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Seite 1 bis 144.2 - Land Brandenburg

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VorwortLiebe Erzieherinnen und Erzieher, liebe Eltern,ich bin als Minister häufig im <strong>Land</strong> unterwegs und besuchedabei auch regelmäßig Kindertagesstätten. In den letztenMonaten habe ich erlebt, dass die thematische Schwerpunktsetzungauf den Übergang vom Kindergarten in die Grundschulemit ihren vielfältigen Facetten, die aus <strong>Land</strong>essichtunbedingt notwendig war, in der Praxis der Kitas in aller Breiteaufgenommen wurde. Ich habe mich sehr gefreut, selbstsehen zu können, wie engagiert sich Erzieherinnen und Leitungskräftedem Übergang unserer Kinder in die Schule widmen. Die Beispiele guterPraxis, die wir in einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen vorstellen konnten,geben mir die Gewissheit, dass die Kooperation von Kita und Grundschule in unseremBundesland gelebte Realität ist und dass diese Kooperation die Bildungsumgebungunserer Kinder deutlich positiv beeinflussen wird.Neben diesem gegenwärtig sehr bestimmenden Thema gibt es allerdings eine Vielfaltvon pädagogischen Aufgaben in der täglichen Arbeit, die langfristig angelegt sindund denen wir uns immer wieder aufs Neue stellen müssen. In diesem Heft findenSie Beiträge, die sich mit solchen immer wiederkehrenden Aufgaben beschäftigen.Moralerziehung und Sexualerziehung (letztere auch mit ihrer Funktion im Schutz vorsexuellem Missbrauch), Demokratieerziehung und Umgang mit Aggressionen undihrem sprachlichen Ausdruck – alle diese Themen führen uns in den Bereich dererzieherischen Arbeit, in dem es um die Herausbildung von Haltungen und Einstellungen,die Vermittlung von gesellschaftlichen Normen und die Werteorientierunggeht. Werteerziehung hat dabei noch viele weitere Facetten und stellt auch immerFragen an uns selbst als Pädagogen. Wenn wir Kinder in dieser Hinsicht erziehenwollen, werden uns die Kinder nach unseren eigenen Haltungen fragen, deren wiruns bewusst sein müssen. Vielleicht empfinden wir diesen Teil der Erziehungsarbeitauch deshalb als so herausfordernd, weil er uns nicht nur fachlich, sondern auch persönlichso stark fordert.6VORWORT


Das Thema „Werteerziehung“ liegt mir seit langem sehr am Herzen. Ich habe deshalbdie Vertreter der wesentlichen gesellschaftlichen Gruppierungen im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>zu einem Runden Tisch „Werteerziehung“ eingeladen und hoffe, dass auch SieInteresse an den Ergebnissen dieses Runden Tisches haben. Sie werden sicher imnächsten Jahr in einer Form vorliegen, die eine weiterführende Beschäftigung damitmöglich macht. Dazu lade ich Sie schon heute herzlich ein!In dem Heft, das Sie in der Hand halten, finden Sie darüber hinaus einen äußerstinteressanten Beitrag zum Thema Beobachtung und individuelles Curriculum,Praxisberichte sowie einen Evaluationsbericht zur Tagespflege. Ich wünsche Ihnenallen angesichts der Fülle des Angebotenen beim Lesen dieser KitaDebatte eineanregende Lektüre!Holger RupprechtMinister für Bildung, Jugend und SportVORWORT7


Warum beginnen die ersten sexuellen Übergriffeauf andere Kinder zum Teil schon amEnde des Grundschulalters?Was können wir in der Grundschule und inder Hortarbeit tun, um solche Entwicklungeneinzudämmen?Im Weiteren soll nur eine Antwortmöglichkeitauf die letzte Frage Gegenstand der Betrachtungsein.KonzeptplanungAusgangspunkt bei der Suche einer Antwortmöglichkeitzur weiteren Verbesserung derMoralerziehung war unser Standpunkt alsKita- und Schulträger sowie Träger von Kinder-und Jugendfreizeiteinrichtungen in derKreisstadt Forst (Lausitz):Im Grundschul- und Hortalter ist erzieherischim Verbund von Schule – Hort – Sozial-/Freizeitarbeitanzusetzen, um nachhaltige Verbesserungenim künftigen sozialen Leben zuerreichen.Ein Ansatz in den weiterführenden Schulen istzu spät. Schon recht verfestigte Persönlichkeitsstrukturenund noch schwierigere Zugangsmöglichkeitenzu den Jugendlichensind wesentliche Gründe hierfür. Wenn überhaupt,konzentriert man sich in der Schule aufdie besonders auffälligen Schülerinnen undSchüler mit mehr oder weniger Erfolg.Weiterhin stellten wir uns als Einrichtungsträgerdie Frage, ob wir überhaupt mit unserenSozial-, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungenden Altersbereich der Grundschule erreichen.Es ist bekannt, dass durch das anderemethodische Herangehen von Sozialpädagogengegenüber Lehrkräften sich die Kindereher „öffnen“ – eine erste Voraussetzung fürVerhaltensänderung.Schnell wurde klar, dass wir weder mit unseremSchülerfreizeitzentrum noch mit demJugendclub Kinder im Grundschulalter erreichen.Die „Stammkundschaft“ im Schülerfreizeitzentrumist 13 <strong>bis</strong> 17 Jahre alt. Ca. 4,6 %dieser in der Stadt lebenden Altersgruppe frequentiertdie offene Einrichtung. Das Jugendclubhauszieht natürlich noch ältere Jugendlichean.Ein dritter Ausgangspunkt unserer Überlegungenwar nicht – wie teilweise zu erleben –Grundschullehrkräfte und Horterzieherinnenzu kritisieren, wenn sie mit den genanntenErscheinungen nicht oder nicht genügend„fertig“ werden, sondern ein gemeinsamespädagogisches Handeln von Grundschullehrkräften,Hortnerinnen und Sozialpädagogenauf dem Schulstandort zu initiieren und personellsowie räumlich zu untersetzen. DerSchulstandort als Lernort und Ort, an demsoziales Leben Spaß macht, der auch offeneFreizeitangebote vorhält, der ebenfalls ungezwungeneKontakte von Eltern mit Sozialpädagogenermöglicht, war die Vision.Das KonzeptDer Grundgedanke des Konzepts bestehtdarin, dass aus personeller Sicht ständig anjeder städtischen Schule (vier Grundschulen/eineOberschule) je zwei Sozialarbeiter/MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN 9


Sozialarbeiterinnen als Verbindungs- undKoordinierungspersonen eingesetzt werden.Das Personal kommt aus dem Jugendclub,der künftig von den Jugendlichen über einenVertrag mit der Stadt eigenverantwortlich weitergeführtwird. Außerdem werden die Sozialpädagogenaus dem städtischen Schülerfreizeitzentrumweitgehend abgezogen, der offeneTreff mit Skaterbahn bleibt erhalten.Die aufgrund zurückgehender Schülerzahlennicht mehr für den unmittelbaren Schulbetriebbenötigten Räume werden für die Schulsozialarbeitsowie Kinder- und Jugendfreizeitangeboteeinschließlich offener Treffmöglichkeitengenutzt.Die Schulsozialarbeit konzentriert sich überwiegendauf zwei Arbeitsfelder:– schulbezogene Kinder- bzw. Jugendfreizeitarbeitunter Nutzung von Ansatzpunktenaus den zutreffenden Rahmenlehrplänender Schulform (z. B. Interessengemeinschaften,Schülerberatung, stadtteiloffeneFreizeitangebote) und Beachtungder Hortangebote;– schulbezogene Kinder- bzw. Jugendsozialarbeitfür sozial benachteiligte bzw. individuellverhaltens- und/oder lernbeeinträchtigteSchülerinnen und Schüler, aber auchfür Kinder bzw. Jugendliche mit <strong>bis</strong>herpositiver Persönlichkeitsentwicklung, derenSozial- und/oder Lernverhalten sich unerwartetverschlechtert bzw. die eine spürbareinnere Kündigung zum schulischenGeschehen vornehmen.Die Schulsozialarbeit sollte bedarfsgerechtangeboten und gestaltet sein. Was bedarfsgerechteAngebote sind, ist im Zusammenwirkenvon Schule, Schulträger, Träger derSchulsozialarbeit und dem Träger der öffentlichenJugendhilfe – vordergründig demJugendamt – zu ermitteln.Die Schulsozialarbeit dient dem Ziel,– Zugang zu Schülerinnen und Schülern mitvermuteten individuellen, oft sozialenProblemlagen zu finden, um diese bei derProblembewältigung zu unterstützen undwenn erforderlich wieder vollständig in dieArbeit der Schule und gegebenenfalls desHortes zu integrieren;– Hilfestellung bei der Orientierung vonSchülerinnen und Schülern in der Gesellschaft(zum Beispiel Mitwirkungsmöglichkeiteninner- und außerhalb der Schuleund des Hortes, Impulse für späteren Berufswunsch,Zuständigkeiten im Gemeinwesen)zu geben;– das Lernen in schulischer und sozialerHinsicht zu optimieren;– die Eigeninitiative der Kinder in Schuleund Hort zu fördern;– zur Öffnung von Schule in das gesellschaftlicheLeben (Stadtteil) beizutragenund damit die Attraktivität des Stadtteils zuverbessern.Aus den Zielen ergeben sich zu lösende Aufgabender Schulsozialarbeit:– Beratung der Kinder in den genanntenProblemlagen und wenn erforderlich Kontaktaufnahmemit Personensorgeberechtigtenzur Vermittlung weiterführender Hilfen;10 MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN


– Schlichterberatung und Konfliktbearbeitungunabhängig vom Ausgangsort Schuleoder Hort;– Beratungsangebot für Lehrkräfte, Hortnerinnenund Personensorgeberechtigte;– Planung und Erarbeitung von bedarfsgerechtenPräventionsangeboten (zum BeispielThema Gewalt oder Sucht);– Orientierungs- und Beratungsangebotebeim Übergang in eine andere Schulformbzw. Berufsausbildung;– Initiierung und wenn gewünscht Koordinierungvon Freizeit-, Kultur- und Sportangeboten(zum Beispiel Verbindung zu entsprechendenVereinen herstellen, Interessenwecken);– Stärkung von Schülerinitiativen und Initiativenaus dem Hortbereich auf den Schulstandort(zum Beispiel Errichtung Schülerclub);– Anregung der Schülerinnen und Schülerzur Mitwirkung an der Schulentwicklungbzw. Vervollkommnung des Hortes (zumBeispiel auch Gründung eines nur vonSchülerinnen und Schülern initiiertenSchüler-/Hortrates);– Orientierungs-, Abstimmungs- und Arbeitsgesprächemit allen Beteiligten anSchulsozialarbeit (Schülerinnen undSchüler, Lehrkräfte, Hortnerinnen, Personensorgeberechtigte,Träger Schulsozialarbeit,Schulträger, örtliche Träger derJugendhilfe).Fokus HortNatürlich ist gerade im Rahmen der KitaDebattedie Frage zu beantworten: Was wird ausdem Hort bei diesem Konzept?Grundposition:– Der Hort soll in seiner Nachfrage durchdieses Konzept nicht geschwächt werden!Der Hort ist und bleibt ein verlässlichesBetreuungsangebot mit eigenständigemBildungs- und Erziehungsauftrag.– Die Schulsozialarbeit läuft parallel zumUnterrichtsgeschehen (was noch näherausgeführt wird).– Die Angebote der von den Sozialpädagogeninitiierten Interessengemeinschaftenund die „Beaufsichtigung“ der stadtteiloffenenTreffmöglichkeiten auf dem Schulgrundstücksetzen nach der Hortbetreuungszeit,zum Beispiel um 16.00 Uhr, ein.– Die Sozialpädagogen stimmen das Handelnvon Grundschullehrkräften und Hortnerinnenab. Bildungsthemen (zum BeispielExperimente, Forschen und Erkunden)sind über die Lehrkräfte vorzugsweiseaufzugreifen. Doppelangebote sind zuvermeiden. Der Freiraum für die Eigeninitiativeder Kinder darf weder im Hortnoch in den nachfolgenden Freizeitmöglichkeitenzu sehr eingeengt werden.– Organisierter Informationsaustausch zumVerhalten einzelner Kinder zwischenSchule – Hort – Sozialarbeit erscheinterforderlich. (Es dürfen nicht drei odermehr Professionen mit unterschiedlicherMethodik an einem Kind „herumdoktern“.)Durch dieses gemeinsame und abgestimmteVerhalten von Schule – Hort – Sozialarbeitkann zielgerichteter und damit wirkungsvollerauf die Leistungs- und/oder Verhaltensproblemereagiert werden: also das Gegenteil vom„Einzelkämpfer“ Schule, Hort oder Freizeiteinrichtung.MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN 11


