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Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! - Zukunftsrat ...

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<strong>Afrika</strong> <strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> – <strong>Afrika</strong> – – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!<strong>auf</strong> Augenhöhe?!<strong>auf</strong> Anforderungen <strong>Afrika</strong> Anforderungen – Eine an an Wirtschaft an nach Wirtschaft an - Wirtschaft und und Politik und Politik und Politikhaltige <strong>Partnerschaft</strong>„Die „Die langanhaltende „Die langanhaltende „Die Verhinderung langanhaltende Verhinderung einer einer Verhinderung Fähigkeiten einer Fähigkeiten und einer und Ressourcen Fähigkeiten und Ressourcen <strong>Afrika</strong>s und <strong>Afrika</strong>s eine Ressourcen eine <strong>Afrika</strong>s eine <strong>Afrika</strong>uf Augenhöhe?!eigenständigen eigenständigen Entwicklung eigenständigen Entwicklung – von – von außen Entwicklung außen – von dynamische außen– von außen dynamische Balance Balance dynamische anstrebt? Balance anstrebt? anstrebt? Balance anstrebt?(Industrieländer) (Industrieländer) aber (Industrieländer) aber auch auch aber von von auch innen aber innen von auch innen von innen(„Eliten“) –(„Eliten“) ist – das ist das größte („Eliten“) – größte ist das Problem – Problem größte ist das <strong>Afrika</strong>s“kas“,so Dr. so kas“, Dr. Ulf des Ulf so Skirke kas“, <strong>Zukunftsrat</strong>s Dr. Skirke vom Ulf so vom Skirke Dr. <strong>Zukunftsrat</strong>Ulf Hamburg vom Skirke <strong>Zukunftsrat</strong> zweite vom zweite <strong>Zukunftsrat</strong> Bürgermeisterin zweite Bürgermeisterin zweite Christa Bürgermeisterin Christa Goetsch Christa Goetsch Goetsch Christa GProblem größte Afri-Im Im Juni Problem Afri-Juni 2009 Im 2009 Afri-unterzeichnete Juni Im 2009 Juni unterzeichnete 2009 Hamburgsunterzeichnete Hamburgs HaEine VeranstaltungsreiheHamburg.Hamburg. Hamburg.die die Vereinbarung die Vereinbarung über die über eine Vereinbarung eine vertiefte über vertiefte eine Zusammenarbeit<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> sammenarbeit zwischen <strong>auf</strong> zwischen sammenarbeit Hamburg zwischen und zwischen Hamburg und der der Hamburg und derüber vertiefte Zu-eine vertie Zu-Wie Wie könnte könnte Wie aber könnte aber eine Wie eine <strong>Partnerschaft</strong> aber könnte eine aber <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> eine <strong>auf</strong>Augenhöhe Augenhöhe aussehen? Augenhöhe Ist aussehen? es Ist die es Anpassung die aussehen? Ist es die Anpassung Ist tansanischen es die Anpassung tansanischen Hafenstadt tansanischen Hafenstadt Dar Dar es Salaam. es Hafenstadt Dar Salaam. es Salaam. Dar esan Wachstumsmodelle an an Wachstumsmodelle an westlicher Wachstumsmodelle Prägung westlicher Prägung westlicher Ein Prägung Ein Beispiel Beispiel Prägung Ein für Beispiel für <strong>Partnerschaft</strong> Ein für Beispiel <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> für <strong>auf</strong> Augen- <strong>Partnerschaft</strong> Augen- <strong>auf</strong> Augen- <strong>auf</strong>oder oder eher eher ein oder ein Konzept, eher Konzept, oder ein das eher Konzept, das <strong>auf</strong> ein <strong>auf</strong> Basis Konzept, das Basis der <strong>auf</strong> der Basis höhe? das höhe? <strong>auf</strong> der Wir Basis Wir wollen höhe? wollen der mit Wir höhe? mit Ihnen wollen Ihnen Wir diskutieren! mit wollen Ihnen mit diskutieren! Ihnen diskutGestaltung: mebusplus.deFoto: Photocase.deBegrüßungBegrüßung BegrüßungDr. Ulf Dr. Skirke Ulf Skirke Dr. (<strong>Zukunftsrat</strong> Ulf (<strong>Zukunftsrat</strong> Skirke Dr. Hamburg) Ulf Hamburg) (<strong>Zukunftsrat</strong> Skirke Hamburg) (<strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg)Karin Karin Heuer Heuer Karin (umdenken (umdenken Heuer Heinrich Karin Heinrich (umdenken Böll Heuer Stiftung Böll Heinrich Stiftung (umdenken e.V.) e.V.) Böll Stiftung Heinrich e.V.) Böll Stiftung e.V.)PodiumsdiskussionPodiumsdiskussion PodiumsdiskussionChrista Christa Goetsch Goetsch Christa Goetsch Christa Goetsch(Zweite (Zweite Bürgermeisterin, (Zweite Präses Bürgermeisterin, Präses der (Zweite Behörde der Bürgermeisterin, Behörde Präses für Schule der für Schule Behörde und Präses Berufsbildung, und für der Berufsbildung, Schule Behörde und Hamburg) für Berufsbildung, Hamburg) Schule und Berufsbildung, Hamburg) Hamburg)Bestehende Bestehende Kooperationen Bestehende Kooperationen zwischen Kooperationen Hamburg zwischen zwischen Hamburg Hamburgund und Dar Dar es und Salaam,Tansaniaes Dar und es Salaam,TansaniaDar es Salaam,TansaniaAm Am Dienstag, Am Dienstag, Am den den Dienstag, den denPD Dr. PD Dr. Ulrich Dr. PD Ulrich Dr. van Dr. PD van der Ulrich Dr. der Heyden Dr. van Heyden Ulrich der Heyden van der Heyden3.11.20093.11.20(<strong>Afrika</strong>- (<strong>Afrika</strong>- und Kolonialhistoriker, und (<strong>Afrika</strong>- und Humboldt Kolonialhistoriker, (<strong>Afrika</strong>- Humboldt und Universität Kolonialhistoriker, Universität Humboldt Berlin) Berlin) Universität Humboldt Berlin) Universität Berlin)Was Was kann kann Hamburg Was kann Was aus Hamburg aus kann der der KolonialgeschichteHamburg aus der Kolonialgeschichteaus der Kolonialgeschichtefür für die die Zukunft Zukunft für die lernen? Zukunft lernen? für die Zukunft lernen? lernen?Klaus Klaus von von Bismarck Klaus Bismarck von Klaus Bismarck von Bismarckum um 19.30 19.30 um Uhr 19.30 Uhr um 19.30 Uhr Uhr(Geschäftsführer AMS (Geschäftsführer Beverage AMS Beverage Engineering (Geschäftsführer AMS Engineering Beverage and Services) AMS and Engineering Services) Beverage and Engineering Services) and Services)Hamburger Hamburger Unternehmen Hamburger Unternehmen in Ostafrika in Unternehmen in Ostafrika in OstafrikaProf. Prof. Dr. Louis Dr. Prof. Louis Henri Dr. Henri Louis Prof. Seukwa Seukwa Dr. Henri Louis Seukwa Henri Seukwa(Erziehungswissenschaftler (Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, und (Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, HAW und Hamburg) HAW Postkolonialtheoretiker, Hamburg) HAW Hamburg) HAW Hamburg)Voraussetzungen Voraussetzungen für Voraussetzungen für eine eine nachhaltige für eine für nachhaltige eine nachhaltige<strong>Partnerschaft</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe <strong>auf</strong> AugenhöheKurt Kurt Hirschler Hirschler Kurt Hirschler Kurt HirschlerAnmeldung Anmeldung erbeten erbeten Anmeldung bei: erbeten bei: erbeten bei: bei:(Politikwissenschaftler (Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt mit Schwerpunkt (Politikwissenschaftler deutsch-tansanische mit Schwerpunkt mit deutsch-tansanische Schwerpunkt Kooperationen)deutsch-tansanische Kooperationen) Kooperationen)Kritische Anmerkungen Kritische p pStatt Kritische Anmerkungen der prognostizierten zum zum Anmerkungen Status Status zum 483 Quo 000 Quo Status der Touristen zum der Quo kamen Status der nur Quo<strong>Zukunftsrat</strong> <strong>Zukunftsrat</strong>derHamburg Hamburg <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburggeplanten 373 000 Gäste wegen der WM nach Südafrika.Mittelweg Mittelweg 21 20148 21 Mittelweg 20148 Hamburg Hamburg 21 Mittelweg 20148 Hamburg 21 20148 Hamburggeplanten Städtepartnerschaftgeplanten StädtepartnerschaftppKurzum: Gewonnen hat Südafrikas weltweites Image, und damitAnke Butscher ganz Butscher <strong>Afrika</strong>. Moderation: Anke Darüber Butscher Anke gibt es Butscher seriöse Untersuchungen wie info@zukunftsrat.deinfo@zukunftsrat.de info@zukunftsrat.deT 040 T / 040 39 10 / 39 9710 31 T 97 04031/ 39 10 97 T 040 31 / 39 10 97 31Moderation: Anke Moderation:(Politikwissenschaftlerin (Politikwissenschaftlerin und ehem. und (Politikwissenschaftlerin ehem. Geschäftsführerin und ehem. EWNW Geschäftsführerin und EWNW Hamburg) ehem. Hamburg) Geschäftsführerin EWNW Hamburg) EWNW Hamburg) www.zukunftsrat.dewww.zukunftsrat.de www.zukunftsrat.dedie des unabhängigen „Reputation Instituts“ in New York.Anschließend Diskussion Anschließend Diskussion bis Anschließend circa Diskussion bis circa 21.30 21.30 bis Diskussion Uhrcirca Uhr21.30 bis circa Uhr 21.30 UhrGestaltung: mebusplus.deFoto: Photocase.deGestaltung: mebusplus.deFoto: Photocase.deVerloren haben die Südafrikaner, die zu große Erwar -tungen indieses sportliche Großereignis gesetzt haben.Veranstaltungsort:Veranstaltungsort: Veranstaltungsort:Deutsche ZentralbibliothekDeutsche Deutsche Zentralbibliothekfür für Wirtschaftswissenschaftenfür Wirtschaftswissenschaftenfür Neuer Neuer Jungfernstieg Neuer Jungfernstieg Neuer 21 21Jungfernstieg 2120354 20354 Hamburg20354 Hamburg 20354 HamburgPodiumsdiskussionPodiumsdiskussioEintritt Eintritt frei! frei! Eintritt frei! frei!rojekt Dieses wurde Projekt gefördert wurde durch: gefördert Dieses Projekt durch: wurde gefördert Dieses durch: Projekt wurde gefördert durch:Eine Veranstaltung Eine Veranstaltung von: von: Eine Veranstaltung von: Eine Veranstaltung von:


Gefördert von InWEnt aus Mitteln des BMZ© der Einzelbeiträge liegt bei den Autor_innenHerausgeber: <strong>Zukunftsrat</strong> HamburgAuflage: 100 StückHamburg 2010


<strong>Afrika</strong> – Eine nach -haltige <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe?!Eine Veranstaltungsreihe des <strong>Zukunftsrat</strong>s Hamburg


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Projekt: <strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> AugenhöheEinleitung>> Ulf Skirke | <strong>Zukunftsrat</strong> HamburgEs ist seit längerem an der Zeit, das verfestigte Negativ-Bild <strong>Afrika</strong>s als krisengeschüttelten und <strong>auf</strong> Dauerhilfeausgerichteten Kontinent neu zu diskutieren und zu korrigieren. Gerade im letzten Jahrzehnt weist<strong>Afrika</strong> trotz bestimmter Probleme vielfältige positive Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, Ökologie,soziale Entwicklung und demokratische Stabilisierung <strong>auf</strong>. Sowohl aus europäischer als auch aus afrikanischerSicht zeigen jüngere Forschungsergebnisse und Sichtweisen neue Erkenntnisse über Geschichte und Kultur<strong>Afrika</strong>s – mit weitreichenden Konsequenzen für die Möglichkeiten zukünftiger Entwicklung des Kontinents.Zu Recht kann man von einer „Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s“ sprechen, die eine neue ‚Ära‘ partnerschaftlicherKooperation zwischen Europa und <strong>Afrika</strong> für eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung befördert. In diesemZusammenhang ist grundsätzlich das herkömmliche <strong>auf</strong> linear-mechanistisches Wachstum ausgerichtetewestliche Industrie- und ‚Fortschritts‘-Modell in Frage zu stellen. Insbesondere <strong>auf</strong> dem Weg zu nachhaltigen,„gleichgewichtssuchenden Prozessen“(Aalborg-Charta) können die in der afrikanischen Kultur tief verankertenkomplex-dynamischen, multikulturellen und selbstorganisierenden Weltbilder äußerst hilfreich sein und alsVorbilder dienen. Nur wenn wir bereit und in der Lage sind, von der Einzigartigkeit und Vielfalt afrikanischerKultur und damit deren Problemlösungsansätzen zu lernen, besteht die Chance für eine gleichberechtigte<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe.Dabei sollten wir uns nicht nur <strong>auf</strong> die globale oder internationale Ebene beschränken, sondern gezielteProjekte und Initiativen <strong>auf</strong> regionaler und lokaler Ebene voranbringen. Insofern stellte sich für den <strong>Zukunftsrat</strong>Hamburg die Frage: Was können wir <strong>auf</strong> dieser ‚Entdeckungsreise‘ an wichtigen Erkenntnissen und Handlungsoptionenfür eine nachhaltige <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe hier wie dort beitragen? Wie kann in Hamburgpraktisch mit einer so verstandenen beiderseitigen „Entwicklungs“-<strong>Partnerschaft</strong> umgegangen werden? Wiekann die in Hamburg lebende afrikanische ‚Community‘ einbezogen werden? Wie lassen sich Medien, Wirtschaftoder Forschungsinstitute erreichen und zur Kooperation für Nachhaltigkeit gewinnen? Wie lässt sich dieneu <strong>auf</strong>gebaute Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam produktiv nutzen und mit neuenImpulsen versehen?Das hier beschriebene Projekt kann keine abschließenden Antworten geben, sondern möchte einen Prozessanstoßen, der gewohnte Denk- und Handlungsmuster in Bezug <strong>auf</strong> <strong>Afrika</strong> in Frage stellt und mit Hilfe vonöffentlichen Veranstaltungen, Workshops, Konzepten und Projekten beispielhaft neue Wege beschreitet.Seite 3


InhaltVorwort >> Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg......................................................................................................................................................................031. Ratstreffen am 15.09.2008„Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s-<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“Gäste ...........................................................................................................................................................................................................................................08Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 10Karin Heuer im Gespräch mit Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg........................................................................................................................................12Klaus Milke, Germanwatch e.V....................................................................................................................................................................................................14Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk ............................................................................................................................................................................................20Tanja Neubüser, Deutsch-Tansanische <strong>Partnerschaft</strong> e.V. ...................................................................................................................................................... 222. Sondierungsworkshop am 27.05.2009„Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s – <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“Gäste ...........................................................................................................................................................................................................................................26Pressemitteilung ........................................................................................................................................................................................................................ 27Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg ...............................................................................................................................................................................................28Veye Tatah, Africa Positive e.V. .................................................................................................................................................................................................30Diskussionsergebnisse ............................................................................................................................................................................................................... 323. Podiumsdiskussion am 3.11.2009„<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!Anforderungen an Wirtschaft und Politik“Gäste ...........................................................................................................................................................................................................................................36Karin Heuer, umdenken.............................................................................................................................................................................................................. 37Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Freien und Hansestadt Hamburgund der Stadt Dar es Salaam (2009 -2010) ..............................................................................................................................................................................38Seite 4


Ulrich van der Heyden, <strong>Afrika</strong>- und Kolonialhistoriker ............................................................................................................................................................40Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg ........................................................................................................................................................................................42Kurt Hirschler, Tanzania-Koordination Hamburg ......................................................................................................................................................................44Pressemitteilung, Eine Welt Netzwerk .....................................................................................................................................................................................48Pressestimme, Neues Deutschland ..........................................................................................................................................................................................504. Podiumsdiskussion am 26.11.2009„<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?! Kultur und Sport“Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 54Kocra Assoua, Universität Bayreuth...........................................................................................................................................................................................56Michel Dinzey, Fußballprofi und Trainer ...................................................................................................................................................................................58Harald Stutte, Hamburger Morgenpost ....................................................................................................................................................................................60Veye Tatah, Africa Positive e.V. ................................................................................................................................................................................................. 615. Abschlussveranstaltung am 29.11.2010„<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?! Konsequenzen und Perspektiven“Gäste ...........................................................................................................................................................................................................................................64Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg ...............................................................................................................................................................................................66Kocra Assoua, Universität Bayreuth...........................................................................................................................................................................................68Harald Stutte, Hamburger Morgenpost ....................................................................................................................................................................................70Michael Hoppe, steps for children ............................................................................................................................................................................................ 72Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B), Helene Lange Gymnasium .............................................................................................................................74Han Tran (10d/S1), Helene Lange Gymnasium......................................................................................................................................................................... 76Seite 5


1. Ratstreffen – 15.09.20081. Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s –<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhefür eine nachhaltige EntwicklungSeite 6


EinladungWir laden Sie herzlich einzum 35. Ratstreffenam 15 September, 16.00 bis 19.00 UhrPatriotische Gesellschaft, Trostbrücke 4-6, Kirchhofsaal„Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s-<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“Im Rahmen der Veranstaltungsreihe„Globalisierung vor OrtVielfach wird in der Öffentlichkeit das Bild von <strong>Afrika</strong> als krisengeschüttelterKontinent vermittelt. Wird diese einseitige Sichtweisewirklich den langjährigen Traditionen und Potentialen diesesKultur- und Lebensraumes gerecht? Trotz bestimmter Problemeweist <strong>Afrika</strong> gerade in den letzten Jahren eine Reihe positiverEntwicklungen in den Bereichen Ökonomie, soziale Entwicklungund demokratischer Stabilisierung <strong>auf</strong> …Europa trägt eine erhebliche Mitverantwortung an Fehlentwicklungen,Missverständnissen und Missachtungen gegenüber demafrikanischen Kontinent. Gerade vor dem Hintergrund des Zieleseiner globalen Nachhaltigkeit reicht eine bloße Entwicklungs“-hilfe“ Europas für <strong>Afrika</strong> nicht aus, sondern es bedarf einer neuengleichberechtigten <strong>Partnerschaft</strong> für eine gemeinsame nachhaltigeZukunft. Dazu gehört auch, „schlummernde Potentiale“ <strong>Afrika</strong>sin ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsichtwiederzuentdecken. Was können wir zu dieser Entdeckungsreiseund für eine solche <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe hier und dortvor Ort beitragen…?Mit freundlichen Grüßen,Dr. Dirka GrießhaberProgramm16:00 Uhr BegrüßungDr. Dirka Grießhaber, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg16:10 Uhr Die Wiederentdeckung eines Kontinents –Erinnerungen an eine nachhaltige ZukunftDr. Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg16:30 Uhr Für ein anderes <strong>Afrika</strong>-BildProf. Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg / Erz.Wiss.im Gespräch mit Karin Heuer, umdenken16:50 Uhr Perspektiven für die Zukunft:Klimawandel, Erneuerbare Energien, Landwirtschaftetc.Klaus Milke, Germanwatch17:10 Uhr Koloniale Vergangenheit als bleibende Hypothek?Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk Hamburg17:20 Uhr Voneinander lernen: interkultureller FreiwilligendienstTanja Neubüser, Deutsch-Tansanische-<strong>Partnerschaft</strong>17:30 Uhr Pause17:40 Uhr <strong>Afrika</strong>nische Kultur in einer globalisierten WeltAngelina Akpovo (angefragt), Alafia e.V. <strong>Afrika</strong>festivalHamburg18:00 Uhr Podiumsdiskussion mit dem Publikum19.00 Uhr EndeSeite 7


1. Ratstreffen – 15.09.2008GästeAngelina Akpovo stammt aus Benin undwuchs in der Tradition der Fon-Kultur <strong>auf</strong>. Nachder Schule begann sie eine Hebammenausbildung,war aber zugleich am College von Zongo dieLeiterin des Tanzensembles. 1980 kam Angelina Akpovo nachDeutschland und begann hier 1983 ihre L<strong>auf</strong>bahn als Tanzlehrerinund Künstlerin. Seitdem lebt sie mit kurzen Unterbrechungenin Hamburg. Sie begreift ihren Tanz in Deutschland als Entwicklungshilfean Leib, Seele und Körper in direkter Umkehr derökonomischen Entwicklungshilfe Europas in <strong>Afrika</strong>.Mittlerweile ist Angelina Akpovo in Deutschland die avanciertesteInterpretin westafrikanischer Frauentänze, mit ihren MusikgruppenBlack WoMen Power und Yakawumbu <strong>auf</strong> zahlreichenBühnen Europas zuhause, erfolgreiche Tanzlehrerin und Leiterindes Hamburger <strong>Afrika</strong>festes Alafia.Klaus Milke (Jahrgang 1950) ist Diplom-K<strong>auf</strong>mann,Entwicklungs- und umweltpolitischerBerater und Mitbegründer von Germanwatche.V. Seit 1991 ist er dort Vorstandsmitglied und Vorsitzenderder Germanwatch-nahen Stiftung Zukunftsfähigkeit.Germanwatch engagiert sich für globale Gerechtigkeit und denErhalt der Lebensgrundlagen. Dabei konzentriert sich der Verein<strong>auf</strong> die Politik und Wirtschaft des Nordens mit ihren weltweitenAuswirkungen. Die Lage der besonders benachteiligtenMenschen im Süden bildet den Ausgangspunkt seiner Arbeit.Gemeinsam mit den Mitgliedern und Förderern und mit anderenAkteuren der Zivilgesellschaft will Germanwatch eine starkeLobby für eine nachhaltige Entwicklung sein.Heiko Möhle (1962-2010) studierte nach seinerAusbildung zum Buchhändler Geographie, Geschichte,Soziologie und Erziehungswissenschaftin Hamburg und Yaoundé (Kamerun). Nach Stationenals Bildungs- und Öffentlichkeitsreferent des Bundeskongressentwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) in Hamburg undals Koordinator des Sonderforschungsbereichs 520 „Umbrüche inafrikanischen Gesellschaften“ an der Universität Hamburg wurdeer 2005 Geschäftsführer des „Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.“,der Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in Hamburg.Er forschte – zuletzt an der Humboldt-Universität Berlin – unteranderem zu folgenden Themen: Deutscher Kolonialismus mitSchwerpunkt Kamerun, Kolonialismus und Erinnerungspolitik,<strong>Afrika</strong>nische Diaspora in Deutschland, Internationale FlüchtlingsundMigrationspolitik, Kolonial- und Globalisierungsgeschichteeuropäischer Hafenstädte, insbesondere Hamburg, und Kolonialgeschichtedes norddeutschen Raums.Prof. Dr. Henri Louis Seukwa (Jahrgang1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Erhat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaftder Universität Hamburg promoviert undist seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an derFakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für AngewandteWissenschaften Hamburg. Er wurde unter anderem durch seinBuch „Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis vonKompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“(2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreisfür Interkulturelle Kompetenz und den Karl-DietzeWissenschaftspreis ausgezeichnet wurde. Am 29. Oktober erhieltSeukwa den Höffmann-Wissenschaftspreises InterkulturelleKompetenz. Mit dem Preis wurden seine Forschungsleistungenin diesem Gebiet gewürdigt.Seite 8


Tanja Neubüser (Jahrgang 1975) istGeschäftsführerin des Deutsch-Tansanische<strong>Partnerschaft</strong> e.V., dessen Aufbau sie maßgeblichmitgestaltete. Nach einer Ausbildungzur Ver- und Entsorgerin bei Beiersorf, einem Studium derDiplom-Umweltwissenschaften mit den Schwerpunkten „Bildungfür Nachhaltigkeit“ und „Umweltmanagement“ in Lüneburg,Seminarleitungen seit 15 Jahren, mehrmonatigen Auslands<strong>auf</strong>enthaltein Frankreich, England und Nepal, und mehrjährigerBerufserfahrung im Umweltbildungsbereich, war Tanja Neubüserin 2004 für sieben Monate zum Leben und Mitarbeiten an einerSecondary School am Victoriasee in Tansania, bevor sie zumDeutsch-Tansanische <strong>Partnerschaft</strong> e.V. kam.Der Verein widmet sich folgenden Themen: <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe, Völkerverständigung durch gemeinsame Arbeit,Ausbildungshilfe für Kinder, Jugendliche und Frauen sowie Klimaschutzdurch Förderung der erneuerbaren Energien.Seit Anfang 2008 entsendet er seine Freiwilligen als „Weltwärtsler“nach Tansania. Dieser fließende Übergang vom FÖJ zu„weltwärts für Völkerverständigung und Klimaschutz in Tansania“wurde durch die Mitfinanzierung des BMZ beim weltwärts-Freiwilligendienst ermöglicht.Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist Diplom-Physiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutzund der ökologischen Stadtentwicklungin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelttätig. Ehrenamtlich ist er im <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg als Mitgliedim Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzigJahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinentsbereist.Karin Heuer (Jahrgang 1954) arbeitet seit1993 für umdenken e.V., das Politische BildungswerkHeinrich-Böll-Stiftung Hamburg, alsReferentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zu -ständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklungund zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sieals Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im BereichMeeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktionder Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftlicheMitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- undReproduktionstechnologie gearbeitet.Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale fürpolitische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND,der Deutsch-Tansanischen-<strong>Partnerschaft</strong> und im <strong>Zukunftsrat</strong>Hamburg.Seite 9


1. Ratstreffen – 15.09.2008Wiederentdeckungeines Kontinents –Erinnerungen an einenachhaltige Zukunft>> Ulf Skirke<strong>Afrika</strong> als „blinder Fleck“: zwischen Irrtum und Ignoranzp p„Schwarzer Kontinent“?ppGeschichtslosigkeit? (Hegel)ppKulturlosigkeit?ppPolitische Bedeutungslosigkeit?ppMedienbild: Kriege, Krisen, Katastrophen?ppKeine eigene Zukunftsperspektive?„Mit solch einseitig verzerrter Wahrnehmung eines Erdteils undseiner Bewohner wird ein selbstverschuldetes Chaos suggeriert,das letztlich auch entlastende Wirkung für diejenigen besitzt, diehistorische Mitverantwortung an den vom Kolonialismus geschaffenengesellschaftlichen Strukturen tragen“ (Henning Melber)Abb 1Wie weit zur Nachhaltigkeit?Abb 2Die vollständige Originalpräsentation kann im Internet unterhttp://www.zukunftsrat.de unter dem Menüpunkt „Themen“abgerufen werden.Seite 10


<strong>Afrika</strong> als ‚blinder Fleck‘:Zwischen Irrtum undIgnoranzI g• „Schwarzer Kontinent“?• Geschichtslosigkeit? (Hege l))• Kulturlosigkeit?• Politische Bedeutungslosigkei t??• Medienbild:Kriege, Krisen, Katastrophen?• Keine eigene Zukunftsperspektiven?„Mit solch einseitig verzerrterWahrnehmung eines Erdteils und sein errBewohner wird ein selbstverschuldetesChaos suggeriert, das letztlich auchentlastende Wirkung fürfr diejenigen besitzt,die historische Mitverantwortung an denvomm Kolonialismus geschaffenengesellschaftlichen Strukturen tragen.“(Henning Melber)Wie weit zur Nachhaltigkeit…..?Seite 11


