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„Aus den Augen, aus dem Sinn?!“ - Landesjugendring Baden ...

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<strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong><br />

Wege der Tabakprävention und des Nichtraucherschutzes<br />

in der Jugendarbeit<br />

Tagung, Freitag, 11. Juli 2008 in Stuttgart


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort Seite 2<br />

1. Tagungsablauf Seite 3<br />

2. Vortrag: Warum rauchen Jugendliche (nicht)? Seite 4<br />

Walter Farke<br />

3. Vortrag und Workshop: „Willst du auch keine?<strong>“</strong> – Seite 11<br />

Programm zur Raucherentwöhnung bei Jugendlichen<br />

Martin Heyn<br />

4. Vortrag: Wer darf wo (nicht)? – Seite 14<br />

Die gesetzlichen Regelungen zum Jugendschutz und zum Nichtraucherschutz<br />

Gerald Engasser<br />

5. Workshop: „Draußen vor der Tür<strong>“</strong> – Seite 18<br />

Motivierende Gesprächsführung mit jugendlichen RaucherInnen<br />

Rupert Duerdoth<br />

6. Workshop: Come to Marlboro-Country?! – Seite 22<br />

Umgang mit (Nicht-)Rauchen auf Freizeiten.<br />

Metho<strong>den</strong> zur Auseinandersetzung im Team und bei Gruppenleiterkursen<br />

Thomas Engelhardt<br />

7. Information: Mädchen SUCHT Junge – Seite 26<br />

Ein interaktives Ding in Sachen Sucht<br />

Susanne Keefer<br />

8. Anhang Seite 29<br />

a. Workshop: Come to Marlboro-Country?!<br />

Metho<strong>den</strong> Rollenspiel und Fragebogen<br />

Impressum<br />

Her<strong>aus</strong>geber<br />

<strong>Landesjugendring</strong> Ba<strong>den</strong>-Württemberg e.V.<br />

Siemensstraße 11, 70469 Stuttgart<br />

Tel. 0711/16447-0, Fax 0711/16447-77<br />

Email: info@ljrbw.de<br />

Homepage: www.ljrbw.de<br />

Inhaltliche Zusammenstellung<br />

Andrea Schlüter<br />

Redaktion<br />

Irene L. Bär, Andrea Schlüter<br />

V.i.S.d.P.<br />

Isabel Hoever<br />

Stuttgart, Oktober 2008<br />

Die Fachtagung und die Dokumentation wur<strong>den</strong> gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Arbeit und<br />

Soziales Ba<strong>den</strong>-Württemberg.<br />

1


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Vorwort<br />

Seit 2007 gibt es aufgrund veränderter gesetzlicher Regelungen in verschie<strong>den</strong>en Lebensbereichen<br />

Rauchverbote sowie Maßnahmen zur Förderung des Nichtraucherschutzes. Das Landesnichtraucherschutzgesetz<br />

(LNRSG), das vor <strong>den</strong> Gefahren des Passivrauchens schützen will, betrifft auch die<br />

Einrichtungen der Jugendarbeit: Seit 1. August 2007 ist in Ba<strong>den</strong>-Württemberg das Rauchen in<br />

Jugendhäusern untersagt. Außer<strong>dem</strong> dürfen Jugendliche vor <strong>dem</strong> 18. Lebensjahr seit <strong>dem</strong> 1. September in<br />

der Öffentlichkeit nicht mehr rauchen. Diese Änderung des Jugendschutzgesetzes betrifft sowohl die<br />

verbandliche als auch die offene Jugendarbeit.<br />

Laut Aussage des Sozialministeriums vom 30.09.08 wird das Landesnichtraucherschutzgesetz in nächster<br />

Zeit novelliert, die Regelungen für <strong>den</strong> Bereich der Jugendarbeit und damit die Notwendigkeit, sich<br />

weiterhin pädagogisch mit diesem Thema zu befassen, bleiben aber weiterhin bestehen.<br />

Gesetzliche Vorgaben setzten klare Grenzen, bewirken allerdings nicht automatisch, dass Jugendliche<br />

weniger rauchen oder gar ganz aufhören, und die Umsetzung im Alltag verläuft auch nicht immer völlig<br />

konfliktfrei. Wie stellt sich die Situation in <strong>den</strong> Jugendhäusern heute dar? Sind Projekte zur<br />

Suchtprävention <strong>dem</strong> Verbot „zum Opfer gefallen<strong>“</strong>? Wie wer<strong>den</strong> die Regelungen in Angeboten der<br />

Jugendverbände sowie auf Freizeiten und in Zeltlagern umgesetzt?<br />

Die Idee einen Fachtag zum Thema Nichtrauchen durchzuführen geht zurück auf einen Vorschlag des<br />

<strong>Landesjugendring</strong>s, die Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes im Bereich der Jugendarbeit<br />

pädagogisch zu begleiten 1 .<br />

Ziel der Fachtagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> war es, über die Motive des Tabakkonsums von<br />

Kindern und Jugendlichen zu informieren sowie praxisorientierte Möglichkeiten der Tabakprävention<br />

aufzeigen. Die Ergebnisse <strong>aus</strong> der Fachtagung sind in dieser Dokumentation zusammengefasst. Wir<br />

möchten damit weitere Impulse für die Jugendarbeit aufzeigen und geben.<br />

Viele Anregungen wünschen<br />

Aktion Jugendschutz Ba<strong>den</strong>-Württemberg<br />

Arbeitsgemeinschaft der Jugendfreizeitstätten Ba<strong>den</strong>-Württemberg e.V.<br />

<strong>Landesjugendring</strong> Ba<strong>den</strong>-Württemberg e.V.<br />

1Pressemitteilung des <strong>Landesjugendring</strong>s vom 24. Juli 2007<br />

2


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

1. Tagungsablauf<br />

10.00 Uhr Begrüßung<br />

10.25 Uhr Warum rauchen Jugendliche (nicht)?<br />

Ursachen und Hintergründe<br />

Walter Farke<br />

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Hamm<br />

11.45 Uhr „Willst Du auch keine?<strong>“</strong><br />

Programm zur Raucherentwöhnung bei Jugendlichen<br />

Martin Heyn<br />

Kompetenzzentrum für Gesundheit, Ernährung und<br />

Verbraucherschutz Würzburg<br />

12.30 Uhr Mittagessen<br />

13.30 Uhr Wer darf wo (nicht)?<br />

Die gesetzlichen Regelungen zum Jugendschutz und<br />

Nichtraucherschutz<br />

Gerald Engasser<br />

Ministerium für Arbeit und Soziales Ba<strong>den</strong>-Württemberg<br />

14.15 Uhr Workshops<br />

16.30 Uhr Ausblick<br />

1. Erfolgreiche Raucherentwöhnung bei Jugendlichen<br />

Martin Heyn<br />

Kompetenzzentrum für Gesundheit, Ernährung und<br />

Verbraucherschutz Würzburg<br />

2. Draußen vor der Tür<br />

Motivierende Gesprächsführung mit jugendlichen<br />

Raucherinnen und Rauchern<br />

Rupert Duerdoth<br />

Aktion Jugendschutz, Landesstelle Bayern<br />

3. Come to Marlboro-Country?<br />

Umgang mit (Nicht-)Rauchen auf Freizeiten.<br />

Metho<strong>den</strong> zur Auseinandersetzung im Team und bei Gruppenleiterkursen.<br />

Thomas Engelhardt<br />

Katholische Studierende Jugend Freiburg<br />

3


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

2. Vortrag: Warum Rauchen Jugendliche (nicht)?<br />

Referent: Walter Farke, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)<br />

Walter Farke & Wolfgang Settertobulte<br />

Zunächst die gute Nachricht: Im Vergleich zum Jahr 2002, in <strong>dem</strong> die letzte Erhebung der HBSC-Studie 2<br />

(Richter & Settertobulte 2002) stattgefun<strong>den</strong> hat, zeigen die Ergebnisse der aktuellen Erhebung von 2006<br />

einen deutlichen Rückgang der Raucherzahlen unter <strong>den</strong> 11- bis 15-Jährigen. In NRW ging der Anteil<br />

regelmäßig rauchender 13-Jähriger von 13 Prozent um die Hälfte auf 6 Prozent bei Jungen und Mädchen<br />

zurück. Unter <strong>den</strong> 15-Jährigen reduzierte sich der Raucheranteil von 32 Prozent auf heute 22 Prozent bei<br />

<strong>den</strong> Mädchen und 18 Prozent bei <strong>den</strong> Jungen (Nickel et al. 2008) (siehe Abbildung 1).<br />

Prozent<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Die gute Nachricht:<br />

Deutlicher Rückgang der Raten der regelmäßig rauchen<strong>den</strong><br />

13- bis 15-Jährigen<br />

29<br />

Mädchen<br />

Jungen<br />

21<br />

9<br />

Mädchen<br />

Jungen<br />

8<br />

33<br />

27<br />

14<br />

13<br />

15-Jährige<br />

13-Jährige<br />

12<br />

32<br />

1994 1998 2002 2006<br />

14<br />

Abbildung 1: Entwicklung des Tabakkonsums von 1994 - 2006 in NRW (Nickel et al. 2008)<br />

Gesundheitsexperten sind sich darüber einig, dass die Ursachen für diesen Rückgang auf verschie<strong>den</strong>e<br />

verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen zurückzuführen sind, die in der nachfolgen<strong>den</strong> Tabelle<br />

aufgeführt sind (siehe Tabelle 1). Demnach haben zum Beispiel die massiven Steuererhöhungen und die<br />

Ausweitung des Nichtraucherschutzes dazu geführt, dass immer weniger Jugendliche zur Zigarette greifen.<br />

Denn Jugendliche reagieren besonders sensibel auf eine Preiserhöhung, da sie nur begrenzt finanzielle<br />

Ressourcen zur Verfügung haben.<br />

2 Die Studie <strong>“</strong>Health Behavior in School-Children” (HBSC) ist ein kooperatives Forschungsprojekt, der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ziel der Studie ist es, zu einem erweiterten Verständnis gesundheitsbezogener<br />

Einstellungen und Verhaltensweisen junger Menschen beizutragen und die Bedingungen ihrer Entwicklung zu<br />

untersuchen. Das Thema Risikoverhalten und Substanzgebrauch nimmt in dieser Studie einen großen Stellenwert ein.<br />

Seit 1982 plant und koordiniert die HBSC Organisation in vierjährigem Turnus Datenerhebungen in einer ständig<br />

wachsen<strong>den</strong> Zahl von Ländern. Die Durchführung der nationalen Studien obliegt dabei <strong>aus</strong>gewählten<br />

Forschungsteams <strong>aus</strong> <strong>den</strong> einzelnen Mitgliedsländern nach festgelegten Richtlinien für die Stichproben<strong>aus</strong>wahl, die<br />

methodische Durchführung und die Aufbereitung der Daten. Die Erhebungen erfolgen mittels eines international<br />

standardisierten Fragebogens, der in die jeweiligen Sprachen übersetzt wird. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche<br />

im Alter von 11 bis 15 Jahren in einer repräsentativen Auswahl von Schulen.<br />

22<br />

18<br />

6<br />

4


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Ursachen des Rückgangs<br />

• drastische Erhöhung der Tabaksteuer<br />

• Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen, Gastronomie, etc.<br />

• Präventionskampagnen<br />

• Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Klimas gegenüber Rauchen<br />

• verhaltenspräventive Maßnahmen auf individueller Ebene<br />

• abnehmender Einfluss der Tabaklobby auf politische Entscheidungsträger<br />

Tabelle 1: Ursachen der Reduzierung des Tabakkonsums bei Jugendlichen<br />

Fakt ist jedoch immer noch: Unter <strong>den</strong> Jugendlichen <strong>aus</strong> sozial benachteiligten Familien gibt es deutlich<br />

mehr RaucherInnen, HauptschülerInnen rauchen deutlich häufiger und mehr als die SchülerInnen, die<br />

einen höheren Bildungsabschluss erwarten können. Offenbar profitieren die sozial benachteiligten und<br />

„bildungsfernen<strong>“</strong> Jugendlichen in einem wesentlich geringeren Maße von Prävention, Jugendschutz und<br />

anderen politischen Maßnahmen zur Tabakkonsumreduktion. Zwei Aspekte sind wahrscheinlich für diese<br />

Diskrepanz verantwortlich. Zum einen ist nach wie vor das Milieu, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> die Jugendlichen stammen<br />

weitgehend verhaltensprägend. Das Modell der Eltern, die subtile Unterstützung des Rauchens durch die<br />

Eltern und die soziale Umgebung legen das Rauchen nahe und verhindern <strong>den</strong> Ausstieg. Zum Zweiten ist<br />

die Entscheidung für oder gegen das Rauchen nicht zuletzt auch durch das Verhältnis zum eigenen Körper<br />

und Erwartungen bezüglich seiner Leistungsfähigkeit beeinflusst. Spielt Leistungsfähigkeit (Sport, Beruf)<br />

eine untergeordnete Rolle, fällt die Entscheidung für das Rauchen leichter. Auch wenn vieles dafür spricht,<br />

dass die deutlich reduzierten Raucherzahlen ein Erfolg der Prävention und restriktiver Tabakpolitik ist, so<br />

ist es nicht <strong>aus</strong>zuschließen, dass eine neue Generation von Jugendlichen mit höherer Leistungsmotivation<br />

von sich <strong>aus</strong> eine Abkehr vom Rauchen vollzieht.<br />

Suchtentwicklung bei Jugendlichen<br />

Die Frage warum Jugendliche rauchen, lässt sich leicht beantworten: Jugendliche rauchen, weil sie recht<br />

schnell eine körperliche und psychische Abhängigkeit entwickeln (Kandel et al. 2007, DiFranza et al.<br />

2007). Die Zahlen der HBSC-Studie unterstützen diese Befunde. Während unter <strong>den</strong> „Anfängern<strong>“</strong>, <strong>den</strong> 11-<br />

Jährigen kaum ein regelmäßiges Rauchen zu beobachten ist, überwiegt bei 13- und 15-Jährigen bereits der<br />

Anteil regelmäßiger (und damit wahrscheinlich bereits süchtiger) Raucher. Das Verhältnis von<br />

Gelegenheitsrauchern und regelmäßigen Rauchern ist unter <strong>den</strong> 13-Jährigen 4:7 bei <strong>den</strong> Mädchen und 3:5<br />

bei <strong>den</strong> Jungen. Bei <strong>den</strong> 15-Jährigen liegt dieses Verhältnis für beide Geschlechter bei 1:3 (siehe Abbildung<br />

2).<br />

Viele Jugendliche rauchen,<br />

weil sie bereits eine Tabakabhängigkeit entwickelt haben:<br />

15-Jährige<br />

13-Jährige<br />

11-Jährige<br />

3,4<br />

4<br />

6,1<br />

0,6<br />

1,7 0,4<br />

0,5<br />

1 0,1<br />

Aktuelle Ergebnisse der HBSC Studie 2006 in NRW<br />

7,1<br />

2,1<br />

2,6<br />

3,3<br />

3,6<br />

4,2<br />

6<br />

Jungen<br />

Mädchen<br />

Jungen<br />

13,3<br />

Mädchen<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

weniger als 1mal/Woche wöchentlich aber nicht täglich täglich<br />

16,4<br />

Jungen<br />

Mädchen<br />

Abbildung 2: Anteil tabakabhängiger Jugendlicher unterschiedlichen Alters (HBSC 2006)<br />

5


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Warum beginnen Jugendliche mit <strong>dem</strong> Rauchen?<br />

Zu dieser Frage gibt es vor allem <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> englischen Sprachraum einige Veröffentlichungen. Sie haben<br />

jedoch in der Regel nicht längsschnittlich untersucht und können daher kaum echte Entwicklungsverläufe<br />

darstellen. Seit vielen Jahren gilt in der Forschung jedoch nahezu unbestritten die These, dass sich die<br />

Wahrscheinlichkeit zur Entstehung des individuellen Tabakkonsums <strong>aus</strong> einer lerngeschichtlichen Folge<br />

von Einflüssen und Erfahrungen ergibt, die gemeinhin als die Rauchersozialisation bezeichnet wer<strong>den</strong>.<br />

Dies ist im Folgen<strong>den</strong> als Übersicht dargestellt:<br />

Der Prozess der Rauchersozialisation:<br />

2-6 Jahre Imitation des Elternverhaltens (Modelllernen)<br />

Umweltverarbeitung im Rollenspiel<br />

Aufbau eines latenten Verhaltensrepertoires<br />

7-11 Jahre Probieren echter Substanzen (Neugier)<br />

Erlernen der Ursache-Wirkungsbeziehungen<br />

Erwerb gesundheitsrelevanter Einstellungen<br />

Aufbau des Konsumverhaltens<br />

Pubertät steigende Bedeutung der Gleichaltrigen<br />

Gruppenprozesse (Mutproben, Konformitätsdruck)<br />

Symbolisches Erwachsenenverhalten<br />

13-16 Jahre I<strong>den</strong>titätssuche (Symbolische Selbstdarstellung)<br />