Die KonzeptumsetzungDas Modellprojekt „Anbindung der KinderundJugendfreizeit/Schulsozialarbeit an städtischeSchulstandorte“ wird derzeit an einerGrundschule der Stadt Forst (Lausitz) erprobt.Nach einer Evaluationsphase soll beierfolgreichem Verlauf – wovon wir ausgehen– das dargestellte Konzept an allen städtischenSchulen mit Beginn des Schuljahres2007/2008 eingeführt werden.Zum besseren Verständnis schildert nachfolgendSozialpädagogin Kersten Ku<strong>bis</strong>ch [<strong>bis</strong>herim Jugendclub der Stadt Forst (Lausitz)eingesetzt] beispielhaft einen Arbeitstag ander Erprobungsgrundschule:Ein Tag der Sozialarbeit in derGrundschule NoßdorfEs ist Montag, der 12. Juni 2006, morgens7.00 Uhr und Dienstbeginn. Mit Betreten desSchulhofes treffe ich auf die ersten Kinder.Wir begrüßen uns mit Handschlag und schonbin ich in Gespräche verwickelt. Montagshaben die meisten Schüler ein großes Mitteilungsbedürfnis.Es gibt viel vom Wochenendezu berichten. Von den Mädchen der 3b werdeich gefragt, ob sie heute PC-Kurs haben. Ichkann die Frage bejahen und sie laufenerzählend in ihre Klasse.Kurz darauf werde ich von einer Mutter angesprochen.Sie hat einen Sohn in der Klasse1b und möchte wissen, ob es schon positiveVeränderungen in der Klasse gibt. In der 1bsind 4 verhaltensauffällige Schüler, vondenen einer verhaltenstherapeutisch vomSPZ Cottbus betreut wird. Gemeinsam mitden Eltern des Schülers, Lehrern, Schulleiterin,Schulpsychologen und uns Sozialarbeiternwurden Vereinbarungen getroffen, umdem Schüler und seinen Mitschülern einstörungsfreies Lernen zu ermöglichen. Fürmich heißt das, in den Fächern Mathematik,Deutsch und Sachkunde mit in den Unterrichtzu gehen und dem Schüler zu helfen, seineAggressionen zu kontrollieren, Versagungsängstezu nehmen und Möglichkeiten zur Entschärfungvon Konfliktsituationen zu suchen.Der Mutter, die mich nach Veränderungenfragte, konnte ich sagen, ja es ist wesentlichruhiger in der Klasse geworden.Auf dem Weg in die Klasse 1b sehe ich R. mitseinem Vater. R. macht ein ziemlich zerknirschtesGesicht. Ich spreche ihn an, möchtewissen, was ihn bedrückt, aber er willnichts sagen. Ich sage ihm ein paar aufmunterndeWorte, sein Vater schmunzelt dabei, R.ist ein „Morgenmuffel“.Kurz vor dem Klassenraum treffe ich auf FrauT., die Schulleiterin. Im Vorbeigehen erfolgteine kurze Informationsübermittlung zu denbeantragten Umbaumaßnahmen für die Freizeitangebote.Im Klassenraum spricht Frau B. – Deutschlehrerinder Klasse – mit einigen Schülern.Wir sprechen kurz ab, welche Aufgaben unser„Sorgenkind“ heute mindestens schaffen soll.(Es wurde vereinbart, dass er nicht alle Aufgabenerledigen muss, aber mindestens 1/3der gestellten Aufgaben schafft, um im Unterrichtmitzukommen und nicht zu große Wissenslückenzu haben.)12 MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN


Es klingelt und alle Kinder setzen sich zumMorgenkreis in einen Stuhlkreis. Im Morgenkreis(immer montags in der 1. Stunde) kannjedes Kind erzählen, was es am Wochenendeerlebt hat. L. hat in einem Glas eine Raupemitgebracht. Frau B. nutzt die Gelegenheit,um mit den Kindern über das Verhaltengegenüber Tieren zu sprechen. Gemeinsamwird zum Stundenende die Raupe im Schulgartenfreigelassen. Die 1. Stunde verlief sehrruhig. Alle Kinder konnten erzählen, es wurdezugehört, sodass ich als Beobachterin dabeiwar.In der 2. Stunde steht Deutsch auf dem Stundenplan.Nun ist es mit der Ruhe vorbei. T.hat keine Lust auf Deutsch, er wirft seineArbeitsmittel krachend auf den Tisch,schimpft und steht mit verschränkten Armenwütend in der Klasse. Ich nehme ihn zur<strong>Seite</strong>, rede ruhig mit ihm, erinnere ihn an diegetroffenen Vereinbarungen. Er wird ruhigerund gemeinsam legen wir die Regeln für dieStunde fest. Wenn ich mit T. ruhig, aber konsequentspreche, versucht er sein Verhaltenzu korrigieren. Für die Deutsch-Stunde gilt:„Ich melde mich.“, „Ich störe nicht.“ JedeSchülerin und jeder Schüler erhalten einArbeitsblatt. Um es ausfüllen zu können,muss im „Zauberalphabet“ gelesen werden.Ich sehe mir mit T. das Arbeitsblatt an, sageihm, wie viel er schaffen muss. Welche Aufgabener löst, kann er selbst entscheiden.Nach 30 Minuten ist seine Konzentration vorbei,er wird unruhig, sein Schriftbild wird unleserlich.Daher gehe ich mit ihm aus derKlasse, lobe ihn dafür, dass er 30 Minuten gutmitgearbeitet hat und er sich nun erholenkann. Aufgrund seiner Hyperaktivität und Verhaltensstörungist es besser, ihn aus derAnspannung, die der Unterricht für ihn bedeutet,herauszunehmen. Seine Unruhe stört dieMitschüler und schlägt oft in Aggression um.Zu Beginn meiner Tätigkeit in der Klasse störteer schon in den ersten 10 Minuten.9.05 Uhr – es klingelt zur Hofpause.Die Pause nutze ich, um kurz mit meiner Kolleginzu sprechen, Abläufe abzustimmen. Um09.30 Uhr habe ich einen Termin bei Frau W.,der Hortleiterin. Gemeinsam wollen wir unsereKonzeption zu den Freizeitangeboten imneuen Schuljahr durchgehen.Der Termin war erfolgreich, Angebote konntenabgestimmt werden und die Doppelnutzungdes Werkraums ist möglich.10.20 Uhr, zurück in der Klasse 1b. Sie habenMathematik. Heute wird mit Geld gerechnetund da dies sehr spannend ist, machen allegut mit.In der 2. Hofpause (11.05 <strong>bis</strong> 11.25 Uhr)kommt meine Kollegin mit zwei Mädchen der6. Klasse zu mir. Sie haben Sorgen. Da diePause für ein ausführliches Gespräch zu kurzist, sprechen wir ab, uns nach der 6. Stundezu unterhalten.Es klingelt und ich habe PC-Kurs. DieMädchen der Klasse 3b stehen schon vor denPC-Räumen und wollen wissen, was wirheute machen. Ich sag ihnen, erst mal dieRechner hochfahren, dann erkläre ich dieMORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN 13


heutige Aufgabe – eine Tabelle mit 6 Zeilenund 6 Spalten erstellen. Das Erstellen derTabelle wird erst einmal Schritt für Schritterklärt. Nun soll sich jede einen Spaßstundenplanerarbeiten. Dabei wird auch malgelacht, wer hat schon Gameboyspielen aufdem Stundenplan. Wenn es nicht gleich richtigklappt, wird noch einmal ruhig erklärt. Vielzu schnell sind die 45 Minuten um und esheißt eine Woche warten <strong>bis</strong> zum nächstenKurs. Ich kontrolliere, ob alle Rechner runtergefahrensind, schließe die Räume ab undgehe zu meiner Kollegin in unseren Clubraum.Dort machen zwei Kinder aus der Klasse 1aihre Hausaufgaben. Sie überbrücken damitdie Wartezeit auf den Bus. Meine Kollegin hilftihnen dabei. Am anderen Tisch (vier Kinderaus der 3. Klasse) wird „Wer ist es“ gespielt.Sie haben noch Polnisch AG. Am PC spielt D.„Wer wird Millionär?“. Er ruft mich heran, ummir zu zeigen, wie weit er schon ist. Bei dernächsten Frage komme auch ich ins Grübelnund muss zugeben, dass ich es nicht weiß.Leider war die Antwort falsch. Eine Rundespielen wir gemeinsam, dann ist es fast 13.00Uhr.Die Buskinder gehen zum Bus und die 4. ausder 3. Klasse zum Polnisch. D. möchte weiterspielen,zu Hause erwartet ihn niemand,seine Eltern kommen erst um 15.00 Uhr undda bleibt er lieber in der Schule.Ich gehe mit meiner Kollegin in unser Büround erfahre von ihr, welche Probleme dieMädchen der 6. Klasse haben. Gemeinsamüberlegen wir die Vorgehensweise für dasGespräch. Pünktlich nach der 6. Stunde sindsie da. Nach und nach rücken sie mit derSprache heraus. Es droht ein Verweis. Siemussten heute zur Schulleiterin, weil es wiederholtÄrger gab. Was sie falsch gemachthaben, wissen sie, nun sollen sie <strong>bis</strong> morgenaufschreiben, wie sie ihr Verhalten ändernmüssen, und das noch von ihren Eltern unterschreibenlassen. Davor haben sie Angst undes fließen Tränen. Durch gezielte Fragestellungengebe ich ihnen die Möglichkeit, sicheine Strategie zu überlegen, wie sie mit ihrenEltern das Problem ansprechen können. Icherfahre, warum sie Angst haben, ihre Elternhaben große Erwartungshaltungen. Es wird inihren Familien wenig über Gefühle gesprochen,sodass es auch dort zu Spannungenkommt.Mit Beginn der Sozialarbeit an der Schulehaben wir uns allen Schülerinnen undSchülern und ihren Eltern vorgestellt. Wirhaben über unsere Tätigkeit informiert undHilfe bei Konfliktlösungen angeboten.Am Abend findet für die Jahrgangsstufe 6eine Elternversammlung statt. Eine weitereAngst der Mädchen, dass dabei ihr Verhaltenangesprochen wird. Nun bin ich gefragt.Schließlich habe ich Hilfe bei Konfliktlösungenangeboten. Mit den Mädchen einige ichmich, dass ich zur Elternversammlung geheund mit den Eltern über ihre Ängste spreche.Ich werde den Eltern nicht sagen, was vorgefallenist, das müssen die Mädchen selbsttun. Ihre Tränen versiegen und sie sehennicht mehr alles so pessimistisch.14 MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN


