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fahrberichT
VW beeTle
The beeTle goes on
Unendlich erscheinende 13 Jahre lief der New Beetle, jetzt löst ihn Generation II
ab. Sie soll, markanter und maskuliner, endlich das Weichspüler-Image abstreifen.
Wir haben zum Vergleich auch noch den Urahn dazugestellt. ▷
Flaches Dach,
Spoiler und eckige
Leuchten – Stoff
für Diskussionen
20 12/2011
Die Heckansicht eman-
zipiert sich jetzt
fast vollends von der
des Originals
Bei der Neugestaltung
des Armaturen-
bretts war der Ur-
Käfer im Blick
www.auto-motor-und-sport.de 12/2011 21
Endlich Raum. Das Gepäckabteil schnappt
sich bis zu 100 Liter mehr als bisher
Und er läuft und läuft und läuft –
mit Großserienkomponenten des Golf VI
Er kann es nicht mehr ab, all das Gesäusel und Getätschel,
nett und freundlich sein. Und wenn nochmal
einer versucht, ihm eine Blume ans Armaturenbrett
zu pflanzen, dann klopft er ihm mit dem Ganghebel auf die
Pfoten. 14 Jahre nach der rundgelutschten Wiederauferstehung
des VW Käfer möchte Beetle Nummer II mit einer neuen
Zielgruppe flirten: Männer. Nein, nicht so im Sinne von
„Gay car of the year“ (da war der Vorgänger oft auf dem
Podest). Der Durchschnittsmann soll sich endlich für ihn
interessieren. Dafür duckt sich der VW sportlich tiefer, gibt
seinen runden Heckleuchten den Laufpass, holt sich dafür
eckige und stellt sich auf besonders große Räder. So weit, so
nett, pardon, cool. Ob diese Operation den gewünschten
Erfolg bringt, muss sich erst zeigen. Bekanntlich sind die
alten Käfer ja alles andere als kantig oder flach – und werden
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„Der ist aber schöner als der alte, Mama“ – bei
dem Jungen wirkt die Imagekorrektur schon
trotzdem hauptsächlich von Männern geliebt und gepflegt.
So stiehlt dem neuen Beetle bei seiner ersten Ausfahrt in
Stuttgart ein herrlich restaurierter Sportkäfer mit kultigen
Herbie-Aufklebern und hektisch schnatterndem 1200er-
Boxer ein wenig die Schau. „Gott, ist der süß“, freut sich ein
bärtiger Passant über den 1961er VW. Finden wir auch.
Genau das will der Neue ja nicht mehr sein. Schon gar nicht
in seiner sportlichsten Ausführung mit aerodynamischem
Vesperbrett am Heck, 19-Zoll-Pneus und rassigem GTI-Triebwerk
unter der Haube. Der neue Beetle springt nämlich geradewegs
von der Golf IV-Plattform mit Verbundlenker-Hinterachse
auf die VI-Variante mit Multilenker und den neuen
TSI-Motoren von 1,4 bis zwei Litern. Und Motorblock-Version
EA888 macht auf modernistischen Startknopf-Druck
akustisch mächtig Terz. Tief und – sagen wir das erlösende
M-Wörtchen – männlich grummelt der Zweiliter-Vierzylinder
aus den doppelflutigen Endrohren. Die übrigens wie
Ofenrohre neben dem qualmenden Strohhälmchen des Opas
aussehen. Gas frei, und der Beetle schießt beherzt von dannen
wie ein junger Hund mit Blick auf die Wurst. Die fehlenden
zehn Respekts-PS zu den 210 des GTI fallen kaum
auf. Bei jedem Schaltvorgang des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes
(im Ölbad für mehr Drehmomentfestigkeit)
entlädt sich der Gaswechsel in einem bassigen Ploppen, und
es gibt keinen Zweifel daran, dass dieser Vortrieb Fans jeden
Geschlechts die Mundwinkel äußerst vertikal verzieht.
Was auch nicht anders zu erwarten war. Nur weil VW
eine Retrokarosse drüberstülpt, ändert das ja nichts an den
bekannt ausgewogenen Golf-Fahreigenschaften. So wuselt
der zukünftig im mexikanischen Puebla vom Band rollende
Beetle mit satter Straßenlage um Kurven, verwöhnt mit seiner
präzisen wie antriebseinflussarmen elektromechanischen
Lenkung und nimmt ganz enge Kurven sogar noch
etwas lockerer: Sein im Gegensatz zur Basis um fünf Zentimeter
auf 2,53 Meter verkürzter Radstand hilft beim Rangieren
in der Stadt. Was er jedoch in der Sportvariante ebenfalls
erbt, ist auch die Grundstraffheit des GTI. Die wiederum
wirkt etwas unpassend, denn bei allem Verständnis für seine
Mannwerdung, den richtig harten Kerl nimmt ihm doch
keiner ab.
