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Sandra Kamitz - Universität Rostock: Universität Rostock

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<strong>Sandra</strong> <strong>Kamitz</strong><br />

<strong>Universität</strong> <strong>Rostock</strong> |<br />

Institut für Soziologie und Demographie<br />

Reproduktion von Ungleichheit durch Arbeit und Familie<br />

Eine Zusammenfassung der gemeinsamen Jahrestagung 2010 der Sektionen „Soziale<br />

Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse“ und „Familiensoziologie“ in der Deutschen<br />

Gesellschaft für Soziologie vom 15.-16. April 2010 im Max-Planck-Institut für<br />

demografische Forschung (MPIDF) – <strong>Rostock</strong>.<br />

Angelika Tölke, die Sprecherin der Sektion „Familiensoziologie“ des Max-Planck-Instituts<br />

<strong>Rostock</strong> eröffnete gemeinsam mit Peter A. Berger die Tagung zur „Reproduktion von<br />

sozialer Ungleichheit durch Arbeit und Familie“.<br />

Die erste Session des Tagungsprogramms „Intergenerationale Transfers und<br />

Unterstützungsleistungen“ wurde mit dem Vortrag zu „Familiarer Unterstützung und<br />

sozialer Ungleichheit: Ein europäischer Vergleich“ von Christian Deindl eröffnet. Deindl,<br />

der gemeinsam mit Bettina Isengard Mitglied der Forschungsgruppe „Arbeit, Generation,<br />

Sozialstruktur (AGES)“ am Soziologischen Institut Zürich ist, stellte seine<br />

Forschungsarbeit zum „Zusammenhang zwischen sozialen Ungleichheitsstrukturen und<br />

Generationentransfers auf der Basis des Survey of Health, Ageing, and Retirement<br />

(SHARE) für 14 europäische Staaten mittels Mehranalysen“ vor. Die Untersuchung soll<br />

vornehmlich die Frage beantworten, welchen Einfluss die sozialen Ungleichheitsstrukturen<br />

im europäischen Vergleich auf das Ausmaß von intergenerationaler Solidarität haben.<br />

Gemessen wurden die Generationen 50+ und deren Kinder 18+ wobei die Untersuchung<br />

zwischen Geldtransfer- und Koresidenzleistungen unterschied. Hierbei bestätigte sich die<br />

zu prüfende These, dass in Ländern, in denen Familienmitglieder über mehr finanzielle<br />

Mittel verfügten, mehr Geldtransfer leisten, während Familienmitglieder mit weniger<br />

finanziellen Mitteln Koresidenzleistungen erbringen. Die Abhängigkeit von der<br />

Sozialstruktur der Mikro und Makroebene wurden ebenfalls miteinbezogen. So zeigte sich,<br />

dass in Südeuropa, wo häufig erwachsende Kinder länger bei ihren Eltern leben die<br />

Häufigkeit der Koresidenzleistungen die Geldtransfers ersetzen. Das Fazit der<br />

Untersuchung bestätigte die Annahme, dass, wenn die Armutsquote hoch ist, leben<br />

erwachsene Kinder länger bei ihren Eltern und es gibt einen geringeren Geldtransfer, dafür<br />

aber andere Transferleistungen. Ist mehr Geld vorhanden, sind Kinder länger in der<br />

Ausbildung, erreichen einen höheren Abschluss und können somit auch Geld an die Eltern<br />

zurückgeben. Ebenfalls wurde dargestellt dass alle privaten Transfers, staatliche Leistungen<br />

ergänzen. Diskutiert wurde im Anschluss über die Altersdifferenzierung und die weniger<br />

strukturierte Untersuchung von 'arm' und 'reich'. Des Weiteren wurde die explizite<br />

Gendertrennung nachgefragt, da sie in der Forschung nicht miteinbezogen wurde. Unklar<br />

blieb auch die Haushaltsaufteilung, wie in etwa erwachsene Kinder, die im Eigenheim der<br />

Eltern mit eigenem Haushalt leben. Hier gab es keine Differenzierung. Als letzter Punkt<br />

wurde der Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaatniveau angesprochen sowie die<br />