Als die Mädchen gegangen sind, sitzen dreiJungen aus der 6. Klasse im Clubraum. Siesollen noch ein <strong>bis</strong>schen quatschen und sokommen wir auch mit ihnen ins Gespräch. Sieerzählen von der Oberschule, wie es da wohlso ist und dabei entsteht die Idee, den Sozialarbeiterder Oberschule zu einer Talkrundeeinzuladen. Für mich heißt das: mit HerrnHöer (Sozialarbeiter Oberschule) telefonieren,um einen Termin zu vereinbaren. DieJungs wollen die Idee am nächsten Tag in derKlasse vorstellen.Mittlerweile ist es fast 15.00 Uhr.Um 18.00 Uhr bin ich – wie versprochen –wieder in der Schule zur Elternversammlung.Mit den Müttern der beiden Mädchen kommeich ins Gespräch. Die Mädchen hatten dieVorfälle in der Schule schon „gebeichtet“ undihren Müttern gesagt, dass ich abends dasein werde. Es kam zu einem interessantenGespräch. Kinder und Eltern haben unterschiedlicheSichtweisen und unterschiedlicheSorgen. Für die Mädchen beginnt die Pubertät,sie müssen mit den Veränderungen ihresKörpers klarkommen, sie wollen keine Kindermehr sein, sind aber noch nicht erwachsen.Ich gebe den Eltern keine „klugen“ Ratschläge.Durch die Darstellung der Sichtweise ihrerKinder, was ihnen wichtig ist, kann ich zurgegenseitigen Verständigung beitragen. DasGespräch mit den Eltern empfand ich sehrpositiv und ich bin schon gespannt zu erfahren,ob ich den Mädchen Ängste genommenhabe.Der Tag war anstrengend, aber schön.FazitNatürlich gibt es im Bereich des sozialenLebens keine Patentrezepte zu Problemlösungen.Aus unserer Sicht gibt es jedoch grundsätzlicheEmpfehlungen, die im Einzelfall zu konkretisierensind und die ein wirkungsvollesGegensteuern in den geschilderten Situationenerwarten lassen:1. Wir sollten Konzepte entwickeln für Orte,die bereits Kinder und deren Eltern nutzen.Dies sind vorzugsweise Kindergärtenund Grundschulen mit ihren Horten.2. Das hier beschäftigte pädagogische Personalbraucht verlässliche Unterstützunganderer Professionen für eine von derGesellschaft gewollte Werteentwicklungund um auf erkennbare Verwerfungen inder sich ausprägenden Ich- und Sozialkompetenzbei Kindern reagieren zu können.3. Die Sozialpädagogen/-pädagoginnen mitErfahrung in der Sozialarbeit mit Kindern/Schulsozialarbeitund Wissen überentwicklungsfördernde Freizeitgestaltungwerden für eine Profession gehalten, diekünftig ihren festen (Arbeits-)Platz in Kindertagesstättenund Grundschulen habenmüsste – die erfolgreichen PISA-Länderlassen grüßen.4. Ein gemeinsames pädagogisches/sozialpädagogischesHandeln im Kindergartenoder in der Grundschule mit Hort ist unabdingbareVoraussetzung für eine erfolgreicheEntwicklung der Kinder – das „Einzelkämpferprinzip“ist dabei untauglich.MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN 15


5. Über die Kinder sind die Eltern an den herausgehobenenOrten zu interessieren,und ihnen ist gegebenenfalls individuelleUnterstützung (z. B. Familienberatung,therapeutische Maßnahmen ...) anzubietenund Familien ein Stück weit mit zu begleiten.Dieser Zeitvorteil zwischen Problemerkennungund sozialpädagogischemHandeln vor Ort erscheint wirkungsvollerals die aufsuchende Variante von Beratungsstellen,wenn der Leidensdruck beiden Eltern so groß ist, dass sie nur nochdiesen Weg sehen – also das Kind schonoft „in den Brunnen gefallen ist“.6. Das Personalfinanzierungssystem mussso gestaltet sein, dass die Sozialpädagogendauerhaft – also unbefristet – in denKindergärten oder wie im oben dargestelltenBeispiel an dem Grundschulstandortmit Hort – beschäftigt werden können.Zeitlich befristete Arbeitskräfte sind kontraproduktiv,da die notwendigen persönlichenBeziehungen nicht ausreichend aufgebautwerden können und der berechtigte„Aufschrei“ von Kindern und Eltern beider Wegnahme dieser Personen (z. B.nach einem Jahr) groß ist. Damit wirdauch der Sozialfrieden im Kindergartenoder auf den Grundschulstandort gestörtund dürfte alles andere als ein Beitrag zurMoralentwicklung sein.Aus unserer Sicht können auch grundsätzlichandere Strategien zur Persönlichkeitsentwicklungvon Kindern verfolgt werden.Eine bessere Gesellschaft lässt sich auchüber Waldpädagogik erzielen. Selbst über dieKneipp-Pädagogik wird nicht nur eine gesundeund natürliche Lebensweise frühzeitig entwickelt,sondern es werden auch Grundvoraussetzungenzum Stellen der künftigenLebensanforderungen einschließlich des seelischenWohlbefindens ausgeprägt. Mit denjeweiligen Suchbegriffen verrät das Internetmehr.Kontakt:Stadt Forst (Lausitz)Promenade 903149 ForstAmtsleiterSchul-, Sport- und Kulturamt, SozialesDr. paed. Andreas KaiserSozialpädagogin Kersten Ku<strong>bis</strong>chLiteratur:Hess, M./ Sturzbecher, D. (2005): Moralerziehungim Kindergarten – eine schwierige, aberlohnende Aufgabe. In: KitaDebatte, MBJS(Hrsg.). Entdeckendes Lernen – im Dialog mitdem Kind.Sturzbecher, D./ Hermann, U. (2003): Aggressionund Konflikterziehung im Kindergarten.In: D. Sturzbecher/ H. Großmann (Hrsg.)Soziale Partizipation im Vor- und Grundschulalter– Grundlagen (S. 173 - 222).München: ReinhardtErdmann, B. (2006): Aussagen der Hirnforschungund Bedeutung für die Entwicklungdes Kindes. In: Oeter, S. (Hrsg.) Kita aktuellMO Nr. 6/2006 (S. 124 - 126)16 MORALERZIEHUNG IM KINDERGARTEN


Grenzen geben und achten,kindliche Eigenständigkeit respektierenSexueller Missbrauch /Michael Götze-OhlrichWenngleich sich die öffentliche Meinung seitJahren dieses Themas annimmt und obwohldie Gesellschaft in publik gewordenen Fälleneindeutige Sanktionen verhängt, gehört nachwie vor der sexuelle Missbrauch für vieleMädchen und Jungen zum Alltag. Er kommtso häufig vor, dass wir davon ausgehen müssen,in jeder Kindergartengruppe oder in jederSchulklasse Kinder zu finden, die missbrauchtwerden. Mädchen und Jungen werdengezwungen, lüsterne Redensarten zuertragen, Zungenküsse zu geben, sich nacktzu zeigen, sich berühren zu lassen, denErwachsenen mit der Hand oder dem Mundzu befriedigen. Sie werden zu allen vorstellbarenund unvorstellbaren Handlungen gezwungen.Sexueller Missbrauch ist immer ein Machtmissbrauch,bei dem Sexualität das Mittel desTäters ist, ein Kind zu unterwerfen und zumObjekt seiner Bedürfnisse zu machen, indemdas Mädchen oder der Junge zu sexuellenHandlungen veranlasst oder ihnen ausgesetztwird. Zu diesen sexuellen Handlungenzählen– das Berühren und Streicheln der Sexualorganedes Kindes mit Händen, Zunge,Geschlechtsorganen und Gegenständen,– die orale, vaginale und anale Penetrationmit Geschlechtsorganen und Gegenständen,– das Vorzeigen von Bildern, Filmen oderrealen Situationen,– das Veranlassen von Berührungen ameigenen Körper,– das Veranlassen sexueller Handlungenam Körper des Opfers,– das Fotografieren des Opfers nackt oderin „sexuellen Posen“.Über die Häufigkeit sexuellen Missbrauchsgibt es sehr unterschiedliche Angaben. Wenndavon gesprochen wird, dass jedes vierteMädchen und jeder siebente Junge mindestenseinmal in seinem Leben missbrauchtwurde (pro familia 4/2001), erscheint dasunglaublich. Vielleicht deshalb, weil wir beidem Begriff „sexueller Missbrauch“ unsereeigenen einschränkenden Vorstellungen vonForm und Häufigkeit im Kopf haben. Abernach der oben angegebenen Definition istMissbrauch nicht „nur“ Vergewaltigung! SexuellerMissbrauch wird nicht dadurch unschädlich,dass physische Gewalt fehlt, denn dasLeiden der Betroffenen ist nicht abhängigdavon, zu welcher Handlung sie genötigt wurden.Die Täter handeln in den seltensten Fällenspontan. Im Gegenteil planen und organisierensie ganz bewusst Möglichkeiten, sich Kindernzu nähern. Die Täter verstecken ihreÜbergriffe oft im Spiel, in körperlichen Untersuchungenoder bei Pflegemaßnahmen. Siefädeln solche Aktionen so geschickt ein, dassGRENZEN GEBEN UND ACHTEN, … 17


das Kind zwar merkt, dass etwas nichtstimmt, es aber an den eigenen Wahrnehmungenzweifelt und glaubt, sich geirrt zuhaben. Meist wagen sie nicht, sich zu wehren,trotzdem senden sie Signale des Unwillens.Der Täter redet dem Kind Schuldgefühle ein,vielleicht indem er sagt: „Du hast dich nichtgewehrt, du wolltest es doch auch!“ oder: „Ichmache das, weil ich dich lieb habe.“ oder:„Andere Väter machen das auch.“ Viele Kinderhaben gelernt, die Erwachsenen hättenimmer Recht und so suchen sie die Schuldbei sich. Mit der Zeit verlieren die Mädchenund Jungen das Vertrauen in andere Menschenund in sich selbst. Auf der einen <strong>Seite</strong>bekommen sie Aufmerksamkeit und Zuwendungvom Täter, und sie mögen es, verwöhntzu werden, auf der anderen <strong>Seite</strong> verabscheuensie die sexuellen Übergriffe. So lebtdas Kind in ständiger Unsicherheit und Angst,beladen mit Schuldgefühlen.Ob etwas als sexuelle Grenzüberschreitungangesehen wird, hängt auch von gesellschaftlichenGepflogenheiten und vom allgemeinenKontext ab. Wenn eine Mutter ihrem einjährigenSohn die Genitalien wäscht, wird daswahrscheinlich als normale Pflegesituationgewertet. Wäscht die Mutter ihrem vierzehnjährigenSohn die Genitalien, wird dies vonAußenstehenden in der Regel als sexualisierteGrenzüberschreitung gewertet. Wie beiallen Vorgängen sind die Übergänge zwischenakzeptierter, „normaler“ und „übergriffiger“Nähe zwischen Erwachsenen und Kindernfließend. Es ist im Einzelfall schwer zusagen, wo ein sexueller Missbrauch anfängt.Maßgeblich sind in diesen „Grauzonen“ dieMotive der Erwachsenen (Wird sexuelle Erregung/Befriedigung gesucht?) und die Reaktionender Kinder (Werden körperliche Nähe/Zärtlichkeiten in dieser Form, von dieser Personund zu diesem Zeitpunkt gewünscht?).An dieser Stelle möchte ich daran erinnern,dass Frauen und Männer Kinder nicht nur insexueller Hinsicht missbrauchen. Kinder werdenals Abladeplatz für Aggressionen benutzt,als Statussymbole, als Objekt übersteigerterLeistungsansprüche der Erwachsenen.Sexueller Missbrauch ist nicht an bestimmte,von Außenstehenden erkennbare Familiensituationengebunden. Oft hat der Täter einentadellosen Ruf.Wir kennen sie, die gut gemeinten Warnungen:„Geh nicht mit fremden Männern mit.“Was hilft das, wenn die weitaus meisten Täterund Täterinnen (etwa 90 %) aus dem sozialenNahbereich der Kinder, aus der Familie, derNachbarschaft, dem Sportverein, dem Kindergarten,der Schule kommen? Ist das dannerlaubt, sogar von den Eltern erwünscht, auchwenn es mir, dem Kind, unangenehm ist? Istes besser, nichts zu sagen, um den Elterngerecht zu werden?Die Täter sind meist Personen, denen dasKind vertraut, auch wenn häufiger über sexuellenMissbrauch durch Fremde in aller Ausführlichkeitin den Medien berichtet wird.Wir müssen davon ausgehen, dass Missbrauchkein „Ausrutscher“ ist. Fast alle Tätermissbrauchen Kinder immer wieder, so alswären sie süchtig danach.Oft wird behauptet, die Kinder verführten dieTäter. Das stimmt mit Sicherheit nicht. Kinder18 GRENZEN GEBEN UND ACHTEN, …