1. Ratstreffen – 15.09.2008Karin Heuer imGespräch mitProf. Dr. HenriLouis Seukwa1. Welches sind aus Ihrer Sicht hier bei uns die vorherrschendenBilder vom afrikanischen Kontinent?Wenn wir unter dem Begriff Bilder nicht nur die piktographischenElemente sondern alle diskursiven Produktionen d.h. einenWissenskorpus verstehen, der durch diverse mediale Darstellungen,gesellschaftliche Praktiken sowie politisches Handeln über<strong>Afrika</strong> als Kontinent und die <strong>Afrika</strong>ner in Deutschland produziertwird, dann müssen wir feststellen, dass diese Bilder überwiegendnegativ sind. Die Stichwörter, die aus diesen Bildern hervorgehen,womit <strong>Afrika</strong> in der Imagination der Öffentlichkeit asso ziiertwird, sind wohlbekannt: Armut, Hunger, HIV, An alphabetismus,Korruption, Diktatur, Bürgerkriege, Staat zerfall, Naturkatastrophenetc. Kurzum kristallisieren die Gesellschaften <strong>Afrika</strong>s in dieser diskursivenProduktion nahezu all das heraus, was für die hiesigeGesellschaft zu vermeiden gilt bzw. im Prozess ihrer Entwicklungschon überwunden wurde.2. Inwieweit – oder besser gesagt wie – formen und prägendiese Bilder unsere Beziehungen zu <strong>Afrika</strong>?Die diskursiven Produktionen über <strong>Afrika</strong> (Bilder) lassen sichunter zwei Kategorien subsumieren: Afro-Romantismus und Afro-Pessimismus.Die eine, apologetisch, naturalisierend und kulturalisierend,hebt die positiven Eigenschaften der originellen „Afri kanischenTraditionen“ hervor (was auch immer diese sein mögen) und fokussiertdabei vornehmlich das Vor-Koloniale <strong>Afrika</strong>, wobei der„<strong>Afrika</strong>ner“ als „edler Wilder“ bzw. „Naturmensch“ dargestelltwird. Die andere, pejorativ, rassistisch und arrogant, stellt den<strong>Afrika</strong>nischen Kontinent als Sammelbecken von Mängeln an zivilisatorischenund kulturellen Eigenschaften dar, die im Besitz dersog. entwickelten Gesellschaften sind, wobei der „<strong>Afrika</strong>ner“ als„böse, bzw. Taugenichts Wilder“ präsentiert wird. Konstant in diesenbeiden Positionen ist jedoch der „Wilde <strong>Afrika</strong>ner“ sei er edel,böse oder unfähig. Diesem und seiner Gesellschaft kann fortanzum Eintritt, Verbleib und Weiterentwicklung in die menschlicheGeschichte nur durch „Entwicklungshilfe“ des Westens verholfenwerden; so wie es früher schon mit der christlichen Missionierungund der Kolonisierung des afrikanischen Kontinents der Fall war.Bekanntlich positioniert sich der Westen selbst <strong>auf</strong> der Entwicklungsleiterganz oben.Diese Bilder sind sehr mächtig. Sie sind die Kategorien, d.h. dieBrille, wodurch viele Europäer <strong>Afrika</strong> und die dort stammendenMenschen wahrnehmen und betrachten. Anders formuliert, erstdurch diese Bilder wird „ein <strong>Afrika</strong>“ konstruiert, das als legitimesObjekt der europäischen Intervention erscheint, nämlich das „unterentwickelte“<strong>Afrika</strong>.Die unverschämten Bilder, womit die sog. Ent wicklungshilfeOrganisationen um Spenden der deutschen Öffentlichkeit für„gute Zwecke“ in ihren verschiedenen Interventionsgebieten in<strong>Afrika</strong> werben sind u. a. eine Parade-Illustration einer solchenKonstruktion.3. Sie und ich und wahrscheinlich alle anderen An wesendenauch, wünschen sich ein möglichst gleich berechtigtes Verhältniszwischen Europa und <strong>Afrika</strong>. Dazu gehört auch dasVoneinanderlernen. Was können wir hier aus Ihrer Sichtz.B. aus der Kul turgeschichte <strong>Afrika</strong>s lernen?Die Formulierung „Kulturgeschichte“ gefällt mir! Denn sie suggeriertzweierlei: Zunächst, dass <strong>Afrika</strong> mehr als ein rohstoffreicherKontinent ist. Es dürfte eine Binsenweisheit sein, dass keinLand der Welt nachhaltig im Konzert der Nationen mächtig gewordenist allein, weil es im Besitz von großen Mengen an natür-Seite 12


Wir können uns jedoch exemplarisch <strong>auf</strong> ein Beispiel beschränken:den Bildungsbereich. Angesichts der Misere der schulischenoder formellen Bildung in Deutschland, wie die wiederholt beschämendenErgebnisse im internationalen Vergleich es bewiesenhaben sowie die daraus entfachte Debatte über die Fähigkeitdieser Institution, den Heranwachsenden allein mit Kompetenzenauszustatten, die notwendig sind für ihre gesellschaftliche Teilhabeund Weiterentwicklung, können wir in der Tat eine Mengevon der sog. afrikanischen „traditionellen Erziehung“ lernen. Diesewar, um es mit vertrauten Be griffen zusammenzufassen, nichtnur ganzheitlich im Sinne Pestalozzis sondern auch und vor allemLebenswelt-, Sozialraum- und Kompetenz- orientiert. In dieserWeise wurde die Klippe der Vermittlung von fragmentiertem undabstraktem Wissen ohne Bezug zur Lebenswelt der Lernenden,– was heutzutage im hiesigen Bildungssystem stark kritisiertwird – umschifft. Beispiele wie diese können wir sind ebenfalls inanderen kulturellen Gebieten wie Medizin, Politik, Wissenschaft,Kunst, Religion etc. zu finden.4. Was also müssen wir bzw. muss Europa tun oder vor allemlassen, um wirkliche, echte Partner <strong>Afrika</strong>s zu werden? Wosehen Sie hierfür die größten Chancen?lichem Reichtum ist. Im spezifischen Fall <strong>Afrika</strong>s sind sich inzwischenalle seriösen historischen Beobachter sogar darüber einig,dass diese natürlichen Reichtümer <strong>auf</strong>grund ihrer strategischenBedeutung im Kontext der globalen Marktwirtschaft zum großenTeil Ursache vieler politischer Konflikte und menschlichen Elendsdort sind. In diesem Zusammenhang wird von dem „Paradox ofPlenty“ gesprochen.Dies gesagt, ist es anderseits <strong>auf</strong>grund der schon er wähntennegativen Konstruktionen <strong>Afrika</strong>s im europäischen Kontext bzw.in Deutschland (Konstruktionen, die übrigens schon <strong>auf</strong> die Periodeder Aufklärung mit Autoren wie Hegel, Montesquieu etc.zurückzuführen sind) nicht selbstverständlich, hier ohne weiteresdiesen Kontinent mit dem Begriff „Kulturgeschichte“ in Verbindungzu bringen.Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass <strong>Afrika</strong> nicht nur dieWiege der Menschheit ist sondern auch eine der ersten, längstenund mächtigsten Zivilisation, der menschlichen Geschichte,nämlich die ägyptische Zivilisation hervor gebracht hat und dassdiese Zivilisation keine spontane Genesis war sondern Produktder Diffusions- und Kris tallisationsprozesse innerhalb afrikanischerKulturen, die in ihren Entstehungsgebieten <strong>auf</strong> verschiedeneArt und Weise u. a. in der Gestalt von großen Reichen wieSonghai, Gao etc. bis ins 18 Jh. blühten, dann und nur dann wirdes nachvollziehbar, gar selbstverständlich, dass <strong>Afrika</strong> eine Kulturgeschichteproduziert hat, die für Europa lernenswert ist. Nunbin ich der Meinung, dass es nicht einfach ist, in diesem Rahmenmit der uns knapp zur Verfügung stehenden Zeit die Frage, unterwelchen Aspekten diese facettenreiche Kulturgeschichte <strong>Afrika</strong>sfür Europa bzw. Deutschland heutzutage von Interesse sein kann,zu beantworten.Es ist sehr schwierig sich unter den heutigen Bedingungen eine„echte“ <strong>Partnerschaft</strong> zwischen <strong>Afrika</strong> und Europa vorzustellen,denn die Machtverhältnisse sind so ungleich zum Vorteil Europas,dass es nur irrealistisch sein kann sich Gedanken über nichtasymmetrische Beziehungen zu machen und dies umso mehr, alsdie Geschichte uns lehrt, dass es in den internationalen Beziehungennicht um Freundschaft, Philanthropie und ähnliches gehtsondern um eigene Interessen, die die Mächtigsten bekanntlichrücksichtslos zu vertreten vermögen.Realitätsnäher wäre in diesem Zusammenhang eher die Fragewelches Interesse Europa an der Beendigung des Elends in <strong>Afrika</strong>haben kann. Die Antwort unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektivedürfte in diesem Kreis naheliegend sein. Dennviele lokal <strong>auf</strong>tretende Probleme wie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel,Terrorismus etc. sind global verursacht und ihre nachhaltigeBewältigung auch nur global möglich.5. Und zu guter Letzt: Wenn sie Marketing-Chef der <strong>Afrika</strong>nischeUnion wären, mit welchen Bildern würden Sie dannfür diesen Kontinent werben?Mit den Bildern von Millionen Frauen und Männern in <strong>Afrika</strong> <strong>auf</strong>unterschiedlicher gesellschaftlicher Ebene, die in extrem schwierigenBedingungen alltäglich mit unglaublichem Einfallsreichtumden Widrigkeiten des Lebens trotzen. Diese Überlebenskünstlersind meines Erach tens der gute Samen, aus dem heute eine hoffnungsvolleZukunft <strong>Afrika</strong>s erwachsen kann.Seite 13


Notwendige Strategie1. Vermeiden des Nicht-UnbewältigbarenCO2-Reduktion – Wer sind die Verursacher ?2. Bewältigung des UnvermeidbarenAnpassung – Wer sind die Opfer ?Impressionen zum Klimawandel aus <strong>Afrika</strong>„Das Wetter ändert sich. Früher haben wir heftigen Regen gehabt,als die Winde aus dem Westen kamen und und dann 2-3Tage später mit Regen zurückkamen. Jetzt kommt der Wind ausdem Osten und bringt wenig oder gar keinen Regen. Ich weißnicht, was dies verursacht. Vielleicht die Kriege im Irak und imIran, all die Bomben und die Verschmutzung, der Rauch, der vonden zerbombten Ölfeldern zu uns herüber weht. Wir sind nichtsehr weit weg davon.“Paul Mayan Mariao, Chief Kaikor, Turkana„Die veränderten Niederschlagsmuster tragen zu der zunehmendenWüstenbildung bei. Die verringerte Produktion von Gras bedeutet,dass weniger Tiere versorgt werden können. Trockenheitführt zum deutlichen Verlust an Tieren. Dies hat verheerende Folgen<strong>auf</strong> die Hirten, sowohl Tuareg wie auch Wodaabe, deren Existenzvon der Tierhaltung abhängt. Es schafft chronische Problemeder Ernährungssicherheit, und große soziale auch.“Jeff Woodke of JEMED (Youth with a Mission)„Die Auswirkungen des Klimawandels treffen überproportionaldie ärmsten Länder der Welt, viele davon in <strong>Afrika</strong>. Arme Menschenleben heute schon an der Front von Verschmutzung, Katastrophenund dem Verlust von Ressourcen und Land. Für sie istAnpassung eine Frage des Überlebens.“Kofi AnnanBeispiel: Particularly vulnerable rural areas in the SudaSource: NAPA SudanIPCC-Kernaussagen für <strong>Afrika</strong> (I)pp<strong>Afrika</strong> ist einer der gegenüber den Folgen des Klimawandelsanfälligsten Kontinente; diese Situation wird durch das Zusammenspielvon verschiedenen Stressfaktoren verschärftppdie landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherheit invielen afrikanischen Ländern und Regionen wird durch den Klimawandelwahrscheinlich stark gefährdet werdenppDer Klimawandel wird die Wasserknappheit in einigen LändernSeite 15


Entwicklungsländer als HauptbetroffeneSource: McMichael et al.,1996:128Klimawandel als Bedrohung für Ernährungssicherheit undLandwirtschaftInsbesondere in <strong>Afrika</strong>- ExtremwettereignisseppZunahme von DürrenppZunahme von Hochwassern<strong>Afrika</strong> und das ÖlHauptförderländer südlich der Sahara sind Nigeria, Angola undSudan mit einer durchschnittlichen Förderung von 2,15 bzw. 1,65und fast 0,5 Mio Barrel pro Tag (mbd) im Jahr 2007. Zum Vergleich:Die USA förderten 4,34 mbd, Saudi-Arabien 8,68 mbd. Nigeriaund Angola sind OPEC-Mitglieder, Sudan strebt die Mitgliedschaftan. Neben diesen Ländern haben in den letzten Jahren besondersauch Äquatorialguinea, Kongo, Gabun, Elfenbeinküste, Kamerunund Ghana in die Ölförderung investiert. Der Eigenverbrauch in<strong>Afrika</strong> ist sehr gering, sodass praktisch die gesamte Produktionexportiert wird. China bezieht schon 27 Prozent seiner Öleinfuhrenaus Äquatorialguinea, Angola, Kongo, Nigeria und Sudan, und12 Prozent der gesamten US-Ölimporte kommen aus Nigeria undAngola. Diese Anteile dürften noch steigen. So hoffen die USA,in fünf bis zehn Jahren rund 25 Prozent der Importe aus <strong>Afrika</strong> zubeziehen. (Quelle:Wirtschaftsdienst der BHF-BANK vom 21.1.08)Die Potentiale der SonneEine positive Option? <strong>Afrika</strong> und AgrofuelsWestliche Firmen wollen riesige Farmen für Energiepflanzen betreiben,um Öl zu gewinnen. Die einheimischen Bauern und Regierungenwerden mit zweifelhaften Versprechen geködert. Alleswird gut, alles soll besser werden. Neue Straßen soll es geben,eine neue Schule, eine Apotheke, auch eine richtige Wasserversorgung.Und Jobs dürften entstehen, mindestens 5000. „Wenn esArbeitsplätze für uns gibt, ist es eine gute Sache.“Aus dem Artikel zu AFRIKA: „Sturm <strong>auf</strong> die Scholle“ von Horand Knaup Spiegel36/2008 – 01.09.2008 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,576541,00.htmlBedrohung des afrikanischen RegenwaldesSupergrid zwischen EU und Nordafrika(MENA = Middle East and North Africa)Seite 17


1. Ratstreffen – 15.09.2008Erster Energieaktionsplan EU-<strong>Afrika</strong>Meldung der Europäischen Union vom 8. September 2008: DieElektrifizierung und Kapazitätenerschließung <strong>Afrika</strong>s sollen künftigverstärkt vorangetrieben werden. Aus diesem Grund habenEU-Entwicklungskommissar Louis Michel, EU-EnergiekommissarAndris Piebalgs und der Kommissar der <strong>Afrika</strong>nischen Union fürInfrastruktur und Energie, Elham Mahmoud Ahmed Ibrahim in AddisAbeba heute eine Gemeinsame Erklärung unterschrieben. Damitsoll der erste Aktionsplan der Energiepartnerschaft EU-<strong>Afrika</strong>und die vereinbarten Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Zielist es, einen Elektrizitätsgesamtplan für <strong>Afrika</strong> auszuarbeiten unddie Möglichkeiten der afrikanischen Stromlieferanten zu fördern.Vorgesehen sind darüber hinaus Maßnahmen zur Verbesserungder Transparenz und der Verbindungsleitungen innerhalb <strong>Afrika</strong>ssowie zur EU. Im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienzund Energieeinsparungen wird es ebenfalls eine verstärkte Kooperationgeben.Vor diesem Hintergrund werden die EU-Mitgliedstaaten und diePrivatwirtschaft <strong>auf</strong>gefordert, weitere Mittel für Investitionen inden Energiebereich <strong>auf</strong> Angebots- und Nachfrageseite bereitzustellen.Aber auch die EU-Kommission hat erklärt, ihre technischeHilfe <strong>auf</strong>zustocken und ihre Förderprogramme mit zusätzlichenFinanzmitteln versehen zu wollen. Auf der Gegenseite wird die<strong>Afrika</strong>nische Union als treibende Kraft die an der EnergiepartnerschaftBeteiligten zu mehr aktiven Bemühungen an der Umsetzungder Förderprogramme antreibenZur Rolle der +5-StaatenBRASILIEN, CHINA, MEXIKO, INDIEN, SÜDAFRIKAppRealize efficiency potentials in their own economiesp pReceive institutional and financial support to decarbonize theirdevelopmentp p Participate in new mechanisms to effect technology and financetransfer and to support sustainable developmentDer internationale Verhandlungsprozess um das KlimaUNCED 1992 Brasilien (Rio-Konferenz)Klima-Konvention p RatifikationCOP 1 1995 Deutschland (Berlin) p BerlinerMandatCOP 2 1996 Schweiz (Genf)COP 3 1997 Japan (Kyoto) p Kyoto-Protokoll(2008-12)COP 4 1998 Argentinien (Buenos Aires)COP 5 1999 Deutschland (Bonn)COP 6 2000 Niederlande (Den Haag)COP 6b 2001 Deutschland (Bonn) p Durchbruch für KyotoCOP 7 2001 Marokko (Marrakesch)COP 8 2002 Italien (Mailand)COP 9 2003 Indien (Neu Dehli)COP 10 2004 Argentinien (Buenos Aires)COP 11 2005 Kanada (Montreal) p Kyoto tritt2005 inKraftCOP 12 2006 Kenia (Nairobi)COP 13 2007 Indonesien (Bali )COP 14 2008 Polen (Poznan)COP 15 2009 Dänemark (Kopenhagen) p neuesProtokoll ?nach 2012COP = Conference of the Parties (Vertragsstaatenkonferenz)G8 Thema„Africa and Climate Change“Wirtschafts- und FinanzgipfelppKlima ist mittlerweile ein Wirtschaftsthemapp<strong>Afrika</strong> ebenfallsClimate Action Network International... und was macht Germanwatch ?Das Unbewältigbare vermeiden (Treibhausgase reduzieren)Das Zwei-Grad-Limit bedeutet:CO2-Reduktionenbis 2050: Weltweit - 50 %Industrieländer - 80-95 %bis 2020: EU-Zielsetzung - 30 %Deutschland - 40 %Das Kyoto-Protokoll von 1997 sieht lediglich eine Reduzierung von– 5,2 % für die Industrieländer vorSeite 18


1. Ratstreffen – 15.09.2008Zukunft brauchtErinnerungHamburg postkolonial>> Heiko MöhleWelche Bedeutung hat die koloniale Vergangenheit Hamburgs,und wie geht die Stadt mit ihrem „kolonialen Erbe“ um?Wenn ich von Hamburgs Rolle als Kolonialmetropole rede, danngeht es nicht nur um die dreißig Jahre von 1884 bis zum ErstenWeltkrieg, in denen Deutschland Kolonialmacht war. HamburgsKolonialgeschichte beginnt wesentlich früher, und sie ist mit demEnde der deutschen Kolonialherrschaft keineswegs abgeschlossen.Schon früh profitierte Hamburg vom Sklavenhandel: Um 1650wurden die sogenannten Guinea-Kompanien in Stade und inGlückstadt gegründet- unter schwedischer und dänischer Flagge,aber mit hamburgischem Kapital. Um 1760 ließ sich Heinrich CarlSchimmelmann in Hamburg und Wandsbek nieder. Schimmelmannwurde zur Nr. 1 im transatlantischen Sklavenhandel. DieVerarbeitung von „Kolonialwaren“ ließ nicht nur Hamburg, sondernauch die Umlandgemeinden erblühen.Hundert Jahre später erkannten Hamburger K<strong>auf</strong>leute, dass<strong>Afrika</strong> nicht nur Sklaven liefern konnte, sondern auch begehrteRohstoffvorkommen bereithielt: Elfenbein, Palmöl, Kautschuk.1883 richte die Hamburger Handelskammer eine Denkschrift anden Reichstag, mit der sie ihre Forderung nach deutschem Kolonialbesitzin <strong>Afrika</strong> begründete. Bismarcks Annexionen erfolgteninsbesondere im Interesse der hanseatischen K<strong>auf</strong>leute.Man hat später immer wieder gesagt, die Kolonien seien einVerlustgeschäft gewesen. Das mag für das Reich stimmen, dasMilitärexpeditionen und Eisenbahnbauten aus Steuergeldern finanzierte.Das trifft mit Sicherheit für die Kolonisierten zu, dieLand und Vieh an die Kolonialherren verloren und Zwangsarbeitleisteten. Profitiert haben aber Hamburger Unternehmer durcheine oft rücksichtslose Ausbeutung von Mensch und Umwelt, seies in den Diamantenminen von Deutsch-Südwest oder in denKakakoplantagen von Kamerun, wo man von den zu Tode gekommenenArbeitskräften zynisch als „Kulturdünger“ sprach.Neben der Hauptstadt Berlin wurde Hamburg zur wichtigstendeutschen Kolonialmetropole. Hier inszenierte Hagenbeckseine großen Völkerschauen, in denen Menschen öffentlichausgestellt wurden, von hier stachen die Truppentransporte zurNiederschlagung antikolonialer Aufstaände in See. Der Senatförderte gezielt die Ansiedlung prestigeträchtiger, kolonialerEinrichtungen: 1908 wurde das Kolonialinstitut, gegründet, ausdem erst 1919 die Universität Hamburg hervorging ( Jubiläumsjahr!)Im Dritten Reich plante der nationalsozialistische ReichstatthalterKarl K<strong>auf</strong>mann, aus Hamburg ein Zentrum deutscher Kolonialaktivitätenzu machen. 1934 wurde der <strong>Afrika</strong>verein gegründet,der „Unterstützung der von der nationalen Regierung betriebenenKolonialpolitik“ in seiner Satzung verankerte. Der <strong>Afrika</strong>-Vereintat sich in der Folge vor allem dadurch hervor, dass er die Wirtschaftsbeziehungenzum Apartheidssystem in Südafrika förderte.Wohlgemerkt, auch noch nach 1945. Kommendes Jahr, 2009, wirdder <strong>Afrika</strong>-Verin sein 75. Jubiläum begehen.Nach dem Krieg wollte man von kolonialer Herrlichkeit nichtsmehr wissen. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erschienschwierig genug. Wer es da wagte, nun auch noch die Politik deswilhelminischen Kaiserreichs ins Licht der Kritik zu zerren, musstesich sehr schnell den Ruf des „Nestbeschmutzers“ gefallen lassen– oder Schlimmeres, wie der Hamburger Journalist Ralph Giordano,der 1966 nach einer kritischen Fernsehdokumentation überdie deutsche Kolonialzeit sogar Morddrohungen erhielt.1967 stürzten Hamburger Studierende das koloniale Wissmann-Denkmal vor der Universität, um ein Zeichen zu setzen gegen dienicht nur an der Uni herrschende Weigerung, sich der eigenenGeschichte zu stellen. Wirklich geklappt hat das leider nicht: DasDenkmal wurde in der Bergedorfer Sternwarte eingelagert, undseitdem hat Hamburg buchstäblich eine Leiche im Keller.Seite 20


Seither herrscht im Umgang der Hamburger Politik und der Wirtschaftmit ihrer Kolonialgeschichte „beredtes Schweigen“. Es wirdgern über die traditionsreichen Hamburger <strong>Afrika</strong>beziehungengesprochen, das Wort „Kolonialismus“ wird aber tunlichst vermieden.Beispiel aus einem Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion von2006: „Die Kontakte der Hansestadt nach <strong>Afrika</strong> reichen bis zurückins 19. Jahrhundert. (…) Als Welthafen versteht sich die Hansestadtseit jeher als Mittlerin zwischen allen Erdteilen und VölkernWarum sollen wir uns überhaupt mit dieser Geschichte beschäftigen?Weil sie nicht erledigt ist.Beginnen wir mit dem, was in Hamburg immer an erster Stellesteht: die Wirtschaft. Der Kolonialismus hat in <strong>Afrika</strong> Strukturengeschaffen, unter denen der Kontinent bis heute zu leiden hat.Das gilt für die Einführung ökonomischer Monostrukturen, diedazu führen, dass bis heute viele afrikanische Länder vom Exporteines oder weniger Rohstoffe abhängig sind. Aber die europäischeund auch die Hamburgische Wirtschaft nehmen kaum nochetwas von den afrikanischen Produzenten ab. Erst hat man ihneneine Wirtschaftsweise <strong>auf</strong>gezwungen, jetzt lässt man sie damitsitzen. Schlimmer noch: Anstatt die kleinbäuerliche Landwirtschaftzum Erhalt der Ernähungssouveränität zu fördern, exportiertEuropa seine subventionierten Getreideüberschüsse – auchvom Hamburger Hafen aus!Die Migration von Menschen aus <strong>Afrika</strong> nach Hamburg ist einelogische Folge dieser Politik der ungleichen Chancen. In Hamburgleben zehntausende Afriner und <strong>Afrika</strong>nerInnen, aber sind sie hierwillkommen? In den vergangenen Jahren hat Hamburg immerwieder durch seine rigide Abschiebungspolitik, durch Botschaftsanhörungenund Sammeltransporte von sich reden gemacht. Esgeht mir aber nicht nur um Flüchtlinge ohne Aufenthaltspapiere,es geht generell um das Verhältnis zwischen Schwarz und Weissin Deutschlands Tor zur Welt. In Martin Baers Film „Weiße Geister“kommt ein seit vierzig Jahren in Deutschland lebender Herero zuWort: „Einen schwarzen Deutschen gibt es eigentlich nicht. Dukannst tausend deutsche Pässe haben, die Deutschen werdendich nie als Deutschen akzeptieren.“Dass in den letzten Jahren dieses Thema etwas präsenter gewordenist, liegt allein an dem Engagement von Hamburger Initiativenund Einzelpersonen, die durch Publikationen, Ausstellungenusw. immer wieder den Finger in die Wunde gelegt haben.ppSpuren sichtbar machenppZusammenhänge verdeutlichenppDebatten anregenppIntervenierenDas EWNW hat in seiner Publikation „Hamburg entwickeln!“ eineReihe von Forderungen <strong>auf</strong>gestellt, die sich teils an die Politik,teils aber auch an die gesamte Hamburger Gesellschaft richtem:ppDen Kolonialismus als Teil unserer Geschichte akzeptierenppErinnerungsorte schaffen. Es gibt in Hamburg noch eine ganzeMenge Straßennamen, die Kolonialherren ehren, aber keineneinzigen, der einen jener schwarzen Immigranten ehrt, die vonHamburg aus gegen den Kolonialismus kämpften.ppKolonialgeschichte und Antidiskriminierungsarbeit gehören indie Schulenp p Grundlage für Versöhnung ist es, eine Entschuldigung auszusprechen.Wie kann die eine Seite der anderen vergeben,wenn diese sich nicht entschuldigt hat? Nicht jeder einzelnevon uns, aber die Hamburger Bürgerschaft sollte eine entsprechendeErklärung abgeben.p p Die heikle Frage der Entschädigungszahlungen Sollen wir Entschädigungszahlungenfür koloniales Unrecht leisten? Ja! DenHerero in Namibia, die unter deutscher Kolonialherrschaft ihrengesamten Landbesitz verloren, ist mit Worten allein nicht geholfen.Hier geht es ganz konkret um Geld, damit Land zurückgek<strong>auf</strong>twerden kann, um begangenes Unrecht wenigstens inseinen langfristigen Folgen zu korrigieren. Hamburg sollte sichan einem von der Bundesregierung einzurichtenden Entschädigungsfondsbeteiligen.Nun ist es ja immer leicht, die anderen zu kritisieren und zuermahnen, wenn man sich selbst zu den „Guten“ zählt. Deswegennoch zum Schluss ein Wort an die Adresse der hier anwesendenMenschen aus Entwicklungszusammenarbeit und <strong>Partnerschaft</strong>sprojekten.Alle Begegnungen, gerade auch in Tansania,das in Hamburgs <strong>Afrika</strong>beziehungen solch eine herausragendeRolle spielt, finden immer vor dem Hintergrund einer geteiltenkolonialen Vergangenheit statt. Ich sage bewusst nicht „gemeinsame“,sondern „geteilte“ Vergangenheit, denn der Kolonialismushat Gräben gerissen, die bis heute nicht geschlossen sind, auchwenn sich diejenigen, die sich heute begegnen, dessen oft garnicht bewusst sind.Eine wesentliche Wurzel der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeitliegt in der christlichen Missionsgeschichte, unddie ist untrennbar mit der Geschichte des Kolonialismus verbunden.Im Breklumer Stannhaus des Nordelbischen Missionszentrumsfindet sich noch heute das Motto: „Gehet hinaus in alle Weltund helfet den Völkern“ (oder so ähnlich). So etwas sitzt tief. VieleProjekte gründen in einer Kultur des Helfens und der Hilfsbedürftigkeitentwickelt, in der sich beide Seiten eingerichtet haben. Istja auch schön, wenn der eine abgibt und der andere sich dankbarzeigt, aber emanzipatorisch ist das nicht. Wir müssen uns alsoselbstkritisch fragen: Wie gleichberechtigt sind unsere <strong>Partnerschaft</strong>enwirklich? Hier ist meines Erachtens eine kritische Überprüfungund Neubesinnung der <strong>Partnerschaft</strong>sarbeit notwendig.Sie muss immer primär die Überwindung von Ungleichheit zumZiel haben, und sie sollte deshalb in erster Linie afrikanischenOrganisationen und Gruppen zugute kommen, die in eigener Regiefür ihre Rechte kämpfen. Das kann eine Organisation wie dasinternationale Kleinbauern-Netzwerk „Via Campesina“ sein. Wirbrauchen gar nicht so weit zu gucken: in Hamburg gibt es dasAkonda-Café und neben ihm eine ganze Reihe afrikanischer Zentren,wo afrikanische Menschen für ihre Rechte streiten.Nur wenn wir uns der geteilten Vergangenheit erinnern unduns ihre Bedeutung für die Gegenwart verdeutlichen, wird esmöglich sein, eine gemeinsame Zukunft zwischen Partnern zugestalten.Seite 21


