Film nach dem Film - Syberberg
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geistesgeschichte des 19. und 20. jahrhunderts auf spektakuläre Weise vorzufüh-<br />
ren, oder dann mit edith Clever ein Medium für eine neue ästhetische Form gefun-<br />
den, ist es jetzt die geschichte seines hauses, die den raum für seine rhizomartige<br />
erzählung vorgibt.<br />
Wie in den <strong>Film</strong>en davor konfrontiert syberberg den betrachter mit einem Kosmos<br />
von bildern, Zitaten und Verweisen. Wirklichkeit und Imagination, geschichte<br />
und geschichten, allgemeines und Persönliches, anfang und ende entfalten sich<br />
in seinem „Onlinefilm“ zu einem poetisch-geheimnisvollen gesamtkunstwerk. In<br />
der gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, <strong>dem</strong> Ineinanderfließen von gestern,<br />
heute und Morgen von der eigenen Kindheit über ludwigs Märchenschlösser,<br />
Wagners Kunstträume und die Kriegsruinen Deutschlands bis hin zum Wiederaufbau<br />
von nossendorf spiegelt sich die mythische Welt im menschlichen schicksal<br />
wider. Mehrdeutigkeit, auch rätselhaftigkeit sind Teil des Prozesses, dessen<br />
resultat freilich uneindeutig bleibt. Dennoch bietet syberbergs „Onlinefilm“ eine<br />
gewisse struktur, eine Kapiteleinteilung, die neben <strong>dem</strong> Tagebuch ausschnitte und<br />
bildhafte beschreibungen aller <strong>Film</strong>e, notizen zu ausstellungen, Kritiken, Texte<br />
und biografische eintragungen enthält.<br />
1953, als 17-jähriger schüler, erhielt syberberg gelegenheit, am berliner ensemble<br />
bertolt brechts Proben und aufführungen mit einer 8-mm-amateurstummfilmkamera<br />
zu filmen. Die frühe begegnung mit brecht sollte sein schaffen weitgehend<br />
beeinflussen, denn „<strong>nach</strong> brecht“, so syberberg, „war ich gegenüber jedweder<br />
dramatischen Ästhetik vergiftet“. neben brecht war es vor allem richard Wagner<br />
– seine auffassung von Kunst, sein sendungsbewusstsein und sinn für das grandiose<br />
–, der zum brennpunkt einer zehnjährigen auseinandersetzung wurde. In<br />
der Dualität von brecht und Wagner besteht jener „ästhetische skandal“, der in<br />
syberbergs deutscher Trilogie, besonders in Ludwig – Requiem für einen jungfräu-<br />
lichen König und Hitler, ein <strong>Film</strong> aus Deutschland, deutlich wird.<br />
Die konstante Präsenz des Komponisten zeigt sich auch in <strong>dem</strong> vierstündigen Do-<br />
kumentarfilm über Winifred Wagner, findet aber in der eigenwilligen und ästhetisch<br />
radikalen Verfilmung von Parsifal ihre „apotheose“. syberberg vergrößert Wagners<br />
Totenmaske ins riesenhafte, macht sie zum alleinigen schauplatz der handlung,<br />
die edith Clever in der rolle der Kundry überragt. Dennoch ist Parsifal weder