tragen nie die Verantwortung für einen sexuellenÜbergriff. Sicher gibt es Rollenspiele, indenen z.B. Mädchen „Braut“ spielen und vielleichtsagen: „Jetzt will ich einen Kuss von dir,so einen richtigen wie gestern im Fernsehen.“Das ist keine Aufforderung zur Sexualität, undbeileibe entlässt so ein Satz keinen Erwachsenenaus der Verantwortung, die Grenzen zuziehen, da er abschätzen kann, was ein Kindnoch nicht absehen und verantworten kann.Kinder brauchen auf dem Weg, die Welt mitihrem Probieren, ihrem Fragen und Beobachtenzu „begreifen“, die Liebe, den Schutz unddie Geborgenheit durch Erwachsene. Missbrauchtein Erwachsener ein Kind sexuell, sobenutzt er die Abhängigkeit und das Vertrauenfür seine sexuellen Bedürfnisse.Mädchen und Jungen erfinden keine sexuellenÜbergriffe. „Kinder haben eine blühendeFantasie“, wird gesagt und das stimmt auch inBezug auf Märchengestalten oder Wünsche.Ein Missbrauch wird jedoch eher geleugnet,um eine geliebte Person zu schützen, als ihnzu erfinden.Sexueller Missbrauch geschieht im Geheimen,daher sind eindeutige Anzeichen eherselten. Für alle Altersstufen gilt, dass vorallem plötzliche, nicht erklärbare Veränderungenin der Erscheinung des Kindes, seinemAuftreten, seinem Verhalten oder seiner LeistungsbereitschaftReaktionen auf traumatischeErlebnisse wie sexueller Missbrauchsein können.Es gibt jedoch eine Reihe von Hinweisen, dieals Hilferufe von Kindern interpretiert werdenkönnen. Dabei lassen sich verschiedene Phasenunterscheiden.In der ersten Phase, der Phase der Geheimhaltung,wird die offene oder verdeckte Forderungzu schweigen vom Kind befolgt. Mitdem Thema konfrontiert reagiert es ausweichend,weigert sich, etwas zu sagen oder reagiertmit Unbehagen. Nicht betroffene Kindererklären gegebenenfalls den Frager für „verrückt“oder antworten mit einem klaren „Nein“.In der nächsten Phase überwiegt die Hilflosigkeit.Unspezifische psychosomatische Beschwerden,Lernschwierigkeiten oder Rückzugsverhaltenkönnen beobachtet werden.Die dem Missbraucher geltende Wut richtetsich nach innen.Später überwiegen aktive Verhaltensweisenwie Ausreißen, kriminelle oder aggressiveAktivitäten.Erst in der vierten Phase wird der zögerndeVersuch unternommen, den Missbrauch zuenthüllen, verbunden mit der Angst, die Familieauseinanderzureißen.Jedes Symptom kann auch auf andere Vorkommnissezurückgehen, deswegen sollsowohl vor voreiligen Verdächtigungen alsauch vor der Leugnung sexuellen Missbrauchsgewarnt werden. Gerade weil kaumein Tatbestand wie der sexuelle Missbrauchvon Kindern emotional so hoch besetzt ist,eignet er sich so gut für die Inszenierungeigener Projektions-, Geltungs- und Bestrafungsbedürfnisseder Erwachsenen.Verantwortungsvolle, pädagogische Fachkräftewerden sich bei einem Verdacht vonsexuellem Missbrauch im Rahmen kollegialerBeratung bzw. mit Fachleuten über weitereGRENZEN GEBEN UND ACHTEN, … 19


Schritte abstimmen. Insofern soll das <strong>bis</strong>herGesagte nicht als Aufforderung eigenen Eingreifensinterpretiert werden. Allerdings müssenwir uns mit pädagogischen Möglichkeitender Prävention auseinandersetzen.Die Täter suchen sich häufig ganz gezielt ihreOpfer aus, nämlich Mädchen und Jungen,– die eine Erziehung genossen haben, inder das Thema „Sexualität“ nicht vorkommt;– die gelernt haben, dass sie nicht widersprechensollen;– die emotional vernachlässigt wurden, weildie sich besonders nach Aufmerksamkeitund Zärtlichkeit sehnen.Genau an diesen Stellen sollte Präventionansetzen. Ziel sollte es sein, dass Kinderihren Körper liebevoll erfahren, dass sie ihreSexualität als Teil ihrer selbst begreifen, dasssie ihren Gefühlen vertrauen und sich gegebenenfallsHilfe holen dürfen.Viele Kinder lernen früh, dass nicht alleGefühle erwünscht bzw. von Erwachsenenwahr- und ernst genommen werden.Manche Kinder versuchen vorsichtig, vonihrer Not zu sprechen, vielleicht: „Ich will nichtmehr mit dem Opa spielen.“, oder „AufSchwimmtraining habe ich keine Lust“. DieErwachsenen haben zwei Möglichkeiten, aufsolche Äußerungen zu reagieren:1. „Der Opa ist immer so allein, mach ihm dieFreude.“ bzw.„Du wolltest unbedingt zum Schwimmen,jetzt bleibst du dabei.“,was dazu führt, dass die Kinder nicht überihre Nöte reden wollen, sondern vielleichtnoch glauben, die Erwachsenen seien damiteinverstanden, was beim Schwimmen oderbeim Opa passiert.Oder, die Erwachsenen fragen nach, interessierensich für das, was das Kind mitteilenwill, ohne neugierig zu sein:2. „Was spielt denn Opa so mit dir?“ bzw.„ Was gefällt dir nicht beim Training?“.Hier wird dem Kind signalisiert: „Du hast eineChance, dein Geheimnis preiszugeben.“Oft ist zu erleben, dass Jungen verlernthaben, ihre Angst und Hilflosigkeit wahrzunehmen,oder Mädchen ihre Wut. Sie entwickeln„Ersatzgefühle“, zum Beispiel Aggressionstatt Angst. Dabei sind die Gefühle einunersetzbarer Kompass: Die Kinder könnenSituationen besser einschätzen und angemessenmit ihnen umgehen, und für dieErwachsenen signalisieren die Gefühle derKinder, was mit ihnen ist und was sie von unsbrauchen. Nur durch die Wahrnehmung dereigenen Gefühle werden Kinder einfühlsamund damit auch beziehungsfähig. Wenn wohlmeinendeErwachsene glauben, die Gefühlebesser zu kennen („Das Essen schmecktdoch.“, „Das tut nicht weh.“), verlernen dieKinder das Zutrauen zu ihren eigenen Empfindungen.Mädchen und Jungen sollten ermutigt werden,die eigenen Gefühle auszudrücken,auch wenn die Tante vielleicht sagt, dass Jungennicht so zimperlich sein sollten oderMädchen nicht rumschreien.In der Entwicklungspsychologie wird immerwieder darauf verwiesen, dass Vertrauen,Unabhängigkeit und Initiative entscheidend20 GRENZEN GEBEN UND ACHTEN, …


sind für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung.Solche Fähigkeiten sind auch wesentlich,um in eventuellen Gefahrensituationenüberlegt reagieren zu können. Im pädagogischenAlltag sollten immer wieder Kinderermutigt werden, alltägliche Entscheidungenzu treffen, z.B. welche Spiele gespielt werden,aus welchem Buch vorgelesen wird oderwas es zu essen geben soll. Zum Entscheiden–Könnengehört auch das Nein–Sagen–Dürfen. Kinder, die Gehorsam lernen, auchan den Stellen, wo sie es nicht verstehen,werden das Gelernte auch dann anwenden,wo Männer oder Frauen dies ausnutzen wollen.Mit Selbstbewusstsein (also, sich seinerBedürfnisse, Fähigkeiten und Grenzenbewusst sein) können sich Kinder erfolgreichergegen den Missbrauch ihrer Bedürfnissezur Wehr setzen.Statt mit Warnungen stärken wir die Kinder,indem wir folgende Haltungen transportieren:– Dein Körper gehört dir. Du darfst bestimmen,wie, wann, wo und von wem duangefasst werden möchtest.– Berührungen sind für alle Menschen wichtig,es gibt welche, die sich sehr gutanfühlen und andere sind unangenehmund schmerzen sogar.– Du hast das Recht „NEIN“ zu sagen unddu hast meine Erlaubnis dazu.– Es gibt Erwachsene, die nicht darauf achten,wie du dich fühlst, und nutzen dichaus.Präventive Arbeit meint natürlich auchSexualaufklärung. Viele Täter machen es sichzunutze, dass Sexualität mit einem Tabu inden Familien (auch in Kindertagesstätten)belegt ist. Kinder sind nicht asexuell, wir müssensie mit ihren Fragen, ihrer Neugier, ihrenErfahrungen zu ihrem Körper und seinen Veränderungenernst nehmen. Wenn Kinder imsexuellen Bereich keine Orientierung bekommen,sexuelle Neugier „verboten“ ist, wennsie lernen, dass man „darüber nicht spricht“,dann passieren zwei Dinge. Zum einen nutzenTäter das Interesse von Kindern an „Verbotenem“und zum anderen werden Kinder imwahrsten Sinne „sprachlos“, sie können nichtvon den Übergriffen erzählen.Hilfreich ist es, wenn Kinder ihren Körper undseine Funktionen kennen und benennen,wenn sie wissen, wie sich Mädchen und Jungenunterscheiden, und wenn sie stolz daraufsein können, so zu sein wie sie sind.Prävention heißt schließlich auch, das Themasexuellen Missbrauchs aus der Tabu–Ecke zuholen. In Elterninformationen, z.B. an Elternabenden,sollte darüber gesprochen werden,auch in Dienstberatungen. Schließlich gibt eskeinen Grund anzunehmen, warum brandenburgischeKindertageseinrichtungen die einzigenOrte sind, wo es keine sexuellen Übergriffegibt. Sicher ist es gut, transparenteStrukturen in den Einrichtungen zu schaffen,nicht nur in denen, wo männliche Kollegenbeschäftigt sind. Transparenz der Arbeit, alsoim wahrsten Sinne Offenheit, kann sowohlproblematisches Verhalten verhindern alsauch Vertrauen schaffen. Für Beratung undInformation von Eltern ist professionelle Hilfevon außen häufig angezeigt.Wie immer in der Pädagogik ist auch diePrävention sexuellen Missbrauchs nicht alleinGRENZEN GEBEN UND ACHTEN, … 21


eine Wissensvermittlung, die lehrplanmäßigan bestimmten Tagen oder Stunden behandeltwird. Sie ist zugleich eine Haltung zumKind, in der die kindliche Eigenständigkeitrespektiert, Grenzen gegeben und geachtetwerden, und die sich als Grundhaltung durchden gesamten pädagogischen Prozess zieht.Kontakt:Dipl.-Psych. M. Götze-OhlrichRegionalbeauftragterim Jugend- und Sozialwerk gGmbHRegionalbüro <strong>Brandenburg</strong>Mühlenfeld 1216515 OranienburgTel.: 03301/ 53 54 40Literatur:Bange, D.; Enders, U.: Auch Indianer kennenSchmerz.Handbuch gegen sexuelle Gewalt gegen JungenDeegener, G.: Kindesmissbrauch. Erkennen,Helfen, VorbeugenEnders, U. (Hg.): Zart war ich, bitter war’s.Handbuch gegen sexuelle Gewalt gegenMädchen und JungenEnders, U.; Wolters, D.: Wir können was, wasihr nicht könntKörner, W.: Sexueller Missbrauch 1. Grundlagenund KonzepteWais, M.: Sexueller Missbrauch. Symptome,Prävention, Vorgehen bei VerdachtInternetadressen:www.zartbitter.dewww.kronos-ev.dewww.kinderliedertour.de22 GRENZEN GEBEN UND ACHTEN, …


