LLEJe nach Einsatz lädt die Fahrerkarte die Daten von rund 300 Tagen.Der Speicherchipsoll künftignoch vergrößertwerden.1. Mustermann2. Herber t3. 27.03.19784. a 28.09. 20 09 4. b 27.09.20144. c Muster GmbH5. a x y z v8174usw5.b DFB0071147und zu einer regelrechten Bußgeldexplosionführen.“ Denn die Speicherchips der Fahrerkartenladen weit mehr Daten, als die 28Schaublätter, die ein „Analogfahrer“ mit sichführen muss. Je nach Einsatz im reinen Fernverkehrpassen auf den 32 Kilobyte großenDatenspeicher bis zu 300 Tage Lenkzeit,manchmal auch noch mehr. Die neue Generationder Fahrerkarte hat sogar 36 KilobyteSpeicherkapazität. Das sind zusätzliche 30Tage. Tachoscheiben muss man nach 28 Tagenabgeben, die Daten der Fahrerkarte lassensich dagegen nicht löschen. „Der Fallzeigt deutlich, dass es bei einer so strengenHandhabung der Bußgeldvorschriften für diein der Praxis nie ganz vermeidbaren LenkundRuhezeitverstößezu einer Existenzgefährdungfürmanche Fahrerkommen wird“,wettert Anwalt Pfitzenmaier.Es zeigt sich, dass die Tachoscheibe beiden <strong>Kontrolle</strong>uren mehr Fingerspitzengefühlzulässt, wenn sie bei einer Gesamtbewertungbeurteilen können, dass sich ein Fahrerim Großen und Ganzen an dieSozialvorschriften gehalten hat. Mitdem digitalen Tacho ist dieses Augenmaßvöllig verloren gegangen.„Setzt sich das Urteil tatsächlichdurch, so hat das dramatische Konsequenzenfür Fahrer“, sagt selbstder Betriebskontrolleur Fred Dremelvon der Bezirksregierung Köln.Auch er bewertet immer das Gesamtbildüber mehrere Monate undam Ende die finanziellen Verhältnisse desFahrers. Spürbare pädagogische Maßnahmenja – aber nicht wirtschaftlicher Ruin. Im vorliegendenFall hatte der Fahrer ein Nettoeinkommenvon 1300 Euro und dazu 20.000Euro Schulden. Eigentlich, so verrät die Mitarbeiterineiner Bußgeldstelle, müsste beijedem Bescheid, der über 250 Euro hinausgeht, erst einmal die wirtschaftliche Situationdes Fahrers hinterfragt werden. Das istin der Praxis aber eher die Ausnahme. ImGegenteil: „Lkw-Fahrer werden so schnell zurDas juristische Prinzipder Gleichbehandlung istausgehebeltMelkkuh“, befürchtet gar Wolfgang Schaile,Gewerbedirektor im Sozialministerium vonBaden-Württemberg.Dazu ein Vergleich mit dem Strafrecht:Ein Pkw-Fahrer, der betrunken zwei Menschentötet, kommt mit 40 Tagessätzen zu30 Euro davon. Die gleiche Summe ist fällig,wenn ein Lkw-Fahrernicht ausreichendPausemacht – selbstohne dass ein Unfallpassiert ist.Immerhin hat dieEU-Kommission den Widersinn erkannt undden Mitgliedsstaaten empfohlen, Verstößeneu zu bewerten: Hat ein Fahrer nur siebenstatt neun Stunden tägliche Ruhezeit eingehalten,wird das zwar sanktioniert, aber dienächste Tageslenkzeit zählt von vorne. DieFrage ist nur, ob das auch alle EU-Staatenberücksichtigen. Die Ungleichbehandlunginnerhalb der Europäischen Union ist schonjetzt gewaltig, doch selbst innerhalb einesLandes werden gleiche Sachverhalte nachder analogen oder digitalen Variante mitzweierlei Maß beurteilt. Die unterschiedlichenAuffassungen in Hamm und Gelsenkirchenbelegen dies einmal mehr. Laut einerin Brüssel unter Verschluss gehaltenen„Das Urteil hatdramatischeKonsequenzenfür alle Lkw-Fahrer.“Fred Dremel,BetriebskontrolleurFERNFAHRER 7 I 2011 7