Erlernen des Umgangs mit psychoaktiven Substanzen (Funktionalisierung des Konsums)<br />

Danach: Rauchen als Mittel der Selbstregulation<br />

Rauchen beginnt mit <strong>dem</strong> neugierigen Ausprobieren, verbun<strong>den</strong> mit einer vagen Vorstellung über die<br />

physiologischen, psychologischen und sozialen Wirkungen des Rauchens, die sich <strong>aus</strong> <strong>den</strong><br />

Beobachtungen bei Eltern, anderen Erwachsenen und Jugendlichen ergeben. Sind im Zuge des Probierens<br />

eigene Erfahrungen vorhan<strong>den</strong>, wird der Konsum meist recht schnell funktionalisiert. Dazu sind <strong>dem</strong><br />

Rauchen (sub-)kulturell verschie<strong>den</strong>e Eigenschaften und Funktionen zugeschrieben, die sich mit der Zeit<br />

wandeln, welche sich aber vor allem die Tabakwerbung zu Nutze macht. Diese wer<strong>den</strong> ergänzt durch<br />

individuelle physische Erfahrungen, die zu einer eigenständigen Funktionalisierung des Rauchens führen.<br />

Dies kann etwa Entspannung und Stressbewältigung, Hungerbekämpfung beim Gewichthalten,<br />

Erleichterung sozialer Spannungen oder einfach die „legitime<strong>“</strong> P<strong>aus</strong>en sein. Mit zunehmender<br />

Nikotinsucht wird diese Funktion des Rauchens sukzessive generalisiert, so dass das anfänglich situative<br />

Rauchverhalten zunehmend zu einem generellen Verhalten wird. Im Zuge dieses Prozesses empfin<strong>den</strong><br />

Raucher zunehmend, dass das Rauchen Teil ihres allgemeinen Habitus und damit Teil ihrer Persönlichkeit<br />

gewor<strong>den</strong> ist. Je früher mit <strong>dem</strong> Rauchen begonnen wird, umso stärker ist wahrscheinlich die Bindung<br />

zwischen Rauchverhalten und Persönlichkeit (bzw. I<strong>den</strong>tität).<br />

Pubertät und Rauchen<br />

Das durchschnittliche Einstiegsalter bei 15-jährigen Rauchern, liegt zurzeit für Jungen und Mädchen bei<br />

12,8 Jahren. Damit müssen wir feststellen, dass sich das Einstiegsalter zum ersten Mal seit<strong>dem</strong> die HBSC-<br />

Studie in Deutschland das Gesundheitsverhalten junger Menschen beobachtet, wieder ansteigt. Noch<br />

2002 wurde ein durchschnittliches Einstiegsalter von 12,0 Jahren ermittelt.<br />

Jungen greifen dabei im Durchschnitt nach wie vor etwas früher zur Zigarette als Mädchen. Das frühere<br />

Einstiegsalter der Jungen wird statistisch jedoch begleitet durch eine größere mittlere Abweichung von<br />

diesem Mittelwert. Dies deutet darauf hin, dass einige wenige Jungen bereits sehr früh mit <strong>dem</strong> Rauchen<br />

beginnen, andere dafür eher spät. Dagegen beginnen Mädchen zum überwiegen<strong>den</strong> Teil etwa zum<br />

gleichen Alterszeitpunkt, nämlich kurz vor <strong>dem</strong> Beginn der körperlichen Pubertät mit <strong>dem</strong> Rauchen<br />

(Richter & Settertobulte 2003).<br />

Versuche, <strong>den</strong> Einstieg in <strong>den</strong> Substanzkonsum (Tabak und Alkohol) in einen statistischen Zusammenhang<br />

mit der körperlichen Pubertätsentwicklung zu bringen, scheitern jedoch weitgehend. Es scheint vielmehr<br />

eine Art „sozialer<strong>“</strong> Pubertät zu sein, die in bestimmten Fällen <strong>den</strong> Beginn des Rauchens <strong>aus</strong>löst.<br />

Grundsätzlich ist aber davon <strong>aus</strong>zugehen, dass in der überwiegen<strong>den</strong> Zahl der Fälle ein Suchtverhalten im<br />

6


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Verlauf der Pubertät angelegt wird. Neben der akzelerierten körperlichen Entwicklung hat sich auch der<br />

kulturell vermittelte Übergang vom Kindes- zum Jugendalter vorverlagert. Junge Mensche streben heute<br />

wesentlich früher nach einer erwachsenen I<strong>den</strong>tität. Dies lässt sich an einem früher entstehen<strong>den</strong> Streben<br />

nach Selbstständigkeit und <strong>dem</strong> Wunsch nach Symbolen des Erwachsenseins feststellen. Zu diesen<br />

Symbolen gehört das Rauchen.<br />

Rauchen taugt deshalb als Symbol der Selbstdarstellung, weil dieses Verhalten eine spezifische (sub-)<br />

kulturelle Prägung erfahren hat, die einerseits im alltäglichen sozialen Umfeld (Milieu) der jungen<br />

Menschen kommuniziert und tradiert wird, andererseits aber auch durch die Tabakwerbung geformt wird.<br />

Werbung schafft hier keine Vorbilder, sondern macht sich aktuelle modische Attribute des Lebensstils der<br />

Zielgruppe zueigen, um diese mit der Zigarette assoziativ zu verknüpfen. Rauchen symbolisiert so<br />

attraktive Eigenschaften wie etwa „erwachsen sein<strong>“</strong>, „Erfahrungen haben<strong>“</strong>, „schlank sein<strong>“</strong>, „beliebt sein<strong>“</strong>,<br />

„witzig sein<strong>“</strong> oder „cool sein<strong>“</strong>. Viele jugendliche Raucher geben diese Attribute an, wenn man sie fragt, wie<br />

sie gern sein möchten.<br />

Rauchen ist also zunächst ein Mittel (Symbol) der Kommunikation. Symbolische Kommunikation ist für<br />

junge Menschen beim Übergang vom Kind zum Erwachsenen besonders wichtig, weil dies die einfachste<br />

Art ist, Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und der I<strong>den</strong>tität nonverbal <strong>aus</strong>zudrücken. Das Ziel ist,<br />

so schnell wie möglich als junger Erwachsener wahrgenommen zu wer<strong>den</strong>. Den Prozess symbolischer<br />

Kommunikation im Verlauf der Pubertät kann man sich etwa so vorstellen: Die Wahrnehmung körperlicher<br />

Veränderungen führt zum Wunsch nach neuer Selbstdefinition (I<strong>den</strong>tität). Dies beinhaltet die Suche nach<br />

geeigneten Vorbildern der I<strong>den</strong>tität und das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen und Rollen. Dies geht in<br />

diesem Alter eigentlich nur durch das Verwen<strong>den</strong> von Symbolen des Erwachsenseins. Für dieses<br />

Mitteilungsbedürfnis braucht es ein geeignetes Publikum. Man kommuniziert also mit Eltern und<br />

Gleichaltrigen (siehe Abbildung 3).<br />

Wahrnehmung körperlicher Veränderungen<br />

Wunsch nach neuer Selbstdefinition (I<strong>den</strong>tität)<br />

Suche nach geeigneten Vorbildern der I<strong>den</strong>tität<br />

Ausprobieren neuer Verhaltensweisen und Rollen +<br />

Verwen<strong>den</strong> von Symbolen (des Erwachsenseins)<br />

Suche nach einem Publikum:<br />

Kommunikation mit Eltern und Gleichaltrigen<br />

Abbildung 3: Prozess symbolischer Kommunikation im Verlauf der Pubertät<br />

Oberstes Ziel ist es, Akzeptanz bei anderen zu fin<strong>den</strong> um die eigene I<strong>den</strong>tität zu festigen und<br />

selbstbewusst zu wer<strong>den</strong>. In fortgeschrittenem Jugendalter kann dann die „neue<strong>“</strong> I<strong>den</strong>tität als<br />

Erwachsener <strong>aus</strong>gelebt wer<strong>den</strong>. Je mehr echte Optionen als Erwachsener (z.B. Autofahren, Geld verdienen,<br />

geschäftsfähig sein usw.) vorhan<strong>den</strong> sind, umso weniger Symbole müssen verwendet wer<strong>den</strong>. Häufig<br />

kommt es vor, dass dieser, soeben im Idealfall beschriebene Prozess gestört wird: Dies ist immer dann der<br />

Fall, wenn die Kommunikation mit Eltern und anderen Erwachsenen nicht zur Akzeptanz sondern zur<br />

Ablehnung führt. In diesem Fall wächst die Bedeutung der Gleichaltrigen als relevantes Publikum, die<br />

Clique der Freunde wird zunehmend wichtig, die Empfänglichkeit für Gruppendruck ist sehr hoch und die<br />

Annahme subkultureller Ziele und Attribute wird extrem wahrscheinlich. Ein weiterer Störfall ist auch die<br />

mangelnde Fähigkeit zur Kommunikation durch geringe soziale und kommunikative Kompetenz. Diese<br />

jungen Menschen sind besonders angewiesen auf symbolisches Verhalten, wie etwa das Rauchen<br />

(Abbildung 4).<br />

7


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Ausprobieren neuer Verhaltensweisen<br />

+ Verwen<strong>den</strong> von Symbolen des Erwachsenseins<br />

Suche nach einem Publikum:<br />

Kommunikation mit Eltern und Gleichaltrigen<br />

Keine Akzeptanz<br />

durch die Eltern<br />

und andere<br />

Erwachsene<br />

Hohe Bedeutung<br />

der Gleichaltrigen<br />

und deren<br />

Verhaltenscodices<br />

= Gruppendruck<br />

Mangelnde Fähigkeit<br />

zur Kommunikation<br />

Angewiesen sein<br />

auf symbolisches<br />

Verhalten<br />

(z.B. Rauchen)<br />

Abbildung 4: Störungen des Prozesses der symbolischen Kommunikation<br />

Die Gleichaltrigen<br />

Jugendliche rauchen in der Gruppe mit Gleichaltrigen. Das relative Risiko für das Rauchen erhöht sich bei<br />

15-Jährigen um ein vielfaches wenn die Freunde auch rauchen. Dagegen sind die Einflüsse der Familie in<br />

diesem Alter eher gering:<br />

Rauchende Freunde<br />

Rauchende Schwester<br />

Rauchender Bruder<br />

Rauchender Vater<br />

Rauchende Mutter<br />

Alle Jungen Mädchen<br />

34,2<br />

2,8<br />

2,1<br />

1,3<br />

1,2<br />

34,1<br />

2,5<br />

1,6<br />

2,4<br />

0,9<br />

Tabelle 2: Relatives Risiko (Odds Ratios) regelmäßigen Rauchens bei 15-Jährigen in Beziehung zu<br />

Rauchern im Freundeskreis und in der Familie (Quelle: Paavola, Vartianen & Puska 1996)<br />

Die Freundesgruppe muss eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, um interessant zu sein. So kann man<br />

beobachten, dass sich leistungsorientierte Jugendliche überwiegend in Gruppen zusammenfin<strong>den</strong>, die<br />

Leistung in der Schule oder im Sport anstreben, während Jugendliche, die sich eher Konsum und Parties<br />

interessieren, ebenfalls entsprechende Gleichgesinnte suchen. Ein quasi konstituierendes Element des<br />

Gruppenzusammenhalts bildet also die bisher <strong>aus</strong>geformte I<strong>den</strong>tität. Diese bestimmt auch die<br />

Zugehörigkeit zu einer bestimmten jugendlichen Subkultur. Das individuelle Verhalten wird dabei<br />

entschei<strong>den</strong>d mitbestimmt durch Annahmen darüber, was ein „normales<strong>“</strong> Verhalten in der<br />

entsprechen<strong>den</strong> Gruppe ist. So gehen Jugendliche mit einer bestimmten subkulturellen Affinität davon<br />

<strong>aus</strong>, dass die meisten vergleichbaren Gleichaltrigen Raucher sind und schließen dar<strong>aus</strong> für sich selbst ein<br />

Erfahrungsdefizit, das es <strong>aus</strong>zugleichen gilt. Das Risiko für <strong>den</strong> Beginn des Zigarettenkonsums steigt<br />

statistisch mit der Häufigkeit der Kontakte zur Gleichaltrigengruppe und damit der Gelegenheit zum<br />

Rauchen. Ebenso steigt das Risiko mit häufigen Kontakten zum anderen Geschlecht, was auf die<br />

symbolische Funktion des Rauchens bei der Selbstdarstellung hinweist. Letztlich entschei<strong>den</strong>d ist aber die<br />

Wahrnehmung, dass der überwiegende Teil der Freunde ebenfalls raucht. Dieser Faktor hat <strong>den</strong> größten<br />

Einfluss auf die Vorhersage jugendlichen Zigarettenkonsums (Settertobulte 2008).<br />

Schule und Rauchen<br />

Es ist wahrscheinlich, dass ein großer Teil der Jugendlichen im Umfeld der Schule zum ersten Mal mit <strong>dem</strong><br />

Rauchen in Berührung kommt. Dies begründet sich durch verschie<strong>den</strong>e Faktoren. So rekrutiert sich der<br />

überwiegende Teil des Freundeskreises <strong>aus</strong> Mitschülern. Der überwiegende Teil der Jugendlichen raucht<br />

im Umfeld der Schule, d. h. vor, nach oder während der täglichen Schulstun<strong>den</strong>. Gerade in der Schule ist<br />

Rauchen meist ein gern gewähltes Hilfsmittel zur Erleichterung sozialer Kontakte und ein besonderes<br />

42,4<br />

3,1<br />

2,9<br />

1,6<br />

0,7<br />

8


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Zeichen für Status und Reife. Die Raucherzonen an Schulen, die im Zuge des allgemeinen Rauchverbots an<br />

Schulen heute weitgehend ersetzt sind durch subversive Orte außerhalb der Schulgelände, sind der<br />

Aufenthaltsort für diejenigen, die als ideale Verhaltensmodelle dienen. Beobachtete man vor <strong>dem</strong><br />

Rauchverbot Schulhöfe, auf <strong>den</strong>en an irgendeiner Ecke sich eine Raucherecke befand, so fiel auf, dass sich<br />

die SchülerInnen in ganz typischer Weise um diese gruppieren. In der Raucherecke befan<strong>den</strong> sich die<br />

älteren SchülerInnen, die viele der angestrebten Ziele der jüngeren Schüler bereits erreicht haben,<br />

zumindest symbolisch. Diese waren im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch nicht rauchende Mitschüler<br />

stan<strong>den</strong> oft dabei und profitierten von dieser Aufmerksamkeit. In unmittelbarer Nähe befan<strong>den</strong> sich meist<br />

die etwas jüngeren SchülerInnen bei <strong>den</strong>en der legale Übergang zur Raucherecke kurz bevorstand. Wie bei<br />

<strong>den</strong> Zwiebelschalen gruppierten sich dann die anderen SchülerInnen um diesen Platz, je jünger umso<br />

weiter entfernt. Durch das schulische Rauchverbot hat sich dies graduell verändert, ist aber immer noch zu<br />

beobachten.<br />

In vielen Schulen genießen Raucher zu<strong>dem</strong> größere Aufmerksamkeit auch von Seiten der Lehrer, sowie<br />

andere ungewollte Vorteile. Ein Beispiel dafür ist etwa eine Rechtfertigung für verlängerte P<strong>aus</strong>en. Das<br />

Umgehen von Rauchverboten sowie die Rechtfertigung in entsprechen<strong>den</strong> Diskussionen um das<br />

Rauchverhalten dokumentiert zu<strong>dem</strong> Eigenständigkeit, Widerstand und schafft Solidarität.<br />

Schulklima und Rauchen<br />

Die Schule erzeugt u. U. auch die psychischen Zustände, gegen die das Rauchen vermeintlich hilft.<br />

Unabhängig von der Schulform rauchen schlechte SchülerInnen häufiger. Stress und Belastungen durch<br />

die Schule sind ebenfalls Faktoren, welche die Wahrscheinlichkeit des Rauchens erhöhen. Verschie<strong>den</strong>e<br />

Studien zum Zusammenhang zwischen Schule und Gesundheit geben Hinweise darauf, dass etwa eine<br />

schlechte Beurteilung der Unterrichtsqualität und Unzufrie<strong>den</strong>heit mit <strong>dem</strong> Unterrichtsstil von Lehrkräften<br />

sowie sozialer Stress im Klassenverband die Wahrscheinlichkeit des Rauchens an Schulen signifikant<br />

erhöht.<br />

Ebenso spielen ästhetische Merkmale von Schulgebäude und Schulhof eine Rolle bei der Vorhersage von<br />

