Aktuelles aus der Wissenschaft
Wissenschaft
Aktuelles aus der Wissenschaft
Krebsdiagnose mit Hilfe der Hundenase?
von Dr. Andrea Weidt
Dass Hunde unglaubliche Nasenleistungen vollbringen können, wissen wir alle. Sie erschnüffeln
Rauschgift in kleinsten Mengen, verfolgen problemlos die Spur eines Wildtieres
oder orten verschüttete Menschen unter einer dicken Schneedecke. Vor kurzem haben
nun Forscher herausgefunden, dass Hunde unter anderem auch Eierstockkrebs am Geruch
erkennen und von gesundem Gewebe unterscheiden können. Steht damit der Einsatz von
Hunden als «Arzthelfer» zur Diagnose von Krebs kurz bevor?
Die Nase unseres Hundes ist sein am stärks
ten spezialisiertes Sinnesorgan. Mit etwa
220 Millionen Riechzellen können unsere
Vierbeiner Gerüche mindestens hundert,
möglicherweise sogar millionenfach besser
wahrnehmen als wir Menschen. Die erstaunliche
Nasenleistung unserer Vierbeiner
machen wir uns zunutze, wenn wir sie
als Jagdhunde, Drogenspürhunde oder Rettungshunde
einsetzen.
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© Schweizer Hunde Magazin 7/08
Seit etwa 20 Jahren ist ein weiterer möglicher
Einsatzbereich für das Riechorgan des
Hundes im Gespräch – als Diagnosehilfe
bei Krankheiten, speziell bei Krebs. Ausgelöst
wurde diese Diskussion durch eine
Veröffentlichung der beiden Wissenschaftler
Williams und Pembroke. Sie berichteten
1989 von einem Fall, in welchem eine Frau
einen Arzt aufsuchte, nachdem ihr Hund unablässig
an einer Verletzung ihrer Haut her-
Jagdgebrauchshunde, Drogenspürhunde oder Rettungshunde: entsprechend ausgebildet ist auf ihre
Nasenleistung Verlass. Steht nun der Einsatz von Hunden als «Arzthelfer» zur Diagnose von Krebs
kurz bevor? Foto: J. Giger
umschnupperte. Eine Biopsie dieser Stelle
zeigte, dass es sich um ein bösartiges Melanom
handelte. Verschiedene weitere
Anekdoten, Beobachtungen und Untersuchungen
in den darauffolgenden Jahren legen
den Schluss nahe, dass mit dem
Wachstum bösartiger Tumoren tatsächlich
bestimmte geruchliche Komponenten einhergehen
könnten, ja sogar, dass verschiedene
Tumoren jeweils einen ganz eigenen
Geruch haben, den die feine Hundenase erschnüffeln
könnte.
Ob diese Annahmen zutreffen, untersuchten
vor kurzem Forscher aus Schweden und
Ungarn um György Horvath. Sondern
menschliche Krebsgeschwüre tatsächlich einen
ganz eigenen Geruch ab? Und können
Hunde darauf trainiert werden, diesen Geruch
anzuzeigen? Die Ergebnisse dieser
Studie wurden ganz aktuell in der Juni-Ausgabe
der Wissenschaftszeitschrift «Integrative
Cancer Therapies» (Integrative Krebs -
therapien) veröffentlicht.
Geruchstraining mit Tumorgewebe
Durchgeführt wurde das Experiment mit einer
4-jährigen schwarzen Riesenschnauzer-
Hündin, die über einen Zeitraum von einem
Jahr zweimal pro Woche auf den Geruch
von Eierstock-Tumoren trainiert wurde. Die
Forscher haben dabei mit isolierten Proben
von Krebsgewebe gearbeitet, die alle etwa
eine Grösse von 3 x 3 x 3 mm hatten.
Zunächst einmal musste die Hündin lernen,
dass der Geruch der Eierstock-Tumoren sozusagen
der «erwünschte Geruch» ist, also
der, den sie anzeigen soll.
In der ersten Traniningsphase sollte die Hündin
daher an mehreren Lappen schnüffeln.
Immer dann, wenn der Hund an einem Lappen
mit einer Tumorprobe Interesse zeigte,
wurde er von dem Experimentator schnell
weggezogen. Wiederholungen dieses Vorganges
verstärkten zunehmend die Motivation
des Hundes, den Tumor-Lappen auszuwählen.
Später wurde ein Baumwollbausch
versteckt, der für 1 bis 7 Tage zusammen
mit einer Tumorprobe in einem geschlossenen
Gefäss aufbewahrt wurde, selbst aber
kein Tumorgewebe enthielt. Auch dann,
wenn die Geruchskonzentration sehr gering
war, hatte die Hündin keinerlei Probleme,
den Baumwollbausch mit dem Tumorgeruch
zu finden. Dieses Resultat zeigte den
Forschern ganz klar, dass die Tumorproben
für die Hündin riechbar waren – und das sogar
in sehr klei nen Konzentrationen. Aber
haben die Tumorproben tatsächlich auch
einen ganz eigenen, spezifischen Geruch,
den die Hundenase von dem Geruch anderer
Gewebeproben unterscheiden kann?
Um dies zu klären, haben die Forscher nun
die entscheidenden Tests durchgeführt.