Pädagogische BegleitungppVorbereitungsphase April bis AugustppMitte Juli: 11 Tage VorbereitungsseminarppMitte August: Abreise nach TansaniappMitte August: 11 Tage EinarbeitungszeitppEnde August: Einsatzstellen-Leiter SeminarppAnfang September: Begleitungund Einführungin EinsatzorteppVon September bis August: enge Zusammenarbeit mit den ESTppAnfang Januar: 7 Tage ZwischenseminarppMitte August: Rückkehr nach DeutschlandppMitte September: 5 Tage RückkehrseminarppFolgende Zeit: Weitergabe der Erfahrungen„Ich glaube, es war für viele Tansanier, die wir kennengelernthaben, wichtig zu sehen, dass wir als Lernende kamen. Wir warenweder als potente, weiße Profis da, die schauen wollten, inwelches Projekt sie ihr Geld investieren, noch als Touristen, diesich oft mehr für Flora und Fauna als für das Leben der Tansanierinteressieren. Zu sehen, dass wir bereit waren, von ihnen zulernen und mit ihnen zu arbeiten, war, denke ich, eine andereErfahrung, als die meisten, die sie sonst mit Weißen gemachthatten.“(Lotte S.)Bereits seit 2004 …pp40 Seminartagen während des gesamten Tansania FreiwilligendienstesppGewährleistung von intensiver Vorbereitung, Begleitung undNachbereitung Ganzjährige Begleitung in TansaniappDurch Vorbereitung, Austausch und Reflexion mit Fokus <strong>auf</strong> Bedürfnisseder Freiwilligen:– starke Auseinandersetzung mit Erlebnissen sowie– Erwerb von Handlungskompetenz, um Erfahrungen aktiv zunutzen und später weiter zu geben„Was die Vorfreude <strong>auf</strong> Land und Leute betrifft, so lag ich damitsehr richtig. Alles, was ich in Tansania in Freundschaften und Interesse„investiert“ habe, habe ich doppelt und dreifach zurück bekommen.Das ist vielleicht die Kernaussage dazu, was ich gerneaus Tansania mit nach Deutschland übernehmen möchte. Es lohntsich ganz offenbar, offen im Umgang mit anderen Menschen zusein, <strong>auf</strong>einanderzuzugehen ... überhaupt, dieser positive Umgangmit anderen, die Zeit, die sich in Tansania jeder für anderenimmt – wenn es mir gelänge, in Deutschland genauso offen zusein, dann wäre mein Leben sicherlich ein glückliches. Offen zusein bedeutet ja auch, keine Vorurteile zu haben, Menschen nichtwegen ein paar Eigenschaften vorschnell kategorisieren – dassind Richtlinien, nach denen ich mein Leben auch in Deutschlandgerne gestalten würde. Einfach wieder mehr miteinander leben,mehr miteinander reden und kommunizieren.“ (Joschka F.)„Was Entwicklungszusammenarbeit wie bei der DTP angeht,so bin ich von ihrem Nutzen überzeugt. Junge Menschen unterschiedlicherKulturen zusammen zu bringen und ihnen die Möglichkeitzu geben, gemeinsam zu arbeiten, ist ein lohnenswertesZiel, zumal ich hier in den ersten Monaten in Deutschland tatsächlichdas Gefühl habe, bereits jetzt schon das Bild von <strong>Afrika</strong>vieler Bekannter verändert zu haben oder zumindest ändern zukönnen. Ich glaube, in dieser Form ist Entwicklungszusammenarbeiteine Bereicherung für alle Seiten.“ (Frieda S.)Seite 23


2. Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s –<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> AugenhöheSeite 24


EinladungWir laden Sie herzlich einam 27. Mai, 16.00 bis 18.00 UhrKonferenzraumRudolf-Steiner-HausMittelweg 11-12, 20148 Hamburg„Die Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s –<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“SondierungsworkshopIm September letzten Jahres fand in der Patriotischen Gesellschaftein sehr gut besuchtes Ratstreffen mit dem Titel „DieWiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s – <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ statt.Bereits damals kündigten wir an, dass wir die dort angefangenenDiskussionen gerne weiter vertiefen würden. Zwischenzeitlichkonnten wir beim BMZ Mittel für eine komplette Veranstaltungsreiheeinwerben. Wie angekündigt, wollen wir aber nicht alleineentscheiden, wie und was diskutiert wird. Wir laden alle Interessiertenzu einem ersten Sondierungsworkshop ein, <strong>auf</strong> dem wirgemeinsam erarbeiten wollen, welche Aspekte einer möglichen„<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ wir vertiefen werden. Zu den jeweiligenThemenfeldern werden wir dann hochkarätige ExpertInnennach Hamburg einladen.Als Impulsgeberin für den Sondierungsworkshop konnten wirFrau Veye Tatah vom Verein Africa Positive e.V. aus Dortmund gewinnen.Wir freuen uns <strong>auf</strong> eine spannende Diskussion mit Ihnen.Programm16.00 Uhr Begrüßung und Vorstellung der ProjektstrukturDr. Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin <strong>Zukunftsrat</strong>Hamburg16.10 Uhr „<strong>Afrika</strong>s Rolle für eine nachhaltige EntwicklungDr. Ulf Skirke, <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg16.20 Uhr „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ – wie kann das gehen?Veye Tatah, Vorsitzende Africa Positive e.V., Dortmund16.40 Uhr DiskussionWelche Aspekte einer möglichen „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe“ sollten in Hamburg vorrangig thematisiertwerden?Mit freundlichen Grüßen,Dr. Dirka GrießhaberGeschäftsführerinSeite 25


2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009GästeVeye Tatah (Jahrgang 1971) wurde in Kamerungeboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschenNachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährigeals Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, woTatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutscheSprache lernte. Bereits während ihres dar<strong>auf</strong>folgenden Informatikstudiumsan der Technischen Universität gründete sie denVerein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel:den Deutschen ein realistischeres <strong>Afrika</strong>bild vermitteln und sodie Integration der <strong>Afrika</strong>ner, die in Deutschland leben, fördern.Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als WissenschaftlicheMitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatikder TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen Catering-Service „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagementzu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständigeBeraterin und Projektmanagerin mit Fokus <strong>Afrika</strong>. Politik, Wirtschaftund die Medien fragen sie regelmäßig als <strong>Afrika</strong>-Expertinan. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuzam Bande des Verdienstordens der BundesrepublikDeutschland für ihr besonderes soziales Engagement.Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist Diplom-Physiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutzund der ökologischen Stadtentwicklungin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelttätig. Ehrenamtlich ist er im <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg als Mitgliedim Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzigJahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinentsbereist.Seite 26


2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009SoNDIERUNGSworkshop„Die Wiederentdeckung<strong>Afrika</strong>s – <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe“>> Dr. Ulf SkirkeEinleitende Bemerkungen und Vorschläge (Zusammenfassung)I. VorbemerkungDas allgemeine „Negativbild“ <strong>Afrika</strong>s lässt sich nicht einfach positivumkehren, sondern es gilt, positive Entwicklungspotentiale<strong>auf</strong>zudecken oder wiederzuentdecken.Frage: Was ist das größte Problem <strong>Afrika</strong>s?Meine Antwort: Die lang anhaltende Behinderung (oftmals Verhinderung)einer eigenständigen Entwicklung <strong>Afrika</strong>s – vor allemvon außen (Industrieländer), aber auch von innen (eigene „Eliten“).Es geht daher nicht um die Anpassung an Wachstumsmodellewestlicher Prägung – siehe die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise,Klimaproblematik, soziale Probleme etc. – , sondernum die Möglichkeit eines anderen, eigenen Entwicklungs- und<strong>Partnerschaft</strong>skonzeptes, das <strong>auf</strong> der Basis eigener Fähigkeitenund Ressourcen <strong>Afrika</strong>s eine dynamische Balance lokal, regionalund global (Nachhaltigkeit) anstrebt.Dazu zwei ausgewählte Stimmen:„<strong>Afrika</strong> will nicht gerettet werden. Der Kontinent verlangt vonder Welt Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Kapazitäten<strong>auf</strong> der Basis einer wahren und <strong>auf</strong>richtigen <strong>Partnerschaft</strong> mitden anderen Mitgliedern der globalen Gemeinschaft.“ (UzodinmaIweala, afroamerikanischer Schriftsteller).„<strong>Afrika</strong> ist nicht arm und hilflos – wir müssen nur die wertvollennatürlichen Ressourcen und unsere menschlichen Fähigkeitenbesser für die eigene Entwicklung nutzen.“ (Generalsekretär derOstafrikanischen Gemeinschaft (EAC), Juma Mwapachu).II. <strong>Nachhaltige</strong> Entwicklung ?!Die Grenzen des Wachstums 1 sind nach wie vor augenfällig unddie Frage: Kollaps oder Balance bzw. ‚Weiter So’ oder nachhalti-1 Donella Meadows, Dennis Meadows, Jorgen Randers, Grenzen des Wachstums.Das 30-Jahre Update. Signal zum Kurswechsel (2006, 2007)ges Umsteuern sind reale Entwicklungsmöglichkeiten zukünftigerplanetarer Entwicklung. 2Frage: Wie weit sind Europa/Hamburg und <strong>Afrika</strong> von einernachhaltigen Gesellschaft entfernt?Meine Antwort: Beide <strong>auf</strong> unterschiedliche Weise noch weit! 3Daher beginnt die Möglichkeit einer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategiebzw. einer wirklichen <strong>Partnerschaft</strong> mit der Analyseeiner vergleichbaren Ausgangslage. Dazu stellt sich die übergeordneteFrage für dieses Projekt bzw. die geplanten <strong>Afrika</strong>-Veranstaltungendes <strong>Zukunftsrat</strong>es:ppWie und wo treffen sich die (Wieder)Entdeckung von <strong>Afrika</strong>sPotentialen für Nachhaltigkeit mit Europas/Hamburgs Nachhaltigkeitsbedingungenund -möglichkeiten?ppWie ist <strong>auf</strong> einer solchen gemeinsamen, korrespondierendenBasis ein partnerschaftlicher Dialog möglich?Suchen wir also gemeinsam nach Lösungen aus unterschiedlicher,aber vergleichbarer Perspektive. Ich sehe fünf Dimensionender Nachhaltigkeit, die zugleich fünf Themencluster für unsere<strong>Afrika</strong>-Veranstaltungen des <strong>Zukunftsrat</strong>es liefern können: die historische,die kulturelle, die ökologische, die ökonomische und diepolitische DimensionIII. Themencluster/Veranstaltungsvorschläge1. Wiederentdeckung der eigenen GeschichteFür die zukünftige und zukunftsfähige Entwicklung ist eine authentischeAnalyse der eigenen Geschichte unumgänglich. Diesist bei Vorurteilen, wie: <strong>Afrika</strong> sei ein „geschichtsloser Kontinent“,oder die geschichtliche Entwicklung <strong>Afrika</strong>s sei „von außen“ er-2 <strong>Afrika</strong> ist in den letzten 500 Jahren des Öfteren vor allem durch Übergriffe vonaußen in kollapsähnliche Situationen gebracht worden …3 <strong>Afrika</strong> ist mit 1,1 ha pro Person und einer Biokapazität mit 1,3 ha der einzige Kontinentmit einem akzeptablen Ökologischen FußabdruckSeite 28


zeugt worden, keineswegs selbstverständlich. Dabei geht esweniger um die moralische Aufrechnung und Schuldzuweisung,sondern um historisches Selbstbewusstsein jenseits kolonialerGeschichtsverzerrung. 4 Wie und wo existieren angemesseneGeschichtsdarstellungen der afrikanisch/europäischen sowie dervorkolonialen Epoche, in denen interkulturelle, partnerschaftlicheAnsätze zum Tragen kommen? 5 Hier bietet sich z.B. eineKooperation mit der Universität Hamburg und dem Heinrich BarthInstitut e.V. an. Der Hamburger „Verein für Geschichte des Weltsystemse.V.“ hat bereits seine Unterstützung für die Vorbereitungeiner Veranstaltung zu dieser Thematik angeboten.2. Das Kultur-Erbe <strong>Afrika</strong>sÜber das UNESCO Welterbeprogramm hinaus 6 sollten Eigenwerteafrikanischer vorkolonialer und gegenwärtiger Kultur betrachtetwerden, 7 die auch bedeutsam für eine nachhaltige Entwicklungsind. Dabei geht es nicht nur um Traditionspflege, sondern auchum lebendige Weiterentwicklungen einer vielfältigen afrikanischenKultur, von Musik, Tanz, Rhythmen über Heilverfahren bishin zu fraktalem Raumverständnis und komplexem Weltbild, dieEinfluss <strong>auf</strong> die übrige Welt nimmt. Von Interesse sind insbesonderedie ganzheitlichen Ansätze afrikanischer Kultur, die nicht nurein kognitives, sondern ein umfassendes Umwelt- und Weltverständnisfördern.Dieses könnte als Grundlage für andere, nachhaltige Bildungskonzeptein Schule und Wissenschaft dienen. Darüber hinaus sinddie „Angewandten Kulturwissenschaften“ als dritte Kraft nebenwirtschaftlicher und technischer Zusammenarbeit von großer Bedeutung.83. Das Natur-Erbe <strong>Afrika</strong>s<strong>Afrika</strong> weist nicht nur den geringsten Ökologischen Fußabdruck,sondern eine der weltweit höchsten Biodiversität <strong>auf</strong>. Es gehtum Schutz, Pflege und Entwicklung dieses Naturschatzes – auchüber den UNESCO Welterbe-Ansatz hinaus. Dazu bieten sich Kooperationenim Bereich lokaler und regionaler Öko-Projekte, wiez.B. Ökodörfer, an. Des Weiteren sind Kooperationen bei der angemessenenWeiterentwicklung von Subsistenz – Landwirtschaftzu bio-ökologischem Landbau. In diesem Zusammenhang wäreauch die regenerative (Energie)-Nutzung von Biomasse und Biogas(nicht Biodiesel!) von großer Bedeutung. Ein in der bisherigenDiskussion unterschätztes Thema ist der Öko-Tourismus.Zum einen geht es hier um sinnvolle Kooperationen zwischeneinheimischer Bevölkerung, lokalen Kommunen und Reiseunternehmenim Umfeld von Naturparks, und zum anderen um dieweitere Einrichtung nachhaltiger, ökologischer Hotels, Lodgesoder Camps. Ein herausragendes Vorbild ist das Renaturierungs-4 Ich suche seit Jahren vergeblich nach einem vernünftigen Schul- oder Lehrbuch überafrikanische Geschichte5 Beispiele wären die interkulturellen und interdisziplinären Forschungen im 19. Jahrhundertvon Heinrich Barth oder von Mary Kingsley, die <strong>Afrika</strong>ner und Europäer gegenden damaligen Zeitgeist als gleichwertige Partner betrachteten.6 Das Welterbeprogramm umfasst Kulturdenkmäler und Naturdenkmäler7 Die Ergänzung des Welterbeprogramms „Meisterwerke des mündlichen und immateriellenErbes der Menschheit“ geht in eine solche Richtung8 Dazu sind die Forschungsprojekte des Heinrich Barth Institutes (Köln) hervorzuheben.projekt der Bamburi Cement Fabrik (Mombasa), wo der sog. „HallerPark“ (Bamburi nature trails) 9 mit Hilfe von selbsterhaltendenBiotopen, Sekundärwäldern, Tierzucht, Gemüsefarmen und Tourismuseine einmalige Verbindung von Ökologie und nachhaltigerÖkonomie geschaffen wurde.4. <strong>Nachhaltige</strong>s WirtschaftenIm Zentrum steht hier: <strong>Afrika</strong> <strong>auf</strong> dem Weg zum Solar-Kontinent!Es gibt starke Plädoyers, dass <strong>Afrika</strong> ein sog. „leapfrogging“(‚Bockspringen’) vornimmt, d.h. das fossil-atomare Zeitalter überspringtund unmittelbar eine Solar-Epoche ansteuert. Insgesamtgeht es um eine neue Balance zwischen Mensch-Natur-Technik:Dazu gehört die Initiative des ‚Club of Rome’ und des HamburgerKlimaschutz Fonds, Photovoltaik-Strom von <strong>Afrika</strong> nach Europa zuliefern. 10 Erwähnenswert ist auch das Solarlampen-Projekt amViktoria-See. Ebenfalls ist <strong>auf</strong> Projekte der Universität Hamburg/Institut für Geographie (Prof. Oßenbrügge) hinzuweisen. 11Es gilt möglichst den gesamten IT-Bereich, wie z.B. Computer,Telekommunikation, Internet, Medientechnik insgesamt <strong>auf</strong> einesolare Basis zu stellen. Dies gilt ebenso für die (Weiter)Entwicklungsolarer Verkehrssysteme, wie Pkw, Schiffsverkehr oder Luftschiffe.Zentral ist der Aufbau eines afrikanischen Regional- undBinnenmarktes in nachhaltiger Wirtschaftsweise. 12,13 Als weiteresThemenbeispiel ist die Vergabe von Mikrokrediten – vor allem anProduzentinnen.5. Politische Nachhaltigkeit<strong>Afrika</strong> muss seine eigenen Formen und Wege zur Demokratiefinden. Die nationalstaatlichen Parteiendemokratien westlicherPrägung sind keineswegs die alleinigen Vorbilder. Vielmehr giltes, eigene gesellschaftliche afrikanische Traditionen wiederzuentdeckenund weiter zu entwickeln. Insbesondere seien dielang andauernden Erfahrungen mit selbstorganisierten Zivilgesellschaften,komplexen regionalen Einheiten sowie kommunalerSelbstverwaltung und vernetzten Dorfgemeinschaften hervorgehoben.Inwieweit sind eigene Formen afrikanischer Konfliktlösungen,wie z.B. das Palaver oder eigene Rechtsprechung (z.B.„Wahrheitskommissionen“ in Südafrika oder modernisierte GacacaGerichte in Ruanda) <strong>auf</strong>zugreifen? Wie lassen sich weiterhinMenschenrechte oder Geschlechtergerechtigkeit mit den Wurzelnafrikanischer Traditionen vereinbaren und ggf. neu gestalten?Schließlich gilt es einen afrikanisch-europäischen Dialog über dieZukunft der Demokratie zu führen, z.B. über Formen der Rückkopplungder Zivilgesellschaft an politische Systeme hin zurNachhaltigkeitsdemokratie (vgl. das umfassende Konzept vonMohssen Massarrat, Demokratisierung der Demokratie (2003)).Die Veranstaltung wurde gefördert von Inwent gGmbH aus Mittelndes BMZ.9 Mit wesentlicher Unterstützung des Schweizer Agronomen Dr. Rene Haller entstanden10 Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC)11 z.B. die Studie: „ Probleme der Energieversorgung und nachhaltige Entwicklung imsüdlichen <strong>Afrika</strong>“12 Europa wickelt knapp 70% seiner Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt ab, derafrikanische „Binnenmarkt“ beträgt nicht mehr als 15%.13 Hier gilt es auch die „Neue <strong>Partnerschaft</strong> für <strong>Afrika</strong>s Entwicklung (NEPAD)“ für einenachhaltige Entwicklung zu nutzenSeite 29


2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe – wiekann das gehen?>> Dipl. Inf. Veye TatahDie Wiederentdeckung <strong>Afrika</strong>s!ppAls eigenständige und souveräne Länder mit eigenen Interessenund Recht <strong>auf</strong> eigene Meinung?ppAls Spielfeld von westlichen Machtexperimenten?ppAngst vor China, Brasilien und Indien?ppMit neuen Ansätzen in der Entwicklungspolitik zwecks Absicherungdes Zugangs zu RessourcenppKulturelle Vielfalt– Das wäre mit Sicherheit eine Art der Annäherung an die afrikanischeKultur, mit dem Ziel, zu verstehen, was für eine besondereRolle sie in der Gesellschaft und bei der EntwicklungspieltppMit seiner wahren Geschichte?ppWem gehört <strong>Afrika</strong>?Bestands<strong>auf</strong>nahmenppEntwicklungsdilemmata– Von einer historische Perspektive her– Warum wurde eine Grundlage für die Industrialisierung desKontinents von den damaligen Kolonialherren nicht gelegt?ppWurde <strong>Afrika</strong> nicht absichtlich von den Kolonialländern unterentwickelt?– Konzentration von wirtschaftlichen Aktivitäten <strong>auf</strong> den Exportvon natürlichen Ressourcen– Anbau von „Cash Crops“ anstatt Nahrungsmittel für den EigenbedarfppDestabilisierung von afrikanischen Regierungen durch Staatsstreiche– Mit Unterstützung von westlichen Geheimdiensten– Durch IMF und World BankppWarum wurden keine sinnvollen Rahmenbedingungen für einefriedliche und nachhaltige Nationenbildung vor der Unabhängigkeitangelegt?ppWenn man es ernsthaft mit der Entwicklungshilfe meint, warumhat sich die Entwicklung <strong>Afrika</strong>s bis jetzt dadurch nichtdeutlich verbessert?ppUrsache der Entwicklungsdilemmata in <strong>Afrika</strong>– Korruption, politische Instabilität– falsche Beratung von IMF und World BankppAbwertung von afrikanischen Währungen– Interesse und Ausbeutung von natürlichen Ressourcen durchdie multinationalen Firmen– Fehlende demokratische Praktiken– Verschwenderische Ausgaben der Eliten– Andauernde KriegeppWaren die Meinungen der <strong>Afrika</strong>ner und deren Interesse irgendwannmal wichtig für die Industrieländer?– Erst in den Momenten, wenn es um westliche Interessen geht– „Ja-sagende“ afrik. Regierungen, die ihre Nationen an denWesten ausgeliefert haben, <strong>auf</strong>grund von Entwicklungshilfeund Krediten– Wer sich dagegen stellt wird entthront oder durch Wirtschaftssanktionenin die Knie gezwungenppDie Bedrohung Europas durch die wirtschaftliche Entwicklungund Industrialisierung <strong>Afrika</strong>s– Würde <strong>Afrika</strong> selbst produzieren, wo nähme Europa dann dienatürlichen Ressourcen für seine eigene Industrie her?– Wenige Exporte nach <strong>Afrika</strong> bedeuten hohe ArbeitslosigkeitppÜberwiegend Gelder an Sektoren, die keine Wertschöpfung in<strong>Afrika</strong> erzielenppKeine erkennbare Investitionen in InfrastrukturenppKein Technologie-Transfer im Agrarsektor, aber immer bereit,Nahrungsmittel für die Armen zu gebenSeite 30


ppAgrarsubventionen zu Lasten der LänderppKein „Ownership“ von eigenen LösungsansätzenppEPA-AbkommenKann es eine <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe geben?ppAnerkennung des Unrechts an die <strong>Afrika</strong>ner und die Ausbeutungdes KontinentsppFinanzielle WiedergutmachungppGemeinsame Ansätze zur realistischen Darstellung der Geschichte<strong>Afrika</strong>s durch <strong>Afrika</strong>ner und Europäer– Eurozentrische Geschichtsschreibung verfälschte das Bild <strong>Afrika</strong>s– Mittlerweile Revidierung dieser Sicht –jedoch muss dies verstärktunternommen und in die Öffentlichkeit gebracht werden– Widerfindung der historischen Identität und einer Selbstidentifikationüber die eigene Geschichte istppwesentlich für die Entwicklung der Menschen in <strong>Afrika</strong>ppKolonialismus und Imperialismus hat die geistige, kulturelleund Geschichte <strong>Afrika</strong>s getötet– und somit die Würde des Menschen– Gehirnwäsche und Minderwertigkeitskomplexep p– Hass <strong>auf</strong> die eigenen Länder und sich selbstppMentale Revolution und afrikanische Renaissance– Neue Ansätze in der formellen und informellen Bildung– Schwerpunkt <strong>auf</strong> Praktische Ausbildung legenpp<strong>Nachhaltige</strong> Entwicklung– Braucht langfristige Perspektiven, basiert <strong>auf</strong> maximaler lokalerWertschöpfung– Soziale und UmweltentwicklungppWüstenbildung, Abholzungen und Erosion– Traditionelle Demokratie muss in Nationenbildung eingebundenwerden– Traditionelle bewährte Rechtssysteme integrieren– Traditionelle Medizin und die westliche Medizin harmonisierenp p Wem nutzt die Entwicklungshilfe?– den deutschen Unternehmern oder den <strong>Afrika</strong>nern?p p Beendigung von Spendenkampagnen seitens der großen NGOsund gewisser Prominenterp p Verstärkte Forderungen in Bezug <strong>auf</strong> die Rückführung gestohlenerGelder durch Diktatoren und deren Zusammenarbeit mitEuropap p Demokratien SOLLEN Demokratien unterstützen!p p Die Rolle der westlichen Medien– Objektive Berichte über die verschiedenen Akteure, die dieEntwicklung <strong>Afrika</strong>s verhindern– Offenlegung der Rolle von Industrieländern und Unternehmenin der Verarmung des Kontinents– Unterstützung bei der Aufdeckung und Verfolgung von Korruptionsfällenzu Lasten der afrikanischen Bürger– Realistische Darstellung des modernen und traditionellen <strong>Afrika</strong>sSeite 31


2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009DiskussioNSergebnisseIn der Diskussion wurden folgende Fragen/Themen besprochen,die in den zu planenden Vorträgen <strong>auf</strong>gegriffen werden sollen:Ziel des Projektes:ppWas wollen wir mit dem Projekt erreichen?ppWarum wollen wir etwas erreichen?Inhaltliche FragestellungppWas ist nachhaltige Entwicklung?ppWir alle können so nicht weiter machenppWelchen Beitrag können wir von hier leisten?ppUnsere Verantwortung für Eine WeltMethodische HerangehensweiseppWer entscheidet, wie <strong>Afrika</strong> sich entwickelt?ppWas bedeutet „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?“ppDialog von Mensch zu MenschppRegionale Eingrenzung?Konkrete Themen:ppGeschichte <strong>auf</strong>arbeitenppKritik an der EntwicklungshilfeppStädtepartnerschaft Dar es SalaamppSolarkontinentSeite 32