Raucherquoten an Schulen. Überall dort, wo die Schule einen ungepflegten, verdreckten oder<br />

ungemütlichen Eindruck vermittelt, ist mit höheren Raucherzahlen unter Schülern und Lehrern zu rechnen<br />

(Hurrelmann & Settertobulte 2007).<br />

Risiko- und Schutzfaktoren<br />

Aus <strong>den</strong> Ergebnissen der HBSC Studien lassen sich Risiko- und Schutzfaktoren ableiten, die das Rauchen<br />

von Kindern und Jugendlichen entweder fördern oder verhindern (siehe Tabelle 3).<br />

Risikofaktoren Schutzfaktoren<br />

• sozial benachteiligte Herkunftsfamilie<br />

• Erwartung eines niedrigeren<br />

Bildungsabschlusses<br />

• rauchendes Umfeld<br />

• niedrige Leistungsmotivation<br />

• früher Konsumeinstieg<br />

• gestörte Kommunikation mit Eltern<br />

• Ablehnung, kaum Akzeptanz<br />

• mangelnde soziale und kommunikative<br />

Kompetenz<br />

• negatives Schulklima<br />

• Erwartung eines höheren<br />

Bildungsabschlusses<br />

• nicht rauchendes Umfeld<br />

• höhere Leistungsmotivation<br />

• soziale Kompetenzen<br />

• Präferenz anderer Kommuni-<br />

kationssymbole als Rauchen<br />

• konstruktives Kommunikations-<br />

verhalten<br />

• Akzeptanz durch Eltern, Peers<br />

• positives Schulklima<br />

Tabelle 3: Risiko und Schutzfaktoren des Rauchens von Kindern und Jugendlichen<br />

Fazit<br />

Das Rauchen wird in der Gesellschaft durch Rauchverbote und Steuererhöhungen zunehmend<br />

zurückgedrängt. Die hier berichteten bevölkerungsbezogenen Daten für das Jugendalter zeigen, dass<br />

dieser Trend sich auch bei jungen Menschen bemerkbar macht. Dabei ist jedoch zu beobachten, dass dies<br />

nicht für alle Jugendlichen in gleicher Weise gilt. Immer noch ist das Rauchen überwiegend unter <strong>den</strong><br />

sozial und bildungsmäßig Benachteiligten stark vertreten. Es scheint, als gehe der Trend an dieser Gruppe<br />

vorbei. Die Gründe Jugendlicher, mit <strong>dem</strong> Rauchen zu beginnen, sind vor allem bei dieser Risikogruppe<br />

nach wie vor vielfältig gegeben. So tradiert sich das Rauchverhalten der Eltern, die in <strong>den</strong> sozial<br />

9


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

benachteiligten Lagen immer noch häufiger zu <strong>den</strong> Rauchern zählen. Hinzu kommen sozialpsychologische<br />

Phänomene, wie etwa die geringere Orientierung an die eigene Leistungsfähigkeit, die besonders <strong>den</strong><br />

Jugendlichen mit einem zu erwarten<strong>den</strong> niedrigen Schulabschluss, durch verminderte Berufschancen,<br />

nahezu nahe gelegt wird. Auch Schul- und Alltagsstress sind in dieser Gruppe häufiger, so dass die<br />

Funktionalisierung des Rauchens als Mittel der Befindlichkeitssteuerung bzw. Stressbewältigung opportun<br />

ist.<br />

Der weitere Rückgang der Raucherquoten von Jugendlichen ist langfristig nur zu erwarten, wenn<br />

Tabakprävention die Lebenswelt der Jugendlichen berücksichtigt und entsprechend darauf reagiert. Dies<br />

gilt einerseits für die Begleitung des Prozesses der Pubertät, in der das Rauchen als Symbol eine<br />

bedeutsame Funktion hat, aber auch für die Lebensverhältnisse, in <strong>den</strong>en die jungen Menschen<br />

aufwachsen und die <strong>den</strong> Tabakkonsum unter Umstän<strong>den</strong> nahe legen, sowie letztlich auch die Schule, die<br />

Motivation und Gelegenheit zum Rauchen bieten kann. Wir wissen, dass ein rauchfreies Umfeld sich nicht<br />

allein durch Verbote umsetzen lässt, vielmehr bedarf es eines umfangreichen Konzepts zur<br />

Tabakprävention, das inhaltlich auf die Bedürfnisse und die Entwicklungsprozesse Jugendlicher<br />

abgestimmt wird. Dabei gilt es auch Jugendlichen <strong>aus</strong> sozial benachteiligten Familien gerecht zu wer<strong>den</strong>.<br />

Besonderes Interesse sollte außer<strong>dem</strong> auf die bereits tabakabhängigen Jugendlichen gelegt wer<strong>den</strong>. Hier<br />

wird nicht der Anspruch erhoben, dass z.B. in der Jugendarbeit ab sofort flächendeckend<br />

Tabakentwöhnungsprogramme implementiert wer<strong>den</strong> sollen, vielmehr gilt es diese Jugendliche zum<br />

Rauchstopp zu motivieren, sei es nun in Gruppen oder individuell.<br />

Literatur<br />

DiFranza, J.R., Savagean, J.A., Fletcher, K. et al. (2007). Susceptibity to nicotine depen<strong>den</strong>ce: the<br />

Development and Assessment of Nicotin Depen<strong>den</strong>ce in Youth 2 Study. Pediatrics, 120, 974-983.<br />

Hurrelmann, K., Settertobulte, W. (2008). Gesundheitliche Ressourcen und Risikofaktoren von Kindern und<br />

Jugendlichen. In: Brägger, G., Posse, N., Israel, G. (Red.). Bildung und Gesundheit – Argumente für eine<br />

gute und gesunde Schule. Bern: hep – Verlag, S. 55 – 95.<br />

Kandel, D.B., Hu, M.C., Griesler, P.C. et al. (2007). On the development of nicotine depen<strong>den</strong>ce in<br />

adolescence. Drug Alcohol Depend, 91, 26-39.<br />

Nickel, J., Ravens-Sieberer, U., Richter, M., Settertobulte, W. (2008). Gesundheitsrelevantes Verhalten und<br />

soziale Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen. In: Richter, M., Hurrelmann, K., Klocke, A., Melzer, W. &<br />

Ravens-Sieberer, U. (Hrsg.): Gesundheit, Ungleichheit und jugendliche Lebenswelten. Weinheim,<br />

München: Juventa Verlag.<br />

Paavola, M., Vartiainen, E., Puska, P. (1996). Predicting adult smoking: the influence of smoking during<br />

adolescence and smoking among friends and family. Health Education Research, Vol. 11, No. 3, S. 309-315.<br />

Richter, M. & Settertobulte W. (2003). Gesundheits- und Freizeitverhalten von Jugendlichen In: Hurrelmann<br />

K., Klocke, A., Melzer, W. & Ravens-Sieberer, U. (Hrsg.) (2003): Jugendgesundheitssurvey. Weinheim,<br />

München: Juventa Verlag.<br />

Settertobulte, W. (2008). Der Einfluss der Gleichaltrigen auf das Risikoverhalten im Kontext<br />

gesundheitlicher Ungleichheit. In: Richter, M., Hurrelmann, K., Klocke, A., Melzer, W. & Ravens-Sieberer, U.<br />

(Hrsg.). Gesundheit, Ungleichheit und jugendliche Lebenswelten. Weinheim, München: Juventa Verlag. S.<br />

223 – 239<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

3. Vortrag und Workshop: „Willst du auch keine?<strong>“</strong> Programm zur Raucherentwöhnung<br />

bei Jugendlichen<br />

Referent: Martin Heyn, Kompetenzzentrum für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz Würzburg<br />

Trotz der erfreulichen Tatsache, dass in Deutschland derzeit „nur<strong>“</strong> noch knapp jeder fünfte (18 Prozent)<br />

Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren raucht (BZgA 2007), darf die Prävention auf diesem Sektor nicht<br />

nachlassen und muss ihre Ziele/Zielgruppen überprüfen. Denn zum einen ist auffällig, dass die<br />

Raucherquote in der höheren Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen auf be<strong>den</strong>kliche 40 Prozent ansteigt<br />

(Baumeister et al., 2008) und zum anderen gibt es einen klaren Unterschied unter <strong>den</strong> Schulformen. So<br />

raucht im Gymnasium etwa jeder fünfte der 11- bis 17-jährigen, in der Hauptschule liegt die Raucherquote<br />

jedoch in dieser Altersgruppe bei über 40 Prozent (Lampert & Thamm, 2007). Für konkrete Hilfsangebote<br />

zum Raucher<strong>aus</strong>stieg bei Jugendlichen sprechen verschie<strong>den</strong>e Untersuchungen (u.a. Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 2006), danach haben über die Hälfte der 16- bis 18-jährigen<br />

RaucherInnen <strong>den</strong> Wunsch, an ihrem aktuellen Rauchverhalten etwas zu verändern. Über 60 Prozent der<br />

Jugendlichen in dieser Altersspanne haben bereits Ausstiegsversuche hinter sich. Und rund zwei Drittel<br />

der 18-jährigen RaucherInnen bedauern, überhaupt mit <strong>dem</strong> Rauchen begonnen zu haben.<br />

1. Fazit<br />

Frühes Ansetzen an der „richtigen<strong>“</strong> Klientel erscheint zielführend.<br />

Bemerkenswert ist eine Untersuchung von Steve Sussman (1998), in der er Jugendliche RaucherInnen nach<br />

ihren zukünftigen Absichten befragte: nur fünf Prozent sahen sich in fünf Jahren noch als RaucherInnen.<br />

Tatsächlich aber rauchten nach acht Jahren noch 75 Prozent der Befragten. Ganze 1,5 Prozent der<br />

jugendlichen Tabakkonsumenten hörten in Deutschland innerhalb der letzten zwölf Monate erfolgreich auf<br />

zu rauchen (BZgA, 2008)<br />

Ein wesentlicher Unterschied zwischen erwachsenen RaucherInnen und jugendlichen RaucherInnen<br />

besteht darin, dass ein deutlich geringerer Lei<strong>den</strong>sdruck und damit verbun<strong>den</strong> eine stark schwankende<br />

Motivationslage festzustellen ist. Eine Bewerbung der Entwöhnungskurse mittels Flyern, Plakaten und<br />

Hochglanzbroschüren erscheint wenig zweckmäßig, zumal nach einer Untersuchung des IFT in 2001 ein<br />

Gruppenangebot bei jugendlichen RaucherInnen in der Prioritätenliste weit hinter Hypnose und<br />

Akupunktur liegt.<br />

2. Fazit<br />

Die Jugendlichen adäquat anzusprechen, sie zu erreichen, ist das A und O einer erfolgreichen<br />

Raucherentwöhnung.<br />

Doch wie erreicht man genau die Jugendlichen, die aktuell motiviert sind, mit <strong>dem</strong> Rauchen aufzuhören?<br />

Die Aufmachung macht’s.<br />

Viel Zeit und Engagement wurde zur Entwicklung des Informationsmaterials in Form eines Daumenkinos<br />

aufgewendet. Die Erfahrung lehrt auch hier: Je pfiffiger und ungewöhnlicher, desto größer ist die<br />

Akzeptanz in der Zielgruppe.<br />

Das scheckkartengroße Daumenkino umfasst zehn Seiten, die neben einer „Daumenkino-Animation<strong>“</strong> auf<br />

der Vorderseite die wesentlichen Informationen zum Ausstiegsprogramm und einige zum Rauchen<br />

allgemein bereithalten.<br />

Abb. 1: Ausschnitt <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Daumenkino<br />

Auf die Inhalte kommt es an.<br />

Die Rückmeldung der Jugendlichen war<br />

durchweg positiv, u. a. in Beiträgen der<br />

Teilnehmen<strong>den</strong> in einer Reportage des<br />

Bayerischen Fernsehens. Die Inhalte des<br />

Daumenkinos wer<strong>den</strong> erinnert und sehr positiv<br />

bewertet. „Ein sehr klares Konzept<strong>“</strong> und vor<br />

allem die Abwesenheit des schulmeisterlichen<br />

Zeigefingers wur<strong>den</strong> als äußerst angenehm<br />

formuliert.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Das Konzept im Überblick<br />

Die Erfahrung lehrt: In der Gruppe fällt es leichter. Deshalb umfasst der Kurs sechs Treffen unter ebenfalls<br />

motivierten Ausstiegswilligen in einer strukturierten und lockeren Atmosphäre im Zeitraum von insgesamt<br />

sechs bis acht Wochen. Das Vorgehen orientiert sich an verhaltenstherapeutischen Metho<strong>den</strong> und bedient<br />

sich u.a. dynamischer Szenarien des „Konstruktiven Lernens<strong>“</strong> nach Heckmair.<br />

Die Inhalte<br />

Drei Treffen vor <strong>dem</strong> Stopptag und drei weitere zur Stabilisierung beinhalten die Motivation zum Aufhören<br />

überprüfen, Vorbereitungen für die letzte Zigarette treffen, einen persönlichen Schlusspunkt definieren<br />

und in der Gruppe Handlungsalternativen erarbeiten, um schließlich eine langfristige Stabilisierung der<br />

Abstinenz zu erreichen. Die Rückfallprophylaxe und das Gewichtsmanagement sind weitere Schwerpunkte<br />

der Treffen. Der häufig formulierten Angst vor Gewichtszunahme wird mit einer speziellen Einheit<br />

Rechnung getragen, in der z.B. kalorienreiche Snacks kalorienarmen gegenüber gestellt wer<strong>den</strong>.<br />

Nicht nur zwischen, sondern auch nach <strong>den</strong> sechs Einheiten in der Gruppe wer<strong>den</strong> die Teilnehmen<strong>den</strong> über<br />

SMS, so sie damit einverstan<strong>den</strong> sind, erinnert und motiviert rauchfrei zu bleiben.<br />

Im Rahmen einer jeweils vorangehen<strong>den</strong> Informationsveranstaltung wer<strong>den</strong> die Inhalte des<br />

Ausstiegskurses präsentiert, die Anmel<strong>dem</strong>odalitäten erläutert und die zeitliche Eintaktung abgestimmt.<br />

Die Anmeldung<br />

kann persönlich, per kostenfreier Hotline, per Email oder SMS erfolgen.<br />

Die Erfahrungen<br />

Bislang nahmen insgesamt 120 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 27 Jahren teil. Das Durchschnittsalter<br />

liegt bei 18 Jahren. Im Durchschnitt rauchten diese jungen Menschen sechs Jahre, einige von ihnen<br />

begannen bereits vor <strong>dem</strong> zehnten Lebensjahr regelmäßig zu rauchen. Zu Beginn des Kurses rauchten sie<br />

durchschnittlich 12 Zigaretten täglich (2 - 40). In verschie<strong>den</strong>en Settings fan<strong>den</strong> die Ausstiegskurse statt:<br />

z.B.<br />

Gymnasium, Berufsbil<strong>den</strong>de Schulen, Krankenpflegeschulen, Mädchenwohnheim, Offenes<br />

Jugendzentrum, Jugendarrestanstalt, Clearingsstelle, Förderschule u.a.<br />

Was ist wichtig für die Kurse?<br />

Zunächst erfordert die Durchführung Erfahrung in der Gruppenarbeit, insbesondere in der mit<br />

Jugendlichen. Eine suchtberaterische Qualifikation ist von Vorteil. Grundsätzlich sollte das Programm mit<br />

einer Doppelleitung besetzt sein, idealerweise eine Frau und ein Mann. Die Durchführen<strong>den</strong> müssen<br />

Authentizität groß schreiben und in der Tabakprävention eine klare Position vertreten ohne jedoch mit<br />

missionarischem Ehrgeiz anzutreten.<br />

Unterstützer sind gefragt.<br />

Von <strong>den</strong> Jugendlichen wurde mehrfach die Aufmachung des Infomaterials, die Originalität gelobt, ebenso<br />

wie die Transparenz der Struktur des Programms.<br />

Was im persönlichen Gespräch und in der schriftlichen Befragung als sehr hilfreich eingestuft wurde, ist<br />

eine unterstützende Person, die <strong>den</strong> Teilnehmern außerhalb des Gruppensettings zur Seite steht (Buddy).<br />

Beispielhaft aufgezählt wur<strong>den</strong> Freunde und Verwandte.<br />

Weiter wurde als wichtig bewertet: Der Aust<strong>aus</strong>ch in der Gruppe und der sog. „Notfallkoffer<strong>“</strong>, der eine<br />

Beschäftigung in potentiellen Rückfallsituationen für Hand (z.B. Fingerspiel), Mund (z.B. Kaugummi,<br />

