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Journal Berlin-Budapest 2002 - Heinrich - Humboldt-Universität zu ...

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DEUTSCH-UNGARISCHES SEMINAR <strong>2002</strong>Umweltschutz zwischenAutonomie und GlobalisierungUmwelt und Recht in Ungarn und DeutschlandJuristisches Austauschseminar zwischen der<strong>Humboldt</strong>-UniversitŠt <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> und der ELTE <strong>Budapest</strong>21.07. Ð 04.08. <strong>2002</strong> in <strong>Budapest</strong> und <strong>Berlin</strong><strong>Berlin</strong><strong>Budapest</strong>


HerausgeberRedaktionDruckJustus v. Daniels, Stefanie Stoff, Katharina SchwemmerProjektgruppe <strong>Budapest</strong> am Lehrstuhl Prof. Dr. B. Schlink<strong>Humboldt</strong>-UniversitŠt <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> Ð Juristische FakultŠtJustus v. Daniels, Stefanie Stofftripple a, <strong>Berlin</strong>Dieses Werk ist urheberrechtlich nicht geschŸtzt. †berset<strong>zu</strong>ng, Nachdruck, Entnahme,Speicherung oder sonstige Wiedergabe stehen jedermann offen, sind allerdings denHerausgebern durch Belegexemplar an<strong>zu</strong>zeigen. Vorausset<strong>zu</strong>ng ist die Angabe der Quelleund der Autoren.RŸckfragen an:Projektgruppe <strong>Budapest</strong> <strong>2002</strong> am Lehrstuhl Prof. Dr. B. Schlink<strong>Humboldt</strong>-UniversitŠt <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> Ð Juristische FakultŠt, Unter den Linden 9, 10099 <strong>Berlin</strong>e-mail: schlink@rewi.hu-berlin.de; justusdaniels@gmx.de


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGVorwortLiebe Leserin, lieber Leser,in Ihren Händen halten Sie die Dokumentation des zweiwöchigen Austauschseminars zwischenden juristischen Fakultäten der Eötvös Loránd Universität <strong>Budapest</strong> (ELTE) und der<strong>Humboldt</strong>-Universität <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong>. Dieses deutsch-ungarische Seminar fand zwischen dem21.07. und dem 04.08. <strong>2002</strong> in <strong>Budapest</strong> und in <strong>Berlin</strong> statt.Jeweils elf ungarische und deutsche Studenten arbeiteten <strong>zu</strong> dem Oberthema „Umweltschutzzwischen Autonomie und Globalisierung - Umwelt und Recht in Ungarn undDeutschland“. Die Seminararbeiten der Teilnehmer befassten sich im Schwerpunkt mit demUmweltvölkerrecht, einem Rechtsvergleich der nationalen Regelungen und Prinzipien desUmweltrechts und dem Umwelthaftungsrecht beider Staaten. Die Präsentation und Diskussionender einzelnen Arbeiten wurden ergänzt durch eine Reihe von Vorträgen, gehalten vonReferenten aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Nichtregierungsorganisationen.Im <strong>Journal</strong> wird <strong>zu</strong>nächst das Projekt vorgestellt, im zweiten Teil ist die fachliche Arbeit durchdie Zusammenfassungen der einzelnen Arbeiten und Vorträge dokumentiert. Die Arbeitensind nach den drei Workshops gegliedert, die sich jeweils auf ein Schwerpunktthema konzentrierthaben.Wir haben uns gefreut, dass dieses Seminar auch <strong>2002</strong> – <strong>zu</strong>m siebten Mal – stattfindenkonnte. Das Projekt wird durch Drittmittel finanziert, da<strong>zu</strong> liegt die Organisation des Seminarsin der Hand von Studenten. Diese Art des Projektes verleiht den zwei Wochen, in denendie Studenten sowie die Workshopleiter gemeinsam gelernt, gelebt, und vor allem eine andereStadt und Kultur erfahren haben, einen besonderen Charakter.Wir wollen allen Mitwirkenden herzlich danken, voran unserem Schirmherrn Prof.Dr.Bernhard Schlink. Dorothea Münchberg sowie Nikolaus Bertermann danken wir für dieorganisatorische Unterstüt<strong>zu</strong>ng. Dank gebührt natürlich den Workshopleitern Dr. Bardo Faßbender,LL.M., Zoltan Csehi und Torsten Dube, sowie den ReferentInnen A. Antypas, RóbertPollacsek, Dr. Judit Szántó, Gábor Koltay, Jürgen Keinhorst, Günter Gloser und Stefan Krug.Besonderer Dank gilt der Dr.-Meyer-Struckmann-Stiftung für die Ermöglichung des Projektesdurch ihre außerordentliche finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng und der Otto-Wolff-Stiftung, die demSeminar dieses Jahr mit einer großzügigen Spende <strong>zu</strong>m Erfolg verhalf.Eine interessante Lektüre wünschen die OrganisatorenJustus v. Daniels, Stefanie Stoff, Katharina Schwemmer, Julia Sonnevend und Csaba Györy3


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGGrußwortDas vorliegende <strong>Journal</strong> fasst die Ergebnisse des diesjährigen deutsch-ungarischen Austauschseminars<strong>zu</strong>sammen, das sich mit dem Umweltrecht in der Bundesrepublik Deutschlandund in Ungarn befasst hat. Die Erträge der Studenten wie auch die Vorträge der geladenenWissenschaftler, Politiker und Praktiker haben die rechtsdogmatischen Aspekte desThemas <strong>zu</strong>m Gegenstand, wobei besonders der Einfluss des Umweltvölkerrechts und dierechts- und sozialpolitischen Herausforderungen, denen dieser Bereich aktuell ausgesetztist, im Mittelpunkt des Interesses steht. Die Arbeiten reflektieren <strong>zu</strong>dem die durchaus unterschiedlichenErfahrungen und Probleme, die sich mit dem Thema Umwelt in Ungarn undDeutschland kurz vor dem Beitritt Ungarns <strong>zu</strong>r Europäischen Union verbinden.Der außerordentliche Charakter dieses deutsch-ungarischen Austausches liegt vor allem indem Engagement der Studenten, die das Seminar eigenständig planen und durchführen.Zudem sind Seminare, die in Kooperation mit den mittel- und osteuropäischen Staatengestaltet werden, besonders ergiebig, weil hier mit den Diskussionen häufig noch Neulandbetreten wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können im klassischen Sinn lernen, indemsie forschen.Dank gebührt <strong>zu</strong>nächst der Dr.- Meyer-Struckmann-Stiftung für die Grundfinanzierung undder Otto-Wolff-Stiftung für eine wichtige Ergän<strong>zu</strong>ngsfinanzierung. Besonders dankenmöchte ich den Workshopleitern Zoltan Csehi, Dr. Bardo Faßbender und Torsten Dube fürihre wissenschaftliche Betreuung und den Organisatoren Julia Sonnevend, Csaba Györy,Justus v. Daniels, Stefanie Stoff und Katharina Schwemmer für die wissenschaftliche undpraktische Durchführung des Seminars.<strong>Berlin</strong>, März 2003Bernhard Schlink4


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGInhaltImpressum 2Vorwort 3Grußwort 4Inhalt 5Projektvorstellung 6Programm 7Workshop 1: Internationale und europäische Bindungen des Nationalstaats 131. Entwicklungslinien des Umweltrechts in Europa von der Industrialisierung<strong>zu</strong>r Postmoderne 172. Wie spiegeln sich Nachhaltigkeitstheorien im Umweltrecht wider? 183. Zwischenstaatliche Kooperation und internationales „standard-setting“: 19Die Rolle der internationalen Umweltorganisationen4. Umweltrechtliche Kompetenzen der Europäischen Union 215. Die Europäisierung des nationalen Umweltrechts 236. Der Schutz der Umwelt in der deutschen Verfassung als Staatszielbestimmung 25und Leistungsrecht7. Das Umweltrecht in der ungarischen Rechtsordnung, unter Berücksichtigung 27der Entscheidungen des VerfassungsgerichtsWorkshop 2: Umweltrecht im deutsch-ungarischen Vergleich 291. Struktur des deutschen Umweltrechts – Kompetenzen und Rechtsgebiete 312. Struktur des ungarischen Umweltrechts 323. Prinzipien des deutschen Umweltrechts 344. Prinzipien des ungarischen Umweltrechts (Schwerpunkt: Planprinzip) 365. Rechtliche und außerrechtliche Instrumente im Umweltschutz in Deutschland 396. Politische Akteure und Zivilbewegungen des Umweltschutzes in Ungarn 407. Grenzen des Rechts im Umweltschutz 42Workshop 3: Umweltrelevante Risiken und Schäden1. Formen zivilrechtlicher Haftung im Umweltrecht in Ungarn 472. Individualschutz zwischen privatem und öffentlichem Recht 493. Öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche im ungarischen Recht 514. Atomausstieg Deutschlands aus rechtlicher Sicht 525. Haftung für grenzüberschreitende Umweltschäden in Ungarn – insbesondere der Fall„Theißverschmut<strong>zu</strong>ng“ 53Vorträge 57Verfassung der Republik Ungarn 65Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 735


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGProjektvorstellungBilaterale ZusammenarbeitDas Austauschseminar zwischen den juristischen Fakultäten der <strong>Humboldt</strong>-Universität <strong>zu</strong><strong>Berlin</strong> und der Eötvös Loránd Universität (ELTE) in <strong>Budapest</strong> ist Bestandteil des NetzwerkesStudentischer Austauschprojekte oder kurz Netzwerk Ost-West (NOW). Dieses an der juristischenFakultät der HU angesiedelte Programm betreut Austauschseminare mit Universitätenin <strong>Budapest</strong>, Moskau, Riga, St. Petersburg und Tblisi (Georgien). 1991 fand das erste Seminardieser Art mit der Gründung der Cooperation for Peace (CfP) und einem deutschlettischenAustausch statt. Seither sind Kooperationen <strong>zu</strong> den übrigen Universitäten aufgebautworden, wobei die bilateralen Programme jedes Jahr stattfinden. Die fachliche Betreuungder Seminare mit Riga, St. Petersburg und Tblisi liegt bei Prof. Dr. Detlef Krauß, Prof.Dr. Alexander Blankenagel betreut das Seminar mit Moskau.Das deutsch-ungarische Seminar untersteht der Schirmherrschaft von Prof. Dr. BernhardSchlink. Es existiert seit 1996 und setzt den seit 1994 bestehenden Kontakt zwischen Prof.Dr. Schlink und Prof. Dr. Imre Takács, ELTE <strong>Budapest</strong>, fort.In dem Zeitraum vom 21. Juli bis <strong>zu</strong>m 4. August <strong>2002</strong> arbeiteten insgesamt 30 Teilnehmergemeinsam <strong>zu</strong>m Thema „Umweltschutz zwischen Autonomie und Globalisierung – Umweltund Recht in Ungarn und Deutschland“. Das Seminar befasste sich thematisch mit einemVergleich des Umweltrechts in Ungarn und Deutschland, den umweltschutzpolitischen Herausforderungendes jeweiligen (Verfassungs-) Rechts, dem Umweltvölkerrecht sowie demUmwelthaftungsrecht.Die studentische Organisation erfolgte durch Csaba Györy und Julia Sonnevend auf ungarischersowie Justus von Daniels, Stefanie Stoff und Katharina Schwemmer auf deutscherSeite. Die Seminarteilnehmer, Studierende der Rechtswissenschaften, stammten <strong>zu</strong> gleichenTeilen aus beiden Ländern und waren im Vorfeld von den jeweiligen Organisationsteamsausgewählt worden.Dem bilateralen Charakter entsprechend, fand das Seminar in beiden Ländern statt. DieSeminarteile – in der ersten Woche abgehalten in <strong>Budapest</strong>, in der zweiten Woche in <strong>Berlin</strong>– folgten unmittelbar nacheinander.Struktur des SeminarsIn studentischer Verantwortung erfolgten die Planung des Seminars, insbesondere die thematischeGestaltung, die Sicherstellung der Finanzierung sowie die Durchführung. Dem Seminarging eine intensive Vorbereitungsphase voraus.Die fachliche Betreuung übernahmen dabei wissenschaftliche Mitarbeiter beider Universitäten,Dr. Bardo Fassbender, LL.M. (Workshop 1), Torsten Dube (Workshop 2) sowie ZoltánCsehi (Workshop 3). Unter ihrer Leitung wurden deutsch-ungarisch gemischte Workshopsabgehalten. In deren Mittelpunkt stand die Diskussion jeweils einzelner Aspekte des gewähltenThemenbereichs auf der Grundlage der Seminarreferate. Diese Arbeit in Kleingruppenwar das zentrale Element des Seminars. In Plenarveranstaltungen wurden die Ergebnisseder Workshops vorgestellt.Im Vorfeld hatten die fachlichen Betreuer u.a. auch bei der Auswahl der Einzelthemen mitgewirktund die Studierenden bei der Ausarbeitung der Seminararbeiten betreut.6


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGFinanzierungErmöglicht wurde das Seminar maßgeblich durch die großzügige Spende der Dr.- Meyer-Struckmann-Stiftung, durch die die Grundfinanzierung sichergestellt werden konnte. Außerdemwurde das Seminar durch eine Spende der Otto-Wolff-Stiftung unterstützt.Teilnehmende Studierende hatten einen Kostenbeitrag von 200,- € auf deutscher Seite und50,- € auf ungarischer Seite <strong>zu</strong> tragen.weitere Informationen unter: www.netzwerk-ost-west.deProgramm<strong>Budapest</strong> 21. Juli – 28. Juli <strong>2002</strong>, <strong>Berlin</strong> 28. Juli – 4. August <strong>2002</strong>So, 21. Juli <strong>2002</strong>07.41 Uhr Abfahrt der deutschen Teilnehmer von <strong>Berlin</strong> Ostbahnhof19.58 Uhr Ankunft am Bahnhof Nyugati in <strong>Budapest</strong> und Empfang durchdie ungarischen Teilnehmer,Ein<strong>zu</strong>g in das Studentenwohnheim „István Bibó“21.00 Uhr Zusammentreffen im Bibó: Begrüßung, AbendessenMo, 22. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück im Bibó10.00 Uhr Vortrag von A. Antypas, PhD an der Central European University(CEU), <strong>Budapest</strong>: „Ecological Environment“11.30 Uhr Rundgang durch die CEU12.00 Uhr Mittagessen in der Mensa der CEU14.00 Uhr Besuch der Deutschen Botschaft, Zusammentreffen mit demReferenten für Politik Volker Voss16.00 Uhr Eröffnungsplenum im Senatssaal der ELTE: „Entwicklungsliniendes Umweltrechts in Europa von der Industrialisierung bis <strong>zu</strong>rPostmoderne“19.00 Uhr Abendessen im Restaurant „<strong>Berlin</strong>er“Di, 23. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück10.00 Uhr Stadtrundfahrt mit Bus und Führung, u.a. Besuch der Budaburg13.00 Uhr Mittagessen in der Mensa ÀF15.00 Uhr Workshoparbeit im „Bibó“19.00 Uhr Abendessen im Restaurant „Fat Mo´s“21.00 Uhr Jazzkonzert im „Fat Mo´s“7


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGMi, 24. Juli <strong>2002</strong>07.30 Uhr Frühstück08.00 Uhr Ausflug mit dem Bus nach Balatonlelle am Plattenseevormittags sonnen14.00 Uhr Vortrag von Róbert Pollacsek, Politischer Beobachter der EU:„Beitritt Ungarns <strong>zu</strong>r Europäischen Union“19.00 Uhr Weinprobe20.00 Uhr Abendessen in Balatonlelle22.00 Uhr Rückfahrt nach <strong>Budapest</strong>Do, 25. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.00 Uhr Workshoparbeit im „Bibó“12.00 Uhr Mittagessen14.00 Uhr Besuch im Büro von Ombudsmann Barnabás Lenkovics,Vortrag von Dr. Judit Szánto:„Die Rolle des Ombudsmannes im ung. Parlament“16.30 Uhr Donauschifffahrt19.00 Uhr freies AbendessenFr, 26. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.00 Uhr Workshoparbeit im „Bibó“12.00 Uhr Mittagessen13.45 Uhr Besichtigung des ungarischen Parlamentsgebäudes mit Führung15.30 Uhr Vortrag von Gábor Koltay (CEU): „Economics and Environment,pollution rights and the market“ im Central Cafe19.00 Uhr Abendessen im Restaurant „Bécsi Szelet“Sa, 27. Juli <strong>2002</strong>09.00 Uhr Frühstückdanach Freizeit für alle Seminarteilnehmerab 18.00 Uhr Grill- und Abschlussparty im „Bibó“8


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGSo, 28. Juli <strong>2002</strong>10.05 Uhr Abfahrt vom Bahnhof Nyugati nach <strong>Berlin</strong>22.16 Uhr Ankunft in <strong>Berlin</strong> Ostbahnhof,Ein<strong>zu</strong>g in das Gästehaus „Feuerwache“23.15 Uhr Mitternachtssuppe in der „Feuerwache“Mo, 29. Juli <strong>2002</strong>08.45 Uhr Frühstück in der „Feuerwache“10.00 Uhr <strong>Humboldt</strong>-Universität <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> (HU): Begrüßung durch Prof. Dr.Bernhard Schlink13.00 Uhr Mittagessen in der Musikermensa15.00 Uhr Begrüßungsempfang im Wappensaal des <strong>Berlin</strong>er RathausesKurzvortrag Herr Bergfelder, Abteilungsleiter der Senatsverwaltungfür Stadtentwicklung: „Umweltprobleme im Land <strong>Berlin</strong>”16.30 Uhr Schifffahrt auf der Spree17.30 Uhr Stadtführung unter dem Themenschwerpunkt „Geteilte Stadt“19.30 Uhr Abendessen in einem indischen Restaurant im Prenzlauer Berg22.00 Uhr Fernsehturm: <strong>Berlin</strong> bei NachtDi, 30. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.45 Uhr Vortrag von RDir Keinhorst, Bundesministerium für Umwelt:„Osterweiterung als Chance für den Umweltschutz“ in einemSeminarraum des Pergamonmuseums11.30 Uhr Führung durch das Pergamonmuseum14.00 Uhr Mittagessen15.30 Uhr Plenum: „Grenzen des Rechts im Umweltschutz“ in der HUabends Boulespiel am Paul-Linke-Ufer in KreuzbergMi, 31. Juli <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.30 Uhr Workshoparbeit in der juristischen Fakultät11.45 Uhr Mittagessen13.30 Uhr Besuch des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäudemit Führung und Kuppelbesichtigung15.00 Uhr Gespräch mit MdB Günter Gloser (SPD)ab 16.30 Uhr Freizeit21.30 Uhr Open-Air-Kino in der Hasenheide „Italienisch für Anfänger“9


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNGDo, 1. August <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.30 Uhr Tagesausflug nach Potsdam: Spaziergang durch die Innenstadt(Holländisches Viertel) und Park Sanssouci13.00 Uhr Mittagessen in der Mensa der Universität Potsdam14.30 Uhr Baden im Schlachtensee19.00 Uhr gemeinsames Kochen in der „Feuerwache“Fr, 2. August <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.30 Uhr Workshoparbeit in der juristischen Fakultät13.00 Uhr Mittagessen15.00 Uhr Diskussionsrunde mit Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretungvon Greenpeace in <strong>Berlin</strong>17.00 Uhr Abschlussplenum in der HU„Der Atomausstieg in Deutschland aus rechtlicher Sicht“20.00 Uhr gemeinsames Kochen und Abschiedsparty in der „Feuerwache“Sa, 3. August <strong>2002</strong>08.30 Uhr Frühstück09.30 Uhr Arbeit am <strong>Journal</strong> innerhalb der Workshops in der „Feuerwache“ab 12.00 Uhr Freizeit20.00 Uhr Abschlussabend im Prater10


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtEINLEITUNG11


12Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Workshop 1:Internationale und europäische Bindungen des NationalstaatsWorkshopleitungDr. Bardo Faßbender, LL.M., HU <strong>Berlin</strong>WorkshopteilnehmerInnenEszter Biró, ELTE <strong>Budapest</strong>Anita Cséza, ELTE <strong>Budapest</strong>Andreas Hübinger, HU <strong>Berlin</strong>Laurent Kruppa, HU <strong>Berlin</strong>Tine Laufer, HU <strong>Berlin</strong>Andrea Musil, ELTE <strong>Budapest</strong>Hauke Schüler, HU <strong>Berlin</strong>Zsófia Tóth, ELTE <strong>Budapest</strong>13


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Workshop 1: EinführungI. AllgemeinesDie internationalen und europäischen Bindungen des Nationalstaats systematisierend, lassensich vier Schwerpunkte in unserer Arbeit festmachen: Zum ersten die Entwicklung desinternationalen Rechts, <strong>zu</strong>m zweiten die des europäischen Rechts und drittens und viertensdie Verfassungen von Deutschland und Ungarn in ihrem umweltrechtlichen Normenbestand.Diesen Schwerpunkten entsprechen verschiedene politische Regelungsebenen, die zwarvielfältig miteinander kooperieren, aber auf diese Weise keineswegs immer der tatsächlichenVerschachtelung umweltrechtlicher Topoi gerecht werden. Auf diese Weise werden regelmäßigentscheidende Zusammenhänge verkannt oder ignoriert. Zumindest in der Rechtswissenschaftlässt sich ein vergleichbarer Mangel konstatieren.Dieser Workshop stellte den Versuch einer umfassenden Betrachtung der Thematik in dembegrenzten Rahmen eines Seminars dar. Zunächst erwies sich als notwendiger und wichtigsterTeil unserer Arbeit, die Entwicklung umweltbezogener Legislativtätigkeit in einer Weise<strong>zu</strong> beschreiben, die die oben genannten vier Ebenen miteinander verbindet und gemeinsameEntwicklungen <strong>zu</strong> Tage treten lässt.Diese Arbeit soll hier in notwendig vereinfachter Weise nachvollziehbar gemacht werden.Trotz der bloß beschreibenden Art der Darstellung kann gezeigt werden, in welcher Weiseder Nachhaltigkeitsbegriff, der gegenwärtig seine geistesgeschichtliche Renaissance feiert,schon den Beginn umweltrechtlichen Denkens markiert. Dieser nachhaltigen Ökologie isteine ästhetische entgegengestellt worden, womit ein Feld aufgespannt wird, in dem sich dieÖkologie in den letzten eineinhalb Jahrhunderten bewegt hat und bewegt.Der andere Teil der Workshoparbeit lässt sich an diesem Ort nicht darstellen: Die Streitgesprächeum eine adäquate Beurteilung des konstatierten Befunds. Hier muss auf die in deneinzelnen Arbeiten entwickelten Thesen verwiesen werden.II. InhaltlichesDie ersten Formen normativen Umweltschutzes zielten vorrangig auf den Erhalt des Bestandesbestimmter Ökosysteme ab. Diese Erhaltungsfunktion wird als Element verschiedenerWirtschaftssysteme verstanden: Landwirtschaft / Forstwirtschaft / Jagd. Den Antrieb <strong>zu</strong>r Aufstellungdieser Normen gab der Wille <strong>zu</strong>r Sicherstellung der eigenen Lebensgrundlage. DasErgebnis war Ressourcenschonung. Wirtschaftliche Gesichtspunkte und Umweltgesichtspunktewaren <strong>zu</strong> dieser Zeit durch ein ökonomisch motiviertes Nachhaltigkeitskonzept untrennbarmiteinander verbunden. Beispielhaft für diese Normgebung ließe sich hier das ungarischeWaldgesetz von 1426 nennen.In Deutschland wurde im ausgehenden Mittelalter <strong>zu</strong>nehmend Haubergswirtschaft betrieben,d.h. man entfernte aus dem Forst regelmäßig eine bestimmte Menge Bäume, die man durchneue Pflanzen ersetzte.Diese Wirtschaftskonzepte waren zwar vielfältigen Änderungen unterworfen, erst im Zugeder Industrialisierung kam es <strong>zu</strong> einer unvergleichbar stärkeren Beanspruchung der natürlichenRessourcen; Umweltprobleme machten nicht mehr an den Ländergrenzen halt. Hiersetzte die Einsicht in die Notwendigkeit bilateraler Zusammenarbeit im Bereich der Umweltein.Durch die Verwüstung ganzer Landstriche entstand ein von ästhetischen und romantischenGesichtspunkten geprägter Umweltschutzgedanke. Heimatschutzverbände wurden gegründet,deren Ziel es war, die Schönheit einzelner Regionen <strong>zu</strong> erhalten. Erste Naturschutzgebietewurden gegründet.14


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Während der Weimarer Republik, Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland, wurde derUmweltschutz in die Verfassung, Art. 150 I, aufgenommen, unter Umweltschutz verstandman jedoch nur Denkmalschutz – ein ästhetisches Umweltschutzkonzept.Während des Nationalsozialismus stieg die Zahl der Naturschutzgebiete erheblich an, Landschaftsschutzwurde unter sozialen Gesichtspunkten betrieben, man wollte Erholungsgebietefür die Bevölkerung schaffen. Naturschutz als Element politischer Volkshygiene. Im Bereichdes Landschaftsschutzes lassen sich die Etappen: Romantik, Weimarer Zeit, 3. Reich, alsDreischritt ästhetischen Umweltschutzes beschreiben.1933 erließ die Regierung Hitlers jedoch das Tierschutzgesetz, das vom Gedanken einesethischen Tierschutzes geprägt war und noch heute Geltung besitzt, 1935 wurde dasReichsnaturschutzgesetz verabschiedet.Um das Bild nicht <strong>zu</strong> schief <strong>zu</strong> zeichnen, muss aber auch auf den erheblichen Ressourcenverbrauchdurch die nationalsozialistische Rüstungsindustrie hingewiesen werden.Zeitgleich kam es 1935 auch in Ungarn <strong>zu</strong>r Verabschiedung des ungarischen Naturschutzgesetzes.Bis <strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt lässt sich von einer ähnlichen Entwicklung im Bereich der Umwelt inDeutschland und Ungarn sprechen, nach Ende des zweiten Weltkrieges entwickelten sichdie von unserem Seminar betrachtete BRD und der ungarische Staat umweltrechtlich weitauseinander.In der ungarischen Verfassung von 1949 war der Umweltschutz zwar vorhanden, er war aberrealpolitisch nicht von großer Bedeutung, das Naturschutzgesetz von 1935 wurde nicht ü-bernommen.Nach dem Systemsturz 1989 sollte jedoch der schon 1949 in der Verfassung verankerteUmweltgedanke Grundstein für die spätere Umweltrechtsprechung des neugegründetenmachtvollen ungarischen Verfassungsgerichts werden, die die umweltrechtlichen Standardsin Ungarn beeinflusste.Auf internationaler Ebene kam es nach 1945 <strong>zu</strong> verstärkter Zusammenarbeit zwischen denStaaten, es wurden mehrere Organisationen gegründet, die sich mit dem Thema Umweltschutzin verschieden starker Intensität beschäftigen.Man erkennt grenzübergreifende Gefahren der Umweltverschmut<strong>zu</strong>ng und des Ressourcenverbrauchs,die durch die <strong>zu</strong>nehmende Vitalität der Globalisierung noch verstärkt wird. Innerhalbder Arbeit der internationalen Organisationen kommt dem Umweltschutz eine immergrößere Bedeutung <strong>zu</strong>.1972 kam es in Stockholm <strong>zu</strong>r ersten UN-Umweltkonferenz, dort wurde die UNEP, das Umweltprogrammder Vereinten Nationen gegründet. Die Kulisse für diese Konferenz bildengroße Umweltkatastrophen: Eutrophierung von Gewässern, technisch bedingte Umweltkatastrophen(Tankerunfälle u.ä.) und das Artensterben.Es kam <strong>zu</strong> einem Neuerwachen der Nachhaltigkeitsdiskussion, die schon am Ausgangspunktder Umweltrechtsentwicklung stand: menschliches Überleben ist nur dann möglich,wenn der Output aus den Ökosystemen stabil bleibt.In Stockholm kam es <strong>zu</strong> einem Zusammentreffen von 1. und 3. Weltstaaten, die verschiedenartigeProbleme und Herangehensweisen <strong>zu</strong>m Themenkomplex Umwelt hatten.Die Staaten der 1. Welt erkannten vor allem den Schutz der Umweltmedien als ökologischenTopos an, während die Staaten der 3. Welt die, heute nicht mehr bestrittene Meinung vertraten,dass Umwelt nur im Verbund mit einer nachhaltigen Entwicklungspolitik erfolgreichsein kann.Auf europäischer Ebene wurde 1972 in Paris eine Konferenz <strong>zu</strong>m Thema Umwelt veranstaltet,dies war die Geburtsstunde einer gemeinsamen europäischen Umweltpolitik. Die Zusammenarbeitder westlichen europäischen Staaten war auch unter dem Gesichtspunktsinnvoll, da sie sich in Umweltfragen nicht stark unterschieden.Die Europäischen Union beherrscht die Umweltpolitik der Vertragsstaaten seitdem durch ihreRichtlinienkompetenz.Zeitgleich gelingt es dem Club of Rome mit seiner 1972er Veröffentlichung „Die Grenzen desWachstums“ , eine neue Nachdenklichkeit gegenüber dem ökonomischen Wachstumsdogma15


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1an<strong>zu</strong>regen: Wirtschaftliches Wachstum kann nur verbunden mit nachhaltiger Entwicklunggewährleistet werden.Erstmals wurden von dem Mitgliedern des Club of Romes Rechnungen vorgestellt, die dieEndlichkeit irdischer Ressourcen in Daten fassbar machten. Einige dieser Rechnungenstellten sich als <strong>zu</strong> pessimistisch heraus, ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung nimmt diesjedoch nichts.In Konsequenz dessen kam es in der BRD 1972 <strong>zu</strong> ersten Bestrebungen, gefordert von derFDP-Fraktion, ein Umweltgrundrecht in der Verfassung <strong>zu</strong> verankern.Nachdem mit der Gründung der Grünen ein weiterer wichtiger Schritt getan war, betretenAnfang der 80er Jahre weitere Akteure die internationale/nationale Ebene des Bereichs Umwelt:die NGO´s, beispielhaft ließe sich hier Greenpeace nennen.Die Wende bewirkte in Deutschland einen starken Impuls legislativer Aktivität. Im Einigungsvertragder beiden deutschen Staaten wurden Forderungen nach einer Verfassungsänderunggestellt, das Staatsziel Umweltschutz im Visier.1994 wurde dann in Art. 20 a GG der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatszielbestimmt. Im Jahre <strong>2002</strong> wurde auch der Tierschutz in den Art. 20 a GG aufgenommen.In Ungarn ließe sich aus umweltlegislatorischer Sicht vor 1989 das 1976 verabschiedete Gesetzüber den Schutz der menschlichen Umwelt nennen.1989 kam es <strong>zu</strong> einer fast vollständigen Verfassungsänderung der Verfassung von 1949.Nach dieser Änderung wurden mehrere Umweltgesetze verabschiedet. Es gibt heute mehrereVerfassungsgerichtsentscheidungen, die den Charakter des Umweltrechts bestimmen.Gegenwärtig spielen aufgrund des Beitrittswunsches Ungarns <strong>zu</strong>r Europäischen Union dieRichtlinien der EU eine entscheidende Rolle. Hier<strong>zu</strong> verabschiedeten Ungarn und die EUeine Vereinbarung, dass Ungarn sein Recht entsprechend der Richtlinien der europäischenUnion verändern bzw. <strong>zu</strong>künftig verabschieden soll.Auf internationaler Ebene ist nach der Konferenz von Stockholm 1972 und dem damit verbundenengroßen Elan im Laufe der Jahre wieder Stille in das Thema Umwelt eingekehrt,der Schwerpunkt verlagerte sich auf die rechtliche Formulierung gewonnener Erkenntnisseund die nationale Umset<strong>zu</strong>ng getroffener Vereinbarungen.Neuen Schwung erhielt das Thema dann 1992 mit der UN-Konferenz in Rio <strong>zu</strong> Umwelt undEntwicklung: Hier wurde die Agenda 21 verabschiedet, die eine Handlungsverpflichtung fürdas 21. Jahrhundert darstellen soll.16