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3. Podiumsdiskussion – 3.11.20093. <strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe?!Anforderungen anWirtschaft und PolitikSeite 34


<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!Anforderungen an Wirtschaft und Politik„Die langanhaltende Verhinderung einerFähigkeiten und Ressourcen <strong>Afrika</strong>s eineeigenständigen Entwicklung – von außendynamische Balance anstrebt?(Industrieländer) aber auch von innen(„Eliten“) – ist das größte Problem Afri-Im Juni 2009 unterzeichnete Hamburgskas“, so Dr. Ulf Skirke vom <strong>Zukunftsrat</strong>zweite Bürgermeisterin Christa GoetschHamburg.die Vereinbarung über eine vertiefte Zu-Wie könnte aber eine <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>sammenarbeit zwischen Hamburg und derAugenhöhe aussehen? Ist es die Anpassungtansanischen Hafenstadt Dar es Salaam.an Wachstumsmodelle westlicher PrägungEin Beispiel für <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augen-oder eher ein Konzept, das <strong>auf</strong> Basis derhöhe? Wir wollen mit Ihnen diskutieren!BegrüßungVeranstaltungsort:Dr. Ulf Skirke (<strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg)Karin Heuer (umdenken Heinrich Böll Stiftung e.V.)Deutsche Zentralbibliothekfür WirtschaftswissenschaftenPodiumsdiskussionChrista Goetsch(Zweite Bürgermeisterin, Präses der Behörde für Schule und Berufsbildung, Hamburg)Bestehende Kooperationen zwischen Hamburgund Dar es Salaam,TansaniaPD Dr. Dr. Ulrich van der Heyden(<strong>Afrika</strong>- und Kolonialhistoriker, Humboldt Universität Berlin)Was kann Hamburg aus der Kolonialgeschichtefür die Zukunft lernen?Klaus von Bismarck(Geschäftsführer AMS Beverage Engineering and Services)Hamburger Unternehmen in OstafrikaProf. Dr. Louis Henri Seukwa(Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, HAW Hamburg)Voraussetzungen für eine nachhaltige<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> AugenhöheNeuer Jungfernstieg 2120354 HamburgAm Dienstag, den3.11.2009um 19.30 UhrPodiumsdiskussionEintritt frei!Gestaltung: mebusplus.deFoto: Photocase.deKurt Hirschler(Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt deutsch-tansanische Kooperationen)Kritische Anmerkungen zum Status Quo dergeplanten StädtepartnerschaftModeration: Anke Butscher(Politikwissenschaftlerin und ehem. Geschäftsführerin EWNW Hamburg)Anschließend Diskussion bis circa 21.30 UhrAnmeldung erbeten bei:<strong>Zukunftsrat</strong> HamburgMittelweg 21 20148 HamburgT 040 / 39 10 97 31info@zukunftsrat.dewww.zukunftsrat.deDieses Projekt wurde gefördert durch:Eine Veranstaltung von:Seite 35


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009GästeDr. Ulrich van der Heyden (Jahrgang 1954) ist<strong>Afrika</strong>- und Kolonialhistoriker sowie Politikwissenschaftlermit dem Schwerpunkt <strong>Afrika</strong>. Er lehrtam Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin undist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Missions- undReligionswissenschaft sowie Ökumenik der Humboldt-Universitätzu Berlin. Van der Heyden studierte Geschichte und Asienwissenschaftenan der Humboldt-Universität Berlin und war von1984 bis 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademieder Wissenschaften der DDR, von 1992-1994 wissenschaftlicherMitarbeiter am Zentrum Moderner Orient und am Seminar für<strong>Afrika</strong>wissenschaften and der Humboldt-Universität Berlin. Erist (Mit-)Herausgeber von vier wissenschaftlichen Buchreihen;zahlreichen Büchern und wissenschaftlichen Beiträgen zur <strong>Afrika</strong>-und Kolonialgeschichte.Karin Heuer (Jahrgang 1954) arbeitet seit1993 für umdenken e.V., das Politische BildungswerkHeinrich-Böll-Stiftung Hamburg, alsReferentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zu -ständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklungund zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sieals Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im BereichMeeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktionder Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftlicheMitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- undReproduktionstechnologie gearbeitet.Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale fürpolitische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND,der Deutsch-Tansanischen-<strong>Partnerschaft</strong> und im <strong>Zukunftsrat</strong>Hamburg.Klaus von Bismarck ist Hamburger Unternehmer und Geschäftsführerder AMS Beverage Engineering and Services. Durch verschiedeneKooperationen vor allem mit ostafrikanischen Länderngilt er als Kenner der arikanischen Wirtschaft.Seite 36


Prof. Dr. Henri Louis Seukwa (Jahrgang1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Erhat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaftder Universität Hamburg promoviert und istseit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der FakultätWirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte WissenschaftenHamburg. Er wurde unter anderem durch sein Buch„Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis von Kompetenzund Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“(2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreisfür Interkulturelle Kompetenz und den Karl-Dietze Wissenschaftspreisausgezeichnet. Am 29. Oktober erhielt Seukwa denHöffmann-Wissenschaftspreises Interkulturelle Kompetenz. Mitdem Preis wurden seine Forschungsleistungen in diesem Gebietgewürdigt.Kurt Hirschler ist freiberuflicher Politikwissenschaftler mitSchwerpunkt deutsch-tanzanische Kooperationsbeziehungenund arbeitet in der politischen und interkulturellen Bildungund Beratung. Die Kooperation zwischen Hamburg und Dar esSalaam hat er mehrere Jahre intensiv begleitet. Die von ihmmitbegründete Tanzania-Koordination Hamburg beschäftigt sichmit folgenden Themen und Projekten: <strong>Partnerschaft</strong>en zwischenOrganisationen in Tanzania und dem Hamburger Raum, wissenschaftlicheForschung, Erneuerbare Energien, Gesundheitspartnerschaft,Schulpartnerschaften, Kirchenpartnerschaften undMedienkooperation.Seite 37


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009Gemeinsame Erklärungüber die Zusammenarbeitzwischen der Freien undHansestadt Hamburgund der Stadt Dar esSalaam (2009-2010)Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Stadt Dar es Salaamhaben mit einer ersten Erklärung am 20. März 2007 ihreZusammenarbeit formal begründet und dabei acht Handlungsfelderausdrücklich benannt. Die Erklärung sollte die Zeit bis Ende2008 erfassen. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburgund der Stadtrat von Dar es Salaam stimmen darin überein, dasssich die Zusammenarbeit bewährt hat und zunächst für die Jahre2009 und 2010 fortgesetzt, erweitert und vertieft werden soll.Sie stellen mit Genugtuung fest, dass sich der Kreis der öffentlichenund nichtstaatlichen Akteure in beiden Städten, die an einerZusammenarbeit <strong>auf</strong> ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld interessiertsind, stark vergrößert hat und bereits ein großes Spektrum desgesellschaftlichen Lebens abbildet.Sie bekräftigen, dass die Zusammenarbeit in der Hauptsachefolgenden Zielen dienen soll:ppVerbesserung der städtischen Dienstleistungen in Dar es Salaamzur Erhöhung der Lebensqualität der BevölkerungppWissensaustausch im Bereich von Forschung und LehreppKulturelle Verständigung und Lernen voneinanderIm Einzelnen vereinbaren Dar es Salaam und Hamburg für dieJahre 2009 und 2010 Folgendes:1. Die Zusammenarbeit umfasst folgende Felder:1.1 Abfallbehandlung (Partner: Stadtreinigung Hamburg /Dar esSalaam City Council, Solid Waste Management): Expertenaustausch;technische und organisatorische Beratung zu den folgendenThemen: Sammlung und Ablagerung von Abfall, Bauund Betrieb einer ordnungs- und zeitgemäßen Deponie fürSiedlungsabfälle, Pilotprojekt zur Erfassung von organischenAbfällen und deren Aufbereitung zu hochwertigem Kompost1.2 Abwasserbehandlung (Partner: Hamburg Wasser /DAWASA Dares Salaam Water and Sewerage Authority sowie TanzanianMinistry of Water and Irrigation): Unterstützung von organisatorischenund k<strong>auf</strong>männischen Prozessen, insbesondere Erstellungvon Finanzplanung, Abrechnungssystem, Controllingund Gebührenerhebungen; Management-Schulungen; Expertenaustausch;technische Unterstützung bei Brunnenbohrungen,Ingenieurplanungen für Wasserwerke, Kläranlagen undNetze1.3 Feuerwehr (Partner: Feuerwehr Hamburg /City Fire BrigadeDepartment of Dar es Salaam): Expertenaustausch; fachlicheBeratung in Belangen der Brandbekämpfung und des vorbeugendenBrandschutzes; Schulung für die Feuerwehr Dar esSalaam.1.4 Hafen und Logistika. (Partner: HPA - Hamburg Port Authority /TPA – Tanzania PortsAuthority): Unterstützung bei der Erstellung eines Konzeptszum Aufbau einer Hafenbahn-Infrastrukturb. (Partner: Uniconsult GmbH, Hamburg, Hamburg Port ConsultGmbH /Tanzania Ports Authority, Port of Dar es Salaam):Angebot von Workshops für tansanische Hafen und Transportexpertenin Hamburg und Dar es Salaam; gemeinsameEntwicklung von Förderkonzepten und -projekten, speziell imSchnittstellenbereich Hafen /Schiene (Hinterlandtransport)1.5 Hochschulen (Partner: HafenCity Universität Hamburg /ARUArdhi University, Dar es Salaam): Wissenschaftlicher Austauschzu Fragen der Stadtplanung, Architektur, des Bau undUmweltingenieurwesens1.6 Museen (Partner: Hamburgisches Museum für Völkerkunde /National Museum of Tanzania): Expertenaustausch; Beratungfür Hamburg hinsichtlich der Präsentation afrikanischer Exponate;Beratung für Dar es Salaam hinsichtlich Museums-ManagementSeite 38


1.7 Jugendarbeit (Partner: Jugendfeuerwehr Hamburg und Kawaidae.V. /City Fire Brigade Department of Dar es Salaam undDogodogo Center): Regelmäßiger Austausch von Jugendlichen,Aufbau einer Internats-Feuerwehr im Dogodogo Center;Ausbildung von Jugendbetreuern für die Jugendarbeit in Dares Salaam1.8 Schulen: Angestrebt werden weitere <strong>Partnerschaft</strong>en zwischenweiterführenden Schulen beider Städte, die der interkulturellenVerständigung und der Bildung für nachhaltigeEntwicklung dienen.1.9 Gesundheitsversorgung (VIMZ – Verein für Internationale MedizinischeZusammenarbeit e.V., Hamburg /Amana Hospital,Dar es Salaam): Erfahrungsaustausch und Beratung in Fragender Gesundheitsversorgung, Austausch von Ärzten und Pflegepersonalzur Weiterbildung, finanzielle Unterstützung beider Verwirklichung ausgewählter Projekte im Amana-Hospital1.10 Erneuerbare Energien (DTP – Deutsch-Tansanische <strong>Partnerschaft</strong>e.V., Hamburg / TASEA – Tanzania Solar Energy Association,Dar es Salaam): Entwicklung und Verbreitung der Nutzung erneuerbarerEnergien, Unterstützung bei Klimaschutzprojektenin Dar es Salaam1.11 Sonderpädagogik (Evangelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg)– Berufliches Training für junge Menschen mit geistiger Behinderung(Partner: Einrichtungen der Evangelic LutheranChurch of Tanzania, Eastern and Coastal Diocese, Dar es Salaam)– Implementierung von Ausbildungsinhalten der Sonderpädagogikin die Ausbildung tansanischer Sozialarbeiter (Partner:Institute of Social Work, Dar es Salaam)1.12. Freiwilligendienstea. Deutsch-Tansanische <strong>Partnerschaft</strong> e.V., Hamburg / TanzaniaSolar Energy Association, Dar es Salaamb. Kawaida - Sozialer Dienst in <strong>Afrika</strong> e.V, Hamburg / CommunityBased Child Care Trust Fund, Dar es Salaam Einrichtunglangfristiger <strong>Partnerschaft</strong>en mit Trägern von Bildungs-, Sozial-und Umweltprojekten in Dar es Salaam im Rahmenbestehender Entsendeprogramme deutscher Freiwilligendienste.Dabei streben die Partner auch die Möglichkeitder Entsendung tansanischer Freiwilliger nach Hamburg(Reverse-Programm) an.1.13. Rotkreuz-Zusammenarbeit (Partner: Deutsches Rotes KreuzLandesverband Hamburg / Tanzanian Red Cross, Dar es Salaambranch): Beratung und Unterstützung beim Auf- und Ausbauvon Rotkreuz-Strukturen in Dar es Salaam; Beratung undmaterielle Unterstützung der im Katastrophenschutz tätigenschnellen Einsatzgruppe des Roten Kreuzes in Dar es Salaam;Patenschaft für einen Kindergarten des Roten Kreuzes in Dares Salaam; Unterstützung eines Landwirtschaftsprojektes zurVerbesserung der Einkommenssituation von HIV-Infiziertenund Aidskranken; Jugendaustauschprogramm2. Beide Städte fördern die genannten Aktivitäten und die AktivitätenDritter (private Organisationen und Initiativen, Religionsgemeinschaften,Wirtschaft, Handwerk, Kunst und Kultur,Medien etc.) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten.Soweit für den Erfolg der Zusammenarbeit die Mitwirkungvon Stellen der jeweiligen nationalen Regierung erforderlichist, werden sich beide Städte um deren Unterstützungbemühen.3. Jede der Städte ernennt eine Person, die mit der Koordinationder Zusammenarbeit be<strong>auf</strong>tragt wird. Dies sind– für Hamburg: Herr Stefan Herms– für Dar es Salaam: N.N.Jede der Städte stattet ihren Koordinator mit den erforderlichenMitteln zur Erfüllung seiner Aufgaben aus (Büromittel,Reisekosten).4. Diese Erklärung gilt für die Jahre 2009 und 2010. Spätestensim Juni 2010 treten die beiden Koordinatoren miteinander inVerbindung, um zu erörtern, wie die Zusammenarbeit fortgeführtwerden soll.5. Beide Städte werden ihre jeweilige gewählte Volksvertretung(Hamburgische Bürgerschaft, Dar es Salaam City Council)über den Stand der Zusammenarbeit in Kenntnis setzen.Dar es Salaam, den 12. Juni 2009Adam O. KimbisaBürgermeister derStadt Dar es SalaamChrista GoetschZweite Bürgermeisterin derFreien und Hansestadt HamburgSeite 39


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009Was kann Hamburgaus der Kolonialgeschichtelernen?>> Dr. Ulrich van der HeydenAls Politikwissenschaftler und vor allem als Historiker frage ichmich immer, wenn es um eine Fragestellung zu vergangenenüberseeischen Beziehungen geht, <strong>auf</strong> welchen Grundlagen solcheBeziehungen, etwa zwischen Europa und <strong>Afrika</strong>, fundamentiertsind. In diesem heute hier zu diskutierenden Falle zwischender Hansestadt Hamburg und der tansanischen Hauptstadt Dares Salaam. Und bei solchem Nachdenken stößt man <strong>auf</strong> interessanteund zum Teil schockierende historische Zusammenhänge.Denn Deutschland gehörte zu denjenigen europäischen Kolonialmächten,die seit der sogenannten Berliner Kongo-Konferenz von1884/85 den afrikanischen Kontinent unter sich <strong>auf</strong>teilten. Eineder vier zu Deutschland gehörenden afrikanischen Kolonien wardas damalige Deutsch-Ostafrika, welches hauptsächlich aus demheutigen Staat Tansania bestand.Aufgrund dieser kolonialen Beziehungen, die im höchstenMaße ungleiche waren, erwächst für uns heute in DeutschlandLebende eine besondere Verpflichtung. Auf einige dieser historischenEreignisse, die uns eine besondere moralische Verantwortung<strong>auf</strong>erlegen, gehört der <strong>auf</strong>geklärte, kritische und dennochzukunftsorientierte Blick <strong>auf</strong> die zuweilen Jahrhunderte alten Beziehungenzweier mehr oder minder homogener Völkerschaftenund ihrer politischen Führungen einer bestimmten Region.In diesem Sinne hätte fast jede Kommune in Deutschland, beigenauer historischer Recherche, solche besonderen Beziehungennach Übersee <strong>auf</strong>zuarbeiten und sich damit auseinanderzusetzen.1 Aber kaum eine andere Stadt in Deutschland hat solch intensiveKontakte zu <strong>Afrika</strong> und demzufolge zur Kolonialdiktatur<strong>auf</strong> dem afrikanischen Kontinent, wie die Hansestadt Hamburg.Diese besonderen Beziehungen ergeben sich vor allem daraus,dass Hamburg eine Hafenstadt ist; von hier aus wurde schon1 Vgl. van der Heyden, Ulrich/Zeller, Joachim (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande. EineSpurensuche in Deutschland, Erfurt 2007.recht frühzeitig Überseehandel betrieben. 2 Schon vor Beginn derdirekten deutschen Kolonialherrschaft in <strong>Afrika</strong> 1884/85 gab esKontakte zum „schwarzen Nachbarkontinent“. Auf einige, wenigesolcher Beziehungen möchte ich hinweisen.So gehörten die Hamburger K<strong>auf</strong>leute zu den größten Profiteurendes transatlantischen Sklavenhandels in Deutschland. Ichnenne nur die Firma Schimmelmann, über die in der Vergangenheiteinige wichtige Forschungsergebnisse vorgelegt wurden.Auch an dem Handel mit Öl und Gewürzen aus der Fremde hattenHamburger K<strong>auf</strong>leute immer großes Interesse und erwirtschaftetennicht unbedeutende Profite.Viele eingehende Informationen über diese „kolonialen Beziehungen“zwischen Hamburg und Übersee vermittelt eine interessantevon Heiko Möhle herausgegebene Broschüre 3 , die ich allenInteressierten empfehlen möchte.In der Zeit der direkten deutschen Kolonialherrschaft profitierteHamburg in herausgehobenem Maße vom kolonialen Handel unddemzufolge vom deutschen Kolonialismus. Der Hamburger Hafenwar der größte Umschlagplatz für Kolonialwaren. Von Hamburgaus organisierte zunächst der Tierparkbesitzer Carl Hagenbeckdie verabscheuungswürdigen Völkerschauen. 4 Hamburg war auchein herausragender Ort der Entstehung sogenannter Kolonialwissenschaften,wovon die Gründung des Kolonialinstituts 5 imJahre 1908 Zeugnis ablegt; auch andere Wissenschaftsdisziplinenhatten ihren Ursprung während der Zeit des Kolonialismus, wie2 Vgl. Plagemann, Volker (Hrsg.): Übersee. Seefahrt und Seemacht im deutschenKaiserreich, München 1988.3 Vgl. Möhle, Heiko (Hrsg.): Bibeln, Branntwein und Bananen. Der deutsche Kolonialismusin <strong>Afrika</strong>. Eine Spurensuche in Hamburg, Hamburg 1999.4 Vgl. Thode-Aurora, Hilke: Für 50 Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen,Frankfurt am Main/New York 1989.5 Vgl. Ruppenthal, Jens: Das Hamburgische Kolonialinstitut als verdeckter Erinnerungsort,in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 161-165.Seite 40


eispielsweise die <strong>Afrika</strong>nistik 6 oder die Tropenmedizin. Nicht unbedeutendist auch die Tatsache, dass an der Hamburger Universitätim Jahre 1911 die erste Professur für Kolonialrecht an einerdeutschen Hochschule eingerichtet wurde. 7Im Hamburger Straßenbild finden sich heute noch viele Zeugnisseaus der kolonialen Vergangenheit. Ich erinnere nur an densogenannten Tansania-Park 8 , an Straßennamen und sonstigesteinerne Erinnerungsorte, die sich in Denkmälern und in der Architekturmanifestieren.Aber Hamburg war – auch dies sollte nicht vergessen werden– ebenso eines der Zentren des Widerstandes gegen den Kolonialismus.Ich verweise nur <strong>auf</strong> das hier vorhandene Büro des„Internationalen Komitees der Negerarbeiter“.Außerdem ist Hamburg wohl eine jener deutschen Städte, inder die afrikanische Diaspora wohl am vehementesten bis in dieheutigen Tage angewachsen ist. 9 In Hamburg wurde im Jahre1967 zum ersten Mal in Deutschland ein koloniales Denkmal gestürzt,das Wissmann-Denkmal vor der Hamburger Universität. 10Wenn die Stadt Hamburg vor diesem historischen Hintergrundeine neue, gleichberechtigte Beziehung zu einer Partnerstadt in<strong>Afrika</strong> anstrebt, die auch noch zu den exponierten Kolonialstädtendes deutschen Kolonialreichen gehört, 11 sollten sich die Akteureder ungleichen Beziehungen zwischen Deutschland und <strong>Afrika</strong> inden vergangenen Jahrhunderten bewusst sein. Denn dies warenalles andere als freundschaftliche oder partnerschaftliche Kontakte.Allein während des Maji-Maji-Krieges töteten im Jahre 1907die deutschen Kolonialtruppen etwa 120 000 <strong>Afrika</strong>ner in Ostafrika.12 Nicht unerwähnt sollte die unwürdige Geschichte über denabgeschlagenen Kopf des Häuptling Kwawa sein, der jahrzehntelangin einem westdeutschen Museum <strong>auf</strong>bewahrt wurde, bevorer Ende der 1950er Jahre nach Tansania zurückgeführt wurde. 13Auch außerhalb der Zeiten, in denen völkermordähnliche Exzessevon den Deutschen verübt wurden, herrschten die deutschenKolonialherren in den von ihnen beanspruchten Herrschaftsgebietenmit Gewehr und Peitsche. 14 Dieser Traditionensollten sich alle Deutschen, die gedenken, in Tansania Handel zutreiben oder die dort eine partnerschaftliche Zusammenarbeit su-6 Vgl. Meyer-Bahlberg, Hilke/Wolff, Ekkehard (Hrsg.): <strong>Afrika</strong>nische Sprachen inForschung und Lehre. 75 Jahre <strong>Afrika</strong>nistik in Hamburg (1909-1984), Berlin/Hamburg1986.7 Vgl. Sippel, Harald: Hamburg. Koloniale Rechtsforschung im Deutschen Reich, in: vander Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 166-170.8 Vgl. Möhle, Heiko: Hamburg-Jerfeld. Von der Traditionspflege zum postkolonialenErinnerungsort? Der „Tansania-Park“ in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne, in:van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 275-280.9 Vgl. Dettmar, Erika: Rassismus, Vorurteile, Kommunikation. <strong>Afrika</strong>nisch-europäischeBegegnung in Hamburg, Berlin/Hamburg 1989.10 Vgl. Uhlmann, Gordon: Das Hamburger Wissmann-Denkmal. Von der kolonialen Weihestättezum postkolonialen Debatten-Mahnmal, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.):Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 281-285.11 Vgl. Becher, Jürgen: Dar-es-Salaam, Tanga und Tabora. Stadtentwicklung in Tansaniaunter deutscher Kolonialherrschaft (1885-1914) (=Missionsgeschichtliches Archiv, Bd. 3),Stuttgart 1997.12 Vgl. Becker, Felicitas/Beez, Jigal (Hrsg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika1905-1907, Berlin 2005.13 Vgl. Baer, Martin/Schröter, Olaf: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika. Spuren kolonialerHerrschaft, Berlin 2001.14 Vgl. Müller, Fritz-Ferdinand: Kolonien unter der Peitsche. Eine Dokumentation,Berlin 1962.chen, bewusst sein. Wir können nicht über solche Grausamkeitender Vergangenheit einfach hinweggehen, solange die Wundennicht vernarbt sind.Nun können wir Deutsche uns nicht pausenlos Asche <strong>auf</strong>sHaupt streuen, aber wir heutige Lebenden sollten uns <strong>auf</strong>grundder Handlungen unserer Altvordern unserer moralischen Verantwortungbewusst sein.Was kann man diesbezüglich vor allem von der historischenWissenschaft erwarten?Zum einen geht es um die wissenschaftliche Aufarbeitung desKolonialismus in <strong>Afrika</strong>, seiner bis in die Gegenwart andauerndenFolgen und der kolonialen Beziehungen zwischen Deutschlandund seinen afrikanischen Kolonie. Da ist zunächst einigesBeachtliches zu Zeiten der DDR im Ostteil Deutschlands 15 sowiein den vergangenen zwei Jahrzehnten im vereinten Deutschlandgeschehen. Die Aufarbeitung der Geschichte des Kolonialismusist bei Weitem noch nicht abgeschlossen.Des Weiteren sollten, und dies ist bisweilen viel zu wenig geschehen,die in den deutschen Archiven lagernden historischenQuellen den betroffenen afrikanischen Staaten zugänglich gemachtwerden. Das heißt nicht, dass ganze Archivbestände nach<strong>Afrika</strong> transportiert werden sollen, sondern ich meine vielmehrdass relevante Akten in Kopie ihren Weg in die nationalen Archiveder ehemaligen Kolonien finden sollten. Entsprechende Absichtserklärungensind zwischen Politikern ausgetauscht, aber kaum indie Praxis umgesetzt worden. Lediglich einige kirchliche Institutionenhaben sich ihrer Verantwortung für die Vergangenheit gestelltund haben afrikanischen Staaten in Kopien relevante Aktenzur Auswertung zur Verfügung gestellt.Da die Editionen von Archivdokumenten ein recht kosten<strong>auf</strong>wändigesUnternehmen ist, könnten z. B. <strong>auf</strong> diesem GebietWirtschaft und Wissenschaft in Deutschland zusammenarbeiten.Denn eine Dokumentenpublikation beispielsweise, die den <strong>Afrika</strong>nernetwa bei der Identitätsfindung und -stärkung behilflich istoder hilft, Landgerechtigkeit herzustellen, könnte auch „Türöffner“für Handelsgeschäfte sein.Es geht mir also darum <strong>auf</strong>zuzeigen, dass wir uns bei jederForm der Ausgestaltung von Beziehungen bewusst sein müssen,<strong>auf</strong> welchen konkreten historischen Grundlagen neue, selbstverständlichpositiv zu sehende <strong>Partnerschaft</strong>en zu errichten sind. Esgilt genau zu prüfen, ob es historische Fundamente gibt, <strong>auf</strong> dieman <strong>auf</strong>bauen kann, oder ob es solche sind, die man lieber alsGedenkstätte nutzen sollte. Andere Fundamente oder Mauerrestesollte man ein für alle Male beseitigen.In diesem Sinne hoffe ich, dass sich alle Akteure bei der Ausgestaltungder <strong>Partnerschaft</strong> zwischen Hamburg und Dar es Salaamnicht zuletzt ihrer aus der Vergangenheit übernommenen Verantwortungbewusst sind.15 Vgl. van der Heyden, Ulrich: Tansania in der DDR-Wissenschaft. Eine paradigmatischeUntersuchung der <strong>Afrika</strong>- und Kolonialgeschichtsschreibung in der DDR, in: ders./Benger, Franziska: Kalter Krieg in Ostafrika. Die Beziehungen der DDR zu Sansibar undTansania (=Die DDR und die Dritte Welt, Bd. 8), Berlin 2009, S. 149-168.Seite 41