THEMA DES MONATSDiskriminierung bei Lenk- und RuhezeitenDas BAG prüft auf der Straße zunächstnur 28 Tage – aber es darf auch mehr.Untersuchung soll dieses Chaos noch bisetwa 2020 andauern, dann soll es kaumnoch analoge Tachografen geben. Aber zuvorwird noch ein dritter Zeitmesser Öl ins Feuergießen: Die Einführung der neuesten Generationdigitaler Kontrollgeräte steht bevor(siehe Praxistest Seite 40).Unabhängig davon wirft Anwalt Pfitzenmaierdem OLG Hamm das Versäumnis vor,sich in seiner Entscheidung nicht mit denEG-Verordnungen 3821/85 und 561/2006auseinander gesetzt zu haben. Diese beinhaltetendurchaus das Gleichstellungsargument,nur die letzten 28 Tage zu kontrollieren (Art.15 Absatz VII EG-VO 3821/85).Das Bundesamt für Güterverkehr, BAGinterpretiert trotzdem so: „Das OLG hat klarformuliert, dass die gesetzlichen Vorschrifteneine Einschränkung des Ahndungszeitraumeseben nicht kennen. Die einzige Beschränkungder Ahndung ist die Verjährung. WelcheZuwiderhandlungen letztendlich verfolgt werdensollen, liegt allein im pflichtgemäßenErmessen der zuständigen Behörden. DasBAG prüft bei Straßenkontrollen grundsätzlicheinen Zeitraum von 28 Tagen. Sollten beider <strong>Kontrolle</strong> außerdem Verstöße festgestelltwerden, die länger zurückliegen, werdenauch diese einer Ahndung zugeführt.“Wolfgang Schaile, 57, Gewerbedirektor,SozialministeriumBaden-Württemberg„Das Urteil haben wirbereits diskutiert: DerFahrer ist derjenige, derdurch die Verordnungengeschützt werden soll.Er ist aber nicht dieMelkkuh für die Sanierungder Kreis-.oderStadthaushalte.“Darüber ist Peter Baranowski erbost. Derdamalige Bundesfachgruppenleiter von Verdiwar im „Sozialen Dialog“ an den Vorverhandlungenzur EU-Verordnung beteiligt. „Die Begründungfür die Einführung des neuen digitalenKontrollgerätes mit Fahrerkarten, dieeine eigene Speichermöglichkeit haben, war,die mit den analogen Geräten möglichen Manipulationenauszuschließen. Wegen der unzumutbarenKostenbelastung für die Unternehmenwurde aber von einer Nachrüstpflichtabgesehen, was bis heute dazu führt, dasszwei unterschiedliche Aufzeichnungssystemenebeneinander vorhanden sind.“ Der Zeitraum„28 Tage“ sei gewählt worden, weil erdie Überprüfung der Einhaltung der Regelungenzur regelmäßigen reduzierten wöchentlichenRuhezeit und die Gewährung von Ausgleichszeitenfür Verkürzungen sowie der 90Stunden Doppelwochenlenkzeit zulässt. „DerVerdacht, dass weitere regelmäßige Verstößevorliegen, kann durch eine anschließende Betriebskontrolleerhärtet oder ausgeräumt werden.Gleichzeitig könnte dabei überprüftwerden, ob das Unternehmen die laufendenVerstöße bemerkt und den Fahrer belehrtund angehalten hat, dies in Zukunft zu unterlassen.Daher mutet es mehr als unverschämtan, wenn das OLG deutsches Rechtüber unmittelbar geltendes EU-Recht setzt.Und es stellt sich die Frage, ob dem Staatunbegrenzte Zugriffsrechte auf Daten zustehen,um sie für Sanktionen zu nutzen, nurweil sie schon mal da sind“, so Baranowski.In die gleiche Kerbe haut Dr. HelmuthMarkov, der selbst im EU-Parlament an derVerschärfung der Sozialvorschriften mitwirkte(und heute Finanzminister von Brandenburgist): „Die 28-Tage-Regelung wurde bewusstgewählt, um eine Diskriminierung zuvermeiden, solange es noch analoge Tachografengibt. Ich würde dem Fahrer daherempfehlen, vor den Europäischen Gerichtshofzu gehen.“Doppelte BußgelderNeuere Fahrerkarten mit der Kennziffer216 speichern 36 Kilobyte.Fast beiläufig steckt in den Beschlussgründen des Urteils einweiterer Aufreger: nämlich die Annahme des Vorsatzes stattder Fahrlässigkeit.Das Oberlandesgericht Hamm weist das Amtsgericht Gelsenkirchendarauf hin, dass bei Lenk- und Ruhezeitverstößen, die der digitale Tachoaufzeichnet, in der Regel von einem vorsätzlichen Begehen auszugehenist. Dies widerspricht nicht nur der derzeit gängigen Handhabungder meisten Bußgeldbehörden und Gerichte, sondern führt darüberhinaus zu einer Verdoppelung der Geldbußen, die bislang im Rahmender Fahrlässigkeitsahndung festgesetzt werden. Auch hier beweist dasOLG Hamm wenig Fingerspitzengefühl für die tägliche Praxis.Kontakt: Matthias Pfitzenmaier, Moltkestraße 40, 74072 Heilbronn,Tel.: 0 71 31/60 99 25, Fax: 0 71 31/60 99 60, E-Mail: anwalt@haus-des-rechts.de.Die telefonische Erstauskunft ist kostenlos.8 FERNFAHRER 7 I 2011