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Entwicklungslinien des Umweltrechts in Europa von derIndustrialisierung <strong>zu</strong>r Postmodernevon dr. Andrea Musil, ELTE <strong>Budapest</strong>Der Umweltschutz ist eine umfassendeAufgabe verschiedener Wissenschaftsfelder.Eines der Instrumente <strong>zu</strong>r Erreichungdieses Ziels ist das Umweltrecht. Es isteine junge Rechtsmaterie, die praktisch abMitte des 20. Jahrhunderts als eigenständigesRechtsgebiet existiert. Vorher gab eskein einheitliches Konzept für umweltbezogeneRechtsset<strong>zu</strong>ng. Im Feudalsystemspielten vielmehr wirtschaftliche Gründe,wie der Schutz beschränkter Naturressourcen(z.B. Bodenflächen, Wälder, Wiesen),die Hauptrolle. Umweltschutz wardabei nur eine Randerscheinung der Regelungen.Im Laufe der Industriellen Revolution warenumweltrelevante Regelungen ein zwangsläufigesErgebnis der wirtschaftlichen Entwicklung.Die industrialisierte Produktionund der Verkehr führten <strong>zu</strong>r Verursachungerheblicher Umweltverschmut<strong>zu</strong>ngen inLuft, Wasser und Natur. Außerdem entstandenimmer größere Mengen von Abfall.Es entwickelten sich deshalb verschiedeneInstitutionen und Methoden <strong>zu</strong>r Lösungdieser Probleme: Emissionsgrenzwertewurden festgelegt, Umweltbehörden etabliertund Genehmigungspflichten für allegewerblichen Tätigkeiten auferlegt. DieInstitutionen des privat-rechtlichen undverwaltungsrechtlichen Umweltrechts entwickeltensich dabei parallel.Trotz des ersten Umweltgesetzes 1968 inder DDR hat der sozialistische Weg für dasUmweltrecht eine Sackgasse gebildet. Eswurde verfassungsrechtlich festgelegt:Umweltbelange können keine Priorität vorden volkswirtschaftlichen Interessen haben.Die umweltbezogenen Normen wurdenin wenig bedeutenden Rechtsquellengeregelt und die Anforderungen an einengesamtheitlichen Umweltschutz bliebenunberücksichtigt.Heut<strong>zu</strong>tage ist der Umweltschutz eine Aufgabeauf mehreren Ebenen. Neben derRegelung in den einzelnen Ländern ist dasUmweltrecht in der Europäischen Unioneine umfassend geregelte Materie. Es wirdhier deutlich <strong>zu</strong>m Ausdruck gebracht, dassWirtschaftswachstum kein Endziel der Unionsein kann. Das ist schon ein großerSchritt nach vorn und Europa wird seitdemals eine „grüne Zone“ in internationalenBeziehungen bezeichnet. Hoffentlich wirddas alles nach der Erweiterung unverändertbleiben, aber die Schwierigkeit liegtdarin, dass sehr verschieden entwickelteLänder auf einen Mindeststandard gebrachtwerden sollen, der aber ziemlichhoch liegt. Die Regeln sind nicht nur <strong>zu</strong>harmonisieren, sondern auch effektivdurch<strong>zu</strong>setzen. Die „Neuen“ bräuchtendeshalb finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ngen undDerogationen, also Übergangsregelungen<strong>zu</strong>r Abhilfe für den Bereich des Umweltschutzes.Zwar handelt es sich hier nur um Europaund die europäischen Tendenzen, dochmuss man die globale Ebene auch erwähnen.Die größten Probleme des Umweltschutzeslassen sich effektiv nur auf derWeltbühne lösen. Es ist eine Frage derZukunft (und Gegenwart), ob die sehr unterschiedlichinteressierten Länder kooperierenkönnen oder dieses nur ein unfruchtbarerVersuch bleiben wird.17


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Wie spiegeln sich Nachhaltigkeitstheorien im Umweltrecht wider?von Laurent Kruppa, HU <strong>Berlin</strong>Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frageder Umset<strong>zu</strong>ng von Nachhaltigkeitstheorienim Umweltrecht. Handelt es sich umreine Rhetorik oder kommt Nachhaltigkeitals Leitmotiv in umweltrechtlichen Verträgenüber die Präambeln hinaus <strong>zu</strong>rGeltung?Im ersten Teil wird kurz die Entwicklungdes Begriffs der Nachhaltigkeit bis <strong>zu</strong>mheutigen Diskurs nachgezeichnet. Diesesschrittweise Eindringen der Problematik inden allgemeinen Sprachgebrauch spiegeltsich wider in den internationalen Verträgen<strong>zu</strong>m Umweltschutz. Diese sind Thema deszweiten Teils der Arbeit.Im dritten Teil wird anhand des Gesetzesfür den Vorrang erneuerbarer Energienversucht, die Elemente der Nachhaltigkeitin Relation <strong>zu</strong>r "juristischen" Realität <strong>zu</strong>stellen. Der vierte Teil befasst sich mit demStandpunkt der EU <strong>zu</strong>r Förderung derStromerzeugung aus alternativen Energien.Der Begriff der Nachhaltigkeit ist <strong>zu</strong> einemwichtigen Leitmotiv geworden. Er beeinflusstdas Recht, und über das Umweltrechtwird nachhaltige Energiepolitik ermöglicht.Im Bereich der alternativen Energienhat sich in der letzten Dekade eineenorme Entwicklung abgespielt.Im Ergebnis ermöglicht ein an Nachhaltigkeitsprinzipienorientiertes Recht die Entwicklungvon ressourcenschonender Industrie.18


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Zwischenstaatliche Kooperation und internationales „standardsetting“:Die Rolle der internationalen Umweltorganisationenvon Tine Laufer, HU <strong>Berlin</strong>1. Die Internationalen OrganisationenDie technische und wirtschaftliche Entwicklungder letzten 150 Jahre machte eineZusammenarbeit über die Grenzen dereinzelnen Staaten hinaus notwendig. Anfangswar das Thema Umwelt nicht im Focusder Arbeit der Internationalen Organisationen.Es gab bis 1972 keine sich nurmit dem Komplex Umwelt befassende Organisation.Mit <strong>zu</strong>nehmender Wichtigkeitdes Bereichs Umwelt haben sich die bereitsexistierenden Organisationen desThemas angenommen, es wurde in randbzw.weniger randständige Bereiche ihrerArbeit aufgenommen.2. Versuch der Definition der InternationalenUmweltorganisationenDas erste Problem taucht schon bei derDefinition des sehr weiten Begriffs Umweltauf.Umwelt ist die Gesamtheit des natürlichenwie kulturellen (u.a. technischen) veränderlichenLebensraumes des Menschen. Umweltschutzbedeutet die Gesamtheit allerMaßnahmen, die da<strong>zu</strong> dienen, die Umweltdes Menschen <strong>zu</strong> sichern und sie in einemZustand <strong>zu</strong> erhalten oder in einen <strong>zu</strong> bringen,der für ein menschenwürdiges Daseinerforderlich ist.Um das Aufgabenfeld der InternationalenUmweltorganisationen <strong>zu</strong> bestimmen,müssen Eingren<strong>zu</strong>ngen vorgenommenwerden.Aus<strong>zu</strong>gehen ist in erster Linie von den„klassischen Umweltmedien“ wie Wasser,Meeresumwelt, Luft, Boden, Klima, Pflanzen-und Tierwelt und die sich daran anknüpfendenBereiche: über die Umweltmedien(Wasser, Luft usw.), über die Umweltschutzobjekte(etwa Gesundheit, saubereEnergie usw.),über die schädlichen Umwelteingriffe(Schadstoffeinleitungen inFlüsse, Meere, Boden usw.), über die Umweltmaßnahmen(Verminderung der Luftverschmut<strong>zu</strong>ng,umweltfreundliche Werkstoffe,Umweltverträglichkeitsprüfung usw.)oder über umweltbezogene Handlungsweisen(technischer Umweltschutz, Finanzierungvon Umweltmaßnahmen, juristischerUmweltschutz usw.).Über diese Eingren<strong>zu</strong>ng läßt sich die Definitionder Umweltorganisation in Abgren<strong>zu</strong>ng<strong>zu</strong> den anderen internationalen Organisationenfinden.Internationale Umweltorganisationen sindinternationale Organisationen, die sich mitder Umweltproblematik im eigentlichenSinne, den Umweltmedien, deren Gefährdungenund den dadurch tangierten Umweltschutzgüternpraktisch, politisch, oderrechtlich in nicht ganz unwesentlichemUmfang befassen.3. Vorstellung einiger Umweltorganisationena) Das Umweltprogramm der VereintenNationen (UNEP)Die einzige sich nur mit Umweltaufgabenbeschäftigende Organisation. Sie wurde1972 in Stockholm auf der ersten UN-Umweltkonferenzgegründet. Ziel war es, diesich immer weiter ausbreitende und eherplanlos verlaufende Umweltarbeit der verschiedenenZentralbehörden der UN ineinen übergeordneten Rahmen ein<strong>zu</strong>passen.UNEP sollte keine neue Sonderorganisationsein, sondern eine globale Koordinationsstelle.Die Gesamtheit der Umweltbetätigungenvon UNEP stellt sich in zwei Hauptformendar:Schwerpunkt liegt bei den „non-operativeactivities“, bei denen UNEP nicht selbst„vor Ort“ tätig wird, sondern die Arbeit andererUmweltorganisationen steuert, siefinanziell unterstützt oder zentrale Dienstleistungenanbietet.Die „operative activities“, die UNEP selbstin Form von Einzelprojekten oder durchständige Arbeitszentren (den PAC´s)19


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1durchführt, die jedoch dem Prinzip derSubsidiarität folgend nur geringe Bedeutunghaben.Von der Vielzahl der anderen internationalenUmweltorganisationen sollen hier dieOECD als Organisation außerhalb des UN-Systems und die IMO als eine internationaleUmweltorganisation innerhalb desSystems der Vereinten Nationen vorgestelltwerden.b) OECD - Organisation for EconomicCooperation and DevelopmentAls Wirtschaftsorganisation beschäftigt sichdie OECD vorwiegend mit Aspekten desUmweltschutzes, die direkt oder indirektden Handel mit Waren berühren. Von dieserFrage ausgehend hat sich die OECDauch mit grundsätzlichen Umweltfragenbefasst.Die Mitgliedsstaaten der OECD umfassendie fortschrittlichsten Industrieländer. Somitbildet die OECD <strong>zu</strong>gleich ein Gegengewichtgegenüber den wirtschafts- und umweltpolitischenBestrebungen der wenigerentwickelten Länder.Hauptaktivitäten der OECD im BereichUmwelt sind: Biosafety, Probleme des Klimawandels,Energie, Transport, Zusammenspielzwischen Umwelt und Wirtschaft,Umweltverträge und ihre Instrumentarien,Umweltpolitik und soziale Aspekte, Managementder natürlichen Ressourcen, Abfälleund Umwelt und Handel.c) IMO-International Maritime OrganisationDer Schwerpunkt der Arbeit der IMO liegtbei marinetechnischen Fragen der Handelsschifffahrt.Die Organisation entwickelt einschlägigeRechtsvorschriften und internationale Regeln.Damit soll der <strong>zu</strong>nehmenden Meeresverschmut<strong>zu</strong>ngentgegnet werden.Insgesamt gesehen ist die „Dichte“ globalerUmweltabkommen im Meeresumweltbereicham höchsten, wie überhaupt das„Umweltmedium Weltmeere“ gemessen ander Zahl und dem Standard der AktivitätenInternationaler Organisationen, <strong>zu</strong> den begünstigtenUmweltmedien gerechnet werdenkann.Der IMO kommt deshalb im weltweitenUmweltrahmen neben UNEP eine zentraleRolle <strong>zu</strong>, sie gehört auch vom Umfang ihrer20Umweltarbeit her <strong>zu</strong> den bedeutendstenInternationalen Umweltorganisationen.4. Internationale UmweltstandardsProbleme des Umweltschutzes betreffenüberwiegend technische Fragen, so dasseine effektive internationale Bekämpfungder Umweltstörungen konkrete über allgemeineProgrammsätze hinausgehende,voll<strong>zu</strong>gsfähige technische Regeln voraussetzt.Standards sind dokumentierte Übereinkommen,welche genaue Angaben oderKriterien enthalten, die als Richtschnur(und mögliche rechtliche Grundlage) benutztwerden sollen, um sicher <strong>zu</strong> stellen,dass Materialien, Produkte, Herstellungsvorgängeoder bestimmte Dienstleistungenfür die Art ihres Gebrauchs geeignet sind.Technische Regeln und Standards <strong>zu</strong>mUmweltschutz werden oftmals im Rahmeninternationaler Übereinkommen festgesetzt.Dabei sind die Regeln nur selten imVertragstext selbst <strong>zu</strong> finden. Häufiger erfolgtdie Festset<strong>zu</strong>ng der Regeln, die meistder Ausfüllung und Konkretisierung eines indem Übereinkommen festgelegten allgemeinenKooperationsprogramms der Vertragsstaatendienen, in der Form eines Anhangs,dessen Inhalt gleichzeitig mit derFestlegung des endgültigen Konventionstextesbeschlossen wird, und der fortlaufenddurch besondere Änderungsverfahrender technischen Entwicklung oder neuenpolitischen Bedürfnissen angepasst werdenkann. Mitunter werden technische Regelnund Standards <strong>zu</strong>r Konkretisierung einzelnerVerpflichtungen der Konvention aberauch erst <strong>zu</strong> einem späteren Zeitpunkt,häufig von einer durch die Konvention geschaffenenKommission, festgelegt.Werden Standards im Rahmen internationalerAbkommen gleichzeitig mit dem eigentlichenKonventionstext festgelegt, kannihre Festlegung auf zweierlei Weise erfolgen:entweder durch Integration in denVertragstext selbst, was allerdings seltenist, oder durch die Aufnahme in einen Anhang<strong>zu</strong>r Konvention; das bei weitem häufigereVerfahren.Bei der gewöhnlich gleichzeitigen Festlegungdes Anhangs mit der Verabschiedungdes Konventionstextes weichen die Moda-


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1litäten <strong>zu</strong>r Revision oder Ergän<strong>zu</strong>ng der inden Anhängen enthaltenen Regeln fastimmer von dem für die Änderung des Vertragstextesvorgesehenen Verfahren ab.Entwickelt hat sich diese Praxis aus derEinsicht heraus, dass technische Regeln,sollten sie nicht mit der Zeit an Wirkungsfähigkeitverlieren, ständig an die sichwandelnden technischen Erkenntnisse unddie sich verändernden politischen und wirtschaftlichenBedürfnisse angepaßt werdenmüssen. Über den normalen, meist langwierigenWeg der Änderung einer internationalenKonvention hatte sich dies jedochals nicht gewährleistet erwiesen. Ausdiesem Grunde sind häufig für die Änderungender Anhänge flexiblere Verfahreneingeführt worden, vielfach verbunden mitder Errichtung einer Kommission, in derenKompetenzbereich die Anpassung der Anhängefällt.Von beachtlichem Umfang ist auch derBestand an technischen Regeln und Standards<strong>zu</strong>m Schutz der Umwelt, die von internationalenOrganisationen und Kommissionen,von teils bilateraler Zusammenset<strong>zu</strong>ngerlassen worden sind. Solche Regelnvariieren je nach Aufgabenbereich undKompetenz der betreffenden Organisationsowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auchder Form ihres Zustandekommens.Entsprechend der unterschiedlichen rechtlichenBefugnisse der Organisationen undKommissionen variieren auch die Verfahren<strong>zu</strong>r Festlegung der technischen Regelnund Standards. Teilweise erfolgt dieseFestset<strong>zu</strong>ng im Rahmen internationalerUmweltschutzübereinkommen, entwederals Konventionsentwurf oder in Form vonAnnexen <strong>zu</strong> internationalen Übereinkommen,mit deren Durchführung und Überwachunghäufig bereits bestehende Organisationenoder speziell darin errichteteKommissionen betraut werden.Wie aufgezeigt sind heut<strong>zu</strong>tage viele derUmweltbereiche mit Regelungen besetzt,die Umweltarbeit hängt aber von der staatlichenUmset<strong>zu</strong>ng ab, die nur schleppendvorangehtund im weltweitem Rahmen extremenSchwankungen unterworfen ist. Umweltarbeitbesteht heute weniger in der Ausarbeitungvon Regeln, denn in dem Versuchdie bestehenden Regeln um<strong>zu</strong>setzen undan deren Effizienz <strong>zu</strong> arbeiten.Umweltrechtliche Kompetenzen der Europäischen Unionvon Anita Cséza, ELTE <strong>Budapest</strong>Zunächst werden die wichtigsten Dokumenteder EG im Bereich des Umweltrechtsbeschrieben. Darauf folgt eine Darstellungder Entwicklung der Kompetenzender Gemeinschaft auf dem Gebiet der Umwelt.Im Lauf der rasanten wirtschaftlichen Entwicklungin Westeuropa in den `60er und`70er Jahren verankerte sich das Umweltbewußtseinimmer mehr bei den europäischenBürgern und so auch auf der politischenEbene der EG.Da die Umweltverschmut<strong>zu</strong>ng keine Grenzenkennt, ist eine internationale Zusammenarbeitnötig geworden. Daneben verhindertendie voneinander abweichendenumweltrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaatenden Ausbau des Binnenmarktes.Auf der Gipfelkonferenz von Paris1972 haben die Staats- und Regierungschefsein Umweltaktionsprogramm beschlossen.Das kann als Geburtsstundeder gemeinschaftlichen Umweltpolitik angesehenwerden.Da es keine umweltrechtliche Grundlagegab, hat die Gemeinschaft in den `70er und`80er Jahren bezüglich des BinnenmarktesAktionsprogramme beschlossen, die die21


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Harmonisierung der nationalen Regelungenunterstützten. Diese „weichen“ Regelungen(weich, weil sie keine rechtliche, nurpolitische Verpflichtungen hatten) habensich nicht als effektiv genug erwiesen. Bis<strong>zu</strong>r EEA (Einheitliche Europäische Akte)galten drei Umweltaktionsprogramme. Daserste bestimmte die Ziele und Prinzipiender gemeinschaftlichen Umweltpolitik, diebeiden folgenden enthielten Bestimmungen,die in dem ersten nicht festgelegtwurden, aber für den Voll<strong>zu</strong>g der Umweltpolitiknotwendig waren.Daher erließ die Gemeinschaft kraft ihrerKompetenz verpflichtende umweltrechtlicheRegelungen. Diese Kompetenz beinhaltet,dass ein konkretes Ziel alle solche weiterenKompetenzen eröffnet, welche für ihreAusübung erforderlich sind. Daraus folgendbestätigten die in den Römischen Verträgenformulierten Ziele und Aufgaben dieumweltpolitischen Kompetenzen der Gemeinschaft.Daneben konnte die Gemeinschaft auchauf Artikel 235 EG-Vertrag verweisen. DieserArtikel verleiht der Gemeinschaft <strong>zu</strong>rVerwirklichung ihrer Ziele Rechtsgestaltungskompetenz.So sichert er eine allgemeineErmächtigung für die Rechtsset<strong>zu</strong>ngder Gemeinschaft. Die Einheitliche EuropäischeAkte fügte einen gesondertenUmwelttitel in den EG-Vertrag ein. Dieserbildete die Rechtsgrundlage für die Umweltkompetenzender Gemeinschaft. Zweiwichtige Punkte dieses Titels waren:1. die Bestimmung der Handlungsebene2. und das Integrationsprinzip.Die Bestimmung der Handlungsebene beinhaltetdas spätere Subsidiaritätsprinzip.Das bedeutet, dass eine gemeinschaftlicheTätigkeit in der Umweltpolitik nur dann erlaubtist, wenn die gegebene Aufgabe aufder mitgliedstaatlichen Ebene nicht effektiv<strong>zu</strong> erfüllen ist. Diese Bestimmung ähneltdem im ersten Umweltaktionsprogrammfestgelegten 10. Prinzip. Beide formulierendas Kriterium der Effektivität beim Auswählender Handlungsebene.Das Prinzip der Integration bedeutet hingegen,dass die Umweltpolitik auch die anderenPolitiken der Gemeinschaft in Betrachtziehen soll. (Es ist dabei interessant, dassdie Notwendigkeit der Umweltregeln bishermit dem wachsenden Binnenmarkt begründetwerden, und jetzt beschränkt geradedie Umweltpolitik in gewisser Weise dieFreiheit des Binnenmarktes.)Der nächste Entwicklungsschritt der Umweltregelungender EG bildete der Maastricht-Vertrag.Der Vertrag betonte das Integrationsprinzipstärker. Ab jetzt wurde dieUmweltpolitik in sämtlichen Politiken undOrganisationen der Gemeinschaft als bestimmenderFaktor anerkannt.Auch das Subsidiaritätsprinzip wurde eingeführt,so dass die Praxis, die bisher inder Umweltpolitik herrschte, auf alle gemeinschaftlichenPolitiken erweitert wurde.Der Maastricht-Vertrag bezog neue Gebietein die Kompetenzen der Umweltpolitikein. Er ermöglichte die gemeinschaftlicheTätigkeit auf dem Gebiet der Bodennut<strong>zu</strong>ng,der Städte- und Regionalentwicklungund der Energiepolitik.Besonders hervor<strong>zu</strong>heben ist jener Begriffder Kompetenz innerhalb der EG, der bedeutet,dass das Organ, welches über eineKompetenz verfügt, für sich eigene Kompetenzendefinieren kann (Kompetenz-Kompetenz).Die Organe der EG haben nämlich keineErmächtigung da<strong>zu</strong>. Ihre Wirkungsbereichekönnen nur durch die Modifizierung der alsVerfassung <strong>zu</strong> betrachtenden Verträge vonRom oder Maastricht geändert werden,wo<strong>zu</strong> nur die Staats- und Regierungschefsder Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben.Hingegen hat die Gemeinschaft die Möglichkeit,auf solchen Gebieten, welche verfassungsrechtlichnicht in ihren Wirkungsbereichgehören, Rechtsregeln <strong>zu</strong> schaffen.Umweltschutz ist <strong>zu</strong>r Zeit ein Gebiet in derEG, in dem die Mitgliedstaaten nur so weiteine Handlungsmöglichkeit haben, solangeauf diesem Gebiet die Gemeinschaft keineMaßnahmen durchführt oder keine Regelungenerläßt.Durch diese weitgehenden Kompetenzenkann die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten<strong>zu</strong> einem erhöhten Schutz der Umwelt22


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1zwingen, und in der Zukunft wird ein einheitlicherUmweltschutzstandard innerhalbder EG greifbar.Beitrittsländer und UmweltDie Staaten, die sich der Gemeinschaft anschließenmöchten (so auch Ungarn),müssen ihre Rechtsharmonisierung bis<strong>zu</strong>m Zeitpunkt ihres Beitritts beenden. Dasheißt, dass sie solche Regelungen einführenmüssen, die den gemeinschaftlichenRegelungen entsprechen. Die Beitrittsstaatenmüssen <strong>zu</strong>dem auch einen wirksamenVoll<strong>zu</strong>g der umweltrechtlichen Regelungensicherstellen. Die Rechtsharmonisierungbezieht sich nur auf die wichtigsten,gemeinschaftlichen Regelungen, diefür alle Mitgliedstaaten verpflichtend sind.Neben diesen Verpflichtungen haben dieseStaaten auch Optionen. Sie können vorübergehendeÜbergangsregelungen in Bereichenschaffen, die große Belastungenfür die Staaten darstellen. Die EU gibt auchUnterstüt<strong>zu</strong>ng im Interesse der entsprechenden,wirksamen Vollziehung der Maßnahmen.Die Europäisierung des nationalen Umweltrechtsvon Andreas Hübinger, HU <strong>Berlin</strong>Teils wird argumentiert, dass sich die Zieleder gemeinschaftsrechtlichen Umweltpolitikder Sache nach nicht von den Zielen derstaatlichen Umweltpolitik unterscheiden,wie sie auch in der Bundesrepublik betriebenwird. Fraglich scheint nach einer solchenAussage jedoch um so mehr, weshalbsich gerade die Bundesrepublik beider Umset<strong>zu</strong>ng so mancher Richtlinie (seies die UVP-RL betreffend, im Bereich desGewässerschutzes etc.) so schwer tut.So beschäftigt sich diese Seminararbeit <strong>zu</strong>nächstmit der Entwicklung eines europäischenUmweltrechts, unter Betrachtung derfünf Aktionsprogramme, die nach verbreiteterAnsicht zwar lediglich einen politischenSelbstbindungswillen <strong>zu</strong>m Ausdruckbringen, dessen Nichteinhaltung keinerleirechtliche Wirkung nach sich zieht. Dochmuss angemerkt werden, dass auch ohnerechtliche Bindungswirkung die Aktionsprogrammeder EG für den Umweltschutzkeineswegs bedeutungslossind, sondern diese vielmehr die Formulierungder vorrangigen – <strong>zu</strong>nächst politischen,jedoch in Rechtsform um<strong>zu</strong>setzenden- Ziele und Leitlinien der gemeinschaftlichenUmweltpolitik darstellen.Als Ziele im Rahmen dieser Aktionsprogrammesind vor allem <strong>zu</strong> nennen: Die Erhaltungdes ökologischen Gleichgewichts,der Schutz der Biosphäre, eine rationelleBewirtschaftung der natürlichen Ressourcen,die Berücksichtigung der umweltpolitischenZiele bei der Raumordnung, eineBeseitigung von Umweltbeeinträchtigungenan deren Quelle, die Förderung der Forschungin eine entsprechend umweltförderlicheRichtung, das Verursacherprinzip sowiedas Vorsorgeprinzip.Es lässt sich eine <strong>zu</strong>nehmende Tendenzausgehend von umweltmedienspezifischenKonzepten hin <strong>zu</strong> medienübergreifendenfeststellen, wobei neben der Umweltinformationsrichtlinie,der IVU-Richtlinie und derÖko-Audit-Verordnung vor allem die UVP-23


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Richtlinie – trotz aller Kritik – als Meilensteingefeiert wird, die über die bloße medienspezifischeAngleichung des nationalenUmweltrechts weit hinaus geht undteilweise grundlegende Änderungen desnationalen Umweltrechts bewirken wird.Zu bemängeln ist jedoch, dass zwischenden Vorgaben des EGV für die Umweltpolitikder EG und deren Umset<strong>zu</strong>ng in diePraxis eine „erhebliche Divergenz“ sowiedarüber hinaus bei den Mitgliedsstaatenein ebenso „erhebliches Voll<strong>zu</strong>gsdefizit“ beider Umset<strong>zu</strong>ng von Umweltschutzvorschriftender EG bestehen.Von „romanischem Voll<strong>zu</strong>g des EG-Rechts“ ist in diesem Zusammenhang inder Literatur die Rede. Gemeint ist damitdie Praxis, Gemeinschaftsrecht in kurzerZeit durch aufwendige Regelwerke in nationalesRecht um<strong>zu</strong>setzen, dieses aber aufder Ebene des Verwaltungsvoll<strong>zu</strong>gs nichtan<strong>zu</strong>wenden, eine Praxis, die es – andersals es der Name vermuten lässt – in nahe<strong>zu</strong>allen Mitgliedsstaaten <strong>zu</strong> rügen gibt.24Fraglich erscheint <strong>zu</strong>dem, wie der europäischeUmweltschutz mit Art. 28-31 EGV<strong>zu</strong>sammenspielt. Art. 28 EGV verbietetgrundsätzlich mengenmäßige Einfuhrbeschränkungenund Maßnahmen gleicherWirkung. Solche sind alle Maßnahmen, dieeine gänzliche oder teilweise Untersagungder Einfuhr oder Durchfuhr von Warenbeinhalten, wobei nach der Dassonville-Formel eine solche Maßnahme gleicherWirkung jede Handelsregelung ist, die geeignetist, den innergemeinschaftlichenHandel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlichoder potentiell <strong>zu</strong> behindern. Aufgrundihrer Weite erfasst die Dassonville-Formelvor allem produktbezogene, aber auchproduktions- und anlagebezogene Regelungenim Umweltbereich. Einige Ausnahmensieht Art. 30 EGV in einem abschließendenKatalog vor, der jedoch den Umweltschutz<strong>zu</strong>nächst unerwähnt lässt. Nachder Cassis-de-Dijon-Formel hingegen könnenmitgliedsstaatliche Regelungen, diegeeignet sind, den innergemeinschaftlichenWarenverkehr <strong>zu</strong> behindern – auch wenndie Vorausset<strong>zu</strong>ngen des Art. 30 EGV nichtgegeben sind – auch dann gerechtfertigtsein, wenn es sich bei ihnen um unterschiedslosauf eingeführte und einheimischeWaren anwendbare (nicht diskriminierende)Regelungen handelt, dienotwendig sind, um zwingenden Erfordernissengerecht <strong>zu</strong> werden. Zu diesen zwingendenErfordernissen zählt der EuGHauch den Umweltschutz, wobei jedoch derVerhältnismäßigkeitsgrundsatz <strong>zu</strong> wahrenist. Dieses Konzept ergibt sich vor allemaus der dänischen Pfandflaschenentscheidung(1988) sowie dem Rechtsstreitüber die Abfallbeseitigung in Wallonien(1990).Weiterhin bedeutend für das Fortschreitender Europäisierung des nationalen Umweltrechtsist die Rolle des Art. 174 II UA 1 S. 2EGV, der als umweltrechtliche Querschnittsklauselbezeichnet wird. Demnachberuht die Umweltpolitik der Gemeinschaft„auf den Grundsätzen der Vorsorge undVorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungenmit Vorrang an ihremUrsprung <strong>zu</strong> bekämpfen, sowie auf demVerursacherprinzip“. Diese Vorschrift wird,was ihre Bedeutung unterstreicht, im gesamtenEGV als einzigartig eingestuft, dasie die Organe der EG verpflichtet, z.B. inder Agrar-, der Verkehrs-, der Wettbewerbs-oder der Regionalpolitik die Erfordernissedes Umweltschutzes ein<strong>zu</strong>beziehen,wobei es sich nicht um ein Prinziphandelt, sondern um eine Regel, da füreinen bestimmtem Fall eine bestimmteRechtsfolge zwingend vorgegeben ist. EinVerstoß gegen dieses Erfordernis führt <strong>zu</strong>rRechtswidrigkeit der entsprechenden Maßnahme.Teils wird noch heute vertreten, dass durchdie Verwendung der Formulierung „Grundsätze“impliziert sei, es handele sich beiden genannten Normen nicht um rechtlichzwingende Normen für den Umweltschutz,aus denen sich unmittelbare Rechtsfolgenoder Handlungsangebote ableiten lassen.Jedoch spricht gegen diese Theorie bereits,dass die genannten Prinzipien, bzw.Grundsätze, in den Vertragstext aufgenommenwurden. Außerdem würde dieZielset<strong>zu</strong>ng, dass diese „Prinzipien“ für diegemeinschaftliche Umweltpolitik wegweisendsein sollen, verfehlt, soweit ihnenkeine rechtlich bindende Wirkung in beschriebenemSinne <strong>zu</strong>käme sowie dem