Kindliche Sexualität zwischen altersangemessenenAktivitäten und ÜbergriffenHinweise für den fachlich-pädagogischenUmgang / Broschüre von Ulli Freund undDagmar Riedel-BreidensteinDie Autorinnen Ulli Freund und Dagmar Riedel-Breidensteinvon Strohhalm e.V. habenAnfang 2006 im Auftrag des <strong>Land</strong>esjugendamtesdes <strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong> eine Broschüremit dem Titel „Kindliche Sexualitätzwischen altersangemessenen Aktivitätenund Übergriffen“ erstellt. Das <strong>Land</strong>esjugendamthat damit auf den Bedarf aus derpädagogischen Praxis nach Qualifizierungenim Umgang mit der kindlichen Sexualität reagiert.Die Autorinnen nehmen in ihren AusführungenBezug auf aktuelle Forschungsergebnissesowie Fachliteratur und beziehen eigenePraxiserfahrungen aus ihrer Tätigkeit alsFachstelle zur Prävention von sexuellemMissbrauch an Mädchen und Jungen ein.Als eine Handreichung für pädagogischeFachkräfte speziell für den Altersbereich derVorschulkinder enthält die Broschüre:– Informationen zur Sexualentwicklung imVorschulalter sowie zur Bedeutung derSexualität für die Persönlichkeitsentwicklungund– Erläuterungen sowie Interpretationsvorschlägedazu, ab wann der Rahmen der„Normalentwicklung“ verlassen wird undHinweise auf Entwicklungsbesonderheitenbzw. auf ein konkretes Interventionserfordernisbezüglich der Kinder und auchder Familien zu finden sind.In der Handreichung werden Leitlinien für denfachlichen Umgang mit sexuell übergriffigemVerhalten unter Kindern vorgestellt, und eswird vorgeschlagen, wie beide Themenkomplexe(Sexualentwicklung allgemein undsexuell übergriffiges Verhalten als Sonderfall)mit den Eltern in der Elternzusammenarbeitbehandelt werden können.Die Handreichung bietet einen handhabbarenArbeits- und Diskussionsansatz für die Diskussionenin den Teams und mit den Praxisberatungssystemenzu den Möglichkeiten desUmgangs mit dem Problemfeld und der Artder Umsetzung in den Einrichtungen.Für die Praxisberatungs- und Unterstützungssysteme,die als Multiplikatoren in den Kindertageseinrichtungentätig sind, gab es imJuni 2006 eine Fachveranstaltung, bei der dieAutoren dieser Broschüre sich den Fragender Praxis zu diesem Thema stellten.Im Folgenden werden das Inhaltsverzeichnis,die Einführung, der erste Abschnitt mit derÜberschrift „Ist das eigentlich normal?“ und inder Broschüre gegebene Hinweise zu Fachliteraturzur sexuellen Entwicklung von Kindernabgedruckt.Interessierte, die gern weiterlesen möchten,können die Handreichung auf der HomepageKINDLICHE SEXUALITÄT ZWISCHEN … 23


des <strong>Land</strong>esjugendamtes unter www.lja.brandenburg.dein der Rubrik Kindertagesbetreuungunter Empfehlungen, Arbeitshilfen, Fachaufsätze,Beiträge abrufen.Inhaltsverzeichnis der Broschüre:EinführungI. „Ist das eigentlich normal ?“II. Kindliche Sexualität1. Was ist kindliche Sexualität?2. Wie reagiert man „richtig“ auf sexuelleAktivitäten von Kindern?Entwicklung eines einheitlichen Umgangsim TeamEinbeziehung der ElternIII. Sexuelle Übergriffe unter Kindern1. Definition – Woran erkennt man sexuelleÜbergriffe?UnfreiwilligkeitMachtgefälle2. Sonderformen von sexuellen ÜbergriffenSexuelle Übergriffe im ÜberschwangAusüben erwachsener Sexualität3. Bandbreite der Übergriffshandlungen4. Ursachen – Warum macht ein Kind soetwas?5. Folgen für das betroffene Kind6. Kinderschutzauftrag und Täterprävention– Soll oder muss man sogar eingreifen?IV. Fachlicher Umgang mit sexuellen Übergriffenunter Kindern1. Was braucht das betroffene Kind?2. Was braucht das übergriffige Kind?3. Maßnahmen – Schutz herstellen undEinsicht fördern4. Eltern – nicht beteiligt, aber mittendrinDie Eltern des betroffenen KindesDie Eltern des übergriffigen KindesElternabende5. Aufgaben des Teams6. Aufgaben der Leitung7. Die Kindergruppe – Hier fängt Präventionan8. Nachholende Intervention – eineChance für alle BeteiligtenBeratungsstellenAuszug aus der Broschüre:EinführungMit dieser Broschüre soll die pädagogischeAufmerksamkeit von Erzieherinnen 1 auf diekindliche Sexualität gelenkt werden. KindlicheSexualität wird in der Ausbildung wenig beachtet,im pädagogische Alltag der Kindertagesstättenhäufig übersehen und bestenfallsals Problem verstanden, auf das man1 Da in Kindertagesstätten ganz überwiegend Frauen arbeiten, wird im Folgenden nur noch die weibliche Form„Erzieherin“ verwendet, die männliche Kollegen aber einschließt.24 KINDLICHE SEXUALITÄT ZWISCHEN …


eagieren muss, wenn etwas schief gegangenist. Diese Broschüre will Erzieherinnen ermutigenund dazu befähigen, professionell, alsoausgestattet mit pädagogischem Fachwissen,mit den verschiedenen Aspekten der kindlichenSexualität umzugehen: Einerseits sollensie die sexuelle Entwicklung als Teil derPersönlichkeitsentwicklung erzieherisch begleitenund andererseits sexuelle Grenzverletzungenunter Kindern verhindern.Diese Broschüre richtet sich an Erzieherinnen,die mit Kindern arbeiten, nicht mitJugendlichen! Denn die sexuelle Entwicklungsphaseder Pubertät unterscheidet sichstark von der sexuellen Entwicklung der jüngerenKinder. Kinder stehen anders alsJugendliche am Anfang des sexuellen Lernensund benötigen dabei die Unterstützungihrer Bezugspersonen und Erzieherinnen.Jugendliche haben längst ein Bild von Sexualität.Eigene Erfahrungen und gesellschaftlicheEinstellungen zur Sexualität haben sichbei ihnen zu einer eigenen Einstellunggeformt, die nicht mehr ohne Weiterespädagogischer Einflussnahme zugänglich ist.Bezugspersonen und Pädagoginnen habenmehr die Funktion von Ratgebern – und dasauch nur, wenn sie den Jugendlichen irgendwiekompetent erscheinen.Außerdem sind bei sexuellen Übergriffen vonJugendlichen andere Schwerpunkte bei derIntervention zu setzen als bei Kindern unter14 Jahren: Es handelt sich bei Jugendlichenum strafbares Verhalten, das möglicherweisezur Anzeige gebracht, polizeilich und staatsanwaltlichuntersucht und gegebenenfalls ineinem Strafprozess als Straftat – nämlichsexuelle Nötigung, Vergewaltigung, sexuellerMissbrauch von Kindern – geahndet wird.Ganz anders bei Kindern: Hier sind vor allempädagogisches Umgehen mit diesem Verhalten,Schutz der betroffenen Kinder und wirksameFormen der Einflussnahme auf übergriffigeKinder gefragt. Und weil es Kindersind, die ihre Probleme noch weit ab von derJustiz lösen dürfen, sprechen wir nicht vonTätern und Opfern. Es sind übergriffige undbetroffene Kinder. Diese Kinder brauchenErzieherinnen, die ernsthaft und engagiert mitdiesem Problem umgehen, damit sie sichnicht ein paar Jahre später wegen desselbenVerhaltens vor Gericht wiedersehen. Es istdie Aufgabe der Erzieherinnen, nach einemsexuellen Übergriff im pädagogischen Alltagdie Bedingungen für eine Atmosphäre in derKindergruppe zu schaffen, in der sich alle Kinder(wieder) sicher fühlen bzw. akzeptiert bleiben,sodass ein respektvolles Miteinandergelingen kann.Manche Erzieherinnen verschließen dieAugen vor sexuellen Übergriffen aus Angst,an dieser Aufgabe zu scheitern. Sie fühlensich überfordert, denn sie befürchten, dasssie eine therapeutische Ausbildung bräuchten,um die Herausforderungen zu meistern.Beim pädagogischen Umgang geht es abernicht um die psychologische Aufarbeitung desVorgefallenen bei den betroffenen Kindernund schon gar nicht um therapeutischeBegleitung der übergriffigen Kinder. Die Aufgabevon Erzieherinnen ist nicht mehr, aberauch nicht weniger als der praktische Schutzvon Mädchen und Jungen vor sexuellenÜbergriffen und das Entwickeln und Durch-KINDLICHE SEXUALITÄT ZWISCHEN … 25


nen, aber auch für Lehrkräfte und anderepädagogische Fachkräfte in der Praxis häufigGefühle von Unzulänglichkeit und Überforderungentstehen. Noch schwieriger und belastendererleben sie die eigene Position, wennzur persönlichen Unsicherheit auch nochErwartungen von Eltern kommen, die sehr unterschiedlichund auch widersprüchlich seinkönnen: Einige Eltern wünschen sich von denErzieherinnen Hinweise und Orientierung fürden Umgang mit kindlicher Sexualität, hoffenalso, dass diese mehr Fachwissen haben alssie als Eltern. Andere sprechen Erzieherinnendas Recht ab, sich in das Thema „Sexualität“überhaupt einzumischen und fordern, jeglichessexuelles Verhalten von Kindern in derKindertagesstätte zu unterbinden, weil siedieses Thema für eine reine Privatangelegenheithalten. Wieder andere befürchten, dassihre Kinder in ihrer sexuellen Entwicklunggehemmt werden könnten, wenn ihnen dieErzieherinnen unangemessen streng, nämlich„prüde“ vorkommen.Auf diesem Hintergrund eskaliert so mancheSituation, wenn zur Frage der Sexualität dieFrage nach möglicher sexueller Gewalt hinzukommt.Wenn pädagogische FachkräfteMühe haben, sexuelle Situationen als sexuelleÜbergriffe zutreffend einzuschätzen undkeinen fachlichen Umgang damit zeigen, vervielfachensich die Probleme der Kommunikationzwischen Erzieherinnen und Eltern.Erst ein Wissen über die sexuelle Entwicklungvon Kindern und eine Vorstellung von derkindlichen Sexualität machen es möglich zubeurteilen, wo die Grenze zwischen sexuellenAktivitäten und sexuellen Übergriffen unterKindern verläuft. Diese Abgrenzung ist unverzichtbar,weil der jeweilige pädagogischeUmgang vollkommen unterschiedlich seinmuss.Die unten stehende Abbildung veranschaulicht,wie man zum fachlich zutreffendenUmgang gelangt, wenn man eine sexuelleSituation von oder zwischen Kindern wahrnimmt.Sexuelle Handlungen unter KindernWas sehe ich?Sexuelle AktivitätenSexuelle ÜbergriffeWie reagiere ich?Umgang entsprechenddem sexualpädagogischenKonzept der EinrichtungIntervention zwingend!Fachlicher Umgang imSinne des KinderschutzesKINDLICHE SEXUALITÄT ZWISCHEN … 27


