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Koordinations- training

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workout & science | koordination<br />

<strong>Koordinations</strong>-<br />

<strong>training</strong><br />

Verbesserung der Haltungs- und<br />

Bewegungskoordination<br />

Oft sind koordinative Defizite Schuld an Schmerzen und<br />

muskulären Problemen. Gerade Rückenschmerzen haben oft<br />

ihre Ursache in mangelnder Muskelaktivität. Christian<br />

Chwilkowski zeigt, wie man mit einfachen koordinativen<br />

Übungen das Verletzungsrisiko beim Sport und im Alltag<br />

deutlich senken kann.<br />

Die große Bedeutung der Koordination<br />

ist in der letzten Zeit<br />

immer mehr ins Bewusstsein<br />

vieler Trainer gerückt. Während in den<br />

späten 70er und 80er Jahren das Fitness<strong>training</strong><br />

vor allem durch Kraft und<br />

Beweglichkeit geprägt wurde, so ist<br />

der hohe Stellenwert des <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong>s<br />

seit den 90er Jahren unumstritten.<br />

Nicht nur zur Verbesserung<br />

sportlicher Leistung, sondern auch<br />

aus gesundheitlicher Sicht ist eine gut<br />

ausgebildete Haltungs- und Bewegungskoordination<br />

sehr wichtig.<br />

Was sind Propriozeptoren?<br />

Bei den fünf grundlegenden motorischen<br />

Beanspruchungsformen spielt<br />

die Koordination die zentrale Rolle.<br />

Nur durch sie sind Kraft, Ausdauer,<br />

Schnelligkeit und Beweglichkeit im<br />

Sinne einer funktionellen motorischen<br />

Steuerung voll auszuschöpfen. Die<br />

Haltungs- und Bewegungskoordination<br />

ist abhängig von der Aktivität verschiedener<br />

Rezeptoren des Bewegungsapparates,<br />

den Propriozeptoren.<br />

Diese senden ständig Rückmeldungen<br />

über Bewegungen der Gelenke und<br />

über Spannungszustände der Muskeln<br />

an das Zentralnervensystem. Dadurch<br />

ist die Anpassung der Motorik<br />

46 trainer 1/2006<br />

an stets wechselnde Begebenheiten<br />

gewährleistet.<br />

Die Tiefensensibilität<br />

Die Rezeptorsignale der Propriozeptoren<br />

machen die Tiefensensibilität des<br />

Menschen aus. Nicht nur ihre Zerstörung<br />

durch Verletzungen oder Operationen,<br />

sondern auch deren Funktionsminderung<br />

durch Unterforderung,<br />

etwa bei Bewegungsmangel,<br />

führt zu verminderter Tiefensensibilität.<br />

Daraus resultieren unfunktionelle<br />

motorische Muster, die die Koordination<br />

stören. Koordinative Defizite<br />

wiederum fördern degenerative Erkrankungen<br />

und Verletzungen des Bewegungsapparates<br />

und Schmerzen<br />

sind vorprogrammiert. So zieht ein unzureichender<br />

Muskeltonus der gelenkumspannenden<br />

Muskulatur die Instabilität<br />

des betreffenden Gelenkes nach<br />

Foto: Nike<br />

sich. Dies begünstigt in vielen Fällen<br />

eine fortschreitende Traumatisierung<br />

der Gelenkstrukturen und der Muskulatur.<br />

Gerade chronische Rückenschmerzen<br />

sind auf mangelndes Stabilisationsvermögen<br />

der Wirbelsäule<br />

zurückzuführen.<br />

Bewusste Körperhaltung<br />

Das medizinische <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong><br />

zur Verbesserung der Haltungsund<br />

Bewegungskoordination beinhaltet<br />

deshalb insbesondere die Schulung<br />

der Tiefensensibilität. Durch gezieltes<br />

Aktivieren der Propriozeptoren<br />

lassen sich verloren gegangene motorische<br />

Muster wieder anbahnen. Durch<br />

oftmaliges Wiederholen dieser Muster<br />

findet eine Anpassung des neuromuskulären<br />

Systems im Sinne funktioneller<br />

ökonomischer Muskelaktivität<br />

statt, die sich auf Dauer in einer


Bewegungsautomatisierung niederschlägt.<br />

Der Trainierende lernt so, seine<br />

Körperhaltung in verschiedenen Situationen<br />

zu stabilisieren.<br />

Prophylaxe gegen<br />

Sportverletzungen<br />

Ein gutes muskuläres Stabilisationsvermögen<br />

ist die beste Prophylaxe gegen<br />

typische Sportverletzungen, wie<br />

den Bänderriss nach einem „Umknicken“<br />

im Sprunggelenk oder die Muskelzerrung<br />

bei schnellkräftigen Bewegungen.<br />

Aber auch für die Alltagsmotorik<br />

ist eine gut koordinierte<br />

Übungsbeispiele<br />

Das medizinische <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong> beinhaltet<br />

