich<br />

sicherer, wenn wir als Beistand dabei waren.<br />

Besondere Flüchtlingsgruppen <strong>im</strong> Projekt<br />

Kranke und Behinderte:<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

Die Umstände auf dem Schiff haben sich etwas verändert. Es gibt jetzt ein Z<strong>im</strong>mer <strong>im</strong><br />

Parterre, das für kranke oder gehbehinderte Menschen frei gehalten wird. Dadurch hat<br />

sich das Hochtragen von Rollstühlen zum Glück erledigt. Es ist <strong>im</strong>mer noch schwer<br />

genug um als kranker Mensch, Rollstuhlfahrer oder Rollstuhlfahrerin auf dem Schiff<br />

untergebracht zu werden.<br />

Kinder:<br />

Die Kinder, die mit den Eltern<br />

mitkamen, versuchte ich <strong>im</strong>mer<br />

zu betreuen. Die Zahl der<br />

Kinder schwankte sehr,<br />

manchmal waren keine Kinder<br />

auf der „Siesta“, am nächsten<br />

Tag dann vielleicht 20. Dadurch<br />

konnte man diese Betreuung<br />

schwer vorausplanen. Sie<br />

waren dann auch nach ein paar<br />

Tagen wieder weg. So blieb mir<br />

nur, kurzfristige Spielangebote<br />

und Betreuung zu bieten damit<br />

die Eltern und die Kinder sich<br />

etwas erholen konnten.<br />

31


Jugendliche (minderjährige unbegleitete Flüchtlinge):<br />

Die Jugendlichen unter 18 Jahre, die allein nach Deutschland kamen, brauchten<br />

natürlich unsere Aufmerksamkeit. Einerseits sind sie in der BRD ab 16 Jahre selbst für<br />

das Asylverfahren verantwortlich, haben anderseits bis 18 Jahre Anspruch auf einen<br />

Vormund und auf eine jugendgemäße Unterbringung. Da besteht eine Diskrepanz.<br />

Leider konnten wir diese nicht ändern, sondern wir konnten nur versuchen, dass es den<br />

Jugendlichen hier soweit möglich gut ging und sie in den Orten, die nach Düsseldorf für<br />

sie zuständig waren, in Obhut des Jugendamtes kamen.<br />

Schwangere Frauen:<br />

Eine Gruppe der Schutzbedürftigen, die ich besonders intensiv betreute, waren die<br />

schwangeren Frauen. Es waren wöchentlich <strong>im</strong>mer mehrere auf dem Schiff, die meisten<br />

von ihnen aus afrikanischen Ländern. Viele hatten noch keine ärztliche Untersuchung<br />

gehabt, sie waren in keiner Weise auf die Geburt eines Kindes vorbereitet.<br />

Die meisten der schwangeren Frauen kommen aus Ghana oder Nigeria. Oft sind sie in<br />

den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft. Sie haben keine passende Kleidung, nichts<br />

für das Baby, das bald kommt.<br />

Wenn es nur einigermaßen möglich ist, werden sie von den Behörden so schnell wie<br />

möglich verlegt: oft in Orte, die ziemlich weit weg sind von Düsseldorf (Oldenburg, Jena,<br />

Eisenhüttenstadt, Karlsruhe, München). Meiner Meinung nach ist das in diesem Zustand<br />

eine Zumutung für die Frauen. Mit ärztlichen Attesten und Überzeugungskraft gelingt es<br />

uns manchmal, dass die Frauen in Düsseldorf entbinden können.<br />

Wenn mehrere hochschwangere Frauen gleichzeitig auf dem Schiff sind, können wir eine<br />

Hebamme kommen lassen. Das ist für die Frauen viel bequemer, sie brauchen dann<br />

nicht stundenlang in Arztpraxen zu sitzen (sie haben ja keinen Termin). Die Frauen<br />

fühlen sich versorgt und dadurch gut aufgehoben. Ich versuche, den werdenden Müttern<br />

Kleidung für die Zeit, die sie <strong>im</strong> Krankenhaus verbringen (Nachthemden, Unterwäsche,<br />

Handtücher), mitzugeben und Kleidung für die Babys. Bei Verlegung in andere<br />

Unterkünfte verständige ich die Kolleginnen vor Ort, damit sie dort weiter betreut<br />

werden.<br />

Wenn die Babys in Düsseldorf geboren werden, betreue ich die Mütter <strong>im</strong> Krankenhaus<br />

und nach ihrer Entlassung. Viele mussten ein paar Tage nach der Entbindung weiter<br />

reisen, z.B. nach München.<br />

Es gab mehrere Zwillingsgeburten, diese Frauen brauchten noch mehr Aufmerksamkeit,<br />

da sie oft (wenn sie noch nicht ärztlich untersucht worden waren) völlig überrascht<br />

waren und sich bei der Aufgabe, die vor ihnen lag, überfordert fühlten. Sie mussten erst<br />

mit dieser Situation vertraut gemacht werden.<br />

Als sehr positiv haben wir <strong>im</strong> vergangen Jahr die Mitarbeit und Unterstützung aus vielen<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinden, Gruppen, von einzelnen Personen und Firmen erfahren:<br />

• Wir bekamen zahlreiche Spenden für die Kleiderkammer.<br />

• Eine Gruppe strickte Mützen und Schals.<br />

• Zwei Frauen packten liebevoll Überraschungspäckchen für Babys, brachten<br />

Ostersachen, Nachthemden usw.<br />

• Es gab zwei wunderbare Benefizkonzerte, der Erlös war fantastisch.<br />

• Menschen feierten ihren Geburtstag und verzichteten auf Geschenke zugunsten<br />

der Flüchtlinge.<br />

• Die Firma Henkel war jederzeit bereit, uns mit Sachspenden zu unterstützen.<br />

32<br />

EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“


EFF-Projekt „Soziialler Beiistand“<br />

• Zwei Frauen hatten eine wunderbare Idee, es wurden Päckchen für Weihnachten<br />

gepackt. Diese Frauen an<strong>im</strong>ierten viele Menschen in ihrer Umgebung<br />

mitzumachen, das Resultat war überwältigend und es gab Weihnachten viele<br />

glückliche Menschen auf der „Siesta“.<br />

• Wir bekamen Kollektengelder, es wurde auf Veranstaltungen Geld gesammelt und<br />

manchmal gingen Spenden auf dem Konto ein, die uns überraschten und sehr<br />

erfreuten (eine Gruppe von Jugendlichen sammelte spontan für die Flüchtlinge,<br />

als Frau Superintendentin Menzfeld-Tress bei einem Schulgottesdienst über ihre<br />

Situation berichtet hatte).<br />

• Das „Nostalgiecafé“ der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath stiftete den Erlös ihres<br />

Kuchenverkaufes für das Schiffsprojekt.<br />

Die Hilfe für die Flüchtlinge durch das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat war auch <strong>im</strong> Jahr<br />

2006 eine dringend notwendige Aufgabe, die wir als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

sehr gerne machen, und durch die finanzielle und „geistige“ Unterstützung fällt uns<br />

vieles leichter.<br />

Vielen, vielen Dank an alle, die diese Arbeit unterstützen.<br />

33


Verfahrensberatung <strong>im</strong> Flughafenverfahren (von Miguel Temprano)<br />

DAS FLUGHAFENVERFAHREN<br />

Das Flughafenverfahren nach § 18a AsylVfG ist ein extrem schnelles Verfahren. Für<br />

Personen, die bei der Bundespolizei auf dem Flughafen um Asyl nachsuchen, wird das<br />

Asylverfahren vor der Einreise durchgeführt. So wird es gewährleistet, dass bei einem<br />

perspektivenlosen Asylantrag das Verfahren schnell abgewickelt wird und ein<br />

Asylsuchender nach Ablehnung des Antrags schnell in das Herkunftsland<br />

zurückgewiesen wird. In das Flughafenverfahren kommen Menschen, die ohne gültige<br />

Papiere ins Bundesgebiet einreisen und/oder aus sicheren Herkunftsstaaten kommen.<br />

Dies sind solche Staaten, bei denen man aufgrund der allgemeinen politischen<br />

Verhältnisse davon ausgeht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche<br />

oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.<br />

Ankunft, erste Befragung und Unterbringung<br />

Die Flüchtlinge, die als „illegal Einreisende“ oder Asylsuchende fest genommen werden,<br />

werden erst einmal von der Bundespolizei befragt. Wenn sie den Wunsch äußern, einen<br />

Asylantrag zu stellen, werden sie in den Transitbereich des Flughafens (Container)<br />

gebracht.<br />

Diesen Bereich dürfen die Flüchtlinge nicht verlassen. Das Gelände ist umzäunt und wird<br />

von Mitarbeitern einer privaten Sicherheitsfirma (SIBA) 24 Stunden bewacht. Die<br />

Flüchtlinge werden von Mitarbeitenden der Firma European Homecare (EHC) betreut.<br />

EHC ist für die Unterbringung der Flüchtlinge und die Versorgung mit Lebensmitteln,<br />

Kleidung und Hygieneartikeln zuständig.<br />

1. Vor der Anhörung<br />

34<br />

Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />

Im Flughafenverfahren wird also die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland<br />

entweder gestattet oder verweigert. Aufgrund der extrem kurzen Fristen und der<br />

besonderen Belastungssituation <strong>im</strong> Flughafencontainer werden die Flüchtlinge<br />

während des gesamten Verfahrens durch den/die Verfahrensberater/in begleitet.<br />

Er/sie n<strong>im</strong>mt Kontakt mit den Flüchtlingen auf, informiert über den Ablauf des<br />

Flughafenverfahrens und über die Bedeutung der Anhörung.<br />

Wichtig neben der Weitergabe von Informationen zum Flughafenverfahren ist die<br />

Clearingfunktion der Verfahrensberatung. Im Rahmen der Beratung prüfen wir, ob<br />

der Flüchtling beispielsweise krank oder sehr erschöpft ist oder schon <strong>im</strong> Vorfeld<br />

Hinweise auf eine Traumatisierung, schwere Krankheiten oder geschlechtsspezifische<br />

Verfolgung gegeben werden. In solchen Fällen informieren wir die/ den jeweils<br />

zuständige/n Sachbearbeiter/in Asyl über die Besonderheiten, die uns in dem<br />

jeweiligen Fall aufgefallen sind.<br />

2. Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)<br />

Innerhalb von 48 Stunden nach der Befragung durch die Bundespolizei werden die<br />

Flüchtlinge von einer/m Sachbearbeiter/in Asyl der Düsseldorfer Außenstelle des<br />

Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu ihren Asylgründen angehört. Bei jeder<br />

Anhörung ist ein/e Verfahrensberater/in als Beistand anwesend.


Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />

Nach der Anhörung wird das Ergebnis der Entscheidung direkt dem Antragstellter<br />

mitgeteilt.<br />

Bei einer positiven Entscheidung wird dem Flüchtling die Einreise ins Bundesgebiet<br />

gestattet. Das bedeutet keine Annerkennung, sondern nur, dass sie ihr reguläres<br />

Asylverfahren durchlaufen können. Die/der Berater/in erklärt dann den weiteren<br />

Verlauf des Asylverfahrens, bleibt in Kontakt mit dem Flüchtling und ggf. mit dessen<br />

Angehörigen und n<strong>im</strong>mt Kontakt mit einer Beratungsstelle am Zuweisungsort auf.<br />

Eine negative Entscheidung würde bedeuten, dass dem Flüchtling die Einreise ins<br />

Bundesgebiet verweigert wird. Zu diesem Schluss kommen die Sachbearbeiter/innen<br />

Asyl meist dann, wenn sie denken oder glauben, dass der Flüchtling keinerlei<br />

asylrelevante Gründe hat oder dies nicht glaubhaft machen konnte. Dann nehmen<br />

wir bei Bedarf Kontakt mit einem Rechtsberater, mit einer psychosozialen Betreuung<br />

oder zu Angehörigen <strong>im</strong> Herkunftsland auf.<br />

3. Nach der Anhörung; Bescheidzustellung<br />

Besonders in dieser Phase ist es sehr wichtig, die Flüchtlinge mit der negativen<br />

Entscheidung nicht alleine zu lassen. Ohnmachtsgefühle bis hin zu Suizidgedanken<br />

können vorkommen.<br />

Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Verfahrensberaterin Kontakt mit dem/der Rechtsberater/in<br />

auf. Diese/r kommt dann meist am Tag der Bescheidzustellung zum Container und<br />

berät die Flüchtlinge.<br />

Die BAMF-Entscheidung wird dann zusammen mit der Einreiseverweigerung durch<br />

die Bundespolizei zugestellt. Der Flüchtling hat das Recht auf eine Beratung durch<br />

einen Anwalt. Die Kosten werden vom BAMF übernommen. Nach der Rechtsberatung<br />

hat der Flüchtling 3 Tage Zeit, einen Antrag auf Gewährung vorläufigen<br />

Rechtsschutzes be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf zu stellen.<br />

Das Verwaltungsgericht entscheidet innerhalb von max<strong>im</strong>al 14 Tagen über den<br />