Bonbon) und Kopf (z.B. Hauptmotiv zum Aufhören auf kleinem Kärtchen, Bild des Freundes/der Freundin)<br />

bereithält.<br />

Ein fester Bestandteil des Kurses ist mittlerweile die Ansprache der Teilnehmen<strong>den</strong> zwischen <strong>den</strong> Treffen<br />

per SMS. Mit kleinen, eher augenzwinkernd formulierten Mitteilungen wer<strong>den</strong> sie ermuntert, das in <strong>den</strong><br />

Treffen Besprochene auch im Alltag anzuwen<strong>den</strong>. Bei der zeitlichen Planung der Kurse sollten<br />

insbesondere Schulferien, aber auch die besonderen Situationen der Teilnehmen<strong>den</strong> berücksichtigt<br />

wer<strong>den</strong>. Eine enge Taktung mit wöchentlichen Treffen hat sich bewährt.<br />

Die Teilnahmegebühren<br />

Eher als psychologischen Effekt erheben wir derzeit eine Teilnahmegebühr von 10 Euro, die ihnen bei<br />

regelmäßiger Teilnahme (mindestens fünf von sechs Treffen) zur Hälfte rückerstattet wird.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Eine Refinanzierung über die Krankenkassen (gem. §20 SGB V) ist möglich und wird bereits in Nordrhein-<br />

Westfalen und Bayern (AOK) ermöglicht.<br />

Die Finanzierung des Projektes<br />

Das Würzburger Raucher<strong>aus</strong>stiegsprogramm „Willst du auch keine<strong>“</strong> wurde als Modell bislang<br />

hauptsächlich <strong>aus</strong> Projektmitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und<br />

Verbraucherschutz finanziert. Ein Teil der Einnahmen der Ausstiegskurse für erwachsene Raucherinnen<br />

und Raucher (Würzburger Modellprojekt zur ambulanten Raucherentwöhnung) unterstützt darüber hin<strong>aus</strong><br />

dieses Programm. Die weitere Sicherung der Maßnahme wird über die Krankenkassen (s.o.) erfolgen<br />

können.<br />

Ein Fazit und Ausblick<br />

Aus der Nachbefragung (persönlich/telefonisch) ergeben sich folgende Ergebnisse:<br />

Zum Ende des sechsten Treffens sind rund 50 Prozent abstinent, weitere 30 Prozent haben ihren Konsum<br />

reduziert und 20 Prozent erlebten einen Rückfall. Nach einem Jahr reduziert sich die Abstinentenquote auf<br />

etwa 20 Prozent, die Reduktionsquote steigt auf 40 Prozent und rund 40 Prozent der Teilnehmen<strong>den</strong><br />

raucht in etwa soviel wie vor <strong>dem</strong> Kurs.<br />

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass auch eine Reduktion des Konsums als (Teil-) Erfolg zu werten ist, der<br />

langfristig zur völligen Abstinenz führen kann.<br />

Grundprinzip dieser Art von Sekundärprävention sollte sein, auch „geringe<strong>“</strong> reine Abstinenzzeiten als<br />

Erfolg für die Jugendlichen zu verbuchen und sie auf diesem Weg weiter zu unterstützen.<br />

Erfreulicherweise formulieren immer mehr Jugendliche und Gruppen selbst <strong>den</strong> Wunsch nach rauchfreien<br />

(Jugend-)Räumen und Hilfen beim Ausstieg.<br />

Bei der Umsetzung von Raucherentwöhnungskursen bei Jugendlichen sind insbesondere die<br />

Rahmenbedingungen entschei<strong>den</strong>d. Hier eine Art „Checkliste<strong>“</strong>:<br />

• Wie kommt der Kontakt zustande?<br />

• Wer wünscht sich Tabakentwöhnung?<br />

• Wie ist der Nichtraucherschutz im Setting geregelt? (Rauchgelegenheiten, Räume, Verbote...)<br />

• Wo „steht<strong>“</strong> die Einrichtungsleitung / Unternehmensführung / die Personalvertretung?<br />

• Wie hoch ist die Raucherprävalenz im Setting?<br />

• Gibt es Anreizsysteme für Nichtrauchende?<br />

• Wie sind die Verweilzeiten / üblichen Aufenthaltszeiten der Jugendlichen im Setting (Problem<br />

Blockbeschulung, Fahrzeiten etc.)<br />

• Zeitraum der Durchführung?<br />

• Unterbrechungen, Ferienzeiten, etc<br />

• Informations-/Auftaktveranstaltung sollten höchstens eine Woche vor Kursbeginn liegen.<br />

• Anmeldungen während / am Ende der Informationsveranstaltung<br />

• Setzen Sie auf Gruppendynamik! „Finde weitere drei Motivierte...<strong>“</strong><br />

• Anwesenheit von Lehrern/Erzieherinnen/ ähnlichen Personen?<br />

• Raumfrage klären – Zugang auch am Abend gesichert?<br />

• Unterstützungskultur in der Einrichtung?<br />

• Was passiert mit Abrechen<strong>den</strong> / Rückfallen<strong>den</strong>?<br />

• Interne Öffentlichkeitsarbeit? Externe Berichterstattung? Begleitende Berichterstattung?<br />

Kontakt:<br />

Martin Heyn<br />

Referent für Gesundheitsförderung<br />

Gesundheitsamt Würzburg<br />

Theaterstraße 23<br />

97070 Würzburg<br />

T (0931) 3574-671<br />

F (0931) 3574-600<br />

M.Heyn@LRA-WUE.BAYERN.DE<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

4. Vortrag: Wer darf wo (nicht)? - Die gesetzlichen Regelungen zum Jugendschutz und<br />

zum Nichtraucherschutz<br />

Referent: Gerald Engasser, Ministerium für Arbeit und Soziales Ba<strong>den</strong>-Württemberg<br />

Für rauchende Jugendliche war 2007 ein schlechtes Jahr – in Ba<strong>den</strong>-Württemberg, aber auch anderswo. Am<br />

1. August 2007 trat das Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG) in Kraft, das das Rauchen in<br />

Gaststätten, Diskotheken, Schulen, Jugendhäusern und anderen Orten untersagt.<br />

Am 1. September 2007 trat das Bundesgesetz zum Schutz vor <strong>den</strong> Gefahren des Passivrauchens in Kraft.<br />

Es verbietet das Rauchen in öffentlichen Gebäu<strong>den</strong> des Bundes, in Bahnhöfen und Zügen und hebt die<br />

Altersgrenze des Jugendschutzgesetzes von 16 auf 18 Jahre an. Gerade Jugendlichen zwischen 16 und 18<br />

Jahren, die ja bisher in Bezug auf das Rauchen Erwachsenen gleichgestellt waren, ist nun also mit einem<br />

Mal das Rauchen fast überall verboten: in der Schule, in der Kneipe, in der Diskothek, in der<br />

Jugendeinrichtung, in der Öffentlichkeit.<br />

Der Anteil der Jugendlichen, die sich davon betroffen sehen, wird allerdings ohnehin immer kleiner: Der<br />

Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung stellt fest, dass der Anteil der rauchen<strong>den</strong> Jugendlichen<br />

seit 2001 von 28 Prozent auf 18 Prozent zurückgegangen ist. Ob die Gesetzesänderungen diesen Trend<br />

noch verstärken, wird sich erst noch zeigen. Weniger Raucher heißt übrigens auch weniger Kiffer, weil der<br />

Konsum von Cannabis meist mit Tabakkonsum verbun<strong>den</strong> ist.<br />

Die Zielrichtung zwischen Landes- und Bundesgesetz unterscheidet sich sehr deutlich. Mit <strong>dem</strong><br />

Jugendschutz kommt die Gesellschaft ihrem Verfassungsauftrag nach, Kinder und Jugendliche vor<br />

Gefährdungen zu bewahren, die sie selbst möglicherweise noch nicht adäquat einschätzen können. Die<br />

Kinder und Jugendlichen selbst sollen also vor <strong>den</strong> Gesundheitsgefährdungen geschützt wer<strong>den</strong> - durch<br />

das Verbot an Gewerbetreibende oder Veranstalter, ihnen Zigaretten zu geben und durch das Verbot,<br />

ihnen das Rauchen in der Öffentlichkeit zu gestatten. Im Unterschied dazu hat das Landesgesetz <strong>den</strong><br />

Schutz der Nichtraucher im Auge. Das Recht des erwachsenen Rauchers, seine Gesundheit zu schädigen,<br />

bleibt grundsätzlich unangetastet.<br />

Adressaten sind beim Jugendschutzgesetz die Gewerbetreiben<strong>den</strong> und Veranstalter – nur im Ausnahmefall<br />

auch jeder volljährige Mensch, beim Landesnichtraucherschutzgesetz die Raucher selbst. Wirte, die das<br />

Nichtraucherschutzgesetz nicht umsetzen, können nach diesem Gesetz nicht belangt wer<strong>den</strong>, sondern ggf.<br />

nur im Rahmen von Aufsichts- und Konzessionsentscheidungen.<br />

In der Praxis stellen die Jugendlichen nun gewissermaßen die Schnittmenge beider Gesetze dar. Wenn ein<br />

15-Jähriger z. B. in einer Gaststätte raucht, begeht er selbst eine Ordnungswidrigkeit nach <strong>dem</strong><br />

Landesnichtraucherschutzgesetz, der Wirt hingegen nach <strong>dem</strong> Jugendschutzgesetz.<br />

Um selbst keine Ordnungswidrigkeit nach <strong>dem</strong> Jugendschutzgesetz zu begehen, muss der Wirt also <strong>den</strong><br />

Jugendlichen davor bewahren, eine Ordnungswidrigkeit nach <strong>dem</strong> Landesnichtraucherschutzgesetz zu<br />

begehen!<br />

Soweit eine erste Draufsicht auf die Gesetzeslage. Im nächsten Schritt gehen wir etwas ins Detail. Zuerst<br />

zum Jugendschutzgesetz (JuSchG):<br />

§ 10 Rauchen in der Öffentlichkeit, Tabakwaren<br />

(1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen Tabakwaren an Kinder<br />

oder Jugendliche weder abgegeben noch darf ihnen das Rauchen gestattet wer<strong>den</strong>.<br />

(2) * In der Öffentlichkeit dürfen Tabakwaren nicht in Automaten angeboten wer<strong>den</strong>. Dies gilt<br />

nicht, wenn ein Automat<br />

1. an einem Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren unzugänglichen Ort aufgestellt ist oder<br />

2. durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht sichergestellt ist, dass Kinder und<br />

Jugendliche unter 16 Jahren Tabakwaren nicht entnehmen können.<br />

* Die Heraufsetzung des Abgabealters von 16 auf 18 Jahre tritt bei der Automatenabgabe am 01.<br />

Januar 2009 in Kraft.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Interessant ist hier vor allem der Begriff der Öffentlichkeit. Unter Öffentlichkeit sind nach vorherrschender<br />

Kommentarmeinung alle allgemein zugänglichen Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und Passagen aber auch<br />

alle öffentlich zugänglichen Gebäude und Einrichtungen zu verstehen 3 .<br />

Hier scheint mir die Rechtslage in Bezug auf Einrichtungen und Angebote der Jugendarbeit eindeutig: Eine<br />

Einrichtung oder ein Angebot der Jugendarbeit zielt immer darauf, öffentlich zu sein und junge Menschen<br />

zum Mitmachen oder zur Mitgliedschaft zu bewegen. Insofern dürfte der Tatbestand der Öffentlichkeit<br />

gegeben sein, auch wenn es sich z. B. um Gruppenarbeit handelt, wo nicht jeder ohne weiteres mitmachen<br />

kann. Dasselbe gilt meines Erachtens auch für Bildungseinrichtungen und Aka<strong>dem</strong>ien, die ja in der Regel<br />

ihre Veranstaltungen öffentlich <strong>aus</strong>schreiben und bei <strong>den</strong>en sich grundsätzlich auch jeder anmel<strong>den</strong> kann.<br />

Für unerheblich halte ich, ob ein Angebot der Jugendarbeit, also z. B. eine Jugendfreizeit auf öffentlichem<br />

oder privatem Grund stattfindet. Wenn ein Bauer eine Wiese für eine als öffentlich zu qualifizierende<br />

Jugendfreizeit zur Verfügung stellt, muss der Veranstalter natürlich ebenso für die Einhaltung des<br />

Jugendschutzes sorgen, wie wenn die Veranstaltung auf öffentlichem Grund stattfände!<br />

In all diesen Fällen begibt sich der Jugendliche in die Obhut einer öffentlichen oder zumindest öffentlich<br />

anerkannten (§75 SGB VIII), meist sogar öffentlich finanzierten Einrichtung, so dass die Eltern mit Fug und<br />

Recht erwarten dürfen, dass der Jugendschutz beachtet wird.<br />

Im <strong>Sinn</strong>e des Jugendschutzgesetzes wird außer<strong>dem</strong> der Inhaber oder die Inhaberin des H<strong>aus</strong>rechts einer<br />

Einrichtung oder der oder die Verantwortliche für ein Angebot der Jugendarbeit als „Veranstalter<strong>“</strong> im <strong>Sinn</strong>e<br />

des Gesetzes zu klassifizieren sein. Wer das H<strong>aus</strong>recht innehat, wie und auf wen es ggf. delegiert wer<strong>den</strong><br />

kann, sollte deshalb in der H<strong>aus</strong>ordnung oder Benutzerordnung der Einrichtung klar festgelegt sein.<br />

Wenn Einrichtungen von externen Gruppen gebucht wer<strong>den</strong> können, sollte in der H<strong>aus</strong>ordnung geregelt<br />

sein, dass das H<strong>aus</strong>recht für die Nutzungsdauer an die Leitung der jeweiligen Gruppen delegiert wer<strong>den</strong><br />

kann, zumindest im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung des regulären H<strong>aus</strong>rechtsinhabers. Dann<br />

geht die Veranstalterfunktion im <strong>Sinn</strong>e des JuSchG auf <strong>den</strong> jeweiligen Gruppenleiter /die Gruppenleiterin<br />

über.<br />

Der ganz normale Bürger kann übrigens nur dann Adressat des Jugendschutzgesetzes sein, wenn er aktiv<br />

Kinder und Jugendliche zum Rauchen animiert („herbeiführt oder fördert<strong>“</strong>, § 28 Abs. 4 JuSchG). Wer also<br />

als Erwachsener in der Öffentlichkeit einem Kind oder Jugendlichen Zigaretten kauft oder ihm welche<br />

anbietet, begeht auch unabhängig von einer Veranstalterfunktion als Privatperson eine<br />

Ordnungswidrigkeit. An dieser Stelle ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen das JuSchG sehr teuer<br />

wer<strong>den</strong> kann: Es kann theoretisch eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro verhängt wer<strong>den</strong>. Sehr viel<br />

kostengünstiger ist das Nichtraucherschutzgesetz – hier endet der Bußgeldrahmen schon bei 150 Euro.<br />

Wir bereiten einem Landtagsbeschluss folgend 4 , derzeit einen Bußgeldkatalog zum JuSchG als Richtlinie<br />

vor, die die recht unterschiedliche örtliche Bußgeldpraxis vereinheitlichen und durch<strong>aus</strong> auch anheben<br />

soll.<br />

Zigarettenautomaten müssen übrigens erst ab 1.1.2009 das Altersmerkmal „18 Jahre<strong>“</strong> berücksichtigen,<br />

zurzeit können also 16-Jährige noch legal Zigaretten <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Automaten ziehen.<br />

Kommen wir zum Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG).<br />

Der einschlägige Paragraph 3 im Gesetz heißt lapidar: „In Jugendhäusern ist das Rauchen untersagt.<strong>“</strong> Hier<br />

ist als erstes festzustellen, dass es faktisch nur um die Gruppe der über 18-Jährigen gehen kann, <strong>den</strong>n für<br />

alle Jugendlichen ist das Rauchen ja schon nach <strong>dem</strong> Jugendschutzgesetz verboten.<br />

Interessanter ist, was nicht in diesem Paragraphen steht: Es steht nämlich zum einen nichts über <strong>den</strong><br />

Außenbereich im Gesetz, auf <strong>dem</strong> das Jugendh<strong>aus</strong> steht (im Gegensatz zu Kindergärten und Schulen). Hier<br />

gibt wie so oft die Gesetzesbegründung (Drs. 14/1359) weiteren Aufschluss:<br />

Eine Ausdehnung des Rauchverbots auch auf die Außenbereiche des Jugendh<strong>aus</strong>es – wie bei<br />

Schulen und Kindertageseinrichtungen vorgesehen – wäre unverhältnismäßig, würde von <strong>den</strong><br />

Betroffenen als Gängelung empfun<strong>den</strong> und ginge über <strong>den</strong> Gedanken des reinen<br />