Erster Schritt:Man stellt und beantwortet die Frage: „Wassehe ich?“Ist die wahrgenommene Handlung eine sexuelleAktivität, also ein (unschädlicher) Ausdruckkindlicher Sexualität oder ein sexuellerÜbergriff? Handeln ist hier noch nicht gefragt!Wie diese Unterscheidung gelingt, ergibt sichaus den Kapiteln II und III.Zweiter Schritt:Erst wenn die Unterscheidung stattgefundenhat, wenn man weiß, womit man es zu tunhat, geht man der Frage nach: „Wie reagiereich?“Der fachliche Umgang mit sexuellen Übergriffenwird ausführlich im Kapitel IV dargestellt.Dem erzieherischen Umgang mit sexuellenAktivitäten widmet sich Kapitel II.2 in Grundzügen.In der Praxis wird oft der zweite vor demersten Schritt gemacht: Hektisch und übereiltwird auf die Situation reagiert, mit der Folge,dass sexuelle Gewalt nicht deutlich von kindlicherSexualität unterschieden wird. Und weilman eben nicht so genau weiß, wie die sexuelleHandlung zu beurteilen ist, wird beidesungefähr gleich behandelt – nämlich entwedertoleriert oder unterbunden.Die richtige Reihenfolge der beiden Schritteverspricht einen professionellen Umgang mitkindlicher Sexualität als Teil der kindlichenIdentitätsentwicklung und mit sexuellen Übergriffenals Gefahr für diese Entwicklung.In der Broschüre gegebene Hinweise zuFachliteratur zur sexuellen Entwicklungvon Kindern:Materialien der Bundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung, z.B.: Entdecken, schauen,fühlen! Handbuch für Erzieherinnen undErzieher zur Kindergartenbox, (Köln 2003), zubeziehen über www.bzga.de„Kursbuch Sexualerziehung“ von ChristaWanzeck-Sielert (München 2004, ISBN 3-7698-1418-5)„Sexuelle Übergriffe unter Kindern – Handbuchzur Prävention und Intervention“ von UlliFreund und Dagmar Riedel-Breidenstein(Köln 2004, ISBN 3-927796-69-7)Ansprechpartner:Strohhalm e.V.Ulli Freund, Dagmar Riedel-BreidensteinLuckauer Straße 2, 10969 BerlinTel.: 030/6141829strohhalm@snafu.dewww.strohhalm-ev.de<strong>Land</strong>esjugendamt des <strong>Land</strong>es<strong>Brandenburg</strong>Dr. Corinna BredowHans-Wittwer-Straße 6, 16321 BernauTel.: 03338/701-0Corinna.bredow@lja.brandenburg.dewww.lja.brandenburg.de28 KINDLICHE SEXUALITÄT ZWISCHEN …


Hinweis auf die „Empfehlungen zum ThemaKinderschutz“Im August 2006 sind die „Empfehlungen zumUmgang bei Kindesvernachlässigung undKindesmisshandlung sowie bei entsprechendenVerdachtsfällen“ bei der Fachstelle Kinderschutzim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> erschienen.Die Broschüre im grünen Umschlag ist inzwischenüber die Praxisberaterinnen der Jugendämterauch an die Kindertageseinrichtungenverteilt worden.Die Empfehlungen – von mehreren Ressortsder <strong>Land</strong>esregierung gemeinsam mit Vertreternder kommunalen Spitzenverbände entwickelt– stellen zuerst die Aufgaben der verschiedenenInstitutionen (Jugendamt, Kindertageseinrichtungenund Schulen, Gesundheitswesen,Justiz und Polizei) beim Schutzvon Kindern vor Misshandlung und Vernachlässigungdar. Dann werden Vorschläge fürdie Verbesserung der Zusammenarbeit derbeteiligten Institutionen unterbreitet. Insbesonderewird angeregt, auf der örtlichenEbene die zuständigen Mitarbeiter der einzelnenInstitutionen regelmäßig zusammenzuführen,um den fachlichen Austausch zu fördernund eine schnelle Abstimmung in Verdachtsfällenoder bei konkreten Vorfällenmöglich zu machen. Solche Arbeitsgemeinschaftenzum Kinderschutz sollen die Kommunikationund Kooperation der beteiligtenStellen verbessern. Mit dem Grundsatz, dassDatenschutz kein Täterschutz sein darf unddass der Schutz der Kinder vor Vernachlässigungund Misshandlung oberste Priorität hat,wird schließlich auch auf aktuelle Fragen desDatenschutzes eingegangen.Im präventiven Kinderschutz spielen Kindertageseinrichtungeneine besonders wichtigeRolle, weil sie in der Regel einen kontinuierlichenKontakt nicht nur zu den Kindern, sondernauch zu den Eltern haben. Ein Vertrauensklimain diesen Beziehungen kann Kinderund ebenso Eltern ermutigen, ihre Problememitzuteilen, und Erzieherinnen können professionellreagieren, wenn sie Verhaltensänderungenoder auch Anzeichen für Vernachlässigungoder Misshandlung erkennen. Die„Grenzsteine der Entwicklung“ zum Beispielsind ein Instrument zur Früherkennung, dasebenfalls in den Empfehlungen aufgeführtwird. Wenn ein begründeter Verdacht entsteht,sollten die Fachkräfte sich der schnellenUnterstützung des Jugendamtes bedienen,wie sie nach § 8a Absatz 2 SGB VIII vereinbartsein muss. Die Broschüre ist somitfür den Kindertagesbetreuungsbereich einewichtige Arbeitshilfe, die dazu beitragen soll,unsere Kinder besser, frühzeitiger und wirksamervor Vernachlässigung und Gewalt zuschützen.Die „Empfehlungen zum Umgang bei Kindesvernachlässigungund Kindesmisshandlungsowie bei entsprechenden Verdachtsfällen“und weitere Informationen finden Sie auchder Homepage der Fachstelle Kinderschutzim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> unter www.fachstellekinderschutz.deHINWEIS AUF DIE EMPFEHLUNGEN … 29


eine (selbst)verantwortliche (Mit-)Gestaltungdes Lebens ist Autonomie – anders ausgedrückt:Selbstbestimmung und das Gefühl derSelbstwirksamkeit – eine elementare Voraussetzung.Autonomie ist auch ein menschlichesGrundbedürfnis. Es ist jedoch nicht mit„Freiheit“ oder „Autarkie“ gleichzusetzen (vgl.Priebe 2006). Das Grundbedürfnis nach Bindungist genauso elementar für uns Menschen.Autonomie und Verbundenheit gehörenzusammen wie die zwei <strong>Seite</strong>n einerMünze (vgl. Leu und Krappmann 1999). WeilAutonomie im Zusammenleben mit anderenMenschen immer wieder Grenzen gesetztwird, brauchen Menschen Kompetenzen, dieeigenen Bedürfnisse und Interessen mitanderen auszuhandeln. Dies lernen sie ambesten, wenn sie von Anfang an die Chancehaben zu partizipieren. Partizipation verstehenwir als Beteiligung und Mitsprache anPlanungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsprozessenzu allen wesentlichen Belangen,die die Kinder betreffen (nach Krappmann,2000).Die Entwicklung von Mädchen und Jungen,die Entfaltung ihrer Persönlichkeiten und ihrerPotenziale hängen davon ab, ob ihnen Autonomiezuerkannt wird und inwiefern sie ihrRecht auf Partizipation leben können. Erwachsene,die wissen, wie wichtig es ist, einGefühl für sich selbst und einen Zugang zuden eigenen Bedürfnissen zu haben, ermöglichenden Kindern, ihre Bedürfnisse, ihreSichtweisen und Anliegen zu erkunden undihre Meinung zu äußern.In Kindertagesstätten und Schulen ist es Aufgabeder Pädagoginnen, die Bedingungen füreine Kultur des Aufwachsens herzustellen, inder Kinder selbstverständlich über sich selbstbestimmen und zusammen mit anderen mitbestimmenkönnen.Der Begriff „Autonomie“ findet sich auch inder aktuellen Bildungsdiskussion wieder, dieeinen Wandlungsprozess zu einem verändertenKindbild anzeigt: vom unfertigen, defizitärenObjekt, das erst durch die Erziehungzum vollwertigen Menschen, zum eigenaktiven,kompetenten Subjekt wird. Aus der Entwicklungspsychologieund der Hirnforschungwissen wir, dass Kinder sich die Welt aktivaneignen, um darin handlungsfähig zu sein.In der Erkenntnis, dass Kinder sich selbst bilden,schwingt auch die Überzeugung mit,dass sie dies selbstbestimmt tun müssen.Für die Pädagogin bedeutet dies eine einschneidendeWende in der pädagogischenArbeit und ihrer professionellen Rolle. Sie hatsich von einem eher autoritär gefärbten Verständnisvon einer Erzieherin, die die Kinderanleitet und belehrt, gewandelt zu einer unterstützendenPartnerin der Kinder, die sie beiihren Bildungsaktivitäten begleitet, ihre Lernbereitschaftund ihre Potenziale wahrnimmt,aufgreift und selbstverständlich zugleichanregt. Sie sorgt dafür, dass die Mädchenund Jungen sich als Personen mit eigenenVorstellungen, Absichten, Erwartungen einbringenkönnen.Den Kindern ihre persönliche Autonomiezuzugestehen und entsprechend zu handelnund das Recht der Kinder auf Partizipation imtäglichen Umgang umzusetzen – dies ist fürErwachsene tatsächlich eine Herausforderung.Es ist ein tief greifender Lernprozess,der die gesamte Persönlichkeit einschließt.Die meisten Pädagoginnen haben als KinderKINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 31


