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Luthers Rückblick auf seine Entdeckung der >Gerechtigkeit Gottes ...

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quel001<strong>Luthers</strong> Rückblick <strong>auf</strong> <strong>seine</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> ><strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong>< (1545)Auf Drängen <strong>seine</strong>r Mitarbeiter und <strong>auf</strong> Wunsch des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich (1532-1547) gab Martin Luther ein Jahr vor <strong>seine</strong>m Tode die Zustimmung zu einer Gesamtausgabe <strong>seine</strong>rSchriften. Zur Warnung <strong>der</strong> Leser dieser jetzt wie<strong>der</strong> vorgelegten Frühschriften und zur Orientierungüber <strong>seine</strong> erst allmählich voranschreitende Entwicklung verfaßte er für den ersten Band <strong>der</strong> lateinischenSchriften (1545) eine Vorrede, an <strong>der</strong>en Schluß er <strong>auf</strong> <strong>seine</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> ><strong>Gerechtigkeit</strong><strong>Gottes</strong>< zu sprechen kommt. Für die vielerörterte Frage nach <strong>der</strong> reformatorischen Wende <strong>Luthers</strong> istdiese Darstellung einer <strong>der</strong> zentralen Texte, <strong>der</strong> den Durchbruch exegetisch <strong>auf</strong>schlüsselt.Inzwischen war ich in diesem Jahr [1519] zum Psalter zurückgekehrt, um ihn von neuemauszulegen, im Vertrauen dar<strong>auf</strong>, daß ich geübter sei, nachdem ich St. Pauli Epistel andie Römer und Galater und die an die Hebräer in Vorlesungen behandelt hatte. Ich warvon einer wun<strong>der</strong>samen Leidenschaft gepackt worden, Paulus in <strong>seine</strong>m Römerbriefkennenzulernen, aber bis dahin hatte mir nicht die Kälte meines Herzens, son<strong>der</strong>n eineinziges Wort im Wege gestanden, das im ersten Kapitel steht: »Die <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong>wird in ihm [= Evangelium] offenbart« [Röm 1,17]. Ich hatte nämlich dieses Wort><strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong>< zu hassen gelernt, das ich nach dem allgemeinen Wortgebrauchaller Doktoren philosophisch als die sogenannte formale o<strong>der</strong> aktive <strong>Gerechtigkeit</strong> zuverstehen gelernt hatte, mit <strong>der</strong> Gott gerecht ist, nach <strong>der</strong> er Sün<strong>der</strong> und Ungerechtestraft. - Ich aber, <strong>der</strong> ich trotz meines untadeligen Lebens als Mönch, mich vor Gott alsSün<strong>der</strong> mit durch und durch unruhigem Gewissen fühlte und auch nicht dar<strong>auf</strong>vertrauen konnte, ich sei durch meine Genugtuung mit Gott versöhnt: ich liebte nicht,ja, ich haßte diesen gerechten Gott, <strong>der</strong> Sün<strong>der</strong> straft; wenn nicht mit ausgesprochenerBlasphemie, so doch gewiß mit einem ungeheuren Murren war ich empört gegen Gottund sagte: »Soll es noch nicht genug sein, daß die elenden Sün<strong>der</strong>, die ewig durch dieErbsünde Verlorenen, durch den Dekalog mit allerhand Unheil bedrückt sind? Muß dennGott durch das Evangelium den Schmerzen noch Schmerzen hinzufügen und uns durchdas Evangelium zusätzlich <strong>seine</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong> und <strong>seine</strong>n Zorn androhen?« So raste ichin meinem wütenden, durch und durch verwirrten Gewissen und klopfte unverschämt[Lk 11,5-10] bei Paulus an dieser Stelle an, mit heißestem Durst zu wissen, was St. Paulusdamit sagen will. Endlich achtete ich in Tag und Nacht währendem Nachsinnen durch<strong>Gottes</strong> Erbarmen <strong>auf</strong> die Verbindung <strong>der</strong> Worte, nämlich: »Die <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong> wirdin ihm offenbart, wie geschrieben steht [Hab 2,4], >Der Gerechte lebt aus demGlaubendas Werk <strong>Gottes</strong>die Kraft <strong>Gottes</strong>die Weisheit<strong>Gottes</strong>die Stärke <strong>Gottes</strong>(, >das Heil <strong>Gottes</strong>dieHerrlichkeit <strong>Gottes</strong>(. Nun, mit wieviel Haß ich früher das Wort ><strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong>


quel001bekleidet, indem er uns rechtfertigt«'. Und obwohl dies noch unvollkommen gesagt istund Augustin von <strong>der</strong> Anrechnung [imputatio] nicht alles klar expliziert, gefiel es mirdoch, daß die <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>Gottes</strong> gelehrt wird, mit <strong>der</strong> wir gerechtfertigt werden.Mit solchen Gedanken besser ausgerüstet begann ich den Psalter zum zweitenmalauszulegen, und die Arbeit wäre zu einem großen Kommentar angewachsen, wenn ichnicht durch den Reichstag des Kaisers Karl V. im folgenden Jahr nach Worms gerufenund gezwungen worden wäre, die angefangene Arbeit liegen zu lassen.Quelle: WA 54, S. 185,12-186,24

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