Antrag.<br />

Wesentliche Aufgaben der Verfahrensberatung am Flughafen<br />

zusammengefasst:<br />

• Verfahrensberatung: Ablauf des Flughafenverfahrens und die Bedeutung der<br />

Anhörung<br />

• Sozialer Beistand, Gespräche zur Stützung und Stabilisierung<br />

• Clearingfunktion: Auf Besonderheiten des Flüchtlings achten und diese<br />

gegebenenfalls dem Sachbearbeiter Asyl weitergeben, z.B. Verdacht auf<br />

Krankheit, Traumatisierung etc.<br />

• Kontaktaufnahme mit dem Rechtsanwalt<br />

• Kontaktaufnahme mit Ärzten oder anderen Beratungsstellen<br />

• In Fällen von Krankenhausaufenthalt Kontaktaufnahme mit dem Krankenhaus-<br />

Sozialdienst und Krankenhausbesuch<br />

• Kontakt zu Bundesamt, Bundespolizei und Verwaltungsgericht<br />

• In Einzelfällen (bei Einreisegestattung) Begleitung zur Erstaufnahmeeinrichtung<br />

(Hotelschiff Siesta)<br />

• Telefonische Betreuung und Beratung der Familie/Verwandten<br />

• In Einzelfällen Kontakt mit Flüchtlingsorganisationen <strong>im</strong> Herkunftsland<br />

• Recherche über das Herkunftsland und Weitergabe der Informationen an<br />

Rechtsanwalt<br />

35


Problembereiche des Flughafenverfahrens <strong>im</strong> Jahr 2006<br />

Viele Flüchtlinge denken, dass die Befragung durch die Bundespolizei bereits die<br />

Anhörung zu ihren Asylgründen ist. Sie sind misstrauisch und haben Angst vor den<br />

uniformierten Bundespolizei-Beamten. Manchmal können sie sich später in der Anhörung<br />

nicht richtig erinnern, was sie den Bundespolizei-Beamten geschildert haben und<br />

verstehen nicht, warum teilweise die gleichen Fragen beantwortet werden müssen.<br />

36<br />

Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />

(Blick durch das vergitterte Tor aus der Perspektive der Flüchtlinge)<br />

Meist erleben wir die<br />

Flüchtlinge in der<br />

Beratung sehr müde,<br />

verwirrt und<br />

misstrauisch. Es ist sehr<br />

schwierig, in der kurzen<br />

Zeit des Verfahrens das<br />

Vertrauen der<br />

Flüchtlinge zu gewinnen.<br />

Das Flughafenverfahren<br />

stellt für die Flüchtlinge<br />

eine Extremsituation<br />

dar, und dadurch ist mit<br />

Konfliktpotential zu<br />

rechnen.<br />

Der Umgang mit den Beamten der Bundespolizei ist für die Flüchtlinge oft schwierig<br />

oder sehr verwirrend. Die Flüchtlinge haben den Eindruck, dass die Polizeibeamten sie<br />

als Kr<strong>im</strong>inelle behandeln und eher wenig Rücksicht auf ihre Schicksale nehmen.<br />

Die Informationen innerhalb der Bundespolizei werden intern oft unzureichend<br />

weitergeleitet. So kommt es häufig vor, dass die Beamten bei Schichtwechsel ihre<br />

Kollegen nicht genau darüber informieren, was<br />

bereits geschehen ist und was noch zu tun ist. Besonders bei Einreiseverweigerungen<br />

kommt es dann vor, dass keine oder die falschen Unterlagen mitgebracht werden, so<br />

dass sich die Termine verzögern, oder dass Dolmetscher doppelt bestellt werden.<br />

In manchen Fällen mussten wir den – oft jungen und unerfahrenen – Bundespolizei-<br />

Beamten gemeinsam mit der/dem Sachbearbeiter/in Asyl des Bundesamtes den Ablauf<br />

des Verfahrens erklären.<br />

Nach der Landung und Festnahme wird den Flüchtlingen von der Bundespolizei nicht<br />

erlaubt zu telefonieren. Nachdem sie in Deutschland angekommen sind, wollen sie oft<br />

mit ihren Familien Kontakt aufnehmen und ihnen Bescheid sagen, einfach dass sie<br />

angekommen sind. Leider ermöglichen die Bundespolizei-Beamten ihnen dies nicht,<br />

obwohl die Asylsuchenden ein Recht darauf haben, wenigstens einmal bei ihren<br />

Angehörigen anzurufen.<br />

Auch <strong>im</strong> vergangenen Jahr gab es wieder Probleme mit der Einlegung von Rechtsmitteln<br />

nach der Einreiseverweigerung. Obwohl der Flüchtling laut Gesetz 3 Tage Zeit hat zu<br />

entscheiden, ob er gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen möchte, verlangten<br />

die Beamten der Bundespolizei in mehreren Fällen, dass die Asylsuchenden direkt am


Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />

Tag der Bescheidzustellung einen Vordruck unterschreiben sollten, ob sie Rechtsmittel<br />

einlegen oder nicht.<br />

Dadurch entsteht folgendes Problem: Der unterschriebene Vordruck wird zum<br />

Verwaltungsgericht geschickt, und das Gericht sieht, dass Rechtsmittel eingelegt wurde,<br />

jedoch ohne Rechtsanwalt und ohne Klagebegründung. Das Verwaltungsgericht kann<br />

dann sofort die Klage ablehnen.<br />

Dies ist seit einigen Jahren <strong>im</strong>mer wieder ein Problem! Wir hatten es schon mehrfach<br />

angesprochen und nahmen einige Male mit dem zuständigen Dienstgruppenleiter der<br />

Bundespolizei Kontakt auf.<br />

Im vergangenen Jahr gab es vier solcher Vorfälle. In zwei Fällen haben wir zu spät<br />

davon erfahren, da die betreffenden Personen die Unterlagen <strong>im</strong> Gebäude der<br />

Bundespolizei vorgelegt bekamen, als niemand von der Verfahrensberatung anwesend<br />

war.<br />

In einem Fall konnte der Rechtsanwalt in letzter Minute verhindern, dass ein Fehler<br />

passierte – beinahe wäre der Flüchtling schon zurückgewiesen worden! -, und <strong>im</strong> vierten<br />

Fall habe ich dem zuständigen Polizeibeamten deutlich erklärt, dass der Flüchtling erst<br />

eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen könne und dann erst entscheiden müsse, ob<br />

er Rechtsmittel einlegen möchte oder nicht.<br />

Daher ist es für uns besonders wichtig, die Flüchtlinge <strong>im</strong> ganzen Flughafenverfahren<br />

intensiv zu betreuen und zu begleiten und genau auf den korrekten Verfahrensablauf zu<br />

achten.<br />

Bei manchen Anhörungen es ist vorgekommen, dass die Qualität des Dolmetschers<br />

unzureichend war. Die Rolle des Dolmetschers ist <strong>im</strong> Flughafenverfahren von enormer<br />

Relevanz. Sie sind nicht nur Vermittler einer Sprache, sondern können mit der Art und<br />

Weise ihrer Übersetzung den Verlauf der Befragung beeinflussen. Manchmal werden als<br />

Notlösung von Seiten des Bundesamtes Dolmetscher/innen bestellt, die die Sprache, auf<br />

der die Anhörung durchgeführt wird, nicht perfekt beherrschen. Es passiert aber auch,<br />

dass selbst dann, wenn Dolmetscher/in und Flüchtling die gleiche Sprache sprechen und<br />

aus dem gleichen Land kommen, eine aggressive Körpersprache oder Reaktionen des<br />

Dolmetschers zu Verwirrung und Nervosität des Flüchtlings führen. Eine ruhige<br />

Anhörung und korrekte Haltung des Sachbearbeiters Asyl und des Dolmetschers ist auf<br />

jeden Fall nötig. Leider geschieht das aber nicht <strong>im</strong>mer. Im regelmäßigen Kontakten mit<br />

Beamten des Bundesamtes versuchen wir <strong>im</strong>mer wieder, darauf aufmerksam zu machen<br />

und zu empfehlen, dass gerade für das Flughafenverfahren professionelle gute<br />

Dolmetscher quasi Pflicht sein sollten.<br />

Auch die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge ist oft problematisch. Meist werden<br />

die Flüchtlinge in das Krankenhaus der Kaiserwerther Diakonie gebracht, weil es sich in<br />

der Nähe des Flughafens befindet. Nachdem es in der Vergangenheit einige Male<br />

vorgekommen ist, dass Flüchtlinge bei gesundheitlichen Beschwerden als S<strong>im</strong>ulanten<br />

eingestuft oder –aufgrund der Bewachung durch Polizisten- vom Krankenhauspersonal<br />

für Straftäter gehalten wurden, organisierten wir gemeinsam mit dem DW <strong>Rheinland</strong><br />

eine Fortbildungsveranstaltung in diesem Krankenhaus (s. auch Öffentlichkeitsarbeit).<br />

Zusammen mit dem Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf und der<br />

Abschiebungsbeobachtung haben wir zur Problematik der kranken und traumatisierten<br />

Flüchtlinge Stellung genommen. Das Ziel dieser Fortbildungsveranstaltung war die<br />

Sensibilisierung der Ärzte, Ärztinnen, Schwestern und Pfleger für die Probleme der<br />

Flüchtlinge, die sich <strong>im</strong> Flughafenverfahren befinden.<br />

37


Damit Sie sich ein Besseres Bild von unserer Arbeit am Flughafen machen können, hier<br />

2 Fallbeispiele:<br />

Fallbeispiel 1:<br />

Ein Mann aus Iran wurde aufgrund gefälschter <strong>Dokument</strong>e bei der Einreisekontrolle von<br />

den Beamten der Bundespolizei fest genommen. Er leidet unter Depressionen. Er<br />

berichtete, seine Familie sei <strong>im</strong>mer politisch aktiv gewesen, sein Vater und Bruder seien<br />

aufgrund von politischen Aktivitäten von der Regierung bzw. während der Revolution<br />

verhaftet worden. Unter diesen Umständen und dem ständigen politischen und sozialen<br />

Druck seien seine psychologischen Probleme <strong>im</strong>mer akuter geworden. Nachdem er<br />

mehrere Selbstmordversuche hinter sich hatte, sei es ihm empfohlen worden, nach<br />

langer intensiver psychologischer Behandlung das Land zu verlassen. So hat er Kontakt<br />

zu einem Schlepper, der für ihn falsche Papiere für Deutschland besorgte,<br />

aufgenommen. Er wollte aber eigentlich nach Belgien, wo er einen politisch sehr aktiven<br />

Mann kannte, der ihm Hilfe versprochen hat.<br />

Der Sachbearbeiter Asyl hielt seine Gründe zwar für bedauerlich, aber nicht für<br />

asylrelevant. Depressionen seien in Iran behandelbar, die ärztlichen Empfehlungen nicht<br />

aussagekräftig genug und die politischen Probleme ganz normal <strong>im</strong> Iran. Seine Einreise<br />

wurde nicht gestattet. Sein Anwalt hat dagegen Rechtsmittel be<strong>im</strong> Verwaltungsgericht<br />

eingelegt.<br />

Während seines Aufenthalts <strong>im</strong> Asylcontainer war er psychisch sehr angeschlagen. Er<br />

sprach <strong>im</strong>mer wieder von suizidalen Gedanken. Er hatte offensichtlich auch physische<br />

Probleme, sprach aber nicht darüber. Nachdem wir mehrmals fragten, ob es ihm<br />

körperlich gut gehe, gab er zu, dass er Magenprobleme hatte und deswegen nichts<br />

essen könne. Nach einer Magenspiegelung wurde bei ihm eine Magenblutung<br />

diagnostiziert. Sein psychischer Zustand verschlechterte sich deutlich, und er drohte<br />

explizit mit einem erneuten Selbstmordversuch. Nach einer fachlichen Betreuung und<br />

einem Clearinggespräch wurde er auf der psychiatrischen Station des Diakonie-<br />

Krankenhauses Kaiserswerth aufgenommen.<br />

Seine Klage wurde abgelehnt, aber fast gleichzeitig kamen weitere Ergebnisse von der<br />

Magenspiegelung. Er hatte auch eine bakterielle Infektion und benötigte dafür<br />

Medikamente. Am nächsten Tag wurde ihm mitgeteilt, dass er aufgrund der extremen<br />

belastenden Situation nach Verlassen der Psychiatrie doch nach Deutschland einreisen<br />

durfte.<br />

Fallbeispiel 2:<br />

Ein Minderjähriger aus Sri Lanka wurde aufgrund gefälschter <strong>Dokument</strong>e bei der<br />

Einreisekontrolle von den Beamten der Bundespolizei ertappt. Daraufhin sprach er sein<br />

Asylgesuch aus und kam somit ins Flughafenverfahren. Während seiner Anhörung zeigte<br />

sich der junge Mann sehr zurückhaltend. Den ersten Teil der Befragung schaffte er<br />

relativ problemlos, aber sobald es um seine Asylgründe ging, brach er fast zusammen.<br />