Nichtraucherschutzes hin<strong>aus</strong> (S. 11).<br />

3<br />

Z.B. Ukrow, Jörg, Jugendschutzrecht, München 2004, S. 88<br />

4<br />

Lt-Drs. 14/1411 - Beschluss<br />

15


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

In der Begründung wird an zwei Stellen auch der Begriff „Jugendh<strong>aus</strong><strong>“</strong> definiert:<br />

Unter „Jugendh<strong>aus</strong><strong>“</strong> sind nur die öffentlich zugänglichen und bestimmungsgemäß als solches<br />

genutzten Räume zu verstehen. (..) Erfasst sind insbesondere Einrichtungen der offenen und<br />

verbandlichen Jugendarbeit im <strong>Sinn</strong>e des § 11 SGB VIII und damit auch Jugendhäuser in privater<br />

Trägerschaft (S. 11)<br />

Jugendhäuser sind ortsfeste und dauerhafte Einrichtungen in öffentlicher oder freier Trägerschaft,<br />

die allen Jugendlichen zu Freizeitgestaltung offen stehen (S. 20).<br />

Das Sozialministerium hatte sich schon vor Beginn des Gesetzgebungsverfahrens mit <strong>dem</strong><br />

<strong>Landesjugendring</strong>, der LAGO und der Aktion Jugendschutz darauf verständigt, dass es bei Jugendhäusern<br />

diese Ausweichmöglichkeit geben solle, um die Raucher nicht auf die Straße vor <strong>dem</strong> Jugendh<strong>aus</strong> zu<br />

verweisen oder sie ganz <strong>aus</strong> der Einrichtung zu vergraulen. Diese Ausnahmeregelung hat dann auch<br />

Eingang in das Gesetz gefun<strong>den</strong>. Ich erinnere nochmals daran: Das Landesnichtraucherschutzgesetz hat,<br />

wie der Name sagt, <strong>den</strong> Schutz der Nichtraucher im Auge, nicht <strong>den</strong> Schutz der Raucher vor sich selbst.<br />

Insofern gibt es keinen pl<strong>aus</strong>iblen Grund, Erwachsenen das Rauchen im Freien zu verbieten. Im Gegensatz<br />

dazu steht die weitergehende Regelung an Schulen und Kindergärten, weil hier auch auf <strong>den</strong><br />

erzieherischen Auftrag und die Vorbildfunktion der Pädagogen abgehoben wird. Die Ausnahmeregelung<br />

für Schulen ist übrigens erst während des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt wor<strong>den</strong> und wird mit der<br />

Vermeidung von Belästigungen der Nachbarschaft begründet.<br />

Nicht ganz so eindeutig ist es, wenn es sich um eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe oder auch der<br />

Suchthilfe handelt. Hier geht es auch um Wohnräume, die der privaten Nutzung vorbehalten sind und<br />

damit <strong>dem</strong> besonderen Schutz des Art. 13 Grundgesetz unterliegen. Bei der Formulierung des<br />

Gesetzestextes hat man sich bewusst dafür entschie<strong>den</strong>, die stationären Einrichtungen der Jugendhilfe<br />

nicht explizit aufzunehmen, sondern sich auf Schulen, Jugendhäuser und Tageseinrichtungen für Kinder zu<br />

beschränken. Damit bleibt von dieser Seite der pädagogische Freiraum erhalten, der für die Arbeit mit<br />

Kindern und Jugendlichen in Heimen unverzichtbar ist:<br />

Bei <strong>den</strong> stationären Einrichtungen der Jugendhilfe als Lebens- und Aufenthaltsort der Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen muss auch eine gewisse Privatsphäre gewahrt wer<strong>den</strong> (ähnlich der<br />

Situation in Pflegeheimen) (…) Zu<strong>dem</strong> besteht nach § 45 SGB VIII die Möglichkeit, im Rahmen der<br />

Betriebserlaubnis und Aufsicht auch Auflagen zum Nichtraucherschutz zu erteilen. Schließlich<br />

kann davon <strong>aus</strong>gegangen wer<strong>den</strong>, dass die Einrichtungen bereits entsprechende h<strong>aus</strong>rechtliche<br />

Regelungen haben.<br />

(Drs. 14/1359 S. 20).<br />

Nach Auskunft des Landesjugendamtes gibt es in fast allen Einrichtungen H<strong>aus</strong>ordnungen, die das<br />

Rauchen im Gebäude untersagen. Auch das Jugendschutzgesetz kann in solchen Privaträumen streng<br />

genommen nicht zur Anwendung kommen, weil sein Geltungsbereich ja explizit auf <strong>den</strong> öffentlichen Raum<br />

begrenzt ist. Insofern ist die Auseinandersetzung mit <strong>dem</strong> Rauchen in stationären Einrichtungen der<br />

Jugendhilfe eher eine pädagogische als eine juristische.<br />

Meines Erachtens ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass in einem Heim die pädagogischen<br />

Bezugspersonen an Eltern Statt Erziehungsaufgaben übernehmen, Sie übernehmen damit auch die<br />

„zuvörderst ihnen obliegende Pflicht<strong>“</strong> (Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz), Scha<strong>den</strong> von ihren Schützlingen<br />

abzuwen<strong>den</strong>. Und so wie vernünftige Eltern ihren minderjährigen Kindern das Rauchen verbieten, wer<strong>den</strong><br />

das natürlich auch die stationären Einrichtungen tun. Sie können – das ist ein zusätzlicher Aspekt – zu<strong>dem</strong><br />

als öffentlich finanzierte Einrichtung schlecht hinter <strong>den</strong> Schutzgedanken des Jugendschutzgesetzes<br />

zurückfallen.<br />

Schließlich noch zu der Frage, wer für die Durchsetzung beider Gesetze zuständig ist. Hier gibt das Kinder-<br />

und Jugendhilfegesetz für Ba<strong>den</strong>-Württemberg (LKJHG) Auskunft:<br />

Die zuständigen Behör<strong>den</strong> und der Polizeivollzugsdienst haben die Einhaltung der Vorschriften des<br />

Jugendschutzgesetzes zu überwachen.<br />

(§ 27 Abs. 1 LKJHG).<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Zuständige Behörde für das Jugendschutzgesetz ist grundsätzlich die untere Verwaltungsbehörde, also<br />

das Landratsamt (Ausnahmen: z. B. Länderzuständigkeit im Jugendmedienschutz), für das<br />

Landesnichtraucherschutzgesetz die Ortspolizeibehörde, also die Gemeinde. Bußgeldbescheide sind<br />

jeweils von diesen Dienststellen zu erlassen. Die zentrale Rolle bei der Durchsetzung vor Ort, also bei<br />

Veranstaltungen etc. kommt natürlich <strong>dem</strong> polizeilichen Vollzugsdienst zu, der aufgrund der allgemeinen<br />

polizeilichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr auch unmittelbar tätig wer<strong>den</strong> bzw. ermitteln kann, um das<br />

Rauchen von Jugendlichen zu unterbin<strong>den</strong>.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

5. Workshop: „Draußen vor der Tür<strong>“</strong> – Motivierende Gesprächsführung mit jugendlichen<br />

RaucherInnen<br />

Referent: Rupert Duerdoth, Aktion Jugendschutz, Landesstelle Bayern<br />

Als Einstieg in <strong>den</strong> Workshop wur<strong>den</strong> die TeilnehmerInnen zu ihrer eigenen „Rauchgeschichte<strong>“</strong> und ihrer<br />

Haltung im Umgang mit RaucherInnen befragt. Anschließend wurde der Ansatz der Motivieren<strong>den</strong><br />

Gesprächsführung vorgestellt und geübt.<br />

Die Motivierende Gesprächsführung mit jugendlichen RaucherInnen ist eine Kombination der<br />

Motivieren<strong>den</strong> Gesprächsführung eines von W. Miller und S. Rollnik entwickelten Konzeptes zur Beratung<br />

von Menschen mit Suchtproblemen und <strong>dem</strong> Transtheoretischen Modell (TTM), das vor allem von<br />

Prochaska und DiClemente beschrieben wor<strong>den</strong> ist.<br />

Miller und Rollnik kamen in ihren Metaanalysen zu <strong>den</strong> Ergebnis, das Klienten in einer vertrauensvollen<br />

und unterstützen<strong>den</strong> Atmosphäre eher dazu in der Lage sind, ihre eigenen Erfahrungen zu explorieren und<br />

ihre Probleme zu lösen. Ein gewisses Maß an Furcht vor <strong>den</strong> Konsequenzen z.B. des Rauchens oder<br />

negative Erfahrungen mit <strong>dem</strong> Verhalten sind nötig, um eine Verhaltensänderung anzustoßen, es müssen<br />

jedoch Möglichkeiten aufgezeigt wer<strong>den</strong> das angstmachende Verhalten zu reduzieren. (BZgA: Prävention<br />

durch Angst? Stand der Furchtappellforschung, 1998) Damit neue neuronale Strukturen wachsen, bzw.<br />

neues Verhalten gelernt wird, ist eine positive Atmosphäre fördernd. So fan<strong>den</strong> Miller und Sovereign<br />

(1989) her<strong>aus</strong>: „Je mehr ein Therapeut (in der Alkoholtherapie) konfrontiert hatte, desto mehr trank der<br />

Klient ein Jahr später; je mehr der Berater unterstützte und aktiv zuhörte, desto eher traten beim Klienten<br />

Veränderungen ein.<strong>“</strong> Konfrontation ist im Rahmen der Motivieren<strong>den</strong> Gesprächsführung ein Ziel nicht ein<br />

Stil. Die Motivierende Gesprächsführung eignet sich besonders für Menschen, die in Bezug auf ihren<br />

Konsum sehr ambivalent sind. Gerade jugendliche RaucherInnen zeichnen sich dadurch <strong>aus</strong>, da rauchende<br />

Jugendliche häufig bereits kurz nach ihrem Einstieg erste Ausstiegsversuche unternehmen.<br />

Das TTM beschreibt eine Abfolge von Stadien und Strategien, die Menschen durchlaufen, wenn sie ein<br />

Problem bearbeiten. Hier flossen im Rahmen einer empirischen Untersuchung auch die<br />

Veränderungsstrategien von Personen ein, die ohne professionelle Hilfe das Zigarettenrauchen beendet<br />

hatten.<br />

Veränderung ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess, der sich in fünf bzw. sechs aufeinander<br />

aufbauen<strong>den</strong> Stufen einteilen lässt.<br />

1. Absichtslosigkeit („niemals... will ich was ändern.<strong>“</strong>)<br />

• Kein Problembewusstsein<br />

• Kein Interesse etwas zu verändern<br />

• Auseinandersetzung wird vermie<strong>den</strong><br />

• Rebellion<br />

• Resignation<br />

• Rationalisierung<br />

2. Absichtsbildung („eines Tages... will ich was ändern<strong>“</strong>)<br />

• Bewusste Auseinandersetzung mit <strong>dem</strong> Problem, aber keine konkreten Pläne<br />

• Starke Ambivalenz (Pro & Contra halten sich die Waage)<br />

• Interessiert aber nicht entschlossen<br />

3. Vorbereitung („bald... will ich was ändern<strong>“</strong>)<br />

• Hohe Motivation (in <strong>den</strong> nächsten 30 Tagen)<br />

• Treffen einer Entscheidung für Verhaltensänderung<br />

4. Aktion („jetzt... will ich was ändern<strong>“</strong>)<br />

• Hohes Maß an Entschlossenheit und Engagement<br />

• Konkrete sichtbare Veränderungsschritte wer<strong>den</strong> unternommen<br />

• Hohes Risiko für Rückfälle<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

5. Aufrechterhaltung („für immer will ich was ändern...<strong>“</strong>)<br />

• Zuversicht, das Verhalten und Motivation bleibt<br />

6. Stabilisierungsphase<br />

• Seit mehr als sechs Monaten stabil beibehalten<br />

• Lebenslanger Prozess<br />

Interventionen sollten <strong>dem</strong> jeweiligen Stadium des Prozesses angepasst sein. Einen Jugendlichen zu einer<br />

Raucherentwöhnung schicken, der kein Problembewusstsein hat, muss scheitern!<br />

Wenn aufgrund der richtigen Interventionen ein Jugendlicher von der Phase der Absichtslosigkeit in die<br />

Phase der Absichtsbildung gekommen ist, ist das ein Erfolg.<br />

Interventionen in <strong>den</strong> einzelnen Phasen<br />

Absichtslosigkeit<br />

• Infos geben z.B. Substanzinformationen<br />

• Rückmeldung, Feedback geben: Seit du rauchst machst du im Sport eher schlapp, kann es sein, das<br />

das etwas miteinander zu tun hat?<br />

• Nach emotionalen Bezügen suchen: Wann verspürst du <strong>den</strong>n einen besonders starken Drang zu<br />

rauchen? Während des Streits bist du eine rauchen gegangen, welche Funktion hatte das Rauchen für<br />

dich?<br />

• Aufweisen von Widersprüchen zwischen Denken und Handeln: Du willst gerne Fußballer wer<strong>den</strong> und<br />

rauchst immer mehr, wie kriegst du das auf die Reihe?<br />

• Anbieten alternativer Sichtweisen: Wer <strong>den</strong>kst du ist stärker, der der sich auch mal gegen <strong>den</strong><br />

Gruppendruck stellt oder der der immer mitmacht?<br />

• Aufbau von Selbstvertrauen: Du hast die Schule geschafft, obwohl sich deine Eltern gerade schei<strong>den</strong><br />

ließen. Wie hast Du das geschafft?<br />

• Veränderungsaspekte bewusst machen<br />

• Aktives Zuhören<br />

Um Themen wie Rauchen oder Alkohol trinken mit Gruppen zu bearbeiten, seien die „Wenn ich-Karten<strong>“</strong><br />

empfohlen (www.bayern.jugendschutz.de unter Sucht /Materialdienst)<br />

Absichtsbildung<br />

• Führen von Tagebüchern: Wann rauche ich? Warum? Wie viel?<br />

• Pro & Contra über das Modell der Waage o.ä. her<strong>aus</strong>arbeiten und verdeutlichen: Was bringt dir das<br />

Rauchen? Machst du dir manchmal Gedanken wegen <strong>dem</strong> Rauchen? Was würde passieren, wenn du<br />

das Rauchen aufgibst? Was ist deine schlimmste Phantasie, was passieren könnte, wenn du weiter<br />

rauchst?<br />

Methode: Vier Felder Entscheidungswaage zum Ausfüllen durch die Jugendlichen<br />

Vorteile des Verhaltens Nachteile des Verhaltens<br />

Wenn ich so weitermache, wie bisher… Wenn ich so weitermache, wie bisher…<br />

Nachteile der Veränderung Vorteile der Veränderung<br />

Was kann passieren… Was könnte sich positiv verändern….<br />

• Stimmungsschwankungen und Ambivalenzen zulassen<br />

• Anstoß in Richtung Veränderung geben<br />

Vorbereitung<br />

• Alternativen aufzeigen: Wichtig ist es die Hintergründe und Bedürfnisse, die hinter <strong>dem</strong> Rauchen<br />

stehen, mit <strong>dem</strong> Jugendlichen r<strong>aus</strong> fin<strong>den</strong>. Dann Alternativen erarbeiten: z.B. Wie kann ich mich<br />

belohnen? Wie entspannen? Wie Kontakt aufnehmen?<br />

• Suche nach realistischen und akzeptablen Veränderungsschritten: z. B. Reduktion der Menge, erst am<br />

Abend.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

• Vereinbarungen treffen: Nächsten Montag höre ich mit <strong>dem</strong> Rauchen auf. Ich werde es allen Freun<strong>den</strong><br />

und meinen Eltern mitteilen.<br />

• Eigene „Kontrollmechanismen<strong>“</strong> erarbeiten: Woran merke ich, wenn ich in Gefahr eines Rückfalls<br />

gerate? Was kann ich dann machen?<br />

• Unterstützer suchen<br />

• Veränderungsplan erstellen<br />

Aktion<br />

• Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartung: Du schaffst es, weil...<br />

• Rückfallprophylaxe: In welcher Situation könnte es besonders schwierig wer<strong>den</strong>, wer könnte<br />

versuchen, dich davon abzubringen? Wie könntest du darauf reagieren, wie das vermei<strong>den</strong>?<br />

• Einrichten regelmäßiger Kontakte: SMS, Nachfragen, feste Treffen um Probleme zu besprechen<br />

• Situation thematisieren, Erfolge und situative Versuchungen besprechen<br />

• Evtl. Veränderungsschritte noch kleinschrittiger machen<br />

Verstehen der Ambivalenz der Jugendlichen<br />

Das Verstehen der Ambivalenz ist der wichtigste Schritt zur Veränderungsmotivation.<br />

