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Ende - Andrea Bottlinger

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viele Alchemisten darunter solchen illustren Menschen<br />

wie Paracelsus, Doctor John Dee, 6 Nikolaus Flamel 7<br />

und Isaac Newton 8 immer weiter verändert und<br />

erweitert. Das führte zu guter Letzt dazu, dass<br />

heutzutage niemand mehr wirklich weiß, was der<br />

alchemistische Prozess tatsächlich ist und wie er<br />

funktioniert. Das bedeutet übrigens nicht, dass es<br />

keine Alchemisten mehr gibt. In Deutschland, aber<br />

auch in Frankreich lassen sich noch vereinzelt<br />

Alchemisten finde. Auch die chinesische Medizin und<br />

deren taoistischer Hintergrund, hat alchemistische<br />

Komponenten. Wobei natürlich dort noch einmal<br />

Unterschiede zu finden sind. Doch, widmen wir uns<br />

der Alchemie in der Literatur.<br />

Albedo - Literatur und Alchemie<br />

Natürlich ist ein so geheimnisvolles Thema wie die<br />

Alchemie etwas, das Literatur gerade zu anzieht. Doch<br />

ist die Behandlung sehr unterschiedlich, was ich an<br />

verschiedenen Beispielen zeigen will.<br />

Anfangen tun wir mit dem großen Herren<br />

mittelenglischer Literatur, Geoffrey Chaucer, der in<br />

seinen ber ühmten Canterbur y Tales einen<br />

alchemistischen Lehrling auftreten lässt, der alle<br />

Klischees bedient, aber der auch am <strong>Ende</strong> einen Blick<br />

auf die Hermetik zeigt, wie sie gemeint ist. Grob läuft<br />

die Canon's Yeoman Tale so, dass Chaucer erst einmal<br />

erklärt, wie verschiedene Alchemisten ihre Kunden<br />

mit übelsten Mitteln übers Ohr hauen und am <strong>Ende</strong><br />

mit dem Geld abhauen. Nur um dann doch zu<br />

erwähnen, dass es eine philosophische Alchemie gibt,<br />

die tatsächlich jenseits allen Betruges nützlich und<br />

wichtig ist. In den Canterbury Tales wird also nicht nur<br />

Satire an der Alchemie geübt, sondern sie wird auch<br />

als ernstzunehmende Philosophie präsentiert. Hierzu<br />

ist noch zu wissen, dass Chaucer durchaus bewandert<br />

war, was diese Sachen anging und über die größte<br />

private Bibliothek zu seiner Zeit verfügte.<br />

Satire spielt auch beim Renaissancedichter Ben Jonson<br />

eine Rolle. Jonson stellt die Alchemisten seiner Zeit,<br />

zu denen auch John Dee gehörte, als reine Betrüger<br />

dar. In seinem Alchemist treten mehrere Betrüger und<br />

sogar eine Hure auf, die sich alle an der Gutgläubigkeit<br />

der reichen Herrschaften bereichern. Die Philosophie<br />

in der Alchemie hat zu dieser Zeit, also im 16.<br />

Jahrhundert, auch schon sehr an Bedeutung verloren,<br />

10<br />

unter anderem, weil sie für die meisten Menschen<br />

tatsächlich hermetisch 9 ist. Es geht hier nur noch um das<br />

Geld, das man sehr gut mit der Leichtgläubigkeit und<br />

Gier der Adligen und Reichen machen kann. Jonson,<br />

sieht Alchemie also rein als Betrug und nicht als eine<br />

Möglichkeit die Welt zu begreifen und zu erklären. Und<br />

bei dem Verhalten der damaligen Alchemisten kann man<br />

ihm das kaum verdenken.<br />

Nach der Renaissance und der Aufklärung 10 , die uns ja<br />

die empirische Wissenschaft beschert hat, kam die<br />

äußerst emotionale Gegenbewegung der Romantik und<br />

damit kam die Alchemie natürlich wieder in Mode. Klar,<br />

dass Mary Wholestonecraft Shelley es in ihrem<br />

Frankenstein verwurstet, da ist es aber nur Hintergrund.<br />

Spannender ist da das Werk von Marys Papa, William<br />

Godwin. 11 Dieser schrieb St. Leon, ein Buch, das<br />

wiederum tatsächlich voller Alchemie ist. Der<br />

Protagonist, St. Leon, erhält den Stein der Weisen,<br />

allerdings ohne dass es Godwin auch nur eine Sekunde<br />

interessiert, wie oder warum der das tut, was er für die<br />

Geschichte einfach tun muss. St. Leon wird durch den<br />

Stein der Weisen, reich und fällt gleichzeitig aus dem<br />

Rahmen der natürlichen Ordnung. Diese natürliche<br />

Ordnung war ein Hauptthema der Romantik. Die<br />

Sehnsucht nach der reinen Natur, der Ursprünglichkeit<br />

und der Reinheit des frühen Menschen. Als<br />

Gegenbewegung zur sehr rationalistischen Aufklärung,<br />

wollte man wieder emotionaler werden und zurück zu<br />

dieser von Denken unverdorbenen Menschlichkeit. Ein<br />

Wesen wie St. Leon, der durch seine Unsterblichkeit<br />

außerhalb des natürlichen Paradigmas des menschlichen<br />

Daseins existiert, 12 ist somit eine Symbol für die<br />

modernere mechanistische Welt, gegen die sich das<br />

Programm der Romantik wendet. Für die Godwin, den<br />

Romantiker, ist St. Leon demnach kein Mensch mehr und<br />

Alchemie wird zur Allegorie für die Moderne, für Geld<br />

und für Industrie, also allem was aus romantischer Sicht<br />

schlecht ist. Hier finden wir Alchemie also nur noch als<br />

Allegorie.<br />

Die wiederum ist den meisten modernen Fantasywerken,<br />

die sich mit Alchemie beschäftigen wohl eher egal.<br />

Schließlich möchte man unterhalten und da bringt einem<br />

ein chauceresker Alchemist, der verschiedenes Gebräu<br />

zusammenschüttet und dann Tränke anrührt, die ihn<br />

mächtig machen, weitaus mehr. Ist ja mystisch und<br />

spannend und hat, wie man sicher bemerkt, nicht viel mit<br />

dem historischen Ursprung zu tun. Es ist am <strong>Ende</strong> eine<br />

Verarbeitung der Alchemie, die sich meist auf dem<br />

6 Hausarzt und Hofalchemist Königin Elizabeth I.<br />

7 Ja, den gab es wirklich, den hat J.K. Rowling nicht erfunden.<br />

8 Ja, Newton einer der Mitbegründer der modernen Naturwissenschaft beschäftigte sich auch mit Alchemie. Diese Erkenntnis ist allerdings sehr jungen<br />

Datums und wirft ein spannendes neues Licht auf den Entdecker der Gravitation. Neal Stephenson's Quicksilver beschäftigt sich übrigens eingehend mit<br />

Newton und ist durchaus lesenswert, wenn es auch recht sperrig ist.<br />

9 Ja hermetisch im Sinne von unzugänglich und abgeschlossen hat tatsächlich seine Wurzel im Wort Hermetik.<br />

10 Die englische war etwas früher als die deutsche ...<br />

11 Der hatte mal was mit Mary Wholestonecraft, der großen ersten Feministin in der englischen Literatur und da kam dann Mary raus, die dann wiederum<br />

Percy Bysshe Shelley geheiratet hat.<br />

12 Ähnlich wie die Vampire aus der letzten Ausgabe.

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