Seine mehrmonatige Flucht nach Deutschland aus einer lebensgefährlichen Verfolgung in<br />

seinem He<strong>im</strong>atland war für ihn extrem belastend, dadurch war sein psychischer Zustand<br />

sehr labil geworden. Er war kaum in der Lage, über seine belastenden Erfahrungen zu<br />

sprechen. Der Sachbearbeiter Asyl sah dies als Hinweis auf seine Glaubwürdigkeit an<br />

und hielt es für notwendig, dass eine zweite Anhörung zu einem späteren Zeitpunkt<br />

durchgeführt würde. Die Einreise des jungen Mannes wurde gestattet.<br />

Dieser Fall war ein klassisches Beispiel dafür, dass sich unsere Aufgabe nicht nur auf das<br />

reine Flughafenverfahren begrenzt, sondern dass eine weitere Betreuung des Flüchtlings<br />

benötigt wird. Wir hielten Kontakt mit dem Sachbearbeiter Asyl, um so erfahren zu<br />

können, wie der Fall <strong>im</strong> Bundesamt weiter verlief. Wir kontaktierten die Familie des<br />

38<br />

Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren


Verfahrensberatung i<strong>im</strong> Fllughafenverfahren<br />

jungen Mannes, sodass sie wussten wo er sich befindet und ihn besuchen bzw. abholen<br />

konnten. Wir empfahlen der Familie, die Vormundschaft des jungen Mannes zu<br />

übernehmen. Er wurde von uns zum Schiff und am nächsten Tag zur Zentralen<br />

Ausländerbehörde begleitet. Außerdem, insbesondere aufgrund der Bedingungen des<br />

Fluchtweges nach Deutschland, nahmen wir Kontakt mit einem Arzt auf mit der Bitte um<br />

allgemeine Untersuchung, und aufgrund seines psychologischen Zustandes mit dem<br />

psychosozialen Zentrum, mit der Bitte um psychologische Betreuung.<br />

Der junge Mann wurde ein zweites Mal angehört und seine Familie übernahm seine<br />

Vormundschaft, er befindet sich unter psychologischer Betreuung und wartet auf die<br />

endgültige Entscheidung vom Bundesamt.<br />

Statistik <strong>im</strong> Flughafenverfahren<br />

Am Flughafen Düsseldorf haben <strong>im</strong> Jahr 2006 insgesamt 59 Personen das<br />

Flughafenverfahren durchlaufen.<br />

Personen insgesamt 59<br />

Fälle 54<br />

Einreisegestattung 35<br />

Einreiseverweigerung 19<br />

Die Flüchtlinge kamen aus folgenden Herkunftsländern:<br />

Türkei 23<br />

Pakistan 10<br />

Afghanistan 7<br />

Irak 5<br />

Sri Lanka 3<br />

Äthiopien 2<br />

Iran 2<br />

Kuba 1<br />

Ghana 1<br />

Trotz der geringeren Kapazitäten (Reduktion der Stelle von ½ auf ¼) hat das<br />

<strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat in allen (59) Fällen die Asylsuchenden <strong>im</strong><br />

Flughafenverfahren betreut. Da der Beratungsaufwand oftmals höher war als der<br />

Stundenumfang, mussten die Kolleginnen aus der regulären Verfahrensberatung in<br />

einigen Fällen die Vertretung übernehmen.<br />

Eine Bereitschaft wurde an 250 Werktagen und 10 Feier- und Wochenenden von uns<br />

vorgehalten.<br />

39


Rückkehrberatung (von Birgül Kahraman)<br />

Seit Mai 2005 hat sich unser Beratungsangebot um den Schwerpunkt der<br />

Rückkehrberatung erweitert, die in die Verfahrensberatung integriert bzw. eng an diese<br />

angebunden ist.<br />

Oberste Prinzipien unserer Rückkehrberatung sind die Freiwilligkeit und<br />

Ergebnisoffenheit.<br />

Wichtig dabei ist:<br />

• Im Rahmen der Rückkehrberatung werden die Aspekte einer Ausreise genauso<br />

sorgfältig wie innerhalb der Verfahrensberatung die Aspekte des Bleiberechtes<br />

offen angesprochen.<br />

• Es finden intensive Gespräche zur Entscheidungsfindung statt. Die Flüchtlinge<br />

sollen sich nicht gedrängt fühlen und können sich Zeit lassen.<br />

• Die Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland werden ausgelotet und Kontakte zu Projekten,<br />

Nichtregierungsorganisationen und <strong>Kirche</strong>n <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland aufgenommen.<br />

• Erst wenn alle Aspekte (aufenthaltsrechtliche Perspektiven hier sowie<br />

Möglichkeiten zur Existenzsicherung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland) ausgelotet sind und nur<br />

dann, wenn die Person sich bewusst zu einer Ausreise entschieden hat, beginnen<br />

wir mit der konkreten Vorbereitung und Organisation der Ausreise.<br />

Beschreibung der Rückkehrberatung<br />

In den Fällen, in denen Flüchtlinge sich von sich aus an das <strong>Evangelische</strong><br />

Flüchtlingsreferat wenden, weil sie ausreisen wollen oder sich mit dem Thema der<br />

Ausreise auseinandersetzen möchten, werden sie an den/die Mitarbeiter/in der<br />

Rückkehrberatung verwiesen. Diese/r vereinbart sofort einen Besprechungstermin in<br />

unserem Hause.<br />

Das erste Gespräch ist ein informatives Gespräch. Es werden alle notwendigen<br />

Informationen gesammelt und die Ressourcen geprüft. Dazu gehören persönliche,<br />

psychosoziale und finanzielle Ressourcen.<br />

Bei Flüchtlingen, die aus äußeren Anlässen sehr zügig zurückkehren wollten, beginnt<br />

sofort die konkrete Organisation der Ausreise.<br />

Diese Personen befanden sich <strong>im</strong> vergangenen Jahr meist <strong>im</strong> Anfangsstadium des<br />

Asylverfahrens und waren noch in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht oder sie<br />

befanden sich <strong>im</strong> laufenden Verfahren. Zu den äußeren Anlässen gehörten insbesondere<br />

familiäre Ereignisse wie Tod oder Krankheit naher Angehöriger.<br />

In der Anfangsphase des Asylverfahrens kam das Thema freiwillige Rückkehr am<br />

häufigsten zur Sprache. Gerade zu Beginn des Verfahrens standen bei den<br />

Ratsuchenden zum Thema Rückkehr Enttäuschungen und Ängste <strong>im</strong> Mittelpunkt der<br />

Gefühle. Meist waren den Flüchtlingen von den Schleppern und Verwandten/Bekannten<br />

falsche Hoffnungen und Vorstellungen gemacht worden.<br />

40<br />

Rückkehrberatung


Rückkehrberatung<br />

Nach negativ<br />

abgeschlossenem<br />

Asylverfahren stehen<br />

die Flüchtlinge unter<br />

dem Druck der<br />

Ausreiseverspflichtung.<br />

In diesem Stadium ist<br />

es besonders wichtig,<br />

die negativen Gefühle<br />

wie Ängste, Trauer und<br />

Sorge um die Zukunft<br />

aufzugreifen und diese<br />

auch ernst zu nehmen.<br />

Die Rückkehrberaterin<br />

begleitet und<br />

unterstützt die<br />

Flüchtlinge in jedem<br />

Stadium des<br />

Asylverfahrens und auch bei den aktiven Vorbereitungen einer freiwilligen Ausreise.<br />

Zu den Vorbereitungen gehören unter anderem diese Aufgaben bzw.<br />

Arbeitsschritte:<br />

• Kontakt mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Rücknahme des<br />

Asylantrages)<br />

• Kontakt mit der Zentralen Ausländerbehörde oder kommunalen Ausländerbehörde<br />

(Ausstellung der Reisepapiere und Grenzübertrittbescheinigung)<br />

• Kontakt zur zuständigen Botschaft<br />

• Kontakt zum zuständigen Sozialamt<br />

• Kontakt mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) , Ausfüllen und<br />

Weiterleitung der REAG/GARP-Anträge<br />

• Kontakt mit der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung<br />

(ZIRF)<br />

• Recherche über weitere Unterstützungsmöglichkeiten in Deutschland oder <strong>im</strong><br />

He<strong>im</strong>atland<br />

• Kontakt mit der Zentralen Arbeitsvermittlung (ZAV)<br />

• Kontakt mit der Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte <strong>im</strong> Bereich der<br />

Migration und der Entwicklungszusammenarbeit (AGEF)<br />

• Kontakt zum Gesundheitsamt z.B. bei ärztlichen Begleitungen<br />

• Kontakt zum medizinischen Logistik-Netzwerk MELONET in Bonn<br />

• Kontakt zur Ärzten/Psychiatern und Begleitpersonen<br />

• Kontakte zu Krankenhäusern<br />

• Kontakte mit verschiedenen Fluggesellschaften, insbesondere Lufthansa<br />

• Kontakt zu anderen bundesweiten Rückkehrprojekten wie z.B. „He<strong>im</strong>atgarten“<br />

oder „Coming Home“<br />

• Kontakt und Austausch mit Rückkehrberatungsstellen in NRW<br />

• Kontakte/Recherche bei Amnesty International, Solwodi, anderen NGO’s<br />

• Kontakte zu <strong>Kirche</strong>ngemeinden in den Herkunftsländern<br />

• Recherche über die jeweiligen Herkunftsländer<br />

41


Besondere Entwicklungen <strong>im</strong> Jahr 2006<br />

1. Rückkehrbudget<br />

Unsere Netzwerke und Kontakte haben sich seit Mai 2005 erweitert (siehe oben).<br />

Die landesgeförderten Rückkehrberatungsstellen haben vom Land NRW für das Jahr<br />

2006 einen Zuschuss von 20.000 Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Aus diesem<br />

Budget können pro Person max<strong>im</strong>al 500 Euro bzw. pro Familie 1.000 Euro verausgabt<br />

werden.<br />

Wir können diese Mittel aber nicht sofort auszahlen, sondern es muss zuvor eine<br />

Absprache mit der Bezirksregierung getroffen und abgeklärt werden, ob das Geld für<br />

den gewünschten Zweck ausgegeben werden darf.<br />

Zudem müssen wir sicherstellen, dass das Geld auch tatsächlich für den vorgesehenen<br />

Zweck <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland eingesetzt wird; dies muss nachgewiesen und dokumentiert<br />

werden.<br />

Die Mittel sind ausschließlich<br />

a) für den Transport bzw. Erwerb von Hausrat (auch Übergepäck)<br />

b) und / oder für Arbeitsgeräte zur beruflichen Wiedereingliederung <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland<br />

c) und / oder für dringend benötigte medizinische Hilfsmittel (jedoch keine<br />

Medikamente)<br />

zu verwenden.<br />

Durch diese Mittel konnten wir einigen Menschen zusätzliche finanzielle Hilfe anbieten,<br />

die ihnen den Neuanfang in ihrem Herkunftsland erleichterte. Das Budget wird es auch<br />

<strong>im</strong> nächsten Jahr geben.<br />

2. Krankheitsfälle<br />

Eine besondere Problematik stellten in diesem Jahr gehäufte Fälle von besonders<br />

schutzbedürftigen Rückkehrern dar. Es handelte sich um kranke und psychisch kranke<br />

Personen, die nicht ohne weiteres alleine reisen konnten. In diesen Fällen war die<br />

Rückkehrberatung noch zeitintensiver, weil einfach viele Punkte geklärt werden<br />

mussten, vor allem, ob die Person ärztlich begleitet werden musste und wer dafür die<br />

Kosten übernahm.<br />

In diese Fällen haben wir mit dem medizinischen Logistik-Netzwerk Melonet<br />

zusammengearbeitet: Melonet organisiert ärztliche Begleitungen bei freiwilliger<br />

Rückkehr.<br />

In einigen der Fälle haben wir unsere Klient/innen bis zum Ablugflughafen begleitet, weil<br />

sie aufgrund ihrer Krankheit nicht in der Lage waren, alleine dorthin zu gelangen. Dabei<br />

wurden wir unterstützt von unseren Sprach- und Kulturmittler/innen, die auch bei<br />

Beratungsgesprächen übersetzten und ebenso wie in der Verfahrensberatung wesentlich<br />

zum Vertrauensaufbau beitrugen.<br />

42<br />

Rückkehrberatung


Ergebnisse aus der Rückkehrberatung <strong>im</strong> Jahr 2006<br />

Unsere Erfahrungen haben uns deutlich gezeigt, dass Menschen, die sich gedanklich mit<br />

der Rückkehr in ihr Herkunftsland beschäftigen, sich in einem langwierigen Prozess<br />

befinden, der mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist.<br />

Unsere in die Verfahrensberatung integrierte Rückkehrberatung gibt diesen Menschen<br />

einen Raum, in dem sie sich ohne Zwang und Zeitdruck bewegen können. Wir nehmen<br />

ihre Ängste und Unsicherheiten ernst und erarbeiten mit ihnen sowohl Perspektiven der<br />