selbst vielfache Einschränkungen ihrer Autonomiebedürfnisseund wenige Möglichkeitender Mitbestimmung und Mitentscheidungerfahren. Wir müssen davon ausgehen, dassPädagoginnen, wenn sie beginnen, KindernAutonomie und ihre Partizipationsrechte zuzuerkennen,versuchen, etwas zu verwirklichen,wozu sie selbst zunächst einmal wenigeigenen Zugang haben.Seit 2002 erleben wir im Projekt „Demokratieleben“ tagtäglich, was es heißt, sich konsequentdie Frage zu stellen: Inwiefern ermöglichenwir den Kindern in der Kita demokratischeLernerfahrungen? Die beteiligten Erzieherinnenreflektieren ihre pädagogische Praxisund tauschen ihre Erfahrungen undErkenntnisse aus. Sie probieren Neues ausund stellen fest, dass Veränderungen auchBereicherungen mit sich bringen. Sie trauenden Kindern mehr zu und erkennen, dass siemehr können und wissen, als sie je erwartethatten. Und dann gehen sie immer weiter. Siesind fortwährend dabei, an ihre Grenzen zugehen und sie zu überwinden.Was diese Auseinandersetzungen konkretbedeuten und welche Herausforderungendamit verbunden sind, möchte ich Ihnenanhand von Beispielen unserer Projektarbeitdarlegen.Beim ersten Beispiel geht es um Autonomieerfahrungenvon Kindern; es geht um das alltäglichstealler Themen, um Essen und Trinken,also um ganz elementare körperlicheGrundbedürfnisse.Wenn wir allgemein davon ausgehen, dassdie Erfahrung von Autonomie - der Selbstbestimmung- immens wichtig für die Entwicklungdes Kindes ist, dann trifft dies auch aufdiesen Bereich zu. Die Kinder sollten dieMöglichkeit haben, zu essen und zu trinken,wann immer sie Hunger und Durst haben. Siesollten so viel (oder so wenig) essen und trinken,wie es ihrem Bedürfnis entspricht. Undsie sollten wählen können, was sie essen undtrinken wollen.Hier klafft eine Lücke zwischen dem, was dieKinder für ihre Entwicklung brauchen, und derRealität in der Kita.Zwar ist es mittlerweile in den Kitas, die ichkenne, üblich, dass den Kindern Getränke zujeder Zeit zugänglich sind. Doch ist dies eherbei den älteren der Fall als bei den kleinerenKindern. Begründet wird dies oft damit, dasskleine Kinder die schwere Kanne noch nichtallein handhaben können. Es braucht nichtviel Ideenreichtum, um eben eine kleineKanne zur Verfügung zu stellen, damit Autonomienicht eine Frage des Alters ist.Auch beim Auftun des Essens beobachtetenwir, dass die Möglichkeit der Selbstbestimmungaltersabhängig ist. Hortkinder habenam ehesten die Chance, selbst zu bestimmen,was und wie viel sie auf ihrem Tellerhaben wollen. Um ein gesundes Verhältniszum Essen zu entwickeln, ist in diesem Alteraber schon der Zug abgefahren. Die Kinderkönnen nicht früh genug anfangen, ein Gefühldafür zu bekommen, was sie wollen und wassie brauchen. Die Krippenerzieherinnenunseres Projekts haben nach anfänglichenZweifeln den Beweis erbracht, dass schonEinjährige sehr wohl in der Lage sind, sichselbst das Essen aufzutun. Hierbei wird auch32 KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE …


eine wichtige Bildungschance genutzt: DieKinder lernen, Mengen einzuschätzen unddas Besteck und die verschiedenartigen Konsistenzender Speisen zu handhaben.Ich gehe davon aus, dass heute kein Kind inder Kita mehr gezwungen wird, alles aufzuessen,was auf dem Teller ist. Aber darf ein Kindsich auch irren, bei sehr großem Appetit sichzuviel auftun und erst beim Essen erkennen,dass es nur die Hälfte schafft? Entscheidendist, wie die Erzieherin reagiert: mit Wohlwollenoder mit Ungeduld?Auch in der Aussage: „Ich will nicht mehr“ wirdden Größeren mehr Autonomie zuerkannt alsden Kleineren. Es ist ja tatsächlich vielschwieriger, dies bei kleinen Kindern, dienoch nicht sprechen können, wahrzunehmen.Die Krippenerzieherinnen im Projekt „Demokratieleben“, die sich angewöhnt haben,bewusster auf die Bedürfnisäußerungen dereinzelnen Kinder achten, nehmen viel sensiblerdie unterschiedlichen Äußerungsformenbei Babys wahr. Wenn sie leicht den Oberkörperversteifen, die Augen schließen, den Kopfwegdrehen, heißt das: Nein. Dies sind oftganz feine Bewegungen, die leicht in der Kindergruppeuntergehen können.Dass Kinder nicht zum Essen gezwungenwerden sollen, ist heute nicht nur unterPädagoginnen unzweifelhaft. Aber: Haben dieKinder wirklich die Wahl, was sie essen? Gibtes Alternativen zum Mittagsmahl, das einKind nicht mag, etwa ein belegtes Brot?Bekommen sie auch Nachtisch, wenn sie dasEssen nicht aufessen? Müssen sie allesessen, was angeboten wird? Wird das Angebotzu probieren, wirklich so formuliert, dassdas Kind ermuntert wird, etwas Neues zu entdecken,ohne dass Druck ausgeübt wird?Kann ein Kind auch ablehnen, etwas Neueszu entdecken?Diese Fragen lösen in Teams häufig intensiveund mitunter heftige Diskussionen aus. Oftwerden Sachzwänge oder die Autorität derKüchenkraft ins Feld geführt, wenn eingefleischteGewohnheiten infrage gestellt werden,um die Bedürfnisse der Kinder stärkereinzubeziehen.Immer kommt aber auch die Sorge umgesundheitsfördernde Ernährungsgewohnheitenzum Ausdruck. Denn es gibt Kinder,die von ihrer Familie Essgewohnheiten kennen,die ihrer Gesundheit eher schaden. Wasist, wenn ein Kind sechs Wochen lang nurNachtisch essen will? Wir können doch nichtzugucken, wenn ein Kind sich völlig einseitigernährt! Wenn es keinen Diskurs darüber mitden Eltern gibt, bleibt die Sorge bestehen. Dahilft auch die erprobte Erfahrung nichts, dassKinder, die ihre Nahrungsaufnahme selbstbestimmen können, irgendwann von selbst zueiner Ausgewogenheit finden.Häufig haben es die Erzieherinnen auch mitKindern zu tun, die aufgrund der familiärenVerhältnisse ausschließlich in der Kita eineRegelmäßigkeit erfahren und für die festeStrukturen besonders wichtig sind. Es istgewiss nicht einfach, eine Balance herzustellenzwischen dem Pflegen einer Esskultur inder Gruppe mit den dazugehörenden bedeutsamenRitualen und der Möglichkeit, den individuellenBedürfnissen jedes Kindes Rechnungzu tragen.KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 33


Wenn Erzieherinnen überzeugt davon sind,dass Autonomieerfahrungen wichtig für dieEntwicklung der Kinder sind, dann kommensie an den Punkt, an dem sie eine Entscheidungtreffen und fragen: Was können wir verändern,damit die Kinder dieses Grundbedürfnisnach Selbstbestimmung befriedigen können?Gerade, was das Essen angeht, stoßen wirErwachsenen häufig an unsere eigenenGrenzen. Die meisten von uns haben als Kinderganz andere Erfahrungen gemacht. Diemeisten von uns sind mit dem Spruch erzogenworden: „Es wird gegessen, was auf denTisch kommt.“ (Für uns waren nach der Uhrzeitgeregelte Mahlzeiten schon zu Säuglingszeitenselbstverständlich.) Wann immerwir mit Erzieherinnen über ihre eigene Kindergartenzeitsprachen, wurden als negativeErfahrungen der Zwang zum Essen und derzum Schlafen genannt. Diese Erfahrungensind schmerzlich.Die Herausforderungen für Erzieherinnen,sich mit dem Thema auseinanderzusetzenund Dinge zu verändern, liegen auf der Hand.Was brauchen die Erzieherinnen, um dazu inder Lage zu sein?Sie brauchen das Wissen über die Wichtigkeitvon Selbstbestimmung und Beteiligung für diekindliche Entwicklung. Sie müssen außerdemdie Möglichkeit – die Zeit und den Raum –haben (bzw. nehmen), sich im Team auszutauschenund zu reflektieren. Dabei ist es förderlich,wenn das Team für einen Rahmen,ein Klima sorgt, in dem es möglich ist, offenzu sein, Gefühle zu äußern und Fragen zustellen. Welche eigenen Erfahrungen habendazu geführt, wie ich jetzt bin, denke undfühle? Wo sind meine Grenzen, meine Befürchtungen?Auf dieser Basis kann gemeinsamüberlegt werden: Was wollen wir, waskönnen wir verändern, und wie wollen wir dastun?Wir haben die Erfahrung gemacht, dass inden meisten Kitas die Erzieherinnen sich zuwenig Zeit nehmen, um über ihre pädagogischePraxis nachzudenken. Dabei sind dieHerausforderungen, die eine Veränderungdes Bildungsverständnisses, des Kindbildesund der Erzieherinnenrolle bedeuten, ambesten im gegenseitigen Austausch zu meistern.Im Projekt „Demokratie leben“ ist esüblich, dass die Erzieherinnen ihre Beobachtungenund die daraus ersichtlichen Themender Kinder mit den Kolleginnen besprechenund sich gegenseitig durch ihre unterschiedlichenPerspektiven vielfältige Impulse zumWeiterdenken geben.Wie hilfreich es sein kann, dass die Erzieherinnendie Zeit und den Raum für eine gemeinsameReflexion haben, soll das nächsteBeispiel zeigen:In einer Gruppe von Kolleginnen stellte eineErzieherin ihre Beobachtungen aus ihrer Kindergruppevor. Es sollte darum gehen, in denverschiedenen Situationen der Kinder einSchlüsselthema zu finden, anhand dessen siemit den Kindern ein Projekt entwickeln konnte.Sie war sich unschlüssig, welches derThemen, die die Kinder beschäftigten, daswichtigste wäre. Nebenbei kam sie bei derBeschreibung auch auf die soziale Situationin der Gruppe zu sprechen; ein Mädchenwurde seit längerem von den anderen Kindernausgegrenzt. An dieser Stelle fragten die34 KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE …


Kolleginnen nach; und so beschrieb sie ausführlicherdie Situation (das Mädchen wurdegehänselt und durfte nie mitspielen) und auchihre erfolglosen Versuche, etwas daran zuändern. Bisher hatte sie nämlich versucht, dieSticheleien zu unterbinden und die Kinderdurch Ermahnungen dazu zu bringen, sichdem Mädchen gegenüber fairer zu verhalten.Im Gespräch mit den Kolleginnen wurde ihrzunehmend klarer, dass das soziale Thema inder Gruppe das Schlüsselthema war und amstärksten nach Veränderung drängte. DerBlick der Kolleginnen von außen, ihre Fragenund ihre Hilfestellungen ermutigten sie, sichdiesem Problem noch einmal von Neuemzuzuwenden und andere Handlungsmöglichkeitenauszuprobieren. Sie nahm sich vor,das Problem in der Kindergruppe nicht mehrexplizit anzusprechen, sondern sie überlegtesich: Wie kann ich die Kinder in Kontakt mitdem Mädchen bringen? Sie probierte eineIdee aus, indem sie mit ihr bastelte oder einSpiel spielte. Die Kinder, die durch die Aktivitätangezogen wurden, näherten sich überdie gemeinsame, interessante Beschäftigungauf neue Weise an sie an.Aber im Grunde genommen machte sie nichtviel mehr als sonst auch. Sie schenkte lediglichder Dynamik in der Kindergruppe imgesamten Alltag mehr Aufmerksamkeit. ZumBeispiel nutzte sie das zur Weihnachtsfeieranstehende Märchenspiel für eine Gruppenerfahrung.Sie beteiligte die Kinder bei derPlanung und achtete darauf, dass die Absprachenbei der Rollenverteilung und Kostümauswahlfair verliefen. Die Kinder gewöhntensich daran, viele Gespräche zu führen. Allmählichveränderte sich das Klima in derGruppe. Bald erkannten die Kinder, dass sieeinen festen Ort für Besprechungen brauchen,weil es viel zu klären und auszuhandelngab. Daraus entwickelte sich ein Projekt, beidem die Kinder im Raum eine „Sternenhimmel-Beratungsecke“mit Sitzkissen und Sternenhimmelaus Stoff einrichteten, in die siesich von da an immer dann zurückzogen,wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab.Wie schwierig es ist, mit Entscheidungen derKinder umzugehen, wenn sie der Erzieherinproblematisch erscheint, zeigt das folgendeBeispiel:Eine Erzieherin einer Hortgruppe hatte sichentschieden, den Kindern zu überlassen, wiesie die Organisation des Tischdienstes regelnwollen. Sie wollte den Kindern den Lernerfolgermöglichen, ohne Steuerung durch ErwachseneAushandlungsprozesse zu bewältigen.(Das taten sie übrigens nicht zum ersten Mal.)Nachdem die Kinder einvernehmlich einenWeg gefunden hatten, fiel der Erzieherin auf,dass ein Junge, der besonders ruhig war,dreimal hintereinander den Tisch aufräumte.Das störte ihr Gerechtigkeitsgefühl derartig,dass sie den Jungen ansprach: „Du musstnicht jeden Tag den Tisch aufräumen, wenndu nicht willst.“ Er aber antwortete: „Aber ichwill doch!“ Da sie sich vorgenommen hatte,sich nicht in die Angelegenheiten der Kindereinzumischen, ließ sie es dabei bewenden.Aber sie fühlte sich nicht wohl dabei. Siebefand sich in einem inneren Konflikt zwischenihren eigenen Wertvorstellungen unddem Anspruch, diese den Kindern nicht überzustülpen.Diesen Konflikt löste sie so, dasssie immer, wenn die Kinder sich versammel-KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 35


