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Sauberer Strom aus Holzkraftwerken

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Handelszeitung, 29.11.2000<br />

Zeitungs-Nummer: 48<br />

Seite 91<br />

Energie<br />

<strong>Sauberer</strong> <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> <strong>Holzkraftwerken</strong><br />

ÖKOSTROM · Private Investoren möchten in der Schweiz Kraftwerke<br />

bauen, die künftig Elektrizität <strong>aus</strong> Holz produzieren. Bereits im nächsten<br />

Jahr soll das erste Kraftwerk ans Netz gehen.<br />

Von Felix Schmid<br />

Wenn alles nach Plan läuft, gehen wir im Jahr 2001 ans Netz», sagt Thomas Fedrizzi,<br />

Verwaltungsrat der Enercontract AG. Das Energiedienstleistungs-Unternehmen will im<br />

aargauischen Rupperswil ein Holzkraftwerk bauen. Eine Bewilligung liegt bereits vor. 7<br />

Mio Kilowattstunden (kWh) <strong>Strom</strong> soll die Anlage dereinst liefern - <strong>aus</strong>reichend, um den<br />

Verbrauch von 1700 H<strong>aus</strong>halten zu decken. Darüber hin<strong>aus</strong> wird das Kraftwerk die<br />

Fernwärmeversorgung Wildegg mit Heizenergie und die nahe Jura-Cement-Fabrik mit<br />

Prozesswärme versorgen. Hat das Projekt Erfolg, sollen weitere Anlagen folgen.<br />

Mit der Absicht, <strong>aus</strong> Holz <strong>Strom</strong> zu produzieren, ist die Enercontract AG nicht allein.<br />

Eine Firma in Netstal will demnächst zwei Anlagen in der Ostschweiz bauen. Und auch<br />

im Bundesamt für Bauten und Logistik, das im letzten Jahr auf dem Waffenplatz Bière<br />

ein Holzkraftwerk erstellte, kann man sich weitere Anlagen vorstellen. Dass die Idee<br />

Hochkonjunktur hat, hängt von den energiepolitischen Rahmenbedingungen ab.<br />

Einerseits wird die Energieerzeugung mit Holz derzeit mit einem 45-Mio-Fr.-Kredit<br />

gefördert, den die eidgenössischen Räte für die Nutzung des Lothar-Sturmholzes<br />

gesprochen haben. Andererseits wird der Verkauf von <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> umweltfreundlicher<br />

Produktion erleichtert, sobald das Elektrizitätsmarktgesetz in Kraft tritt. Ohne finanzielle<br />

Förderung oder energiepolitisch begründete Wettbewerbsvorteile hätten es<br />

Holzkraftwerke schwer.<br />

<strong>Strom</strong> für 25 Rappen<br />

Hanspeter Eicher, Leiter des Ressorts Regenerierbare Energien des<br />

Aktionsprogramms «Energie 2000», rechnet mit <strong>Strom</strong>gestehungskosten zwischen 15<br />

Rp. und 30 Rp. je kWh. Das ist ein Vielfaches des Preises, der auf dem Europäischen<br />

<strong>Strom</strong>markt für Bandenergie derzeit verlangt wird. Mit ähnlich hohen Produktionskosten<br />

rechnete man beim Ausbau des Wasserkraftwerkes am Grimsel. Das Projekt wurde<br />

unter anderem wegen der unsicheren Rentabilität aufgegeben.<br />

Im Falle des Holzkraftwerkes Rupperswil soll der <strong>Strom</strong> für 15 Rp. je kWh dem örtlichen<br />

Elektrizitätswerk verkauft werden. Zu diesem Ansatz müssen unabhängige<br />

Produzenten von <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> erneuerbaren Energien gemäss Energiegesetz vergütet<br />

werden. Um unter dieser Preismarke produzieren zu können, wollen die Initianten<br />

kostengünstigen Brennstoff einsetzen. Neben Holz <strong>aus</strong> dem Wald, sollen Grüngut,<br />

