Richter final
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Mannesalter sich zurückzuziehen vermochte, um seine Tage in Wohlleben<br />
zu verbringen, ist eben eine Ausnahme.<br />
Verheiratet war Röntgen mit der Tochter des langjährigen Orchestermitglieds<br />
Moritz Klengel . Ob sie identisch ist mit jener Nanny<br />
Klengel , die als kleines Kind schon im Jahre 1829 und 1830 in Extrakonzerten<br />
im Gewandhaus aufgetreten ist, vermag ich nicht anzugeben,<br />
da ich in Nachschlagewerken nichts darüber gefunden habe,<br />
und ein Brief von Herrn Professor Julius Klengel , ihrem Neffen, in<br />
welchem ich ihn um Auskunft über die genealogischen Verhältnisse<br />
der Familie Klengel bat, nicht beantwortet worden ist.<br />
Beider Sohn, Julius Röntgen (geb. 1855), war ein Wunderkind.<br />
Seine Mutter war natürlich sehr stolz auf ihn und führte ihn in allen<br />
musikalischen Kreisen ein; so kam er auch eines Tages als kleiner<br />
Knabe zu uns. Es war erstaunlich, was er in so jugendlichem Alter<br />
leistete, als Klavierspieler sowohl als als Komponist. Allerdings hat er<br />
sich in letzterer Eigenschaft nicht so entwickelt, wie man am Anfang<br />
annahm: Es fehlte ihm eben trotz seiner Frühreife an Originalität.<br />
Dafür hat er aber ein köstlicheres Gut eingetauscht, nämlich daß<br />
er seine Frühreife nicht wie viele Wunderkinder mit einem langen<br />
Siechtum oder baldigen Tod hat bezahlen müssen. Schließlich ist<br />
auch das, was er als Komponist geleistet hat, ehrbar und erhebt sich<br />
über den Durchschnitt; es sind nur allerdings meist mehr kleinere<br />
Sachen, namentlich Klavierstücke, von ihm bekannt geworden, doch<br />
soll er sich auch in größeren Formen versucht, eine Sinfonie, Klavierkonzert,<br />
Chorwerke und andere Sachen komponiert haben, von<br />
denen man aber, wie das so zu gehen pflegt, in Deutschland wenigstens,<br />
wenig Notiz genommen hat.<br />
Schon als Jüngling ging er nach Amsterdam, wo er als Pianist und<br />
Lehrer für sein Instrument, früher auch als Dirigent tätig gewesen ist.<br />
Es ist schade, daß er nicht in Leipzig geblieben ist. In der musikalischen<br />
Atmosphäre dieser Stadt würde er sich doch möglicherweise<br />
auch als Komponist ganz anders entwickelt haben als bei unseren<br />
kalten Wettern am nebligen Nordseestrande. Allerdings hätte er sich<br />
dann auch etwas von den im elterlichen Hause stark vorhandenen<br />
Vorurteilen befreien müssen. Über Schumann ist man daselbst früher<br />
nicht hinaus gekommen, doch scheint man sich später wenigstens zu<br />
Brahms einigermaßen bekehrt zu haben. Wagner gegenüber – von<br />
Liszt wollte man erst recht nichts wissen – nahm Vater Röntgen die<br />
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