Auswirkungen vom Zusammenhang der Struktureffekte und dem Wohnungsmarkt.<br />

Der zweite Beitrag von Thomas Leopold der <strong>Universität</strong> Bamberg stellte eine vergleichende<br />

Längsschnittanalyse zu intergenerationalen Transfers vor. Die Untersuchung konzentrierte<br />

sich lediglich in eine Richtung: Die Schenkung von Geld der Eltern an ihre erwachsenen<br />

Kinder. Die von Leopold gestellten Hypothesen, dass sich die Chance einer Schenkung zu<br />

bestimmten Anlässen bzw. Lebensabschnitten (Timingmodell) erhöht, wurde bestätigt.<br />

Dabei konnte herausgestellt werden, dass bei Eheschließung, bei Scheidungen und der<br />

1


Geburt eines Enkels häufiger und mehr Geld geschenkt wird. Hierbei konnte die<br />

Konklusion geschlossen werden, dass die Zuneigung der neu gegründeten Familie gelte, da<br />

bei einer Eheschließung die höchsten Geldtransfers geleistet werden. Die Geldtransfers bei<br />

der Geburt eines Enkelkinders sind geringer. Hier wird aber vermutet, dass die<br />

intergenerationalen Transfers in Form von Zeit mit dem Enkelkind erfolgen oder aber als<br />

Geldanlage für die Enkel selbst. Aufgefallen ist bei Untersuchung die<br />

geschlechterdifferente Schenkung, wobei Töchter weniger erhalten. Dies gleiche sich aber<br />

bei Erbschaften wieder aus. Eine Ungleichheit in Finanztransferleistungen lässt sich<br />

erkennen dadurch dass in unteren und mittleren sozialen Schichten Schenkungen oft eine<br />

Erbschaft ersetzen, während in oberen sozialen Schichten Schenkungen und Erbschaften<br />

erfolgen. Die anschließende Diskussion fügte die Anmerkung hinzu, dass die Schenkungen<br />

nicht genau ausdifferenziert seien, so wäre nicht klar, handle es sich um Geld, Immobilien,<br />

Wertpapiere etc..<br />

Eine zweite Untersuchung Thomas Leopolds, die er gemeinsam mit Marcel Raab, ebenfalls<br />

von der <strong>Universität</strong> Bamberg vorstellte, zeigte die Ergebnisse einer Studie zur<br />

Kurzzeitreziprozität zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern. Die Messungen<br />

gehen von einer Zeitspanne von einem Jahr aus und soll zeigen, dass „kurzfristiger<br />

reziproker Austausch insbesondere dann zu beobachten ist, wenn die Hilfsbedürftigkeit der<br />

Eltern und die Intensität der empfangenen Unterstützung hoch sind und die Eltern zudem<br />

über hinreichende finanzielle Ressourcen für Geldleistungen an ihre Kinder verfügen“.<br />

Hierbei wurde das Motiv auf der individuellen Ebene und der Zeitraum von Schenkungen<br />

und Erbschaften auf familiarer Ebene betrachtet, sowie die Ungleichheit in der Verteilung<br />

auf gesellschaftlicher Ebene beobachtet. Die Ausgangshypothese, dass Schenkungen zum<br />

einen aus Zuneigung und zum anderen aufgrund von Bedarf als Transfers getätigt werden,<br />

zeigte sich bei der Auswertung wann Transfers gegeben werden und warum. Es handelt sich<br />

dabei um einen heteromorphen Austausch von Zeit und Geld. Untersuch wurden Familien<br />

mit mindestens zwei erwachsenen Kindern, wobei die Voraussetzung ist, dass nur ein<br />

Elternteil, also Mutter oder Vater in dieser Familie sind. Das Fazit der Untersuchung zeigt,<br />

dass Kinder, die ihre Eltern pflegen unmittelbar danach Schenkungen erfahren, sowie nach<br />

einer Schenkung die moralische Verpflichtung (Ausgleich) besteht zu pflegen.<br />