Aufenthaltsverfestigung als auch Perspektiven einer freiwilligen Ausreise.<br />

Es ist uns wichtig, dass die Klient/innen ihre Entscheidung mit unserer Unterstützung,<br />

aber dennoch selbstständig treffen.<br />

Allein aus diesem Grund kann eine Rückkehrberatung sinnvoll und <strong>im</strong> Sinne der<br />

betroffenen Personen gestaltet und – <strong>im</strong> Falle, dass diese die Ausreise tatsächlich<br />

wünschen eine Rückkehr in Würde gewährleistet werden.<br />

Damit Sie sich nun ein Bild von unserer Arbeit machen können, folgen nun einige<br />

Fallbeispiele:<br />

Fallbeispiel 1:<br />

Kosovo<br />

Rückkehrberatung<br />

Ein 25-jähriger junger Kosovare stellte einen Asylantrag be<strong>im</strong> Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtlinge. In der Erstaufnahmeinrichtung „Hotelschiff Siesta“ wurde er von meinen Kolleginnen<br />

zum Verfahrensablauf beraten. Nach dem Gespräch stellte sich heraus, dass der junge Mann<br />

seinen Asylantrag zurücknehmen und in seine He<strong>im</strong>at zurückkehren wollte.<br />

43


Daraufhin wurde ein Termin in unserer Beratungsstelle vereinbart, und der Klient wurde an das<br />

Team der Rückkehrberatung verwiesen.<br />

Es folgen einige Gesprächstermine, bei denen Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland ausgelotet wurden.<br />

Der junge Mann hatte eine Ausbildung als Bautechniker absolviert. Die Rückkehrberatung nahm<br />

Kontakt mit AGEF in Prishtina auf. Der Bewerbungsbogen wurde dann zusammen mit dem<br />

jungen Mann in deutscher und albanischer Sprache ausgefüllt und nach Berlin zu AGEF geschickt.<br />

Die Rückkehrberatung unterstützte den Mann auch bei den konkreten Ausreiseformalitäten. Dazu<br />

gehörte in diesem Fall der Kontakt mit dem Bundesamt, mit IOM und der Zentralen<br />

Ausländerbehörde Düsseldorf. Letztere kümmerte sich um Passersatzpapiere,<br />

Grenzübertrittsbescheinigung und Ausstellung der Rückkehrvignetten für Österreich, Italien und<br />

Albanien. Diese benötigte er, weil er über den Landweg ausreisen wollte. Da IOM sich nur um die<br />

Organisation der Reise über den Luftweg kümmert, aber nicht um die Ausreise über Land, haben<br />

wir ihn dabei unterstützt, die Fahrkarten zu besorgen. Einer unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />

begleitete den jungen Mann zum Reisebüro.<br />

Fallbeispiel 2:<br />

Iran<br />

Herr H. stellte ca. vor 2 Jahren einen Asylantrag in Düsseldorf. Dieser wurde negativ beschieden,<br />

und auch seine VG-Verhandlung brachte keinen Erfolg.<br />

In Iran hatte er 3 Jahre Maschinenbau studiert. Hier in Deutschland hatte er unter anderem<br />

gehofft, sein Studium weiterzuführen zu können. Auch dies scheiterte, da er seit 2 Jahren nur<br />

eine Duldung besaß. Der junge Mann hatte keine Perspektive mehr in Deutschland und<br />

kontaktierte uns mit den Überlegungen zu einer eventuellen freiwilligen Rückkehr.<br />

Es fanden mehrere Gesprächstermine statt, in denen wir durch unsere persisch sprechende<br />

Dolmetscherin/Rückkehrberaterin Giti Sadi unterstützt wurden. Einige Beratungsgespräche zur<br />

Perspektivberatung folgten, die teilweise sogar über mehrere Stunden dauerten.<br />

Ein weiterer Ausreisegrund war auch die plötzliche Krankheit der Mutter <strong>im</strong> Iran, die dazu führte,<br />

dass Herr H. nun so schnell wie möglich ausreisen wollte.<br />

Nun wurden die konkreten Ausreiseformalitäten in Angriff genommen: der Kontakt zur Zentralen<br />

Ausländerbehörde Köln, zu IOM und zur iranischen Botschaft.<br />

Herr H. hatte in den 2 Jahren in Deutschland viel an Fachliteratur (Maschinenbau) erworben bzw.<br />

von Freunden und Bekannten geschenkt bekommen. Diese wollte er mitnehmen.<br />

Wir führten mehrere Telefonate mit der Fluggesellschaft, die darauf beharrte, dass Herr H. nur<br />

35 Kilo mitnehmen durfte - Herr H. hatte aber wesentlich mehr Gepäck. Für ihn war es sehr<br />

wichtig, die Fachliteratur nach Hause mitzunehmen.<br />

Da Übergepäck ziemlich teuer ist, haben wir Kontakt zum Luftfrachtzentrum (Cargo)<br />

aufgenommen und konnten schließlich aus Spendenmitteln die Kosten für eine Luftfracht in Höhe<br />

von 160 Euro übernehmen.<br />

Zusätzlich hatte Herr H. große Angst, alleine zur Ausländerbehörde zu gehen, um seinen<br />

Nationalpass vorzuzeigen und eine Grenzübertrittsbescheinigung abzuholen. Deshalb wurde er<br />

von unserer Dolmetscherin /Rückkehrberaterin zur Ausländerbehörde begleitet.<br />

44<br />

Rückkehrberatung


Fallbeispiel 3:<br />

Iran<br />

In der Verfahrensberatung stellte sich heraus, dass ein junger Mann so schnell wie möglich in<br />

den Iran zurückkehren wollte.<br />

Daraufhin wurde sofort ein Termin in unserem Haus vereinbart. Der Mann war eigentlich in<br />

Karlsruhe angemeldet und musste sich auch dort aufhalten. Er war nach Düsseldorf gekommen,<br />

weil er hier Bekannte hatte. Diese konnten ihm jedoch auch nicht weiterhelfen und brachten ihn<br />

zur Erstaufnahmeeinrichtung, wo er jedoch illegal war und nicht bleiben durfte.<br />

Wir nahmen Kontakt mit der Zentralen Ausländerbehörde Düsseldorf und erreichten, dass er für<br />

die Zeit bis zu seiner Rückkehr in den Iran auf dem Schiff übernachten durfte.<br />

Nun stellte sich heraus, dass der Mann psychisch krank war und nicht ohne ärztliche Begleitung<br />

fliegen durfte.<br />

Wir nahmen Kontakt mit IOM auf und beantragten Rückkehrhilfen nach REAG/GARP, die auch<br />

sofort genehmigt wurden.<br />

Ein Problem bestand allerdings darin, dass die Kosten für die ärztliche Begleitung vom Sozialamt<br />

in Karlsruhe übernommen werden mussten.<br />

Ich war <strong>im</strong> ständigen Kontakt mit dem Sozialamt in Karlsruhe, mit IOM und Melonet. Der junge<br />

Iraner war durch seine psychische Krankheit auf unsere intensive Unterstützung angewiesen.<br />

Unsere Sprach- und Kulturmittler waren bei allen Beratungen anwesend. Da der junge Iraner<br />

auch nicht in der Lage war, den Düsseldorfer Flughafen alleine zu finden, wurde er von unserem<br />

Dolmetscher zum Flughafen begleitet.<br />

Fallbeispiel 4:<br />

Äthiopien<br />

Rückkehrberatung<br />

Eine äthiopische Frau stellte in Düsseldorf einen Asylantrag. Bevor sie jedoch zu ihren<br />

Asylgründen be<strong>im</strong> Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört werden konnte, kam sie ins<br />

Krankenhaus.<br />

Die Ärzte stellten fest, dass Frau H. an Krebs litt und nicht mehr lange leben würde.<br />

Nach einigen Monaten entschied sich Frau H., freiwillig nach Äthiopien zurückzukehren, um dort<br />

bei ihrer Familie zu sterben.<br />

Daraufhin wurde unsere Beratungsstelle kontaktiert, da aber Frau H. schwerkrank <strong>im</strong><br />

Krankenhaus lag, mussten wir Termine mit einer ehrenamtlichen Dolmetscherin vereinbaren, um<br />

mit ihr alles Notwendige zu besprechen.<br />

Der Bruder von Frau H. reiste mit einem Visum nach Deutschland, um seine Schwester so schnell<br />

wie möglich zu ihrer Familie nach Äthiopien zu bringen.<br />

Wir nahmen Kontakt mit IOM auf und kümmerten uns um die Ausreiseformalitäten.<br />

Da Frau H. künstlich ernährt wurde und einen künstlichen Darmausgang hatte, musste sie auf<br />

dem Flug nach Äthiopien von einem Arzt begleitet werden. Von IOM bekam sie eine<br />

Reisebeihilfe, Starthilfe und die Transportkosten erstattet. Die Transportkosten waren in diesem<br />

Fall etwas höher, weil sie liegend transportiert werden musste (3 Sitzplätze).<br />

45


Die Mehrkosten für die ärztliche Begleitung sollten eigentlich vom Sozialamt übernommen<br />

werden, das sich aber zunächst weigerte. Erst nach mehreren Telefonaten und Verhandlungen<br />

erreichten wir, dass das Sozialamt die Kosten für ärztliche Begleitung zugesagt hat.<br />

Die Begleitung wurde von Melonet organisiert, die Koordination lag jedoch in unserer Hand. Wir<br />

waren die Ansprechpartner für IOM, Melonet, die Ausländerbehörde, für den Bruder, die<br />

Dolmetscherin, das Krankhaus und später für die Lufthansa.<br />

Frau H. benötigte einige spezielle medizinische Hilfsmittel, die wir ihr aus dem Rückkehrbudget in<br />

Höhe von 500 Euro finanzieren konnten.<br />

Am Tag des Abfluges (ab Frankfurt) ist der Lufthansa ein großer Fehler unterlaufen: Die Crew der<br />

Lufthansa vergaß Frau H., den Begleitarzt und den Bruder in Frankfurt!<br />

Da der nächste Flug erst in 2 Tagen möglich war, musste Frau H. in einem Krankenhaus<br />

außerhalb des Frankfurter Flughafens untergebracht werden. Dies war wieder mit hohen Kosten<br />

verbunden.<br />

Da sie sich nicht mehr in Düsseldorf befand, sah sich das Düsseldorfer Sozialamt nicht genötigt,<br />

die Kosten zu übernehmen. Mit Lufthansa konnte die Kostenübernahme auch nicht so zügig<br />

geklärt werden, obwohl der Fehler eindeutig bei der Fluggesellschaft lag.<br />

Auch hier mussten wir mit den verschiedenen Akteuren wie z.B. mit dem Krankenhaus in<br />

Frankfurt und der Lufthansa nach Lösungen suchen und verhandeln.<br />

Nach ca. 3 Wochen konnten wir erreichen, dass Frau H. lebend in Äthiopien ankam und vor Ort<br />

einem Arzt übergeben wurde.<br />

Später erhielten wir die Nachricht, dass Frau H. ca. 3 Wochen nach ihrer Ankunft in Äthiopien <strong>im</strong><br />

Kreise ihrer Familie gestorben ist.<br />

Fallbeispiel 5:<br />

Syrien<br />

Ein Syrer kontaktierte unsere Beratungsstelle.<br />

Er lebt seit 5 Jahren in Deutschland mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis.<br />

Seit einigen Monaten war er arbeitslos und hatte dadurch persönlich keine Perspektive in<br />

Deutschland. Es fanden regelmäßig Perspektivberatungen in unserem Hause statt. Dabei wurden<br />

lange Gespräche geführt, in denen seine Perspektiven <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland und hier in Deutschland<br />

ausgelotet wurden.<br />

Von Beruf war er Mathematiklehrer und wollte als solcher auch in Syrien wieder arbeiten. Wir<br />

nahmen Kontakt mit der Zentralen Arbeitsvermittlung in Frankfurt auf und füllten zusammen mit<br />

Herrn O. einen Bewerbungsbogen aus.<br />

Nach langem Warten erfuhren wir, dass die ZAV keine geeignete Stelle in Syrien ausfindig<br />

machen konnte. Wir nahmen daraufhin Kontakt zu anderen Organisationen wie z.B. AGEF auf.<br />

Diese Organisation arbeitet mit der ZAV zusammen und versucht, rückkehrwilligen Menschen<br />

eine berufliche Perspektive <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland zu geben.<br />

Herr O. ist in dieser Wartezeit <strong>im</strong>mer wieder sehr verunsichert, was zur Folge hat, dass er häufig<br />

seine Meinung zur Rückkehr ändert.<br />

Daher ist er in unserer vertrauensvollen Perspektivberatung sehr gut aufgehoben. Wir geben ihm<br />

die Zeit, die er für seine Entscheidungsfindung braucht.<br />

Herr O. ist noch nicht zurückgekehrt. Wir befinden uns noch <strong>im</strong>mer in der Phase der<br />

Entscheidungsfindung.<br />

46<br />

Rückkehrberatung


Kooperatiionen<br />

Kooperation mit anderen Beratungsstellen und Einrichtungen<br />

Erstaufnahmeeinrichtungen in Schöppingen und Hemer<br />

Seit der Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung in Düren sind die einzigen<br />

verbliebenen Aufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen diejenigen in Schöppingen<br />

und Hemer.<br />

Das heißt, dass alle Flüchtlinge, die ihre Anhörung in Düsseldorf hatten, vom Schiff aus<br />

entweder in die Aufnahmeeinrichtung Schöppingen oder Hemer gebracht werden.<br />

