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100 Fragen und Antworten zum Russland-Geschäft

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<strong>Russland</strong> 2013 | <strong>100</strong> <strong>Fragen</strong> <strong>und</strong> <strong>Antworten</strong>Dafür hat man in <strong>Russland</strong> ein einfaches Steuersystem. Es ist alsonie schwarz oder weiß.OWC: Die Europäische Union bemüht sich intensiv um eineDiversifizierung der Gaslieferungen, Energiekommissar Oettingerwill vor allem den Anteil russischen Gases an den Importenverringern. Wintershall dagegen beteiligt sich am weiteren Ausbauder Infrastruktur für russische Gaslieferungen nach Europa.Was macht Sie so sicher, dass russisches Gasweiter eine so große Rolle in Europa spielenwird wie bisher? Mehren: Wir investieren in <strong>Russland</strong>, weilwir sicher sind, dass der Importbedarf anGas in Europa weiter wachsen wird. Das hatzwei Gründe. Wir sehen ein – wenn auchlangsames – Wachstum über die nächstenJahre. Wir sehen aber auch einen Rückgangder Eigenproduktion in Europa – in Großbritannien,den Niederlanden <strong>und</strong> in Deutschland. Und der mussersetzt werden. Hier befindet sich <strong>Russland</strong> in einer guten Position,weil nah am europäischen Markt. Mehren: Ja, denn dort haben wir durch die merkwürdige Vorgabeder EU die Situation, dass 50 Prozent einer Pipeline, diemehrere H<strong>und</strong>ert Millionen Euro gekostet hat, nicht genutztwerden. Es gibt außer Gazprom keinen zweiten Abnehmer, <strong>und</strong>mir ist nicht ganz klar, welchen Vorteil der europäische Gasmarktdavon hat, dass solche Kapazitäten nicht genutzt werden. Manmöchte meinen: Je mehr Gas auf den Markt kommt, desto bessersollte das für den Verbraucher sein. Ich kann gut nachvollziehen,dass unsere russischen Partner über diesenSachverhalt verärgert sind.„Es macht nichtimmer Freude, wenndie Giftpfeile hin<strong>und</strong>herfliegen.“OWC: Wie geht es mit South Stream voran?Auch hier ist Ihr Unternehmen beteiligt. Mehren: Wir sind im Zeitstrahl. Die Gesellschaftetabliert sich, um das Projekt voranzutreiben.Ende Mai wurde das neue Büroin Amsterdam eröffnet. Wir bereiten geradedie Tender für die ersten großen Gewerkevor, die im Herbst auf den Markt kommen. Und im Bereich Genehmigungswesenwerden die ersten Anträge gestellt <strong>und</strong> Modifizierungenvorgenommen.Das UnternehmenWintershall, Kassel, eine <strong>100</strong>-prozentige BASF-Tochter, ist dergrößte deutsche Erdöl- <strong>und</strong> Erdgasproduzent. Mit mehr als2.000 Mitarbeitern sucht <strong>und</strong> fördert das Unternehmen Erdöl<strong>und</strong> Erdgas in Europa, Nordafrika, Südamerika, <strong>Russland</strong> <strong>und</strong> amKaspischen Meer sowie im Mittleren Osten.Mit Gazprom arbeitet Wintershall seit über 20 Jahren in verschiedenenJoint Ventures in Westsibirien <strong>und</strong> in der RegionWolgograd zusammen. Größte gemeinsame Förderstätte ist dieAchimov-Formation in Westsibirien. Im vergangenen Jahr vereinbartenGazprom <strong>und</strong> die BASF einen Asset Swap. Ende Junigenehmigte der B<strong>und</strong> das Milliarden schwere Tauschgeschäft.Die Zusage der EU steht noch aus.OWC: Sie rechnen also nicht damit, dass Fracking in Europa zurhöheren Eigenversorgung mit Gas führen wird? Mehren: Zuallererst wünschen wir uns, dass die Diskussion sachlichgeführt wird, dass man nämlich unterscheidet zwischenFracking als Stimulation für konventionelle Gasvorkommen <strong>und</strong>Fracking als Stimulationstechnologie für unkonventionelle Gasvorkommen,also Schiefergas. Beides wird häufig in einen Topfgeworfen. Das führt dazu, dass wir konventionelle Felder, die wirbis vor wenigen Jahren noch entwickeln konnten – nämlich mitder Fracking-Technologie – jetzt brach liegen lassen, weil wir ineinem konkreten Fall seit Monaten auf eine Genehmigung