In der Diskussion wurde angemerkt, dass der Handlungsdruck sich als verdeckte Variable<br />

rausstellen kann und dass die Fallzahlen in der Untersuchung um die Hälfte minmiert<br />

wurden. Hierzu wurde vorgeschlagen den Alterssurvey hinzu zu ziehen. Als auffällig in der<br />

Untersuchung zeigte sich eine Geschlechtsspezifik, die darauf hinweist, dass Töchter mehr<br />

Pflegeleistungen ausführen.<br />

Die Referentin Claudia Vogel von der Hochschule Vechta zeigte die Ergebnisse ihrer<br />

Forschung zur „familialen Transmission sozialer Ungleichheit in der zweiten Lebenshälfte:<br />

Erbschaften und Vermögensungleichheit“. Die These, dass durch Erbschaften die soziale<br />

Ungleichheit zunimmt, konnte sie in ihrer Arbeit nicht bestätigen, aber dafür können<br />

anhand von SOEP-Daten aus zwei Erhebungen die Vermögenssituationsanalyse bestätigen,<br />

dass Erbschaften die absolute Ungleichheit der Vermögen erhöhen (Wer viel hat, erbt i.d.R.<br />

auch viel) in der Erbenkohorte. Gleichzeitig reduzieren Erbschaften die relative<br />

Ungleichheit in derselben Kohorte. In der Mitte gleicht sich das Erbe mit dem eigenen<br />

Vermögen aus.<br />

Es wurde im Anschluss diskutiert, wie der Faktor sich innerhalb der Familie zeigt, bspw.<br />

durch Hilfe von Geschwistern, da Frau Vogel nur die Vermögenssituation von Haushalten<br />

untersucht hat. Problematisch sei hier, die Beschaffung zu detaillierten Vermögensangaben.<br />

Spannend sei aber der mittlere Bereich, in dem die relative Ungleichheit durch Erbschaft<br />

reduziert wird. Hier wäre detailliertere Ausführung zur kompensatorischen Wirkung<br />

möglich.<br />

Andreas Klärner von der <strong>Universität</strong> <strong>Rostock</strong> referierte zu der von ihm und Silvia Keim<br />

durchgeführten Studie über „Intergenerationale Unterstützungsleistungen und die<br />

2


Reproduktion von Geschlechterungleichheiten in West- und Ostdeutschland“. Die von<br />

ihnen durchgeführten qualitativen Interviews (118) mit ingesamt 25 Eltern-Kind-Dyaden<br />

wurden im Hinblick auf die Überlegung ob sich „in West- und Ostdeutschland spezififische<br />

Unterschiede hinsichtlich 'Angebot' und 'Nachfrage' elterlicher Unterstützung ausmachen<br />

lassen und welche Auswirkungen dies auf die Reproduktion von<br />

Geschlechterungleichheiten hat“, strukturiert. Der Unterstützungsprozess bezieht sich also<br />

speziell auf den Austausch zwischen Groß-Schwieger-Eltern und deren Kinder, die als<br />

junge Paare, selbst Kinder haben unter Berücksichtigung der vier Kategorien: materiell<br />

(Geld, Sachleistungen), praktisch (Betreuung, Zeit für die Enkel), kognitiv (Normen, Werte,<br />

Motivation), emotional (Liebe, Geborgenheit). Klärner und Keim haben festgestellt, dass<br />

sich signifikante Unterschiede zeigen. „Während intergenerationale<br />

Unterstützungsleitungen in Westdeutschland das modernisierte Male-breadwinner Modell<br />

(Einernähermodell) fördern, ermöglicht die verstärkte staatliche Kinderbetreuung und<br />

Unterstützungsleistungen durch Freunde in Ostdeutschland eine geschlechter-egalitäre<br />

Arbeitsteilung in der Partnerschaft.“<br />

Die Frage nach der Mobilität und der Qualität der Erwerbsarbeit wurde von Klärner mit der<br />

Präferenz für Jobs, die Zeit für Familie und Hobbies lassen, beantwortet. Des Weiteren<br />

werden Unterstützungsleistungen als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Auch der<br />