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009Voraussetzungenfür eine nachhaltige<strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe>> Prof. Dr. Henri Louis SeukwaFakultät für Wirtschaft und Soziales der HAW HamburgSehr geehrte Damen und Herren,ich wurde gebeten, maximal 10 Minuten die Voraussetzungenfür eine nachhaltige <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe zu erörtern.Da Gegenstand und Form einer <strong>Partnerschaft</strong> vielfältig sind (wieLiebesbeziehungen, Wirtschaftsbeziehungen, etc.) werde ichmich hier vom Titel der Veranstaltung ausgehend ausschließlichmit den Voraussetzungen für eine nachhaltige <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe bezogen <strong>auf</strong> den hier postulierten Partner „<strong>Afrika</strong>“beschränken.Dabei möchte ich den Begriff <strong>Partnerschaft</strong> als zentrale Kategoriedes Titels ernst nehmen um mich an die Aufgabe heranzutasten.0) Was ist eine <strong>Partnerschaft</strong>?Eine <strong>Partnerschaft</strong> kann im weiteren Sinne als eine gleichwertigeGemeinschaften von Menschen oder auch Gruppen – seien siepolitischer, sozialer, ökonomischer oder religiöser Natur – verstandenwerden, die sich zur Vertretung gemeinsamer oder eigenerInteressen freiwillig zusammenschließen.Ausgehend von dieser Definition können wir zwei Hauptcharakteristikader <strong>Partnerschaft</strong> erkennen, die zugleich als notwendigeVoraussetzungen für eine <strong>Partnerschaft</strong> gelten, nämlich:a. Die Freiwilligkeit und Autonomie in der Entscheidung eine<strong>Partnerschaft</strong> einzugehen oder nichtb. Die Gleichwertigkeit der involvierten Partner, d.h. die symmetrische,also gegenseitige, Wertschätzung basierend <strong>auf</strong>der Qualität und Quantität des Beitrags des jeweiligen Partners,um aus der <strong>Partnerschaft</strong> einen Mehrwert zu erzielen,der von dem einzelnen Partner nicht oder nur schwer erreichtwerden kann.Diese Charakteristika der <strong>Partnerschaft</strong> weisen dar<strong>auf</strong> hin, dasseine <strong>Partnerschaft</strong> per Definition grundsätzlich immer <strong>auf</strong> Augenhöhestattfindet, denn sie ist ein Zweckbündnis, um Schwächedurch ein gegenseitiges Geben und Nehmen zu kompensierensowie Stärke zu optimieren, was die Erkennung und Anerkennungsolcher Schwäche und Stärke bei jedem der involviertenPartner voraussetzt.1) Verräterische oder programmatische Tautologie?Von diesem Standpunkt aus ist die Formulierung „<strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung tautologisch, d.h. eineüberflüssige Wiederholung. Diese Wiederholung scheint mir jedochin einem Zusammenhang, in dem es um die <strong>Partnerschaft</strong>zwischen Deutschland und <strong>Afrika</strong> geht, bedeutungsvoll zu sein.Anders formuliert ist die Wiederholung hier ein Indiz dafür, dasses zwischen beiden Protagonisten <strong>Partnerschaft</strong>en gab und gibt,die nicht <strong>auf</strong> Augenhöhe stattfinden. Der Titel der Veranstaltungist in dieser Hinsicht verräterisch, die Wiederholung „<strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe“ kann hier aber auch als programmatisch betrachtetwerden; nämlich als ein Wunsch, künftig partnerschaftlich mit„<strong>Afrika</strong>“ umzugehen. Wie man auch die Tautologie „<strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung interpretiert, als verräterischoder als programmatisch, gilt es in jedem Fall festzuhalten,dass bezogen <strong>auf</strong> „<strong>Afrika</strong>“ eine <strong>Partnerschaft</strong> mit Deutschlandim besten Fall eine Wunschvorstellung ist.2) Das ProblemWarum nun ist eine <strong>Partnerschaft</strong>, wie eben definiert, zwischenDeutschland und „<strong>Afrika</strong>“ schwer vorstellbar?a) Aufgrund einer problematischen begrifflichen Homogenisierung<strong>Afrika</strong>s mit praktischen Folgen.<strong>Afrika</strong> geographisch, politisch, soziologisch und kulturell betrachtetist ein immenser, vielfältiger und komplexer Kontinent.„<strong>Afrika</strong>“ wird jedoch in unserem SprachgebrauchSeite 42


pauschal, homogenisiert verwendet; was nicht nur ein Ausdruckvon Ignoranz ist, sondern vielmehr ein hegemonialerAnspruch, besser eine Mischung vor dem Hintergrund einerGeschichte, nämlich der Kolonialgeschichte. Denn von Kairobis Kapstadt, von der Kalahariwüste bis zum äquatorialen Regenwald– was <strong>Afrika</strong> gemeinsam ist, ist seine Kolonisierbarkeit.<strong>Afrika</strong> bildet in dieser Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaftvon Besiegten und Verlierern in einer entscheidendenhistorischen Begegnung mit den Europäern. Diese Tatsacheermöglicht und befugt heute noch die Sieger, die Besiegtenunter den Allgemeinbegriff „<strong>Afrika</strong>“ zu subsumieren und mitihnen entsprechend umzugehen; d.h. je nach Interessenslagemit mehr oder weniger Arroganz und Missachtung oder mitPaternalismus, Gnade und Helferattitüde des Siegers.b) Aufgrund der postkolonialen Gouvernementalität.Wenn wir jetzt vor diesem Hintergrund unseren Blick nach<strong>Afrika</strong> wenden, dann ist festzustellen, dass wir dort politisch,ökonomisch uns strukturell in den meisten Ländern mit postkolonialenVerhältnissen zu tun haben. Dies sind Verhältnisse,die knapp formuliert durch eine chaotische Pluralität und nahezuanomische Zustände gekennzeichnet und so für keineder schon erwähnten Bedingungen für eine <strong>Partnerschaft</strong>günstig sind; denn werden die Bedingungen für Bürgerfreiheitund gesellschaftliche Partizipation, noch die Grundlagefür eine Autonomie im Sinne von politisch, ökonomisch undkulturell selbstständigen Staaten, die etwas Wertvolles undBegehrbares in einer <strong>Partnerschaft</strong> anbieten können, werdendadurch gefördert.Die Geschichte lehrt uns, dass es in den internationalen Beziehungennicht um Hilfe, Philanthropie und anderes geht, sondernum eigenen Interessen, die die Mächtigsten bekanntlichrücksichtslos zu vertreten vermögen. In diesem Zusammenhangstellt sich die Frage, welches Interesse Europa an einer <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe als Instrument zur Beendigung des Elendsin <strong>Afrika</strong> haben kann. Allein die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektivescheint mir ein realistischer Ausweg aus derLogik des Egoismus einzelner mächtiger Staaten oder Staatsgemeinschaftenzu sein. Denn viele lokal <strong>auf</strong>tretende Problemewie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel, Terrorismus, etc. sindglobal verursacht , und ihre nachhaltige Bewältigung ist auch nurglobal möglich. Mit anderen Worten sitzt die Menschheit in einemBoot <strong>auf</strong> stürmischer See. Die Mächtigen mögen sich zurzeitnoch sicher fühlen, weil sie sich <strong>auf</strong> der Brücke <strong>auf</strong>halten. Sinktdas Schiff, sind jedoch alle gleichermaßen verloren. Das Nachhaltigkeitsgebotlautet also: Wir werden gemeinsam die globalenProbleme bewältigen oder egoistisch individuell sterben.3) Was bleibt?Was bleibt sind asymmetrische Beziehungen, in der Gestalt einesmerkwürdigen und moralisch verwerflichen Arrangementszwischen den europäischen Siegern und den afrikanischen postkolonialenPotentaten mit Segnung der internationalen Organisationen,wobei <strong>Partnerschaft</strong> mit der so genannten „Entwicklungshilfe“implizit oder explizit gleichgesetzt wird.Diese Gleichsetzung ist eine begriffliche Täuschung mit verheerendenpraktischen Folgen für die arme Bevölkerung in vielenafrikanischen Ländern, deren Verarmung und strukturelle Abhängigkeitdadurch vorangetrieben wird. Die Gewinner sind – wie diezirka 50-jährige Geschichte solcher „Entwicklungspartnerschaften“mit <strong>Afrika</strong> uns zeigt – die postkolonialen afrikanischen Potentatenund die europäischen Partner. Die Talmi-Tyrannen <strong>Afrika</strong>s könnensich dadurch ihrer Verpflichtung, endogene Lösungen zum Wohlder eigenen Bevölkerung zu finden, entziehen und ihre Staatensomit in Bettlerstaaten verwandeln. Im gleiche Zug sichern dieafrikanischen Machthaben dem europäischen Partner – sei dieserin Gestalt von klassischen Entwicklungshilfeorganisationen,der Politik oder Wirtschaftskonzernen – unter dem Deckmantelder Entwicklungszusammenarbeit den Zugang zu wichtigen natürlichenund strategischen Ressourcen in ihren Ländern und erk<strong>auf</strong>ensich dadurch auch mächtige Verbündete, die fortan zurSicherung der eigenen Wirtschaftsinteressen großes Interesse amMachterhalt der afrikanischen Interessensvertreter haben.Seite 43


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009Kritische Anmerkungenzum Status Quoder geplantenStädtepartnerschaft>> Kurt HirschlerMoin Moin und Guten Abend!Es beruhigt mich, dass ich nicht der Einzige bin, der Schwierigkeitenmit dem Begriff der „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ hat.Ich frage mich auch, was eigentlich der Unterschied ist zwischeneiner Städtepartnerschaft, wie Hamburg sie mit Chicago oderMarseille unterhält und einer Städtepartnerschaft <strong>auf</strong> Augenhöhe,wie sie nun mit Dar es Salaam beabsichtigt ist. Ich denke,der Unterschied liegt weniger im Charakter der <strong>Partnerschaft</strong>,sondern er hat etwas mit der jeweiligen Stadt zu tun, mit derdie <strong>Partnerschaft</strong> angestrebt wird. Das heisst, eigentlich wenigermit der jeweiligen Stadt selbst, sondern vielmehr mit unsererWahrnehmung dieser Stadt - und unserer Wahrnehmung des Verhältnissesder Stadt zu Hamburg. Und ich möchte wetten, wennHamburgs neue Partnerstadt in Nordamerika oder Europa läge– niemand käme <strong>auf</strong> die Idee, von einer „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“zu sprechen; es wäre selbstverständlich. Denn in einer<strong>Partnerschaft</strong> begegnet man sich „<strong>auf</strong> Augenhöhe“. Dass man beider Beziehung zu Dar es Salaam die „Augenhöhe“ so sehr betont,weist dar<strong>auf</strong> hin, dass man es eben nicht für selbstverständlichhält; dass man hier in Hamburg die beiden Städte und die Menschenbeider Städte offensichtlich NICHT <strong>auf</strong> gleicher Augenhöhewähnt.Es ist in der Tat in Deutschland weit verbreitet, <strong>Afrika</strong>, <strong>Afrika</strong>nerinnenund <strong>Afrika</strong>nern die ‚Augenhöhe‘ abzusprechen; Manblickt hierzulande nur zu schnell <strong>auf</strong> <strong>Afrika</strong> herunter – undfolgt dabei einigen typischen, sich wiederholenden Mustern:„Die langanhaltende Verhinderung einer eigenständigen Entwicklung[...] ist das größte Problem <strong>Afrika</strong>s“ – vielleicht habenSie das Zitat erkannt; Es stammt aus der Einladung zu dieserVeranstaltung. Wenn in Deutschland allgemein über <strong>Afrika</strong> gesprochenwird, findet meist eine Reduzierung <strong>auf</strong> „Armut“ undvermeintliche oder tatsächliche „Unterentwicklung“ statt. Auchhier – und das ist ja kein Kongress von Entwicklungsfachleuten,sondern eine Veranstaltung zum Thema <strong>Partnerschaft</strong> – „<strong>auf</strong> Augenhöhe“!– wird der Fokus sofort und ausschließlich <strong>auf</strong> ausbleibende„Entwicklung“ und „Probleme“ gelenkt. Hier wird sogarsoweit gegangen, ganz <strong>Afrika</strong> eine „eigenständige Entwicklung“abzusprechen! Was für ein Unsinn. Man muss sich nur mal Hamburgszukünftige Partnerstadt Dar es Salaam ansehen. Dieseausgesprochen dynamische Metropole hat sich allein in den vergangenenacht, zehn Jahren enorm verändert, „entwickelt“. Dasmögen Entwicklungen sein, die man aus europäischen Blickwinkelnnicht erkennt oder nicht gelten lassen will – weil sie unserenVorstellungen von „Entwicklung“ nicht entsprechen; ebenWEIL es eigenständige Entwicklungen sind. Aber auch das ist eineverbreitete Wahrnehmung: In dem Zitat wird implizit behauptet,ganz <strong>Afrika</strong> ließe sich unter einem „größten Problem“ subsumieren.Egal ob nun Eritrea oder Botswana; Mali oder Burundi – eineDifferenzierung scheint nicht notwendig. Dieser große und komplexeKontinent wird meist behandelt, als sei es ein einziges,zudem zurückgebliebenes, in erster Linie problematisches Land.Und noch eines fällt bei dem Zitat <strong>auf</strong>: Es geht ja eigentlich umPARTNERSCHAFT „mit <strong>Afrika</strong>“ (auch wenn Hamburg wohl kaummit ganz <strong>Afrika</strong> kooperieren will und kann). Man zeigt <strong>auf</strong> dasObjekt der Begierde und stellt fest: „keine Entwicklung!“, „Probleme!“.Und in den anschließenden Fragen der Einladung wirddeutlich, worum es geht: Um die Frage, wie sich „<strong>Afrika</strong>“ entwickelnund verändern muss.Aber eine <strong>Partnerschaft</strong> ist ein gegenseitiger Prozess und setztauch die Reflexion über sich selbst voraus. Und bekanntlich zeigendrei Finger <strong>auf</strong> einen selbst zurück, wenn man mit einemFinger <strong>auf</strong> die anderen zeigt. Und diese drei Finger sollten wirdazu nutzen, nicht immer nur fordernd zu fragen, was <strong>Afrika</strong>, wasdie <strong>Afrika</strong>nerinnen und <strong>Afrika</strong>ner zu leisten haben, sondern unsSeite 44


selbst zu hinterfragen: Haben WIR vielleicht ein Problem? Warumwähnen wir <strong>Afrika</strong>, <strong>Afrika</strong>nerinnen und <strong>Afrika</strong>ner nicht <strong>auf</strong> einerAugenhöhe, als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner? Warummeinen wir immer, <strong>Afrika</strong> helfen, retten, verändern, entwickelnzu müssen? Im Übrigen: JEDE partnerschaftliche Beziehungsetzt ein gewisses Maß an Selbstreflexion voraus! Die Frage, obHamburgs Beziehung zu Dar es Salaam den Anforderungen aneine „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ erfüllt, ist so einfach nicht zubeantworten. Das liegt auch daran, dass zwar in den etwa fünfJahren, in denen Hamburg nun intensivere Kontakte zu Dar es Salaamunterhält, ständig von der „Augenhöhe“ geredet wird – abereine Diskussion, was man darunter verstehen soll, wurde nie geführt;Ansätze für eine solche Diskussion wurden teilweise sogarexplizit blockiert. Und ich habe im L<strong>auf</strong>e der Jahre den Eindruckgewonnen, dass jede und jeder der Beteiligten ganz unterschiedlicheVorstellungen davon hat, was mit dieser „Augenhöhe“ nuneigentlich gemeint ist.<strong>Partnerschaft</strong> oder Entwicklungszusammenarbeit?Daher bin ich den beiden Organisationen, die diesen Abendveranstalten auch sehr dankbar, dass sie diese Diskussion anregenund ermöglichen! Doch sehen wir uns die Beziehung zwischenden beiden Städten einmal genauer an. Dazu möchte ichzwei Ebenen unterscheiden: Die Ebene der zuerst acht und mittlerweile14 konkreten Kooperationsfelder und die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘,das beim Senat als Träger der Kooperation Hamburg– Dar es Salaam angesiedelt ist.Von den 14 Kooperationsfeldern scheinen mir vier tatsächlichpartnerschaftlich <strong>auf</strong>gestellt zu sein. Hier scheint eine Balancevon ‚Geben‘ und ‚Nehmen‘ gegeben zu sein. Ein partnerschaftlicherAustausch ebenso wie ein gleichberechtigtes, respektvollesMiteinander ist zumindest angestrebt. Ein weiterer Kooperationsbereichist zwar grundsätzlich asymmetrisch ausgerichtet, hataber das Potential, dennoch Begegnungen <strong>auf</strong> „gleicher Augenhöhe“zu ermöglichen. Ob das geschieht, wird davon abhängen,wie die Beteiligten die Vorhaben umsetzen. Die verbleibendenneun Kooperationsfelder – und das sind etwa 2/3 der Kooperationsfelder- sind klassische Geber-Nehmer-Beziehungen, in denenHamburg „berät“, „unterstützt“, „schult“, „<strong>auf</strong>baut“, „ausbildet“, undeine „Patenschaft“ übernimmt. Benefizveranstaltungen l<strong>auf</strong>en an,Spendenkonten sind eingerichtet. Man fragt sich manchmal wirklich,wie Dar es Salaam nur all die Jahre existieren konnte, bevorsich das Füllhorn der Hamburgischen Wohltaten über der Stadtausschüttete.Ich will das aber nicht grundsätzlich schlecht machen. Da istviel persönliches Engagement dabei und viel guter Wille. Aberleider mangelt es oft an den spezifischen Kenntnissen der Nord-Süd-Kooperation und es ist auch eine ganze Menge neomissionarischerGeist dabei: Man will wieder Fortschritt und Entwicklungnach <strong>Afrika</strong> tragen! Manches davon mögen sogar sinnvolle Projekteder Entwicklungszusammenarbeit sein. Dann ist es jedochEntwicklungszusammenarbeit – und definitiv keine <strong>Partnerschaft</strong>!Was die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘ angeht, kann man verschiedeneAspekte betrachten. Ich möchte drei hervorheben. Zumeinen, wie die Kooperation mit Dar es Salaam der Öffentlichkeitgegenüber kommuniziert wird. Da lässt sich feststellen: Sie wirdkaum kommuniziert. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, eine Informationspolitik,die der Bevölkerung die neue Kooperation vorstelltund für sie wirbt, gibt es nicht. Wenn man etwas erfahrenmöchte, muss man sich an das halten, was hin und wieder beibesonderen Anlässen in der Presse steht. Der letzte solche Anlasswar die Delegationsreise der zweiten Bürgermeisterin nach Dares Salaam im Juni dieses Jahres. Ich habe mir die Presseberichterstattungvon dieser Reise sehr genau angesehen und ich habeein Zitat gefunden, das den Tenor der Berichterstattung über denCharakter dieser angepeilten „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“ sehrgut wiedergibt. In einer der Hamburger Zeitungen heißt es: „FürChrista Goetsch (GAL) war es nur eine Unterschrift. Für Dar es SalaamsBürgermeister Adam O. Kimbisa dagegen ein Meilenstein<strong>auf</strong> dem Weg in eine bessere Zukunft!“Ein zweiter Aspekt betrifft die Form der Zusammenarbeit mitdem direkten Kooperationspartner, dem Dar es Salaam City Council.Leider ist die Zweite Bürgermeisterin erkrankt und kann deswegenheute hierzu keine näheren Auskünfte geben. So kannich hier nur meine – unbestätigten – Eindrücke wiedergeben. Ichmeine, dass zu einem partnerschaftlichen Ansatz auch gehörenwürde, dass die zentralen Dokumente gemeinsam mit der Partnerinstitutionausgearbeitet würden. Wie gesagt, ich habe keineeindeutigen Informationen, aber den Eindruck, dass die beidenbisherigen Kooperationsvereinbarungen hier in Hamburg geschriebenund übersetzt wurden und dann allenfalls den ‚Partnern‘in Dar es Salaam zur Kommentierung vorgelegt wurden.Und ich fürchte, dass es im nächsten Jahr mit der Städtepartnerschaftsvereinbarungnicht viel anders l<strong>auf</strong>en wird. Ausrichtungund Tempo, Gegenstände und Inhalte der Kooperation scheinenmir von Hamburg vorgegeben zu werden; einen kontinuierlichenDialog mit den Partnern in Dar es Salaam kann ich nicht erkennen.Keine Einbeziehung der FachöffentlichkeitZu einer partnerschaftlichen Beziehung gehört für mich auchein partnerschaftlicher Umgang mit der interessierten Fachöffentlichkeitin Hamburg. In Hamburg gibt es eine überschaubare,kompetente und kooperationsbereite Fachöffentlichkeit. BedauerlicherWeise wird dieses Potential von Seiten der Stadt kaumgenutzt; Allenfalls holt man sich dann und wann ein paar Informationen– aber eine kontinuierliche Information, Konsultationund Kooperation – ein Dialog mit der Fachöffentlichkeit – findetleider nicht statt.Zusammengefasst lässt sich also eine deutliche Diskrepanzzwischen den verbalen Beteuerungen einer „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe“ und dem tatsächlichen Vorgehen feststellen. Wielässt sich diese Diskrepanz <strong>auf</strong>lösen? Grundsätzlich in zwei Richtungen.Entweder man passt den Anspruch dem Handeln an oderumgekehrt das Handeln dem Anspruch. Im ersten Falle könnteman sich die Sonntagsworte von der „<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe“sparen und ehrlicher Weise das Ding als das benennenwas es in der Realität ist: Eine Wohltätigkeitsveranstaltung für Dares Salaam. Dann sollte man es auch nicht „Städtepartnerschaft“Seite 45


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009nennen, sondern vielleicht „Aktion Hamburg hilft Dar es Salaam– Auf Augenhöhe!“ Das wäre das einfachste. Und es wäre ehrlich.Weitaus schwieriger wäre der Versuch, das Handeln dem Anspruchanzunähern. Es ist auch deswegen schwieriger, weil schonsehr viel Zeit verloren wurde und sich in den KooperationsbeziehungenDenkweisen, Erwartungen und Verhaltensmuster verfestigthaben, die nur sehr schwer zu beeinflussen sein werden.Zumal sie mit dem zweiten Kooperationsabkommen erneut bestätigtwurden.Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste vor allemdas einsetzen, wofür eine der Veranstalterinnen des heutigenAbends wirbt: UMDENKEN! Dieses Umdenken setzt jedoch Einsichtund politischen Willen voraus. Umdenken und danach dasUmsteuern muss man aktiv organisieren und gestalten und ichsehe hier in erster Linie die Stadt Hamburg als Trägerin der Kooperationmit Dar es Salaam in der Verantwortung.Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste man inallen drei Aspekten von Politik umdenken: Policy – also den Inhalten,Politics – den Verfahren und Prozessen sowie der Polity,den Strukturen.Was will Hamburg in Dar es Salaam?Was die Inhalte angeht, müssen wir in Hamburg dringend dieDebatte führen, was wir eigentlich in Dar es Salaam wollen: EineStädtepartnerschaft? Professionelle Entwicklungszusammen arbeit– können wir das überhaupt leisten, haben wir die finanziellen undpersonellen Ressourcen? Oder wollen wir eine Wohltätigkeitsbeziehung,garniert mit ein paar schönen, exotischen Reisen? DieKooperation mit Dar es Salaam ist im Referat Entwicklungspolitikangesiedelt. Welchem Konzept von „Entwicklung“ und Entwicklungspolitikwollen wir dabei folgen? Weiterhin den veraltetenKonzepten der nachholenden Entwicklung, bei der die ‚zu entwickelnde‘Stadt dem Vorbild der ‚entwickelten‘ Stadt folgt, odereher einem zeitgemäßeren Konzept der nachhaltigen Entwicklung,bei dem keine der beiden Städte als das glänzende Modellgilt und in dem beide gemeinsam erarbeiten, wie ein inter- undintragenerationell gerechtes Zusammenleben <strong>auf</strong> diesem Planetenermöglicht werden kann. Diese Debatte müsste in einemKonzept münden – nicht im Sinne eines starren Korsetts, aberdoch in Grundsätzen und Leitlinien, in Zielen und Perspektiven.In diese Diskussion müssen die bisherigen Aktivisten eingebundenwerden, aber sie darf nicht in erster Linie von den Aktivistengeführt werden, sondern von kompetenten Fachleuten. Selbstverständlichmüsste dazu die bisherige Kooperation evaluiertwerden und die Erkenntnisse müssten in die Debatte einfließen.Die Ergebnisse dieses Prozesses müssten mit den Partnerinnenund Partnern in Dar es Salaam erörtert werden um zu sehen, obsie mit den dortigen Konzepten anschlussfähig sind und ob dieÜbereinstimmungen groß genug sind, den Weg einer <strong>Partnerschaft</strong>zu beschreiten. Diese Diskussion hätte längst <strong>auf</strong> den Weggebracht werden müssen – eingefordert wird sie ja schon seitJahren. In etwa einem Jahr soll die <strong>Partnerschaft</strong>surkunde mit Dares Salaam unterzeichnet werden. Und Hamburg wird bis dahinimmer noch keine Ahnung haben, was man da eigentlich will,und weiterhin ‚Charity <strong>auf</strong> Augenhöhe‘ betreiben. Die Vorstellung,dass der noch nicht einmal konstituierte ehrenamtliche „Rat fürnachhaltige Entwicklung“ bis dahin ein Konzept entwickelt habenkönnte, ist illusorisch.Was das Umdenken in Bezug <strong>auf</strong> Verfahren und Prozesse betrifft,habe ich schon einiges implizit angesprochen. Ein intensiverund dauerhafter Dialog mit den Partnerinnen und Partnern in Dares Salaam wäre die Grundlage einer <strong>Partnerschaft</strong>, die den Namenauch verdient. Aber auch der ständige Dialog mit der HamburgerBevölkerung, den in den Kooperationsbereichen aktiven‚stakeholder‘ und der Fachöffentlichkeit müsste organisiert undbetrieben werden. Offenheit, partizipative, transparente Prozesse,Mut zu Kritik und Selbstkritik, die Bereitschaft zu Lernen undsich und die Kooperation mit Dar es Salaam weiter zu entwickeln,wären Voraussetzungen dafür, solche eine <strong>Partnerschaft</strong> sinnvollgestalten zu können. Die Realität ist derzeit von diesem Anspruchjedoch meilenweit entfernt.Umdenken <strong>auf</strong> StrukturebeneDas sind hohe Ansprüche, und sie sind nicht einfach zu erreichen.Um sie überhaupt erreichbar zu machen, ist auch <strong>auf</strong> derStrukturebene ein Umdenken notwendig. Transparente, partizipativeund professionelle Strukturen sind bislang in Hamburg (inBezug <strong>auf</strong> die Kooperation mit Dar es Salaam) nicht vorhanden.Es ist nicht klar, wer nun eigentlich Hamburgs Ansprechpartnerinoder Ansprechpartner für die Kooperation mit Dar es Salaam ist.An wen sollen sich interessierte Hamburgerinnen und Hamburgerwenden? Wer ist mit dem Dar es Salaam City Council im dauerhaftenKontakt? Es ist auch nicht nachvollziehbar, wo Entscheidungenin Bezug <strong>auf</strong> die Kooperation mit Dar es Salaam getroffenwerden. Bislang wurde dies hauptsächlich außerhalb des Rathausesin privaten Zirkeln gemacht.Das ist aber nur ein problematischer Punkt. Ein zweites Problemist, dass sich die Stadt bisher dar<strong>auf</strong> beschränkt hat, die Kooperationmit Dar es Salaam zu verwalten. Dringend notwendig wärejedoch, sie zu gestalten. Durch die 14 Kooperationsbereiche gibtes mittlerweile einen Kreis von – wie anzunehmen ist – hochkompetenFachleuten aus unterschiedlichen Bereichen, die an derKooperation mit Dar es Salaam mitarbeiten. Aber faszinierenderWeise ist im Zentrum dieses Kreises die wichtigste Kompetenzdauerhaft unbesetzt! Bei all der versammelten Fachkompetenzhat man dar<strong>auf</strong> verzichtet, jemanden mit den notwendigenKenntnissen in Bezug <strong>auf</strong> Dar es Salaam und Tanzania, aber vorallem den notwendigen Kompetenzen in interkultureller Begegnung,Entwicklungspolitik und Nord-Süd-Kooperation einzubinden.Man denkt immer, Nord-Süd-Kooperation kann doch jeder!Aber auch dabei handelt es sich um spezifische Fachkompetenzen.Und nicht jede und jeder, die oder der Brände bekämpfenkann oder Krankheiten, eine Schule leiten kann oder ein Museum,ist automatisch mit den Erkenntnissen der letzten 40 JahreEntwicklungspolitik, Nord-Süd-Kooperation etc. vertraut. Daswäre ja auch ein bisschen viel verlangt. Doch bei der KooperationHamburg – Dar es Salaam geht es eben primär um diese Themen.Und genau in dieser zentralen Position leistet sich die Stadt Ham-Seite 46


urg ein Kompetenzvakuum. Es ist kein Wunder, dass dann solcheBlüten herauskommen, wie wir sie seit Jahren beobachten können.Städtepartnerschaft als Projekt statt VerwaltungsangelegenheitEine funktionierende Struktur ist die Voraussetzung um dasUmdenken und Umsteuern bei den Inhalten sowie den Prozessenund Verfahren organisieren zu können. Schlicht und einfach:Irgendwer muss das ja machen.Will die Stadt wirklich weg vom Spenden-und Projekte-Paternalismusund hin zu stärker partnerschaftlichen Ansätzen, dannwird es nicht genügen, vom Umdenken zu reden oder einen Paradigmenwechselzu postulieren. Man muss das organisieren.Auch die Entwicklung eines Konzeptes für die <strong>Partnerschaft</strong> alleingenügt nicht. Will man das Konzept realisieren, muss manmit den beteiligten Akteuren arbeiten. Auch hier ist klar: Dafürbraucht man jemanden, die oder der das machen kann! DasEine-Welt-Netzwerk fordert seit langem die Einrichtung einer invielerlei Hinsicht kompetenten Koordinationsstelle um die Kooperationmit Dar es Salaam gestalten zu können. Sicherlich mussman dazu auch bei der Stadt umdenken, und die Kooperationmit Dar es Salaam als Projekt betrachten und nicht als Verwaltungsangelegenheit.Und dann wird auch klar, dass ein Projekt– zumal ein neues Projekt und zumal ein internationales Projektdieser Größenordnung – nicht ohne eine kompetente Projektleitungbewerkstelligt werden kann. Und dann wird auch deutlich,dass das weder mit einer Minijobstelle gemacht werden kann,noch irgendwann mit einer rein verwaltenden Planstelle in derStadtverwaltung.Die Städtepartnerschaft mit Dar es Salaam bietet die Chancezu neuen, unkonventionellen und innovativen Formen und Inhaltender Kooperation. Hamburg könnte ein Beispiel geben, dassKooperation mit <strong>Afrika</strong> nicht automatisch bedeutet, Spenden zusammeln und Container mit allerlei Sinnvollem und Sinnlosen zupacken. Vor allem aber könnte Hamburg lernen, dass wir auchviel von <strong>Afrika</strong>nerinnen und <strong>Afrika</strong>nern lernen können; dass wirlangjährige gute Freundschaften eingehen können, und dass dieMenschen in <strong>Afrika</strong>, in Dar es Salaam auch einfach nur Menschensind und nicht zu entwickelnde Objekte unserer mitunter etwasselbstgerechten Mildtätigkeit.Wir könnten diese Chancen ergreifen. Aber dafür wäre der Willezum Umdenken notwendig. Um ehrlich zu sein, ich bin nicht allzuoptimistisch, dass diese Bereitschaft bei den Akteuren in Hamburgvorhanden ist.Vielen Dank!Seite 47