Sei’s drum, es wird ihn ja auch in ziviler gedämpften
Varianten geben. Nur auf die gefühlvollen adaptiven Dämpfer
wie im Golf müssen die Käufer verzichten. „Voraussichtlich
zu geringe Einbauquote“ – und schon rechnen sie sich
im stark skaleneffektgetriebenen VW-Konzern nicht.
Da steckt der Wolfsburger Autogigant Entwicklungsbemühungen
und -gelder lieber ins Interieur. Genau dieses ist dafür
der gelungene Gegenentwurf zur hyperaktiven Spielwiese in
dem als direkten Konkurrenten anvisierten Mini Cooper S.
Die lackierte breite Front schafft Ruhe, die hervorragend ab-
Elektrisches Glasschiebedach, bequeme Sportsitze und ein
Fond, der ähnlich kuschelig-intim wie beim Ur-Käfer wirkt
lesbaren Instrumente sorgen für stetigen Informationsfluss
und die bekannten Bedienelemente für Klarheit. Auch einfach
mal die Klappe halten macht im Beetle-Innenraum Spaß, denn
das obere Handschuhfach schwenkt als Reminiszenz ans Original
nach oben aus. Was freilich dazu führt, dass kaum was
reinpasst, aber dafür gibt es darunter noch ein nach unten
klappendes zweites Fach.
„Fender“ liest der aufmerksame Beobachter in den Spiegeldreiecken.
Was in Europa außerhalb von Gitarrero-Kreisen
nur zu Schulterzucken führt, ist vielen Amerikanern
ein starker Begriff: Fender-Gitarren sind legendär, deren
Auto-Hifi-Anlagen aber bisher nicht existent. Macht nix,
Panasonic hat sich mit den Saitenheroen zusammengetan
und steckt sein umfangreiches Soundsystem-Abstimmungs-
Knowhow hinein. Für viele mag das zwar nur ein Randaspekt
sein, aber den mit Abstand wichtigsten Zielmarkt
des Beetle grenzt es klar ein: Amerika. Dort wurden auch
schon vom Vorgänger fast die Hälfte der bisher 1,2 Millionen
gebauten Exemplare abgesetzt. In Deutschland war es
dagegen nur ein Zehntel davon.
Im Gegensatz zum ultra-pragmatischen Golf erlaubt sich der
Beetle auch ganz offensiv Schwächen. Im Fond bietet sogar der
Ur-Käfer etwas mehr Kopffreiheit, und die Sitzplatzzahl ist
auf vier limitiert. „Da machen wir klar function follows
form“, geben die VW-Mannen ehrlich zu. Um gleich nachzuschieben,
dass der Kofferraum jetzt um 100 Liter gewachsen
sei. Freut uns.
Noch besser finden wir aber die gute Rundumsicht mit den
breiten Seitenfenstern und der weit nach unten gezogenen
Heckscheibe. Wo vorne und hinten aufhört, hat man dagegen
schon beim Ur-Käfer nur erahnt. Von dem müssen wir uns
jetzt verabschieden. Er rollt wieder ins Museum und darf sich
dort ganz ungeniert freuen, wenn ihn einer süß findet.
technische Daten
Karosserie
Fünfsitzige Limousine, Länge x Breite x
Höhe 4278 x 1808 x 1486 mm, Radstand
2537 mm, Leergewicht 1) 1320 kg, Kofferraumvolumen
310 Liter.
Fahrwerk
Einzelradaufhängung vorn mit Querlenkern,
McPherson-Federbeinen, hinten mit
Quer-/Längslenkern, Schraubenfedern,
Stoßdämpfern, Stabilisator vorn/hinten,
innenbelüftete Scheibenbremsen vorn,
Scheibenbremsen hinten.
Kraftübertragung
Vorderradantrieb, Sechsgang-DSG.
Sportuhren für die Sportversion –
würden auch dem Golf stehen
Text: Alexander Bloch. Fotos: Rossen Gargolov
Motor
Vierzylinder-Reihenmotor mit Abgasturbolader
und Ladeluftkühler, Hubraum 1984
cm 3 , Leis tung 147 kW (200 PS) bei 5100/
min, maximales Dreh moment 280 Nm bei
1700/min.
Fahrleistungen 1)
0 – 100 km/h 7,5 s
Höchstgeschwindigkeit 225 km/h
Gesamtverbrauch (NEFZ) S 7,4 L/100 km
Grundpreis
VW Beetle 2.0 TSI DSG k. A.
1) Vorabwerte
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