Die Klient/innen, die von uns <strong>im</strong> Rahmen des Projektes betreut oder ausführlich beraten<br />

wurden und bei denen wir feststellen, dass sie weiterhin dringenden Beratungs- oder<br />

Betreuungsbedarf haben, werden von uns telefonisch an die Kolleginnen vermittelt.<br />

Unser Angebot an die Flüchtlinge, sie vor ihrer Ankunft bei den Kolleginnen schon<br />

„anzukündigen“ und die wichtigsten Informationen zu ihren besonderen Problemlagen<br />

den Beratungsstellen mitzuteilen, wurde <strong>im</strong> vergangenen Jahr von allen gerne<br />

angenommen.<br />

Grundsätzlich werden in der Beratung selbstverständlich alle Asylsuchenden von uns auf<br />

die Möglichkeit hingewiesen, die Verfahrensberatung der Kolleginnen und Kollegen in<br />

den Erstaufnahmeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Jedoch ist die persönliche<br />

Vermittlung in den Fällen von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen von ganz<br />

entscheidender Bedeutung:<br />

Es fällt uns mehr und mehr auf, dass gerade diese Menschen eine lückenlose Betreuung<br />

benötigen – es ist daher sehr wichtig, sie gewissermaßen der nächsten Stelle, bei der<br />

sie Hilfe erhalten können, „in die Hand zu legen“. Eine bestmögliche Stabilisierung ist<br />

dann gewährleistet, wenn wir sicherstellen können, dass der Kontakt bzw. die<br />

Betreuung an keiner Stelle abreißt.<br />

Notwendig ist auch, den Flüchtlingen, die aus ihren Herkunftsländern ähnliche<br />

Beratungsstrukturen gar nicht kennen, erst einmal zu erklären, welche Hilfsangebote sie<br />

in Deutschland erhalten können und wo sie diese finden.<br />

In dem Moment, in dem sie zu unserer Beratungsstelle Vertrauen gefasst haben, fragen<br />

die Flüchtlinge oftmals danach, ob „unsere Organisation“ auch in der<br />

Erstaufnahmeeinrichtung tätig ist. Sobald wir dann die Namen der Kolleginnen nennen,<br />

ist die Erleichterung darüber spürbar, dort auch Ansprechpersonen zu haben, mit denen<br />

wir zusammenarbeiten.<br />

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Klient/innen, die aus der Erstaufnahme direkt nach<br />

Düsseldorf oder in die Umgebung von Düsseldorf zugewiesen wurden, merklich<br />

gestiegen. Diese wurden dann von den Kolleginnen an uns zurück vermittelt, so dass<br />

eine nahtlose Verfahrensberatung von Beginn bis zum Abschluss des Asylverfahrens<br />

stattfand.<br />

47


Kooperation mit Beratungsstellen und ehrenamtlichen Betreuungspersonen in<br />

kleinen Orten in Nordrhein-Westfalen<br />

Nach dem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung werden die Flüchtlinge oftmals in<br />

sehr kleine Orte und Dörfer mit schlechter Infrastruktur zugewiesen. Fachärztliche oder<br />

therapeutische Hilfe zu bekommen, ist hier manchmal ein großes Problem. Hinzu<br />

kommt, dass in einigen Fällen die nächste Fachberatungsstelle einige Kilometer entfernt<br />

ist und lange (teure) Busfahrten zurückgelegt werden müssen.<br />

Die Schließungen von Beratungsstellen bzw. ihre <strong>im</strong>mer begrenzter werdenden<br />

Kapazitäten machen sich hier teilweise drastisch bemerkbar.<br />

Gerade in den kleinen Orten ist die Gefahr der Vereinsamung groß, insbesondere dann,<br />

wenn zum Beispiel allein stehende Flüchtlinge in einer Unterkunft untergebracht werden,<br />

in der sie keine Landsleute finden.<br />

Glücklicherweise hatten wir <strong>im</strong> vergangenen Jahr in mehreren Fällen die Möglichkeit,<br />

eng mit ehrenamtlich tätigen Menschen zu arbeiten, die sich sehr intensiv um einzelne<br />

Klient/innen oder Flüchtlingsfamilien kümmerten.<br />

So entstanden kleinen Netzwerke von Hilfen aus ehren- und hauptamtlicher Beratung<br />

und Betreuung.<br />

Die persönliche, ehrenamtliche Betreuung bestand beispielsweise in der Begleitung zu<br />

Behörden, Ärzten und zu Beratungsstellen in Nachbarorten, Vermittlung an Sprachkurse<br />

vor Ort, Hilfe bei der Anmeldung der Kinder in Schule oder Kindergarten etc.<br />

Andererseits war<br />

weiterhin die Anbindung<br />

an uns mit Hilfe unserer<br />

Dolmetscher/innen<br />

gewährleistet: Diese<br />

blieben telefonisch in<br />

Kontakt mit den<br />

Flüchtlingen, so dass<br />

regelmäßig in<br />

Rücksprache mit uns die<br />

weiteren<br />

asylverfahrensrechtlichen<br />

Belange geregelt werden<br />

konnten.<br />

Beratungsgespräche<br />

(Asylverfahrensberatung)<br />

fanden in unserer<br />

Beratungsstelle mit Hilfe<br />

der Dolmetscher/innen<br />

statt; Fahrtkosten<br />

konnten wir, wenn nötig, aus Spendenmitteln übernehmen.<br />

Wir sind davon überzeugt, dass eine solche „Rundum-Unterstützung“ für die besonders<br />

schutzbedürftigen Flüchtlinge eine enorme stabilisierende Wirkung hat.<br />

48<br />

Kooperatiionen


Kooperatiionen<br />

Umgekehrt gehen wir davon aus, dass ohne solche Stabilisierungsmaßnahmen einige<br />

der Flüchtlinge die Belastungen des Asylverfahrens und der schwierigen<br />

Lebensumstände psychisch nicht hätten ertragen können.<br />

Dies motiviert uns, uns auch weiterhin um den Aufbau von umfassenden „Hilfs-<br />

Netzwerken“ zu bemühen.<br />

Beratungsstellen in den Zuweisungsorten in anderen Bundesländern<br />

Ähnlich wie bei der Kooperation mit den Beratungsstellen in den nordrhein-westfälischen<br />

Erstaufnahmeeinrichtungen versuchen wir, den Flüchtlingen auf dem Schiff, die in<br />

andere Bundesländer zugewiesen werden, Adressen von Beratungsstellen und<br />

Einrichtungen am Zuweisungsort mitzugeben bzw. in besonderen Fällen direkt einen<br />

Kontakt/ eine Vermittlung herzustellen.<br />

Wir bemühen uns weiterhin, Netzwerke <strong>im</strong> gesamten Bundesgebiet aufzubauen, um<br />

Klient/innen bei Bedarf an kompetente Stellen weiterleiten zu können. Bereits<br />

bestehende gute Kontakte beispielsweise zu den Verfahrensberatungsstellen der<br />

Diakonie in Jena/ Eisenberg und Eisenhüttenstadt haben wir rege genutzt und zusätzlich<br />

in vielen Fällen Kontakte in andere Orte, beispielsweise Oldenburg, Hamburg und<br />

München, aufgenommen.<br />

Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf<br />

Das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf ist eine der für unsere Arbeit<br />

wichtigsten Institutionen.<br />

Wie in den vergangenen Jahren konnten einige der von uns betreuten Klientinnen und<br />

Klienten Therapieplätze oder Plätze zur Begutachtung erhalten, wurden auf die<br />

Warteliste aufgenommen oder erhielten kurzfristige Termine zur Krisenintervention oder<br />

zu Clearinggesprächen.<br />

Ein regelmäßiger Austausch mit den Therapeut/innen ist oftmals sehr wichtig, um sich<br />

gegenseitig über die jeweils relevanten Aspekte zu informieren und <strong>im</strong>mer wieder<br />

abzust<strong>im</strong>men, welche Maßnahmen für die betreffende Person sinnvoll sind. Gerade in<br />

den Fällen, in denen schon seit einigen Jahren eine gemeinsame arbeitsteilige<br />

Betreuung (durch das PSZ therapeutische Hilfe und psychosoziale Betreuung zur<br />

Bewältigung ihres Alltags und durch uns die Beratung zu asylrechtlichen Fragen)<br />

besteht, sind <strong>im</strong>mer wieder Absprachen notwendig.<br />

Weitere Kooperation zum PSZ besteht <strong>im</strong> Bereich der gemeinsamen Organisation von<br />

Veranstaltungen (s. auch das Kapitel Öffentlichkeitsarbeit).<br />

Für die <strong>im</strong> EFF-Projekt tätigen Sprach- und Kulturmittler/innen und weitere ehrenamtlich<br />

Mitarbeitende konnten wir <strong>im</strong> vergangenen Jahr erneut eine Supervision anbieten, die<br />

durch Therapeutinnen des Psychosozialen Zentrums durchgeführt wurde. Finanzielle<br />

Unterstützung dafür erhielten wir vom Diakonischen Werk <strong>Rheinland</strong>.<br />

49


Weitere Flüchtlingsberatungsstellen in Düsseldorf<br />

Sozialdienst für Flüchtlinge der Stadt Düsseldorf<br />

Im Jahr 2006 ist es in vielen Fällen vorgekommen, dass wir Flüchtlinge auf dem Schiff<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Projektes betreut hatten, die dann später nach Düsseldorf zugewiesen<br />

wurden.<br />

Besonders häufig waren dies schwerstkranke Flüchtlinge, die eine Zuweisung nach<br />

Düsseldorf erhielten, um eine notwendige, meist sehr aufwändige medizinische<br />

Versorgung (in best<strong>im</strong>mten fachärztlichen Schwerpunktpraxen, der Uniklinik oder in<br />

anderen Krankenhäusern) zu gewährleisten (s. auch Fallbeispiele <strong>im</strong> EFF-Projekt).<br />

Diese Flüchtlinge wurden in den Übergangswohnhe<strong>im</strong>en in Düsseldorf untergebracht, für<br />

die zwei Sozialarbeiterinnen der Stadt Düsseldorf verantwortlich sind.<br />

Seit vielen Jahren arbeiten wir mit dem Sozialdienst für Flüchtlinge sehr gut zusammen.<br />

Die Kooperation hat sich jedoch durch die gemeinsam betreuten Fälle ganz erheblich<br />

verstärkt. Da wir in den Fällen Vorkenntnisse und Informationen über den Hintergrund<br />

der Flüchtlinge und ihre speziellen Bedürfnisse hatten, konnten wir die Kolleginnen über<br />

die Besonderheiten informieren. In gemeinsamen Fallbesprechungen, meist telefonisch,<br />

konnten dann alle wichtigen Dinge geklärt und notwendige Maßnahmen eingeleitet<br />

werden, begonnen mit einer angemessenen Unterbringung von Schwerstkranken<br />

(oftmals ist dann ein eigenes Bad notwendig, die Appartements oder Z<strong>im</strong>mer mit<br />

eigenem Bad sind jedoch sehr begrenzt), aber auch mit weitergehenden konkreten<br />

lebenspraktischen Hilfen, die von den Kolleginnen organisiert wurden.<br />

So konnten wir gemeinsam eine möglichst gute Versorgung der Flüchtlinge erreichen.<br />

Caritas-Migrationsdienst und Deutsches Rotes Kreuz<br />

Die seit Jahren bewährte Arbeitsteilung nach Arbeitsschwerpunkten hat auch <strong>im</strong><br />

vergangenen Jahr dazu geführt, dass unnötige Mehrfachberatungen vermieden wurden.<br />

Wir erleben es als entlastend zu wissen, dass wir uns gemäß unserem Arbeitsauftrag auf<br />

die Asylverfahrensberatung und auf die Perspektiven- und Rückkehrberatung<br />

konzentrieren können, dass aber andere Belange der Flüchtlinge bei den anderen<br />

Düsseldorfer Fachberatungsstellen gut aufgehoben sind und wir bei Anfragen, die nicht<br />

in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, dorthin verweisen können.<br />

Aids-Hilfe Düsseldorf, Krankenhaussozialdienste, Krankenhausseelsorge<br />

Gerade aufgrund der steigenden Zahl schwer erkrankter Flüchtlinge war es weiterhin<br />

sehr hilfreich, dass eine gute Zusammenarbeit mit der Aids-Hilfe und verschiedenen<br />

Krankenhaus-Sozialdiensten besteht. Auch die Krankenhausseelsorge ist in diesem<br />

Zusammenhang zu erwähnen. Die Flüchtlinge, die durch ihre Krankheitssituation noch<br />

zusätzlich belastet sind, benötigen eine ganzheitliche psychosoziale Unterstützung.<br />