eine große Fülle von Übungsvarianten.<br />

Je nach Zielsetzung des Trainings unterteilen<br />

sich die Übungen in folgende Gruppen:<br />

Übungen im beidbeinigen und<br />

einbeinigen Stand<br />

Diese Übungen zielen in erster Linie auf die<br />

Verbesserung der funktionellen alltagsspezifischen<br />

Haltungs- und Bewegungskoordination<br />

unter Beteiligung großer Muskelgruppen<br />

ab. Der Übende aktiviert bei korrekter<br />

Übungsausführung weitgehend die<br />

gesamte Skelettmuskulatur. Die Wirbelsäule,<br />

die Hüft-, Knie- und Sprunggelenke sowie<br />

die Schultergelenke werden gleichzeitig<br />

aktiv stabilisiert und eine Ganzkörperspannung<br />

wird aufgebaut.<br />

Seilzugübungen<br />

Sie stellen zusätzliche Anforderungen<br />

an die Haltungs- und Bewegungskoordination.<br />

Durch den Widerstand der Zuggewichte,<br />

der von außen auf den Körper<br />

einwirkt, wird das Gleichgewicht gestört<br />

und eine erhöhte Körperspannung muss<br />

entgegengesetzt werden.<br />

Muskelaktivität wichtig, um Schädigungen<br />

des Bewegungsapparates<br />

durch Haltungsschwächen vorzubeugen.<br />

Dahin gehende Präventionsmaßnahmen<br />

als Angebot im Rahmen der<br />

medizinischen Fitness können sehr<br />

viel bewirken, denn ohne entsprechende<br />

Übung nimmt die Koordination<br />

spätestens mit dem 35. bis 40.<br />

Lebensjahr ab. Altersspezifische Erkrankungen,<br />

wie Arthrosen oder Bandscheibenvorfälle,<br />

lassen sich jedoch<br />

durch ein gezieltes koordinatives<br />

Training oftmals vermeiden. Ebenso<br />

kann einer erhöhten Sturzgefährdung<br />

Ball fangen und werfen auf dem<br />

Therapiekreisel<br />

Zug mit einem Arm und einem Bein<br />

am Seilzug<br />

koordination | workout & science<br />

bei Senioren, bedingt durch Beschwerden<br />

am Bewegungsapparat<br />

oder neurologische Erkrankungen,<br />

entgegengewirkt werden. Gerade für<br />

diese im Gesundheitssport stark vertretene<br />

Zielgruppe der Senioren ist<br />

das medizinische <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong><br />

von großer Bedeutung, um die<br />

Mobilität und damit die Lebensqualität<br />

zu erhalten.<br />

Allgemeine Grundsätze<br />

Durch das gezielte Fördern des neuromuskulären<br />

Systems lässt sich die<br />

Haltungs- und Bewegungskoordina-<br />

Partner aus dem Gleichgewicht bringen<br />

auf dem Therapiekreisel<br />

Abduktion eines Beines auf dem<br />

Therapiekreisel am Seilzug<br />

trainer 1/2006 47


workout & science | koordination<br />

Übungsbeispiele<br />

Schräge Crunches auf zwei Ballkissen<br />

Kniestand mit Body-Blade auf zwei Ballkissen<br />

48 trainer 1/2006<br />

Balancieren auf dem Pezziball<br />

in Bauchlage<br />

Übungen im Sitz<br />

Diese fördern hauptsächlich die<br />

aktive Stabilisation der Wirbelsäule.<br />

Um die Halteaufgaben zu<br />

leisten, setzt der Übende vor<br />

allem die Rumpf- und Hüftmuskulatur<br />

ein.<br />

Balancieren auf dem<br />

Pezziball im Sitz<br />

tion verbessern. Das bedeutet, dass<br />

immer neue, ungewohnte Bewegungsaufgaben<br />

gestellt und mit kontinuierlich<br />

ansteigendem Schwierigkeitsgrad<br />

durchgeführt werden. Typisch für das<br />

medizinische <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong><br />

ist das „gezielte Stören“ des Gleichgewichts<br />

durch instabile Unterlagen<br />

(Therapiekreisel, Ballkissen, Mini-<br />

Trampolin etc.) oder durch Schließen<br />

der Augen. Dies schult die Tiefensensibilität<br />

durch einen verstärkten „Input“<br />

der Propriozeptoren.<br />

Neben der gezielten Förderung des<br />

neuromuskulären Systems ist für den<br />

Erfolg des medizinischen <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong>s<br />