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Auslegungsgrundsatz, dass Rechtsaktender EG eine möglichst große praktischeWirkung <strong>zu</strong>kommen soll (effet utile) widersprochen.Dennoch wurde auf dem RostockerUmweltrechtstag 2000 betont, dassweder Unionsvertrag noch EGV einenGrundsatz eines integrierten Umweltschutzesenthielten. Lediglich im Bereich desRichtlinienrechts seien mit der bereits erwähntenIVU-RL und der UVP-RL Elementeeines integrierten Europarechts <strong>zu</strong>finden.Deutschland hat aufgrund der tiefen Verankerungdes europäischen Rechts im nationalenUmweltrecht dabei wohl keine andereWahl, als die Ansätze des EuropäischenRechts auf<strong>zu</strong>nehmen und sich nicht.vor ihnen <strong>zu</strong> verschließen, auch wenn <strong>zu</strong>bemängeln ist, dass etwa durch den häufigauftretenden programmatischen oder rahmenartigenCharakter vieler Umweltschutzrichtlinieneine Direktwirkung von nichtfristgerecht oder nicht ausreichend umgesetztenRichtlinien mangels inhaltlicherunbedingter und als hinreichend <strong>zu</strong> bezeichnendenBestimmungen in der seltenstenFällen möglich ist.Somit lässt sich <strong>zu</strong>sammenfassen, dassdie Herausbildung des EG Umweltrechts<strong>zu</strong> einem Prozess fortschreitender Europäisierungdes deutschen Umweltrechtsgeführt hat, aber noch ein langer Weg derUmset<strong>zu</strong>ng bevorsteht.Der Schutz der Umwelt in der deutschen Verfassung als Staatszielbestimmungund Leistungsrechtvon Hauke Schüler, HU <strong>Berlin</strong>Mit dieser Arbeit wird <strong>zu</strong>nächst in einer historischen Vorbemerkung versucht, die ökologischeVerfassungsgebung der Weimarer Zeit <strong>zu</strong> charakterisieren und auf ihre geistesgeschichtlichenWurzeln hin<strong>zu</strong>weisen. Der Normenbestand des GG bis 1994 wird aufgeführt. DerSchwerpunkt liegt jedoch in der Analyse der geltenden Verfassungsrechtslage: Zum einenwird eine dogmatische Abschichtung des umweltschützenden Gehaltes der Grundrechteangeboten und <strong>zu</strong>m anderen der Versuch unternommen, Art. 20a GG <strong>zu</strong> untersuchen und <strong>zu</strong>bewerten.I. Art. 150 I Weimarer ReichsverfassungDie Denkmäler der Kunst, der Geschichteund der Natur sowie die Landschaft genießenden Schutz und die Pflege des Staates.Die Kommentare <strong>zu</strong>r Verfassung von 1919paraphrasieren die genannte Vorschrift mitdem Begriff „Denkmalschutz“. In einer Reihungromantischen Geistes tritt die Naturneben die Geschichte und die Kunst alskulturbildende Phänomene. In einem ästhetischenund anthropozentrischen Heimatentwurflässt sich hier eine Natursemantikerkennen, die auf das volkshygienischeNaturverständnis des 3. Reichs vorausweist.Als für die WRV typischer Programmsatzwar Art. 150 I nicht justiziabel.25


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1II. Das Grundgesetza) KompetenzenDas Grundgesetz kennt <strong>zu</strong>nächst den Umweltschutznur als formale Kompetenz<strong>zu</strong>weisung(Art. 75 I Nr. 3, 4). 1972 wurde mitArt. 74 I Nr. 24 die verfassungsrechtlicheGrundlage für das BImSchG geschaffen.b) GrundrechteEin ausdrückliches Umweltgrundrecht existiertim GG bekanntlich nicht. AllgemeineGrundrechte können jedoch ökologischeSchutzwirkungen entfalten: Vorausset<strong>zu</strong>nghierfür ist jedoch, dass subjektive Grundrechtsbeeinträchtigungund Umweltbeeinträchtigungin eins fallen. Solange sie alsAbwehrrechte diskutiert werden, ergebensich verfassungsdogmatische Schwierigkeitenbei Grundrechtsgüterbeeinträchtigungendurch Private. Die Diskussion umeine adäquate Behandlung solcher Fällerankt sich primär um die verfassungsgerichtlicheRechtsprechung <strong>zu</strong>m Betreibenvon nukleartechnischen Anlagen: Entwederman formuliert eine starke Drittwirkungsthese,die unweigerlich mit der allgemeinenLehre und Rechtsprechung hier<strong>zu</strong> in Konfliktgerät, oder man rechnet nicht dasHandeln Privater dem Staat <strong>zu</strong>, sonderngreift auf die vom Bundesverfassungsgerichtentwickelte Schutzpflichtendogmatik<strong>zu</strong>rück. An diesem Punkt lassen sich zweiKategorien ökologischer Leistungsrechteentwickeln:Rechte auf Schutz und Rechte auf Organisationund Verfahren. Die Arbeit klärt inzwei Schritten den Bestand und die Justiziabilitätder Rechte auf Schutz. Sie versucht,aus der Verfassungsjudikatur dasSchutzniveau der Pflichten des Staatesallgemein <strong>zu</strong> bestimmen. Rechte auf Organisationund Verfahren werden in ihrer Bedeutungfür umweltrechtliche Genehmigungsverfahrendargestellt und im Rahmengerichtlicher Evidenzkontrolle als justiziabelerkannt.c) Art. 20a GG als StaatszielDer Staat schützt auch in Verantwortungfür die künftigen Generationen die natürlichenLebensgrundlagen und die Tiere imRahmen der verfassungsmäßigen Ordnungdurch die Gesetzgebung und nach Maßgabevon Gesetz und Recht durch die vollziehendeGewalt und die Rechtsprechung.Nachdem schon seit den 70er Jahren vereinzeltForderungen nach einer materiellengrund-gesetzlichen Norm <strong>zu</strong>m Umweltschutzerhoben wurden, begann die eigentlicheGenese der Vorschrift mit denKommissionen der legislativen Organe der80er Jahre. Die Kontroverse konnte erstAnfang der 90er Jahre eine positive Kraftentfalten, die 1994 mit der neuen BestimmungFolgen zeitigte.<strong>2002</strong> wurde ohne nennenswerte Kontroversender Tierschutz eingefügt. Inhaltlichstellt die Arbeit Art. 20a GG als Norm vor,die einen ökosystemaren Ansatz mit einemethischen Umwelt- und Tierschutz verbindet.Kritisch wird die Einschränkbarkeit desSchutzbereichs untersucht. In Ablehnunggroßer Teile der kommentierenden Literaturwird ein Stufenmodell <strong>zu</strong>r Anwendungvon Art. 20a GG skizziert. Art. 20a GGwird als Aufruf <strong>zu</strong> einer Ökologisierung allenStaatshandelns verstanden, der sichaus dem Nachhaltigkeitsgrundsatz, einemIndifferenz- und einem allgemeinen Rückschrittsverbot<strong>zu</strong>sammensetzt.In einer abschließenden Stellungnahmewird der Umweltschutz als Staatsaufgabebeschrieben, der der primären staatlichenSicherheitsfunktion <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen ist.26


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1Das Umweltrecht in der ungarischen Rechtsordnung, unterBerücksichtigung der Entscheidungen des Verfassungsgerichtsvon Zsófia Tóth, ELTE <strong>Budapest</strong>Die Arbeit gibt einen kurzen Überblick überden verfassungsrechtlichen Grund desUmweltrechtes in Ungarn. Das Verfassungsgerichthat dieses Recht von mehrerenAspekten geprüft, und hat viele wichtigeBestimmungen gemacht.Der Grund ist gelegt, die Praxis ist abernoch nicht hoch entwickelt. Ungarn brauchtnoch viel Zeit, bis das Denken der Menschensich ändert, danach haben wir eineChance, eine richtige Entwicklung im Bereichdes Umweltschutzes <strong>zu</strong> erreichen.1. Die Geschichte des Umweltrechtes inUngarnIn der Realität ist kein Umweltrecht erschienen,bis die Umweltprobleme nicht inBetracht genommen wurden, und bis dasRecht auf diese Probleme reagieren wollte.Das geschah erst im zwanzigsten Jahrhundert.Natürlich finden wir die Wurzeldes Umweltrechtes schon vor vielen Jahrhundertenauch, bei diesen Regelungenverband sich aber der Umweltschutz mitanderen Zielen, <strong>zu</strong>m Beispiel mit der Jagd,mit den Interessen der Industrie... Bis <strong>zu</strong>mletzten Drittel des zwanzigsten Jahrhundertswar der Umweltschutz in der Regelungimmer nur von untergeordneter Bedeutung,und es gab keine einheitliche Regelung.In den Neunziger Jahren muβte in Ungarnauch auf dem Gebiet des Umweltrechteseine Wende vollzogen werden. Die Gründedafür waren nicht nur die Unvollkommenheitendes Gesetzes, sondern auch dieGründe der gesellschaftlich-wirtschaftlichenWende, und zwar die Demokratisierung,der Anspruch der Marktwirtschaft, dieRechtsharmonisierung, und die Vergegenwärtigungder naturwissenschaftlichenErgebnisse.Im Jahre 1995 ist das neue Gesetz überdie allgemeinen Regeln des Umweltschutzesverabschiedet worden (LIII/1995). Dadas System der mit dem Umweltschutzverbundenen Forderungen sehr verzweigtist, gibt es neben diesem Gesetz nochweitere Gesetze über die Atomenergie, dieWälder, den Naturschutz, die Ackererdeetc.Die Wende in der Regelung des Umweltschutzesist noch nicht beendet, und aufdem Gebiet der Anpassung des Rechtssystemsgibt es auch noch viel <strong>zu</strong> tun.1.1.Rechtsquellen, in denen das Umweltrechterscheint:-Die Verfassung (20/1949)-Gesetze (über Umweltschutz, Atomenergie,Naturschutz, Müllbewirtschaftung). DerBegriff der Umwelt im Gesetz LIII/1995über die allgemeinen Regeln des Umweltschutzes:„Die Umwelt: die Elemente derUmwelt, deren Systeme, Vorgänge undStruktur.” [4. § (b)]-Verordnungen-Internationale Konventionen1.2. Das Umweltrecht in der ungarischenVerfassungArtikel 18: „Die Republik Ungarn erkenntdas Recht eines jeden auf eine gesundeUmwelt an und bringt es <strong>zu</strong>r Geltung.”Artikel 70/D: „(1) Diejenigen, die auf demTerritorium der Republik Ungarn leben,haben das Recht <strong>zu</strong> körperlicher und geistigerGesundheit auf höchstmöglichem Niveau.(2) Dieses Recht realisiert die RepublikUngarn durch die Organisation des Arbeitsschutzes,der Gesundheitseinrichtungenund der ärztlichen Betreuung, durch27


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 1die Sicherung eines regelmäßigen Körpertrainingssowie durch den Schutz der bebautenund natürlichen Umwelt.”2. Die Entscheidungen des ungarischenVerfassungsgerichtsDie erste Entscheidung, die sich auf dieArtikel 18. und 70./D. der Verfassung bezogenhat, war die 996/G/1990. Das Verfassungsgerichthat festgestellt, daβ vielerleiKonzeptionen des Umweltschutzesverfassungsmäβig sein können, es ist abernicht die Aufgabe des Gerichts, unter diesenMöglichkeiten <strong>zu</strong> wählen. Eine weiterewichtige Feststellung der Entscheidung ist,daβ die Erwähnung des Rechtes <strong>zu</strong> dergesunden Umwelt in den Artikeln 18. und70/D. der Verfassung nicht als Beschränkunginterpretiert werden kann.Die Entscheidung 28/1994 handelt von denProblemen der Entschädigung. Es wird derCharakter des Rechtes <strong>zu</strong> der Umwelt untersucht.Das Recht <strong>zu</strong> der Umwelt ist kein subjektivesGrundrecht, aber auch nicht nur einStaatsziel, dessen Erfüllungsmittel derStaat frei auswählen kann. Das Recht <strong>zu</strong>der Umwelt ist ein Recht von dritten Generationen.Es wird in der Verfassung als„Recht” erkannt, ebenso wie die unverletzlichenund unveräuβerlichen Grundrechtedes Menschen. Im Gegensatz <strong>zu</strong> diesenwerden die Staatsziele und Staatsaufgabennur „verteidigt”, „unterstützt”.Das Recht <strong>zu</strong> der Umwelt ist auch den sozialenRechten nicht ähnlich. Obwohl ausdiesen die Pflicht des Staates folgt, dieentsprechenden sozialpolitischen, kulturellenMaβnahmen <strong>zu</strong> schaffen, gibt es zwischenden Staatspflichten und den Grundrechteneine enge Verbindung. Die Verwirklichungder Sozialrechte geschiehtdurch die mit ihnen verbundenen Grundrechten.Das Recht <strong>zu</strong> der Umwelt ist von den obengenanntenverschieden. Dieses Recht ist inerster Linie der selbstständige Institutionsschutz,das heiβt, daβ es solch ein eigenartigesGrundrecht ist, dessen objektive,mit dem Institutionsschutz verbundeneSeite bestimmend ist. Auf dem Territoriumder Grundrechte findet man hier die sichauf den Umweltschutz beziehendenPflichten der Staaten. Wegen der Eigenartigkeitdieses Rechtes erfüllt der Staat dieAufgaben, die anderswo durch Grundrechteerfüllt werden, durch gesetzlicheund organisatorische Garantien.Das mit Rechtsnormen gesicherte Maβ desNaturschutzes darf der Staat nicht verringern,ausgenommen, wenn diese Verringerung<strong>zu</strong>r Geltendmachung anderer Grundrechteoder Werte unvermeidlich ist. DieVerringerung darf aber nicht unverhältnismäβigsein. Der Staat darf bei demRecht <strong>zu</strong> der Umwelt keine, von den wirtschaftlichenund gesellschaftlichen Umständenabhängende Fluktuation erlauben,wie bei den sozialen und kulturellen Rechten,bei denen die Beschränkungen späterumkehrbar sind.Die Entscheidung 29/1995 handelt vondem Verhältnis zwischen dem Recht <strong>zu</strong> derUmwelt und anderen Grundrechten. Siewirft verschiedene Fragen auf, <strong>zu</strong>m Beispiel:in welchem Maβe können andereGrundrechte im Interesse des Umweltschutzesbeschränkt werden, und umgekehrt:was für eine Beschränkung desRechtes <strong>zu</strong> der Umwelt <strong>zu</strong>lässig im Interesseanderer Grundrechte ist?Das Wesentliche dieser Entscheidung ist,daβ der Staat das erreichte Niveau desUmweltschutzes nicht verringern darf, odernur dann, wenn es <strong>zu</strong>r Geltendmachunganderer Grundrechte unvermeidlich ist. DerUmweltschutz ist wichtiger als das wirtschaftlicheInteresse.Die 48/1997 Entscheidung spricht überähnliche Probleme, wie die oben genanntenEntscheidungen. Es stellt fest, daβ dieInteressen der Privatisierung nicht wichtigersein dürfen, als die des Umweltschutzes.28


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Workshop 2:Umweltrecht im deutsch-ungarischen VergleichWorkshopleitungTorsten Dube, HU <strong>Berlin</strong>WorkshopteilnehmerInnenAnna Bérczi, ELTE <strong>Budapest</strong>Kristin Broszio, Uni PotsdamBianka Horváth, ELTE <strong>Budapest</strong>Dezsö Juhász, ELTE <strong>Budapest</strong>Lisa von Laffert, HU <strong>Berlin</strong>Swenja Rieck, FU <strong>Berlin</strong>Alexandra Tryjanowski, Uni PotsdamDetre Varga, ELTE <strong>Budapest</strong>29


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Workshop 2: EinführungWorkshop 2 beschäftigte sich <strong>zu</strong>m großen Teil mit den Grundlagen des deutschen und ungarischenUmweltrechts. Es galt, die Strukturen und wesentlichen Prinzipien des Umweltrechtsheraus<strong>zu</strong>arbeiten.Die Materie des Umweltrechts stellt sich dabei als besonders geeignet dar, die Systematikmoderner Gesetzestechnik nach<strong>zu</strong>vollziehen und verständlich <strong>zu</strong> machen. Wenngleich dieEntwicklung und Kodifizierung des deutschen Umweltrechts im eigentlichen Sinne – von denoben dargestellten Anfängen des Umweltrechts abgesehen – bereits in den Sechziger Jahrenbegann, gilt das Umweltrecht als moderne Gesetzesmaterie.Im Vergleich des deutschen und ungarischen Umweltrechts fällt eine bemerkenswerte Anzahlan Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Struktur und der umweltrechtlichen Grundprinzipienund Instrumente auf. Bei genauerer Betrachtung der Entwicklung insbesondere desungarischen Umweltrechts können diese Gemeinsamkeiten jedoch kaum verwundern. Dasdeutsche Umweltrecht hatte in vielerlei Hinsicht unmittelbar und mittelbar eine Vorbildwirkungfür die Entwicklung des ungarischen Umweltrechts inne. Unmittelbar, soweit Strukturenund umweltrechtliche Prinzipen als Muster der Kodifikation des ungarischen Umweltrechtsdienten. Mittelbar, soweit europäisches Umweltrecht, das auf das deutsche Umweltrechtmaßgeblichen Einfluss ausübte, "um<strong>zu</strong>setzen" war.Deutlich wurden auch die unterschiedlichen Einflüsse des europäischen Umweltrechts aufdie nationale Kodifikation des Umweltrechts: Während die Implementierung des europäischenUmweltrechts in die gewachsenen Strukturen des deutschen Umweltrechts teilweiseeinem Systembruch gleichkommt, ist die Einfügung europäischer Vorgaben im Vorgriff aufeinen Beitritt Ungarns <strong>zu</strong>r Europäischen Gemeinschaft vergleichsweise leicht, weil das ungarischeUmweltrecht keinen dem deutschen Recht vergleichbar hohen Komplexitätsgrad aufweist.Einen wesentlichen Teilbereich des Seminars stellte die Betrachtung der Umset<strong>zu</strong>ng desUmweltrechts in der Praxis dar. Ein wirksamer Umweltschutz setzt eine konsequente Anwendungumweltrechtlicher Vorgaben voraus. Gleichwohl lassen sich in der Praxis zahlreicheVoll<strong>zu</strong>gsdefizite feststellen. Im Interesse eines effektiven Umweltschutzes bedarf es daherstets einer genauen Prüfung, in welchem Umfang eine rechtliche Steuerung notwendigist oder außerrechtliche Instrumente effektiver eingesetzt werden können.30


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Struktur des deutschen Umweltrechts – Kompetenzen undRechtsgebietevon Lisa von LaffertMit der Arbeit soll dem komplexen RechtsgebietUmweltrecht durch Aufzeigen vonStrukturen und systematischen Gliederungsmöglichkeiteneine gewisse Übersichtlichkeitverliehen werden.Gemäß der Unterüberschrift des Themasliegt ein Schwerpunkt der Arbeit auf derEinordnung des Rechtsgebietes in dasdeutsche Rechtssystem. Damit gehen eineKlassifizierung des Umweltrechts sowie dieDarstellungen des Aufbaus und von Abgren<strong>zu</strong>ngen<strong>zu</strong> anderen Rechtsgebieteneinher, womit wiederum Grundlagen fürsystematische Einteilungen des Umweltrechtsselbst geschaffen werden.Zum anderen erfolgt eine Schwerpunktlegungauf die Kompetenzordnung im deutschenUmweltrecht, sowohl auf die Zuständigkeitenim Rahmen der Gesetzgebungals auch der Verwaltung.Schließlich werden die diesbezüglichenBetrachtungen für die Beantwortung derFrage nach der Realisierbarkeit eines umfassendenUmweltgesetzbuches herangezogen.Zentrale FragestellungenFolgende zentrale Fragestellungen wurdenan den Anfang gestellt:1. Ist das deutsche Umweltrecht ein eigenständiges,abgrenzbares Rechtsgebiet?2. Weist das deutsche Umweltrecht Strukturenauf und inwiefern scheinen Systematisierungensinnvoll?3. Welche Zuständigkeitsordnung herrschtim deutschen Umweltrecht?4. Ist eine sinnvolle Zusammenfassung derumweltrechtlichen Normen in einem UGBin Hinblick auf die strukturellen, entwicklungsbedingtenund kompetenzrechtlichenVorausset<strong>zu</strong>ngen praktisch möglich? Wennja, mit welcher Systematik?Untersuchungen und ErgebnisseHinsichtlich der ersten Fragestellung wurdefestgestellt, dass das deutsche Umweltrechtaufgrund des einheitlichen Schutzguts„Umwelt“ und der spezifischen Wertungenausreichende Abgren<strong>zu</strong>ngskriterienaufweist, um als eigenständiges Rechtsgebiet<strong>zu</strong> gelten. Die breite Verteilung vonumweltrechtlichen Normen gibt demRechtsgebiet seinen Querschnittsrechtscharakter.Zur Beantwortung von Frage 2 wurdenausgewählte Einteilungsmöglichkeiten desUmweltrechts aufgezeigt und untersucht;so Gliederung nach:- Umweltrecht im engeren und weiterenSinne- Regelungsebenen- materiellem und formellem Umweltrechtund- Umweltstraf-, Umweltprivatrecht und öffentlichemUmweltrecht.Es zeigt sich, dass sinnvolle Gliederungendes Umweltrechts durchaus möglich sindund eine größere Übersichtlichkeit leistenkönnen. Jedoch lassen sich Überschneidungenkaum umgehen.Bezüglich der sich in erster Linie aus demGrundgesetz ergebenden Zuständigkeitenim deutschen Umweltrecht liegt auch hierder Schwerpunkt der Gesetzgebungskompetenzenfaktisch beim Bund, der der Verwaltungs<strong>zu</strong>ständigkeitenbei den Ländern.Im Bereich der Gesetzgebung bestehenwiederum Abgren<strong>zu</strong>ngsprobleme; Überschneidungenwerden deutlich. Jedochsteht die Zuständigkeitsordnung derSchaffung einer umfassenden umweltrechtlichenKodifikation nicht entgegen.Bezüglich der Gesetzgebungskompetenzdes Bundes für ein UGB wird mit einer sog.Mosaikkompetenz argumentiert.31


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Bei der Frage nach der Realisierbarkeiteiner umweltrechtlichen Kodifikation werden<strong>zu</strong>nächst bestehende Entwürfe mitihren Strukturierungsvorschlägen vorgestellt,auf Grundlage derer nach der sinnvollstenGliederung gesucht wird.Daraufhin erfolgt eine Abwägung von VorundNachteilen eines UGB, wie Übersichtlichkeitund Weiterentwicklung auf der einen,Zerschneidung von Strukturen auf deranderen Seite. Da mit einer Kodifikation,die den Anspruch hat, die Weiterentwicklungeiner Rechtsmaterie <strong>zu</strong> fördern, einegewisse Zerschneidung bestehenderStrukturen und daraus resultierendeNachteile in Kauf genommen werden müssenund Entwicklungsstillstand auf einemRechtsgebiet kaum als Vorausset<strong>zu</strong>ng fürein Gesetzbuch gefordert werden kann, istdas deutsche Umweltrecht als „kodifikationsreif“an<strong>zu</strong>sehen. Aus Gründen der Ü-bersichtlichkeit wird vom Bearbeiter eineEinteilung des UGB in einen Allgemeinenund einen Besonderen Teil befürwortet.Struktur des ungarischen Umweltrechtsvon Dezsö Juhász, ELTE <strong>Budapest</strong>I. Theoretische Grundlegung: das Rechtder Umwelt und die Methode der umweltrechtlichenRegulierungDie Beschlüsse des Verfassungsgerichtesgehen <strong>zu</strong>m einen in die Richtung, welcheGrundrechte in Frage kommen und was füreine Reaktion darauf die Gesetzgebungzeigt. Nach der Verfassung:„Die Republik Ungarn anerkennt und bringt<strong>zu</strong>r Geltung für alle das Recht auf gesundeUmwelt” {18.§}. Das Recht auf gesundeUmwelt ist kein subjektives Grundrecht,aber bedeutet nicht bloß Verfassungsaufgabeoder Staatsziel, deren Mittel <strong>zu</strong>r Verwirklichungder Staat frei auswählen könnte,sondern Institutionsschutz. Das bedeutet,dass das Recht auf gesunde Umweltdie den Umweltschutz berührendestaatliche Verpflichtung auf die Ebene derGrundrechte hebt (gesetzliche und organisatorischeGarantien).Der Grund der Methode der umweltrechtlichenRegulierung ist die integrative Anschauung.Der Blick des Umweltinteressesmuss auf alle anderen Regulierungsbereicheeine Wirkung ausüben (äußere Integration).Die innere Integration des Umweltrechtesversucht mit den die Umwelt berührendenWirkungen einheitlich um<strong>zu</strong>gehen.Diese Anschauung macht Schluß mit dergetrennten Regulierung der einzelnen Umweltproblemeund betrachtet die ganzeUmwelt als Schutzobjekt. Das Problem derKompetenzintegration stellt die Frage: inwas für einem Maße es sinnvoll ist, dieUmweltschutzleitung und die Kompetenzenin die traditionelle Verwaltungsstruktur <strong>zu</strong>integrieren.Die Methoden der Geltung des rechtlichen,staatlichen Einfluss sind:– Der direkte Einfluss des Rechtes–Verwendung von wirtschaftlichen undMarktmitteln–Selbstregulierung (in rechtlichem Rahmen!)32


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2II. Die umweltrechtliche Regulierung inUngarn1. Den Umweltschutz betreffendeRechtsnormena, Das UmweltschutzgesetzDie generelle Quelle des Umweltschutzrechtesist das Gesetz Nr. LIII von 1995,das die allgemeinen Regeln des Umweltschutzesenthält. Das Gesetz erklärt prinzipielleThesen, weiterhin systematisiert esdie angewandten Rechtsinstitutionen. Derenwichtigsten Komponenten sind:- Präambel: klärt grundsätzliche Fragen- Die selbständigen Gebiete des Umweltrechtes:die Liste der verbundenen Rechtsvorschriften- Grundbegriffe, Grundprinzipien, Aufzählungmancher Umweltkompetenzen, Wirkungskreiseder staatlichen Organe undSelbstverwaltungen im Rahmen des Umweltschutzes,das Nationale Umweltschutzprogramm- Rechte im Zusammenhang mit der Behandlungder Umweltschutzinformation undÖffentlichkeit- Die wichtigsten Wirtschaftsmittel, dieRechtsinstitutionen der Umweltschutzverwaltung(z.B. umweltbezogene Wirkungsuntersuchung)b, Spezielle Rechtsvorschriften des UmweltschutzesDie oben erwähnten sonstigen Umweltschutzrechtsvorschriftenbefassen sich mitUmweltkomponenten (z.B. Wasser) oderFaktoren (z.B. die umweltverschmutzendenQuellen).Von diesem Gesichtspunkt aus sind diebedeutendsten Rechtsnormen, die:– über die Wasserbewirtschaftung– über die Luftsauberkeit– über den Ackerboden– über den Naturschutz– über die Abfälle– über den Geräusch- und Schwingungsschutz– über die gefährlichen Stoffe und Produkte– über die industriellen Unfallrisiken– über die Gestaltung und Schutz der eingebautenUmwelt sprechen.2. Die Rechtsinstitutionen der VerwaltungDie wichtigsten Mittel der Verwaltung sind:– Die Genehmigungen (z. B. Umweltschutzgenehmigung)– Die umweltbezogene Wirkungsuntersuchung– Die Umweltschutzüberprüfung– Die Umweltschutzleistungsbewertung– Die Umwelt<strong>zu</strong>standsprüfung– Grenzwerte– Produkt- und Technologiequalifizierung– Verpflichtungen, Einschränkungen– Die Verwaltungsrechtssanktionen (z. B.die Umweltschutzstrafe)3. Die Möglichkeiten des Zivilrechtesbeim UmweltschutzEinige Rechtsinstitutionen spielen eine bedeutendeRolle auch beim Umweltschutz.– Rechtsschutz von Personen– Schutz von körperlicher Unversehrtheitund Gesundheit– Recht <strong>zu</strong>r eigenen Wohnung– im Gewerberecht– Erfindungen (es darf für die den Umweltschutzinteressenschädigenden Erfindungenkein Patent gegeben werden)– Schutzmarken (umweltfreundliche Produkte)– Nachbarrecht– Verbot der unnötigen Störung– Besitzschutz– Schadensersatz4. Der Strafrechtsschutz der Umwelt– Umweltschädigung– Naturschädigung33