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009Hamburg – Dar es Salaam: Eine Welt NetzwerkHamburg bemängelt KonzeptlosigkeitAltes Denken prägt AktivitätenHamburgs in derStäDTE Kooperation>> Presse-Information 22. Januar 2009Hamburg und Dar es Salaam haben 2007 eine Städtekooperationvereinbart. Diese soll nach dem Willen der schwarz-grünenKoalition in nächster Zeit in eine feste Städtepartnerschaft umgewandeltwerden. Schon jetzt gibt es zahlreiche Projekte in diesemBereich. Doch anstatt diese Aktivitäten durch ein Konzept zuunterstützen, setzt der Senat an dieser Stelle <strong>auf</strong> unkoordinierteVielfalt. „Hamburg muss sich endlich über das Ziel und den Zweckder Kooperation klar werden“, sagt Rebecca Lohse. So langedies fehle, hingen die Form und der Inhalt der Aktivitäten alleinvon der Kompetenz und dem Willen der einzelnen Akteure ab,so die Geschäftsführerin des Eine Welt Netzwerks Hamburg e.V.(EWNW), dem Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen inHamburg.Es fehlten nicht nur Leitlinien. Es bedürfe auch dringend einesKoordinators in der Senatskanzlei, der verbindlicher Ansprechpartnerfür Aktive hier wie in Dar es Salaam ist und der die HamburgerÖffentlichkeit mit Informationen versorgt, sagt Lohse.„Viele entwicklungspolitische Initiativen wundern sich besondersüber das mangelnde Engagement und die Uninformiertheit derGAL in dieser Frage“, so die Geschäftsführerin des EWNW.„Hamburg verspielt gerade eine große Chance. Die ersteStädtepartnerschaft mit einer afrikanischen Metropole bietetgute Möglichkeiten endlich neue Wege zu gehen. Statt technokratischerEntwicklungshilfe könnte die Stadt, die sich gerne somodern und weltoffen präsentiert, ein innovatives Lernprojekt<strong>auf</strong>bauen“ so Lohse. So sind beispielsweise die Gedankenweltender Menschen beider Städte geprägt von Kolonialismus und Rassismus– auch wenn sich einige bereits kritisch damit auseinandergesetzthaben. Zudem besteht ein enormes Ungleichgewichtzwischen den beiden Metropolen, was die materiellen Ressourcenanbelangt. Es ist nicht leicht, eine <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe<strong>auf</strong>zubauen. Dies erfordert die Bereitschaft der Aktiven – vorallem in Hamburg, aber auch in Dar es Salaam - die eigenenAnnahmen, Ansätze und Vorgehensweisen zu hinterfragen. „DieStadt sollte größeren Wert <strong>auf</strong> eine kompetente Vorbereitung undinterkulturelles Training der Partner legen“, sagt die Geschäftsführerindes EWNW.Fragwürdige Ehrung von KolonialakteurenBei offiziellen Feierlichkeiten verweisen Vertreter der Stadt nichtselten unkritisch <strong>auf</strong> die „traditionellen Beziehungen“ der Hansestadtzu den ländlichen Gebieten Tanzanias im 19. Jahrhundert.Kolonialismus, Ausbeutung, eine Politik der „verbrannten Erde“und der Maji-Maji-Krieg werden mit keinem Wort erwähnt. Anlässlichdes 150. Jahrestages der Akkreditierung des Ersten HanseatischenHonorarkonsuls der Städte Bremen, Hamburg undLübeck beim Sultan von Sansibar, die im Februar und Juni diesesJahres stattfinden, werden zum Beispiel der „<strong>Afrika</strong>-Forscher“ AlbrechtRoscher und der Hamburger Großkolonialk<strong>auf</strong>mann undZweite Bürgermeister William Henry O‘Swald mit zwei Veranstaltungenbedacht. Wie kritisch die Vorträge ausfallen, wird sichzeigen. Informationen jenseits deutscher Kolonialakteure sindMangelware. Wer weiß schon etwas über Sultan Mkwawa (1855-1898), den Kämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft?„Kommunale <strong>Partnerschaft</strong>en sollten auch Lerngemeinschaftensein“, so Lohse. Jugendliche wie Erwachsene wüssten viel zuwenig über Hamburgs Kolonialgeschichte in Ostafrika. Und auchder offene und verdeckte Rassismus, der immer noch in denKöpfen sitze, werde viel zu wenig kritisch reflektiert, bemängeltLohse. Im Rahmen von Schulpartnerschaften könnte zum BeispielUnterrichtsmaterial zur Kolonialgeschichte erstellt werden. „WennHamburg eine Städtepartnerschaft plant, so sollte diese auchLeitlinien und ein Konzept beinhalten. Dies wäre der HamburgerEntwicklungspolitik insgesamt zu wünschen!“, so Lohse.Seite 48


Für weitere Informationen:Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. (EWNW)Anke Schwarzer und Renate GrunertPresse- & Öffentlichkeitsarbeit,Große Bergstraße 255, 22767 HamburgTel.: 040 - 358 93 86, anke.schwarzer@ewnw.de, www.ewnw.deSeite 49


3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009<strong>Afrika</strong> und Deutschland– <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe?Diskussion über eineschwierige BeziehungVon Reinhard Schwarz, Neues deutschlandWie soll eine »<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe« zwischen Deutschlandund <strong>Afrika</strong> aussehen? Darüber debattierten dieser Tage inHamburg <strong>Afrika</strong>-Experten. Dabei kam auch die von Gewalt geprägteKolonialherrschaft Deutschlands zur Sprache.Die Podiumsdiskussion hielt nicht, was sie zu versprechendrohte. »<strong>Afrika</strong> – nachhaltige <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe? Anforderungenan Wirtschaft und Politik.« Das klingt nach Langeweileund Sitzfleischmassage. Dass die Diskussion nicht in dererwarteten Ödnis mit den üblichen Absichtserklärungen übergegenseitige Verständigung, Vorurteile abbauen und Aufeinanderzugehendahinplätscherte, war vor allem dem ErziehungswissenschaftlerProf. Louis Henri Seukwa von der Hochschule fürAngewandte Wissenschaften zu verdanken. Er stellte klar, dassallein die Fragestellung eine »verräterische oder programmatischeTautologie« bedeute: »<strong>Partnerschaft</strong> findet per Definitiongrundsätzlich immer <strong>auf</strong> Augenhöhe statt.« Das heutige <strong>Afrika</strong>sei hingegen »eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten undVerlierern«, während die reichen Staaten Europas die »Attitüdedes Siegers« einnähmen. Gewinner seien weiterhin »postkolonialePotentaten und deren europäische Partner«. In internationalenBeziehungen gehe es »nicht um Philanthropie«, so Seukwa,»sondern um Interessen«. Entsprechend müsse die Frage gestelltwerden: »Welches Interesse kann Europa an einer <strong>Partnerschaft</strong>mit <strong>Afrika</strong> haben?« Leider wurde diese berechtigte Frage währendder Debatte nicht beantwortet. Einige der Teilnehmer beschäftigtensich mit eigenen Befindlichkeiten der – zumeist gutgemeinten – kirchlichen <strong>Afrika</strong>-Hilfe, während die Rolle der multinationalenKonzerne, der Weltbank und des Internationalen Währungsfondsnicht beleuchtet wurde.So war es denn der <strong>Afrika</strong>- und Kolonialhistoriker ProfessorUlrich van der Heyden von der Humboldt Universität Berlin, derdie Rolle der Gewalt in den Beziehungen zwischen <strong>Afrika</strong> undDeutschland erläuterte. Van der Heyden nannte als Beispiel diePerson Carl Peters, ein »Abenteurer und Verbrecher«, der in denJahren 1884/1885 mit »Mord und Gewalt für die deutsch-ostafrikanischeGesellschaft« Land zusammenraubte. 1890 wurde dasvon ihm eroberte Gebiet in Ostafrika der Schutzherrschaft desDeutschen Reiches unterstellt. Widerstand wie etwa beim Maji-Maji-Krieg in Tansania vor mehr als hundert Jahren wurde niedergemetzelt.In der anschließenden, durchaus emotional geführten Debatteum die »<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe« mischten sich auch<strong>Afrika</strong>ner aus dem Publikum ein. »Sie reden über <strong>Afrika</strong>, obwohlhier niemand aus <strong>Afrika</strong> <strong>auf</strong> dem Podium sitzt«, kritisierte einer.»<strong>Afrika</strong> denkt komplett anders, man muss erst mal die Kultur undReligion kennen lernen«, forderte er. Zudem bestehe <strong>Afrika</strong> wieEuropa auch aus unterschiedlichen Staaten, das werde hier imNorden komplett ignoriert. Eine <strong>Afrika</strong>nerin erklärte: »<strong>Afrika</strong> hatunter der Versklavung und dem Kolonialismus gelitten. Auch heutenoch ist <strong>Afrika</strong> unterjocht.« Es sei auch nicht richtig zu sagen,Europa sei entwickelt, <strong>Afrika</strong> hingegen nicht: »<strong>Afrika</strong> hat seineeigene Kultur und Geschichte.«Eingeladen hatte der <strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg, ein Zusammenschlussvon Initiativen und Gruppen <strong>auf</strong> der Basis der 1992 in Riode Janeiro verabschiedeten Agenda 21. Vier <strong>Afrika</strong>-Experten solltenmit der schließlich wegen Grippe verhinderten stellvertretendenHamburger Bürgermeisterin Christa Goetsch (Grüne) über dieKooperation zwischen der Hansestadt und der Hauptstadt Tansanias,Dar es Salaam, diskutieren, zumal seit Jahren über eineoffizielle Städtepartnerschaft nachgedacht wird. Die wird weiterebenso Thema bleiben wie die schwierige Beziehung zwischenDeutschland und <strong>Afrika</strong>.Der Artikel wurde am 10.11.2009 <strong>auf</strong> www.neues-deutschland.deveröffentlicht.Seite 50


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4. Podiumsdiskussion – 26.11.20094. <strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe?!Kultur und SportSeite 52


<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!Foto: © SIEMEWas macht die vorkoloniale Kultur <strong>Afrika</strong>saus? Wie gestaltet sich heute das Zusammenspielzwischen Kultur, Sport und Politikin den Ländern <strong>Afrika</strong>s? Welchen Stellenwerthaben Sport und Kultur dort imVergleich zu Europa? Welche Dynamikengibt es zwischen Kultur und Entwicklung?Wie werden Kultur und Sport aus den Ländern<strong>Afrika</strong>s in der hiesigen Öffentlichkeitwahrgenommen? Wie sind die Auswirkungender Fußball WM 2010 in Südafrika einzuschätzen?Über diese und weitere Fragendiskutieren unsere Gäste untereinanderund mit Ihnen im Publikum.Die Veranstaltungsreihe „<strong>Afrika</strong> - <strong>Nachhaltige</strong><strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!“ will zueiner lebendigen Diskussion über partnerschaftlicheEntwicklung zwischen Europaund <strong>Afrika</strong> beitragen.Kultur und SportFoto: © BitburgerVeranstaltungsort:Freie Akademie der KünsteKlosterwall 2320095 Hamburg(Eingang <strong>auf</strong> der Bahnseite)Am Donnerstag, den26.11.2009um 18.00 UhrPodiumsdiskussionEintritt frei!Anmeldung erbeten bei:<strong>Zukunftsrat</strong> HamburgMittelweg 2120148 Hamburginfo@zukunftsrat.deTeilnehmendeJun.-Prof. Dr. Kocra Assoua(Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth)Nana Abrokwa(Musiker, Produzent, Musikmanager)Anja Kuhr(CulturCooperation e.V.)Moderation: Veye Tatah (Chefredakteurin Africa Positive)Weitere Podiumsteilnehmende aus Sport und Kultur sind angefragt.Foto: © NanaDieses Projekt wurde gefördert durch:Eine Veranstaltung von:Seite 53


4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009GästeProf. Dr. Kocra Assoua (Jahrgang 1973)stammt aus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996in Deutschland und studierte von 1997 bis 2002an der Universität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaftund Anglistik. Assoua promovierte zu einer empirischenbzw. vergleichenden Untersuchung zu Dezentralisierungsreformenin <strong>Afrika</strong>. Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik amLehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seitNovember 2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematischbeschäftigt er sich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie,Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit,Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung,Projektkonzipierung, -bearbeitung & -auswertung, Analyse undAuswertung von Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen/ EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public PrivatePartnerships, Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik undUmweltpolitik.Michel Dinzey (Jahrgang 1972) begann imAlter von sechs Jahren mit dem Fußballspielenbeim SpVgg. Schöneberg Berlin. SeineProfikarriere begann er 1994 beim BundesligistenVfB Stuttgart. Am 2. August gab er im Auswärtsspiel beim TSV1860 München sein Debüt in der Bundesliga. Nach insgesamt 14Einsätzen für den VfB verpflichtete ihn 1995 zur Saison 1995/96der FC St. Pauli mit der Aussicht, dort Stammspieler zu werden,für den er 30 Spiele absolvierte bevor er in die kongolesischeFußballnationalmannschaft einberufen wurde. Nach Stationen inNorwegen, Braunschweig und München zog es ihn 2004wiederzurück zum FC St. Pauli , mit dem er 2007 in die 2. Bundesliga<strong>auf</strong>stieg. Insgesamt bestritt Michel Dinzey in seiner Karriere alsProfi 90 Bundesliga-Spiele, 77 Spiele in der 2. Bundesliga und220 Regionalliga-Spiele. Dazu kommen 33 A-Länderspiele fürden Kongo. Die Fans des FC St. Pauli wählten Dinzey anlässlichdes Vereinsjubiläums 2010 in die Jahrhundertelf. Heute arbeiteter als Trainer.Anja Kuhr ist aktiv in der CulturCooperation, die sich Seit 1986 inder Förderung des internationalen Kulturaustausches engagiert.Dabei gilt ihr besonderes Interesse innovativen Produktionenaus den Bereichen Bildende Kunst, Tanz, Theater, Literatur, Filmund Performances. Vielen Hundert Künstlerinnen und Künstleraus Asien, <strong>Afrika</strong> und Lateinamerika hat die CulturCooperationeine Bühne geboten, ihre Produktionen, künstlerischen Statementsund Visionen zu präsentieren. Das Spektrum der Themenreicht dabei von der europäischen Kolonialgeschichte bis zurAvantgarde des afrikanischen Modedesigns.Zum Selbstverständnis der Cultur Cooperation gehört es auch,sich an politischen Kampagnen zur Unterstützung von verfolgtenKünstlern zu beteiligen. Neben Fachtagungen zu kulturpolitischenThemen bilden Programme zur entwicklungspolitischenBildungs- und Öffentlichkeitsarbeit einen zentralen Schwerpunktihrer Arbeit.Aktuelle Projekte:p p Kunsthandwerk und EntwicklungDie Bedeutung des <strong>Afrika</strong>nischen Kunsthandwerks und desHandels für eine nachhaltige Entwicklung (seit 2008)p p Culture and DevelopmentKunst und Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit(2005-2008p p Nofretete geht <strong>auf</strong> ReisenKampagne und Debatte über eine Ausleihe der Nofretete-Büstean Ägypten (2007)p p Krieg ist kein KinderspielVeranstaltungsreihe über die Ursachen und Folgen des weltweitenKriegsgeschehens (2000-2003)Seite 54


Harald Stutte (Jahrgang 1964) ist inseinem „ersten Leben“ Redakteur bei derHamburger Morgenpost. In seinem „anderenLeben“ beschäftigt sich der Politikwissenschaftler undHistoriker mit dem südlichen <strong>Afrika</strong>, das er seine zweite Heimatnennt. Nicht nur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterinist und er fast jedes Jahr das Land an <strong>Afrika</strong>s Südspitze besucht.Für zahlreiche Publikationen hat er Analysen und Berichte ausund über die Region verfasst, außerdem war er mehrfach fürdie staatliche Entwicklungsgesellschaft Inwent als Dozent inDurban und Hamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in dendeutschen und europäischen Medien negative Stereotypen über<strong>Afrika</strong> dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfreiauch gibt, oft nicht genug gewürdigt werden.Veye Tatah (Jahrgang 1971) wurde in Kamerungeboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschenNachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährigeals Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, woTatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutscheSprache lernte. Bereits während ihres dar<strong>auf</strong>folgenden Informatikstudiumsan der Technischen Universität gründete sie denVerein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel:den Deutschen ein realistischeres <strong>Afrika</strong>bild vermitteln und sodie Integration der <strong>Afrika</strong>ner, die in Deutschland leben, fördern.Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als WissenschaftlicheMitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatikder TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen Catering-Service „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagementzu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständigeBeraterin und Projektmanagerin mit Fokus <strong>Afrika</strong>. Politik, Wirtschaftund die Medien fragen sie regelmäßig als <strong>Afrika</strong>-Expertinan. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuzam Bande des Verdienstordens der BundesrepublikDeutschland für ihr besonderes soziales Engagement.Nana Kwame Abrokwa (Jahrgang 1968),bekannt unter seinem Pseudonym Nana(dabei handelt es sich hier nicht um seinen Vornamen,„Nana“ ist ein Verehrungsname der ghanaischenAkanvölker) oder dem Künstlernamen Darkman Nana,ist ein deutscher Rapper und DJ. Er stammt aus Accra, Ghanaund zog im Alter von zwölf Jahren mit seiner Mutter und seinenGeschwistern nach Hamburg. Nach seinem Schulabschluss warNana zunächst als DJ in Hip-Hop-Clubs aktiv und wirkte Anfangder 90er Jahre bei einigen Songs von DJ David Fascher als Rapperund Co-Produzent mit, damals noch unter dem PseudonymMC Africa True. Bekannt wurde er in der zweiten Hälfte der 90erJahre. Seine Texte befassen sich mit seiner Beziehung zu Gottund seiner Familie, behandeln aber auch Themen wie Rassismusund den Holocaust.Seite 55


4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009Vorkoloniale Kulturund ihre Bedeutungfür <strong>Afrika</strong> heute>> Prof. Dr. Kocra AssouaSehr geehrte Damen und Herren,ich bedanke mich ganz herzlich bei den Organisatoren dieserVeranstaltung für die Einladung. Ich habe mich ganz besondersüber die Einladung gefreut, da dieses Thema zu meinen liebstenForschungsschwerpunkten gehört: „Die Bedeutung vorkolonialerKultur für die Entwicklung <strong>Afrika</strong>s“.Die Auseinandersetzung mit dem Entwicklungspotential vonKultur ist insofern so wichtig, da sie meiner Meinung nach dieKernfrage des Entwicklungsdilemmas <strong>Afrika</strong>s berüht. Die Fragedes wirtschaftlichen und technologischen Rückstands <strong>Afrika</strong>ssteht seit langer Zeit im Mittelpunkt entwicklungspolitischer Diskussionen.<strong>Afrika</strong> befindet sich, trotz intensiver Einsätze von enormenfinanziellen Mitteln, Entwicklungsexperten und Forschernimmer noch in einer chronischen politischen und wirtschaftlichenKrise. Nach dem Scheitern des Modells des „development state“und der absteigenden monozentrischen Entwicklungspolitikder 1960er und 1970er Jahre, bezogen sich die entwicklungspolitischenStrategien der 1980er und 1990er Jahren <strong>auf</strong> modernisierungstheoretischeAnsätze, welche die Strukturanpassungsprogrammeals Königsweg zur Entwicklung propagierten.Hinter dieser Entwicklungsvision standen orthodoxen Theorienwirtschaftlicher Entwicklung, die lediglich wirtschaftliches Wachstum,hohe Produktivität, Rationalisierung und Modernisierung alsMaßstab für Entwicklung postulieren.Nach den Erfahrungen von mehr 5 Dekaden der Entwicklungspolitikkann heute jedoch festgestellt werden, dass diese Ansätzekeineswegs zur Lösung des „Entwicklungsproblems“ <strong>Afrika</strong>s beigetragenhaben. Die Krise hat sich im Gegenteil verschärft: PolitischeInstabilität und schwere Wirtschaftskrisen herrschen immernoch vor. Angesichts des Misserfolges der bisherigen Entwicklungszusammenarbeitstellt sich daher die Frage, ob diese richtigkonzipiert war. Worin liegt ihr Versagen?Als Antwort <strong>auf</strong> diese Fragen wird häufig u. a. der starke Einflussvon traditionellen und kulturellen Werten als Hauptstörfaktorangeführt. Sie gelten als altmodisch und werden als Hindernissefür den Entwicklungsprozess betrachtet.Andere Entwicklungstheoretiker teilen diese Meinung nicht.Sie glauben, die Unwirksamkeit der bisherigen Entwicklungsprojekteund -programme liege darin, dass die Arbeitsmethoden undGrundfragestellungen der „Entwicklungsexperten“ nicht den soziokulturellenRealitäten angepasst seien. Kultur sei nicht wie oftbehauptet ein Hindernis für die Entwicklung. Sie gilt als Bausteinoder Basis aller sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen.Um dies bereits zu Beginn dieses Beitrages festzuhalten: Esgeht in dieser Analyse weder darum, die These der Traditionalistenoder so genannten Afrozentristen 1 zu unterstützen, die <strong>Afrika</strong>,besonders das traditionelle <strong>Afrika</strong>, als verlorenes Paradies bezeichnen,noch darum, die rassistischen oder eurozentristischen 2Gedanken zu kritisieren, die die afrikanischen Gesellschaftenals zivilisationslose Gesellschaften betrachten. Die wesentlicheIntention meines Beitrages besteht darin, die Interdependenzenzwischen soziokulturellen Werten und der Problematik wirtschaftlicherund politischer Entwicklung herauszustellen.Ich bin der Meinung, dass die Grundlage und Voraussetzung jederEntwicklung die Berücksichtigung kultureller und lokaler Werteist. Kultur ist der Baustein, <strong>auf</strong> dem jede Gesellschaft ihre Gegenwartund Zukunft baut. Dazu schrieb Jean Gray (zit. in: UNESCO1 Afrozentrismus ist eine pseudohistorische politische Bewegung, die behauptet, Afro-Amerikaner sollten ihre Wurzeln zurück zum alten Ägypten verfolgen, das wiederumangeblich von schwarzen <strong>Afrika</strong>nern bewohnt wurde. Einige der Behauptungen desAfrozentrismus sind, dass die alten Griechen ihre kulturellen Haupterrungenschaftenvon schwarzen Ägyptern stahlen, dass Jesus, Sokrates und Kleopatra - neben anderen- schwarz waren und dass Juden den schwarzafrikanischen Sklavenhandel schufen, in:http://www.skeptischeecke.de/Worterbuch/Afrozentrismus/afrozentrismus.html2 Vgl. ebd.Seite 56