Rauchen hat für Jugendliche vielfältige Bedeutungen. So gilt z.B. bei Mädchen das Rauchen als modisches<br />

Verhalten mit <strong>dem</strong> Ziel, sich nicht <strong>aus</strong> der Peer-group <strong>aus</strong>zugrenzen und schlank zu bleiben. Rauchen<br />

suggeriert das Image selbstbewusst, autonom, sexuell attraktiv und aufgeschlossen zu sein (Wearing et<br />

al., 2000). Rauchen wird assoziiert mit Erwachsensein, Selbstbewusstsein oder Rebellion. Jungen mit<br />

Schulschwierigkeiten, Aggressivität und Selbstunsicherheit greifen verstärkt zu Zigaretten (Schmidt et al.,<br />

2000). Ebenso wer<strong>den</strong> <strong>dem</strong> Rauchen positive Eigenschaften wie Förderung der Kommunikation und<br />

Entspannung zugeschrieben. Ein noch so unvernünftiges oder unverständliches Verhalten hat immer einen<br />

innerpsychischen <strong>Sinn</strong>. Andererseits ist Rauchen die größte vermeidbare Todesursache in Europa.<br />

Emphatische Gesprächsstrategien<br />

Offene Fragen<br />

In der Anfangsphase ist es wichtig, eine Atmosphäre von Vertrauen und Akzeptanz herzustellen. Offene<br />

Fragen dienen als „Türöffner<strong>“</strong>.<br />

Bei geschlossenen Fragen kann der Jugendliche nur mit ja oder nein antworten: Geht es dir gut? Hast du<br />

ein Problem? Offene Fragen lassen Raum: Wir kennen uns noch gar nicht so lange. Magst du mir etwas von<br />

dir erzählen? Erzähl doch mal, wie sieht <strong>den</strong>n ein normaler Tag bei dir <strong>aus</strong>? Na, wie war`s?<br />

Hier kann mit <strong>dem</strong> „Türöffner Karten<strong>“</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> "Wenn-Ich-Karten für Profis" gearbeitet wer<strong>den</strong> Dies sind<br />

spielerische Reflexionshilfen zur Arbeit mit Multiplikatoren/innen in der Suchtprävention. Die Kartensätze<br />

für <strong>den</strong> Einsatz in Fortbildungen in Schule, Jugendarbeit und Jugendhilfe, bei Elternseminaren sowie ein<br />

Kartensatz zur Gesprächsführung mit suchtmittelkonsumieren<strong>den</strong> Jugendlichen wur<strong>den</strong> von der Aktion<br />

Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V. her<strong>aus</strong>gegeben.<br />

Aktiv zuhören<br />

Häufig sind <strong>dem</strong> Jugendlichen Dinge, die ihn beschäftigen nicht klar, sondern „un<strong>aus</strong>gegoren<strong>“</strong>.<br />

Mitteilungen sind verschlüsselt oder unvollständig.<br />

Um sie zu entschlüsseln muss man genau hinhören und genau hinsehen, <strong>den</strong> ganzen Menschen<br />

wahrnehmen. Neben der verbal vermittelten Inhaltsebene ist die nonverbale Ebene von Bedeutung.<br />

Mimik, Gestik, Haltung Tonfall, Blickkontakt, Nähe, Distanz, ersetzen oder begleiten und unterstreichen<br />

verbale Mitteilungen. Manchmal geben sie uns zusätzliche Informationen oder zeigen Ambivalenzen<br />

zwischen <strong>dem</strong> Gesagten und Gefühlten auf.<br />

Der aktive Zuhörer schließt <strong>aus</strong> <strong>dem</strong>, was er hört, sieht, fühlt, auf das, was der Jugendliche mitteilen wollte<br />

und stellt diese Annahme <strong>den</strong> Jugendlichen wieder zur Verfügung und zwar in Form einer Feststellung.<br />

Bestätigen<br />

Als dritte Anfangsstrategie kann Bestätigen hilfreich sein, <strong>den</strong> Jugendlichen zu loben und Anerkennung<br />

und Verständnis entgegenzubringen. Dies hebt neben all <strong>den</strong> Problemen hervor, dass er/sie auch<br />

Ressourcen hat. „Sicherlich musst du im Moment mit einer Vielzahl von Problemen fertig wer<strong>den</strong> – mehr<br />

als andere Leute. Ich muss schon sagen, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich das auch ganz schön<br />

schwierig fin<strong>den</strong>.<strong>“</strong><br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Typen selbstmotivierender Aussagen:<br />

1. Problembewusstsein: „Mir war nicht wirklich klar, was für ein Risiko das Rauchen ist.<strong>“</strong><br />

2. Besorgnis: (Häufig nonverbal) Wie konnte mir das nur passieren? Ich fasse es nicht.<br />

3. Veränderungsabsicht: „Ich glaube jetzt ist Zeit, dass ich da rangehe.<strong>“</strong><br />

4. Zuversicht: „Ich glaube, ich kriege das hin!<strong>“</strong><br />

Jede dieser Äußerungen bedeutet einen Ausschlag der Waage in Richtung Veränderung. Viele Jugendliche<br />

brauchen aber noch mehr Anregung.<br />

Möglichkeiten zur Förderung selbstmotivierender Äußerungen:<br />

1. Problembewusstsein: „Welche Schwierigkeiten hast du wegen des Rauchens bekommen?<strong>“</strong><br />

2. Besorgnis: „Auf welche Weise beunruhigt dich das?<strong>“</strong>, „Was wäre das Schlimmste, was passieren<br />

könnte, wenn du so weitermachst?<br />

3. Veränderungsabsicht: „Was spricht dafür, in Zukunft weiter zu rauchen? Was spricht dafür, was zu<br />

verändern<strong>“</strong><br />

4. Zuversicht: „Wann hast du im Leben schon mal eine schwierige Veränderung geschafft? Wie hast du das<br />

gemacht? Wie stark ist dein Kampfgeist?<strong>“</strong><br />

Weitere Strategien<br />

Widersprüche (Diskrepanzen) bewusst machen<br />

Verborgene Ambivalenzen zeigen sich häufig durch Widersprüche z.B.<br />

zwischen Zielen und Wünschen und der Lebensführung<br />

zwischen der Selbsteinschätzung und der Realität<br />

zwischen der Gegenwart und der Zukunft<br />

In Gedankengebäu<strong>den</strong> ...<br />

Aufzeigen von Widersprüchen wirkt häufig wie ein „<strong>Augen</strong>öffnen<strong>“</strong> im Stadium der Absichtslosigkeit:<br />

„Rauchen schadet auf die Dauer der Kondition, gleichzeitig willst du Fußballprofi wer<strong>den</strong>. Wie kriegst du<br />

das unter einen Hut?<strong>“</strong><br />

Mit Widerstand umgehen<br />

Je mehr Widerstand ein Jugendlicher zeigt, um so unwahrscheinlicher ist es, dass er sich ändert – zu<strong>dem</strong><br />

wird es wahrscheinlich, dass er vorzeitig die Beratung abbricht.<br />

Widerstand signalisiert, dass der Jugendliche nicht mehr „dabei<strong>“</strong> ist, weil er das Gefühl hat, dass es nicht<br />

mehr um ihn geht.<br />

Widerstand tritt auf, wenn ein/e Berater/in Strategien benützt,<br />

• die zu einem anderen Stadium gehören,<br />

• wenn er/sie <strong>dem</strong>/der Jugendlichen eine bestimmte Lösung ihrer Probleme präsentiert,<br />

• wenn die andere Seite der Ambivalenz zu wenig berücksichtigt wurde,<br />

• wenn die Angst vor Veränderung zu groß ist,<br />

• wenn der Jugendliche das Gefühl hat, dass er unter Druck gesetzt wird,<br />

• wenn er seine Selbstachtung und Selbstständigkeit in Gefahr sieht.<br />

Die Aufgabe des/der Berater/in besteht darin, kehrt zu machen und her<strong>aus</strong>zufin<strong>den</strong>, wo der/die<br />

Jugendliche gerade steht und dort <strong>den</strong> Gesprächsfa<strong>den</strong> wieder aufzunehmen.<br />

Literatur<br />

Keller, Stefan (1999). Motivation zur Verhaltensänderung - Das Transtheoretische Modell in Forschung und<br />

Praxis. Freiburg i.B.: Lambertus<br />

Miller, W.R.; Rollnick,St. (1991) Motivational Interviewing - Preparing people to change addictive<br />

behaviour<strong>“</strong>, dt. Übersetzung 1999. Motivierende Gesprächsführung. Freiburg i.B.: Lambertus<br />

Wer die Motivierende Gesprächsführung vertiefen möchte <strong>dem</strong> sei die Motivierende Kurzintervention bei<br />

konsumieren<strong>den</strong> Jugendlichen (MOVE) Fortbildung empfohlen, die 2003 auf Initiative der NRW-<br />

Landeskoordinierungsstelle für Suchtprävention (Ginko e.V.) entstan<strong>den</strong> ist. MOVE ist ein<br />

Interventionskonzept zur Förderung und Unterstützung der Veränderungsbereitschaft von jungen<br />

Menschen mit problematischem Suchtmittelkonsum, basierend auf <strong>den</strong> Prinzipien der "Motivieren<strong>den</strong><br />

Gesprächsführung". Vermittelt wird MOVE im Rahmen einer dreitägigen Fortbildung. www.ginko-ev.de,<br />

unter Projekte.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

6. Workshop: Come to Marlboro-Country?! Umgang mit (Nicht-) Rauchen auf Freizeiten.<br />

Metho<strong>den</strong> zur Auseinandersetzung im Team und bei Gruppenleiterkursen<br />

Referent: Thomas Engelhardt, Katholische Studierende Jugend Freiburg<br />

Allgemeine Bereiche der Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen:<br />

Jugendarbeit ist nur ein Teil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen. Weitere zentrale<br />

Bereiche sind:<br />

• Das Elternh<strong>aus</strong><br />

• Die Peers<br />

• Die Schule<br />

• Die Gemeinde/das Gemeinwesen bzw. der öffentliche Raum<br />

• Die Medien, hier vor allem das Internet<br />

Es gilt daher, vernetzt zu <strong>den</strong>ken und zu agieren.<br />

Dilemma der Jugendarbeit<br />

Die gesetzliche Regelung ist eigentlich klar und lässt keinen Spielraum zu; die pädagogische Praxis<br />

hingegen ist wesentlich komplexer. Daher gibt es zwei Möglichkeiten: Starres Vorgehen wegen<br />

gesetzlicher Vorgaben (der kurze Weg) oder pädagogische Flexibilität und Differenzierung aufgrund der<br />

Realität (der lange Weg).<br />

Es gilt die politische Forderung nach Schaffung drogenfreier Räume; die meisten Konsumformen wer<strong>den</strong><br />

entsprechend durch Gesetze tabuisiert; betroffene Jugendliche wer<strong>den</strong> sanktioniert; dadurch wer<strong>den</strong><br />

konsumierende Jugendliche <strong>aus</strong>geschlossen bzw. das Problem wird nur an andere Orte verlagert. Die<br />

Realität in Deutschland sieht aber anders <strong>aus</strong>: Es wird viel geraucht, auch unter Erwachsenen, die als<br />

Vorbilder fungieren. Es stellt sich zu<strong>dem</strong> die Frage, ob Rauchen grundsätzlich schlimm ist bzw. ob es nicht<br />

auf das Maß des Konsums ankommt; zu<strong>dem</strong> muss kritisch hinterfragt wer<strong>den</strong>, inwieweit man ein Laster<br />

wie das Rauchen komplett verbieten und andere Laster wie übermäßiges Essen und Trinken vollkommen<br />

freistellen sollte. Jugendliche fragen nach <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong> dieser Gesetze, Verbote und Maßnahmen. <strong>Sinn</strong>voll ist<br />

es daher, im <strong>Sinn</strong>e der akzeptieren<strong>den</strong> Drogenarbeit die Tatsache, dass Drogen konsumiert wer<strong>den</strong>,<br />

anzuerkennen und Drogen nicht radikal zu verneinen, vor allem nicht moralisierend. Es gilt der Grundsatz<br />

der Toleranz: primäre Anerkennung und Wertschätzung jeglichen Umgangs mit Zigaretten; Unterstützung<br />

der Selbstbestimmung der Jugendlichen in Bezug auf <strong>den</strong> Konsum von Drogen im <strong>Sinn</strong>e eines<br />

Selbstbestimmungsrechtes auf freie Entfaltung der eigenen Person. Aber keine negative Toleranz, also nur<br />

Duldung, weil „man ja eh nichts machen kann<strong>“</strong>. Eine offene Auseinandersetzung und Differenzierung des<br />

Themas sowie möglicher Meinungen dazu ist wichtig! Es gibt unterschiedliche Menschen mit<br />

unterschiedlichen Bedürfnissen (und Lastern), eine einseitige Verurteilung führt zu nichts.<br />

Klar ist aber auch, dass die Jugendarbeit einen pädagogischen, erzieherischen Auftrag hat und die Kinder<br />

und Jugendlichen in ihrer positiven Entwicklung unterstützen soll; daher muss reflektiert wer<strong>den</strong>, welche<br />

Grenzen sinnvollerweise gesetzt wer<strong>den</strong>. Erziehung erfolgt entlang dieser Grenzen, die auch zwischen <strong>den</strong><br />

Extremen „gar nicht rauchen<strong>“</strong> und „rauch so viel du willst!<strong>“</strong> liegen kann; Ziel ist die Drogenmündigkeit des<br />

einzelnen Jugendlichen. Weg von der Verminderung von Problemen durch Verbote hin zu stärkender<br />

akzeptierende Präventionsarbeit, welche die Lebensbezüge der Jugendlichen aufgreift. Weg von<br />

Prävention in diesem <strong>Sinn</strong>e hin zu Gesundheitsförderung und der damit verbun<strong>den</strong>en Herstellung von<br />

Bedingungen für eine optimale Kultur des Aufwachsens.<br />

Das konkrete pädagogische Ziel muss individuell von je<strong>dem</strong> Pädagogen bzw. von je<strong>dem</strong> Team<br />

<strong>aus</strong>gehandelt und festgelegt wer<strong>den</strong>; es gibt nicht die Lösung, kein Schwarz-Weiß in Bezug auf das<br />

konkrete Handeln mit Jugendlichen. Daher sind die vorgeschlagenen Metho<strong>den</strong> auch auf eine offene und<br />

ehrliche Diskussion mit <strong>den</strong> Jugendlichen <strong>aus</strong>gelegt. Flankierend braucht es ein drogenpräventives<br />

Gesamtkonzept, das die Arbeit langfristig unterstützt.<br />

Akzeptierende Drogenerziehung (AD)<br />

Die AD zielt darauf ab, Jugendliche in ihrer Auseinandersetzung mit psychoaktiven Substanzen zu<br />

unterstützen und zu fördern, so dass sie drogenmündige Menschen wer<strong>den</strong> können. Sie lernen in diesem<br />

Prozess schrittweise einen subjektiv verantwortlichen und kundigen Umgang mit psychoaktiven<br />

Substanzen. Die AD bedeutet in diesem <strong>Sinn</strong>e einen offenen, selbstbewussten und selbstkritischen<br />

Lernprozess hin zu einem selbstverantwortlichen und kundigen Umgang mit psychoaktiven Substanzen,<br />

der weder die Konsumenten selbst noch andere schädigen kann. Durch diesen Prozess wird ein mündiger<br />

Umgang mit psychoaktiven Substanzen ermöglicht.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Drogenmündigkeit als Ziel der (AD)<br />

• Grundannahme: Drogenkonsumweisen sind komplexe Phänomene, die in der Lebenspraxis der<br />

Menschen verankert und kulturell eingebun<strong>den</strong> sind.<br />

• Paradigmenwechsel: Weg von Verminderungs- oder Ausschlussstrategien hin zur Drogenmündigkeit.<br />

Darunter versteht man die Fähigkeit zum unproblematischen Umgang in individueller, kollektiver und<br />

gesellschaftlicher Hinsicht; also Verhaltensdispositionen und Handlungen, durch welche die<br />

Menschen in der Lage sind, unproblematische, weil integrierte, autonom kontrollierte und<br />

genussorientierte Drogenkonsumformen als in ihrem eigenen Interesse liegend zu erkennen und zu<br />

entwickeln.<br />

• Dadurch wer<strong>den</strong> Bedingungen geschaffen, die die gesellschaftliche Integration des Konsums<br />

psychoaktiver Substanzen in Maßen fördern.<br />

Vor<strong>aus</strong>setzungen für Drogenmündigkeit<br />

• Kompetenzen des einzelnen Individuums:<br />

o Sachgerechte Kenntnis über Drogen und deren Wirkungen<br />

o Genussfähigkeit (inklusive Selbstbeschränkung)<br />

o Kontrollierter Konsum<br />

o Risikomanagement (Umgang mit Risken der Droge)<br />

• Kollektive und gesellschaftliche Rahmenbedingungen:<br />

o Gesetzgebung, welche die Verbots-Altersgrenze nicht zu hoch setzt<br />

o Eine alltägliche Drogenkultur, die auf <strong>dem</strong> Prinzip der Drogenmündigkeit basiert<br />

o Institutionen, die schnell und nicht moralisierend Unterstützung anbieten<br />