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Prinzipien des deutschen Umweltrechtsvon Alexandra Tryjanowski, Uni PotsdamDas deutsche Umweltrecht lässt sich "prinzipiell"an mehreren, ursprünglich umweltpolitischen,inzwischen auch rechtlich verankertenPrinzipien festmachen.Die sog. PrinzipientriasDas Vorsorgeprinzip, das Verursacher- unddas Kooperationsprinzip bilden die sogenannteumweltrechtliche Prinzipientriasund sind bereits im Umweltprogramm derBundesregierung von 1971 1 sowie vor allemim Umweltbericht 1976 2 <strong>zu</strong> finden.Als Leitvorstellung der deutschen Umweltpolitikerstmals rechtlich verankert wurdenVorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzipim Staatsvertrag über dieSchaffung der Währungs-, Wirtschafts- undSozialunion zwischen der alten Bundesrepublikund der Deutschen DemokratischenRepublik 3 in Art. 16 I 2. 4Diese Rechtslage wurde durch Art. 34 I desEinigungsvertrages 5 fortgeschrieben, sodass die Prinzipientrias - jedenfalls gegenüberstaatlichen Stellen - <strong>zu</strong> unmittelbargeltendem Bundesrecht geworden ist. 6Alle drei Hauptprinzipien umfassen einkomplexes System von möglichen Inhalten,deren genaue Bestimmung nicht unumstrittenist.Kurz gefasst kann darunter verstandenwerden:Vorsorgeprinzip: Umweltgefahren sollenmöglichst gar nicht erst entstehen unddeshalb durch vorausschauendes Handelnso weit wie möglich vermieden werden. 7Verursacherprinzip: Grundsätzlich istderjenige, der eine Umweltbeeinträchtigung,eine Umweltgefahr oder ein Umweltrisikoverursacht, dafür verantwortlich.Nach einem neueren, erweiterten Verständnisdes Verursacherprinzips sind demVerursacher nicht nur die Kosten auf<strong>zu</strong>bürden,sondern ist ihm auch die sachlicheVerantwortung für den Umweltschutz <strong>zu</strong>übertragen. 8Kooperationsprinzip:Nach dem Kooperationsprinzip arbeitet derStaat auf dem Gebiet des Umweltschutzesmit allen betroffenen und interessiertengesellschaftlichen Kräften (Unternehmen,Industrie- und Umweltschutzverbände,Bürger usw.) <strong>zu</strong>sammen. Ziel ist dabei, dieInformationslage der Beteiligten <strong>zu</strong> verbessern,die Akzeptanz und damit die Wirksamkeitumweltpolitischer Entscheidungen<strong>zu</strong> fördern und ein ausgewogenes Verhältniszwischen individuellen Freiheiten undgesellschaftlichen Bedürfnissen her<strong>zu</strong>stellen.9Neben der Prinzipientrias bestehen weitereumweltpolitische Prinzipien, die teils Konkretisierungen,teils Ausnahmen <strong>zu</strong> denHauptprinzipien bilden oder nur gebietsspezifischeBedeutung haben: 10- das Schutzprinzip / Gefahrenabwehrprinzip,- der Grundsatz der Nachhaltigkeit,- das Cradle-to-grave-Prinzip,- das Bestandsschutzprinzip / Verschlechterungsverbot,- das Vorsichtsprinzip ("in dubio pro securitate"),- das ökologische Abwägungsgebot und- das Prinzip der kontrollierten Eigenverantwortlichkeit.Von diesen gingen jedoch nur das Gemeinlastprinzipund bedingt auch der1 BT-Drs. VI/2710, S. 9ff2 BT-Drs. 7/5684, S. 8f3 BGBl. 1990 II S. 5184 Kloepfer/Brandner, Umweltrecht Rn. 4/35 BGBl. 1990 II S. 8856 Rehbinder, FS Sendler, S. 269 ff, 272;7 Ossenbühl, NVwZ 1986, 161, 1628 Schmidt/Müller Rn. 1/10;Hoppe/Beckmann/Kauch Rn. 1/81,UGB-AT-ProfE, S. 1459 Ossenbühl, NVwZ 1986, 161, 16210 Kloepfer/Brandner, Umweltrecht Rn. 4/134


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Nachhaltigkeitsgrundsatz als "offizielle"Prinzipien in Programme und Gesetzesbegründungenein. 11 Bei den anderen handeltes sich um Begriffsprägungen des Schrifttums,die, solange sie nicht gesetzlich verankertund <strong>zu</strong> unmittelbar verbindlichenund anwendbaren Rechtsprinzipien erstarktsind, nur den Charakter von umwelt- undrechtspolitischen Handlungsmaximen haben.12Das Verhältnis der drei HauptprinzipienuntereinanderVorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzipunterscheiden sich nicht nurinhaltlich, sondern liegen auch "auf verschiedenenEbenen". 13Das Vorsorgeprinzip zielt darauf ab, Umweltgefahrenbereits im Vorfeld ihrer Entstehung<strong>zu</strong> vermeiden und bezeichnet damitein "Primärziel". Demgegenüber beziehtsich das Verursacherprinzip vorwiegendauf ein Sekundärziel, nämlich dieLastenverteilung, das Kooperationsprinzipwiederum hat hauptsächlich instrumentelleAspekte. 14Aufgrund der unterschiedlichen Ansatzpunktestehen die Prinzipien also in einempotentiellen Spannungsverhältnis <strong>zu</strong>einander,besonders das Verursacherprinzip unddas Kooperationsprinzip, welches im Einzelfallvom Gesetzgeber gelöst werdenmuss. 1511 Kloepfer/Brandner, Umweltrecht Rn. 4/112 Bender/Sparwasser/Engel, Rn. 1/7913 Achterberg/Püttner, Bes. VerwR Bd. 2, S. 58814 Kloepfer/Brandner, Umweltrecht Rn. 4/415 Kloepfer/Brandner, Umweltrecht Rn. 4/435


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Prinzipien des ungarischen Umweltrechts(Schwerpunkt: Planprinzip)von Anna Bérczi, ELTE <strong>Budapest</strong>I.Die Rechtsgrundlagen sind meistens nichtnur spekulative, theoretische Folgerungensondern fassen die geltenden Tendenzen<strong>zu</strong>sammen und geben eine Direktive für dieRechtset<strong>zu</strong>ng und die Rechtsanwendung.Diese Arbeit orientiert sich an den Verordnungendes Ministers und der Regierungund am Verfassungsgericht. In der jetzigen“administrativen Phase” werden die gesetzlichenZiele durch Erlass von Rechtsverordnungenund Verwaltungsvorschriften,durch das Aufstellen von Umweltplänenund durch Einzelfallenentscheidungenkonkretisiert.Die zeitgemässen Umweltschutzgrundlagensind teils Folgerungen desnationalen Rechts einiger Länder, teilsProdukte der wissenschaftlichenForschungen und teils verkörpern sie dievölkerrechlichen Erwartungen.II.In Ungarn wurde das Gesetz über dieallgemeinen Regeln des UmweltschutzesNr. LIII. von 1995 erlassen. Das Gesetzerklärt grundsätzliche Fragen, und systematisiertRechtseinrichtungen, hauptsächlichauf dem Gebiet des Verwaltungsrechts.Die Präambel fasst die wichtigsten Fragendes Umweltschutzes <strong>zu</strong>sammen:→ Nationale Vermögenstheorie (Die Umweltgehört der Nation und keiner Regierung!)→ Das Prinzip der harmonisierten Entwicklung,also die nötigen Veränderungendes wirtschaftlichen Wachstums.→ und die Rechte und Pflichten der <strong>zu</strong>künftigenGenerationen.In meinem Aufsatz wird als Schwerpunktdas Planprinzip gewählt, denn das sechsteAktionsprogramm der EG für Umweltschutzempfahl Ungarn, das es sich auf:1. nachhaltige Entwicklung2. Massenverkehr3. Planmässigkeit4. und gesellschaftliches Bewusstseinkonzentrieren muß.III.A. Grundlagen der UmweltpolitikIn weiterem Sinne: das erste Umweltaktionsprogrammdes Europarates und83/1997 Parlamentbeschluss des nationalenUmweltschutzprogramms.B. FachgrundlagenDas sind die Grundlagen der Fachgebiete,die entweder in völkerrechtlichen Abkommen,oder im Fall der umfassendenRegelung der einzelnen umweltgefährdendenFaktoren – <strong>zu</strong>m Beispiel im Gesetzüber die Vermeidung und Entsorgung vonAbfällen Nr. XLIII. von 2000 - gefundenwerden können.C. Prinzipien des ungarischen Umweltrechts- 1994. Europarat: Umweltgesetzmodell fürdie Ostblockländer (7 Punkte, z. B. Verursacherprinzip,Biodiversität...)- und da<strong>zu</strong> noch Prinzipien aus Maastricht(Subsidiarität, Integration, Vorsicht, nachhaltigeEntwicklung, verteilte Haftung, hohesNiveau des Umweltschutzes.- ungarische Prinzipien1. die Prävention (Vorsorgeprinzip), dieVorsicht und der Schadensersatz2. die nachhaltige und harmonisierte Entwicklungbzw. Integration3. das Planprinzip4. die Verpflichtung und die Haftung desStaates5. das Kooperationsprinzip6. Verursacherprinzip36


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2IV.1. Vorsorgeprinzip: (6-8 § des G. Nr. LIII.von 1995)Mitteilung der Kommission: die Anwendbarkeitdes Vorsorgeprinzips. Vorsorge,Vorsicht (Freongase, Osonloch…), Präventionund Reparation.2. Integration bzw. die nachhaltige undharmonisierte Entwicklung: (43-44 § des G.Nr. LIII. von 1995)Wirtschaftliches Wachstum steuern oderverändern. (Gesetzespläne und Untersuchungsanalyse)3. Planprinzip (Schwerpunkt!)- Planungsprozesse (§ 40 Abs. 5 und § 47Abs. 4 des G. Nr. LIII. von 1995).- Informationssystem (staatliches monitoring),§ 49 Abs 1 des G. Nr. LIII. von 1995- Die Möglichkeiten der Planung bei denBeschlussfassungsstufen (staatlich, regional,lokal, Unternehmen).- Die Aufgaben der lokalen Selbstverwaltungenauf dem Gebiet des Umweltschutzes(Umweltschutzprogramm, Entwicklungsaufgaben...)4. Die Verpflichtung und die Haftung desStaates (§ 41 Abs. 5 des G. Nr. LIII. von1995)- Die Pflicht der Interessenverwirklichungdes Umweltschutzes- Haftung für die Gefahren und Schäden,welche die staatlichen Organe und durchdas staatliche Eigentum verursacht wurden.- Der Staat unterliegt in einzelnen Fällenohne direktem Interesse einer subsidiärenHaftung.5. Kooperationsprinzip (§ 10, 12, § 51 Abs.1, § 97-100 des G. Nr. LIII. von 1995)- Information, Umwelterziehung, Moral,Rechtsbehelfe, Informationspflicht vonStaatsorganen.- Die Teilnahme der Staatsbürger am Umweltschutz- Die Elemente der gesellschaftlichen Teilnahme- Teilnahme in Beschlussfassung der Verwaltungenbezüglich einzelner Fälle6. Verursacherprinzip (§ 9, 101, 102 des G.Nr. LIII. von 1995)Empfehlung des Rates vom 3. März überdie Kosten<strong>zu</strong>rechnung und die Interventionder öffentlichen Hand bei Umweltschutzmassnahmen.– Gesetz Nr. LIII. Von 1995.Das Verursacherprinzip will die Kosten <strong>zu</strong>rVermeidung, <strong>zu</strong>r Beteiligung, oder <strong>zu</strong>mAusgleich von Umweltbelastungen denSchadensverursachern <strong>zu</strong>rechnen („werverschmutzt, zahlt”).37


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Rechtliche und außerrechtliche Instrumente im Umweltschutzin Deutschlandvon Kristin Broszio, Uni PotsdamDer Umweltschutz und die bekannten Prinzipiendes Umweltschutzes können inDeutschland mit einer Vielzahl von umweltpolitischenInstrumenten durchgesetztwerden. Zu diesen Mitteln, die der Staateinsetzt, um ein Verhalten entsprechendden umweltpolitischen Zielen <strong>zu</strong> veranlassen,zählen sowohl rechtliche als auch außerrechtlicheInstrumente.Im Vordergrund stehen auch im UmweltschutzInstrumente der direkten Verhaltenssteuerung,wie z.B. Gebote oder Verboteim Rahmen der Gefahrenabwehr. DasUmweltrecht entwickelt aber <strong>zu</strong>nehmendcharakteristische Besonderheiten undbringt verstärkt Instrumente der indirektenVerhaltenssteuerung <strong>zu</strong>m Einsatz. Da<strong>zu</strong>gehören z.B. ökonomische Instrumente wieSubventionen und Abgaben, Planungsinstrumenteund sog. Zertifikatlösungen. Innerhalbdes Instrumentenkatalogs ist einWandel vom punktuellen Eingriff <strong>zu</strong>r vermehrtenAnwendung von indirekter Verhaltessteuerung<strong>zu</strong> beobachten.Die traditionellen Instrumente der direktenVerhaltenssteuerung sind vor allem gefahrenabwehrend.Neben den Ge- und Verbotenzählen <strong>zu</strong> ihnen die Anzeige-, Anmelde-und Erlaubnisverfahren, Handlungs-und Duldungspflichten. Als Vor<strong>zu</strong>gdieser Instrumente gilt ihre rechtsstaatlicheKlarheit durch determinierte Verhaltensmaßregeln,die bei Nichtbefolgen mit denMitteln des Verwaltungszwangs durchgeführtwerden können. Nachteilig wirkt sichallerdings der erforderliche hohe Informationsgradder Verwaltung aus. Zudem handeltes sich um eine Steuerung, die wenigAnreiz <strong>zu</strong>r Entwicklung umweltfreundlicher(er)Alternativen schafft.Die Schwächen der direkten Verhaltenssteuerunghaben in den letzten Jahren eineumfangreiche Diskussion über eine Erweiterungdes vorhandenen Instrumentariums<strong>zu</strong>gunsten der indirekten Verhaltenssteuerungausgelöst. Diese Instrumente nähernsich dem staatlichen Lenkungsziel, indemsie ausschließlich auf die Motivation derAdressaten Einfluss nehmen. Sie schaffenbei umweltgerechtem Verhalten vor allemwirtschaftliche Anreize. Gegenüber demBürger werden Verhaltenserwartungenformuliert, das unerwünschte Verhaltenbleibt aber rechtmäßig. Der Staat verzichtetalso auf die Illegalisierung bestimmter Verhaltensweisendes Bürgers, indem er dessenEigeninteresse am Umweltschutz mobilisiert.Umweltabgaben, die häufig zwischen Finanzierungs-,Lenkungs-, Nut<strong>zu</strong>ngs- undAusgleichsausgaben unterschieden werden,schaffen beispielsweise einerseitseinen Anreiz <strong>zu</strong> umweltverträglichen Verhaltensweisenund schöpfen andererseits<strong>zu</strong>gleich die finanziellen Vorteile ab, welchedem seine umweltbelastenden Tätigkeitenuneingeschränkt Fortsetzenden gegenüberdem in vergleichbarer Lage umweltschonendereMaßnahmen Ergreifenden erwachsen.Beispiele solcher Abgaben sinddie Abwasserabgaben, Waldabgaben, Abfallverbringungsabgaben.Solche Abgabensind bei den Politikern beliebt, weil eine mitumweltschützenden Zwecken „beladene“Abgabe von der Bevölkerung weitaus eherakzeptiert wird als eine allgemeine Steuererhöhung.Im Gegensatz <strong>zu</strong> den Abgabensollen die Umweltsubventionen Anreize fürumweltschonendes Verhalten schaffen,indem sie ein solches Verhalten „belohnen“.Denkbar sind Finanzhilfen wie Zuschüsse,Zuwendungen, rückzahlbareDarlehen, Bürgschaften, Garantien oderindirekt wirkende Verschonungssubventionendurch Steuervergünstigung oder Gebührenentlastung.Ein großer Nachteil ist38


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2jedoch das <strong>zu</strong>meist fehlende echte Interessedes Empfängers an der Vornahmevon Umweltschutzinvestitionen, weil derEmpfänger über die Erfüllung des Zuwendungstatbestandshinaus keine Veranlassunghat, weitere Anstrengungen <strong>zu</strong>mSchutz der Umwelt <strong>zu</strong> unternehmen. Dabestimmte umweltschützende Maßnahmenin vielen Fällen sowieso ergriffen werdenmüssen, kommt es <strong>zu</strong>dem häufig nur <strong>zu</strong>einem „Mitnahmeeffekt“ an Subventionen.Daneben orientieren sich solche Subventionennicht am Verursacherprinzip und wirkenvielfach wettbewerbsverzerrend. E-benso <strong>zu</strong> dem Mitteln der indirekten Verhaltenssteuerungzählen die Gewährungvon Benut<strong>zu</strong>ngsvorteilen (bei freiwilligerUnterschreitung gesetzlicher Anforderungenwerden Vergünstigungen bei anderengesetzlichen Verpflichtungen gewährt),Umweltinformation (allgemeine Aufklärungund Beratung der Bevölkerung <strong>zu</strong>m Schutzder Umwelt), informelle Absprachen (Kooperationzwischen Staat und Wirtschaft),teilweise auch das Privatrecht (Umwelthaftungsrecht,Schadensersatzverpflichtungen)und sog. Zertifikate (marktfähigeRechte auf Inanspruchnahme der Umwelt;solche Zertifikate sollen als Wertpapiere aneiner speziellen Börse gehandelt werden).Sonstige Instrumente <strong>zu</strong>m Schutz der Umweltsind das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.„Straftaten gegen die Umwelt“sind <strong>zu</strong>r Verdeutlichung der Sozialschädlichkeitvon Umweltdelikten seit 1980 Teildes Strafgesetzbuchs – allerdings hat essich als kein wirklich hilfreiches Instrumentdes Umweltschutzes herausgestellt. Planungsinstrumente(planen statt reagieren)dienen in erster Linie der Umweltvorsorge,der Gestaltung von Interessenkonfliktenund der Bewirtschaftung der Umweltressourcen.Und Instrumente staatlicher Eigenvornahmekommen bei Stoffen mit spezifischenGefährdungspotential <strong>zu</strong>m tragen.Die öffentliche Hand kann dann <strong>zu</strong> Mittelnder Eigenvornahme von Maßnahmen greifen.Beispiele sind das Aufstellen öffentlicherAbfallbehälter, Aus- und Fortbildungund Forschung auf dem Gebiet des Umweltschutzes,Beratungs- und Aufklärungstätigkeitenund Teilbereiche der Entsorgung.Mit einem gesteigerten Umweltbewusstseinwird sich sowohl das Umweltrecht stetigweiter entwickeln als auch die Frage nachden geeignetsten Instrumenten, wie derUmweltschutz am effizientesten umgesetztwerden kann. Die Richtung ist mit dem Bedeutungs<strong>zu</strong>wachsan Instrumenten derindirekten Verhaltenssteuerung schon vorgegebenund es bleibt ab<strong>zu</strong>warten, inwiefernsich diese Tendenz in nächster Zukunftentwickeln wird.


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Politische Akteure und Zivilbewegungen des Umweltschutzesin Ungarnvon Bianka Horváth, ELTE <strong>Budapest</strong>1. Umwelt-Gesellschaftspolitik vor undnach 1989Im Staatssozialismus hatten die offiziellenOrgane der Umweltschutzführung keinebeträchtliche Macht, ihre Interessen konntensie in die maßgeblichen Entscheidungsmechanismennicht einbringen. Dasgeschlossene politische System, welchesdas nötige Minimum gesellschaftlicher Autonomieanfangs kaum <strong>zu</strong> sichern vermochte,verdrängte die Zivilsphäre völlig. Indiesem Zeitabschnitt fehlte das gesellschaftlicheBewusstsein, dass Umweltorganisationennützlich und nötig sind. Esexistierten lediglich Quasi-Zivilorganisationen,die keine demokratischen Strukturenaufwiesen, sondern vielmehr - wie andereGebiete des damaligen Lebens - durchdiktatorische Hierarchien gekennzeichnetwaren.In Ungarn kamen die Organisationen ineinem monopolisierten, zentralisierten Institutionensystem<strong>zu</strong>stande. Die politischeFührung behinderte gesellschaftliche Mobilisierungen,die den politischen Zielset<strong>zu</strong>ngenwidersprachen. Errichtet wurden administrativeund politische Hindernisse wiebeispielsweise Anweisungen, Informationsverbreitungenein<strong>zu</strong>stellen, oder Demonstrationsverbote.Diese Beschränkungen der(Umweltschutz-)Öffentlichkeit blieben jedochohne den gewünschten Erfolg, dieBewegungen erfreuten sich großen Zulaufs.Mit dem Abbau der bürokratischen Schrankenhaben sich parallel “grüne” Bewegungendynamisch entwickelt. Es entstand dasneue Institutionensystem und die neueParteienstruktur, in welcher sich die Bewegungenaber nur eine marginale Rolle verschaffenkonnten. Die “Grünen” wurdenaus dem ungarischen Parlament verdrängt.Bei den ersten Parlamentswahlen (1990-1994) standen wirtschaftspolitische- undMachtfragen im Vordergrund, gegen die dieungarischen ökologischen Bewegungenkeine eigentliche Alternative bieten konnten.Auch mangels fortbestehenden Atomkonfliktskonnte die ökologische Bewegung<strong>zu</strong> keiner politischen Einheit erstarken. Dasungarische Wahlsystem erschwert die Lagekleinerer Parteien, die Ergebnisse der“Grünen” waren bei den öffentlichen Wahlennicht überzeugend.In den Fällen der Bewegungen in denAchtzigern war der zentrale Konflikt um dieWasserstufe an Gabcikovo-Nagymaros vonbesonderer Bedeutung. Der war <strong>zu</strong>gleichgeeignet, den Konflikt zwischen der Eliteund den Institutionen des Kádár-Systems,auch der Gesellschaft <strong>zu</strong> artikulieren. Sohat er vorübergehend breiteren politischenProtest mobilisiert. Nachdem die Regierungspolitikim Zusammenhang mit derWasserstufe noch vor der Wende geändertwurde, formte sich der Charakter diesesKonfliktes um. Von dieser Zeit an bestandder Konflikt nicht mehr zwischen dem Staatund der Gesellschaft, sondern zwischen“Grünen” und den Ansprüchen der gegensätzlichentschechoslowakischen dannslowakischen Regierung. Die Organisationdes Protestpotentials ist nicht von Erfolggekrönt gewesen. Heute äußert sich diesesPotenzial selten mangels der zentralenKonflikte und Landesmobilisationsnetze insolchen Protesten, die auch aufmerksamkeitserregendund die breitere öffentlicheMeinung in Bewegung bringen.Die Organisationen sind weniger politisiertund ideologisiert, als die gleichen Organisationenin Westen. Die Bewegungenwaren in den Achtzigern keine Massenbewegungen.Auch die40


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Öffentlichkeit und die fachliche Tätigkeithaben ihr Bewegungscharakter gegeben.Sie mussten mit dem offiziellen Fachapparatkämpfen.2. Umweltkonflikte in den AchtzigernIn einigen Fällen sind ökologische Konflikteauch in der staatssozialistischen politischenStruktur <strong>zu</strong>stande gekommen. EinigeStädte – in denen ökologische Konflikteentstanden sind – hingen von der politischenStruktur eng ab. Diese Abhängigkeitund die daraus stammenden Vorteilehaben ihre Funktion fast ausschließlichgesichert. Wo die örtlichen Möglichkeitender Lösung der Krise gefehlt haben, konntenur die Abwehr der Krise die weitere Funktionder vorhandenen politischen Struktursichern. Diese Situation war gerade dasInteresse der politischen Struktur.3. Politische Bewegungen im ÜbergangIm Jahre 1990 sind keine Parteien mit grünemProgramm ins demokratisch gewählteParlament gelangt. Die verschiedenenParteien haben zwar ökologische Programmein ihren Wahlversprechen verfasst,mit dem Zustandekommen der neuenMachtstruktur sind die ökologischen Fragenin den Hintergrund getreten. Die neuenParteien haben die Vertreter der grünenPolitik integriert.Der Umweltausschuss des Parlaments hatenge ökologische Verwirklichungsmöglichkeitengehabt. Auch die sich in der Entwicklungdes Umweltschutzindustriezweigesinteressierenden Gruppen haben dieUnterstüt<strong>zu</strong>ng des Ausschusses gesucht.Doch hat sich keine starke Kooperationzwischen den Akteuren der Wirtschaft undden Arbeitgeberorganisationen entwickelt.Auch das erklärt die Kraftlosigkeit der Umweltpolitikdes gegebenen Regierungszyklusses,die Verspätung des Gesetzesüber den Umweltschutz.Zwischen 1994 und 1998 hat sich das politischeGewicht des Umweltschutzministeriumsteilweise wegen der EU-Verhandlungen,der Vorbereitung der Integration undwegen der günstigen Beziehung zwischendem Ausschuss und dem Ministerium verbessert.Die Geltung der Umweltinteressen hat erschwert,dass es bis heute keine GrünePartei mit bedeutsamen Masseneinflussgibt. Die Bewegungen haben zwar an demSystemwechsel teilgenommen, ihr Hauptzielwar nicht die Gründung der Parteien.Die erste grüngesinnte Partei hat sich 1989unter dem Namen Ungarische Grüne Parteigebildet. Anfang der Neunziger hat einerechtsgesinnte extremistische Richtung derPartei eine immer größere Rolle bekommenund das hat <strong>zu</strong>m Zerreißen der Parteigeführt. Eine aus der Partei ausgeschiedeneGruppe hat 1993 die Grüne AlternativePartei gegründet. Ihre gesellschaftlicheBasis haben die Natur- und Umweltschutzbewegungengegeben. Die Partei hat letztendlichin den Farben des Agrarverbandsals Mitglieder der Koalition der Zivilorganisationenfür Ungarn an der Parlamentswahlteilgenommen.4. Örtliche Interessenbündnisse in denNeunzigernAnfang der Neunziger wurde dieBedeutung der Landeskonflikte <strong>zu</strong>rückgedrängt.Die Konflikte waren meistenslokal und fallweise regional. An denenhaben im allgemeinen nur einige Akteureteilgenommen: Umweltverschmutzer oderschadensverursachende Privat- oderStaatsfirmen, die Selbstverwaltung, dieEinwohner, oder Natur- oder Umweltschutzbewegungen.Später haben sichauch Koalitionen zwischen denZivilorganisationen, den Einwohnern undden Selbstverwaltungen organisiert.In mehreren Konflikten haben die Einwohnerdie Mäßigung der Luftverschmut<strong>zu</strong>nggefordert. Oft fordern die Teilnehmer derBewegungen die Schließung des Unternehmens.5. Staatsbürgerliche Teilnahme im UmweltschutzNach dem Grundprinzip der gesellschaftlichenTeilnahme kann die demokratischeUmweltpolitik ohne gesellschaftliche Teilnahmenicht funktionieren.41


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Der Zugriff <strong>zu</strong> den Informationen ist daserste Kriterium. § 12. des Gesetzes überden Umweltschutz sichert sowohl das passiveInformationsrecht, als auch das aktiveRecht (Orientierungsmöglichkeit), wonachBürger nach Informationen ohne Geltendmachungsubjektiver Rechte fragen können,und die Gesellschaft über den Umwelt<strong>zu</strong>standregelmäßig informiert werdenmuss. Die Behörde kann das Gesuch nurin Sonderfällen <strong>zu</strong>rückweisen. Die Informationspflichtund die Orientierungsmöglichkeithaben besonders große Bedeutung imInstitut der komplexen Umweltschutzkontrolle,der Wirkungskontrolle. In diesemVerfahren muss für alle Interessierendeneine allgemein verständliche Zusammenfassungüber die bewilligungspflichtigenTätigkeiten gemacht werden und der Umweltnutzermuss den direkt Beteiligten (Betroffenen)erklären, was die Veränderungenfür sie bedeuten werden. Im Verfahren istauch die allgemeine Anhörung gesichert.Im Verfahren der komplexen Umweltkontrollekönnen auch Gemeinschaften Verfahreneinleiten. Das Gesetz stattet solcheZivilorganisationen mit Rechtsstellung einesAuftraggebers aus, der auf dem Wirkungsgebietder gegebenen Umweltsachetätig wird.Nach § 97. des Umweltschutzgesetzesbedeutet das Recht <strong>zu</strong> staatsbürgerlichenAnregungen nicht nur das Prozessführungsrecht.Dieses Recht verwirklicht dieTeilnahme auch in der Kontrolle. Hier<strong>zu</strong>gehört die Informationspflicht der staatlichenOrgane, wenn das Gesuch schriftlichgestellt ist.Nach § 98. des Gesetzes können die Organisationenan der Ausarbeitung der Umweltprogramme,der Flächennut<strong>zu</strong>ngspläneteilnehmen. Sie haben die Möglichkeit überRechtsnormen ihre Meinung <strong>zu</strong> äußern.Nach § 98. Absatz 3 muss diese Ansprüchedas die Rechtsnorm vorbereitendeMinisterium der Selbstverwaltung verkündigen.Nach Absatz 4 veröffentlichen dieseOrgane die Rechtsnormen in einem Register.Grenzen des Rechts im Umweltschutzvon Swenja Rieck, Freie Universität <strong>Berlin</strong>Ziel dieser Seminararbeit war es, die Grenzendar<strong>zu</strong>stellen, an die das Umweltrechtbei der Erfüllung seiner Aufgaben -demUmweltschutz- stößt.Die Arbeit ist nach drei Bereichen aufgeteilt.Zunächst werden die dem Rechtselbst schon innewohnenden Schrankenerläutert, auf Grund derer nicht immer undüberall <strong>zu</strong> Gunsten des Umweltschutzesentschieden werden kann.Als zweites folgt eine Darstellung derGründe für die Ineffektivität mancher Umweltnormensowie der da<strong>zu</strong> entwickeltenVerbesserungsvorschläge. Schließlich wirduntersucht, inwiefern im Umweltschutz Ungleichheitenbestehen und wo die Gründedafür liegen. Mit Blick auf das EnvironmentalJustice Movement in den USA wirddie Situation in Deutschland beleuchtet.Im folgenden werden die Hauptaussagendieser drei Bereiche <strong>zu</strong>sammengefasst.Rechtsimmanente SchrankenHoheitliche Maßnahmen des Umweltschutzesfinden ihre verfassungsrechtlichenGrenzen besonders in den Grundrechten,wie der Eigentumsfreiheit, der Berufsfreiheit,der allgemeinen Handlungsfreiheit unddem Willkürverbot. Umweltrecht kann alsonur soweit reichen, wie der Kernbereich der42