warten.Wir brauchen Klarheit, dass diese Technologie weiter angewendetwerden kann, ansonsten werden wir in Deutschlandsehr schnell mindestens zehn <strong>und</strong> mehr Prozent der heimischenFörderung verlieren. Die Situation ist wenig verständlich: Auf dereinen Seite will man die Abhängigkeit von <strong>Russland</strong> verringern,auf der anderen Seite hält man die eigene Förderung klein.Natürlich möchte Wintershall auch in der Erforschung der Technologieim unkonventionellen Bereich mitarbeiten. Wir solltenFracking nicht von vornherein verteufeln, sondern uns die Möglichkeitenerst einmal ansehen. Ich kann nicht sagen, ob das entsprechendeSchiefergaspotenzial in Deutschland vorhandenist, aber ich wäre gern in der Lage, das beurteilen zu können –gemeinsam mit Hochschulen <strong>und</strong> Instituten.OWC: Wintershall ist Miteigentümer der Nord Stream <strong>und</strong> derAnschlussleitung OPAL, die wegen der Wettbewerbsregeln inder Europäischen Union momentan nur zur Hälfte gefüllt werdenkann. Besorgt Sie das?OWC: EU-Kommissar Oettinger will nicht noch mehr russischesGas in Europa. Mehren: Es fällt mir schwer, der Argumentation zu folgen.Europa ist ja bereits diversifiziert. Wir haben 30 Prozent russischesGas, 25 Prozent norwegisches Gas, eine signifikante Eigenproduktion,<strong>und</strong> zehn Prozent Flüssiggas. Wir bekommen sogar Gasaus Nordafrika. Wir hängen in der EU ja eben nicht ausschließlichvon russischem Gas ab. Wenn wir weiter diversifizieren wollen,müssen wir zuallererst schauen, wo Gas ist. Turkmenistan hatGas, aber die Eigentümer haben sich noch nicht entschieden,wohin sie dieses Gas bringen wollen. Wenn man die ursprünglicheNabucco-Route, die es ja jetzt nicht geben wird, weiterdenkt,dann könnte man über die Türkei aus dem Irak Gas beziehen. Dortgibt es aber noch keine Infrastruktur – von den politischen Unsicherheitenganz abgesehen.OWC: Wie entwickelt sich Ihr Engagement am Kaspischen Meer? Mehren: Wir waren in Turkmenistan mit unseren Offshore-Explorationsbohrungenleider nicht erfolgreich. Wir haben weiterhinein Büro in Turkmenistan <strong>und</strong> schauen uns in der Region um, obsich hier Möglichkeiten ergeben. Das ist kein leichtes Terrain, esgibt relativ wenige Felder, die von Interesse sind. Im KaspischenMeer stößt man schnell auf Grenzstreitigkeiten.OWC: Um deutsche Autokonzerne siedeln sich in <strong>Russland</strong> mehr<strong>und</strong> mehr Zulieferunternehmen aus Deutschland an, unter ihnenauch Mittelständler. Bringt auch ein Öl- <strong>und</strong> Gaskonzern wie Wintershalldeutsche Mittelständler nach <strong>Russland</strong>? Mehren: In unserer Industrie gibt es eine ganze Reihe von mittelständischenUnternehmen, die Bohrköpfe herstellen, Bohrtechnikenentwickeln oder im Projektmanagementbereichunterwegs sind. Sie tun sich aber noch schwer mit den Rahmenbedingungenin <strong>Russland</strong> – Bürokratie <strong>und</strong> Sicherheit von Genehmigungensind ein Thema. Da muss <strong>Russland</strong> besser werden, ummehr Unternehmen anzulocken.Insgesamt sind die ausländischen Investitionen in <strong>Russland</strong> gutsichtbar. Allein die Wintershall wird in den nächsten Jahren imRahmen ihrer Joint Ventures mehrere Millionen Euro investieren.Es gibt große Investitionen von Rosneft, Exxon in der Barentsseeoder Gazprom auf Jamal.Um so trauriger, dass wir auf der politischen Ebene den Eindruckhaben, dass man eher auf Konfrontation als auf Kooperationsetzt. Das sieht in der Wirtschaft ganz anders aus, hier besteht derWunsch auf beiden Seiten, noch stärker zu kooperieren. Und dasmacht dann nicht immer Freude, wenn auf der übergeordnetenEbene die Giftpfeile hin- <strong>und</strong> herfliegen.OWC: Vielen Dank für das Gespräch.Das Interview führte Jutta Falkner.42Ost-West-Contact7/2013 | Special <strong>Russland</strong>

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