Generationenvergleich der Männerbeteiligung wurde angesprochen. Hier gibt es in der<br />

Regel keine Problematisierung in Westdeutschland, zwar wird die geschlechter-egalitäre<br />

Einstellung im Beispiel der aktiven Vaterschaft bemerkt, aber häufig doch das<br />

Einernähermodell gelebt. Außerdem kommt hinzu, dass außer Geld und Zeit auch Normen<br />

und Werte mittransportiert werden, wobei auffällig häufig Großeltern hauptsächlich die<br />

Väter der Enkelkinder unterstützen und damit das Einernähermodell aufrecht erhalten wird.<br />

Die zweite Session zu „Prekären Lebenslagen im Spannungsfeld von staatlicher Steuerung<br />

und individueller Bewältigung“ begann mit dem Vortrag von Wolfgang Ludwig-Mayerhofer<br />

von der <strong>Universität</strong> Siegen zur „Selbsteinstufung in der Armuts-Reichtums-Hierarchie:<br />

Messung und Analysen zur Erklärung“. Es sollte die Frage geklärt werden, ob der Bezug<br />

von ALG II (über die materielle Lage, also das Einkommen, hinaus) die Wahrnehmung,<br />

arm zu sein, beeinflusst, und welche Rolle hier der Paarkontext spielt. Die untersuchten<br />

Paare wurden Face-to-Face oder online mit visuellem Stimuli interviewt. Das Fazit der<br />

Untersuchung zeigt, dass es geschlechtspezifische Unterschiede zur Wahrnehmung von<br />

Armut gibt. Die Mehrheit der befragten Männer nehmen sich als arm wahr abhängig vom<br />

eigenen Einkommen, der Bildung, von Schulden und in Bezug auf das regionale<br />

Durchschnittseinkommen. Frauen hingegen machen Armut abhängig in ihrer Wahrnehmung<br />

vom Einkommen des Mannes und ihrem eigenen. Des Weiteren hat Bildung für Frauen eine<br />

größere Wahrnehmungskomponente, ob sie sich als arm wahrnehmen oder nicht, als das<br />

Einkommen. Dies ist bei Männern nicht so. Wenn sie sich als nicht arm wahrnehmen ist<br />

dies allein vom Einkommen abhängig. Da Herr Mayerhofer seine Studie bis zur Tagung<br />

noch nicht abschließend ausgewertet hat, gab er lediglich einen Einblick auf die bisherige<br />

Fragestellung, inwiefern sich Sozialleistungen nach dem SGB II auf die Wahrnehmung von<br />

Armut im Paarkontext auswirken. Er hat aber darauf hingewiesen , dass Mitte/Ende April<br />

2010 die vollständige Auswertung abgeschlossen ist.<br />

Diskutiert wurde im Anschluss über die Wahrnehmung wie die Armuts- und<br />

Reichtumsverteilung in der Gesellschaft aussieht, sowie dass die Abnahme von<br />

Sozialleistungen die Ungleichheit verschärft. Eine Ausdifferenzierung der Schulden, also<br />

um welche Schulden es sich handelt, wurde in der Studie nicht vorgenommen. Das Fazit<br />

zeigte, dass in zusammenlebenden Paarkontexten ökonomische Fragen präsenter sind und<br />

dadurch die Wahrnehmung von Armut beeinflusst wird.<br />

Mara Boehle referierte im Anschluss über die „Ursachen und Wandel familialer Armut in<br />

Deutschland“. Ihre Studie bezieht sich auf Daten der Mikrozensen 1962-2004. „Von<br />

3


zentralem Interesse ist hierbei die Frage, zu welchen Teilen die Zunahme familialer Armut<br />

auf die veränderte Wirkung von strukturellen und individuellen Einflussgrößen und zu<br />

welchen Teilen sie auf die veränderte Zusammensetzung der familialen Population an sich<br />

− etwa der Zunahme des Anteils Alleinerziehender − im Sinne eines Kompositionseffektes<br />

zurückgeht.“ Die Ergebnisse zeigen, dass Alleinerziehende am Häufigsten von Armut<br />

betroffen sind und deren Armut proportional mit der Armutsquote ansteigt. Der<br />

