Engelbert Röntgen , Fotografie, um 1870
Vorgänger Campagnoli , Matthäi , David verwiesen. Als Orchestergeiger aber war Röntgen in der Schulung Davids aufgewachsen; er hatte immer mit diesem und Dreyschock zusammen am ersten Pult gespielt, und sosehr er sich auch seinem alten Lehrer untergeordnet hatte, sosehr verstand er es doch, als er an der Spitze des Orchesters stand, einen hohen Grad von Selbständigkeit und Energie zu entwikkeln, ohne dabei jemals mit dem Dirigenten in Konflikt zu kommen, dem er sich jederzeit bescheiden unterordnete. Seine Autorität dem Orchester gegenüber, das seine musikalischen Fähigkeiten während seiner langen Wirksamkeit an Davids Seite kennengelernt hatte, war unbestritten, und das trotz seines schroffen Wesens, das sich indessen nur äußerlich kundgab, denn im Grunde seines Herzens war er ein braver Mann. Die Welt indessen urteilt nur nach Äußerlichkeiten: Ihr ist eine Persönlichkeit, die fortwährend lächelt und für jeden ein freundliches Wort hat, lieber als eine, die es mit ihren Pflichten ernst nimmt und dabei, was der Welt besonders mißfällt, ernst oder gar finster dreinschaut. Ordneten sich somit die Verhältnisse nach dieser Seite hin friedlich, so führten sie leider am Konservatorium mit dem Direktor Schleinitz zum Konflikt und damit zum Abgang Röntgens vom Institut, an dem er seit 1857 gewirkt hatte. Indessen, mag auch Rönt gen sachlich vollkommen im Recht gewesen sein, er befolgte in seinen Verhandlungen mit Schleinitz nur die erste Hälfte der alten Römischen Weisheitsregel: fortiter in re, suaviter in modo. 73 Das war einem Diplomaten wie Schleinitz gegenüber nicht das richtige Verfahren. Worum es sich eigentlich handelte, ist mir nie ganz klar geworden. Es scheint, daß Röntgen in bezug auf den Violinunterricht andere Ansichten hatte als der 1874 als zweiter Konzertmeister und zugleich als Lehrer am Konservatorium angestellte Schradieck , der seinen Äußerungen zufolge kein Bewunderer der Methode Davids , dessen Schüler er doch übrigens auch gewesen war, gewesen zu sein scheint. Röntgen bestand daher darauf, daß in Zukunft nicht mehr zwei Lehrer denselben Schüler in demselben Fache unterrichten, ein an sich gewiß ganz vernünftiges Verlangen. Das Zweilehrersystem war aber eine Lieblingsidee von Schleinitz , von der er niemals abzubringen gewesen ist. Die Verhandlungen resp. Besänftigungsversuche scheinen sich lange hingezogen zu haben, bis eben, wie angedeutet, Röntgen schroffe Saiten aufzog, die dann zum Bruche führten. 234