So war es für uns eine gute Nachricht, dass die Düsseldorfer Aids-Hilfe <strong>im</strong> Jahr 2006<br />

durch eine neue auf die Migrantinnenarbeit spezialisierte Kollegin Verstärkung erhalten<br />

hat.<br />

50<br />

Kooperatiionen


Kooperatiionen<br />

Gute und erfolgreiche Kooperationen bestanden außerdem mit folgenden<br />

Einrichtungen:<br />

• Kleiderkammern von Renatec und Caritas <strong>im</strong> Rahmen des EFF-Projekts<br />

• Frauenberatungsstelle und SOLWODI Duisburg in Fällen von Gewalt betroffener<br />

Flüchtlingsfrauen<br />

• Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW und Rubicon Köln sowie Mashallah<br />

Essen (in Fällen von geschlechtsspezifischer Verfolgung/ Verfolgung aufgrund von<br />

Homosexualität)<br />

• Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Düsseldorf<br />

• Betreuer/innen in den Abschiebehaftanstalten Neuss und Büren<br />

Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen<br />

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />

Aufgrund unseres Arbeitsschwerpunktes der Verfahrensberatung ist natürlich die<br />

Düsseldorfer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Behörde in<br />

Düsseldorf, mit der wir am häufigsten Kontakt aufnehmen.<br />

Oft gibt es konkrete Anliegen, die sich aus der Beratung vor der Anhörung ergeben, wie<br />

zum Beispiel das Verschieben eines Anhörungstermins wegen Krankheit, der Wunsch<br />

nach einem Dolmetscher für eine best<strong>im</strong>mte Sprache oder der Wunsch von Frauen, von<br />

einer weiblichen Sachbearbeiterin Asyl mit Hilfe einer Dolmetscherin angehört zu<br />

werden. Die Zusammenarbeit ist insgesamt, besonders wenn es um solche Anliegen<br />

geht, gut.<br />

Insbesondere durch die Beratung <strong>im</strong> Flughafenverfahren sowie durch vereinzelt<br />

stattfindende Begleitungen von Klient/innen zur Anhörung kennen wir die meisten<br />

Sachbearbeiter/innen Asyl persönlich.<br />

Probleme der Klient/innen, die uns in der Beratung aufgefallen sind (z.B. Verdacht auf<br />

Traumatisierung) können wir <strong>im</strong> Einverständnis mit den Klient/innen vorab den<br />

Sachbearbeiter/innen Asyl mitteilen (diese „Clearingfunktion“ ist ein wichtiger<br />

Bestandteil der Verfahrensberatung).<br />

Natürlich gibt es <strong>im</strong>mer wieder Fälle, mit denen wir nicht einverstanden sind: weil wir<br />

beispielsweise den Eindruck hatten, dass die Sachermittlungen des Bundesamtes zu<br />

oberflächlich waren, dass den Flüchtlingen nicht ausreichend Gelegenheit gegeben<br />

wurde, in Ruhe ihre Fluchtgründe zu schildern, dass sie in der Anhörung durch<br />

verwirrende Zwischenfragen oder unfreundliche Behandlung verunsichert wurden (dies<br />

ist insbesondere bei Traumatisierten, die störungsbedingt manchmal sehr misstrauisch<br />

sind, fatal) oder weil eingereichte <strong>Dokument</strong>e zu wenig gewürdigt wurden.<br />

51


52<br />

Praktikantin Sarah Hemmes<br />

Wir suchen dann das Gespräch mit den<br />

jeweiligen Sachbearbeiter/innen Asyl,<br />

setzen uns aber auch über generelle,<br />

eher strukturelle Probleme <strong>im</strong><br />

Asylverfahren hin und wieder mit der<br />

Leitung der Düsseldorfer Außenstelle,<br />

ggf. auch mit der Zentrale in<br />

Verbindung.<br />

In Fällen von DÜ-Verfahren (Verfahren<br />

zur Feststellung, welches europäische<br />

Land für die Durchführung des<br />

Asylverfahrens zuständig ist), wandten<br />

wir uns häufig an die hierfür zuständige<br />

Außenstelle des Bundesamtes in<br />

Dortmund.<br />

Wichtig für die Kommunikation und Kooperation mit dem Bundesamt waren auch die<br />

zwei Gesprächsrunden, die zum Thema Traumatisierung und Flughafenverfahren <strong>im</strong><br />

Bundesamt stattfanden, sowie die Tagung des DW Rehinland mit den nordrheinwestfälischen<br />

Außenstellen des Bundesamtes (s. auch Öffentlichkeitsarbeit).<br />

Zentrale Ausländerbehörde<br />

Ansprechpartnerin bei Fragen zur Zuweisung ist die Zentrale Ausländerbehörde.<br />

Erfolgreiche fallbezogene Lösungen konnten bei der Zuweisung schwer kranker,<br />

reiseunfähiger Personen gefunden werden.<br />

Seit Beginn der Rückkehrberatung sind die Fälle der Kooperation zu Rückkehrfragen<br />

häufiger geworden. Insbesondere können wir uns bei Fragen zur Rücknahme des<br />

Asylantrags und zur Passbeschaffung für eine freiwillige Ausreise an die Zentrale<br />

Ausländerbehörde wenden.<br />

Bezirksregierung Arnsberg<br />

Durch die Zunahme von Fällen von schwerer Krankheit und/oder schweren psychischen<br />

Erkrankungen ist es häufiger notwendig geworden, sich bezüglich der Zuweisung an die<br />

hierfür zuständige Bezirksregierung Arnsberg zu wenden. Nach unserer Rücksprache mit<br />

der Bezirksregierung und dem Vorlegen entsprechender Atteste/Stellungnahmen, teils in<br />

Kooperation mit Bundesamt und Sozialamt, konnten die Flüchtlinge an die Orte<br />

zugewiesen werden, an denen eine spezielle therapeutische oder medizinische<br />

Versorgung möglich war.<br />

Kommunale Ausländerbehörden<br />

Kooperatiionen<br />

Im Bereich der Verfahrensberatung finden nach wie vor nur punktuelle, auf wenige<br />

Einzelfälle beschränkte Kontakte zu Ausländerbehörden statt. Der Einzugsbereich<br />

unserer Klientel erstreckt sich auf den gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf und teils<br />

darüber hinaus. So bestanden beispielsweise Kontakte zu den Ausländerbehörden in<br />

Düsseldorf, Duisburg, Essen, Dormagen und Mönchengladbach, meist zu<br />

aufenthaltsrechtlichen Fragen oder zur Erteilung von Aufenthaltsdokumenten/<br />

Reiseausweisen für anerkannte Flüchtlinge.


In der Rückkehrberatung spielt der Kontakt zu den Ausländerbehörden eine sehr<br />

wichtige Rolle, gerade wenn es um die Verlängerung der Duldungen oder um die<br />

Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen zur Ermöglichung einer freiwilligen<br />

Ausreise geht (s. hierzu auch den Bericht aus der Rückkehrberatung).<br />

Sozialamt<br />

Kooperatiionen<br />

In der Betreuung der Flüchtlinge auf dem Schiff ist eine wichtige Behörde das Sozialamt<br />

(Amt für soziale Sicherung) in der Erkrather Straße <strong>im</strong> Gebäude von ZAB und<br />

Bundesamt. Wir wenden uns an die Mitarbeitenden, wenn Bedarf nach ärztlicher/<br />

fachärztlicher Behandlung besteht, wenn Frauen nach ihrer Entbindung<br />

Babyerstausstattung benötigen, wenn Absprachen aufgrund eines<br />

Krankenhausaufenthalts notwendig sind, wenn Kranke oder junge Mütter reiseunfähig<br />

sind und nicht sofort an einen weit entfernten Zuweisungsort reisen können usw.<br />

Im vergangenen Jahr ist es in Einzelfällen notwendig gewesen, eine ambulante Pflege<br />

auf dem Schiff zu organisieren.<br />

Insgesamt ist die Zusammenarbeit sehr gut, und es besteht grundsätzlich <strong>im</strong>mer<br />

Gesprächsbereitschaft seitens des Sozialamtes. An einigen Fallbeispielen <strong>im</strong> Bericht aus<br />

dem EFF-Projekt ist jedoch zu erkennen, dass leider nicht in allen Fällen zufrieden<br />

stellende Situationen erreicht wurden; es ist daher notwendig, <strong>im</strong>mer wieder über die<br />

problematische Situation gerade in der Gesundheitsversorgung <strong>im</strong> Gespräch zu bleiben<br />

und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen.<br />

53


Öffentlichkeitsarbeit<br />

In unserer Arbeit mit Flüchtlingen ist es uns wichtig,<br />

• in der Gesellschaft, insbesondere in kirchlichen Gruppen, auf die schwierige<br />

Lebenssituation von Flüchtlingen aufmerksam zu machen und um Verständnis<br />

und Solidarität zu werben<br />

• uns nach unseren Möglichkeiten <strong>im</strong> Dialog mit Behörden um einvernehmliche<br />

Lösungen in schwierigen Fällen zu bemühen, aber auch auf negative asylpolitische<br />

Entwicklungen oder auch ungerechte oder respektlose Behandlung unserer<br />

Klient/innen hinzuweisen<br />

• bei Kooperationspartnern und Einrichtungen, die eher „am Rande“ mit<br />

Flüchtlingen zu tun haben (beispielsweise in der Seelsorge oder <strong>im</strong><br />

Gesundheitssystem), fachliche Informationen und Hilfestellungen zum Umgang<br />

mit Flüchtlingen zu geben.<br />

Im vergangenen Jahr haben wir eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt oder an<br />

ihnen mitgewirkt, die hier vorgestellt werden sollen:<br />

Veranstaltungen <strong>im</strong> Dialog mit Behörden<br />

Wie auch schon in den vergangenen Jahren, arbeiten wir in den<br />

Vorbereitungsgruppen von zwei jährlich stattfindenden Fachtagungen mit: der<br />

gemeinsamen Tagung des Diakonischen Werkes <strong>im</strong> <strong>Rheinland</strong> mit der Zentralen<br />

Ausländerbehörde („Behördentagung“) sowie der gemeinsamen Tagung des<br />

Diakonischen Werkes <strong>im</strong> <strong>Rheinland</strong> mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />

(BAMF).<br />

Auf der so genannten Behördentagung <strong>im</strong> Mai moderierte Jessica te Heesen eine<br />

Arbeitsgruppe mit dem Thema „Zwischen Recht und Gewissen.<br />

Abschiebungspraxis in NRW“. Vertreter/iInnen von Ausländerbehörden und<br />

Flüchtlingsberatungsstellen diskutierten nach den fachlichen Beiträgen von Birgül<br />

Kahraman/ Abschiebungsbeobachtung, Klaudia Dolk/ Rechtsanwältin und Herrn Gertler/<br />

Ausländerbehörde Mettmann kontrovers über die rigide Abschiebungspraxis in<br />

Nordrhein-Westfalen.<br />

Sehr wichtig ist uns der Dialog mit den Sachbearbeiter/innen Asyl der Düsseldorfer<br />

Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. In Fortsetzung der<br />

<strong>im</strong> Jahr 2005 begonnenen Gesprächsrunden fand eine solche <strong>im</strong> März 2006, vorbereitet<br />

von Jessica te Heesen und Frau Michaelsen, Sonderbeauftragte für<br />

geschlechtsspezifische Verfolgung <strong>im</strong> BAMF Düsseldorf, statt, bei der insbesondere<br />

Fragen zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen thematisiert wurden.<br />

An einer weiteren Gesprächsrunde <strong>im</strong> BAMF nahmen <strong>im</strong> September Daniela Bröhl und<br />

Miguel Temprano teil. Hier konnten sie die problematischen Fälle in der Zusammenarbeit<br />

<strong>im</strong> Flughafenverfahren thematisieren.<br />

Mitwirkung an Gottesdiensten, Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinden und kirchlichen Gruppen<br />

Ebenso wie <strong>im</strong> Vorjahr wurde <strong>im</strong> Rahmen des Kargottesdienstes in der evangelischen<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinde Gerreshe<strong>im</strong> durch die Superintendentin Cornelia Oßwald der<br />

dramatische Fall einer unserer Klientinnen vorgestellt.<br />

54<br />

Öffentlliichkeiitsarbeiit


Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />

In fünf weiteren Gottesdiensten konnten wir (Jessica te Heesen und Corrie Voigtmann)<br />

die Situation der Flüchtlinge in Düsseldorf in den Mittelpunkt stellen:<br />

• in einem Gottesdienst in der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath/Hellerhof <strong>im</strong> April;<br />

• <strong>im</strong> Pfingstgottesdienst (Open-Air-Gottesdienst) <strong>im</strong> Schlosspark Garath <strong>im</strong><br />

Juni;<br />

• <strong>im</strong> Gottesdienst anlässlich der Eröffnung der Interkulturellen Woche <strong>im</strong><br />