8 1990: 23): „The people best equipped for successful developmentis a people prepared to draw deeply on its own resources,through its roots in its own land and culture”.Wenn man davon ausgeht, dass Kultur als die Gesamtheit derLebensformen einer Gesellschaft zu verstehen ist, dann muss„Kultur“ als „Impuls“ allen menschlichen Handelns und Verhaltensbetrachtet werden. Die Rückbesinnung <strong>auf</strong> Kultur bzw. <strong>auf</strong> eigeneWerte bedeutet die Erfassung des eigenen „Daseins“, der eigenenIdentität.Sich selber zu kennen ist erforderlich, denn nur so kann mandie eigenen Bedürfnisse erkennen und befriedigen; sich nicht zukennen könnte tödlich sein. Dieser Sachverhalt wird in einem berühmtenBambara-Spruch wiedergegeben: „Yè Yèrè don“ „Kunfinyayèbana yé“. Übersetzt bedeutet dies: „Kenne dich selber, weildie Unwissenheit eine tödliche Krankheit ist“.Aus diesen Überlegungen sollten sich <strong>Afrika</strong>ner mit den folgendenFragestellungen auseinander setzen: Wer sind wir? Wohinwollen wir? Und was wollen wir werden?Zur Erfassung der genauen Bedeutung von „Kultur“ im gesellschaftlichenEntwicklungsprozess möchte ich nun ihre wesentlichenFunktionen kurz darstellen und klassifizieren. Kultur dientdazu:1. das Identitätsbewusstsein einer Bevölkerung zu wecken; dabeikann die Bevölkerung Stellung und Beziehungen gegenüberanderen Bevölkerungsteilen in der Welt nachvollziehen;2. das Gemeinschaftsleben zu gestalten, wobei die einen wissen,was sie von anderen erwarten können;3. zu lernen, eigene Probleme mit eigenen Methoden zu lösen;4. die eigene Zukunft <strong>auf</strong> der Basis der eigenen Identität <strong>auf</strong>zubauen(ebd.: 78 & Gieler 1989: 101-121).Drei wesentliche spezifische Funktionen können an dieser Stellefestgestellt werden: Die soziale Funktion, die psychische Funktionund die Anpassungsfunktion der Kultur:ppAuf sozialer Ebene spielt Kultur eine überwiegende Rolle beider Schaffung und Gestaltung einer bestimmten Gemeinschaft,die sich von anderen durch ihre Normen unterscheidetppAus psychischer Sicht ist Kultur der Raum durch den die psychischePersönlichkeit der Individuen geformt wird; das Denksystem,Glaubensvorstellungen, Gefühle und die psychologischenBedürfnisse des Individuums oder / und der ganzen Gesellschaftwerden dabei gebildet. Dies ist der Grund dafür, dass esunterschiedliche Kulturen gibt, und dass Normen und Werte einerGesellschaft nicht als universal betrachtet werden können.ppDie Anpassungsfunktion von Kultur ist die Wichtigste. In diesemSinne ist Kultur das wesentliche Element, durch das Menschund Gesellschaft sich an ihr Umfeld anpassen.Bezogen <strong>auf</strong> ihre Funktionen in der gesellschaftlichen Entwicklung,symbolisiert Kultur die Kräfte der Gesellschaft. Das Wirtschaftpotentialeiner Bevölkerung kann verloren gehen, materiellesEigentum kann zerstört werden, doch diese Bevölkerung wirdnie ihre Persönlichkeit, ihren eigenen „intellektuellen“ Fähigkeitenund ihr Selbstvertrauen verlieren. Diese Bevölkerung kannimmer wieder <strong>auf</strong> eigenen Füßen stehen und ihre Entwicklung indie Hand nehmen.Ein konkretes Beispiel ist der Fall Deutschlands und Japansnach dem zweiten Weltkrieg. Wenn hingegen die Bevölkerungihre Kultur, d.h. ihre eigene Persönlichkeit und ihr Selbstvertrauenverliert, wird der Weg zum Wieder<strong>auf</strong>bau erschwert, selbstwenn enorme Mengen an Geld, Technik und Wissen ins Landgebracht werden. Solch eine Bevölkerung verliert nicht nur ihreeigene Dynamik, sondern auch ihre Fähigkeit, über sich selbernachzudenken und dementsprechend eigene Entwicklungsplänezu gestalten. Sie verliert ihre Anpassungsfähigkeit. Sie kann nichtmehr unterscheiden, was positive oder negative Auswirkungen<strong>auf</strong> sie haben könnte.Dies ist der Fall in den meisten afrikanischen Länder und vorallem den jungen westafrikanischen Staaten. Um sich anpassenzu können, müssen sie einen Blick in ihre Vergangenheit werfen,wie Attoh Ahuma es hier verdeutlicht: „Intelligent Retrogressionis the only progression that will save our beloved country (continent).This may sound a perfect paradox, but it is, nevertheless,the truth; and if all educated West Africans could be forced bymoral suasion and personal conviction to realize that “Back to theLand” signifies a step forward, that “Back to the Simple Life” of ourprogenitors expresses a burning wish to advance…” (SRB. AttohAhuma, zit. nach Ayittey 1991: xiii.).Rückbesinnung <strong>auf</strong> Kultur meint hier nicht einen „systematischenRückzug“ der <strong>Afrika</strong>s <strong>auf</strong> ihre Vergangenheit oder „alteTraditionen“. Es geht hier nicht darum, alle äußeren Einflüsse systematischabzulehnen und zu versuchen das so genannte „verloreneParadies“ wieder zu erschaffen. Denn die Kultur einer Gesellschaftist nicht statisch. Sie ist im Gegenteil konstant, flexibelund unterliegt dem Einfluss anderer Kulturen. Die hier gemeinteRückbesinnung <strong>auf</strong> kulturelle Werte bedeutet im Grunde genommenfür <strong>Afrika</strong>ner:1. ihre Vergangenheit zu erforschen und die wertwollen kulturellenNormen und Organisationsformen wieder zu entdecken.2. durch kritische Überlegungen die kulturellen Strukturen zu bewertenund zu aktualisieren, so dass die Diskrepanz zwischen„alten“ und „modernen“ Strukturen gemindert werden kann.Im Zusammenhang zur Aktualisierung oder Anpassung der wiederentdeckten kulturellen Elemente sollten sich die Überlegungen<strong>auf</strong> drei wesentliche Handlungsbereiche beziehen: politische,soziale und wirtschaftliche Strukturen. Welche Reformenoder kulturelle Anpassungen sind hier erforderlich?Die entscheidenden Fragestellungen bei der Rückbesinnung<strong>auf</strong> kulturelle Faktoren im wirtschaftlichen Entwicklungsprozesssind: Wie können afrikanische kulturelle Werte in der Praxis imwirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden? Sind alle kulturellenElemente einsetzbar? Wenn nicht, welche können tatsächlichzum Motor einer endogenen Entwicklung gemacht werden?Seite 57


4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009Wortbeitrag>> Michel DinzeyBei der WM in Südafrika ging es im Vorfeld viel um Sicherheit– ich sehe das gar icht als großes Problem. Ich habe 1996 den<strong>Afrika</strong> Cup dort gespielt, und was uns anging hatten wir keineBefürchtungen bezüglich der Kriminalität. Meiner Meinung nachwird das Thema ziemlich hochgespielt.Solange es in <strong>Afrika</strong> noch die Diktatoren gibt, wird es Ausbeutungder Länder an Mineralien geben und die Menschen werdenweiterhin sehr arm leben.Aufklärung in Schwarzafrika ist zwar da, aber die finanziellenMittel eben nicht. Ich denke, dass die Leute, die wirklich etwasbewegen können, sich mit Menschen zusammensetzen sollten,die helfen wollen und gemeinsam Konzepte erarbeiten, um diesedann auch in den Regionen umzusetzen.Aktuell ist die Lage meiner Ansicht nach sehr komplex undnicht zu bewältigen – die Probleme sind nach wie vor zu groß.Im Fußball werden dann 90 Minuten die ganzen Probleme vergessenund die Aggressionen abgebaut – das ist in Deutschlandauch nicht anders.Danach kehrt der Alltag wieder ein. Aber die Menschen machenirgendwie das Beste daraus, um zu überleben – und dasTag für Tag.Seite 58


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4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009Kultur und Sport –eine Chance, in Europaein anderes <strong>Afrika</strong>-Bild zu verbreiten>> Harald StutteBekanntermaßen wird das <strong>Afrika</strong>-Bild in der deutschen Öffentlichkeitvon negativen Stereotypen beherrscht: Krieg, Korruption,Aids Hunger. Positive Entwicklungen – wirtschaftliches Wachstum, demokratische Wechsel nach Wahlen, regionale Erfolge imKampf gegen Aids oder Malaria – werden in deutschen Medienindes kaum wahrgenommen. Sport und Kultur bieten die einmaligeChance, in Europa ein anderes <strong>Afrika</strong>-Bild zu vermitteln.Wenn beispielsweise der Hamburger SV ein Fußball-Profi wieCollin Benjamin verpflichtet, wird selbst in Medien wie Bild oderMorgenpost, die sonst kaum über <strong>Afrika</strong> berichten, über Kulturund Bräuche in dessen Heimatland Namibia informiert. Ein anderesBeispiel: Wenn in Hamburg der Soweto Gospel Choir oder einGumboots Ensemble gastieren, wird eine Begeisterung für <strong>Afrika</strong>bei Hamburgern geweckt, die normalerweise keinen Zugangzu afrikanischer Kultur haben. Künstler und Sportler sind so stetsauch Übermittler und Botschafter eines positiven <strong>Afrika</strong>-Bildes.Und das ist bitter nötig.Natürlich dürfen solche positiven <strong>Afrika</strong>-Bilder nicht ausschließlichaus den Nischen Sport oder Kultur bedient werden. Hier seheich durchaus eine Gefahr. <strong>Afrika</strong> darf nicht als Kontinent bewunderterSportler, Tänzer und Trommler einerseits, korrupter Politikerund militanter Milizchefs andererseits wahrgenommen werden.Das entspräche dem antiquierten und rassistischen Bild europäischerKolonialherren. Ich verstehe durchaus auch Kritiker, diesagen, singende und tanzende <strong>Afrika</strong>ner bedienen ein bei vielenEuropäern vorherrschendes Bild anspruchsloser weil traditionellerafrikanischer Kultur. Auch Deutsche sind nicht immer glücklich,wenn sie vom Ausland als schuhplattlernde Lederhosenträgerdargestellt werden.Doch ich verstehe <strong>Afrika</strong>s Sport und Kultur als eine Art „Entrée“,um in Europa Menschen für <strong>Afrika</strong> zu interessieren, eventuell zubegeistern, die sonst keinen Zugang haben. Ich bin so kühn zubehaupten, dass ein Junge, der ein Poster des Chelsea-SuperstarsDidier Drogba in seinem Zimmer hängen hat, in seiner späterenJugend weniger empfänglich für rassistische Thesen ist. Zugegeben:Von der Bewunderung für einen afrikanischen Fußballer bishin zur Selbstverständlichkeit, auch in Deutschland von einemschwarzen Politiker regiert, von einem schwarzen Polizisten kontrolliert,von einem schwarzen Arzt untersucht zu werden, ist esnoch ein langer Weg. Aber es gibt hoffnungsvolle Anfänge. Kulturund Sport bauen hier Brücken über Gräben, die in der politischenbeziehungsweise Krisenberichterstattung aus/über <strong>Afrika</strong> gerissenwurden. Wobei ich aber auch der Meinung bin, Deutschemit schwarzer Hautfarbe sollten sich nicht über ihre „afrikanischeHerkunft“ definieren (oft genug haben sie nie in ihrem Lebeneinen Fuß <strong>auf</strong> afrikanischen Boden gesetzt). Sondern sollten vielselbstverständlicher ihren Platz in der Mitte der deutschen Gesellschaftsuchen.Seite 60


Kultur und Sport>> Veye TatahKultur gestaltet Gesellschaften und beeinflusst das Leben vonEinzelnen und ist in den Werten unserer Ahnen verwurzelt. Kulturdient auch als eine Quelle zum Dialog, zur Innovation, für Kreativität.Kultur ist die Basis für endogene Systeme von Solidarität,für Ausdrucksformen und ist Mittel zur Wissensvermittlung.Insofern dient Kultur in der heutigen Welt als ein Mittel, ummehr zufriedenstellende Intellektualität, um moralische und spirituelleExistenz zu erlangen. Dabei hat Kultur unerkannte Potentialein Bezug <strong>auf</strong> wirtschaftliche Entwicklung und bei Bemühungenzur Bekämpfung von Armut.Die Auswirkung der transatlantischen Sklaverei <strong>auf</strong> die afrikanischenGesellschaften und die Entwicklung ihrer Kultur und ihreethischen Werte war besonderes stark. Das hat zur Entwürdigungvon kulturellen Werten in <strong>Afrika</strong> geführt, zur Ablehnung der zahlreichenEinflüsse besonders <strong>auf</strong> Kulturen und Zivilisationen Europas,Amerikas und der Karibik.Sportliche Aktivitäten waren in <strong>Afrika</strong> schon lange vorhanden.Aber Fußball ist in <strong>Afrika</strong> extrem populär und kann <strong>auf</strong> eine langeGeschichte zurückblicken. Die Verbreitung von Fußball in dieserForm wurde gezielt von den Kolonialherren gefördert. Um europäischeVorstellungen von Fairplay, Teamgeist, Disziplin, Pünktlichkeitund Hierarchie zu vermitteln. 1960 als Nkwame Nkrumahein Neue Stadium in Kumasi/Ghana eröffnete, sagte er: „Sportkann zur „Entwicklung der Nation“, zum gegenseitigen Verständnisverschiedener Regionen untereinander und zur Verwirklichungeiner „afrikanische Einheit“ beitragen.Heutzutage wird Fußball in vielen Ländern politisiert und kanndadurch zu ethnischen Konflikten führen. Heute sind afrikanischeFußballspieler regelrechte Exportschlager in allen Ländern in Europa:Man denke nur an Samuel Etoó aus Kamerun, Demba Mbaaus Senegal, Didier Drogba aus der Elfenbeinküste usw.Einige der großen Zivilisationen der Welt gab es in <strong>Afrika</strong> wiedas Mali-Reich, Great Zimbabwe, Königreiche in Ghana, Axum(Norden Äthiopiens), die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissenlange vor Europa bekannt waren.Es ist höchste Zeit, dass Europa sich mit mehr Sachverstand <strong>auf</strong>die Wirklichkeit und die Bedürfnisse <strong>Afrika</strong>s einlässt. Im Rahmender heutigen Veranstaltung werden wir versuchen, die Frage zubeantworten, wie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit <strong>auf</strong>Augenhöhe aussehen kann.Seite 61


5. Abschlussveranstaltung5. <strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong><strong>auf</strong> Augenhöhe?!Konsequenzen und PerspektivenSeite 62


<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe?!Als vorläufigen Abschluss der <strong>Afrika</strong>-Veranstaltungendes <strong>Zukunftsrat</strong>es Hamburg möchtenwir über Konsequenzen und Perspektiven einernachhaltigen Kooperation mit <strong>Afrika</strong> diskutieren.Dazu sollen beispielhafte Themenund beispielhafte Projekte vorgestellt werden.Insbesondere unsere Bereitschaft, von der kulturellenIdentität und Vielfalt <strong>Afrika</strong>s zu lernen,ist eine wichtige Grundlage für eine nachhaltige<strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe.Welche Bedeutung haben Geschichte undKultur für eine zukunftsfähige Zusammenarbeitzwischen Europa und <strong>Afrika</strong>? Hat sich das<strong>Afrika</strong>-Bild in den deutschen Medien insbesonderenach der Fußball-Weltmeisterschaftin Südafrika verändert?Welche Möglichkeiten ergeben sich aus derneu vereinbarten Städtepartnerschaft zwischenHamburg und Dar es Salaam?Wie wollen wir eine nachhaltige Kooperationmit <strong>Afrika</strong> in Hamburg weiter bewegen undentwickeln?Foto: © SIEMEKonsequenzen und PerspektivenVeranstaltungsort:Rudolf Steiner Haus HamburgMittelweg 11-1220148 HamburgAm Montag, den29.11.2010um 18.00 UhrPodiumsdiskussionEintritt frei!Foto: © tanzaniatouristboard.comAnmeldung erbeten bei:<strong>Zukunftsrat</strong> HamburgMittelweg 2120148 Hamburginfo@zukunftsrat.deTeilnehmendeJun.-Prof. Dr. Kocra Assoua(Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth)Harald Stutte(Journalist, Hamburger Morgenpost)Simone Damak, Dr. Michael Hoppe(Steps for Children, Hamburg)Jörn Serbser(Koordinator der Dar es Salaam-<strong>Partnerschaft</strong> am Helene-Lange-Gymnasium)Künstlerische Begleitung:Oumar Koita & friendsModeration: Dr. Ulf Skirke(<strong>Zukunftsrat</strong> Hamburg)Foto: © tanzaniatouristboard.cDieses Projekt wurde gefördert durch:Eine Veranstaltung des <strong>Zukunftsrat</strong>es HamburgSeite 63


5. AbschlussveranstaltungGästeDr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) istDiplom-Physiker und Dr. phil. Er ist beruflichim Klimaschutz und der ökologischenStadtentwicklung in der Behörde für Stadtentwicklungund Umwelt tätig. Ehrenamtlich ist er im <strong>Zukunftsrat</strong>Hamburg als Mitglied im Koordinierungskreis engagiert. Er hatin den letzten zwanzig Jahren eine Vielzahl von Ländern desafrikanischen Kontinents bereist.Prof. Dr. Kocra Assoua (Jahrgang 1973) stammtaus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996 in Deutschlandund studierte von 1997 bis 2002 an derUniversität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaft undAnglistik. Assoua promovierte zu einer empirischen bzw. vergleichendenUntersuchung zu Dezentralisierungsreformen in <strong>Afrika</strong>.Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik am Lehrstuhl fürEntwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seit November2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematisch beschäftigt ersich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie,Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit,Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung, Projektkonzipierung,-bearbeitung & -auswertung, Analyse und Auswertungvon Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen/ EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public Private Partnerships,Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik und Umweltpolitik.Harald Stutte (Jahrgang 1964) ist in seinem„ersten Leben“ Redakteur bei der HamburgerMorgenpost. In seinem „anderen Leben“ beschäftigtsich der Politikwissenschaftler und Historiker mitdem südlichen <strong>Afrika</strong>, das er seine zweite Heimat nennt. Nichtnur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterin ist und er fastjedes Jahr das Land an <strong>Afrika</strong>s Südspitze besucht. Für zahlreichePublikationen hat er Analysen und Berichte aus und über dieRegion verfasst, außerdem war er mehrfach für die staatlicheEntwicklungsgesellschaft InWent als Dozent in Durban undHamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in den deutschenund europäischen Medien negative Stereotypen über <strong>Afrika</strong>dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfrei auchgibt, oft nicht genug gewürdigt werden.Dr. Michael Hoppe ist Gründer der Stiftungsteps for children in Hamburg, die bedürftigeKinder und Jugendliche, hauptsächlich Aids-Waisen,in <strong>Afrika</strong>, Asien und Südamerika unterstützt.Seine Vision ist die dauerhafte Selbstversorgung der Kinderohne fremde Mittel. Als erstes Projekt hat die Stiftung zusammenmit den Mitgliedern der Gemeinde in Okakarara, Namibia,die Errichtung einer Vorschule und Suppenküche ebenso wieeiner Nähstube initiiert, weitere soziale Projekte sind im Aufbau.Der Diplom-K<strong>auf</strong>mann mit Schwerpunkten Recht, Steuern undControlling hat umfangreiche Unternehmens- und Managementerfahrungenin internationalen Unternehmen gesammelt, bevorer sich als Coach selbstständig machte.Seite 64


Oumar Koita stammt aus einer sehrmusikalischen Familie aus Mali. Nach seinerAnkunft in Deutschland spielte er in mehrerenGruppen. Seine Erfahrung erweiterte er durch einenAufenthalt in Amerika und Jamaika, nachdem er seine erste MC„Be Yourself“ <strong>auf</strong>zeichnete. Im Jahre 1994 veröffentliche er seinezweite CD, und seitdem nimmt er teil an Festivals und Veranstaltungenin Europa und <strong>Afrika</strong> u.a. Echo sida, Action Unescoin Bamako, Kieler Woche, Ottensen Sampler. Seine Musik istein musikalischer Austausch zwischen <strong>Afrika</strong>, der Karibik undDeutschland, der den Einfluss von Reggae- und Jazzelementeneindeutig erkennen lässt. In seinen selbstkomponierten Songszelebriert er den Afro-Pop und erzählt die Geschichten vomLeben der Menschen seiner Heimat. .Jörn Serbser ist Koordinator der <strong>Partnerschaft</strong>Helene Lange Gymnasium – Kiluvya SecondarySchool. Seit 2006 unterhält das Helene LangeGymnasium Kontakte zur koedukativen, staatlichenKiluvya Secondary School in Dar es Salaam. Von Anfang an standder Gedanke der Begegnung und des gemeinsamen (Kennen-)Lernens im Vordergrund der Verbindung. Bei gegenseitigenBesuchen von Schüler-Lehrer-Gruppen konnten Einblicke in denjeweiligen schulischen und persönlichen Alltag genommenwerden. Stets wurden Projekte durchgeführt, etwa zum ThemaGlobalisierung, zu kreativem Schreiben oder es wurde einTheaterstück inszeniert und ein interkultureller Fotoworkshopdurchgeführt. So war es uns in diesem Jahr eine Ehre, anlässlichder Hundertjahrfeiern erneut eine Delegation aus Dar es Salaambegrüßen zu können!Seite 65


5. AbschlussveranstaltungBegrüSSung>> Dr. Ulf SkirkeMeine Damen und Herren, liebe Freunde,die vor zwei Jahren begonnene Reihe von <strong>Afrika</strong>-Veranstaltungensoll nun heute zu einem vorläufigen Abschluss kommen.Ziel dieser <strong>Afrika</strong>-Reihe war, neue Impulse für eine nachhaltigeKooperation mit <strong>Afrika</strong> zu geben und dazu beispielhaft Themenund Projekte vorzustellen. Heute wollen wir über Konsequenzenund Perspektiven diskutieren. Und das war und ist unsere Leitidee:Eine nachhaltige <strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong> Augenhöhe kann nurdann wirklich zustande kommen, wenn wir bereit sind, von derkulturellen Einzigartigkeit und Vielfalt <strong>Afrika</strong>s zu lernen. Von daherhaben wir besonders die Frage ins Zentrum gerückt: WelcheBedeutung haben Geschichte und Kultur für eine zukunftsfähigeZusammenarbeit zwischen Europa und <strong>Afrika</strong>?Die kenianische Nobelpreisträgerin Wangari Maathai hat in ihrerjüngsten Veröffentlichung: „The Challenge for Africa. A newVision.“ (2009) diese Frage für die Entwicklung <strong>Afrika</strong>s besondershervorgehoben. Sie schreibt: „Seit fünf Jahrhunderten hat die außenstehendeWelt den <strong>Afrika</strong>nern erklärt, wer sie sind … <strong>Afrika</strong>nernwurde gesagt, ihre Gesellschaften seien rückständig, ihrereligiösen Traditionen sündig, ihre landwirtschaftlichen Praktikenprimitiv, ihre Regierungssysteme unbedeutend und ihre kulturellenNormen barbarisch.“ Diese ‚Kolonisierung des Geistes‘ hat<strong>Afrika</strong>ner von sich selbst und ihren Fähigkeiten entfremdet – soals schaue man in einen „zerbrochenen Spiegel“. Dennoch hältsie es für unerlässlich, in die (Kultur)-Geschichte zurückzuschauen,um sich nach vorn in die Zukunft bewegen und entwickelnzu können. Wangari Maathai ist dafür der beste Beweis, wennsie an alte, vorkoloniale kulturelle Traditionen anknüpft, um sozialeund ökologische Zukunftsprojekte in Gang zu bringen. Sieist ein Vorbild für eine nachhaltige Entwicklung <strong>Afrika</strong>s, und wirmüssen uns deutlich strecken, um ihre Augenhöhe zu erreichen.Die Vielfalt traditioneller ‚Ethnien‘ (von Wangari Maathai besserals „Mikro-Nationen“ bezeichnet) ist nicht einfach rückständig,sondern bietet große Potentiale für eine produktive ‚Bottom-up‘-Strategie von Zivilgesellschaft und Demokratie: nämlich wennaus den ‚Mikro-Nationen‘ von unten nach oben tragfähige Makro-Nationenentstehen … Genau in diese Richtung verweist z.B.das Verfassungsreferendum in Kenia dieses Jahr, wenn erstmalsin der Geschichte eine Zweite Kammer, ein Senat mit knapp 50Vertretern aus regionalen Verwaltungskreisen (‚Mikro-Nationen‘)neben dem Parlament eingesetzt wird.Ich hoffe, beispielhaft die enorme Bedeutung der Kultur für denEntwicklungsprozess <strong>Afrika</strong>s sowie für eine nachhaltige Kooperation<strong>auf</strong> Augenhöhe verdeutlicht zu haben. Weitere konkreteBeispiele werden wir heute Abend hören, zunächst Grundsätzlichesvon Prof. Assoua, dann von Harald Stutte über die Frage,ob sich das <strong>Afrika</strong>-Bild nach der Fußball-Weltmeisterschaft positivverändert hat. Im Folgenden wird Dr. Hoppe über sozio-kulturelleProbleme und Lösungen für ein Entwicklungsprojekt in Namibiaberichten und Herr Serbser mit Frau Tran über die Schulpartnerschaftdes Helene Lange Gymnasiums mit der Kiluvya SecondarySchool in Dar es Salaam.Insgesamt wollen wir heute über Konsequenzen, Perspektivenund zukünftige Handlungsmöglichkeiten in Hamburg zur nachhaltigenKooperation mit <strong>Afrika</strong> diskutieren.Bevor wir in den sprachlichen Teil einsteigen, freue ich mich,den aus Mali stammenden Gitarristen und Sänger Oumar Koitamit zwei Kollegen für eine musikalische Einleitung des heutigenAbends begrüßen zu dürfen.Seite 66


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5. Abschlussveranstaltung<strong>Afrika</strong> – <strong>Nachhaltige</strong><strong>Partnerschaft</strong> <strong>auf</strong>Augenhöhe?!>> Prof. Dr. Kocra AssouaDas Thema der heutigen Podiumsdiskussion wirft im Grunde genommenauch die Frage nach dem Sinn bzw. Unsinn von Entwicklungszusammenarbeit<strong>auf</strong>. Diese Frage steht seit einigen Jahrenim Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Debatte.Die Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert einen fachübergreifendenAnsatz, weil die Problematik der Entwicklungspolitikein Querschnittthema ist, das aus verschiedenen Perspektivenbehandelt werden kann bzw. soll. Daher begrüße ichauch, dass diese Vielfältigkeit bei der Auswahl der Referentenhier berücksichtigt wurde. Als Ausgangspunkt würde ich gleich zuBeginn meines Vortrags <strong>auf</strong> die Frage eingehen: Wo steht <strong>Afrika</strong>heute über 60 Jahre nach der erlangten Unabhängigkeit?60 Jahre nach der Unabhängigkeit sind viele Länder <strong>Afrika</strong>ssüdlich der Sahara in einer desolateren Lage als je zuvor. Selbstverständlichgibt es nicht nur negative Nachrichten aus <strong>Afrika</strong> zuberichten, aber die Folgen der oben genannten Faktoren sind soverheerend, dass positive Entwicklungen kaum in den Medienerwähnt werden.Über die Ursache dieser Entwicklung herrscht unter Wissenschaftlern,Entwicklungsexperten und Regierungen keine Übereinstimmung.Eins ist aber klar: Es gibt bzw. es kann keine monodimensionaleErklärung für diese Fehlentwicklung geben. DieGründe sind vielfältig und lassen sich auch manchmal je nachFachschwerpunkte bzw. Ansatzpunkte <strong>auf</strong>führen. Was auch immerzu Ursachen der Entwicklungsprobleme <strong>Afrika</strong>s gesagt wird,die historische Dimension kann nicht außer Acht gelassen werden.Die ersten Kontakte zwischen dem Westen und <strong>Afrika</strong> habenschwere psychische Belastungen hinterlassen, die die „Pubertätsphase“der afrikanischen Nationen stark geprägt haben.Infolge dieser ersten Berührungen verloren <strong>Afrika</strong>ner ihr Dasein,ihr Selbstvertrauen und kulturelles Selbstbewusstsein.Man könnte in diesem Kontext von einer harten bzw. gestörtenKindheit sprechen. Eine Kindheit der Nationen, die sich genau sowie die Kindheit vieler afrikanischer Kinder in Kriegs- und instabilenRegionen verläuft. Eine harte und gestörte Kindheit, geprägtaber auch von bereichernden Erfahrungen, die heute von der jungenGeneration kapitalisiert werden müsste.Der Vergleich der Entwicklung afrikanischer Nationen mit dereines Kindes soll hier nicht als eine Infantilisierung der <strong>Afrika</strong>nerinterpretiert werden. Wir sollen uns hier nicht missverstehen. Esgeht hier ausschließlich um die Beschreibung des Entwicklungsprozesseseiner Gesellschaft, die sich <strong>auf</strong>grund ihrer ungünstigenhistorischen Entwicklung noch in der primären Phase des Sozialisationsprozessesbefindet. Die Verwendung des Begriffs „Kindheit“bezieht sich hier also <strong>auf</strong> diese prekäre Form des politischenSozialisationsprozesses.Ich habe vorhin dar<strong>auf</strong> hingewiesen, dass die vor kurzem beschriebenedesolate Lage <strong>Afrika</strong>s seit 60 Jahren andauert. 60 Jahresind relativ viel für eine Lebensdauer. 60 Jahre sind gerade dasGrenzalter der „Pubertät“ für eine Nation. Die afrikanischen Nationenund Staaten befinden sich also am Ende der Pubertätsphaseund bereiten sich vor, ihre Jugendphase im neuen Jahrhundert zuerleben.Im politikwissenschaftlichen Sprachgebrauch wird der BegriffNation-Bildung-Prozess verwendet um diese Entwicklung zu bezeichnen.Die Staaten <strong>Afrika</strong>s befinden sich also in einem Lernprozessund eine Kapitalisierung dieses Lernprozesses ist eineunabdingbare Voraussetzung, eine gute Basis, für einen Neuanfangim Rahmen der internationalen Beziehungen.Das Problem <strong>Afrika</strong>s ist, dass es gerade in dieser „Pubertätsphase“schlecht gefüttert wird bzw. „totgefüttert wird“ und dahernicht wachstumsfähig sein kann.Was impliziert aber diese Aussage? „<strong>Afrika</strong> wird totgefüttertoder schlecht gefüttert“. Womit und wie wird <strong>Afrika</strong> eigentlichSeite 68