Kontrollen & «anonyme Proben»
Foto: P. Koster
Gearbeitet wurde hier mit Proben aus Eierstock-Tumor-Gewebe
und mit Kontrollproben
gleicher Grösse aus anderem Gewebe.
Pro Durchgang wurden zehn verschiedene
Proben – je zwei Tumor- und acht Kontrollproben
– in geruchsdurchlässigen Boxen
untergebracht und zufällig im Raum verteilt.
Selbst der Experimentator, der den Test mit
dem Hund durchführte, wusste nicht, in welchen
Boxen sich jeweils die Tumor- und die
Kontrollproben befanden. Dieses Vorgehen,
das als «blind-test», also «anonyme
Probe», bezeichnet wird, stellt sicher, dass
der Experimentator keine bewussten oder
unbewussten Hinweise auf den Ort der anzuzeigenden
Probe geben kann.
Test 1
Im ersten Versuch haben die Forscher getes
tet, ob die Hundenase den Geruch von Eierstockkrebs
von dem eines gesunden Gewebes
unterscheiden kann. Dazu haben sie
der Hündin in mehreren Durchgängen insgesamt
20 Tumorproben, die sie schon von
der Trainingsphase her kannte, und 80 Kontrollproben
von gesundem Fett-, Muskel-,
Darm- und Eierstockgewebe zur Auswahl gegeben.
Der Hund identifizierte alle Tumor -
proben richtig.
Diese Resultate bestätigten sich auch dann,
wenn die Forscher statt der bekannten unbekannte
Tumorproben verwendeten. Bei
wiederum insgesamt 20 Eierstockkrebs-Gewebeproben
und 80 Kontrollproben zeigte
die Hündin alle Tumorproben problemlos
an. Allerdings zeigte die Hündin hier auch
zwei Kontrollproben aus gesundem Fettbzw.
Muskelgewebe als «Tumorproben»
an. Dennoch war die Genauigkeit der Anzeige
insgesamt sehr hoch.
Diese Ergebnisse bedeuten, dass Tumorgewebe
des Eierstocks tatsächlich einen eigenen
Geruch besitzen muss, der sich von
dem eines gesunden Gewebes unterscheidet.
Auch konnten die Forscher ausschliessen,
dass die Hündin lediglich auf einen
möglicherweise vorhandenen Eierstockgeruch
reagiert, denn auch unter den Kontollproben
waren solche mit Eierstockgewebe
enthalten, allerdings mit gesunden Zellen –
und dieses wurde von der Hündin nicht angezeigt.
Tumorgewebe bei Eierstockkrebs
unterscheidet sich also im Geruch von gesundem
Gewebe. Aber unterscheiden sich
auch die Gerüche verschiedener Tumoren
voneinander? Um diese Frage zu klären,
führten die Wissenschaftler einen weiteren
Test durch, in welchem sie Gewebe mit
Eierstockkrebs gegen Gewebeproben mit
anderen gynäkologischen Krebsarten als
Kontrollen im direkten Vergleich testeten.
Test 2
Wissenschaft
In mehreren Durchläufen wurden der Hündin
insgesamt acht Gewebeproben mit Eier
stockkrebs und 32 Proben mit anderen
gynäkologischen Krebszellen angeboten.
Alle acht Eierstockkrebs-Gewebeproben
wurden korrekt angezeigt. Zusätzlich zeigte
die Hündin auch drei der 32 Kontrollproben
mit Gewebe anderer Krebsarten als
Eierstockkrebs an. Trotz dieser Fehler war
die Genauigkeit der «Diagnose» immer
noch sehr hoch.
Diese Studie ist damit die erste Untersuchung,
die tatsächlich nachweisen konnte –
allerdings nur mit Hilfe der feinen Hundespürnase
–, dass das häufig vorkommende
Eierstock-Karzinom durch eine ganz spezifische
Geruchskomponente charakterisiert
werden kann. Diese wird offensichtlich direkt
von dem Krebsgewebe abgegeben,
kann von entsprechend ausgebildeten Hunden
identifiziert und im Allgemeinen auch
von gesundem Gewebe und von anderen
gynäkologischen Tumoren unterschieden
werden.
Hunde als Arzthelfer?
Den Schluss, dass man Hunde als «Arzthelfer»
in der Praxis für die Diagnose von
Eierstockkrebs einsetzen könnte, kann man
aus diesen Ergebnissen allerdings längst
noch nicht ziehen. Denn diese Tests wurden
nicht an lebenden Personen, sondern an
isolierten Gewebeproben von Tumoren
durchgeführt. Ausserdem konnten nur unter
den streng kontrollierten Bedingungen dieses
Experiments mögliche störende Einfluss
faktoren auf diese spezielle Nasenarbeit
der Hündin weitgehend ausgeschlossen
werden.
Die Ergebnisse dieser Studie, das Wissen
um die spezifische Geruchskomponente
von Tumoren, könnte allerdings einst durchaus
für Diagnoseverfahren genutzt werden
– wenn die entsprechenden technologischen
Verfahren dazu ausgereift sind. Bis
dahin kann die feine Hundenase aber weiterhin
dabei helfen, die geruchlichen Komponenten
von Tumoren in gezielten Experimenten
zu erforschen.
Originalartikel:
• Horvath, G.; Järverud, G.a.K.; Järverud, S.; Horvarth, I.;
2008: Human ovarian carcinomas detetced by specific
odor. Integrative Cancer Therapies, 7/2: 76-80.
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