Restholz <strong>aus</strong> der Holz verarbeitenden Industrie und Altholz eingesetzt werden. Würde<br />

<strong>aus</strong>schliesslich Waldholz verbrannt, lägen die Produktionskosten deutlich höher.<br />

Fedrizzi rechnet mit 25 Rp.<br />

Brennstoff künftig <strong>aus</strong> dem Wald<br />

Er schliesst nicht <strong>aus</strong>, dass das Werk in Rupperswil in Zukunft den Brennstoff zu 100%<br />

<strong>aus</strong> dem Wald bezieht. Vor<strong>aus</strong>setzung wäre, dass der erzeugte <strong>Strom</strong> auf dem freien<br />

<strong>Strom</strong>markt als Ökostrom verkauft werden könnte. Die Chancen dazu bestehen:<br />

Studien <strong>aus</strong> dem In- und Ausland belegen, dass die Verbraucher von H<strong>aus</strong>haltsstrom<br />

bereit wären, gegen 25% ihres Verbrauchs mit Ökostrom zu decken, falls der Preis


dafür lediglich einige Rappen über demjenigen für konventionellen <strong>Strom</strong> läge. Für<br />

<strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> Solaranlagen verlangen die Elektrizitätswerke heute rund 1 Fr. je kWh - bei<br />

steigendem Absatz. Könnte der Preis für den Ökostrommix durch den vergleichsweise<br />

kostengünstigen <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> <strong>Holzkraftwerken</strong> gesenkt werden, dürfte die Nachfrage<br />

steigen.<br />

Technisch stellt die <strong>Strom</strong>erzeugung <strong>aus</strong> Holz kein Problem dar. Das Prinzip ist<br />

weitgehend identisch mit demjenigen konventioneller thermischer Kraftwerke. Zum<br />

Einsatz kommen Dampfturbinen und Dampfmotoren. Der wesentliche Unterschied<br />

besteht bei der Dampfproduktion. Anstelle eines Gas- oder Kohleheizkessels kommt<br />

eine Holzfeuerung zum Einsatz. Genau gleich wie bei fossilen Kraftwerken entsteht<br />

dabei Abwärme - und zwar 2-mal bis 4-mal mehr im Verhältnis zur produzierten<br />

Elektrizität. Diese Energie sollte <strong>aus</strong> wirtschaftlichen Gründen und im Sinne einer<br />

rationellen Energienutzung zu Heizzwecken genutzt werden. Die Schwierigkeit liegt<br />

dabei darin, Standorte zu finden, an denen - möglichst ganzjährig - grosse<br />

Wärmemengen gebraucht werden. Denn ein Kraftwerk wie in Rupperswil erzeugt<br />

immerhin Heizwärme für 500 Einfamilienhäuser, und kleine Anlagen mit wenig Leistung<br />

zu bauen, lohnt sich <strong>aus</strong> wirtschaftlichen Gründen nicht.<br />

Als mögliche Standorte bieten sich Quartiere mit einer Nah- oder<br />

Fernwärmeversorgung an. Nachteil bildet in diesem Fall der fehlende Wärmebedarf im<br />

Sommer. Dadurch muss das Holzkraftwerk in der warmen Jahreszeit abgestellt<br />

werden, oder man kühlt die Wärme wie in einem Kernkraftwerk ungenutzt weg. Besser<br />

geeignet sind Industriebetriebe, die viel Prozesswärme benötigen: Papierfabriken,<br />

Anlagen der chemischen Industrie, Hersteller von Werkstoffplatten.<br />

Als Beispiel nennt Hanspeter Eicher die Furnierfabrik Iseli AG in Lengwil im Kanton<br />