Armutsbegriff orientiert sich an dem der relativen Einkommensarmut. Die Ergebnisse<br />

zeigen auch, dass kinderlose Familien wie Doppelverdienerpaare ohne Kinder weniger von<br />

Armut betroffen sind. Offen blieb die Frage, warum die Armutskurve bei<br />

Kindergelderhöhung sinkt, da ja in der Regel Alleinerziehende auf SGB II<br />

Ergänzungsleistungen angewiesen sind und das Kindergeld auf diese angerechnet wird.<br />

Folgend präsentierte Max Wolf von der Technischen <strong>Universität</strong> Chemnitz die Ergebnisse<br />

der Untersuchung von Familien in der Verbraucherinsolvenz. Von Überschuldung sind in<br />

der BRD etwa 3,3 Mio. Haushalte betroffen (Creditreform 2008). In etwa 37% der<br />

überschuldeten Haushalte leben Kinder. Max Wolf und Wolfram Backert haben ca. 1.600<br />

Personen, die in der, seit mehr als 10 Jahren gesetzlichen Regelung der<br />

Verbraucherinsolvenz, sind, befragt. Herbei liegt der Hauptaugenmerk auf den Folgen für<br />

die familiale Situation durch Überschuldung. Hierbei fällt der hohe Anteil der<br />

Alleinerziehenden (15%) ins Gewicht. Desweiteren zeigte die Befragung, dass der<br />

häufigste Grund einer weiteren Verschuldung Kinder sind. Offen bleibt die Vermutung ob<br />

es eine Tradierung des Habitus im Kontext der Schuldproblematik gibt.<br />

Diskutiert wurde über die Frage, wo die Schulden eigentlich herkommen. Hierzu merkte<br />

Wolfram Backert an, dass 50 % der Schulden die klassischen Gründe aufweisen, wie<br />

Arbeitslosigkeit, Scheidung, sowie Verlust des Überblickes. Ein Hinweis auf die<br />

Veröffentlichung von Götz Löchner zu Schuldengründen wurde von ihm ebenfalls gegeben.<br />

Eine Neuverschuldung trotz Privatinsolvenz wird ermöglicht durch den sogenannten<br />

schattenmarkt der Zinskredite oder die Privatleihe in der Familie. Kritisiert wurde der<br />

geringe Rücklauf, der sich bei der Befragung im 10%-Bereich aufhielt (18.000 Fragebögen,<br />

davon 1.620 Rücklauf).<br />

Ina Berninger vom Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Köln widmete sich der Frage,<br />

„ob prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Form von niedrigem Einkommen oder<br />

subjektiver Unzufriedenheit mit der Arbeitsplatzsicherheit, den akuten Kinderwunsch<br />

beeinflussen“. Berninger fragt ob das Einkommen, Einfluss auf die Partnerschaft hat und<br />

dadurch der Kinderwunsch beeinflusst wird. Die Analyseergebnisse, basierend auf dem<br />

deutschen Generations and Gender Survey, zeigen dass die Arbeitsplatzsicherheit weniger<br />

Einfluss auf den Kinderwunsch hat. Hauptsächlich sei der Kinderwunsch von der Stabilität<br />

bzw. Qualität der Partnerschaft abhängig. „Die Konflikthäufigkeit und das<br />

Konfliktverhalten, so Berninger, vermitteln den Zusammenhang zwischen der<br />

Beschäftigungssituation und der Qualität der Partnerschaft.“ Es zeige sich auch, dass bei<br />

Frauen die Einkommenssituation wichtig sei, während die Zufriedenheit mit der<br />

Arbeitsplatzsicherheit eher für Männer wichtig ist. Diese Ergebnisse lassen Berninger<br />

vermuten, dass „ein weiterer Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse den<br />

Kinderwunsch negativ beeinflusst und damit die Fertilität reduziert“.<br />

Den Tagungsteilnehmenden blieb im Anschluss ungeklärt, welches Konzept der<br />

Beziehungsqualität gemessen worden sei und ob es sich um objektive oder subjektive<br />