Doch es gab auch Enttäuschung über diese Fußball WM. Enttäuschungvor allem bei den Menschen, die sich seit der Vergabeder WM an Südafrika im Juli 2000 uneingeschränkt gefreut hatten:bei den Südafrikanern. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass dieErwartungen schlicht zu hoch waren. Die Südafrikaner haben unterschätzt,wie stark die FIFA eine WM dominiert und wirtschaftlichausbeutet.Die Menschen hatten sich von dieser WM die Lösung für fastalle ihre Probleme versprochen: Jobs, neue Großprojekte, bleibendeVeränderungen im Land. Dem Partyrausch folgte schnellder Kater. Auch mit Blick <strong>auf</strong> das lange Stillhalten in der Zeit vorder WM lähmt heute eine Streikserie das Land, die sehr rebellischeGewerkschaft COSATU fordert eine Art „WM-Bonus“ für dieArbeitnehmer im Land ein.Neben dieser gefühlten Enttäuschung gibt es auch ganz handfesteSorgen, die die FIFA dem Land hinterlassen hat:ppDrei gigantische Stadien-Neubauten (Greenpoint in Kapstadt,Durban und Soccer City in Johannesburg), deren weitere Nutzungnicht gesichert ist und deren Unterhalt die klammenKommunen viel Geld kostet.p p Statt prognostizierter Einnahmen in Höhe von 500 MillionenEuro bleiben die Südafrikaner <strong>auf</strong> 2 Milliarden Euro WM-bedingterSchulden sitzen. Die Fifa indes konnte ihre Einnahmenverdoppeln, auch weil man das afrikanische Land unter Druckgesetzt hatte und eine Steuerbefreiung für alle FIFA-Einnahmendurchgesetzt hatte.p p Dauerhafte Jobs entstanden nicht, bereits Ende Juli 2010 brachdie Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent abp p Statt der prognostizierten 483 000 Touristen kamen nur373 000 Gäste wegen der WM nach Südafrika.Kurzum: Gewonnen hat Südafrikas weltweites Image, unddamit ganz <strong>Afrika</strong>. Darüber gibt es seriöse Untersuchungen wiedie des unabhängigen „Reputation Instituts“ in New York. Verlorenhaben die Südafrikaner, die zu große Erwartungen in diesessportliche Großereignis gesetzt haben.Seite 71


5. Abschlussveranstaltungsteps for children>> Dr. Michael HoppeDie Stiftung steps for children in Hamburg unterstützt täglich über100 bedürftige Kinder und Jugendliche in dem Projekt steps forchildren in Okakarara im nördlichen Namibia. Ihre Vision ist diedauerhafte Selbstversorgung der Kinder ohne fremde Hilfe.ProjektbeschreibungDurch den Aufbau von Unternehmungen, die Einkommen erzielenund von den Menschen vor Ort selbständig betrieben werdenkönnen, sollen langfristig die sozialen Teilprojekte (steps) finanziertwerden, die der Versorgung der Kinder dienen. Dadurch wirddas Projekt unabhängig von Spenden.Auf einem eigenen Grundstück (1.700 m²) mit einem festenund drei mobilen Häusern wurden bereits folgende steps (Teilprojekte)<strong>auf</strong>gebaut:Soziale steps (die der Betreuung von Kindern und Jugendlichendienen)ppVorschule für ca. 100 KinderppSuppenküche für ca. 100 Kinder und 20 MitarbeiterInnenppNachmittagsbetreuung für ca.50 KinderppSchulgeld, Schulkleidung und Schulbücher für 25 Kinderpp20 Computer, Drucker und Internet für zwei Schulen der Waterberg-GemeindeEinkommen erzielende steps (die der Finanzierung der sozialensteps und der Verwaltung dienen)ppNäh- und Handarbeitsraum für mehrere NäherinnenppComputerschule/Internet CafèppFahrradverk<strong>auf</strong> und -reparaturwerkstattppTheatervorstellungppGästehausppOlivenbaumplantage mit 1.664 BäumenppGemüsegartenppHühnerfarmBau/in Betriebnahme März 2011ppEin festes Vorschulhaus mit fünf Klassenräumen für mehr als100 Kinder zuzüglich eines KüchenkomplexesIn Planung/VorbereitungppBridge School (Schulunterricht für Kinder ab 8/9 Jahren, die indiesem Alter nicht mehr eingeschult werden und ohne Förderungnicht in den regulären Unterricht eintreten können)ppHIV/AidsberatungppProjekttransfer nach Gobabis/Namibia, Aufbau in Kooperationmit dem bereits bestehenden Projekt Light for the ChildrenProjektzieleDas Besondere an steps for children sind die Einkommen erzielendensteps, die sich finanziell selbst tragen und zusätzlich einenBeitrag für die sozialen steps erwirtschaften. So wird das Projekt<strong>auf</strong> Dauer unabhängig von Spenden und Entwicklungshilfe.Nachhaltigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe und Professionalität stehenim Vordergrund.Hauptzielgruppe des Projektes sind Waisen und andere traumatisierteund sozial gefährdete Kinder und Jugendliche, die indiese Situation ursächlich in Auswirkung von HIV/Aids gekommensind (HIV/Aids-Rate in Okakarara: 35%). steps for children entwickeltMaßnahmen, welche die Erziehung sowie die ganzheitlicheEntwicklung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen nachhaltigunterstützen.Durch die Einbeziehung einer möglichst großen Anzahl vonJugendlichen und Erwachsenen aus der Gemeinde als Erzieher,Betreuer, Hilfs- und Fachkräfte schafft das Projekt steps for child-Seite 72


en in Okakarara Arbeitsplätze und gibt den MitarbeiternInnen(bereits 20) die Chance <strong>auf</strong> Fortbildung, um später auch anderswoArbeit zu finden. Die hohe Arbeitslosigkeit (65% in Okakarara)wird so verringert.Durch die Einbeziehung von Deutschen, sowohl in die Entwicklungs-und Bauphase als auch in die l<strong>auf</strong>ende Phase, fördertdas Projekt den Austausch und den Dialog zwischen den beidenVölkern bzw. beteiligten Volksgruppen. Es ist ein Beitrag zur Verständigung.Was uns besonders wichtig ist…Ohne das Engagement von steps for children würden die betroffenenKinder in Okakarara mit sehr hoher Wahrscheinlichkeitkeine Schulbildung erhalten und damit in den üblichen Kreisl<strong>auf</strong>von Arbeitslosigkeit, Armut, Alkohol und Aids geraten. Steps forchildren trägt dazu bei, die Selbsthilfekräfte der Kindern und Jugendlichenzu stärken, um ihre Lebenssituation verändern zukönnen. Neben Bildung für die Jüngsten vermittelt es unternehmerischesHandeln und Denken, ein wichtiges Element der Hilfezur Selbsthilfe.Hauptfinanzierer des Projektes in Okakarara/Namibia ist dieHamburger Stiftung steps for children, gegründet von Dr. MichaelHoppe. Sie wird unterstützt von zahlreichen Spendern aus derWirtschaft und aus privaten Haushalten. Mit größeren finanziellenBeiträgen wird das Projekt auch unterstützt von den AugsburgerFreunden Namibia.Michael Hoppe startete das Pilotprojekt 2006 mit einer Suppenkücheund Vorschule für 30 Kinder und initiierte die NGO stepsfor children in Windhoek. Er arbeitet in seiner Funktion als GeneralManager mehrfach im Jahr vor Ort.Ansprechpartner: Dr. Michael HoppeStiftung steps for childrenc/o CFPGroße Elbstraße 86, 22767 HamburgT 040 21 10 766-42F 0180 522 1040 414info@stepsforchildren.dewww.stepsforchildren.deSeite 73


5. AbschlussveranstaltungDer Besuch unsererPartnerschule,Kiluvya SecondarySchool, in Tansania>> Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B)Helene Lange GymnasiumAm 16. Oktober machte sich eine Reisegruppe von zwei Lehrernund sechs Schülern <strong>auf</strong> in Richtung Tansania. Mit von der Partiewaren Herr Serbser, Frau Behnke, Linn, Han, Rosa, Carlotta, Paulund Mete (alle 10. Klasse). Wir alle waren gespannt, was uns inTansania erwarten würde und mit welchen Eindrücken wir nachDeutschland zurückkommen würden.Unser Flug begann am Hamburger Flughafen, ging mit einemzehnstündigem Stopp in Dubai weiter und endete am Samstag,den 17. Oktober, am Flughafen von Dar es Salaam. Dort wurdenwir von 25 Schülern der UNESCO-Gruppe sehr herzlich und stürmischempfangen. Mit den tansanischen Schülern ging es dannper Dalla Dalla (kleiner, alter Minibus) zu unserem Hotel, wo wirmit den tansanischen Schülern reden und sie kennen lernenkonnten. Das erste Aufeinandertreffen verlief sehr unkompliziertund wir waren erstaunt, wie gut die Tansanier Englisch sprachen.Den ersten Tag beendeten wir mit einem Abendessen im Hotel,bei dem wir unsere ersten Eindrücke austauschten. Wir alle hattenschon nach der ersten Fahrt vom Flughafen zum Hotel denEindruck, in einer völlig anderen Welt zu sein.Der Sonntag stand ganz im Zeichen von Dar es Salaam. Wirerkundeten die Stadt und besichtigten die wenigen Sehenswürdigkeiten.Wir besichtigten unter anderem die Lutherische KircheAzania, das Nationalmuseum und den Fischmarkt an der Küstevon Dar es Salaam. Beim Erkunden der Straßen fiel uns die Armutder Bevölkerung <strong>auf</strong>, von der wir zwar schon gehört und gelesenhatten, aber diese mit eigenen Augen zu sehen, war für uns alleein Schock.Am Montag besuchten wir das erste Mal die Kiluvya SecondarySchool und wurden dort mit einer Willkommensfeier begrüßt.Im L<strong>auf</strong>e des Tages hatten wir Zeit, die Schule kennenzulernenund auch den Kontakt mit den Schülern zu verstärken. Außerdemerlebten wir eine tansanische Geography-Stunde zum Thema„vulcanicity“, während der wir auch erfuhren, dass eine Stundeausschließlich daraus besteht, dem Lehrer zuzuhören.Den Dienstag verbrachten wir ebenfalls mit den Schülern. Wirunternahmen mit ihnen einen Ausflug an die Küste, wo uns derGeography-Lehrer Dinge über Strand und Meer erzählte. Der Ausflugwar etwas anstrengend, trotzdem hat es uns Spaß gemacht,denn wir verstanden uns von Tag zu Tag besser mit den tansanischenSchülern und mit vielen bauten wir richtige Freundschaften<strong>auf</strong>, die wir auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland weiterführenwollen.Den Mittwoch und Donnerstag verbrachten wir wieder in derSchule zusammen mit der UNESCO-Gruppe. Frau Behnke und HerrSerbser hatten einen Workshop zu einem tansanischen Märchenvorbereitet. Der Workshop beinhaltete das Lesen des Märchens,das Erstellen eines Drehbuchs und kleinerer Requisiten sowie dasEinproben und Vorführen des Theaterstücks. Dabei gestaltete sichdas Erstellen des Drehbuchs deutlich schwieriger als das Spielendes Theaterstücks, da die tansanischen Schüler es aus der Schuleoffenbar nicht so sehr gewohnt sind, Aufgaben eigenständig zubearbeiten.Von Mittwoch <strong>auf</strong> Donnerstag hatten wir außerdem unserenersten Homestay. Für uns alle war die Zeit bei den tansanischenFamilien eine ganz besondere Erfahrung, die wir so noch nicht inunserem Leben gemacht hatten. Entgegen unserer Erwartungenwaren die meisten Familien wirklich arm, was uns jedoch dieMöglichkeit gab, die enormen Unterschiede zwischen Tansaniaund Deutschland zu sehen. Um ein Beispiel zu geben: Die Toilette,die mit löchrigem Wellblech umgeben war, bestand aus einemwinzigem Loch im Boden und abends war nahezu durchgehendStromausfall. Doch die Familien der Schüler haben uns sehr herzlichwillkommen geheißen und uns sehr gut <strong>auf</strong>genommen. Wirkonnten viele interessante Gespräche führen und dadurch dasSeite 74


Leben und die Probleme der Tansanier kennenlernen und auchverstehen. Eine Frage, die sehr einfach klingt, aber genau zutrifft,haben wir uns nach den Homestays und immer wieder in Tansaniagestellt: Warum ist unsere Welt so ungerecht?Am Freitag und Samstag bekamen wir das andere Gesicht <strong>Afrika</strong>szu sehen. Wir fuhren in den Mikumi National Park, um dorteine Safari zu machen. Dies war ein Teil der Reise, <strong>auf</strong> den wir unsalle besonders gefreut hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht:Wir bekamen fast alle typisch afrikanischen Tiere zu Gesicht: Giraffe,Flusspferd, Elefant, Zebra, Krokodil, Antilope, Gnu, Wasserbüffel,Geier und den berühmt-berüchtigten Blackberry Bastard.All diese Tiere zeigten sich uns in ihrem natürlichen Lebensraum.Die Safari war ein voller Erfolg und gab uns die Möglichkeit, großartigeFotos zu schießen.Am Samstag stand der zweite Homestay an. Dieser Homestayverdeutlichte uns noch einmal die Armut der Menschen in Tansania.Trotzdem war es unglaublich, was für eine Gastfreundlichkeituns entgegengebracht wurde. Besonders das Essen war, vielleichtmit Ausnahme des Fleisches, sehr lecker. Es bestand meistaus Früchten, die viel besser schmeckten als in Deutschland, Reis– oder besser gesagt „Pilau“ –, Bohnen, Kartoffeln und Ugali, einemBrei aus Mais, der einen etwas pappigen Geschmack hat.Am Sonntag trafen wir uns alle bei Pili, einer Lehrerin der KiluvyaSecondary School, um dort traditionelles tansanisches Essenzuzubereiten. Die tansanischen Schüler zeigten uns, wie man inTansania kocht und wie man beispielsweise Kokosnüsse aushöhltund Chapati (eine Art herzhafter Pfannkuchen aus Blätterteig) zubereitet.Am Ende des Tages genossen wir das selbstzubereiteteBuffet und hatten noch eine Menge Spaß mit den Tansaniern.Am frühen Montagmorgen machten wir uns per Fähre <strong>auf</strong> denWeg nach Sansibar. Die Einfahrt in den Hafen von Sansibar wareiner der unvergesslichen Momente unserer Reise. Nach längeremSuchen und zwischenzeitlichem Verl<strong>auf</strong>en fanden wir ineiner kleinen Seitengasse unser Hostel. Während unserer zweiTage <strong>auf</strong> Sansibar unternahmen wir viele unterschiedliche Dinge.Am Montag machten wir eine sehr interessante Spice-Tour, beider wir die typisch sansibarischen Früchte und Gewürze näherkennenlernten und uns mit Gewürzen als Mitbringsel für unsereFamilien eindeckten. Überdies verbrachten wir den Nachmittagan einem kleinen, verlassenen Fischerstrand, an dem wir daserste Mal die Möglichkeit hatten, im Meer zu baden. Den Abendverbrachten wir zusammen mit Sophie, einer Ex-Schülerin desHGL, die zurzeit ein Freiwilligen-Jahr bei einer Solarenergiefirma<strong>auf</strong> Sansibar verbringt. Sie zeigte uns die Plaza in Stone Town, derHauptstadt Sansibars, wo abends die Fischer ihre frisch gefischtenFische und andere Spezialitäten verk<strong>auf</strong>ten. Wäre Sophie nichtgewesen, hätten wir für unseren Abendsnack mit Sicherheit dendoppelten Preis bezahlt!Am zweiten Tag <strong>auf</strong> Sansibar wanderten wir erst ein wenigdurch die Altstadt (Stone Town) und erlebten das sansibarischeMarktleben. Den Großteil des Tages verbrachten wir an einemwundervollen weißen Sandstrand, welcher <strong>auf</strong> der einen Seitevon türkisfarbenem Meerwasser und <strong>auf</strong> der anderen Seitevon Kokosnusspalmen eingeschlossen war. Wir genossen es, imwarmen Wasser zu baden und uns von der Sonne bräunen zulassen. Für eine kurze Zeit fühlten wir uns wie im Paradies. Docham Nachmittag stachen wir wieder in See mit Kurs <strong>auf</strong> Dar esSalaam. Die zweistündige Überfahrt verlief diesmal nicht ganzso unkompliziert wie der Hinweg, denn der Wellengang war umeiniges höher. Dies schüttelte uns und unsere Mägen ordentlichdurch, was uns alle um einiges bleicher werden ließ. Deshalbverschwanden auch alle schnell <strong>auf</strong> ihren Zimmer, als wir im Hotelankamen.Am Mittwoch sollten wir noch einmal die Möglichkeit bekommen,den paradiesischen Strand von Tansania zu genießen. Wirfuhren hinaus nach Bongoyo Island, um dort noch einmal amStrand zu liegen, im Meer zu schnorcheln und frischgefangeneFische und Krebse zu essen. Ein rundum gelungener Tag, der unswie schon die Safari-Tour die paradiesische Seite Tansanias offenbarte.Am nächsten Tag war es dann Zeit Kwa-Heri zu sagen. Wir fuhrenein letztes Mal mit dem Taxi zur Kiluvya Secondary School,um dort an der Farewell-Party teilzunehmen. Wegen einiger Verzögerunghatten wir nach den Proben noch Gelegenheit uns einletztes Mal mit den Schülern zu unterhalten, Fotos zu machenund Kontaktdaten auszutauschen. Die Farewell-Party bestand ausder Aufführung unseres mit den tansanischen Schülern geprobtenTheaterstücks, der Übergabe von Schulbüchern, die das HLGmit Basargeldern finanziert hat, verschiedenen Reden der jeweiligenSchulsprecher und Lehrer, der Übergabe von Abschiedsgeschenkenund dem Singen eines Abschiedssongs.Dann hieß es für uns alle Abschied nehmen. Wir alle spürtenwirklich eine Art Trauer, weil wir eine sehr schöne Zeit mit denSchülern verbracht hatten und zu vielen, wie bereits gesagt, eineFreundschaft <strong>auf</strong>gebaut hatten. Es war außerdem sehr schwerAbschied zu nehmen, weil wir alle wussten, dass wir den Großteilder Schüler nie wieder sehen würden. Am Freitag brachenwir, nachdem alle Sachen verstaut waren, zum Flughafen <strong>auf</strong>,um dort den Flieger zurück in Richtung Hamburg zu nehmen. Alswir wieder im kalten und regnerischen Hamburg angekommenwaren, ließen wir die Reise noch einmal Revue passieren.Wir alle sind sehr froh an dieser Reise teilgenommen zu haben,da wir unglaublich viele Erfahrungen sammelten und eine völligandere und neue Welt zu Gesicht bekamen. Wir hoffen, dass die<strong>Partnerschaft</strong> mit der Kiluvya Secondary School noch lange bestehenbleibt.Seite 75


5. AbschlussveranstaltungDer Gegenbesuchin Hamburg>> Han Tran (10d/S1)Helene Lange GymnasiumOn 24th April we, that is Mr. Serbser, a few parents, the host familiesand a few students, among them also the ones who hadonce been to Kiluvya, were standing at the airport, awaiting thearrival of two teachers, Luce E. Mushi, former headmistress of KiluvyaSecodary School and Franco M. Mavunde, new headmasterof Kiluvya Secondary School and two students, head girl Nuha I.Meena and head boy Erick C. Nyoni.Finally they appeared and we welcomed them, trying to givethem the same kindness and warmth that they had given us backin Tanzania. Looking into their eyes, we could see a mixture ofamazement, curiosity and admiration of what they had alreadyseen and what they were going to see. After a hearty welcomethey went home to their host families in order to get to knowthem and rest a bit.As it was still weekend, so the next day we went to the HamburgMarathon and in the evening we had a great barbecue in apark with everyone, the perfect opportunity to get to know eachother even better and to leave the Tanzanian visitors a little timeto relax.It was the starting shot for two memorable and eventful weeks.During the first week a lot of school activities were under waysince the centenary week of festivities (Jubiläumswoche) wasin full swing. On Monday the Tanzanian delegation was cordiallywelcomed by Mrs. Blütener, they got to know our school andhelped some classes with their project work. The first day endedwith a gorgeous concert: “Songs of the Century”, which, accordingto Erick, all Tanzanians really enjoyed. The next day started withthe project work and went on with the official reception at thetown hall, which the whole delegation attended. The day finishedwith a bus tour through Hamburg, which every one of themtruly enjoyed. Without doubt, they thought that Hamburg was abeautiful and magnificent city, but one opinion all of them sharedwas that: Hamburg was too cold. In fact, it was so cold that Erickhad to wear gloves, even though for us it was the first warmweek after the long and extremely cold winter. On Wednesday,our guests from Kiluvya met the two teachers from Chicago, Patand July, at Hadley’s for lunch. The representatives from Chicagoand of Kiluvya could exchange their views on what they had seenso far of Hamburg and the centenary festivities. It was the perfectopportunity for the Tanzanians and the Americans to get to knoweach others´ lifestyle and culture.After the flea market we all had a meeting because of ournewspaper project. During the festivity week all of us (some ofthe students who had been to Tanzania and some members ofthe Unesco – Group) were supposed to write articles about allthe events or make interviews, but all this in cooperation withErick and Nuha, so that in the end we could all could produce afestivities week’s newspaper together. Until late in the eveningwe were all at school, trying to give our articles the final touch,working on the layout or searching for the right pictures in orderto publish the newspaper on Friday. Honestly, it was a lot ofstress, though, it was a lot of fun, too. Admittedly, even thoughit was all pretty hectic, we all made a smashing newspaper andwere definitely a grandiose team.On Sunday morning the delegation made a trip to the fish market,where they could take a look at the crowd and the shoutingpeople, trying to sell their fish. Besides, they could also see theimpressive scenery of Hamburg’s harbour – an important place tohave been, when you are visiting Hamburg. With that, the weekof centenary festivities and therefore the first week for the Tanzaniansin Hamburg came quickly to its end.The next week was less “haraka, haraka” (hectic or quick) asthe guests described it, considering the fact that in Tanzania everythingis much more “pole, pole” – meaning life is slower and notSeite 76


as hectic. During the next three days, they all could experiencetypical German lessons as they all went to different classes. Itwas immediately clear to Erick and Nuha that the lessons and theway the teachers teach were completely different to what theywere used to. When I asked Nuha after a History lesson, whather impression was, she replied: “I really liked it. It is so differentcompared to Tanzania.”Unfortunately, it was a pity that Nuha and Erick could not alwaysjoin bilingual lessons, but they also had to join lessonstaught in German, where they could not follow as easily.Apart from attending classes, we showed our guests more ofHamburg, for instance they had a guided tour with Hintz andKuntz, exploring Hamburg from a completely different view: theviews of homeless people and their daily life. Additionally, ourguests visited the Miniatur Wunderland exhibition where theyalso had the chance to take a look at the Speicherstadt. In fact,they were incredibly fascinated by the exhibition and the Speicherstadt.On Wednesday afternoon, we split up: Erick went withsome of us to the cinema, watching “I love you, Phillip Morris”,whereas Nuha and I went to the waxworks museum Panoptikumand subsequently took a walk through Planten un Blomen. It wasamazing to see how happy and dazzled Nuha was by all theflowers. She appreciated all the plants so much more than wenormally do and that was so noticeable. It was really surprisingfor me to see how such “normal things” could make someoneso happy.The next day we all had a farewell party together at the bowlingalley Klinker. We all had a lot of fun together and it wasclear that none of us would ever forget these two weeks. Onlytwo days afterwards, very early in the morning, our guests´ planetook off and they started on their way back home. Withoutdoubt, this trip did not only broaden their horizon and changetheir views on a lot of things, but the way I see things as well.Whatever the future of our school partnership will be, one thingis clear: this return visit of our friends in Dar es Salaam definitelyboth strengthens our partnership and will last in our individualmemories.On 1st July, the official partnership (Städtepartnerschaft) betweenthe cities of Dar es Salaam and Hamburg was signed bythe cities´ respective mayors, Adam Omary Kimbisa and Ole vonBeust, in Hamburg’s town hall. Certainly, this was a big step forthe relationship between Dar es Salaam and Hamburg, boostingour school partnership as well. On the next day, our school washonoured to welcome Mayor Kimbisa and Deputy Mayor Goetsch.They took part in a panel discussion. Every student could askquestions about the city partnership like “What is the aim of thispartnership?” or general questions about Tanzania “What is differencebetween schools in Dar es Salaam and Hamburg?” About150 students sat in the assembly hall and listened attentively towhat Mayor Kimbisa in particular said. In only 60 minutes MayorKimbisa really managed to captivate us – all of us! He spoke withsuch conviction that we were all swept of our feet: “This partnershipdoes not depend on me or Mrs. Goetsch or on our governments!It is up to you! This partnership depends on you – all ofyou. Because you are the next generation – you are the future!” Itwas obvious that he believed in what he was saying. Frankly, heachieved something that hardly any politician can do nowadays,especially in the case of young people like us: he reached us! Iam pretty sure that every student sitting there in this hall feltcloser to Tanzania then ever before after these 60 minutes. Andeven though after the end of the panel discussion all the studentsrushed out of the assembly hall, it was still apparent that none ofthem had not been moved by Mayor Kimbisa’s words.Afterwards, the two mayors undertook an act of friendshipand understanding: They planted a Gingko tree in front of ourschool. According to Deputy Mayor Goetsch it might grow slowly,though continuously – in analogy to the partnership betweenDar es Salaam and Hamburg. Johann Wolfgang von Goethe oncewrote in his poem “Gingko Biloba” the following words that suitthis partnership:Ist es ein lebendig Wesen,Das sich in sich selbst getrennt?Sind es zwei, die sich erlesen,Dass man sie als eines kennt?So, in conclusion, one can surely state that these events havebeen a milestone both for the partnership between Kiluvya SecondarySchool and Helene Lange Gymnasium as well as thepartnership between Dar es Salaam and Hamburg.Seite 77

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