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2Grundrechte unangetastet bleibt. DieGrundrechte gewähren insofern eine gewisseUmweltverschmut<strong>zu</strong>ngsfreiheit.Leistungsgrenzen des UmweltrechtsDie Instrumente des Umweltrechts erweisensich als nicht so leistungsfähig, wie eswünschenswert wäre. Für die Ineffektivitätder Regelungen werden verschiedeneGründe angegeben:Auf Grund des Querschnittscharakters desUmweltrechts sind die Normen unübersichtlichin vielen verschiedenen Gesetzenverstreut, was es für die Normadressatenschwierig macht, heraus<strong>zu</strong>finden, welcheRegelungen es <strong>zu</strong> beachten gilt. Bei deradministrativen Durchführung von Maßnahmendes Umweltschutzes fällt auf, dassdie <strong>zu</strong>ständigen Behörden oft personelloder mit Sachmitteln nicht genügend ausgestattetsind, so dass die gesetzlichenVerwaltungsaufträge <strong>zu</strong>nehmend nichtmehr erfüllt werden können. Verstöße gegenUmweltnormen werden weder privatrechtlich,öffentlich-rechtlich noch strafrechtlichgenügend sanktioniert. Oft wird<strong>zu</strong>dem gefordert, es sollten noch mehr Anreize<strong>zu</strong> umweltfreundlichem Verhaltengeschaffen werden. Dies kann durchMarktinstrumente wie Umweltabgaben,Handel mit Umweltnut<strong>zu</strong>ngsrechten oderdurch Subventionierung eines bestimmtengewünschten Verhaltens geschehen.Angesichts der mangelnden Leistungsfähigkeitdes Umweltrechts ist es für denUmweltschutz wichtig, dass alle Normanwenderein ausgeprägtes Umweltbewusstseinbesitzen. Umweltprobleme können nurin dem Maße gelöst werden, wie die Gesellschaftüber Umweltbewusstsein, Wissen,Engagement und Institutionen, überdie sie wirksam werden kann, aktive undartikulationsfähige Gruppen und Verbändeund funktionierende Kommunikationskanäleverfügt. Deshalb sind Regelungenelementar wichtig, die Bürgern Zugang <strong>zu</strong>Umweltinformationen verschaffen, ihnenein unabhängiges Durchset<strong>zu</strong>ngsrecht gegenVerlet<strong>zu</strong>ng des Umweltrechts ermöglichenund Bürgerbeteiligung bei Umweltentscheidungenvorsehen.Ungleichheit im UmweltschutzAber auch ein anderes, vielmehr "das" Zieljeglichen Rechts wird im Umweltschutzrechtgegenwärtig teilweise verfehlt: dieGerechtigkeit. Denn wo immer einerseitsKosten für Umweltschutzmaßnahmen oderandererseits Umweltrisiken <strong>zu</strong> verteilensind, stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeitdieser Verteilung.Die Verteilung von Umweltrisiken ist - <strong>zu</strong>mindestin Deutschland - weitgehend unbeobachtet.In den USA dagegen wurde im Zuge desEnvironmental Justice Movement festgestellt,dass viele räumlich und zeitlich begrenzteUmweltbelastungen sehr ungleichverteilt sind. Die von diesen Umweltbelastungenbetroffenen Personengruppen sindauch sonst ökonomisch, politisch oder sozialbenachteiligt. Kommen neue Umweltbelastungenhin<strong>zu</strong>, werden sie so verteilt,dass sie die bestehenden Ungleichheitennoch verstärken.Diese Umweltungleichheiten entstehen<strong>zu</strong>m einen durch Vorabentscheidungenüber die Durchsetzbarkeit von Vorhaben,durch Marktdynamiken, nach denen jeweilsdie kostengünstigste Verwirklichung derVorhaben bevor<strong>zu</strong>gt wird, als auch durchnachträgliche Fluktuation von Bewohnern.Die Bürgerbewegungen der USA fordernhiergegen Environmental Justice, alsoUmweltgerechtigkeit. Umweltgerechtigkeitwird dabei im Sinne einer Gleichverteilungvon Umweltbelastungen auf soziale undethnische Gruppen oder geografische Regionenverstanden.Eine Umverteilung nach dem Gleichheitsprinzipoder gar nach dem Verursacherprinzipscheitert allerdings oft am politischenWiderstand. Es ist <strong>zu</strong>dem fraglich,ob das Anstreben von Umweltgerechtigkeitdurch strengere Gleichverteilung unvermeidbarerUmweltbelastungen eine Lösungdes Problems darstellt. Momentan kannUmweltdiskriminierung nur vermieden werden,wenn die Bürger an Umweltentscheidungenbeteiligt werden und diese Chancedann auch wahrnehmen.Sozialräumliche Umweltungleichheit ist inder Bundesrepublik Deutschland bisher43


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 2kein Thema. Hohe Umweltbelastungenwerden zwar als Begleiterscheinungen sozialerBenachteiligung häufig erwähnt, abernicht systematisch erwogen und analysiert.Umweltbrennpunkte können in Deutschlandallerdings dennoch klar benannt werdenund es gibt durchaus ein Gefälle in derUmweltbelastung zwischen arm und reich,Stadt und Land. Der Grund für das Nichtaufgreifendieser Benachteiligungen als„ungerecht“ oder „umweltdiskriminierend“liegt in Deutschland eher an der fehlendenMobilisierung der Bürger. Dabei bestehtdurchaus die Möglichkeit, aus dem Sozialstaatsprinzip,dem Gleichbehandlungsprinzipund den finanzverfassungsrechtlichenGedanken <strong>zu</strong>m Finanzausgleich ein Prinzipder Umweltgerechtigkeit <strong>zu</strong> folgern. Solangees allerdings am politischen Druckfehlt, wird aber noch einige Zeit vergehen,bis Umweltgerechtigkeit als Rechtsprinzipverankert ist.SchlussbetrachtungDie Instrumente des Umweltrechts gewährleistennicht den möglichen Grad anUmweltschutz. Umweltbelastungen sindungleich verteilt und obliegen größtenteilseinkommensschwachen und sozial benachteiligtenPersonengruppen. Umweltrechtbedarf daher der Weiterentwicklung.Es müssen Gestaltungen gefunden werden,die <strong>zu</strong>m einen die bessere Durchset<strong>zu</strong>ngvon Umweltschutzmaßnahmen ermöglichen,aber andererseits nicht in diskriminierenderWeise nur sozial schwacheund daher vorbelastete Gruppen treffenund damit evtl. auch an den eigentlichenVerursachern von Umweltschäden vorbeigehen.Weiterhin muss eine Sensibilisierungder Gesellschaft erfolgen für die Frage,wer eigentlich die Vorteile und wer dieNachteile aus der Umweltnut<strong>zu</strong>ng zieht, sodass der ungerechten Verteilung von Umweltbelastungenentgegengewirkt werdenkann.44


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Workshop 3:Umweltrelevante Risiken und SchädenWorkshopleitungZoltán Csehi, ELTE <strong>Budapest</strong>WorkshopteilnehmerInnenDenise Feldner, HU <strong>Berlin</strong>Leopold Lewitscharoff, HU <strong>Berlin</strong>Ágnes Sántha, ELTE <strong>Budapest</strong>Laura Schröder, HU <strong>Berlin</strong>Imre Szabó, ELTE <strong>Budapest</strong>Nóra Szabó, ELTE <strong>Budapest</strong>45


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Workshop 3: EinführungSeit Beginn der Zwanziger Jahre haben sich die Begriffe Umwelt, Umweltpolitik undUmweltrecht in der öffentlichen Diskussion in Deutschland einen festen Platz verschafft. InUngarn dagegen ist, obwohl das Land <strong>zu</strong> sozialistischen Zeiten im Ostblock eine sehr starkewestliche Orientierung hatte, Umweltschutz erst mit der Wende in den Blickpunkt desöffentlichen Interesses gerückt. So konnten die Ergebnisse langjähriger Diskussionen inwestlichen Ländern direkt in das neue ungarische Recht integriert werden.Zentrales Beispiel dafür ist § 345 des ungarischen BGB. Dort ist explizit eineGefährdungshaftung für Umweltschäden in § 345 Abs. 1 S. 2 geregelt. In Deutschlanddagegen ist aufgrund der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte des BGB eine solcheGefährdungshaftung für Umweltschäden, die aus Betrieben hervorgehen, nur imUmwelthaftungsgesetz (§ 1 UmwHG) vorgesehen. Aus den gleichen Gründen stellt sichauch der Individualschutz im Umweltrecht in Deutschland als zersplittertes Bild dar. DasUmweltrecht wird zwangsläufig <strong>zu</strong> einer Querschnittsmaterie von zivilrechtlichen undöffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen.In diesem Workshop wurden <strong>zu</strong>nächst die haftungsrechtlichen Grundlagen und ihre landesspezifischenDifferenzen erarbeitet. Anhand des konkreten Beispiels der Theißverschmut<strong>zu</strong>ngdurch zyanidhaltige Schadstoffe in Rumänien und Ungarn im Jahre 2000 wurde dasProblem von grenzüberschreitenden Umweltschäden erörtert. Unter anderem an diesemBeispiel wurde deutlich, dass Umweltschäden kraft Natur der Sache häufig grenzüberschreitendund langfristig wirken. Dies fordert eine nachhaltige Herangehensweise an dasProblem. Es zeigt sich, dass nur eine grenzüberschreitende Gesetzgebung die bestehendenProblemlagen effektiv lösen kann.Das Thema Atomausstieg in Deutschland führte im Workshop <strong>zu</strong> einer Auseinanderset<strong>zu</strong>ngmit wirkungsvollen Präventivmaßnahmen <strong>zu</strong>r Verhinderung von unübersehbaren Umweltschäden.46


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Formen zivilrechtlicher Haftung im Umweltrecht in Ungarnvon Norá Szabó, ELTE <strong>Budapest</strong>Durch das Umweltrecht wird die Natur, derLebensraum der Menschen und Tiere, alsodie gesamte Biosphäre geschützt. Auf unsererErde ist das Leben nur möglich, wenndie Biosphäre alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt,die die Lebewesen <strong>zu</strong>m Leben brauchen.Durch die Entwicklung der Industrie habensich die Lebensbedingungen sehr verändert:die Vorausset<strong>zu</strong>ngen sind immerschlechter geworden.Die Notwendigkeit einer rechtlichen Regelungerklärt, dass der Umweltschutz undseine Förderung eine komplexe Aufgabe istund starke Auswirkungen auf das Interesseder ganzen Gesellschaft hat. Dem Staatfällt die Aufgabe <strong>zu</strong>, mit rechtlichen Mittelnin den Ablauf der Ereignisse ein<strong>zu</strong>greifen,um damit weitere Verschmut<strong>zu</strong>ngen auf<strong>zu</strong>halten,und soweit – wenn es möglich ist -durch Naturalrestitution den vorherigenZustand wieder her<strong>zu</strong>stellen, also in denZustand <strong>zu</strong> versetzen, der bestehen würde,wenn die Umweltverschmut<strong>zu</strong>ng nicht eingetretenwäre.Das Umweltrecht ist ein "komplexer"Rechtszweig, da mehrere Rechtsgebiete(Privatrecht und auch öffentliches Recht)<strong>zu</strong>m Tragen kommen; der Umweltschutzhat auch wirtschaftliche und finanzielleAuswirkungen, da er ein Gesamtinteresseist. Seit Jahrzehnten geht man der Fragenach, ob das Privatrecht das geeigneteMittel ist, die gewünschten Ergebnisse indiesem Fachgebiet <strong>zu</strong> erreichen. Der Umweltschutzist überwiegend eine staatlicheAufgabe. Er ist im Verwaltungsrecht geregelt.Im ungarischen Umweltrecht gibt eszwei wichtige Bereiche, die das Zivilrechtregelt: die Frage des Schadensersatzesund das Nachbarschaftsrecht.Das Umweltschutzgesetz von 1976 waraus damaliger Sicht sehr modern, und esbefriedigte die wichtigsten Ansprüche imUmweltschutz. Besonders wichtig war,dass die verschiedenen Normen, in denendieses gesellschaftliche Problem (Umweltschutz)geregelt worden ist, endlich in einemeinheitlichen Gesetz <strong>zu</strong>sammengefasstworden sind. Da dieses Gesetz währendder Zeit des Sozialismus eingeführtworden ist, beinhaltet es auch die sozialistischenGrundprinzipien, die während dieserZeit von Bedeutung waren. Es gab keinewirksamen Garantien und Kontrollen fürden Bürger, für die Öffentlichkeit. Das Umweltschutzgesetzvon 1995 unterscheidetnicht zwischen Verschmut<strong>zu</strong>ngen vonWasser, Luft, Erde und anderen Bereichen,diese Unterscheidungen werden in denAusführungsgesetzen geregelt, das Umweltschutzgesetzselber ist nur ein Rahmengesetz.Nach dem Gesetz sind schädigendeTätigkeiten solche Handlungen, dieals Folge einen Umweltschaden verursachenoder die Möglichkeit besteht, dass einsolcher Schaden eintritt. Ein Schaden derUmwelt ist: eine Veränderung oder Verschmut<strong>zu</strong>ngder Natur oder ihrer Elemente,wodurch der natürliche Stand der Umweltnicht mehr oder nur durch Eingriff wiederherstellbar ist. Das neue Gesetz deckt sichinsoweit mit dem vorherigen Gesetz als dieobjektive Haftung des Bürgerlichen Gesetzbuchesfür Umweltschäden an<strong>zu</strong>wendenwar. Seit der ungarischen BGB-Novelle von 1977 ist die Haftung für Umweltschädenauch im Bürgerlichen Gesetzbuchbei den Bestimmungen der Haftungfür Schäden durch gefährliche Tätigkeitengeregelt. Das Umweltgesetz verweistauf die Anwendung dieser Bestimmungdes ungarischen BGBs. Wer durchsein Verhalten oder durch Unterlassen dieNatur gefährdet, verschmutzt, schädigtoder die Umweltvorschriften durch rechtswidrigesVerhalten nicht einhält, ist nachdiesem und anderen Sondervorschriften(zivilrechtlich, strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich)für den Schaden verantwortlich.Die Pflichten des Schädigers sind:Die Schadens<strong>zu</strong>fügung <strong>zu</strong> unterlassen, dieSchäden <strong>zu</strong> ersetzen, den vorherigen Zustandwieder her<strong>zu</strong>stellen, der bestehen47


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3würde, wenn der <strong>zu</strong>m Ersatz verpflichtendeUmstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution).Auch die Gerichte und die Behördensind berechtigt, die gefährlichenTätigkeiten ein<strong>zu</strong>schränken, ein<strong>zu</strong>stellenoder <strong>zu</strong> verbieten und für die weitere Ausübungder Tätigkeit Bedingungen <strong>zu</strong> stellen.Nach diesen Sonderrechtsvorschriftenkann der Schädiger verpflichtet werden,einen Reservefond <strong>zu</strong> bilden, aus demmögliche Schäden beglichen werden könnenoder er kann verpflichtet werden, eineHaftpflichtversicherung ab<strong>zu</strong>schliessen.Solche Vorschriften kommen oft bei demBetrieb von Atomenergie, Nuklearstoffen,Radioaktivität, im Bergbau und ähnlichengefährlichen Tätigkeiten <strong>zu</strong>m Tragen.Das Gesetz definiert, was eine umweltgefährdendeTätigkeit ist und für die Haftungsolcher Schäden verweist es auf die §§345 - 346 des Bürgerlichen Gesetzbuches.Ein durch umweltgefährdende Tätigkeitenverursachter Schaden ist ein Schaden, derdurch die Beanspruchung oder durch dieBelastung der Umwelt verursacht wordenist. Der Geschädigte hat das Recht, Schadensersatzvom Schädiger <strong>zu</strong> fordern.Wenn der Geschädigte jedoch diesen Anspruchnicht vor Ablauf der Verjährungsfristausübt oder auf einen solchen Anspruchschriftlich verzichtet, kann auch der Ministerfür den Umweltschutzfond den Schadensersatzgeltend machen. iDiese Bestimmungen zeigen das Gesamtinteressedes Umweltschutzes. Damit willder Gesetzgeber auch das Problem desSchadensersatzes lösen, dass viele Geschädigtekeine Schäden geltend machen.Das ist darauf <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen, dass dieGeschädigten oft nicht wissen, dass sieüberhaupt Ansprüche haben und darüberhinaus nicht wissen, wie sie geltend gemachtwerden müssen und schliesslich dieBeweisführung sehr kompliziert ist.Auch verwaltungsrechtliche Sanktionengibt es. Die häufigsten sind Geldbußen,deren Höhe von den Auswirkungen derUmweltschäden abhängen. Die Ziele derHaftung sind immer die Prävention und dieKompensation. Diese Ziele kann das Verwaltungsrechtdurch Einschränkungen vonErlaubnissen und Bußgeldbescheidendurchsetzen.Die Exkulpation hat zwei Bedingungen: DieUrsache des Schadens muss objektiv unabwendbargewesen sein und diese Ursachemuss ausserhalb der gefährlichen Tätigkeitliegen. Der Schädiger ist verpflichtet,diese Vorausset<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong> beweisen. Esreicht nicht, wenn der Schädiger beweist,dass er nicht fahrlässig und schuldhaft gehandelthat, er muss beweisen, dass dieUrsache des Schadens objektiv unabwendbarwar, wie das <strong>zu</strong>m Beispiel beihöherer Gewalt der Fall ist. Der Geschädigtehat die Pflicht, alles <strong>zu</strong> tun, um denSchaden so gering wie möglich <strong>zu</strong> halten.Bei Umweltschäden ist aber die Frage <strong>zu</strong>klären, in welchem Ausmaß von dem Geschädigtenerwartet werden kann, persönlicheVorteile ein<strong>zu</strong>schränken, wie weit ersich anpassen muss, besonders wenn esum sein Eigentum geht. Die Verjährungsfristder Gefährdungshaftung beträgt dreiJahre. Der Geschädigte kann seinenSchadensersatzanspruch nach den Regelnder Verschuldungshaftung innerhalb vonfünf Jahren geltend machen.48


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Individualschutz zwischen privatem und öffentlichem Recht inDeutschlandvon Leopold Lewitscharoff, HU <strong>Berlin</strong>I. Begriff- Umweltrechtsbegriff als Gesamtheit umweltschützenderNormen- Als junge Rechtsmaterie zeichnet sich derSammelbegriff durch seine definitorischeUnschärfe aus- Einigkeit herrscht nur insoweit, dass essicht beim Umweltrecht aufgrund fehlenderKodifikation um eine Querschnittsmateriehandelt.- Daher zeichnet sich das Umweltrechtheute insbesondere dadurch aus, dass essowohl privatrechtliche als auch öffentlichrechtlichNormen einschließt, die ihrerseitsnicht beziehungslos nebeneinander stehen.II. Der Normbestand des Umweltrechts1. Öffentlich-rechtliche Umweltregelungen- Vorschriften <strong>zu</strong>r Verpflichtung <strong>zu</strong>m Umweltschut<strong>zu</strong>nd <strong>zu</strong>m Erhalt der natürlichenLebensgrundlage innerhalb der von Bundund Ländern niedergelegten Verfassungen.- Die als Hauptgesetze des Umweltrechtsbezeichneten Gesetze:z.B. Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG-, Wasserhaushaltsgesetz des Bundes -WHG -, Landeswassergesetze, Bundesimmissionsschutzgesetz- BImSchG -,Landesimmissionsschutzgesetze,Kreislauf-Wirtschafts- und Abfallgesetz -KrW/AbfG -, Atomgesetz - AtG -).- Schließlich Vorschriften über die Staatshaftung,den Ausgleich für staatliche Umweltbeeinträchtigung.- Vorstellung des Regelungsmusters imUmweltrecht- Informales Verwaltungshandeln, Umweltplanung,ordnungsrechtliche Maßnahmen(vorbeugende und nachgeordnete ordnungsgerichtlicheKontrolle), öffentlichrechtlicheHaftungsvorschriften undschließlich Abgaben2. Zivilrechtliche UmweltregelungenIm Zivilrecht sind <strong>zu</strong> unterscheiden Ansprücheauf Vornahme von Schutzmaßnahmen(§ 906 BGB), Abwehransprüche (§1004 BGB) und Schadensersatzansprüche(UmwHG, § 823 I und II BGB, §§ 14 S. 3,42 BImSchG, 10 Abs. 2 Satz 2 WHG und75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG).III. Die Verteidigung umweltrechtlicherSchutzpositionen des Einzelnen vor Gericht1. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz- Vorausset<strong>zu</strong>ngen des verwaltungsgerichtlichenRechtsschutzes bei umweltrechtlichenStreitigkeiten nach § 40 VwGO- Probleme ergeben sich hierbei bei Klagenauf Unterlassung oder Beseitigung vonImmissionen oder gegen den Betrieb einerEinrichtung, da hier im Zivilrecht als auchim öffentlichen Recht als Anspruchsgrundlage§ 1004 BGB herangezogen wird.- Ebenfalls problematisch ist der Rechtsschutzgegen umweltrechtliche Warnungenvon Behörden.- Schadensersatzansprüche gegen denStaat (Art. 34 GG, § 839 BGB), sind alsöffentlich-rechtlich <strong>zu</strong> beurteilen, dennochist der Zivilrechtsweg eröffnet. Dies folgtaus Art. 34 S. 2 GG, Art. 14 Abs. 3 S. 4 GGund aus § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO.a) Klage- und Antragsarten in öffentlichrechtlichenUmweltstreitigkeiten- Rechtsschutz gegen abstrakt-generelleRegelungen untergesetzlicher Regelungennach § 47 VwGO- gegen formelle Gesetze besteht nur dieMöglichkeit der Verfassungsbeschwerde 16oder aber einer konkreten oder abstrakten16 z.B. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a und 4b GG49


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Normenkontrolle 17 nach den jeweils einschlägigenVorschriften der Verfassung.- Rechtsschutz gegen Einzelentscheidungen(Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklageund allg. Leistungsklage)b) Klage- bzw. Antragsbefugnis in umweltrechtlichenStreitigkeiten- Grundsätzlich gem. § 42 II VwGO- Problematisch sind in diesem Zusammenhangdie Fälle der DrittbetroffenheitVorausset<strong>zu</strong>ngen für Antrags- bzw. Klagebefugnisnach h.M.:- Detaillierte Darlegung der möglichenRechtsverlet<strong>zu</strong>ng durch ein möglichesschadensverursachendes Ereignis, einschließlichder Kausalität für einen möglichenSchaden.- Norm selbst muss drittschützend sein.- Für das Normenkontrollverfahren nach§ 47 VwGO ist die Antragsbefugnis, danngegeben, wenn durch den Erlass der <strong>zu</strong>rÜberprüfung gestellten Rechtsvorschriftoder deren Anwendung bereits ein Nachteilfür den Antragsteller eingetreten oder aberdoch wenigstens in absehbarer Zeit <strong>zu</strong>befürchten ist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).- Ein Nachteil in diesem Sinne liegt nachganz h.M. immer dann vor, wenn ein berechtigtesInteresse oder aber ein rechtlichgeschütztes Interesse des Antragstellersdurch die <strong>zu</strong>r Überprüfung gestellteRechtsnorm beeinträchtigt ist.c) Reduktion des verwaltungsgerichtlichenRechtsschutzes auf den Individualrechtsschutz- Verwaltungsgerichtliche Klage kann nurderjenige mit Aussicht auf Erfolg erheben,der sich auf ein subjektives öffentlichesRecht beruft.- Ein subjektives öffentliches Recht ergibtsich nach Schutznormlehre, wenn einzwingender Rechtssatz des objektivenRechts <strong>zu</strong>mindest auch den Schutz individuellerInteressen bezweckt und dem Begünstigtendie Rechtsmacht <strong>zu</strong>r Durchset<strong>zu</strong>ngder geschützten Interessen gegenüberdem Verpflichteten einräumt.- Systematisiert man die Personenkreise,die eine drittschützende Norm gerichtlichgeltend machen können, kann man zwischenden Nachbarn, den Konkurrentenund allen anderen Dritten unterscheiden.2. Zivilgerichtlicher RechtsschutzFür die Geltendmachung zivilrechtlicherAnsprüche aus dem Bereich des Umweltrechtsist gemäß § 13 GVG der Rechtsweg<strong>zu</strong> den Zivilgerichten gegeben. StatthafteKlageart ist gemäß § 253 ZPO die allgemeineLeistungsklage. Einer gesondertenKlagebefugnis bedarf es insoweit nicht.IV. Probleme durch die Verschränkungvon öffentlichem und Zivilrecht im Bereichdes Umweltrechts1. Reduktion des verwaltungsgerichtlichenRechtsschutzes auf den Individualrechtsschutz- Konzept des Individualrechtsschutzes imUmweltrecht führt <strong>zu</strong> starken Einschränkungender gerichtlichen Durchset<strong>zu</strong>ngumweltrechtlicher Normen.- Weitere Folge ist das Ungleichgewichtzwischen „Umweltnutzern“ und „Umweltschützern“,da der Drittkläger die Hürdedes subjektiven Rechts überwinden muss.- Diese selektive Einklagbarkeit von Umweltrechtensetzt sich aufgrund der obendargestellten Verknüpfung von zivilrechtlichenNormen mit den öffentlich-rechtlichenNormen des Umweltrechts im Bereich desZivilrechts fort. Kann etwa die Verlet<strong>zu</strong>ngeiner umweltrechtlichen Norm beim Angriffauf eine umweltrechtliche Genehmigungnicht gerügt werden, wird die Genehmigungbestätigt und entfaltet später (vgl. §14 BImSchG) unter Umständen auch einezivilrechtliche Ansprüche ausschließendeWirkung, obwohl doch das Verhalten desAnlagenbetreibers aus einer zivilrechtlichen,nicht durch die Bestandskraft einesVerwaltungsaktes getrübten Sicht, sich alsrechtswidrig darstellt.17 z.B. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GG50


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 32. Verhältnis von verwaltungsprozessualemund zivilrechtlichem Rechtsschutz- Nebeneinander von umweltrechtlichenRechtsschutzmöglichkeiten sowohl imVerwaltungs- als auch im Zivilrecht bedingtRechtsbehelfskonkurrenzen ( Problematikanhand von Beispiel nach § 22 Abs. 1 Nr. 1BImSchG)3. Prüfung öffentlich-rechtlicher Normen imZivilprozess- Problematik der Prüfung von öffentlichrechtlichenVorfragen, da insoweit die zivilrechtlichenProzessführungsregeln gelten.- Zu beachten gilt hierbei die Verpflichtung<strong>zu</strong>m schlüssigen substantiierten Sachvortragund dem gegebenenfalls <strong>zu</strong>lässigenBeweisantritt (Darlegungs- und subjektiveBeweis(führungs)last). Die schlüssigeBehauptung des Tatbestandes einer öffentlich-rechtlichenNorm, die ihrer Strukturnach mehr auf den Verwaltungsprozessund die dortigen Prozessmaximen (Amtsermittlung)<strong>zu</strong>geschnitten ist, wird den jeweiligenKläger ohne die im Verwaltungsprozessübliche Akteneinsicht regelmäßigvor große Probleme stellen.V. Ergebnisse- Das Umweltrecht als Querschnittsmateriemit dem Nebeneinander von zivilrechtlichenund öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagenstellt sich als zersplittertes Bilddar.- Allerdings kann man ausgehend von demdas gesamte Umweltrecht durchziehendenPrinzip der Anknüpfung von Regelungenan umweltgefährdende Anlagen unterscheidennach der Art und Weise derstaatlichen Kontrolle dieser Anlagen. Mankann eine präventive und eine nachgelagertebehördliche Kontrolle unterscheiden.- Findet eine präventive behördliche Kontrollestatt, ist weiter <strong>zu</strong> unterscheiden zwischeneiner Kontrolle mit Genehmigungswirkunggegenüber allen und einer Kontrolle,die lediglich zwischen dem Anlagenbetreiberund der Behörde wirkt. Soll dieKontrolle gegenüber allen wirken, kommtnach Abschluss der Kontrolle regelmäßigein zivilrechtliches Verfahren gegen denAnlagenbetreiber wegen des genehmigtenBetriebs und seiner Folgen nicht mehr inBetracht.- Anders verhält es sich dagegen bei Anlagen,deren Kontrolle nur gegenüber demBetreiber wirkt bzw. im Falle der nachgelagertenbehördlichen Kontrolle. Hier könnenRechtsverstöße des Betreibers sowohl zivilrechtlich(Beseitigung, Unterlassung,Schadensersatz) als auch verwaltungsgerichtlich(Anspruch auf ordnungsbehördlichesEinschreiten) geahndet werden.- Diese doppelte Rechtsweg<strong>zu</strong>ständigkeitsowohl der Zivil- als auch der Verwaltungsgerichteund ihre prozessualen Folgen vorallem im Bereich der Rechtshängigkeit undder Rechtskraft sind dabei nur eine derbisher ungelösten wesentlichen Fragen desRechtsschutzsystems im Umweltrecht.Öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche imungarischen Rechtvon Imre Szabó, ELTE <strong>Budapest</strong>Der vor dem Systemwechsel vorkommendeMythos über die Unfehlbarkeit derVerwaltung ist in Auflösung begriffen. Diedurch die Verwaltung veranlassten Rechtsverlet<strong>zu</strong>ngenwerden immer öffentlicherund offenbarer. Dieser Weg ergibt eineneue Betrachtungsweise in der Gerichtspraxisder Prozesse für Schadensersatzdurch öffentlich-rechtliche Rechtsverlet<strong>zu</strong>ngen.Das Vertrauen der Menschen wird51


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3gestärkt, wenn anhand der Gerichtspraxissichtbar wird, dass die Administration konsequenterweiseihre Schäden ersetzt.Öffentlich-rechtlich verursachte Schädenhaben eine spezifische Haftungsform. DasGericht muss nicht nur über die Rechtsverlet<strong>zu</strong>ngentscheiden sondern auch überdie Vorwerfbarkeit der rechtswidrigenHandlung. Da<strong>zu</strong> muss das Gericht als Insider- der die Administrativpolitik kenntund regiert - das Maß der Vorwerfbarkeitfestlegen. Im Bereich der öffentlich-rechtlichenSchäden gab es wenig Gerichtpraxisin Ungarn vor der demokratischen Wende.Es war nicht anerkannt, dass die Verwaltungauch Fehler machen kann. Nur in einigenFällen hat das Gericht die Ersatzansprücheerkannt.Gemäß der neuen Konzeption des UngarischenBürgerlichen Gesetzbuches habendie geltenden Vorschriften der öffentlichrechtlichverursachten Schäden keinenSinn, weil sie den Vorschriften der Haftungfür Angestellte gänzlich folgen. Die Bearbeiterder Konzeption des UngarischenBürgerlichen Gesetzbuches aber beantrageneine ganz neue und strengere Verantwortlichkeitsformin Zusammenhang mitden im Staatsverwaltungsbereich verursachtenSchäden. Infolge der Stellungnahmeist die Verantwortlichkeit des Staates,der Selbstverwaltung und der Organe<strong>zu</strong> erkennen, wenn die Schadensverursachungdurch die Übung der öffentlichenGewalt, also im Rahmen einer behördlichenVerfügung oder eines Versäumnissesgeschieht.Die Konzeption also würde die geeignetenTeile der 42. Stellungnahme des Zivilkollegiumsin das Bürgerliche Gesetzbuch integrieren.Deshalb kann der Staat sich nurvom Schadensersatz befreien, wenn die<strong>zu</strong>r Schadenstiftung führende unabwendbareUrsache außerhalb seiner Tätigkeitund Kontrolle war.Atomausstieg Deutschlands in rechtlicher Sichtvon Denise Feldner, HU <strong>Berlin</strong>A. UntersuchungsgegenstandDer Atomausstieg ist mit dem Inkrafttretender entsprechenden Novelle im April <strong>2002</strong>besiegelt worden. Basierend auf der Atomkonsensvereinbarung– nach dem umweltrechtlichenKooperationsprinzip <strong>zu</strong> beurteilen– bestimmt es nunmehr den Zweckder geordneten Beendigung der Kernenergienut<strong>zu</strong>ng<strong>zu</strong> gewerblichen Zwecken(ausgenommen sind Forschungsreaktoren).Bereits im Konsens vom 14./15. Juni 2000war der Inhalt präzise und detailliert ausgearbeitetworden, wobei die eigentlichenWurzeln des Ausstiegsgesetzes über Jahrzehntein den hessischen Politbereich <strong>zu</strong>rückreichen.Hauptsächliche Kritikpunktedes Gesetzes sind Verstöße gegen Europarecht,die tatsächlichen Folgen des deutschenAusstiegs für die gesamte Forschungsbandbreiteund vor allem Grundrechtsverstöße.B. VerfassungsrechtDer Bundesgesetzgeber war nach Art. 74Nr. 11a und 87c GG da<strong>zu</strong> befugt, den Ausstiegaus der Nut<strong>zu</strong>ng der Kernenergie <strong>zu</strong>kodifizieren. Die Zulässigkeit des Gesetzesallgemein beurteilt sich nach Gemeinwohlinteressen,dem Sozialstaatsprinzip undnatürlich dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagenin Art. 20a GG. Darüberhinaus sind die Betreiber der entsprechendenKKW, organisiert in der Rechtsform52