Thurgau. Seit zwei Jahren wird dort mit Holzabfällen <strong>aus</strong> der Produktion Heizenergie<br />

für die Trocknungsanlage erzeugt und gleichzeitig ein 390-kW-Dampfmotor<br />

angetrieben, der 40% des <strong>Strom</strong>bedarfes liefert. Dank der Eigenproduktion von<br />

Elektrizität konnten die <strong>Strom</strong>bezugsspitzen <strong>aus</strong> dem Netz stark reduziert werden. Dies<br />

bringt monatliche Einsparung von 16 000 Fr. beim Leistungspreis. Trotz der Konkurrenz<br />

durch kostengünstige fossile Energieträger ist die Anlage wirtschaftlich. Inwiefern sich<br />

das Beispiel multiplizieren lässt, ist allerdings ungewiss. Thomas Fedrizzi rechnet<br />

damit, dass in der ganzen Schweiz höchstens einige Dutzend solcher Betriebe zu<br />

finden sind.<br />

Beitrag an Klimaschutz<br />

Trotz der schwierigen Standortsuche ist auch das Bundesamt für Energie am Bau von<br />

<strong>Holzkraftwerken</strong> interessiert. Die Produktion von <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> Holz unterstützt die Ziele<br />

der schweizerischen Energiepolitik nämlich in mehrfacher Hinsicht: Erstens liefern<br />

Holzkraftwerke kontinuierlich erneuerbare Energie - im Gegensatz zu Wind- und<br />

Solarkraftanlagen. Somit tragen sie dazu bei, den Anteil inländischer <strong>Strom</strong>produktion<br />

im Winterhalbjahr zu erhöhen. Zweitens verbrennt Holz CO2-neutral; es entsteht kein<br />

zusätzliches Treibh<strong>aus</strong>gas. Und drittens verfügt die Schweiz über ein grosses<br />

ungenutztes Energieholzpotenzial.<br />

Laut Schätzungen der kantonalen Forstdienste könnte zwei- bis dreimal mehr Holz<br />

genutzt werden, ohne dass dadurch die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes in<br />

Frage gestellt würde. Die Schweizerische Vereinigung für Holzenergie hat errechnet,<br />

dass dadurch 750 000 Wohneinheiten zusätzlich mit Holz beheizt oder mit <strong>Strom</strong><br />

versorgt werden könnten. Die vermehrte Energiegewinnung <strong>aus</strong> Holz würde aber auch<br />

die Waldpflege verbessern und die einheimische Waldwirtschaft unterstützen.<br />

Bund will <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong> Holz fördern<br />

Im Aktionsprogramm «Energie 2000» wird der <strong>Strom</strong>erzeugung <strong>aus</strong> Holz denn auch<br />

grosser Stellenwert beigemessen. Beim Ziel, die Elektrizitätserzeugung <strong>aus</strong><br />

erneuerbaren Energien bis zum Ende des Jahres 2000 um 300 Mio kWh zu steigern,<br />

hat die Holzenergie einen Anteil von über 60%. Das Nachfolgeprogramm «Energie<br />

Schweiz» will die <strong>Strom</strong>erzeugung <strong>aus</strong> Holz sogar noch steigern. Hintergrund bilden die<br />

an der Weltklimakonferenz von Kyoto eingegangenen Verpflichtungen zur Senkung der


CO2-Emissionen.<br />

Ein Szenario des Paul-Scherrer-Institutes in Villigen geht davon <strong>aus</strong>, dass der Anteil<br />

der erneuerbaren Energien an der Elektrizitätsproduktion der Schweiz dazu bis zum<br />

Jahr 2020 auf über 5% steigen muss. Das heisst dreimal mehr <strong>Strom</strong> <strong>aus</strong><br />

Sonnenenergie, Windkraft, Biogas und Holz gegenüber heute. Die Holzenergie allein<br />

soll 1 Mrd kWh liefern - das Achtzigfache von heute oder 12% der Produktion des<br />

Kernkraftwerkes Leibstadt.

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