Arbeitsplatzmerkmale handle.<br />

Mit dem Zusammenhang zwischen familienpolitischen Reformen und der<br />

Bildungsgleichheit bei familienbedingten Erwerbsunterbrechungen beschäftigt sich die<br />

Empirische Analyse von Lebenslaufdaten der Geburtskohorten (1956-1988), die von Katrin<br />

Drasch, <strong>Universität</strong> Erlangen-Nürnberg, vorgestellt wurde. Drasch untersuchte 2.400<br />

familienbedingte Erwerbsunterbrechungen vor dem Hintergrund der zeitlich einsetzenden<br />

Reformen. Ihre These, dass es einen Zusammenhang gibt, konnte bestätigt werden. Sie<br />

4


äumt aber ein, dass das Bildungs- und Ausbildungsniveau wenig Einfluss auf den<br />

Wiedereinstieg hat, dafür aber die gesetzlich geregelte Elternzeit. Ihr Fazit ist, dass „keine<br />

bildungsspezifische Ungleichheitsentwicklung des Wiedereinstiegsverhaltens aufgrund von<br />

Elternzeitregelungen festgestellt werden kann“.<br />

Diskutiert wurde darüber, ob sich der Bildungseffekt verschoben haben könnte aufgrund<br />

anderer struktureller Gegebenheiten wie bsbw. Kinderbetreuung.<br />

Die Referentin Silke Tophofen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)<br />

Nürnberg untersuchte anhand des DJI-Kinderpanels Schulleistungen von Kindern unter 16<br />

Jahren vor dem Hintergrund familialer Einkommensarmut. Es zeigen sich signifikant<br />

Einflüsse der ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen der Familie auf die<br />

Schulleistungen der Kinder in der Grundschule. Auf spätere Schulleistungen hat zum einen<br />

der Schultyp Einfluss und zum anderen die Armutserfahrungen, wobei sich kurze und lange<br />

Armutserfahrungen unterscheiden. Auch die Familienform hat einen Einfluss auf die<br />

Schulleistungen (Scheidungen). Der Einfluss ökonomischer Sorgen konnte, so Tophofen,<br />

nicht nachgewiesen werden.<br />

Diskutiert wurde der Einfluss der Vorbildung im Kindergarten und die zu einseitige<br />

Befragung, die sich hauptsächlich auf die Mütter und die Kinder konzentrierte, während<br />

Väter nur optional befragt wurden. Abschließend wurde über die politische Konsequenz für<br />

Reformen des Bildungssystems nachgefragt, das momentan nicht in der Lage sei, familiale<br />

Ausfälle zu kompensieren.<br />

Die dritte Session zur „familialen Lebenslage und den Bildungschancen von Kindern“<br />

wurde mit dem Vortrag von Inga Hornei, <strong>Universität</strong> Bielefeld, eröffnet. „Black-Box<br />

Habitus? Zur Ungleichheitsrelevanz der milieuspezifischen Entwicklung sozio-moralischer<br />

Handlungsorientierungen in familiären Sozialisationspraxen“ ist die Vorstellung eines<br />

Theoriekonzeptes, so Hornei, welches die Untersuchung der Habitusgenese erlaubt. Hornei<br />

stellte anhand einer explorativen Einzelfallstudie von 13. Jährigen Schülern einer 8. Klasse<br />

ihre Überlegungen vor. Es wurden Eltern, Lehrerinnen und Schülerinnen befragt zum<br />

Thema „Mein Leben und ich“.<br />

Diskutiert wurde über den Zeitpunkt der Habitusbildung, die schon vor dem 13. Lebensjahr<br />

entsteht. Dies sei auch bei Bourdieu nicht klar und es müsse beachtet werden, dass die<br />

Adoleszens zwar eine wichtige Etappe der Identitätsbildung ist, aber schon davor<br />