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3einer juristischen Person, auch als gemischt-wirtschaftlicheUnternehmen grundrechtsfähig.Gegenstand betroffener Grundrechte sindArt. 14 GG das Eigentum und Art. 12 Abs.1 GG die Berufsfreiheit. Das in Art. 14 GGgarantierte Eigentum definiert sich jedochdurch Inhalts- und Schrankenbestimmungenerst selbst. Damit ist eine Regelung,solange sie ein Gesetz darstellt, nicht alsEnteignung, sondern als Inhalts- undSchrankenbestimmung an<strong>zu</strong>sehen. Dastrifft auch auf die im AtG festgeschriebenennachträglichen Befristungen von Genehmigungennach dem AtG <strong>zu</strong>.C. Schwerpunkte der NeuerungenEntscheidende Grundlage <strong>zu</strong>m Ausstiegbietet der bereits angesprochene, neu eingefügteGesetzeszweck der geordnetenBeendigung von gewerblicher Nut<strong>zu</strong>ng derKernenergie. Begleitet wird dieser von demVerbot der Erteilung von neuen Genehmigungenund der stufenweisen Befristungvon Altgenehmigungen. Darüber hinausbesteht nunmehr eine gesetzliche Pflicht,die periodischen Sicherheitsüberprüfungendurch<strong>zu</strong>führen.Im Rahmen des Entsorgungskonzeptesfindet sich die Neuerung, dass die Betreibernunmehr Interimslager ein<strong>zu</strong>richtenhaben. Die <strong>zu</strong>ständige Behörde, das Bundesamtfür Strahlenschutz, hat bisher alleeingereichten Anträge bearbeitet und nahe<strong>zu</strong>entschieden. Dieser Punkt der Novellierungerscheint damit durchset<strong>zu</strong>ngsfähig.Allerdings ist dieser Zwischenschritt imEntsorgungskonzept nur von befristeterDauer. Sein Sinn war, kurzfristig die soheftig umstrittenen Atomtransporte von denStraßen und Schienen <strong>zu</strong> holen, um dieBevölkerung mit diesem Entschluss <strong>zu</strong> „beruhigen“.Weitere entscheidende Neuerung stellt dieTatsache dar, dass sich der deutsche Gesetzgeber– als erster auf diesem Erdball –für die Ein-Endlagerstrategie entschiedenhat. Tatsächliche Folge hiervon ist wiederum,dass die bisher in Augenscheingenommenen Endlagerstandorte einemMoratorium unterworfen worden sind unddie „Endlagerproblematik“ einer Lösungwiederum ein Stück entrückt wurde.D. SchlusswortDer Gesetzgeber hat mit dem im Seminarbesprochenen Thema einen nicht <strong>zu</strong> unterschätzendenFortschritt erwirkt. DassDeutschland sich auf diesem Weg nichtallein befindet, zeigen Staaten, die bereitsschon „ausgestiegen“ sind oder es in absehbarerZeit vorhaben und bereits diedeutschen Erfahrungen in ihrem Gesetzgebungsprozesseinbeziehen bzw. sichAnregungen holen. Traurig ist nur, dassdas eigentliche Problem, mit demDeutschland wiederum weltweit nicht alleindasteht (diesen Punkt konnte noch keinSouverän abschließend entscheiden), undzwar das Problem der Endlagerung, nichtgeklärt werden konnte. Dieser Streitpunktverspricht, für die Zukunft ein spannendesDiskussionsfeld <strong>zu</strong> werden/sein. Ebenfallssteht der Gesetzgeber vor der Herausforderung,dass er auf Grund des langsamenRück<strong>zu</strong>ges der Betreiber aus diesem Geschäftbis <strong>zu</strong>m letzten die „schützendeHand“ auf den Standorten der KKW behaltenmuss. Das sich parallel <strong>zu</strong>r Einstellung<strong>zu</strong>rückziehende Kapital darf sich nichtin herabgesenkten Sicherheitsstandardsund Gefährdungen der Bevölkerung auswirken.53


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 3Haftung für grenzüberschreitende Umweltschäden in Ungarn– insbesondere der Fall „Theißverschmut<strong>zu</strong>ng”von dr. Ágnes Sántha, ELTE <strong>Budapest</strong>I. HintergrundIn dem Goldbergwerk Aurul in Baia Mare,Rumänien brach am 30. Januar 2000 derDamm eines Auffangbeckens für zyanidhaltigeSchlämme. Diese fallen bei derHerauslösung von Gold aus dem Gesteinan und werden in offenen Becken gelagert.Es traten zirka 100 000 Kubikmeter dieserSchlämme aus und flossen über Kanäle indie Samos und weiter in die Theiß und Donau.Das enthaltene Zyanid ist hoch giftigund für den Menschen ab einer Dosis von2,6 mg tödlich, da es die innere Zellatmungblockiert. Da dieses Zyanid in Konzentrationenvon bis <strong>zu</strong> 3 mg/l auftrat (EU-Grenzwert 0,05 mg/l), wurde fast das gesamteLeben in der Samos und Theiß ausgelöscht.Die Ursache waren starke, lang anhaltendeRegenfälle sowie die Schneeschmelze.Aber auch der Betreiberfirma wird vorgeworfen,<strong>zu</strong> spät reagiert und den Damm <strong>zu</strong>schlampig gebaut <strong>zu</strong> haben. Unglücke wiedieses treten weltweit jedes Jahr auf. Dabeiwerden ganze Gebiete verseucht undMenschen getötet.Um dies in Zukunft <strong>zu</strong> verhindern, fordernUmweltverbände und das Bundesumweltministeriumverschärfte internationale Vorschriftenfür den Bergbau.II. Die Haftung im Fall der „Theißverschmut<strong>zu</strong>ng“Infolge der Zyanidkatastrophe gibt es dreiRechtverhältnisse:- Zwischen Ungarn und den UnternehmenAurul entstand eine Schadenersatzschuld,- Zwischen den ungarischen natürlichenund juristischen Personen und Aurul,- Zwischen Ungarn und Rumänien gibt esden dritten Schadenersatzanspruch1. Das Rechtsverhältnis zwischen demungarischen Staat und dem UnternehmenAurul S. A.Es ist bestimmbar, dass wir die Vorschriftendes bürgerlichen Rechtes, des internationalenZivilrechtes, des öffentlichenRechtes benutzen sollen.Der Tatsachengrund des ungarischenSchadensersatzanspruchs liegt daran,dass das Unternehmen Aurul in Baia Maredie Zyanidvergiftung verursachte, und dieserVerschmut<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>folge haben dieFlüsse, die Boden, die Flora und die Fauna,die Staatseigentum Schaden litten.Auf diesem Grund entstand ein Rechtsverhältniszwischen den zwei Parteien, eineSchadensersatzschuld, weshalb die Vorschriftendes bürgerlichen Rechtes <strong>zu</strong> benutzensind.2. Verhältnis zwischen den ungarischennatürlichen und juristischen Personen undder Aurul S. A.Die Zyanidvergiftung schädigte nicht nurden ungarischen Staat, sondern auch dieMenschen und Unternehmungen, die „vonder Theiß leben“ (zirka 2200 Personen).Diese Gegend ist besonders arm. Die Einkommenaus dem Tourismus wurden damitbesonders vermindert. Etwa 200 Familienan der Theiß sind in Arbeitslosigkeit geraten.Ungarn hatte auch einen Exportausfall, weildie Verhandlungspartnerländer wegen derZyanidkatastrophe <strong>zu</strong> jedem LebensmittelproduktBefreiungsurkunden erforderten.Die Geschädigten können sich ans Gerichtwenden. Privatgeschädigte können nurwegen ihres rückständigen Ertrages klagen.54


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtWORKSHOP 33. Verhältnis zwischen dem ungarischenund dem rumänischen StaatDie Frage der Verantwortung kann auchzwischen den Staaten aufgeworfen werden,aber da<strong>zu</strong> brauchen wir die Übertretunginternationaler Abmachungen und desGewohnheitsrechtes, um die Verantwortung<strong>zu</strong> bestimmen. Vom juridischenStandpunkt aus betrachtet ist die Lagekompliziert, weil so eine internationale Abmachungnicht existiert, die mit der Zyanidkatastrophegenau übereinstimmt. Die vondem rumänischen Staat unterschriebeneninternationalen Abmachungen und die allgemeinenVorschriften bilden den Rechtsgrundder Verantwortung.Es muss bewiesen werden, dass Rumäniennicht die erwartete Sorgfältigkeitzeigte:- Seine Behörden genehmigten den Betriebvon Aurul S. A. oder den Dammbau nichtvorschriftsmäßig,Die finanzielle Versicherung ist im allgemeinennicht geeignet, deshalb möchtendie Unternehmen die Bezahlung der möglichenUmweltschutzwirkungen vermeiden.55


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Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEVorträge<strong>Budapest</strong>A. Antypas, PhD, Dozent an der Central European University (CEU)Róbert Pollacsek, Politischer Beobachter bei der Europäischen UnionDr. Judit Szántó, Mitarbeiterin des Ombudsmannes für Umweltfragen im ung. ParlamentGábor Koltay, Central European University (CEU)<strong>Berlin</strong>Jürgen Keinhorst, Referatsleiter im Bundesministerium für UmweltGünter Gloser (SPD), Mitglied des Bundestages, Vorsitzender des EU-AusschussesStefan Krug, Leiter der politischen Abteilung von Greenpeace57


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEEconomics and environment, pollution rights and the marketmechanismLecture by Gabor Koltay, Central European University <strong>Budapest</strong>Environmental problems are quite newphenomena for economics but they arebeing studied intensively. In these analysisesthe environment usually features as afactor of production. However, the environmentor more correctly a healthy environmentposes difficulties for economiccalculations because as a good the environmenthas some special traits.One important factor for these difficultieslies in the contrast between environmentalgoods and standard goods; in economicsenvironment is harder to value and standardprocedures may break down in thiscase. There exist different answers withineconomics to overcome this problem. Thetraditional treatment is based on the marginalist(subjective welfare) approach usingcost-benefit calculation. However, in connectionwith environmental issues severalalternative ways to measurement were developed,which are usually discussed underthe title ‘green economics’. This is itself amix of various concepts offering alternativeways of thinking about the environment.Another difficulty originates from externalitiesinvolved in environmental problems.Clean environment is a common good andduring the interaction of man with the environmentseveral externalities arise. Externalitiesmean that the actions taken in aparticular situation affect people who arenot directly involved in it. A paradigmaticexample for this is the tragedy of the commons.Externalities lead to overpollutionand underpricing, which in this contextleads to the overexploitation of the environment.Explanation and possible solutions for thisproblem was offered by Ronald Coase,who claims that the core of the problem is,that private and social costs of the economicaction involved differ in a way thatthe first is lower than the second. Accordingto his theory this is due to the vaguelyassigned rights in connection with thegoods in question. Following this reasoningexternalities arise when rights are notclearly defined, that means society has notassigned the rights to do certain things orcannot protect the rights to do that. Thus bysetting the maxim ‘do not pollute’ societycreates external effects and opens thepossibility to free ride. According to Coasethe goal is to define clear rights and makepayment possible between the parties involved.This proposal poses an obvious question:whom should the rights be assigned to?The answer is crucial because those whoreceive those rights will be better off thanthe others, although the market will be effective(under the usual assumptions ofeconomics) no matter how the rights aredistributed. This is the underlying reasonwhy these rights are often assigned to thestate. However, in economic terms (if thestate is a separate and autonomous agentitself) it is just as good if one assigns therights to the businesses or individuals andmakes the state pay for these economicagents so that they do not pollute.However, even if the rights are already welldefined there may be problems with theprice mechanism of the market. In economicterms the amount of pollution is optimalif the marginal benefit of pollutionequals the marginal costs of it. The alreadymentioned difficulty is that costs and benefitsare much harder to identify in case ofenvironmental pollution than in usualtraded goods. Market creation for pollutionis supposed to overcome this problem becausethe market is supposed to valuegoods optimally. Nevertheless economicagents will suffer from the same lack ofinformation about possible consequencesof pollution as without a working market.Moreover the divisibility of environmentalgoods is questionable if one considers en-58


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEvironment as an ecosystem. The views ofbiologists and ecologists are often disregardedby economists when analysing environmentalissues although these opinionswould be crucial if one is to identify thespecial features of this good and the possiblemethods to value it the right way.Assigning rights to pollute and creatingmarkets based upon these rights are notjust theoretical ideas detached from reality.Some places for pollution rights are alreadyexisting in practice in the US markets andalso during the negotiations about theKyoto protocol the idea was introduced tocreate a global market for CO 2 and othergreen-house gases. This means that infuture pollution limits would be set up forthe emission of these gases and also theabsorption capacity of each country wouldbe determined. Those countries that haveabsorption excess could sell it to countriesthat would produce more pollution thantheir limit. This way global emission couldbe constrained. The major economic reasonto introduce such a system is to allowfor economic growth in highly polluted areas.There are no international agreementsin place yet but BP and Shell already haveinternal carbon trading systems and Canadaapproved to run a private, Internetbasedgreenhouse-gas emission reductionexchange.Thanks to already existing practice it ispossible to list the effects of creating suchmarkets. It is often argued that these solutionsminimise the costs for the firms ratherthan maximising environmental gains. Apossible international market from this perspectivewould allow for richer countries tobuy the possibility of economic growth. Thisway, less developed countries would gainmoney but their growth perspectives wouldbe constrained – aid does not lead to economicdevelopment. Moreover the globaleffect depends on the baselines and capsthat are set bureaucratically and the marketfor pollution rights is basically a way to enforcethe rules. Emergence of ‘hot spots’,highly polluted areas was observed as aby-product of these markets which leads tofurther problems in these areas rather thansolving them. Moreover to buy rights is oftencheaper than to introduce environmentalprotection measures.Although market for pollution rights maycarry out efficient allocation it might alsohave side effects (such as `hot spots`).Moreover the crucial decisions of howmuch to pollute and how to recover alreadyoverpolluted areas, cannot be undertakenby this automatic mechanism.59


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEOsterweiterung als Chance für den UmweltschutzReferent: Jürgen Keinhorst, Regierungsdirektor im Referat für Zusammenarbeit mit MOE-Staaten im Bundesministerium für UmweltDer Beitritt der mittel- und osteuropäischenStaaten (MOE) <strong>zu</strong>r Europäischen Union(EU) wird <strong>zu</strong> einer Erhöhung der Umweltstandardsin Europa führen. Diese Prognosedes Bundesministeriums für Umweltstützt sich auf zwei Aspekte. Zum einenwird die Eingliederung in das europäischeStandardsystem in den Beitrittsländern <strong>zu</strong>einem massiv erhöhten Schutz der gefährdetenGebiete in Osteuropa beitragen,womit sich die Umweltsituation in ganz Europaverbessern wird. Zum anderen wirddie um zehn Staaten vergrößerte EU <strong>zu</strong>einer effektiveren Verhandlungsposition aufvölker-rechtlicher beziehungsweise internationalerEbene führen. Diese Entwicklungbirgt die Chance, dass der globaleUmweltschutz insgesamt <strong>zu</strong>nehmen wird.Schon heute werden die Umweltstandardshauptsächlich auf europäischer Ebenefestgelegt. 80 % der Dynamik im Umweltrechtwird von der Europäischen Kommissionin Brüssel bestimmt. Bei der Durchset<strong>zu</strong>ngdieser Standards fällt auf, dassinnerhalb der EU ein Nord-Süd-Gefälle <strong>zu</strong>verzeichnen ist. Die nördlichen Mitgliedsstaatenverhalten sich bei der Implementierungder Regelungen in nationales Rechtdeutlich progressiver als die im Süden gelegenenStaaten.Die EU gibt demnach bezüglich der Harmonisierungim Bereich Umwelt kein einheitlichesBild ab. Daher hat die Umset<strong>zu</strong>ngder 300 Punkte des aquis communitaire,welche die zehn Beitrittskandidatenim Umweltrecht <strong>zu</strong> erfüllen haben, einengewissen zeitlichen Spielraum.Das Umweltkapitel, welches eines von insgesamt31 Kapiteln des aquis darstellt,wird einer strengen Überprüfung in der tatsächlichenUmset<strong>zu</strong>ng unterzogen. MitUngarn konnte das Kapitel schon erfolgreichabgeschlossen werden. Die Erwartungshaltungin der jetzigen Verhandlungsrundeist dabei höher als beispielsweise beider letzten (Schweden, Österreich, Finnland).Diese Ungleichbehandlung erklärtsich durch mangelndes Vertrauen in denVoll<strong>zu</strong>g durch die Beitrittsländer. AlsGlaubwürdigkeitsbeweis für die tatsächlicheImplementierung der Standards fungierendabei die Umset<strong>zu</strong>ng der europäischenRichtlinien. Ungarn hat seinerseits bereitsalle Gesetze übertragen. Mit anderen Ländernsind Aktionspläne vereinbart worden,die die individuelle Motivation <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ngsteigern sollen.Um in der Umset<strong>zu</strong>ng der Regelungen dieBeitrittsländer <strong>zu</strong> unterstützen, wurden„pear reviews“ eingesetzt: EU-Beamte begutachtenfür kurze Zeit in einer Art Austauschprogrammdie Verwaltungen derBeitrittsländer. An dieser Hilfe im Verwaltungsaufbaubeteiligen sich auch Expertenaus den einzelnen Mitgliedstaaten, z.B.Mitarbeiter des deutschen Ministeriums fürUmwelt.Finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng wird durch Mittelaus dem Kohäsionsfonds der EU gewährt.500 Millionen Euro pro Jahr werden an dieMOE-Staaten verteilt, von denen die Hälftefür Umweltmaßnahmen, der andere Teil fürverkehrsstrukturelle Projekte bestimmt ist.Allerdings schätzt das deutsche Ministerium,dass insgesamt ein Volumen von 20Milliarden Euro benötigt werden, um dienotwendigen Sanierungen und Umgestaltungendurch<strong>zu</strong>führen, mit denen die Standardserreicht werden sollen, die in der EUgelten.Umwelt stärkt WirtschaftWirtschaftlich betrachtet bringt die Harmonisierungder Umweltregelungen zwei relevanteEffekte mit sich.Zum einen müssen die Energiepreise inden MOE-Staaten in den nächsten zehnbis fünfzehn Jahren erheblich angehobenwerden, damit sie sich dem europäischenMaßstab anpassen. Bisher waren die Bürgerder Beitrittsländer davon verschontgeblieben, denn die aus sozialistischer Zeitherrührenden niedrigen Energiepreise wur-60


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEden in den Jahren nach der Wende kaumerhöht. Die Anpassung dieser Posten istpolitisch ein sensibles Thema, <strong>zu</strong>mal sie inerster Linie die ärmeren Bevölkerungsschichtenbetrifft.Ein weiterer Effekt ist das Wachsen einerÖkoindustrie in den Beitrittsländern; dennÖkobranchen sind dort bislang kaum vorhanden.Die neuen Energiestandards eröffnenhier ein neues wirtschaftliches Betätigungsfeld,das durch die Harmonisierungder Umweltstandards in den MOE-Staatenvor allem für den Exportmarkt interessantwerden könnte.Zunächst aber stellen die Modernisierungeneine Belastung, vor allem finanziellerArt dar. Auch muss noch ein Verständnisbei den Politikern und Bürgern geschaffenwerden, wie mit Verschmut<strong>zu</strong>ng in Bereichen,die bisher nicht als relevant umweltschädlicheingestuft wurden, umgegangenwird. Es überwiegt dennoch der positiveNutzen, der <strong>zu</strong>mindest potentiell in denBereichen der ökologischen Wirtschaft undvor allem der spürbaren Verbesserung derLebensqualität.liegt.Der EU-Ausschuss des Deutschen BundestagesReferent: Günter Gloser (SPD), MdB und Vorsitzender des EU-Ausschusses des DeutschenBundestagesDer Ausschuss für die Angelegenheiten derEuropäischen Union, kurz auch EU-Ausschussgenannt, ist der vierte in der Verfassungausdrücklich genannte Ausschuss.Artikel 45 Grundgesetz schreibt seine Einset<strong>zu</strong>ngfür jede Legislaturperiode zwingendvor. Mit der Einrichtung des mit besonderenRechten ausgestatteten EU-Ausschusseswurden für das Parlament auchdie organisatorischen und parlamentsrechtlichenFolgerungen aus der nach Artikel23 Grundgesetz verfassungs-rechtlichgebotenen gemeinsamen Verantwortlichkeitvon Bundestag, Bundesrat und Bundesregierungin europäischen Angelegenheitengezogen.Im Deutschen Bundestag sind zwar grundsätzlichalle Ausschüsse im Rahmen ihrerjeweiligen sachlichen Zuständigkeit für dieBeratung europäischer Angelegenheiten<strong>zu</strong>ständig. Dennoch ist der EU-Ausschussder zentrale Ort des europapolitischen Entscheidungsprozesses.In seiner Funktionals Integrationsausschuss ist er <strong>zu</strong>ständigfür Grundsatzfragen der europäischen Integration,wie die institutionelle Reform derEU und andere Änderungen der Gemeinschaftsverträge,die Erweiterung der EUsowie die Zusammenarbeit mit dem EuropäischenParlament und den nationalenParlamenten der anderen Mitgliedstaaten.Neben seiner Rolle als Integrationsausschussist der Europaausschuss innerhalbdes Ausschusssystems des DeutschenBundestages auch Querschnittsausschuss.Das heißt, er wird insbesondere tätig, woein europäisches Vorhaben mehrere gan<strong>zu</strong>nterschiedlich geartete Politikfelder vereint,ohne dass ein sachspezifischerSchwerpunkt der Vorlage identifiziert werdenkönnte.61


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGEIn dieser Funktion befasst sich der EU-Ausschussu.a. federführend mit der parlamentarischenUmset<strong>zu</strong>ng der sog. "Agenda2000", dem Vertrag von Nizza, den Erweiterungsverhandlungender EU mit zehnLändern Mittel- und Osteuropas, Malta undZypern sowie dem Prozess <strong>zu</strong>r Zukunft derEU und dem auf dem Europäischen RatLaeken beschlossenen Europäischen Konvent.Die Verhandlungen mit Ungarn sinddabei schon erfolgreich abgeschlossenwerden. In seiner Stellungnahme <strong>zu</strong> denBeitrittsverhandlungen rügte das EuropäischeParlament lediglich eine fehlendeDemokratisierung der Medien und eineun<strong>zu</strong>reichende Minderheitenpolitik aufgrund<strong>zu</strong> geringer Integrationsbemühungenseitens der ungarischen Regierung. Individuelle,binationale Absprachen <strong>zu</strong>m Beitrittwerden im EU-Ausschuss beraten und vonder Regierung durchgesetzt, so die Übergangsregelung<strong>zu</strong>r Arbeitnehmerfreizügigkeitzwischen Deutschland und Ungarn.Weitere Themen der Ausschussarbeit nebenden Beitrittsverhandlungen waren undsind: Grundrechte-Charta der EU, die Balkanpolitikder EU, insbesondere der Stabilitätspaktfür Südost-Europa, die GemeinsameAußen- und Sicherheitspolitik derEU, die Handelsbeziehungen der EU, insbesondere<strong>zu</strong> den USA.Der EU-Ausschuss befasst sich nicht mitder Umset<strong>zu</strong>ng von im Ministerrat und EuropäischenParlament bereits verabschiedetenRichtlinien. Diese Aufgabe, bei deres sich aus Sicht der Europapolitik nicht sosehr um Mitgestaltung als vielmehr umVollziehung europäischer Vorgaben handelt,ist den Fachausschüssen des Bundestagesvorbehalten.Der EU-Ausschuss hat - im Gegensatz <strong>zu</strong>anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages- eine Reihe besonderer Handlungsmöglichkeiten:So kann er unter bestimmtenVorausset<strong>zu</strong>ngen nach Verständigungmit den beteiligten Fachausschüssenunmittelbar, d.h. ohne Ausspracheim Plenum, verbindliche Stellungnahmenan die Bundesregierung abgeben.Er kann weiter Änderungsanträge <strong>zu</strong> Beschlussempfehlungender federführendenFachausschüsse in das Plenum des Bundestageseinbringen. Schließlich ist er berechtigt,außerhalb der Sit<strong>zu</strong>ngswochenAusschusssit<strong>zu</strong>ngen ein<strong>zu</strong>berufen, wennda<strong>zu</strong> ein akuter Handlungsbedarf besteht.Der EU-Ausschuss pflegt enge Kontakte <strong>zu</strong>den mit Europafragen befassten Ausschüssenanderer nationaler Parlamenteder Mitgliedstaaten, der Beitrittskandidatensowie mit dem Institutionellen Ausschussdes Europäischen Parlaments. Eine gewisseInstitutionalisierung findet diese Kooperationin den halbjährlich, im Land derjeweiligen Ratspräsidentschaft stattfindendenTreffen der sog. COSAC, bei der Vertreterder Europaausschüsse der nationalenParlamente und des InstitutionellenAusschusses des Europäischen Parlaments<strong>zu</strong>sammenkommen.Die politische Arbeit der Nichtregierungsorganisation GreenpeaceReferent: Stefan Krug, Leiter der politischen Abteilung von Greenpeace, <strong>Berlin</strong>Bekannt ist die UmweltschutzorganisationGreenpeace vor allem für spektakuläreAktionen, durch die eine große Medienöffentlichkeiterreicht wird, um Aufmerksamkeitauf das Thema Umweltschutz <strong>zu</strong> lenken.Als Kampagnenmittel dienen nebenden aktivistischen Tätigkeiten auch juristischeAuseinanderset<strong>zu</strong>ngen, beispielsweiseein kürzlich abgeschlossener Streitzwischen Greenpeace und dem Ölkonzern62


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGETotalFina. Dem Unternehmen wurde vonder Umweltorganisation vorgeworfen,durch Ölkauf in Russland maßgeblich <strong>zu</strong>rVerschmut<strong>zu</strong>ng der dortigen Gebiete bei<strong>zu</strong>tragen.Greenpeace unternahm es, Pipelinesin Russland <strong>zu</strong> besetzen beziehungsweiseverschmutzte Erde aus Russlandvor die Konzernzentrale in Paris <strong>zu</strong>kippen. Der juristische Streit aber entbrannteum die Nut<strong>zu</strong>ng des Unternehmensnamens:Greenpeace startete eineInternetseite unter Nut<strong>zu</strong>ng des FirmennamensTotalFina, auf der die Umweltsündendes Ölkonzerns angeprangert wurden.In einem Prozess, den der französischeKonzern vor dem Kammergericht <strong>Berlin</strong>angestrengt hat, wurde der Umweltorganisationnach einem einjährigen Verfahrenschließlich Recht gegeben.Um die gewonnene Aufmerksamkeit praktischnutzen und politisch einbringen <strong>zu</strong>können, muss Greenpeace intensive Lobbyarbeitleisten. Dies ist die Hauptaufgabeder politischen Abteilung von Greenpeace,die ihren Sitz regierungsnah in <strong>Berlin</strong> hat.Zu den Tätigkeiten dieser Abteilung gehörtdie Organisation und Beobachtung vonnationalen und internationalen Konferenzen.Vor Ort kümmert sich das Büro primärum Kontakte <strong>zu</strong> den im Bundestag vertretenenParteien beziehungsweise anderenLobbyorganisationen, wobei Greenpeacebesonderen Einfluss auf die Politik über diePartei Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat.Ein gelungenes Projekt politischer Lobbyarbeitwar die Ausarbeitung des Verbraucherinformationsgesetzes,welches auf dieGesetzesinitiative der GRÜNEN <strong>zu</strong>rückgeht.Greenpeace hat sich maßgeblich fürdieses Gesetz engagiert.Auf der aktuellen Agenda der politischenArbeit befindet sich der Umweltgipfel inJohannesburg, bei dem es vor allem umdie Ratifizierung beziehungsweise dieDurchset<strong>zu</strong>ng des Kyoto-Protokolls geht.Im Vordergrund steht dabei die Einführungeiner internationalen Regelung <strong>zu</strong>r Haftungvon durch Unternehmen verursachteSchäden. Diese corporate liability soll esendlich ermöglichen, dass Unternehmenfür die von ihnen verursachten Schädenauch grenzüberschreitend haftbar gemachtwerden können.Die politische Abteilung setzt sich vor allemfür eine Standardisierung von global commongoods ein. Es sollen Güter verbindlichdefiniert werden, die öffentlich bleibenmüssen und nicht von Einzelinteressenabhängig sind. Da<strong>zu</strong> gehören unter anderemder Erhalt der Ozeane als staatenfreieZone sowie das Verbot von Patenten aufGene.In globaler Hinsicht gehört auch die Energiepolitik<strong>zu</strong> den durch<strong>zu</strong>setzenden Zielenvon Greenpeace. Die Organisation will erreichen,dass ärmere Länder einen Teil derEnergie, die sie verbrauchen, in Form vonregenerativen Energien produzieren müssen.Dafür soll eine Mindeststandardfestlegungeingeführt werden, um „saubere“ E-nergien auch in den ärmeren Staaten <strong>zu</strong>fördern.Greenpeace ist in der Wirkungsausrichtunghauptsächlich global orientiert. NationaleEinzelprobleme werden <strong>zu</strong>meist von anderenNichtregierungsorganisationen aufgegriffen.Die Lobbyarbeit im nationalenRahmen soll daher in erster Linie eineStandarderhöhung des Umweltschutzesbewirken, die mittelfristig <strong>zu</strong> einer Erhöhungder multinationalen Standards führt.In Mittel- und Osteuropa wachsen dieStrukturen von Greenpeace erst langsamheran. In Ungarn ist bisher ein Büro eröffnetworden, welches sich um das Werbenvon Mitgliedern kümmert. Allerdings spielendie Umweltprobleme in den Transformationsstaatennoch keine bedeutendeRolle als politisches Thema. Diese werdennoch von der wirtschaftlichen Umstrukturierungund der Heranführung an die EU ü-berlagert.63