Vorgehensweise:<br />

1. Persönliche Auseinandersetzung mit <strong>den</strong> Thema<br />

2. Auseinandersetzung mit <strong>den</strong> anderen im Team und Einigung auf Ziele, eine dazu passende Regelung<br />

und eine konkrete Vorgehensweise<br />

3. Differenzierte Auseinandersetzung mit <strong>den</strong> Jugendlichen<br />

4. Durchsetzung der Regelung<br />

Konkrete Handlungsmöglichkeiten:<br />

• Selbst-Information<br />

• Reflexion des eigenen Umgangs mit Rauchen im Rahmen eines Thementages oder einer<br />

LeiterInnenrunde, Einheit im Rahmen einer GruppenleiterInnen<strong>aus</strong>bildung<br />

• Hinweis auf bzw. Vermittlung von Ausstiegsprogramme<br />

• Kooperation mit anderen Institutionen und Settings, in <strong>den</strong>en sich die Jugendlichen bewegen (vor<br />

allem Schule)<br />

• Sachgerechte Aufklärung der Jugendlichen ohne sofortige Sanktionsandrohungen und<br />

Schuldzuweisungen<br />

• Ausbildung der MultiplikatorInnen (Eltern)<br />

• Nutzung der Peers als positive Verstärker<br />

• Schaffung von sanktionsfreien Räumen, in <strong>den</strong>en man mit Tabak experimentieren kann (aber nicht<br />

beliebig und vor allem mit anschließender Reflexion des Erlebten)<br />

• Ggf. Aufweichung der gesetzlichen Regelungen (Folgen müssen aber vorher bedacht wer<strong>den</strong>!)<br />

Haltung der Hauptberuflichen:<br />

• Ehrlich und authentisch<br />

• Moderierend, vermittelnd<br />

• Position beziehend, <strong>den</strong> Rahmen vorgebend<br />

• Offen und akzeptierend<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Methodische Umsetzung<br />

Metho<strong>den</strong> zur Wissensvermittlung<br />

• Quiz zu verschie<strong>den</strong>en Themenbereichen (hinter jeder Punktzahl verbirgt sich dann eine Frage zu der<br />

jeweiligen Kategorie):<br />

Vor- und Nachteile Die Substanz Rechtlicher Rauchmotive Ausstiegs-<br />

Tabak<br />

Rahmen<br />

möglichkeiten<br />

1 1 1 1 1<br />

2 2 2 2 2<br />

3 3 3 3 3<br />

4 4 4 4 4<br />

• Filme zeigen und diskutieren<br />

o http://www.lung.ch/de/themenschwerpunkte/tabakpraevention/filme-und-kinospots.html<br />

(„Totbringender Rauch<strong>“</strong>)<br />

o http://www.sfa-ispa.ch/index.php?IDthemepub=21&IDpubvis=1&langue=D (<strong>„Aus</strong> voller<br />

Lunge<strong>“</strong>)<br />

o http://www.rauch-frei.info/de/whats-up/film/index.html („Thank you for smoking<strong>“</strong>, <strong>“</strong>Das<br />

Lächeln der Tiefseefische”, „Jargo<strong>“</strong>, „The Insider<strong>“</strong> und andere)<br />

• Materialien zu unterschiedlichen Aspekten des Themas Rauchen verteilen und die Jugendlichen selbst<br />

kurze Präsentationen durchführen lassen<br />

Themen<br />

• Rechtlicher Rahmen<br />

• Verantwortung als LeiterIn<br />

• Gesundheitliche Folgen des Rauchens<br />

• Pädagogische Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Kinder<br />

• Akzeptierende Drogenarbeit<br />

Metho<strong>den</strong> zur persönlichen Auseinandersetzung<br />

• Diskussion von Thesen<br />

• Durchführung von Rollenspielen und Reflexion<br />

• Allgemeiner Fragebogen zum eigenen Rauchverhalten (Rauchprofil)<br />

• Fragen zur persönlichen Rauchgeschichte<br />

• Bingo-Spiel, unter anderem mit Aussagen zum eigenen Konsumverhalten (siehe Curriculum Anti-<br />

Rauchkurs der BZgA)<br />

• Suchtsack (siehe Broschüre des LJR Ba<strong>den</strong>-Württemberg „Mehr als Dauerlauf und Salat<strong>“</strong>)<br />

• Vor- und Nachteilliste (siehe Curriculum Anti-Rauchkurs der BZgA)<br />

• Internetrecherche (Seiten siehe www.rauch-frei.info)<br />

Methode zur Regelfindung<br />

1. Den eigenen Rahmen der Hauptamtlichen vorgeben<br />

2. Vorschläge für eine Regelung innerhalb des Rahmens sammeln<br />

3. Pro und Kontra-Listen für die unterschiedlichen Regelungen erstellen<br />

4. Diskussion<br />

5. Eventuell Kompromisssuche<br />

6. Unterschrift aller unter die Regelung<br />

Variablen<br />

• Rauchen überhaupt erlauben?<br />

• Altersgrenze<br />

• Ort (Raucherzone)<br />

• Raucherzeiten<br />

• Haltung gegenüber <strong>den</strong> Kindern (allgemein und in Konfliktfällen)<br />

• Begleitende (pädagogische) Maßnahmen<br />

• Reaktionen bei Verstößen gegen die Regeln<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Thesendiskussion<br />

Thesen für Hauptamtliche:<br />

• „Welche Fähigkeiten/Kompetenzen in Bezug auf Rauchen/Drogen wollen wir Jugendlichen auf <strong>dem</strong><br />

GruppenleiterInnenkurs beibringen, damit sie mit Kindern auf eine Freizeit fahren können?<strong>“</strong><br />

• „Eigentlich dürfte kein in der Jugendarbeit tätiger Mitarbeiter rauchen.<strong>“</strong><br />

• „In der Jugendarbeit müssen wir mit Gesetzen flexibel umgehen. Es wäre pädagogisch nicht sinnvoll,<br />

sich strikt an die Gesetze zu halten.<strong>“</strong><br />

• „Es ist wichtig, die Meinung der Jugendlichen zu akzeptieren, um sie überhaupt mit der eigenen<br />

Meinung zu erreichen.<strong>“</strong><br />

• „Man kann auch mal eine Ausnahme machen und weggucken, wenn ein 16jähriger Jugendlicher<br />

raucht.<strong>“</strong><br />

• „Wichtig ist, dass ich als Hauptverantwortlicher nichts sehe. Der Rest ist mir egal.<strong>“</strong><br />

Thesen für Jugendliche:<br />

• „Als LeiterIn sollte ich Vorbild sein und auf keinen Fall rauchen.<strong>“</strong><br />

• „Rauchen auf einer Freizeit ist okay, Hauptsache die Kinder kriegen nichts davon mit.<strong>“</strong><br />

• „Rauchen ist vollkommen in Ordnung, solange man es nicht übertreibt.<strong>“</strong><br />

• „Wir sollten klare Regeln haben, an die sich dann auch alle halten.<strong>“</strong><br />

• „Wenn wir Kinder erwischen, die rauchen, dann schicken wir die sofort nach H<strong>aus</strong>e.<strong>“</strong><br />

• „Wir machen regelmäßig Kontrollen, um zu sehen, ob Kinder Zigaretten dabei haben.<strong>“</strong><br />

• „Wer raucht, der raucht sowieso, da können wir dann auch nichts gegen tun. Sonst gehen die dafür in<br />

<strong>den</strong> Wald und fackeln alles ab.<strong>“</strong><br />

Rollenspiele<br />

Können ergänzend zu <strong>den</strong> Thesen eingesetzt wer<strong>den</strong>. Siehe Anhang.<br />

Fragebogen zum Thema Rauchen<br />

Der Fragebogen kann ebenfalls als Methode eingesetzt wer<strong>den</strong>. Siehe Anhang.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

7. Information: Mädchen SUCHT Junge – Ein interaktives Ding in Sachen Sucht<br />

Susanne Keefer, Suchtbeauftragte des Gesundheitsamts der Landeshauptstadt Stuttgart<br />

Projektentwicklung<br />

Das interaktive Lernprojekt für Jugendlich ab 13 Jahren zur geschlechtsspezifischen Suchtprävention<br />

wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Suchtbeauftragten und Beauftragten für<br />

Suchtprophylaxe in Ba<strong>den</strong>-Württemberg entwickelt und von der Innungskrankenkasse finanziell<br />

unterstützt.<br />

Ursprünglich handelte es sich um ein großformatiges Ausstellungsprojekt mit großen Aktionssäulen, die in<br />

<strong>den</strong> Jahren 2001 – 2003 als pädagogisch geführte Wander<strong>aus</strong>stellung durch verschie<strong>den</strong>e Landkreise<br />

Ba<strong>den</strong>-Württembergs unterwegs war.<br />

Im Jahr 2004 wurde aufgrund der positiven Erfahrungen bei <strong>den</strong> Projektdurchführungen eine mobile<br />

Kompaktversion entwickelt, die bei vielen kommunalen Suchtbeauftragten bzw. Beauftragten für<br />

Suchtprophylaxe zahlreicher Landkreise in Ba<strong>den</strong>-Württemberg <strong>aus</strong>geliehen wer<strong>den</strong> kann.<br />

Ei n e<br />

interaktives<br />

Di ng<br />

in Sachen<br />

Su ch t<br />

Projektidee und Projektdesign<br />

Es gibt viele Gründe, warum sich Jugendliche für oder gegen <strong>den</strong> Konsum verschie<strong>den</strong>er Suchtstoffe<br />

entschei<strong>den</strong> – diese sind jedoch bei Mädchen häufig ganz andere als bei Jungen. Ziel des Projektes ist es,<br />

dass sich die Jugendlichen bewusst machen, welche Motive sie als Mädchen bzw. als Jungen haben, wie<br />

die Werbung gezielt versucht, zu manipulieren und welche Alternativen es zum Suchtmittelkonsum gibt.<br />

Auf jeweils acht Tafeln sind geschlechtsspezifische Inhalte zu <strong>den</strong> Themenbereichen Rauchen,<br />

Alkoholkonsum, Essen und Haschisch/Ecstasy aufbereitet, die dann beispielsweise von Schulklassen oder<br />

Jugendgruppen interaktiv bearbeitet wer<strong>den</strong> können.<br />

Ergänzt wer<strong>den</strong> diese Informations- und Aktionstafeln durch ein Infoheft bzw. eine CD-Rom, die der Vor-<br />

und Nachbereitung der Themen im Unterricht oder in der Jugendarbeit dient.<br />

Das Projekt wird grundsätzlich in geschlechtshomogenen Gruppen durchgeführt – für Jungen und für<br />

Mädchen gibt es unterschiedliche Tafeln. Die Durchführung des Projekts dauert in der Regel 120 Minuten,<br />

es kann aber durch weitere Metho<strong>den</strong> zur Aufarbeitung der Themen erweitert wer<strong>den</strong>.<br />

Das Thema Rauchen<br />

Auf acht Tafeln können systematisch mit der Mädchen- oder Jungengruppe die Funktionen und Wirkungen<br />

des Rauchens reflektiert wer<strong>den</strong>. Im Folgen<strong>den</strong> wird zusammengefasst dargestellt, welche Themen und<br />

Metho<strong>den</strong> hierbei Verwendung fin<strong>den</strong>.<br />

Tafel 1<br />

An ein paar Fallbeispielen können die Jugendlichen typische Motive für das Rauchen diskutieren, z.B.<br />

Claudia, 14 Jahre, raucht um schlank zu bleiben. Sie hat festgestellt, dass das Nikotin die Verdauung<br />

fördert. Außer<strong>dem</strong> hilft es ihr weniger zu essen.<br />

Petra, 17 Jahre, hat mal wieder Stress mit <strong>den</strong> Eltern. Sie geht in ihr Zimmer und macht mit einem Knall die<br />

Türe zu. Eine Zigarette hilft ihr erst einmal tief durchzuatmen.<br />

Kevin, 16 Jahre, will älter und cool <strong>aus</strong>sehen und bei Mädchen gut ankommen. Mit seiner Zigarette in der<br />

Hand steht er lässig am Rande der Tanzfläche und beobachtet die tanzen<strong>den</strong> Mädchen.<br />

Sandro, 13 Jahre, hat einen großen Freundeskreis. Viele von seiner Clique sind Raucher. Sie treffen sich oft<br />

bei der Unterführung und rauchen zusammen.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Tafeln 2 und 3<br />

Hier wer<strong>den</strong> wissenschaftliche Daten verständlich präsentiert und können in der Gruppe diskutiert und mit<br />

eigenen Erfahrungen abgeglichen wer<strong>den</strong> – hier steht beispielsweise:<br />

Weißt du,...<br />

...dass junge Männer häufiger, mehr und meist stärkere Zigaretten rauchen als Mädchen?<br />

• Wie ist das in eurem Freundeskreis und warum ist das so?<br />

… dass in der Altersgruppe von 12- bis 13- Jährigen mehr Mädchen als Jungen rauchen?<br />

• Könnt ihr euch daran erinnern, wie das bei euch in der 6. Klasse war?<br />

• Ist das in eurer Klasse auch so?<br />

• Warum, glaubt ihr, ist das so?<br />

• Womit hängt es zusammen?<br />

… dass im Alter von 15 bis 19 Jahren 22 Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen rauchen?<br />

• Warum sind es hier weniger Mädchen?<br />

Hierbei wird immer auch reflektiert, wie es beim anderen Geschlecht sein könnte (Tafel 3).<br />

Tafel 4<br />

Warum rauchen Mädchen und Jungen?<br />

Anhand vorgegebener Antwortmöglichkeiten, die auf magnetische Wölkchen gedruckt sind, kann sich die<br />

Gruppe entschei<strong>den</strong>, ob die Gründe, die für das Rauchen sprechen eher für Mädchen oder eher für Jungen<br />

entschei<strong>den</strong>d sind – entsprechen wer<strong>den</strong> die Wölkchen vom Projektbegleiter zugeordnet (z.B. genießen /<br />

in Kontakt kommen / erwachsen sein / schlank wer<strong>den</strong> / dazugehören…)<br />

Tafeln 5 bis 7<br />

Hier wird mit Hilfe von kleinen Magneten ein Meinungsbild auf der Tafel erstellt. Wie bei<br />

Metaplanmetho<strong>den</strong> können die Jugendlichen ihre Einstellungen zum Rauchen auf der Magnettafel sichtbar<br />

machen.<br />

Dabei geht es zunächst um typische Rauchsituationen von Jugendlichen, z.B.: heimlich auf <strong>dem</strong><br />

P<strong>aus</strong>enhof, zusammen mit der Clique, nach <strong>dem</strong> Essen, in der Disco, zum Kaffee. Und dann um individuelle<br />

Gründe für das Rauchen wie für das Nichtrauchen, z.B.: Aussehen der Zigarette, Kinowerbung, Mutter,<br />

Vater, Freunde, Idole, Geschmack.<br />

Tafel 8<br />

JedeR Jugendliche steht vor der Entscheidung für oder gegen das Rauchen – hier wird nochmals reflektiert,<br />

ob sich die eigene Meinung ein Stück weit geändert hat. Auf Kärtchen können sich die Jugendlichen etwas<br />

vornehmen:<br />

„Ich will im nächsten Monat…<strong>“</strong><br />

„Ich will im nächsten Monat nicht mehr…<strong>“</strong><br />

„Ich will im nächsten Monat weiterhin…<strong>“</strong><br />

Eine weitere Spielvariante ist, dass sich die Jugendlichen eine Patin/einen Paten <strong>aus</strong>suchen, der/die sie<br />

vier Wochen später nach der Einhaltung der Vorsätze befragt.<br />

Ergänzt wer<strong>den</strong> die Texte der Tafeln durch ein Metho<strong>den</strong>heft, in <strong>dem</strong> alle Texte enthalten sind und weitere<br />

Metho<strong>den</strong> für die Aufarbeitung des Themas vorgeschlagen wer<strong>den</strong>.<br />

Gut bewährt hat sich z.B. folgendes Rollenspiel:<br />

27


Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Einleitung<br />

„Es ist nicht immer so leicht wie es scheint mit <strong>dem</strong> Nichtrauchen. Es gibt Situationen, in <strong>den</strong>en es<br />

besonders schwer fällt, „Nein<strong>“</strong> zu sagen. Wir wollen nun versuchen, diese Situationen nachzuspielen.<strong>“</strong><br />