Habitusgenese stattfindet. Auch inwiefern die Wechselwirkung verschiedener<br />

Sozialisationsinstanzen die Habitusbildung beeinflussen sollte geprüft werden, sowie die<br />

institutionelle Prägung vor dem 13. Lebensjahr Einflüsse haben könnte.<br />

Michael Gebel vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) stellte<br />

im Anschluss seine empirischen Analysen auf Basis des SOEP 1984-2008 vor, wobei er den<br />

Zusammenhang von prekären familiären Lagen und den kindlichen Bildungserfolg<br />

untersuchte. So zeigt sich, dass langanhaltende Armutsperioden in der Frühkindheit,<br />

signifikant stark relevante Effekte auf den Bildungserfolg der Kinder haben, während<br />

familiäre Armutssituationen in den Grundschuljahren einen geringeren Einfluss haben.<br />

Gebels Fazit soll zeigen, dass „die frühkindliche Sozialisationsperiode von zentraler<br />

Bedeutung für die langfristigen (sozioökonomischen) Lebenschancen von Kindern ist“.<br />

Angemerkt wurde anschließend, dass der Übergang in die Sekundarschule ein<br />

institutioneller Zwangsmoment ist und dass in der Untersuchung lediglich<br />

Ungleichsdynamiken untersucht wurden, anstatt Klassen und Schichten. Hieraus ergäbe<br />

sich die problematik, dass die Armutsgrenze unschärfer gestaltet sei. Es könne hier ein<br />

Effekt möglich sein. Zur Methode wurde angemerkt, dass nicht klar sei, ob es sich wirklich<br />

um den Einfluss von Armut handle, oder ob nicht auch andere verdeckte Variablen für den<br />

Effekt verantwortlich seien. Möglich sei hier das Einbeziehen anderer Untersuchungen zu<br />

frühkindlichen Besuchen von Bildungsangeboten. Abschließend wurde nach Bildungs- und<br />

sozialpolitischen Konsequenzen gefragt.<br />

5


Auf frühkindliche Bildungsangebote im speziellen zum interdisziplinärem Zugang zum<br />

kulturellen Kapital in Familien beschäftigt sich die Untersuchung von Katharina Kluczniok<br />

und Michael Mudiappa der Otto-Friedrich-<strong>Universität</strong> Bamberg. Zu den kulturellen<br />

Förderaktivitäten in der frühkindlichen Erziehung haben Kluczniok und Mudiappa 554<br />

Familien befragt aus insgesamt 97 Kindergartengruppen. Ihr Fazit zu kulturellen<br />

Vermittlungsprozessen stellt dar, dass sie unabhängig vom Einkommen gesehen werden<br />

können, allerdings ist ein bildungsabhängiger Effekt zu beobachten.<br />

Angemerkt wurde anschließend, dass Sportaktivitäten im erstellten Index der kulturellen<br />

Förderaktivitäten nicht berücksichtigt wurden.<br />

Der letzte Vortrag von Steffen Hilmert, <strong>Universität</strong> Tübingen, widmete sich der „Analyse<br />

herkunftsbedingter Lebenschancen zur Analyse soozialer Reproduktion“. Steffen Hilmert<br />

stellte ein Forschungskonzept vor, das noch nicht in die Auswertungsphase gegangen ist.<br />

Seine Ausführungen beziehen sich lediglich auf theoretisch, konzeptionelle Vorannahmen.<br />

Die Forschung soll sozial selektive Partnerschaftsformierung, Fertilität und Bildungs- bzw.<br />

Statuserwerb untersuchen. Es soll überprüft werden, ob es eine klassenspezifische<br />

Reproduktionslogik gibt, die alle Prozesse miteinschließt und wie wichtig dabei die<br />

einzelnen Teilprozesse sind.<br />

Steffen Hilmert wurde in der anschließenden Diskussion darauf aufmerksam gemacht, dass<br />

bei historischer Forschung der Wandel von Bildungsstandards zu beachten sei, wie auch der<br />

Zusammenhang zwischen Bildung, Ungleichheit und Reproduktion nicht außer Acht<br />

gelassen werden darf.<br />

<strong>Sandra</strong> <strong>Kamitz</strong><br />

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