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtVORTRÄGE64


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENVerfassung der Republik UngarnGesetz Nr. XX von 1949Zur Unterstüt<strong>zu</strong>ng des friedlichen politischenÜbergangs <strong>zu</strong>m Rechtsstaat, derein Mehrparteiensystem, eine parlamentarischeDemokratie und eine sozialeMarktwirtschaft realisiert, legt das Parlamentden Text der Verfassung Ungarns -bis <strong>zu</strong>r Annahme der neuen Verfassungunseres Landes - wie folgt fest:Kapitel IAllgemeine BestimmungenArtikel 1Ungarn ist eine Republik.Artikel 2(1) Die Republik Ungarn ist ein unabhängiger,demokratischer Rechtsstaat.(2) In der Republik Ungarn geht alleStaatsgewalt vom Volke aus, das dieVolkssouveränität durch seine gewähltenAbgeordneten und unmittelbar ausübt.(3) Niemand darf seine Tätigkeit auf diegewaltsame Ergreifung oder Ausübungder Macht bzw. ihren ausschließlichenBesitz richten. Jeder ist berechtigt und<strong>zu</strong>gleich verpflichtet, auf gesetzlichemWege gegen solche Bestrebungen vor<strong>zu</strong>gehen.Artikel 2/A(1) Die Republik Ungarn kann im Interesseihrer Teilnahme als Mitgliedsstaat an derEuropäischen Union auf der Basis einesinternationalen Vertrags - in einem <strong>zu</strong>rAusübung der sich aus den Gründungsverträgender Europäischen Union bzw.der Europäischen Gemeinschaften (imWeiteren: Europäische Union) ergebendenRechte und <strong>zu</strong>r Erfüllung der Pflichtenerforderlichen Maße - einzelne ihrer sichaus der Verfassung herleitenden Kompetenzengemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaatenausüben; diese Kompetenzausübungkann auch eigenständig, durchdie Institutionen der Europäischen Unionrealisiert werden.(2) Zur Ratifizierung und Verkündung desinternationalen Vertrags gemäß Absatz 1ist eine Zweidrittelmehrheit der Parlamentsabgeordnetenerforderlich.Artikel 3(1) In der Republik Ungarn dürfen sich dieParteien unter Achtung der Verfassungund verfassungsmäßigen Rechtsvorschriftenfrei bilden und können frei tätigsein.(2) Die Parteien wirken bei der Ausgestaltungund Deklarierung des Volkswillens<strong>zu</strong>sammen.(3) Die Parteien dürfen direkt keineStaatsgewalt ausüben. Dementsprechenddarf keine einzige Partei irgendein Staatsorganleiten. Im Interesse der Trennungvon Parteien und Staatsgewalt bestimmtein Gesetz jene Posten und öffentlichenÄmter, die Mitglieder oder Amtsträger einerPartei nicht ausüben dürfen.Artikel 4Die Gewerkschaften und andere Interessenvertretungenschützen und vertretendie Interessen der Arbeitnehmer, Genossenschaftsmitgliederund Unternehmer.Artikel 5Der Staat der Republik Ungarn schützt dieFreiheit und die Macht des Volkes, dieUnabhängigkeit und territoriale Integritätdes Landes sowie seine in internationalenVerträgen verankerten Grenzen.Artikel 665


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMEN(1) Die Republik Ungarn lehnt den Kriegals Mittel der Lösung von Streitigkeitenzwischen Nationen ab und enthält sich derAnwendung von Gewalt bzw. der Androhungvon Gewalt gegen die Unabhängigkeitoder territoriale Integrität andererStaaten.(2) Die Republik Ungarn strebt die Zusammenarbeitmit allen Völkern und Ländernder Welt an.(3) Die Republik Ungarn empfindet Verantwortungfür das Schicksal der außerhalbihrer Grenzen lebenden Ungarn undfördert die Verbesserung ihrer Beziehung<strong>zu</strong> Ungarn.(4) Die Republik Ungarn wirkt <strong>zu</strong>r Entfaltungder Freiheit, des Wohlstands und derSicherheit der Völker Europas an derSchaffung der europäischen Einheit mit.Artikel 7(1) Das Rechtssystem der Republik Ungarnakzeptiert die allgemein anerkanntenRegeln des internationalen Rechts undsichert ferner den Einklang der internationalenRechtsverpflichtungen und des innerenRechts.(2) Die Ordnung der Rechtsset<strong>zu</strong>ng regeltein Gesetz, <strong>zu</strong> dessen Annahme eineZweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig ist.Artikel 8(1) Die Republik Ungarn erkennt die unantastbarenund unveräußerlichen Grundrechtedes Menschen an, deren Achtungund Schutz die erstrangige Pflicht desStaates ist.(2) In der Republik Ungarn bestimmt einGesetz die auf die grundlegenden Rechteund Pflichten bezogenen Regelungen,doch darf dieses den wesentlichen Inhalteines Grundrechtes nicht einschränken.(3)(4) In der Zeit des Ausnahme<strong>zu</strong>standes,Notstandes oder einer Gefahrensituationkann die Ausübung der Grundrechte - mitAusnahme der in den Artikeln 54-56, imArtikel 57 Abs. 2-4, im Artikel 60, in denArtikeln 66-69 und im Artikel 70/E. festgelegtenGrundrechte - aufgehoben odereingeschränkt werden.Artikel 9(1) Die Wirtschaft Ungarns ist eine Marktwirtschaft,in der das Gemeineigentumund das Privateigentum einen gleichberechtigtenund gleichen Schutz genießen.(2) Die Republik Ungarn erkennt dasRecht auf Unternehmung und die Freiheitdes wirtschaftlichen Wettbewerbs an undunterstützt dieses.Artikel 10(1) Das Eigentum des ungarischen Staatesist nationales Vermögen.(2) Den Rahmen des ausschließlichenEigentums sowie der ausschließlichenWirtschaftstätigkeit des Staates legt einGesetz fest.Artikel 11Die Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen,die sich im Eigentum des Staatesbefinden, wirtschaften selbständig aufdie Art und Weise und mit der Verantwortung,wie dies im Gesetz festgelegt ist.Artikel 12(1) Der Staat unterstützt die auf freiwilligerVereinigung beruhenden Genossenschaftenund erkennt die Selbständigkeitder Genossenschaften an.(2) Der Staat achtet das Eigentum derSelbstverwaltungen.Artikel 13(1) Die Republik Ungarn sichert das Rechtauf Eigentum.(2) Eigentum darf nur ausnahmsweise und66


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENim öffentlichen Interesse in den Fällen undauf die Art und Weise, wie im Gesetz festgelegt,bei völliger, unbedingter und sofortigerEntschädigung enteignet werden.Artikel 14Die Verfassung sichert das Recht der Erbschaft<strong>zu</strong>.Artikel 15Die Republik Ungarn schützt die Institutionder Ehe und der Familie.Artikel 16Die Republik Ungarn trägt besondere Sorgefür die Existenzsicherheit, Bildung undErziehung der Jugend und schützt die Interessender Jugend.Artikel 17Die Republik Ungarn sorgt durch ausgedehntesoziale Maßnahmen für die Bedürftigen.(…)Kapitel VParlamentarischer Ombudsmann für diestaatsbürgerlichen Rechte und ParlamentarischerOmbudsmann für die Rechte dernationalen und ethnischen MinderheitenArtikel 32/B(1) Die Aufgabe des ParlamentarischenOmbudsmannes für die staatsbürgerlichenRechte ist es, die Mißstände, die ihm inVerbindung mit den verfassungsmäßigenRechten <strong>zu</strong>r Kenntnis gelangen, <strong>zu</strong> überprüfenoder überprüfen <strong>zu</strong> lassen und imInteresse ihrer Abhilfe allgemeine oderindividuelle Maßnahmen <strong>zu</strong> ergreifen.(2) Die Aufgabe des ParlamentarischenOmbudsmannes für die Rechte der nationalenund ethnischen Minderheiten ist es,die Mißstände, die ihm in Verbindung mitden Rechten der nationalen und ethnischenMinderheiten <strong>zu</strong>r Kenntnis gelangen,<strong>zu</strong> überprüfen oder überprüfen <strong>zu</strong>lassen und im Interesse ihrer Abhilfe allgemeineoder individuelle Maßnahmen <strong>zu</strong>ergreifen.(3) Ein Verfahren des ParlamentarischenOmbudsmannes kann in den im Gesetzfestgelegten Fällen jeder beantragen.(4) Die Parlamentarischen Ombudsleutefür die staatsbürgerlichen Rechte bzw. fürdie Rechte der nationalen und ethnischenMinderheiten wählt das Parlament aufVorschlag des Präsidenten der Republikmit einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten.Das Parlament kann <strong>zu</strong>m Schutzeinzelner verfassungsmäßiger Rechteauch einen gesonderten Ombudsmannwählen.(5)(6) Der Parlamentarische Ombudsmannerstattet dem Parlament jährlich Berichtüber die Ergebnisse seiner Tätigkeit.(7) Zur Annahme des Gesetzes über dieParlamentarischen Ombudsleute ist eineZweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.garn erkennt das Recht eines jeden aufeine gesunde Umwelt an und bringt es <strong>zu</strong>rGeltung.(…)Kapitel XIIGrundrechte und -pflichtenArtikel 54(1) In der Republik Ungarn hat jederMensch ein angeborenes Recht auf Lebenund Menschenwürde, um das niemandwillkürlich gebracht werden darf.(2) Niemand darf einer Folterung, einergnadenlosen, unmenschlichen oder demütigendenBehandlung oder Bestrafungunterzogen werden, und insbesondere istes verboten, am Menschen ohne seineZustimmung medizinische oder wissenschaftlicheVersuche aus<strong>zu</strong>führen.67


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENArtikel 55(1) In der Republik Ungarn besitzt jederdas Recht auf Freiheit und persönlicheSicherheit, niemand darf auf andere Weise,als aus den im Gesetz festgelegtenGründen und aufgrund des im Gesetzfestgelegten Verfahrens seiner Freiheitberaubt werden.(2) Eine Person, die verdächtigt wird, eineStraftat begangen <strong>zu</strong> haben und in Haftgenommen wurde, muß in möglichst kürzesterZeit entweder freigelassen odereinem Richter vorgeführt werden. DerRichter ist verpflichtet, die ihm vorgeführtePerson an<strong>zu</strong>hören und in einem mit einerschriftlichen Begründung versehenenBeschluß unverzüglich über ihre Freilassungoder Inhaftierung <strong>zu</strong> entscheiden.(3) Wer das Opfer einer ungesetzlichenFestnahme und Gefangenhaltung wurde,ist <strong>zu</strong> Schadenersatz berechtigt.Artikel 56In der Republik Ungarn ist jeder Menschrechtsfähig.Artikel 57(1) In der Republik Ungarn ist jeder vordem Gericht gleich, und jeder hat dasRecht, daß ein unabhängiges und unparteiischesGericht in einer gerechten undöffentlichen Verhandlung jede gegen ihnerhobene Anklage oder in irgendeinemProzeß seine Rechte und Pflichten beurteilt.(2) In der Republik Ungarn ist jeder solangenicht für schuldig an<strong>zu</strong>sehen, wie dierechtskräftige Entscheidung des Gerichtsnicht seine strafrechtliche Verantwortlichkeitfestgestellt hat.(3) Den einem Strafverfahren unterzogenPersonen steht in jeder Phase des Verfahrensdas Recht der Verteidigung <strong>zu</strong>. DerVerteidiger kann wegen seiner bei derAusübung der Verteidigung geäußertenMeinung nicht <strong>zu</strong>r Verantwortung gezogenwerden.(4) Niemand darf wegen einer Handlungfür schuldig erklärt und mit einer Strafebelegt werden, die <strong>zu</strong>r Zeit der Tat nachungarischem Recht keine Straftat war.(5) In der Republik Ungarn kann entsprechendden Festlegungen in den Gesetzenjeder Bürger gegen Gerichtsbeschlüssebzw. Verwaltungs- oder andere behördlicheEntscheidungen Rechtsmittel einlegen,die ihre Rechte oder berechtigtenInteressen verletzen. Das Recht aufRechtsmittel kann - <strong>zu</strong>r Beurteilung vonRechtsstreitigkeiten innerhalb einer sinnvollenZeit - ein Gesetz einschränken, dasmit Zweidrittelmehrheit der anwesendenParlamentsabgeordneten angenommenwurde.Artikel 58(1) Jedem, der sich rechtmäßig auf demTerritorium Ungarns aufhält, steht - mitAusnahme der im Gesetz festgelegtenFälle - das Recht der freien Bewegungund der freien Wahl des Aufenthaltsortes<strong>zu</strong>, inklusive des Rechts auf Verlassendes Wohnortes und des Landes.(2) Ein sich rechtmäßig auf dem TerritoriumUngarns aufhaltender Ausländer kannnur aufgrund einer dem Gesetz entsprechendgefällten Entscheidung ausgewiesenwerden.(3) Zur Annahme des Gesetzes über dieReise- und Niederlassungsfreiheit ist eineZweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 59(1) In der Republik Ungarn steht jedemdas Recht auf einen guten Leumund, aufUnverletzlichkeit der Privatwohnung sowieauf Schutz der Privatgeheimnisse und derpersönlichen Daten <strong>zu</strong>.(2) Zur Annahme des Gesetzes über denSchutz der persönlichen Daten ist eineZweidrittelmehrheit der anwesenden Par-68


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENlamentsabgeordneten notwendig.Artikel 60(1) In der Republik Ungarn hat jeder dasRecht auf Freiheit des Gedankens, Gewissensund Glaubens.(2) Dieses Recht schließt die freie Wahloder Annahme des Glaubens oder eineranderen Gewissensüberzeugung und jeneFreiheit ein, daß jeder seinen Glauben undseine Überzeugung durch Ausübung vonGlaubenshandlungen und Riten oder aufsonstige Art und Weise sowohl individuell,als auch gemeinsam mit anderen, öffentlichoder im privaten Kreis äußern kannoder deren _ußerung unterläßt, dieseausüben oder lehren kann.(3) In der Republik Ungarn ist die Kirchegetrennt vom Staat tätig.(4) Zur Annahme des Gesetzes über dieGewissens- und Glaubensfreiheit ist eineZweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 61(1) In der Republik Ungarn hat jeder dasRecht auf freie Meinungsäußerung sowiedarauf, Angaben von öffentlichem Interesse<strong>zu</strong> erfahren bzw. <strong>zu</strong> verbreiten.(2) Die Republik Ungarn erkennt die Freiheitder Presse an und schützt diese.(3) Zur Annahme des Gesetzes über dieOffenlegung von Angaben von Allgemeininteressesowie des Gesetzes über diePressefreiheit ist eine Zweidrittelmehrheitder anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.(4) Zur Annahme des Gesetzes über dieAufsicht des öffentlich-rechtlichen Radios,Fernsehens und der Nachrichtenagentursowie über die Ernennung ihrer Leiter,desweiteren über die Genehmigung vonkommerziellen Radio- und Fernsehanstaltenbzw. die Verhinderung eines Informationsmonopolsist eine Zweidrittelmehrheitder anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 62(1) Die Republik Ungarn erkennt dasRecht der friedlichen Versammlung an undsichert dessen freie Ausübung.(2) Zur Annahme des Gesetzes über dasVersammlungsrecht ist eine Zweidrittelmehrheitder anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 63(1) In der Republik Ungarn hat auf Grundlagedes Versammlungsrechtes jeder dasRecht, <strong>zu</strong> Zwecken, die durch das Gesetznicht verboten sind, Organisationen <strong>zu</strong>bilden bzw. sich diesen an<strong>zu</strong>schließen.(2) Eine politischen Zielen dienende bewaffneteOrganisation darf auf der Basisdes Vereinigungsrechtes nicht gegründetwerden.(3) Zur Annahme des Gesetzes über dasVereinigungsrecht sowie des Gesetzesüber die Bewirtschaftung und Tätigkeit derParteien ist eine Zweidrittelmehrheit deranwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 64In der Republik Ungarn hat jeder dasRecht, allein oder gemeinsam mit anderendem <strong>zu</strong>ständigen Staatsorgan schriftlicheinen Antrag oder eine Beschwerde ein<strong>zu</strong>reichen.Artikel 65(1) Die Republik Ungarn gewährt unterden im Gesetz festgelegten Bedingungen -wenn ihnen weder ihr Herkunftsland, nochein anderes Land Schutz bietet - dennichtungarischen Staatsbürgern Asyl, diein ihrer Heimat bzw. dem Land ihres gewöhnlichenAufenthaltsortes wegen ihrerRassen- und nationalen Zugehörigkeit,ihrer Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einer bestimmtengesellschaftlichen Gruppe sowie ihrer reli-69


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENgiösen bzw. politischen Überzeugungverfolgt werden oder ihre Angst vor einerVerfolgung begründet ist.(2) Zur Annahme des Gesetzes über dasAsylrecht ist eine Zweidrittelmehrheit deranwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 66(1) Die Republik Ungarn sichert dieGleichberechtigung von Mann und Frauhinsichtlich aller bürgerlichen und politischensowie wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen Rechte.(2) In der Republik Ungarn muß den Mütternvor und nach der Geburt des Kindesbesonderen Bestimmungen entsprechendUnterstüt<strong>zu</strong>ng und Schutz gewährt werden.(3) Bei der Arbeitsausübung sichern besondereRegelungen den Schutz derFrauen und Jugendlichen.Artikel 67(1) In der Republik Ungarn hat jedes Kindseitens der Familie, des Staates und derGesellschaft das Recht auf jenen Schut<strong>zu</strong>nd jene Sorge, die <strong>zu</strong> seiner entsprechendenkörperlichen, geistigen und moralischenEntwicklung notwendig sind.(2) Den Eltern steht das Recht <strong>zu</strong>, die ihrenKinder <strong>zu</strong>teil werdende Erziehungaus<strong>zu</strong>wählen.(3) Die mit der Lage und dem Schutz derFamilien und der Jugend verbundenenstaatlichen Aufgaben sind in gesondertenBestimmungen enthalten.Artikel 68(1) Die in der Republik Ungarn lebendennationalen und ethnischen Minderheitensind Bestandteile der Macht des Volkes,sie sind staatsbildende Faktoren.(2) Die Republik Ungarn läßt den nationalenund ethnischen Minderheiten einenSchutz <strong>zu</strong>teil werden. Sie sichert ihre kollektiveTeilnahme am öffentlichen Leben,die Pflege ihrer eigenen Kultur, die Nut<strong>zu</strong>ngihrer Muttersprache, die muttersprachlicheBildung und das Recht derNamensnut<strong>zu</strong>ng in der eigenen Sprache.(3) Die Gesetze der Republik Ungarn sicherndie Vertretung der auf dem Territoriumdes Landes lebenden nationalen undethnischen Minderheiten.(4) Die nationalen und ethnischen Minderheitenkönnen Selbstverwaltungen auförtlicher und Landesebene bilden.(5) Zur Annahme des Gesetzes über dieRechte der nationalen und ethnischenMinderheiten ist eine Zweidrittelmehrheitder anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 69(1) In der Republik Ungarn darf niemandemwillkürlich seine ungarische Staatsbürgerschaftaberkannt oder ein ungarischerStaatsbürger aus dem Territoriumder Republik Ungarn ausgewiesen werden.(2) Ein ungarischer Staatsbürger kann ausdem Ausland jederzeit heimkehren.(3) Jeder ungarische Staatsbürger ist da<strong>zu</strong>berechtigt, während der Dauer eines gesetzlichenAuslandsaufenthaltes denSchutz der Republik Ungarn <strong>zu</strong> genießen.(4) Zur Annahme des Gesetzes über dieStaatsbürgerschaft ist eine Zweidrittelmehrheitder anwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 70(1) Jeder auf dem Territorium der RepublikUngarn lebende, volljährige ungarischeStaatsbürger hat das Recht, bei denWahlen <strong>zu</strong>m Parlament und <strong>zu</strong>r örtlichenSelbstverwaltung sowie <strong>zu</strong>r Selbstverwaltungder Minderheit gewählt werden <strong>zu</strong>können und - wenn er sich am Tag derWahl bzw. der Volksabstimmung auf dem70


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENTerritorium des Landes aufhält - Wähler <strong>zu</strong>sein sowie an einer landesweiten oderörtlichen Volksabstimmung und einemVolksbegehren teil<strong>zu</strong>nehmen.(2) Das Wahlrecht bei der Wahl der Mitgliederder örtlichen Selbstverwaltungenund des Bürgermeisters sowie das Teilnahmerechtan einer örtlichen Volksabstimmungund einem örtlichen Volksbegehrensteht - nach einem gesondertenGesetz - auch demjenigen <strong>zu</strong>, der dauerhaftauf dem Territorium der Republik Ungarnals Einwanderer lebt und kein ungarischerStaatsbürger ist, wenn er sich amTag der Wahl bzw. der Volksabstimmungauf dem Territorium des Landes aufhält.(3) Kein Wahlrecht besitzt derjenige, derwegen Einschränkung und Ausschluß derHandlungsfähigkeit entmündigt ist bzw.wer unter der Geltung eines rechtskräftigenUrteils steht, das ihn von der Ausübungöffentlicher Angelegenheiten ausschließt,und ferner wer eine rechtskräftigeFreiheitsstrafe oder eine im Strafverfahrenrechtskräftig angeordnete Zwangsheilbehandlungin einer geschlossenen Einrichtungverbüßt.(4) Jeder ungarische Staatsbürger hat dasRecht, an der Austragung öffentlicher Angelegenheitenteil<strong>zu</strong>nehmen sowie seinerEignung, seiner Ausbildung und seinemfachlichen Wissen entsprechend ein öffentlichesAmt aus<strong>zu</strong>üben.Artikel 70/A(1) Die Republik Ungarn sichert jeder sichauf ihrem Territorium aufhaltenden Persondie Menschen- bzw. staatsbürgerlichenRechte ohne jegliche Unterscheidung, d.h. ohne Diskriminierung nach Rasse, Farbe,Geschlecht, Sprache, Glauben, politischeroder anderer Meinung, nationaleroder sozialer Herkunft sowie Vermögens-,Geburts- oder sonstiger Lage.(2) Das Gesetz bestraft hart jeglichenachteilige Unterscheidung der Menschennach Absatz 1.(3) Die Republik Ungarn unterstützt dieRealisierung der Rechtsgleichheit auchdurch Maßnahmen, die auf die Beseitigungder Chancenungleichheit gerichtetsind.Artikel 70/B(1) In der Republik Ungarn besitzt jederdas Recht auf Arbeit und auf die freieWahl der Arbeit und der Beschäftigung.(2) Jeder besitzt für gleiche Arbeit, ohneirgendeine Unterscheidung, das Recht aufgleichen Lohn.(3) Jeder Werktätige hat das Recht auf einEinkommen, das der Menge und Qualitätseiner ausgeführten Arbeit entspricht.(4) Jeder hat das Recht auf Erholung,Freizeit und geregelten, bezahlten Urlaub.Artikel 70/C(1) Jeder hat das Recht, <strong>zu</strong>m Schutz seinerwirtschaftlichen und sozialen Interessen<strong>zu</strong>sammen mit anderen eine Organisation<strong>zu</strong> bilden oder sich einer solchenan<strong>zu</strong>schließen.(2) Das Streikrecht kann im Rahmen derdieses regelnden Gesetze ausgeübt werden.(3) Zur Annahme des Gesetzes über dasStreikrecht ist eine Zweidrittelmehrheit deranwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 70/D(1) Diejenigen, die auf dem Territorium derRepublik Ungarn leben, haben das Recht<strong>zu</strong> körperlicher und geistiger Gesundheitauf höchstmöglichem Niveau.(2) Dieses Recht realisiert die RepublikUngarn durch die Organisation des Arbeitsschutzes,der Gesundheitseinrichtungenund der ärztlichen Betreuung, durchdie Sicherung eines regelmäßigen Körpertrainingssowie durch den Schutz derbebauten und natürlichen Umwelt.71


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENArtikel 70/E(1) Die Staatsbürger der Republik Ungarnbesitzen ein Recht auf soziale Sicherheit;sie sind im Alter, im Krankheits- und Invaliditätsfall,im Witwen- und Waisenstandund bei einer ohne eigenes Verschuldeneingetretenen Arbeitsunfähigkeit <strong>zu</strong> einerVersorgung berechtigt, die <strong>zu</strong> ihrem Auskommennotwendig ist.Artikel 70/F(1) Die Republik Ungarn sichert denStaatsbürgern das Recht auf Bildung <strong>zu</strong>.(2) Die Republik Ungarn realisiert diesesRecht durch die Verbreitung und allgemeineZugänglichmachung der Bildung, durcheine kostenlose und obligatorische Grundschule,durch eine Mittel- und Hochschulausbildung,die für jeden seinen Fähigkeitenentsprechend erreichbar ist, sowiedurch die materielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng derjenigen,die am Unterricht teilnehmen.Artikel 70/G(1) Die Republik Ungarn achtet und unterstütztdie Freiheit des wissenschaftlichenund künstlerischen Lebens sowie dieLehrfreiheit.(2) Ausschließlich Wissenschaftler sindberechtigt, in Fragen wissenschaftlicherWahrheiten <strong>zu</strong> entscheiden und den wissenschaftlichenWert von Forschungenfest<strong>zu</strong>stellen.Artikel 70/H(1) Der Schutz der Heimat ist die Pflichtjedes Staatsbürgers der Republik Ungarn.(2) Die Staatsbürger leisten aufgrund derallgemeinen Wehrpflicht einen Militärdienstmit oder ohne Waffe bzw. nach denim Gesetz festgelegten Bedingungen einenZivildienst.(3) Zur Annahme des Gesetzes über dieWehrpflicht ist eine Zweidrittelmehrheit deranwesenden Parlamentsabgeordnetennotwendig.Artikel 70/IJede natürliche bzw. juristische Personund über keine Rechtspersönlichkeit verfügendeOrganisation muss ihren Einkommens-und Vermögensverhältnissenentsprechend <strong>zu</strong> den öffentlichen Lastenbeitragen.Artikel 70/JIn der Republik Ungarn sind die Eltern undErziehungsberechtigten verpflichtet, für dieUnterrichtung ihrer minderjährigen Kinder<strong>zu</strong> sorgen.Artikel 70/KEinwände gegen staatliche Entscheidungen,die in Verbindung mit der Erfüllungvon wegen der Verlet<strong>zu</strong>ng der Grundrechteaufgetretenen Ansprüchen bzw.Verpflichtungen gefällt wurden, können vorGericht geltend gemacht werden. (…)72


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENDas Grundgesetz der Bundesrepublik DeutschlandPräambelIm Bewußtsein seiner Verantwortung vorGott und den Menschen, von dem Willenbeseelt, als gleichberechtigtes Glied in einemvereinten Europa dem Frieden derWelt <strong>zu</strong> dienen, hat sich das Deutsche Volkkraft seiner verfassungsgebenden Gewaltdieses Grundgesetz gegeben.Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, <strong>Berlin</strong>, Brandenburg,Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland,Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freierSelbstbestimmung die Einheit und FreiheitDeutschlands vollendet. Damit gilt diesesGrundgesetz für das gesamte DeutscheVolk.I. Die GrundrechteArtikel 1[Menschenwürde; Grundrechtsbindungder staatlichen Gewalt](1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.Sie <strong>zu</strong> achten und <strong>zu</strong> schützen ist Verpflichtungaller staatlichen Gewalt.(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum<strong>zu</strong> unverletzlichen und unveräußerlichenMenschenrechten als Grundlage jedermenschlichen Gemeinschaft, des Friedensund der Gerechtigkeit in der Welt.(3) Die nachfolgenden Grundrechte bindenGesetzgebung, vollziehende Gewalt undRechtsprechung als unmittelbar geltendesRecht.Artikel 2[Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheitder Person; Recht auf Leben](1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltungseiner Persönlichkeit, soweit ernicht die Rechte anderer verletzt und nichtgegen die verfassungsmäßige Ordnungoder das Sittengesetz verstößt.(2) Jeder hat das Recht auf Leben undkörperliche Unversehrtheit. Die Freiheit derPerson ist unverletzlich. In diese Rechtedarf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffenwerden.Artikel 3[Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigungvon Männern und Frauen;Diskriminierungsverbote](1) Alle Menschen sind vor dem Gesetzgleich.(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.Der Staat fördert die tatsächlicheDurchset<strong>zu</strong>ng der Gleichberechtigung vonFrauen und Männern und wirkt auf die Beseitigungbestehender Nachteile hin.(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes,seiner Abstammung, seinerRasse, seiner Sprache, seiner Heimat undHerkunft, seines Glaubens, seiner religiösenoder politischen Anschauungen benachteiligtoder bevor<strong>zu</strong>gt werden. Niemanddarf wegen seiner Behinderung benachteiligtwerden.Artikel 4[Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit](1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissensund die Freiheit des religiösen undweltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.73


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMEN(2) Die ungestörte Religionsausübung wirdgewährleistet.(3) Niemand darf gegen sein Gewissen<strong>zu</strong>m Kriegsdienst mit der Waffe gezwungenwerden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Artikel 5[Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit;Kunst und Wissenschaft](1) Jeder hat das Recht, seine Meinung inWort, Schrift und Bild frei <strong>zu</strong> äußern und <strong>zu</strong>verbreiten und sich aus allgemein <strong>zu</strong>gänglichenQuellen ungehindert <strong>zu</strong> unterrichten.Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattungdurch Rundfunk und Filmwerden gewährleistet. Eine Zensur findetnicht statt.(2) Diese Rechte finden ihre Schranken inden Vorschriften der allgemeinen Gesetze,den gesetzlichen Bestimmungen <strong>zu</strong>mSchutze der Jugend und in dem Recht derpersönlichen Ehre.(3) Kunst und Wissenschaft, Forschungund Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehreentbindet nicht von der Treue <strong>zu</strong>r Verfassung.Artikel 6[Ehe und Familie; nichteheliche Kinder](1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderenSchutze der staatlichen Ordnung.(2) Pflege und Erziehung der Kinder sinddas natürliche Recht der Eltern und die<strong>zu</strong>vörderst ihnen obliegende Pflicht. Überihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigtendürfen Kinder nur auf Grund einesGesetzes von der Familie getrenntwerden, wenn die Erziehungsberechtigtenversagen oder wenn die Kinder aus anderenGründen <strong>zu</strong> verwahrlosen drohen.(4) Jede Mutter hat Anspruch auf denSchutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.(5) Den unehelichen Kindern sind durch dieGesetzgebung die gleichen Bedingungenfür ihre leibliche und seelische Entwicklungund ihre Stellung in der Gesellschaft <strong>zu</strong>schaffen wie den ehelichen Kindern.Artikel 7[Schulwesen](1) Das gesamte Schulwesen steht unterder Aufsicht des Staates.(2) Die Erziehungsberechtigten haben dasRecht, über die Teilnahme des Kindes amReligionsunterricht <strong>zu</strong> bestimmen.(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichenSchulen mit Ausnahme der bekenntnisfreienSchulen ordentliches Lehrfach.Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechteswird der Religionsunterricht in Ü-bereinstimmung mit den Grundsätzen derReligionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrerdarf gegen seinen Willen verpflichtetwerden, Religionsunterricht <strong>zu</strong> erteilen.(4) Das Recht <strong>zu</strong>r Errichtung von privatenSchulen wird gewährleistet. Private Schulenals Ersatz für öffentliche Schulen bedürfender Genehmigung des Staates undunterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigungist <strong>zu</strong> erteilen, wenn die privatenSchulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungensowie in der wissenschaftlichenAusbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter denöffentlichen Schulen <strong>zu</strong>rückstehen undeine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissender Eltern nicht gefördertwird. Die Genehmigung ist <strong>zu</strong> versagen,wenn die wirtschaftliche und rechtlicheStellung der Lehrkräfte nicht genügendgesichert ist.(5) Eine private Volksschule ist nur <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen,wenn die Unterrichtsverwaltung einbesonderes pädagogisches Interesse anerkenntoder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten,wenn sie als Gemeinschaftsschule,als Bekenntnis- oder Weltanschau-74


