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Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh

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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 2/08 – März 2008 – Seite 18<br />

Der mündige Patient<br />

Eine deutliche Mehrheit will an Entscheidungen zu Diagnostik und Therapie beteiligt sein<br />

Von Marie-Luise Dierks<br />

Die Ausgangsfragen sind: Was muten wir den Menschen<br />

zu, wenn wir über Wettbewerb auf unterschiedlichen<br />

Ebenen im Gesundheitswesen reden? Welche<br />

Unterstützung brauchen Menschen, um sich in einem<br />

so gestalteten Gesundheitswesen zurechtzufinden?<br />

Dass der Wettbewerb voranschreitet, ist unübersehbar<br />

und für Patienten zunehmend spürbar. Elemente<br />

wie zunehmende Selbstbeteiligung, Wahlfreiheit, Individuelle<br />

Gesundheitsleistungen (IGeL), verdeckte<br />

oder offene Werbung sind nur einige Aspekte dieser<br />

Ausrichtung, die die Patienten, Versicherten und Bürger<br />

tangieren.<br />

Die Menschen werden auf verschiedene Weise als<br />

Kunden betrachtet, auch wenn, wie wir inzwischen<br />

wissen, der Kundenbegriff nicht vollständig greift, weil<br />

die Nutzer nicht über alle typischen Kundenmerkmale<br />

verfügen und zudem der besondere Charakter des<br />

Gutes „Gesundheit“ bei einer rein marktorientierten<br />

Sichtweise nicht hinreichend gewürdigt wird.<br />

So haben die Anbieter von Gütern im Gesundheitswesen<br />

in der Regel bessere Informationen als die Nachfrager,<br />

den Nutzern fehlen individuelle Vergleichsmöglichkeiten,<br />

die Qualität der Leistungen der Anbieter<br />

ist intransparent. Hinzu kommt, dass angesichts<br />

der Situation, dass der Arzt durch seinen Wissensvorsprung<br />

die wesentlichen Nachfragen nach medizinischer<br />

Leistung selbst festlegt und zugleich das Leistungsangebot<br />

bereitstellt, der Marktmechanismus<br />

aufgehoben wird.<br />

Dennoch, insofern Behandlung ihren Preis hat und<br />

Ärzte und andere Leistungserbringer darüber ihr Einkommen<br />

erwerben, war und ist der Patient im ökonomischen<br />

Sinne Kunde. Zumindest in dieser Hinsicht<br />

ist die Behandlung gesundheitlicher Beeinträchtigungen<br />

eine Dienstleistung wie jede andere.<br />

Einen gewissen Charme hat für den Patienten jener<br />

„Kunden“-Aspekt, der ihm nahelegt: Ich werde als<br />

Patient „Kunde“ und somit wie der König oder die<br />

Königin behandelt und ich kann über mein Wahlverhalten<br />

Einfluss auf Inhalt und Qualität des Angebots<br />

nehmen. Dass die reale Versorgungspraxis bislang<br />

leider nicht immer dieses Bild zeichnet, brauche ich<br />

an dieser Stelle nicht zu unterstreichen.<br />

Patient ist kein Kunde<br />

Menschen im Gesundheitswesen kommen aus unterschiedlichen<br />

Anlässen und in unterschiedlichen Situationen<br />

in Kontakt mit den Versorgungseinrichtungen.<br />

Wir haben es auf der einen Seite mit relativ<br />

gesunden Personen zu tun, die nur punktuell Kontakt<br />

zum Gesundheitswesen haben. Auf der anderen Seite<br />

des Kontinuums finden wir die schwer kranken und<br />

sterbenden Menschen, die ganz andere Bedürfnisse<br />

haben und ganz besonders auf Unterstützung und<br />

Hilfe angewiesen sind.<br />

Wie sehen die Menschen selbst ihre Rolle im Gesundheitswesen?<br />

Wollen sie sich als Kunden, als Konsumenten<br />

sehen? Interessant sind hier die Ergebnisse<br />

einer kanadischen Studie, in der man systematisch<br />

Wollen Patienten Konsumenten sein?<br />

Hohe und sehr hohe Zustimmung<br />

Patient 79,2 %<br />

Klient 14,4 %<br />

Partner 14,9 %<br />

Konsument (Consumer) 4,0 %<br />

Überlebender (Survivor) 21,8 %<br />

Kunde (Costumer) 0,0 %<br />

Deber RB, Kreaetschner N, Urowitz S, Sharpe N.<br />

Patient, consumer, client or costumer: What do<br />

people want to be called? Health expectations<br />

2005 (chronisch Kranke in Kanada)<br />

Dierks ML, Medizinische Hochschule Hannover,<br />

Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitsforschung

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