September, der in der Lukaskirche stattfand und in Kooperation mit dem<br />

Psychosozialen Zentrum Düsseldorf, dem Zentrum für Interkulturelle Begegnung<br />

und Beratung (Z.I.B.B.) der Diakonie, dem Diakoniepfarrer Herrn Frantzmann und<br />

dem Pfarrer der Christus-<strong>Kirche</strong>ngemeinde, Herrn Sticherling, vorbereitet und<br />

durch Text-, Theater- und Musikbeiträge von Flüchtlingen und Migrant/innen<br />

bereichert wurde;<br />

• <strong>im</strong> 5-nach-12-Gottesdienst der Friedenskirchengemeinde <strong>im</strong> Oktober, in<br />

dem die Situation der neu auf dem Asylschiff angekommenen Flüchtlinge Thema<br />

des Gottesdienstes war;<br />

• <strong>im</strong> Basar-Gottesdienst der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Wersten <strong>im</strong> November – die<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinde stellte die Hälfte des Erlöses ihres Basars für unsere Arbeit auf<br />

dem Schiff zur Verfügung.<br />

Wir möchten ausdrücklich den <strong>Kirche</strong>ngemeinden für ihr großes Interesse an unserer<br />

Arbeit und für die finanzielle Unterstützung danken!<br />

Auf der Synode des <strong>Kirche</strong>nkreises Düsseldorf-Ost hatte Jessica te Heesen <strong>im</strong><br />

November die Gelegenheit, über die Arbeit des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates zu<br />

berichten. Die große Aufmerksamkeit der Synodalen und die vielen interessierten<br />

Rückfragen sowie spätere positive Rückmeldungen und Kontakte waren und sind für uns<br />

sehr ermutigend.<br />

Auch die Aufklärung von Jugendlichen über die Lebenssituation von Flüchtlingen in<br />

Deutschland ist uns ein wichtiges Anliegen. So freuen wir uns darüber, wenn wir von<br />

<strong>Kirche</strong>ngemeinden oder Lehrer/innen gebeten werden, Unterrichts- oder<br />

Konfirmandenstunden zu gestalten. Zu nennen sind hier für das Jahr 2006 die<br />

Gestaltung einer Einheit für Konfirmand/innen der <strong>Kirche</strong>ngemeinde Garath (Pfr.<br />

Ungerathen) <strong>im</strong> Februar sowie der Besichtigung des Schiffes mit Schülern des<br />

Religionskurses eines Berufskollegs <strong>im</strong> November, die <strong>im</strong> Anschluss einen<br />

Schulgottesdienst zum Thema Flucht und Asyl gestalteten.<br />

Über zwei „Highlights“ soll an dieser Stelle berichtet werden:<br />

Im Jahr 2006 kamen wir in den Genuss von 2 Benefizkonzerten zugunsten unserer<br />

Arbeit mit Flüchtlingen auf dem Schiff:<br />

• Ein Konzert der in Düsseldorf und weit darüber hinaus bekannten Gruppe Morris<br />

Open (British Folk) <strong>im</strong> März in der evangelischen <strong>Kirche</strong>ngemeinde Urdenbach<br />

• sowie das Benefiz-Chorkonzert in Garath <strong>im</strong> November.<br />

Auf beiden Konzerten hatten wir (Jessica te Heesen und Corrie Voigtmann) die<br />

Möglichkeit, mit kurzen Textbeiträgen vor einem Publikum von jeweils ca. 100 -150<br />

Personen sowie mit Infoständen <strong>im</strong> Anschluss an die Konzerte die Situation der<br />

Flüchtlinge auf dem Schiff vorzustellen.<br />

55


Gleichzeitig waren die wunderschöne Musik von Morris Open und die Gesangsbeiträge<br />

der Chöre ein Hochgenuss und die durch die Konzerte deutlich gemachte „moralische<br />

Unterstützung“ der Musiker/innen für uns eine enorme Ermutigung, für die wir sehr<br />

dankbar sind.<br />

Von den eingegangenen beachtlichen Spendenbeiträgen konnten wir bereits viel<br />

konkrete Hilfe für Flüchtlinge leisten.<br />

Vorträge und Vorstellung der Flüchtlingsarbeit in verschiedenen Gruppen<br />

Corrie Voigtmann und Jessica te Heesen berichteten <strong>im</strong> Februar auf dem politischen<br />

Gesprächskreis „SPD, <strong>Kirche</strong>n und jüdische Gemeinden“ über die Situation von<br />

Flüchtlingen in Düsseldorf. Auf der Internetseite von „evangelisch in Düsseldorf“ wurde<br />

hierüber berichtet.<br />

Weitere Gelegenheit, um über die Aufgaben des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates zu<br />

berichten, gab es in einem Gesprächskreis des afw (actionsring frau und welt) <strong>im</strong><br />

März sowie bei einem Treffen der <strong>Evangelische</strong>n Arbeitnehmerbewegung <strong>im</strong><br />

August.<br />

Im Mai konnten Daniela Bröhl und Jessica te Heesen (zum wiederholten Male) <strong>im</strong><br />

Rahmen eines Psychologie-Seminars der Fachhochschule für öffentliche<br />

Verwaltung Duisburg über das Asylverfahren informieren. Die Einführung und<br />

Begrüßung auf dem „Hotelschiff SIESTA“ sowie eine Führung über das Schiff wurde<br />

durch Herrn Bezold vom Amt für soziale Sicherung übernommen. Für eine Themen-<br />

Einheit zur Frage der Erkennung von Traumatisierung <strong>im</strong> Asylverfahren konnten wir Frau<br />

Michaelsen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewinnen. Unsere<br />

Dolmetscherin Giti Sadi wirkte bei der Gestaltung einer Unterrichtseinheit über das<br />

Leben von Flüchtlingen und die psychischen Belastungen bei langjähriger<br />

Aufenthaltsunsicherheit mit.<br />

Informationen <strong>im</strong> Stadtteil Heerdt über das Schiff<br />

Aufgrund von Gerüchten über die mögliche Verlegung des Schiffes von Hamm nach<br />

Heerdt gab es <strong>im</strong> Mai ein Treffen von Anwohner/innen in einer Gaststätte in Heerdt, in<br />

dem diese über ihre Sorgen und Befürchtungen über die möglichen Auswirkungen auf<br />

ihr Wohngebiet diskutierten. Vertreter der Stadtverwaltung berichteten über den<br />

tatsächlichen Stand der Planungen, wodurch sich recht schnell herausstellte, dass das<br />

Schiff voraussichtlich am alten Standort bleiben würde (was sich inzwischen bestätigt<br />

hat). Das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat nahm als gesamtes Team an dieser<br />

Veranstaltung teil. Unterstützt durch Herrn Superintendent Jerzembeck-Kuhlmann<br />

konnten wir über die Lebenssituation der Flüchtlinge zu Beginn des Asylverfahrens<br />

informieren und für Verständnis in der Anwohnerschaft werben. In anschließenden<br />

Gesprächen mit einzelnen Teilnehmer/innen an der Veranstaltung kamen sehr gute<br />

Kontakt zustande; eine der auf der Veranstaltung anwesenden Frauen organisierte <strong>im</strong><br />

Stadtteil daraufhin eine große Handtücher-Spendenaktion für das Asylschiff, durch die<br />

wir viele Flüchtlinge mit Handtüchern versorgen konnten.<br />

Veranstaltungen mit Fortbildungscharakter<br />

Aufgrund verschiedener problematischer Situationen <strong>im</strong> Flughafenverfahren, bei denen<br />

kranke Asylsuchende in das Diakonie-Krankenhaus Kaiserswerth (Florence-<br />

Nightingale-Krankenhaus) eingeliefert worden waren, war bereits <strong>im</strong> Jahr 2005 in einem<br />

56<br />

Öffentlliichkeiitsarbeiit


Gespräch des Diakonischen Werkes mit der Krankenhaus-Leitung vereinbart worden,<br />

eine Fortbildungsveranstaltung für Ärzt/innen durchzuführen. In Absprache mit<br />

Herrn Dr. Pernice, Oberarzt am FNK, konnte <strong>im</strong> Juli bei einer krankenhausinternen<br />

Fortbildung in verschiedenen Vorträgen (Jessica te Heesen über das Flughafenverfahren,<br />

Birgül Kahraman über die Abschiebungsbeobachtung und Eva van Keuk/ PSZ Düsseldorf<br />

über psychische Traumatisierung) über die Situation schwer kranker und traumatisierter<br />

Flüchtlinge informiert werden.<br />

Im April wurden Corrie Voigtmann und Jessica te Heesen von der Station MX1 der<br />

Uniklinik eingeladen, über das Asylverfahren und besondere Schwierigkeiten schwer<br />

kranker Flüchtlinge zu informieren. Anlass dafür war die <strong>im</strong>mer wieder notwendige und<br />

gute Kooperation zwischen dieser Station und dem <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferat in<br />

Fällen von Flüchtlingen mit HIV/ Aids und anderen hoch infektiösen Krankheiten.<br />

Eine weitere wichtige Veranstaltung zur Kooperation und Information war ein<br />

Arbeitstreffen des Netzwerks AIDS-Seelsorge in Wuppertal <strong>im</strong> November, in dem<br />

Jessica te Heesen in einem Vortrag über die Thematik Aids/ Krankheit als<br />

Abschiebungshindernis berichten konnte.<br />

Veranstaltungen<br />

Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />

Frauentag<br />

Inzwischen ist es schon fast Tradition, dass wir einmal jährlich in Zusammenarbeit mit<br />

dem <strong>Evangelische</strong>n Frauenreferat und dem Psychosozialen Zentrum Düsseldorf eine<br />

Veranstaltung für Frauen organisieren, in dem das Kennenlernen und das Feiern <strong>im</strong><br />

Mittelpunkt stehen.<br />

Auch <strong>im</strong> Jahr 2006 fand eine solche Veranstaltung statt, diesmal anlässlich des<br />

Internationalen Frauentages; als weitere Kooperationspartnerinnen kamen die<br />

konfessionellen frauen düsseldorf hinzu.<br />

Am 11. März trafen sich 40 Frauen aus vielen verschiedenen Ländern in der<br />

Kreuzeskirche zu einem Tag unter dem Motto „Frauen treffen Frauen: Fremdes achten –<br />

Frieden suchen“.<br />

Neben Musik, Tanz und gemeinsamem Essen stand ein Gespräch in spielerischer Form<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt, in dem jede Frau anhand ihrer eigenen Biografie über das berichtete,<br />

was ihr in der Fremde geholfen hat. Sehr eindrucksvolle Lebensgeschichten und<br />

teilweise überraschende Gemeinsamkeiten wurden deutlich.<br />

Fachtagung zur Dublin<br />

II-Verordnung<br />

In Kooperation mit dem<br />

Psychosozialen Zentrum<br />

und Barbara Gladysch fand<br />

<strong>im</strong> August eine Fachtagung<br />

zum Thema<br />

„Tschetschenische<br />

Flüchtlinge in Polen und die<br />

Auswirkungen der<br />

Verordnung Dublin II“ statt.<br />

57


Neben einem Bericht von<br />

Malika Abdoulva-khabova<br />

über das Asyl-recht in Polen<br />

und die Lebensbedingungen<br />

der Flüchtlinge dort sowie<br />

einem Vortrag der<br />

Rechtsanwältin Klaudia Dolk<br />

über die Umset-zung der<br />

Dublin-Verord-nung in<br />

Deutschland war ein<br />

Höhepunkt dieser<br />

Veranstaltung der Film<br />

„Lieber Musl<strong>im</strong>“, der<br />

Original-Szenen aus dem<br />

Leben eines Journalisten-<br />

Ehepaars in Tschetschenien<br />

vor ihrer Flucht sowie<br />

(Die Referentin Malika Abdoulvakhabova) Interviews mit ihnen in Polen zeigt und ihr<br />

Schicksal äußerst eindrücklich und<br />

bewegend darstellt. Der Film wurde uns von der Regisseurin Kerstin Nickig persönlich<br />

vorgeführt und erläutert. Für das anwesende Fachpublikum, das konkret in der<br />

praktischen Arbeit mit den so genannten DÜ-Verfahren befasst ist, war es eine<br />

informative und gleichzeitig tief beeindruckende Veranstaltung.<br />

NRW-Fest am Rheinufer<br />

Anlässlich des 60. Geburtstages des Landes NRW fand am Wochenende des 26. und 27.<br />

August ein großes Fest am Rheinufer statt, bei dem sich Institutionen und Initiativen<br />

präsentieren konnten.<br />

Gemeinsam mit dem Psychosozialen Zentrum und dem Z.I.B.B. (Zentrum für<br />

Interkulturelle Begegnung und Beratung) organisierten wir eine Foto-Ausstellung mit<br />

Portraits von „Eingeborenen“, Flüchtlingen und anderen Migrant/innen unter dem Motto<br />

„Nachbarschaftlich-Respektvoll-Weltoffen“. Am Infostand konnte man sich über die<br />

evangelische Flüchtlings- und Migrationsarbeit in Düsseldorf informieren und an einer<br />

Fotoaktion teilnehmen, bei der gleichzeitig Wünsche für ein nachbarschaftliches und<br />

weltoffenes NRW formuliert wurden.<br />

Unterstützt wurden wir nicht nur von Mitgliedern des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises Asyl,<br />

die sehr engagiert am Infostand mit den Vorübergehenden ins Gespräch kamen,<br />

sondern auch von einer kleinen Improvisations-Theatergruppe sowie der<br />

Trommelgruppe des evangelischen Notfallseelsorgers Olaf Schaper.<br />

Afrikan. Nobelpreisträgerin Wangari Maattai<br />

Im September waren wir in Zusammenarbeit mit der Organisation SGI-D (Soka Gakkai<br />