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENungsschule errichtet werden soll und eineöffentliche Volksschule dieser Art in derGemeinde nicht besteht.(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.Artikel 8[Versammlungsfreiheit](1) Alle Deutschen haben das Recht, sichohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlichund ohne Waffen <strong>zu</strong> versammeln.(2) Für Versammlungen unter freiem Himmelkann dieses Recht durch Gesetz oderauf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.Artikel 9[Vereinigungs-, Koalitionsfreiheit](1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereineund Gesellschaften <strong>zu</strong> bilden.(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder derenTätigkeit den Strafgesetzen <strong>zu</strong>widerlaufenoder die sich gegen die verfassungsmäßigeOrdnung oder gegen denGedanken der Völkerverständigung richten,sind verboten.(3) Das Recht, <strong>zu</strong>r Wahrung und Förderungder Arbeits- und WirtschaftsbedingungenVereinigungen <strong>zu</strong> bilden, ist für jedermannund für alle Berufe gewährleistet. Abreden,die dieses Recht einschränken oder <strong>zu</strong>behindern suchen, sind nichtig, hieraufgerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35Abs.2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpferichten, die <strong>zu</strong>r Wahrung und Förderungder Arbeits- und Wirtschaftsbedingungenvon Vereinigungen im Sinne des Satzes 1geführt werden.Artikel 10[Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis](1) Das Briefgeheimnis sowie das PostundFernmeldegeheimnis sind unverletzlich.(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grundeines Gesetzes angeordnet werden. Dientdie Beschränkung dem Schutze der freiheitlichendemokratischen Grundordnungoder des Bestandes oder der Sicherungdes Bundes oder eines Landes, so kanndas Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenennicht mitgeteilt wird und daß andie Stelle des Rechtsweges die Nachprüfungdurch von der Volksvertretung bestellteOrgane und Hilfsorgane tritt.Artikel 11[Freizügigkeit](1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeitim ganzen Bundesgebiet.(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetzoder auf Grund eines Gesetzes und nur fürdie Fälle eingeschränkt werden, in deneneine ausreichende Lebensgrundlage nichtvorhanden ist und der Allgemeinheit darausbesondere Lasten entstehen würden oderin denen es <strong>zu</strong>r Abwehr einer drohendenGefahr für den Bestand oder die freiheitlichedemokratische Grundordnung desBundes oder eines Landes, <strong>zu</strong>r Bekämpfungvon Seuchengefahr, Naturkatastrophenoder besonders schweren Unglücksfällen,<strong>zu</strong>m Schutze der Jugend vor Verwahrlosungoder um strafbaren Handlungenvor<strong>zu</strong>beugen, erforderlich ist.Artikel 12[Berufsfreiheit; Verbot der Zwangsarbeit](1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf,Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei <strong>zu</strong>wählen. Die Berufsausübung kann durchGesetz oder auf Grund eines Gesetzesgeregelt werden.(2) Niemand darf <strong>zu</strong> einer bestimmten Arbeitgezwungen werden, außer im Rahmeneiner herkömmlichen allgemeinen, für allegleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlichangeordneten Freiheitsentziehung <strong>zu</strong>lässig.75


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENArtikel 12a[Wehr- und Dienstpflicht](1) Männer können vom vollendeten achtzehntenLebensjahr an <strong>zu</strong>m Dienst in denStreitkräften, im Bundesgrenzschutz oderin einem Zivilschutzverband verpflichtetwerden.(2) Wer aus Gewissensgründen denKriegsdienst mit der Waffe verweigert,kann <strong>zu</strong> einem Ersatzdienst verpflichtetwerden. Die Dauer des Ersatzdienstes darfdie Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.Das Nähere regelt ein Gesetz, dasdie Freiheit der Gewissensentscheidungnicht beeinträchtigen darf und auch eineMöglichkeit des Ersatzdienstes vorsehenmuß, die in keinem Zusammenhang mitden Verbänden der Streitkräfte und desBundesgrenzschutzes steht.(3) Wehrpflichtige, die nicht <strong>zu</strong> einemDienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogensind, können im Verteidigungsfalle durchGesetz oder auf Grund eines Gesetzes <strong>zu</strong>zivilen Dienstleistungen für Zwecke derVerteidigung einschließlich des Schutzesder Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisseverpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtlicheDienstverhältnisse sindnur <strong>zu</strong>r Wahrnehmung polizeilicher Aufgabenoder solcher hoheitlichen Aufgabender öffentlichen Verwaltung, die nur in einemöffentlich-rechtlichen Dienstverhältniserfüllt werden können, <strong>zu</strong>lässig. Arbeitsverhältnissenach Satz 1 können bei denStreitkräften, im Bereich ihrer Versorgungsowie bei der öffentlichen Verwaltung begründetwerden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisseim Bereiche der Versorgungder Zivilbevölkerung sind nur <strong>zu</strong>lässig,um ihren lebensnotwendigen Bedarf <strong>zu</strong>decken oder ihren Schutz sicher<strong>zu</strong>stellen.(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarfan zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts-und Heilwesen sowie in der ortsfestenmilitärischen Lazarettorganisation nichtauf freiwilliger Grundlage gedeckt werden,so können Frauen vom vollendeten achtzehntenbis <strong>zu</strong>m vollendeten fünfundfünfzigstenLebensjahr durch Gesetz oder aufGrund eines Gesetzes <strong>zu</strong> derartigenDienstleistungen herangezogen werden.Sie dürfen auf keinen Fall Dienst mit derWaffe leisten.(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfallekönnen Verpflichtungen nach Absatz 3 nurnach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1begründet werden. Zur Vorbereitung aufDienstleistungen nach Absatz 3, für diebesondere Kenntnisse oder Fertigkeitenerforderlich sind, kann durch Gesetz oderauf Grund eines Gesetzes die Teilnahmean Ausbildungsveranstaltungen <strong>zu</strong>r Pflichtgemacht werden. Satz 1 findet insoweitkeine Anwendung.(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarfan Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlagenicht gedeckt werden, so kann <strong>zu</strong>rSicherung dieses Bedarfs die Freiheit derDeutschen, die Ausübung eines Berufsoder den Arbeitsplatz auf<strong>zu</strong>geben, durchGesetz oder auf Grund eines Gesetzeseingeschränkt werden. Vor Eintritt desVerteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1entsprechend.Artikel 13[Unverletzlichkeit der Wohnung](1) Die Wohnung ist unverletzlich.(2) Durchsuchungen dürfen nur durch denRichter, bei Gefahr im Ver<strong>zu</strong>ge auch durchdie in den Gesetzen vorgesehenen anderenOrgane angeordnet und nur in der dortvorgeschriebenen Form durchgeführt werden.(3) Begründen bestimmte Tatsachen denVerdacht, daß jemand eine durch Gesetzeinzeln bestimmte besonders schwereStraftat begangen hat, so dürfen <strong>zu</strong>r Verfolgungder Tat auf Grund richterlicher Anordnungtechnische Mittel <strong>zu</strong>r akustischenÜberwachung von Wohnungen, in denender Beschuldigte sich vermutlich aufhält,eingesetzt werden, wenn die Erforschungdes Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßigerschwert oder aussichtsloswäre. Die Maßnahme ist <strong>zu</strong> befristen. Die76


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENAnordnung erfolgt durch einen mit dreiRichtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahrin Ver<strong>zu</strong>ge kann sie auch durch eineneinzelnen Richter getroffen werden.(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für dieöffentliche Sicherheit, insbesondere einergemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr,dürfen technische Mittel <strong>zu</strong>r Überwachungvon Wohnungen nur auf Grund richterlicherAnordnung eingesetzt werden. Bei Gefahrim Ver<strong>zu</strong>ge kann die Maßnahme auchdurch eine andere gesetzlich bestimmteStelle angeordnet werden; eine richterlicheEntscheidung ist unverzüglich nach<strong>zu</strong>holen.(5) Sind technische Mittel ausschließlich<strong>zu</strong>m Schutze der bei einem Einsatz inWohnungen tätigen Personen vorgesehen,kann die Maßnahme durch eine gesetzlichbestimmte Stelle angeordnet werden. Eineanderweitige Verwertung der hierbei erlangtenErkenntnisse ist nur <strong>zu</strong>m Zweckeder Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehrund nur <strong>zu</strong>lässig, wenn <strong>zu</strong>vor dieRechtmäßigkeit der Maßnahme richterlichfestgestellt ist; bei Gefahr im Ver<strong>zu</strong>ge istdie richterliche Entscheidung unverzüglichnach<strong>zu</strong>holen.(6) Die Bundesregierung unterrichtet denBundestag jährlich über den nach Absatz 3sowie über den im Zuständigkeitsbereichdes Bundes nach Absatz 4 und, soweitrichterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz5 erfolgten Einsatz technischer Mittel.Ein vom Bundestag gewähltes Gremiumübt auf der Grundlage dieses Berichts dieparlamentarische Kontrolle aus. Die Ländergewährleisten eine gleichwertige parlamentarischeKontrolle.(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfenim übrigen nur <strong>zu</strong>r Abwehr einer gemeinenGefahr oder einer Lebensgefahr für einzelnePersonen, auf Grund eines Gesetzesauch <strong>zu</strong>r Verhütung dringender Gefahrenfür die öffentliche Sicherheit und Ordnung,insbesondere <strong>zu</strong>r Behebung der Raumnot,<strong>zu</strong>r Bekämpfung von Seuchengefahr oder<strong>zu</strong>m Schutze gefährdeter Jugendlichervorgenommen werden.Artikel 14[Eigentum; Erbrecht; Enteignung](1) Das Eigentum und das Erbrecht werdengewährleistet. Inhalt und Schranken werdendurch die Gesetze bestimmt.(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauchsoll <strong>zu</strong>gleich dem Wohle der Allgemeinheitdienen.(3) Eine Enteignung ist nur <strong>zu</strong>m Wohle derAllgemeinheit <strong>zu</strong>lässig. Sie darf nur durchGesetz oder auf Grund eines Gesetzeserfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigungregelt. Die Entschädigung istunter gerechter Abwägung der Interessender Allgemeinheit und der Beteiligten <strong>zu</strong>bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigungsteht im Streitfalle der Rechtswegvor den ordentlichen Gerichten offen.Artikel 15[Sozialisierung]Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittelkönnen <strong>zu</strong>m Zwecke derVergesellschaftung durch ein Gesetz, dasArt und Ausmaß der Entschädigung regelt,in Gemeineigentum oder in andere Formender Gemeinwirtschaft überführt werden.Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3Satz 3 und 4 entsprechend.Artikel 16[Verbot der Ausbürgerung, Auslieferung](1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darfnicht entzogen werden. Der Verlust derStaatsangehörigkeit darf nur auf Grundeines Gesetzes und gegen den Willen desBetroffenen nur dann eintreten, wenn derBetroffene dadurch nicht staatenlos wird.(2) Kein Deutscher darf an das Auslandausgeliefert werden.Artikel 16a[Asylrecht](1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.77


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMEN(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen,wer aus einem Mitgliedstaat der EuropäischenGemeinschaften oder aus einemanderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendungdes Abkommens über dieRechtsstellung der Flüchtlinge und derKonvention <strong>zu</strong>m Schutze der Menschenrechteund Grundfreiheiten sichergestelltist. Die Staaten außerhalb der EuropäischenGemeinschaften, auf die die Vorausset<strong>zu</strong>ngendes Satzes 1 <strong>zu</strong>treffen, werdendurch Gesetz, das der Zustimmungdes Bundesrates bedarf, bestimmt. In denFällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendendeMaßnahmen unabhängig voneinem hiergegen eingelegten Rechtsbehelfvollzogen werden.(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf, können Staaten bestimmtwerden, bei denen auf Grund derRechtslage, der Rechtsanwendung und derallgemeinen politischen Verhältnisse gewährleisteterscheint, daß dort weder politischeVerfolgung noch unmenschliche odererniedrigende Bestrafung oder Behandlungstattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländeraus einem solchen Staat nicht verfolgtwird, solange er nicht Tatsachen vorträgt,die die Annahme begründen, daß erentgegen dieser Vermutung politisch verfolgtwird.(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendenderMaßnahmen wird in den Fällen des Absatzes3 und in anderen Fällen, die offensichtlichunbegründet sind oder als offensichtlichunbegründet gelten, durch das Gerichtnur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel ander Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen;der Prüfungsumfang kann eingeschränktwerden und verspätetes Vorbringenunberücksichtigt bleiben. Das Nähereist durch Gesetz <strong>zu</strong> bestimmen.(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichenVerträgen von Mitgliedstaaten derEuropäischen Gemeinschaften untereinanderund mit dritten Staaten nicht entgegen,die unter Beachtung der Verpflichtungenaus dem Abkommen über die Rechtsstellungder Flüchtlinge und der Konvention<strong>zu</strong>m Schutze der Menschenrechte undGrundfreiheiten, deren Anwendung in denVertragsstaaten sichergestellt sein muß,Zuständigkeitsregelungen für die Prüfungvon Asylbegehren einschließlich der gegenseitigenAnerkennung von Asylentscheidungentreffen.Artikel 17[Petitionsrecht]Jedermann hat das Recht, sich einzelnoder in Gemeinschaft mit anderen schriftlichmit Bitten oder Beschwerden an die<strong>zu</strong>ständigen Stellen und an die Volksvertretung<strong>zu</strong> wenden.Artikel 17a[Grundrechtsbeschränkungen im Wehrbereich](1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienstkönnen bestimmen, daß für die Angehörigender Streitkräfte und des Ersatzdiensteswährend der Zeit des Wehr- oderErsatzdienstes das Grundrecht, seine Meinungin Wort, Schrift und Bild frei <strong>zu</strong> äußernund <strong>zu</strong> verbreiten (Artikel 5 Abs. 1Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrechtder Versammlungsfreiheit (Artikel 8) unddas Petitionsrecht (Artikel 17), soweit esdas Recht gewährt, Bitten oder Beschwerdenin Gemeinschaft mit anderen vor<strong>zu</strong>bringen,eingeschränkt werden.(2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlichdes Schutzes der Zivilbevölkerungdienen, können bestimmen, daß dieGrundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11)und der Unverletzlichkeit der Wohnung(Artikel 13) eingeschränkt werden.Artikel 18[Verwirkung von Grundrechten]Wer die Freiheit der Meinungsäußerung,insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3),die Versammlungsfreiheit (Artikel8), dieVereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-,78


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENPost- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10),das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht(Artikel 16a) <strong>zu</strong>m Kampfe gegen diefreiheitliche demokratische Grundordnungmißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.Die Verwirkung und ihr Ausmaß werdendurch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.Artikel 19[Einschränkung von Grundrechten; Wesensgehalts-,Rechtswegegarantie](1) Soweit nach diesem Grundgesetz einGrundrecht durch Gesetz oder auf Grundeines Gesetzes eingeschränkt werdenkann, muß das Gesetz allgemein und nichtnur für den Einzelfall gelten. Außerdemmuß das Gesetz das Grundrecht unter Angabedes Artikels nennen.(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht inseinem Wesensgehalt angetastet werden.(3) Die Grundrechte gelten auch für inländischejuristische Personen, soweit sie ihremWesen nach auf diese anwendbarsind.(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewaltin seinen Rechten verletzt, so stehtihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andereZuständigkeit nicht begründet ist, istder ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel10 Abs.2 Satz 2 bleibt unberührt.II. Der Bund und die LänderArtikel 20[Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht](1) Die Bundesrepublik Deutschland ist eindemokratischer und sozialer Bundesstaat.(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungenund durch besondere Organeder Gesetzgebung, der vollziehenden Gewaltund der Rechtsprechung ausgeübt.(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßigeOrdnung, die vollziehendeGewalt und die Rechtsprechung sind anGesetz und Recht gebunden.(4) Gegen jeden, der es unternimmt, dieseOrdnung <strong>zu</strong> beseitigen, haben alle Deutschendas Recht <strong>zu</strong>m Widerstand, wennandere Abhilfe nicht möglich ist.Artikel 20a[Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen]Der Staat schützt auch in Verantwortungfür die künftigen Generationen die natürlichenLebensgrundlagen im Rahmen derverfassungsmäßigen Ordnung durch dieGesetzgebung und nach Maßgabe vonGesetz und Recht durch die vollziehendeGewalt und die Rechtsprechung.(…)VII. Die Gesetzgebung des BundesArtikel 70[Verteilung der Gesetzgebungskompetenzenzwischen Bund und Ländern](1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung,soweit dieses Grundgesetznicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisseverleiht.(2) Die Abgren<strong>zu</strong>ng der Zuständigkeit zwischenBund und Ländern bemißt sich nachden Vorschriften dieses Grundgesetzesüber die ausschließliche und die konkurrierendeGesetzgebung.Artikel 71[Ausschließliche Gesetzgebung desBundes]Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebungdes Bundes haben die Länder dieBefugnis <strong>zu</strong>r Gesetzgebung nur, wenn undsoweit sie hier<strong>zu</strong> in einem Bundesgesetzeausdrücklich ermächtigt werden.79


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENArtikel 72[Konkurrierende Gesetzgebung](1) Im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebunghaben die Länder die Befugnis<strong>zu</strong>r Gesetzgebung, solange und soweit derBund von seiner Gesetzgebungs<strong>zu</strong>ständigkeitnicht durch Gesetz Gebrauch gemachthat.(2) Der Bund hat in diesem Bereich dasGesetzgebungsrecht, wenn und soweit dieHerstellung gleichwertiger Lebensverhältnisseim Bundesgebiet oder die Wahrungder Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichenInteresse eine bundesgesetzlicheRegelung erforderlich macht.(3) Durch Bundesgesetz kann bestimmtwerden, daß eine bundesgesetzliche Regelung,für die eine Erforderlichkeit im Sinnedes Absatzes 2 nicht mehr besteht,durch Landesrecht ersetzt werden kann.Artikel 73[Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungdes Bundes]Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungüber:1. die auswärtigen Angelegenheitensowie die Verteidigung einschließlichdes Schutzes der Zivilbevölkerung;2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;3. die Freizügigkeit, das Paßwesen,die Ein- und Auswanderung und dieAuslieferung;4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen,Maße und Gewichte sowiedie Zeitbestimmung;5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes,die Handels- und Schiffahrtsverträge,die Freizügigkeit desWarenverkehrs und den WarenundZahlungsverkehr mit dem Auslandeeinschließlich des Zoll- undGrenzschutzes;6. den Luftverkehr;6. a. den Verkehr von Eisenbahnen,die ganz oder mehrheitlich im Eigentumdes Bundes stehen (Eisenbahnendes Bundes), den Bau, dieUnterhaltung und das Betreiben vonSchienenwegen der Eisenbahnendes Bundes sowie die Erhebungvon Entgelten für die Benut<strong>zu</strong>ngdieser Schienenwege;7. das Postwesen und die Telekommunikation;8. die Rechtsverhältnisse der imDienste des Bundes und der bundesunmittelbarenKörperschaftendes öffentlichen Rechtes stehendenPersonen;9. den gewerblichen Rechtsschutz,das Urheberrecht und das Verlagsrecht;10. die Zusammenarbeit des Bundesund der Ländera. in der Kriminalpolizei,b. <strong>zu</strong>m Schutze der freiheitlichendemokratischenGrundordnung, des Bestandesund der Sicherheit desBundes oder eines Landes(Verfassungsschutz) undc. <strong>zu</strong>m Schutze gegen Bestrebungenim Bundesgebiet,die durch Anwendung vonGewalt oder darauf gerichteteVorbereitungshandlungenauswärtige Belange derBundesrepublik Deutschlandgefährden,sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtesund dieinternationale Verbrechensbekämpfung;11. die Statistik für Bundeszwecke.Artikel 74[Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebungdes Bundes](1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstrecktsich auf folgende Gebiete:1. das bürgerliche Recht, das Strafrechtund den Strafvoll<strong>zu</strong>g, die Gerichtsverfassung,das gerichtlicheVerfahren, die Rechtsanwaltschaft,80


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENdas Notariat und die Rechtsberatung;2. das Personenstandswesen;3. das Vereins- und Versammlungsrecht;4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrechtder Ausländer;4. a. das Waffen- und das Sprengstoffrecht;5. [aufgehoben]6. die Angelegenheiten der Flüchtlingeund Vertriebenen;7. die öffentliche Fürsorge;8. [aufgehoben]9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;10. die Versorgung der Kriegsbeschädigtenund Kriegshinterbliebenenund die Fürsorge für die ehemaligenKriegsgefangenen;10. a. die Kriegsgräber und Gräber andererOpfer des Krieges und Opfervon Gewaltherrschaft;11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau,Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk,Gewerbe, Handel, Bank- undBörsenwesen, privatrechtlichesVersicherungswesen);11. a. die Erzeugung und Nut<strong>zu</strong>ng derKernenergie <strong>zu</strong> friedlichen Zwecken,die Errichtung und den Betriebvon Anlagen, die diesen Zweckendienen, den Schutz gegenGefahren, die bei Freiwerden vonKernenergie oder durch ionisierendeStrahlen entstehen, und die Beseitigungradioaktiver Stoffe;12. das Arbeitsrecht einschließlich derBetriebsverfassung, des Arbeitsschutzesund der Arbeitsvermittlungsowie die Sozialversicherung einschließlichder Arbeitslosenversicherung;13. die Regelung der Ausbildungsbeihilfenund die Förderung der wissenschaftlichenForschung;14. das Recht der Enteignung, soweitsie auf den Sachgebieten der Artikel73 und 74 in Betracht kommt;15. die Überführung von Grund undBoden, von Naturschätzen undProduktionsmitteln in Gemeineigentumoder in andere Formen derGemeinwirtschaft;16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicherMachtstellung;17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichenErzeugung, die Sicherungder Ernährung, die EinundAusfuhr land- und forstwirtschaftlicherErzeugnisse, die Hochsee-und Küstenfischerei und denKüstenschutz;18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht(ohne das Recht der Erschließungsbeiträge)und das landwirtschaftlichePachtwesen, dasWohnungswesen, das SiedlungsundHeimstättenwesen;19. die Maßnahmen gegen gemeingefährlicheund übertragbare Krankheitenbei Menschen und Tieren,die Zulassung <strong>zu</strong> ärztlichen und anderenHeilberufen und <strong>zu</strong>m Heilgewerbe,den Verkehr mit Arzneien,Heil- und Betäubungsmitteln undGiften;19. a. die wirtschaftliche Sicherung derKrankenhäuser und die Regelungder Krankenhauspflegesätze;20. den Schutz beim Verkehr mit Lebens-und Genußmitteln, Bedarfsgegenständen,Futtermitteln undland- und forstwirtschaftlichemSaat- und Pflanzgut, den Schutzder Pflanzen gegen Krankheitenund Schädlinge sowie den Tierschutz;21. die Hochsee- und Küstenschiffahrtsowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt,den Wetterdienst, dieSeewasserstraßen und die dem allgemeinenVerkehr dienenden Binnenwasserstraßen;22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen,den Bau und die Unterhaltungvon Landstraßen für den Fernverkehrsowie die Erhebung undVerteilung von Gebühren für dieBenut<strong>zu</strong>ng öffentlicher Straßen mitFahrzeugen;81


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMEN23. die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnendes Bundes sind, mitAusnahme der Bergbahnen;24. die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltungund die Lärmbekämpfung;25. die Staatshaftung;26. die künstliche Befruchtung beimMenschen, die Untersuchung unddie künstliche Veränderung vonErbinformationen sowie Regelungen<strong>zu</strong>r Transplantation von Organenund Geweben.(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 bedürfender Zustimmung des Bundesrates.Artikel 75[Rahmengesetzgebung des Bundes](1) Der Bund hat das Recht, unter denVorausset<strong>zu</strong>ngen des Artikels 72 Rahmenvorschriftenfür die Gesetzgebung der Länder<strong>zu</strong> erlassen über:1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichenDienste der Länder, Gemeindenund anderen Körperschaftendes öffentlichen Rechtesstehenden Personen, soweit Artikel74a nichts anderes bestimmt;1. a. die allgemeinen Grundsätze desHochschulwesens;2. die allgemeinen Rechtsverhältnisseder Presse;3. das Jagdwesen, den Naturschut<strong>zu</strong>nd die Landschaftspflege;4. die Bodenverteilung, die Raumordnungund den Wasserhaushalt;5. das Melde- und Ausweiswesen.6. den Schutz deutschen Kulturgutesgegen Abwanderung ins Ausland.(2) Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällenin Einzelheiten gehende oderunmittelbar geltende Regelungen enthalten.(3) Erläßt der Bund Rahmenvorschriften,so sind die Länder verpflichtet innerhalbeiner durch das Gesetz bestimmten angemessenenFrist die erforderlichen Landesgesetze<strong>zu</strong> erlassen.(…)Artikel 79[Änderung des Grundgesetzes](1) Das Grundgesetz kann nur durch einGesetz geändert werden, das den Wortlautdes Grundgesetzes ausdrücklich ändertoder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen,die eine Friedensregelung, die Vorbereitungeiner Friedensregelung oder denAbbau einer besat<strong>zu</strong>ngsrechtlichen Ordnung<strong>zu</strong>m Gegenstand haben oder derVerteidigung der Bundesrepublik <strong>zu</strong> dienenbestimmt sind, genügt <strong>zu</strong>r Klarstellung, daßdie Bestimmungen des Grundgesetzesdem Abschluß und dem Inkraftsetzen derVerträge nicht entgegenstehen, eine Ergän<strong>zu</strong>ngdes Wortlautes des Grundgesetzes,die sich auf diese Klarstellung beschränkt.(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmungvon zwei Dritteln der Mitglieder desBundestages und zwei Dritteln der Stimmendes Bundesrates.(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes,durch welche die Gliederung des Bundes inLänder, die grundsätzliche Mitwirkung derLänder bei der Gesetzgebung oder die inden Artikeln 1 und 20 niedergelegtenGrundsätze berührt werden, ist un<strong>zu</strong>lässig.(…)VIII. Die Ausführung der Bundesgesetzeund die BundesverwaltungArtikel 83[Verteilung der Kompetenzen zwischenBund und Ländern]Die Länder führen die Bundesgesetze alseigene Angelegenheit aus, soweit diesesGrundgesetz nichts anderes bestimmt oder<strong>zu</strong>läßt.82


Deutsch-Ungarisches Seminar <strong>2002</strong> – UmweltrechtNORMENArtikel 84[Ausführung durch die Länder als eigeneAngelegenheit; Bundesaufsicht](1) Führen die Länder die Bundesgesetzeals eigene Angelegenheit aus, so regelnsie die Einrichtung der Behörden und dasVerwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetzemit Zustimmung des Bundesratesetwas anderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmungdes Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriftenerlassen.(3) Die Bundesregierung übt die Aufsichtdarüber aus, daß die Länder die Bundesgesetzedem geltenden Rechte gemäßausführen. Die Bundesregierung kann <strong>zu</strong>diesem Zwecke Beauftragte <strong>zu</strong> den oberstenLandesbehörden entsenden, mit derenZustimmung und falls diese Zustimmungversagt wird, mit Zustimmung des Bundesratesauch <strong>zu</strong> den nachgeordneten Behörden.(4) Werden Mängel, die die Bundesregierungbei der Ausführung der Bundesgesetzein den Ländern festgestellt hat, nichtbeseitigt, so beschließt auf Antrag derBundesregierung oder des Landes derBundesrat, ob das Land das Recht verletzthat. Gegen den Beschluß des Bundesrateskann das Bundesverfassungsgericht angerufenwerden.(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz,das der Zustimmung des Bundesratesbedarf, <strong>zu</strong>r Ausführung von Bundesgesetzendie Befugnis verliehen werden,für besondere Fälle Einzelweisungen<strong>zu</strong> erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierungden Fall für dringlich erachtet,an die obersten Landesbehörden <strong>zu</strong> richten.Artikel 85[Ausführung durch die Länder im Auftragedes Bundes (Bundesauftragsverwaltung)](1) Führen die Länder die Bundesgesetzeim Auftrage des Bundes aus, so bleibt dieEinrichtung der Behörden Angelegenheitder Länder, soweit nicht Bundesgesetzemit Zustimmung des Bundesrates etwasanderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmungdes Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriftenerlassen. Sie kann dieeinheitliche Ausbildung der Beamten undAngestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehördensind mit ihrem Einvernehmen <strong>zu</strong>bestellen.(3) Die Landesbehörden unterstehen denWeisungen der <strong>zu</strong>ständigen obersten Bundesbehörden.Die Weisungen sind, außerwenn die Bundesregierung es für dringlicherachtet, an die obersten Landesbehörden<strong>zu</strong> richten. Der Voll<strong>zu</strong>g der Weisung istdurch die obersten Landesbehörden sicher<strong>zu</strong>stellen.(4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich aufGesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit derAusführung. Die Bundesregierung kann <strong>zu</strong>diesem Zwecke Bericht und Vorlage derAkten verlangen und Beauftragte <strong>zu</strong> allenBehörden entsenden.Artikel 86[Bundeseigene Verwaltung]Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigeneVerwaltung oder durch bundesunmittelbareKörperschaften oder Anstaltendes öffentlichen Rechtes aus, so erläßt dieBundesregierung, soweit nicht das GesetzBesonderes vorschreibt, die allgemeinenVerwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweitdas Gesetz nichts anderes bestimmt, dieEinrichtung der Behörden.83

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