Jede Situation wird in zwei Varianten gespielt:<br />

– Mit der Entscheidung für das Rauchen<br />

– Mit der Entscheidung gegen das Rauchen.<br />

Die Begleiterin gibt die erste Situation vor, unabhängig von der Gruppenzusammensetzung. Die zweite<br />

Geschichte darf von <strong>den</strong> Jugendlichen selbst gewählt oder neu entwickelt wer<strong>den</strong>.<br />

Die Jugendlichen entschei<strong>den</strong> auch darüber, ob sie zunächst die Situation spielen möchten, in der sie sich<br />

für die Zigarette, oder lieber die Situation, in der sie sich gegen die Zigarette entschei<strong>den</strong>.<br />

Beispiele für Spielsituationen<br />

• Du überlegst dir mit deiner besten Freundin, ob ihr eine Zigarette <strong>aus</strong>probieren wollt. In der ersten<br />

Spielsituation lässt du dich von deiner Freundin zum Rauchen überre<strong>den</strong>, in der zweiten Situation<br />

lehnst du dieses Angebot ab.<br />

• Peter hat sich in ein Mädchen <strong>aus</strong> der Parallelklasse verliebt, das raucht. Nach der Schule würde er sie<br />

gerne ansprechen. Er überlegt sich, ob er mit einer Zigarette mehr Chancen hat. Sie bietet ihm eine<br />

Zigarette an. Wie handelt Peter?<br />

• In der Clique rauchen alle. Sie wollen dich dazu überre<strong>den</strong> mitzurauchen. Aus Angst, <strong>aus</strong> der Clique<br />

<strong>aus</strong>geschlossen zu wer<strong>den</strong>, wagst du es nicht, die Zigarette abzulehnen. In der zweiten Spielsequenz<br />

lehnst du die Zigarette ab, auch auf die Gefahr hin, dass alle dich blöd fin<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Der Ausgang der Rollenspiele ist völlig offen, es können sich immer wieder neue Variationsmöglichkeiten<br />

ergeben. Die Spielleiterin sollte bei der Einführung des Rollenspiels nicht zu viele Vorgaben machen.<br />

Zigaretten als Requisiten wer<strong>den</strong> nicht eingesetzt!<br />

Ausleihbedingungen<br />

Die Magnettafeln mit Magneten, Wölkchen, Kärtchen und <strong>dem</strong> <strong>aus</strong>führlichen Infoheft können bei vielen<br />

kommunalen Suchtbeauftragten/Beauftragten für Suchtprophylaxe der Stadt- und Landkreise <strong>aus</strong>geliehen<br />

wer<strong>den</strong>. Es gibt regional unterschiedliche Ausleihbedingungen – meist ist die Ausleihe jedoch kostenlos.<br />

In manchen Landkreisen wird das Projekt nur mit geschulten ProjektbegleiterInnen durchgeführt.<br />

Für <strong>den</strong> Transport der Thementafeln ist aufgrund des Gewichts unbedingt ein PKW erforderlich – eine<br />

Sackkarre für <strong>den</strong> Transport durch das Gebäude kann meist mitgeliefert wer<strong>den</strong>.<br />

Projekt-Kontakt<br />

Dieter Moser, Stadt Karlsruhe<br />

Präventionsbüro Drogenhilfe Karlsruhe<br />

Kaiserstraße 64<br />

76133 Karlsruhe<br />

Tel: 0721 – 133-5391<br />

Fax: 0721 – 133-5489<br />

drogenhilfe@karlsruhe.de<br />

Vorgestellt von: Susanne Keefer<br />

Landeshauptstadt Stuttgart<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

8. Anhang<br />

a. Workshop: Come to Marlboro-Country?! Metho<strong>den</strong> Rollenspiel und Fragebogen<br />

Rollenspiele<br />

Rollenspiel A (persönlicher Umgang mit Rauchen):<br />

Situation:<br />

Daniel, Matthias und Peter (alle 17 Jahre alt) treffen sich bei Daniel. Im Gespräch kommt das Thema<br />

Rauchen auf.<br />

Rollenbeschreibung Daniel:<br />

Du findest Rauchen vollkommen okay. Du rauchst selbst schon seit drei Jahren regelmäßig. Es schmeckt<br />

dir, außer<strong>dem</strong> findest du die Haltung beim Rauchen einfach lässig. Gerne nimmst du mal eine Zigarette,<br />

um dich zu entspannen. Du weißt zwar um die ganzen negativen Folgen, die sind dir jetzt aber nicht so<br />

wichtig und außer<strong>dem</strong> gibt es auch viele andere Laster, die andere Menschen haben und das stört ja auch<br />

keinen. Entsprechend argumentierst du in <strong>dem</strong> Gespräch mit deinen bei<strong>den</strong> Kumpels.<br />

Peter, der offensichtlich unentschie<strong>den</strong> ist, möchtest du davon überzeugen, dass er es doch unbedingt<br />

mal probieren sollte.<br />

Rollenbeschreibung Matthias:<br />

Du hast mal geraucht (als du 15 warst) und dann damit aufgehört, weil es dir nicht wirklich geschmeckt<br />

hatte und du sowieso nur wegen deiner Clique angefangen hattest. Mittlerweile hast du dich gut informiert<br />

über die ganzen negativen Folgen. Mit Daniel, der eigentlich ein guter Kumpel von dir ist, bist du<br />

diesbezüglich schon öfter aneinandergeraten, er ist nämlich lei<strong>den</strong>schaftlicher Raucher.<br />

Peter hingegen hat noch nie geraucht und überlegt nun, damit anzufangen. Das möchtest du unbedingt<br />

verhindern, <strong>den</strong>n beim Probieren, wie man es zu Beginn nennt, bleibt es in der Regel nicht. Von Daniel<br />

erwartest du wenigstens, dass er Peter nicht auch mit reinzieht, wenn er selbst schon nicht damit aufhört.<br />

Rollenbeschreibung Peter:<br />

Bisher hast du noch nie geraucht, weil du <strong>den</strong> Rauch irgendwie ekelhaft fandest. Irgendwie üben<br />

Zigaretten aber auch eine Faszination auf dich <strong>aus</strong>. Du überlegst dir daher, es mal zu probieren, um zu<br />

sehen, ob die Dinger auch so ekelhaft schmecken, wie sie riechen. So ganz und gar überzeugt bist du aber<br />

noch nicht.<br />

Daniel scheint damit keine Probleme zu haben. Er ist überzeugter Raucher. Matthias hingegen ist total<br />

Anti. Du bist dabei, abzuwägen, ob du es nicht doch mal probieren oder es lieber ganz lassen solltest.<br />

Rollenspiel B (Suche nach einer gemeinsamen Strategie in der Leiterrunde):<br />

Situation:<br />

In der Leiterrunde habt ihr eine Kleingruppe gebildet, die das Zeltlager vorbereitet. Mit dabei sind Nike<br />

(17), Tobi (19), Miri (17) und Philipp (16). Beim heutigen Treffen habt ihr das Thema Rauchen und wie ihr<br />

damit während des Lagers, auf das 10-15jährige kommen wer<strong>den</strong>, umgehen wollt. Euer Ziel ist es, eine<br />

gemeinsame Regelung zu fin<strong>den</strong> und dieser der gesamten Leiterrunde vorzuschlagen.<br />

Rollenbeschreibung Nike:<br />

Du möchtest ein generelles Rauchverbot. Rauchen findest du super scheiße, du hast auch noch nie in<br />

deinem Leben geraucht und überhaupt ist es doch so offensichtlich, dass Rauchen nur negative<br />

Konsequenzen hast. Auch kannst du es überhaupt nicht mit deiner Rolle als Leiterin auf einer<br />

Kinderfreizeit vereinen, dass auch nur irgendjemand – egal wie alt und egal ob Leiter oder Teilnehmer –<br />

eine Zigarette raucht.<br />

Rollenbeschreibung Tobi:<br />

Du rauchst zwar selbst, möchtest aber während des Zeltlagers gerne darauf verzichten, weil du dich als<br />

verantwortlich für die Kinder siehst und Vorbild sein möchtest. Du verlangst das aber nicht von allen<br />

anderen Leitern. Du kannst dir schon eine Regelung vorstellen, bei der Leiter an einem bestimmten Ort, der<br />

<strong>den</strong> Kindern nicht sofort zugänglich ist, außerhalb der Programmzeiten rauchen dürfen. Dir geht es vor<br />

allem um die Haltung der rauchen<strong>den</strong> Leiter. Du möchtest, dass Rauchen nicht als etwas Tolles dargestellt<br />

wird, das sich nachzuahmen lohnt.<br />

Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, dass auch unter 16jährige rauchen.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Rollenbeschreibung Miri:<br />

Du rauchst lei<strong>den</strong>schaftlich gerne und möchtest während des Zeltlagers nicht auf die geselligen Momente<br />

verzichten. Dabei möchtest du dich auch nicht auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Tageszeit<br />

einschränken lassen.<br />

Teilnehmer sollten eher mal nicht rauchen. Das neue Gesetz findest du aber ziemlich panne und<br />

realitätsfern. Also so ab 15 Jahren raucht man halt und das kann man ja auch auf einem Zeltlager nicht<br />

unterbin<strong>den</strong>. Daher plädierst du für eine lockere Lösung. Offiziell wird natürlich de gesetzliche<br />

Altersgrenze vorgegeben. Die ganz Jungen (so etwa bis 14) sollen auch wirklich nicht rauchen dürfen, ab 15<br />

kann man dann aber wegschauen.<br />

Rollenbeschreibung Philipp:<br />

Du bist gegen jegliches Rauchverbot. Wer raucht, raucht sowieso, egal wie alt die sind. Du findest es auf<br />

je<strong>den</strong> Fall besser, dass die Kinder offen vor dir rauchen, als dass sie <strong>den</strong> Wald anzün<strong>den</strong> (das ist das<br />

Argument, das du immer wieder und wieder hervorbringst). Natürlich möchtest du drauf achten, dass<br />

Kinder, die noch nicht geraucht haben, damit auf <strong>dem</strong> Lager nicht anfangen, aber die anderen daran zu<br />

hindern, findest du sau uncool und lebensfremd.<br />

Du selbst rauchst natürlich auch und möchtest dich darin nicht beschränken. Du siehst das Zeltlager auch<br />

als Urlaub von der stressigen Schule an, da möchtest du auf je<strong>den</strong> Fall Spaß haben und Rauchen gehört da<br />

nun mal dazu.<br />

Rollenspiel C (Umgang mit der Rolle als LeiterIn):<br />

Situation:<br />

Die Leiter Clemens und Birthe machen abends nach Ende des Programms noch einen kleinen Spaziergang<br />

im Wald. Plötzlich hören sie Kinderstimmen. Sie nähern sich vorsichtig und sehen, wie drei ihrer<br />

Gruppenkinder (Nico, Robin und Anja, alle 13 Jahre alt) Zigaretten rauchen. Clemens und Birthe gehen auf<br />

die Kinder zu.<br />

Rollenbeschreibung Nico:<br />

Du bist der Anführer der Gruppe und hattest die Idee, in <strong>den</strong> Wald zu gehen und heimlich eine Zigarette zu<br />

rauchen. Robin und Anja sind dir gefolgt, andere <strong>aus</strong> deiner Clique hatten nicht <strong>den</strong> Mut dazu.<br />

Clemens und Birthe findest du zwar ziemlich cool, aber du findest sie manchmal ziemlich pienzig und<br />

gerne missachtest du mal eine ihrer Anweisungen. Als du siehst, wie sie zu euch kommen, erschrickst du<br />

innerlich einen Moment, beschließt dann aber eine auf „Cool<strong>“</strong> zu machen und so zu tun, wie als wäre<br />

nichts. Frei nach <strong>dem</strong> Motto: Die sollen sich mal nicht so haben. Du führst Argumente ins Feld wie „ihr<br />

raucht doch auch<strong>“</strong> oder „nur weil man mal eine probiert, stirbt man noch nicht<strong>“</strong> oder „ihr seid echt mega<br />

uncool<strong>“</strong> etc.<br />

Rollenbeschreibung Robin:<br />

Du bist in der Clique von Nico (er ist euer Anführer). Er hatte euch auf die Idee gebracht, heimlich im Wald<br />

Zigaretten zu rauchen. Eigentlich findest du Zigaretten ja ziemlich eklig, aber um Nico zu gefallen, bist du<br />

– im Gegensatz zu anderen <strong>aus</strong> eurer Clique – mitgekommen.<br />

Vor Clemens und Birthe hast du großen Respekt. Als du die bei<strong>den</strong> auf euch zukommen siehst, erschrickst<br />

du innerlich. Du merkst aber, dass Nico ganz cool zu bleiben scheint und beschließt daher, im zu folgen<br />

und erst mal selbst nichts zu sagen. Er wird das schon richten. Gegen Clemens und Birthe würdest du aber<br />

nicht offen rebellieren.<br />

Rollenbeschreibung Anja:<br />

Du bist seit einigen Wochen in Nico verknallt. Du findest ihn total süß und nur seinetwegen bist du mit auf<br />

das Zeltlager gekommen. Außer<strong>dem</strong> ist er der Anführer der Jungsclique und allseits geachtet. Als er dich<br />

fragte, ob du Bock hättest, heimlich eine rauchen zu gehen, hast du sofort zugesagt, obwohl du großen<br />

Schiss hattest – einerseits vor <strong>dem</strong> Rauchen selbst, <strong>den</strong>n du hast noch nie geraucht, andererseits davor<br />

erwicht zu wer<strong>den</strong>.<br />

Als du Clemens und Birthe kommen siehst, erschrickst du heftig. Du hast Angst, dass sie dich jetzt sofort<br />

nach H<strong>aus</strong>e schicken wer<strong>den</strong> und das fändest du ganz fürchterlich. Gleichzeitig möchtest du aber Nico<br />

gefallen, so dass du vollkommen hin und hergerissen bist. Deshalb hältst du dich erst mal zurück und<br />

sagst gar nichts. Du würdest es aber nicht wagen, <strong>den</strong> Leitern zu widersprechen.<br />

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Dokumentation der Tagung <strong>„Aus</strong> <strong>den</strong> <strong>Augen</strong>, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sinn</strong>?!<strong>“</strong> – Wege der Tabakprävention und des<br />

Nichtraucherschutzes in der Jugendarbeit am 11. Juli 2008 in Stuttgart.<br />

Fragebogen zum Thema Rauchen<br />

Bitte beantworte die Fragen ehrlich. Die Fragen wer<strong>den</strong> anonym <strong>aus</strong>gewertet!<br />

1.) Hast Du schon einmal in Deinem Leben geraucht?<br />

ja nein<br />

Wenn Du noch nie geraucht hast, weiter bei Frage 12.<br />

2.) Wann hast Du mit <strong>dem</strong> Rauchen angefangen?<br />

< 10Jahre 11-13 J. 14-16 J. > 16 J.<br />

3.) Hast Du schon einmal aufgehört und wieder angefangen?<br />

nein 1x 2-3x öfter als 3x<br />

4.) Wie oft rauchst Du derzeit Zigaretten?<br />

nie wöchentlich täglich 5x täglich öfter<br />

Wenn Du nicht mehr rauchst, weiter bei Frage 12.<br />

5.) Wenn Du auf eine Party gehst und rauchst, wie viele Zigaretten sind es dann?<br />

1-2 3-5 6-10 mehr<br />

6.) Hat sich schon mal jemand mit Dir über Deine Rauchgewohnheiten unterhalten, weil er oder sie<br />

sich Sorgen darüber gemacht hat?<br />

nie 1-2 Personen mehr Personen<br />

7.) Hast Du ein schlechtes Gewissen, weil Du rauchst?<br />

ja nein<br />

8.) Warum rauchst Du?<br />

Genuss Langeweile Stressbewältigung …<br />

als Diät meinE PartnerIn raucht meine Freunde rauchen<br />

9.) Wür<strong>den</strong> Du gerne aufhören zu rauchen?<br />

ja nein<br />

10.) Welche positiven körperlichen Reaktionen stellst Du fest?<br />

11.) Welche negativen?<br />

12.) Gibt es Personen in Deinem Umfeld, bei <strong>den</strong>en Du das Gefühl hast, sie rauchen zu viel?<br />

nein 1-2 Personen mehr Personen<br />

13.) Rauchen bewirkt:<br />

Husten Lungenkrebs Erektionsprobleme<br />

14.) Weshalb rauchst Du nicht?<br />

zu teuer <strong>aus</strong> Überzeugung schlechte Erfahrungen<br />

keine Lust meinE PartnerIn raucht nicht meine Freunde rauchen nicht<br />

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