International- Deutschland) Mit-Veranstalterinnen einer Lesung aus dem Buch Wangari<br />

Maathai – Mutter der Bäume über die Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai mit<br />

einem Vortrag sowie einer anschließenden äthiopischen Kaffeezeremonie. Daniela Bröhl<br />

repräsentierte das Flüchtlingsreferat auf dieser Veranstaltung.<br />

58<br />

Öffentlliichkeiitsarbeiit


Öffentlliichkeiitsarbeiit<br />

Infotag Kosovo<br />

Als Kooperationsveranstaltung des <strong>Evangelische</strong>n Flüchtlingsreferates mit dem<br />

Psychosozialen Zentrum Düsseldorf und der Flüchtlingsberatung des DRK fand <strong>im</strong><br />

Oktober der Kosovo-Infotag mit dem Thema „Gibt es Chancen auf ein Bleiberecht?“<br />

statt, bei dem Kerstin Leidt, Rechtsanwältin aus Duisburg, und Claus-Ulrich Prölß,<br />

Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, über die Rechtsprechung des OVG NW zu<br />

psychischen Erkrankungen und über den aktuellen Stand in Bezug auf die<br />

bevorstehende Bleiberechtsregelung informierten.<br />

Das Jubiläum des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises Asyl<br />

Für uns als <strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat bildete die Jubiläumsfeier des <strong>Evangelische</strong>n<br />

Arbeitskreises Asyl anlässlich seines 15-jährigen Bestehens den klaren Veranstaltungs-<br />

Höhepunkt des Jahres 2006.<br />

Der Arbeitskreis blickte zurück auf seine 15-jährige Geschichte. In einer Rede unseres<br />

ehemaligen Superintendenten Gerhard Gericke wurde noch einmal hervorgehoben, mit<br />

wie viel Engagement die Mitglieder des Arbeitskreises sich in all den Jahren für eine<br />

gerechte Behandlung von Flüchtlingen in Düsseldorf eingesetzt haben und dass das<br />

Flüchtlingsreferat sein Entstehen letztlich diesem Arbeitskreis verdankt.<br />

Das Besondere an diesem Abend war jedoch die Begegnung des Arbeitskreises mit<br />

einigen der Flüchtlinge, über deren Schicksale wir in vielen Sitzungen berichtet hatten<br />

und die auf vielfältige Weise, teilweise durch praktische Unterstützung oder auch durch<br />

gute Ratschläge und hilfreiche Hinweise, vom Arbeitskreis begleitet worden waren.<br />

Ein Spiel mit einem bunten Sprungtuch, das die Vielfalt aller Anwesenden symbolisierte,<br />

bot die Gelegenheit, darüber ins Gespräch zu kommen, was die jeweiligen Menschen mit<br />

dem <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreis Asyl verbindet.<br />

59


Für unsere Klient/innen war dies eine Gelegenheit, sich für den Rückhalt, den sie durch<br />

die Unterstützung der evangelischen <strong>Kirche</strong> – und zwar nicht nur durch das<br />

Flüchtlingsreferat als solches, sondern auch durch die dahinter stehende Institution<br />

<strong>Kirche</strong> - zu bedanken. In sehr bewegenden Worten drückte jede und jeder der<br />

anwesenden Flüchtlinge auf ganz individuelle Weise, zum Teil in deutscher Sprache, zum<br />

Teil mit Hilfe unserer Dolmetscher/innen, ihren Dank an die evangelische <strong>Kirche</strong> aus.<br />

Herzlichen Dank auch an Frau von Weiß, die an diesem Abend für die schöne<br />

musikalische Begleitung sorgte.<br />

Weihnachten auf dem Schiff<br />

An Heiligabend und am ersten Weihnachtstag sorgte Corrie Voigtmann mit der<br />

Unterstützung von ehrenamtlichen Helfer/innen dafür, dass sich die Flüchtlinge in<br />

Deutschland in der Weihnachtszeit willkommen fühlten.<br />

An Heiligabend schmückte sie den Aufenthaltsraum, verteilte von der Bäckerei<br />

Masmeier aus Garath gespendetes Gebäck und Kuchen und sorgte damit für<br />

weihnachtliche Atmosphäre.<br />

Das Schönste für die Flüchtlinge waren jedoch die Weihnachtsgeschenke, die sie am<br />

ersten Weihnachtstag erhielten:<br />

Frau Gerda Friedrich und Frau Margret Preis aus der evangelischen <strong>Kirche</strong>ngemeinde<br />

Urdenbach hatten schon viele Wochen zuvor begonnen, in ihrer Gemeinde und <strong>im</strong><br />

Bekanntenkreis dafür zu werben, Weihnachtsgeschenke in mit Geschenkpapier<br />

beklebten Schuhkartons zu verpacken. Als Hilfestellung für die Schenkenden hatten sie<br />

eine Liste mit für die Flüchtlinge schönen und nützlichen Dingen zusammengestellt.<br />

168 Geschenkpakete kamen zusammen, die am Weihnachtstag <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

Weihnachtsfeier und teilweise auch noch in den Tagen danach den Flüchtlingen<br />

überreicht wurden. Die Flüchtlinge auf dem Schiff waren sehr glücklich und gerührt über<br />

die liebevoll zusammengestellten, jeweils ganz individuell gestalteten Geschenke. Ein<br />

afrikanischer Mann, der in seinem Päckchen einen Brief mit der Aufschrift „God bless<br />

you“ fand, war darüber überglücklich und dankte Frau Voigtmann strahlend mit den<br />

Worten, dies sei sein Glückstag.<br />

60<br />

Öffentlliichkeiitsarbeiit


Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />

Schlussfolgerungen und Ausblick<br />

Die Erfahrungen aus dem Jahr 2006 haben erneut bestätigt, dass die Schwerpunkte, die<br />

wir in der Beratung und Betreuung der Flüchtlinge setzen, genau den Bedürfnissen<br />

unserer Klientinnen und Klienten entsprechen:<br />

1. Beistand und Beziehungsaufbau in Krisensituationen<br />

Gerade in der Anfangsphase des Asylverfahrens sind viele – mit steigender Tendenz- in<br />

einem außerordentlich schlechten Zustand: erschöpft, manche körperlich und psychisch<br />

schwerstkrank, orientierungslos, entwurzelt. Sie haben ihr Zuhause, ihre Familie, ihren<br />

Besitz verloren, kurz: alles, was ihnen Sicherheit gegeben hatte.<br />

Sofort beginnt das Asylverfahren, die Flüchtlinge wissen nicht, was mit ihnen geschieht,<br />

welche Termine sie wahrnehmen müssen und was diese bedeuten; sie sind unsicher,<br />

wem man vertrauen kann.<br />

Die erste Anlaufstelle für diese Menschen ist das <strong>Evangelische</strong> Flüchtlingsreferat:<br />

Wir versuchen herausfinden, wer besonders schutzbedürftig ist, wir informieren,<br />

begleiten und sind Beistand.<br />

Unsere Ziele sind es, ihnen die Angst vor dem Verfahren zu nehmen, sie zu ermutigen<br />

und dabei zu unterstützen, dass die authentische Geschichte mit allen wesentlichen<br />

Aspekten in einem möglichst fairen Verfahren gewürdigt wird.<br />

In einigen Fällen <strong>im</strong> vergangenen Jahr hörten wir von unseren Klientinnen, dass wir die<br />

ersten Personen waren, denen sie sich mit ihrem schweren Schicksal anvertrauen<br />

konnten. Sie hatten <strong>im</strong> He<strong>im</strong>atland mit keinem ihrer Freunde oder Angehörigen<br />

sprechen können, um diese nicht auch noch zu gefährden.<br />

Frau S., die schwerstkranke Frau, die wir <strong>im</strong> Florence-Nightingale-Krankenhaus und<br />

nach ihrer Entlassung so lange betreuten, fasste ihren Dank für das Sich-Anvertrauen-<br />

Können mit den folgenden Worten zusammen:<br />

„Danke für Ihre Menschlichkeit. Menschliche Beziehungen sind <strong>im</strong> Leben das Wichtigste:<br />

Sie heilen die Seele.“<br />

2. Koordinationsstelle und „Ruhepol“<br />

Egal, in welcher Phase des Asylverfahrens oder des Aufenthaltes sich die Flüchtlinge<br />

befinden: Die meisten von ihnen empfinden ihre Lage als äußerst verunsichernd, oft<br />

unübersichtlich, manchmal sogar bedrohlich.<br />

Nicht nur die Unüberschaubarkeit des Asylverfahrens und das Gefühl der<br />

Fremdbest<strong>im</strong>mung durch die vielen verwirrenden Regeln und Mitwirkungspflichten, auch<br />

die oftmals sehr unangenehmen Lebensumstände in den Flüchtlingsunterkünften und<br />

die lange Aufenthaltsunsicherheit bewirken, dass die Flüchtlinge den Eindruck haben, in<br />

Deutschland nie zur Ruhe kommen zu können und sich in einem nicht enden wollenden<br />

Chaos zu befinden.<br />

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Um dieser großen Unsicherheit etwas entgegenzusetzen, bedarf es einer umfassenden<br />

Betreuung, die wir mit Hilfe unserer Projekte versuchen anzubieten.<br />

Die Netzwerke aus hauptamtlichen Berater/innen, Sprach- und Kulturmittler/innen, die<br />

persönlich und telefonisch Kontakt halten sowie ehrenamtlichen Betreuern helfen dabei,<br />

dass die Flüchtlinge sich wie in einem Netz aufgefangen fühlen.<br />

Dabei ist es entscheidend, ihnen zu vermitteln, dass an einer Stelle „die Fäden zusammenlaufen“.<br />

Gerade bei traumatisierten Menschen, die besonders unter dem Gefühl des<br />

Kontrollverlusts leiden, ist dies von entscheidender Bedeutung.<br />

3. <strong>Kirche</strong> als unterstützende und vertrauenswürdige Institution<br />

Wir erleben häufig, dass die Flüchtlinge sofort nach ihrer Einreise die <strong>Kirche</strong> als die<br />

Institution in Deutschland kennen lernen, die für sie da ist und der sie vertrauen<br />

können.<br />

Besonders deutlich wurde dies auf der Jubiläumsfeier des <strong>Evangelische</strong>n Arbeitskreises<br />

Asyl:<br />

Alle Flüchtlinge, die uns kennen gelernt haben - egal ob sie schon viele Jahre in<br />

Deutschland sind oder erst ganz kurz, zudem sind die meisten von ihnen sind Musl<strong>im</strong>e -,<br />

bedankten sich bei der evangelischen <strong>Kirche</strong> für die Menschlichkeit und Wärme, die<br />

ihnen entgegen gebracht wurde.<br />

Für sie alle war es sofort völlig klar, dass hinter den einzelnen helfenden Menschen „die<br />

<strong>Kirche</strong>“ steht.<br />

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Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />

(Klientin in ihrem Übergangswohnhe<strong>im</strong> für Flüchtlinge)


Schllussfollgerungen und Ausblliick<br />

Ein Beispiel veranschaulicht dies sehr gut:<br />

Herr A. aus dem Iran wurde wenige Wochen nach seiner Einreise von einem<br />

Behördenmitarbeiter aufgefordert, diesem best<strong>im</strong>mte Informationen zu geben.<br />

Herr A. war zuerst verunsichert und gab zur Antwort: „Das muss ich erst mit den<br />

Mitarbeiterinnen des Flüchtlingsreferates besprechen. Ich vertraue hier in Deutschland<br />

nur der evangelischen <strong>Kirche</strong>.“<br />

Es ist uns deutlich geworden, dass unsere Arbeit einen großen Teil Seelsorge beinhaltet<br />

- für (Mit-)Menschen, die sich in ganz besonderen Notlagen befinden und die in dieser<br />

Not Menschen brauchen, die ihnen ein Stück ihrer Last tragen helfen und Hilfen geben,<br />

um an Leib und Seele wieder heil zu werden.<br />

Klienten aus dem Kaukasus, Dolmetscher/innen, Corrie Voigtmann und Birgül Kahraman<br />

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Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat Düsseldorf<br />

Bastionstrasse 6<br />

40213 Düsseldorf<br />

Tel. 0211-8985/229<br />

Fax 0211-8985-201<br />

E-Mail: fluechtlingsreferat@evdus.de<br />

Internet: www.evangelisch-in-duesseldorf.de<br />

Redaktion: Jessica te Heesen<br />

Textbeiträge von Daniela Bröhl, Birgül Kahraman, Corrie Voigtmann<br />

und Miguel Temprano<br />

Fotos: Daniela Bröhl, Elena Adamovskaja (S. 36), Miguel Temprano (S. 18)<br />

Layout: Claudia Mans-Althoff<br />

Copyright 2007 <strong>Evangelische</strong>s Flüchtlingsreferat<br />

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