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Zur Darstellung künstlerischer Existenz in Thomas Manns frühen ...

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sche’, dekadente Artistik Wagners und nimmt ohne subjektive Kritik Wagners be-<br />

trügerische und als Charakterverfall des wahren Künstlers kritisierte Artisten-Per-<br />

sönlichkeit wahr – nicht ohne sich dafür psychologisch zu rechtfertigen. Aus Nietz-<br />

sches kritisierten, als unvere<strong>in</strong>bar def<strong>in</strong>ierten Begriffen stellt er e<strong>in</strong>e Synthese her,<br />

die für se<strong>in</strong> frühes literarisches Werk bestimmend geworden ist.<br />

Der moderne Artist ersche<strong>in</strong>t <strong>Thomas</strong> Mann menschlich nicht mehr als e<strong>in</strong>e cha-<br />

rakterschwache Person und schon gar nicht als bloßer Lügner gegenüber se<strong>in</strong>em Pu-<br />

blikum oder gar gegenüber sich selbst, wenn er se<strong>in</strong>e künstlerisch-praktische Wir-<br />

kung zu erzielen versucht, um Geld zu verdienen und <strong>in</strong> ganz materieller Weise sei-<br />

ne <strong>Existenz</strong> zu sichern. Diese Charakterschwäche des modernen künstlerischen Tal-<br />

ents ist <strong>Thomas</strong> Mann zwar bewusst, er betrachtet sie aber nicht als Verstoß gegen<br />

e<strong>in</strong>e künstlerische Moral, an die er sowieso nicht mehr glaubt, sondern im Gegenteil<br />

als e<strong>in</strong>en psychologischen Befreiungsprozess des Ich als e<strong>in</strong>es ästhetischen Wesens.<br />

Dar<strong>in</strong> besteht se<strong>in</strong>e „nachträgliche Psychologie“. 25<br />

Er sieht sich selbst nicht als schuldig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kunstpraxis, <strong>in</strong> der er ja musikali-<br />

sche Kunstmittel und künstlerische Techniken wie die Montage- und die Leitmotiv-<br />

technik aufgenommen und abgewandelt werden, um se<strong>in</strong> Publikum zu begeistern.<br />

Der moderne Artist benutzt se<strong>in</strong>e Kunst als Mittel, um f<strong>in</strong>anzielle und soziale Vor-<br />

teile zu erzielen. Infolge dessen wird er <strong>in</strong> Nietzsches Kritik als schuldig angesehen,<br />

da er se<strong>in</strong>e künstlerische Gabe missbrauche; als schuldig kann er darüber h<strong>in</strong>aus<br />

wegen e<strong>in</strong>es durch diese Artistik bloß verdeckten Mangels an <strong>künstlerischer</strong> Bega-<br />

bung befunden werden. <strong>Thomas</strong> Mann dagegen betrachtet sich selber als e<strong>in</strong>en un-<br />

schuldigen Erzeuger e<strong>in</strong>es modernen Kunstwerks. Um die psychische Befreiung<br />

se<strong>in</strong>es eigenen Ichs zu verteidigen, die <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em analytischen Intellekt begründet<br />

ist und Prozesse e<strong>in</strong>er mythologischen Verarbeitung eigener <strong>in</strong>tellektueller und see-<br />

lischer Voraussetzungen e<strong>in</strong>schließen kann, erklärt er: „Bei der Arbeit b<strong>in</strong> ich un-<br />

schuldig und selbstgenügsam“. 26<br />

Vor allem <strong>in</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Manns</strong> E<strong>in</strong>beziehung der Musik <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e literarischen Texte<br />

– als Thema und als Verfahren etwa der Leitmotivtechnik – wird die Übernahme<br />

und Umsetzung der musikalischen Kunst Richard Wagners sichtbar. Der verführeri-<br />

sche, berauschende Charakter se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tellektuell kalkulierten Musik gew<strong>in</strong>nt <strong>in</strong>stru-<br />

25 Kurzke 1997, S. 116.<br />

26 Ebd., S. 117.<br />

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