die Qualität der<br />

Übungsausführung entscheidend.<br />

Durch bewusstes präzises Ausführen<br />

der Übungen bilden sich langfristig<br />

optimierte motorische Programme,<br />

die später im Alltag spontan abrufbereit<br />

sind (motorisches Lernen). Dem<br />

Trainer kommt deshalb die Aufgabe zu,<br />

die Körperhaltung und die Bewegung<br />

unter dem Aspekt aktiver Stabilisation<br />

immer wieder zu korrigieren.<br />

Methodische Grundsätze<br />

Bei der Gestaltung der Übungsreihen<br />

sind der Kreativität des Trainers keine<br />

Grenzen gesetzt. Hinsichtlich der<br />

Funktionalität sollte er seine Vorgehensweise<br />

ständig hinterfragen, dabei<br />

aber nicht vergessen, sie für den Übenden<br />

auch attraktiv zu gestalten. Die folgenden<br />

methodischen Grundsätze<br />

dienen dem Anleitenden dazu, die<br />

Übungen variabel zu gestalten und sie<br />

sinnvoll aufeinander aufbauend einzusetzen.<br />

Vom Leichten zum Schweren:<br />

c Immer mit leicht durchzuführenden<br />

Bewegungsaufgaben beginnen, um<br />

Erfolgserlebnisse zu schaffen und<br />

Misserfolge zu vermeiden.<br />

c Aufeinander aufbauende Bewegungserfahrungen<br />

begünstigen<br />

motorisches Lernen.<br />

Von einfachen zu komplexen Anforderungen:<br />

c Zunächst die stabilisierende-<br />

Rumpfmuskulatur aktivieren, erst<br />

dann die Extremitäten einsetzen,<br />

z.B. durch Variation der Ausgangsstellung<br />

(liegend, sitzend, im Stütz,<br />

im Stand).<br />

c Die zusätzliche Ausführung von<br />

komplexen Zusatzaufgaben (z.B.<br />

Zielwerfen), die die Aufmerksamkeit<br />

von der Körperhaltung ablenkt,


verbessert das reflektorische Stabilisationsvermögen.<br />

Von statischen zu dynamischen<br />

Anforderungen:<br />

c Mit reinen Halteaufgaben beginnen.<br />

c Zunehmend dynamische Einsätze<br />

der Extremitäten und sportartspezifische<br />

Bewegungsabfolgen (z.B.<br />

Sprünge) schulen die Koordination.<br />

Von langsamer zu schneller Bewegungsausführung:<br />

c Dynamische Bewegungen zunächst<br />

langsam und kontrolliert ausführen,<br />

anschließend das Tempo steigern<br />

(Rhythmusvorgabe).<br />

c Hohe reaktive Kräfte bei steigendem<br />

Bewegungstempo verbessern<br />

das reflektorische Stabilisationsvermögen.<br />

Von stabilen zu instabilen Unterlagen:<br />

c Auf festem Boden beginnen. Dann<br />

den Schwierigkeitsgrad der Übungen<br />

mit verschiedenen instabilen<br />

Unterlagen steigern, um den<br />

Gleichgewichtssinn und die Tiefensensibilität<br />

zu schulen.<br />

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Im Liegen: Unterlagerung mit Aero-<br />

Step, Ballkissen oder Pezziball.<br />

Im Sitz: Unterlagerung mit Ballkissen<br />

oder Pezziball.<br />

Im Stand: Unterlagerung mit Aero-<br />

Step, Ballkissen, Mattenrolle, Therapiekreisel,<br />

Kippbrettchen, Weichbodenmatte,<br />

Mini-Trampolin usw.<br />

Von großer zu kleiner Unterstützungsfläche:<br />

c Unterstützungsfläche kontinuierlich<br />

verkleinern, um die Balance zu<br />

erschweren und dadurch die Tiefensensibilität<br />

zu fordern.<br />

Im Liegen: von der Auflage des gesamten<br />

Körpers über Stütz der Extremitäten<br />

bis zur Unterlagerung mit instabilen<br />

Unterlagen.<br />

Im Sitz: Vom Sitz mit Stützaktivität<br />

der Beine über Sitz ohne Stützaktivität<br />

bis zur Unterlagerung mit instabilen<br />

Unterlagen.<br />

Im Stand: vom stabilen beidbeinigen<br />

Stand über Variation der Fußstellung<br />

zum Einbeinstand bis zur<br />

Unterlagerung mit instabilen Unterlagen.<br />

koordination | workout & science<br />

Vom Üben mit offenen Augen zum<br />

Üben mit geschlossenen Augen:<br />

c Werden Übungen mit offenen Augen<br />

beherrscht, Augen schließen,<br />

um die Tiefensensibilität und den<br />

Gleichgewichtssinn durch Wegfall<br />

der optischen Raumorientierung zu<br />

schulen.<br />

Manuelle Widerstände setzen:<br />

c Bei vielen Übungen im <strong>Koordinations</strong><strong>training</strong><br />

bietet es sich an, dass<br />

der Trainer zur Steigerung der koordinativen<br />

Anforderungen manuelle<br />

Widerstände setzt.<br />

Christian Chwilkowski ❘ ist<br />

studierter Diplom-Sportwissenschaftler<br />

mit Schwerpunkt Leistungssport<br />

und Zusatzqualifikation zum Sporttherapeuten.<br />

Daneben arbeitet der<br />

Freiberufler als Dozent in der Physiotherapie<br />

und in der Ausbildung zum<br />

Liz. Fitness- und Gesundheitstrainer (DTA) der Deutschen<br />

Trainer Akademie (www.trainer-akademie.com).<br />

Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Medizinische Trainingstherapie<br />

und der Gesundheitssport. Kontakt:<br />

www.medizinisches-koordinations<strong>training</strong>.com<br />

trainer 1/2006 49

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