ten und ihre Absprachen trafen, den Raumverließ.Einerseits drückt sich in der Behutsamkeit derErzieherin eine respektvolle Haltung den Kinderngegenüber aus. Die Kinder haben ihreGründe für ihr Verhalten, die außen stehendenErwachsenen oft nicht einleuchtend sind.Wäre da nicht ihre Sorge, könnte es auchsein, dass sie Vertrauen in die sozialen Kompetenzender Gruppe hat.Andererseits ist es wichtig, dass die Erzieherinden Kindern ihre Gefühlen und Gedankenmitteilt. Zum einen hat sie als Teil der Gruppegenau wie die Kinder das Recht, ihren Standpunktzu vertreten. Außerdem gibt sie denKindern Anregungen, über ihr Verhalten nachzudenken.Es kann sein, dass sie eine Vermutung überdie Beziehungsdynamik in der Kindergruppehat. Es ist wichtig, dass sie gegenüber denKindern Stellung bezieht. Sie hat auch dieVerantwortung, die Machtverhältnisse in derGruppe anzusprechen. Damit werdenschüchterne Kinder, die sich tatsächlichunterdrückt fühlen und sich nicht trauen, sichzu wehren, unterstützt. Außerdem regt siedamit einen wichtigen Lernprozess in der Kindergruppean.Wie vermeidet man nun, dass Kinder „autoritär“,also überangepasst, reagieren und das,was die Erzieherin sagt, umstandslos übernehmen?Entscheidend ist, dass die Erzieherinnicht ihre Macht dazu benutzt, um die Kinderzu einer Verhaltensänderung bewegen zuwollen. Aufgrund ihrer Lebenserfahrungen,ihres professionellen Blicks und ihrer besonderenPerspektive auf die Gruppe kann sieden Kindern wertvolle Anregungen geben. Obund wie die Kinder diese für sich nutzen, müssensie selbst entscheiden.Die Erzieherin sollte in ihrer Rückmeldungauch nicht so genannte übergeordnete Autoritäteneinsetzen: „Das macht man nicht.“oder ihre Definitionsmacht ausspielen: „Dasist ungerecht.“ Sondern sie sollte von sichpersönlich sprechen: „Als ich das … bemerkte,ging es mir …, weil…. Wie seht ihr das?“Damit stellt sie den Kindern ihre Sichtweisezur Verfügung und öffnet ihnen den Raum,dies ihrerseits zu tun. Dabei sollte sie daraufachten, dass alle Kinder, die sich dazuäußern wollen, auch zu Wort kommen.Demokratie wird oft verkürzt als ein Verfahrender Beschlussfassung definiert, bei dem dasgemacht wird, was die Mehrheit will. Dies istjedoch ein sehr enges und unzureichendesVerständnis von Demokratie. Wenn die Kinderihre Interessen herausfinden und artikulierenlernen sollen, um sie dann mit anderenin Einklang zu bringen, dann ist es wichtig,dass sie erleben: Ich als Einzelne/r werde mitmeinem Anliegen gesehen, auch wenn ich inder Minderheit bin. An dem folgenden Beispielwird deutlich, wie so ein Aushandlungsprozessin der Kindergruppe vonstattengehenkann, bei dem alle zu ihrem Recht kommen.Das Beispiel ist Auszug aus einem Beobachtungsprotokollder Projektevaluation:Die Erzieherin fragt die Kinder, welche Möglichkeitensie hätten, um den Nachmittag zugestalten. Die Nutzung des Außengeländessei nicht möglich, da es zu kalt und zu rutschigdraußen sei. Die Kinder machen unterschiedlicheVorschläge: Entspannungs-,36 KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE …


Turn-, Videoraum. Die Erzieherin erklärt, dasssie nicht in den Turnraum gehen könnten, dadort bereits eine andere Gruppe sei. Somitschränkte sich die Auswahl auf Entspannungs-bzw. Videoraum ein. Die Mehrheit derKinder möchte in den Entspannungsraum,einige Kinder jedoch in den Videoraum. DieErzieherin fragt die Kinder, wie man diesesProblem lösen könne, wenn sie als Erzieherintrotzdem auf alle Kinder aufpassen müsse.Die Kinder machen den Vorschlag, dass ich(also die beobachtende Studentin) auf dieKinder im Videoraum aufpasse, während dieErzieherin mit in den Entspannungsraumgeht. Die Erzieherin meint, dass dies jedochnicht ginge, da ich keine Erzieherin sei unddie Kinder aus diesem Grund nicht alleinbeaufsichtigen dürfe. Ein Junge schlägt daraufhinvor, zuerst in den Entspannungs-,dann in den Videoraum zu gehen. Die Erzieherinäußert, dass dies ein toller Vorschlagsei. Sie fragt die Kinder, ob sie damit einverstandensind. Zwei Kinder sind jedoch nichteinverstanden. Sie wollen nur in den Videoraum.Daraufhin schlägt die Erzieherin vor,dass die Kinder, die nur in den Videoraumwollen, mit der Nachbarerzieherin mitgehenkönnten. Sie sagt zu einem Kind, dass diesesdie Erzieherin (vom Nachbarraum) doch malfragen solle. Die Kinder gehen schließlich mitihr in den Videoraum.(Aus einem Vortrag von Michael Priebe imMärz 2006)Hier gelingt es der Erzieherin nicht nur, eineAushandlung durchzuführen, bei der alle Kindermit ihren Meinungen beteiligt sind. Sondernsie findet zusammen mit den Kindernsogar einen Weg, mit dem alle Kinder einverstandensind. Sie schaffen es, einen Konsensherzustellen; alle Kinder finden sich in dieserLösung wieder.Sie erklärt den Kindern, warum etwas nichtmöglich ist. Demokratie bedeutet ja nicht,dass Kinder alles machen können, was siegerade wollen. Es ist aber wichtig, dass siedurchschauen und verstehen, wenn es Grenzengibt. Diese Transparenz ist eine Form, dieKinder in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.Die Kinder haben in der Regelkeine Probleme damit, auf etwas zu verzichten,wenn sie die Gründe dafür nachvollziehenkönnen.Darüber hinaus löst die Erzieherin das Problemnicht für die Kinder; sie gibt die Frage andie Kindergruppe zurück. Damit erhalten dieKinder die Botschaft: Ich werde ernst genommen.Die Erzieherin weiß, dass ich in derLage bin, eine Lösung zu finden. Wir müssendas Problem zusammen lösen. Ein wichtigerLerneffekt für die Kinder ist auch gleichzeitigeine wichtige demokratische Haltung: Ich binzuständig!Bei dem letzten Beispiel geht es wieder umAutonomie. Dieses Beispiel stammt nicht ausder Arbeit von Erzieherinnen mit Kindern,sondern aus der Arbeit des Projektteams mitErzieherinnen. Ich möchte damit die in derpädagogischen Arbeit häufig auftretendeFrage verbinden, unter welchen UmständenLernprozesse durch Vorgaben befördert oderauch verhindert werden können. Bei diesemBeispiel wird deutlich, wie Vorgaben die Aufnahmebereitschaftbehindern, weil die Auto-KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 37


nomie und die Möglichkeit der Einflussnahmeauf den Lerngegenstand gestört werden.Hiermit möchte ich Ihnen eine Erkenntnis vermitteln,die wir aus einem Fehler gewonnenhaben.Nach einem ca. Dreivierteljahr Zusammenarbeitmit den Projektkitas führten wir einenzweitägigen Workshop mit jedem Kitateamdurch. Wir hatten vorher durch Beobachtungenin den Kindergruppen und Einzelgesprächenmit den Erzieherinnen einiges überdie Situationen in den Kitas erfahren undbegannen, in regelmäßigen Teambesprechungenmit den Erzieherinnen in einenpädagogischen Diskurs zu gehen. In demWorkshop wollten wir diesen Diskurs vertiefen.Unsere Ansatzpunkte waren dabei immerdie Themen, die die Erzieherinnen beschäftigten,und ihre Fragen. Ausgehend von Situationenihrer pädagogischen Praxis wollten wirsie und uns anregen, uns mit speziellen Fragenauseinanderzusetzen.Nun kamen wir unter anderem aufgrundunserer Eindrücke zu dem Schluss, dass essinnvoll wäre, wenn die Erzieherinnen sichgezielter mit dem Thema „Kommunikation“beschäftigen würden. Also planten wir für denAnfang des Workshops eine kleine Fortbildungseinheit„Aktives Zuhören“ ein.Vielleicht ahnten Sie schon, worin unser Fehlerbestand. Wir wurden uns dessen erst amEnde des gesamten Workshops bewusst, undzwar durch den Kontrast zu den anderen Teilendes Workshops und durch die Rückmeldungder Teilnehmerinnen. Wir spürten nämlichdeutlich die Abwehr der Teilnehmerinnen,sich mit dem von uns eingebrachten Themazu beschäftigen. Sie machten zwar bei denvon uns angebotenen Übungen mit, dochsichtlich widerwillig. Die Gespräche warenschleppend und von Unlust begleitet. Ganzanders war es bei den anderen Workshopsequenzen,bei denen wir wirklich von ihrenSituationen der täglichen Arbeit und ihren Fragestellungenausgingen. Wir hatten lebhafteund engagierte Diskussionen. Sie ließen sichauf eine intensive Reflexion auch schwierigerThemen ein. Am Schluss meldeten sie unszurück, dass sie mit der ersten Sequenznichts hatten anfangen können, weil sie keineVerbindung zu dem herstellen konnten, wassie beschäftigte. Im Gegensatz dazu hattensie bei den anderen Sequenzen den Eindruck,neue Erkenntnisse gewonnen zuhaben.Unser Fazit: Wir hatten unsere (erwachsene)pädagogische Intervention aufgrund unsererAnalyse geplant und durchgeführt, ohne dieErzieherinnen einzubeziehen. Wir hatten esversäumt, ihre Perspektive zu dieser (unserer)Analyse zu erfragen. Stattdessen hatten wirihnen unser Thema aufgedrängt. Sie konntenkeinen Sinn in dem sehen, was wir ihnen zuvermitteln versuchten. So ist es auch nachvollziehbar,dass sie mit Abwehr reagierten.Hätten wir diese Erfahrung isoliert vomgesamten Prozess des Workshops betrachtet,dann wäre die Gefahr groß gewesen, wiederin eine neue Falle zu gehen. Wir hättendie Abwehr dann vielleicht nicht ernst genommenund sie als eine Unwilligkeit oderUnfähigkeit zur Selbstreflexion interpretiert.Es ist sicher nicht besonders schwierig, dieseErfahrung auf die Arbeit mit Kindern zu übertragen.38 KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE …


Verwendete Texte:Krappmann, Lothar: Überlegungen zu einemProjekt „Demokratie leben im Elementarbereich“.(Unveröffentlichtes Manuskript zurTagung der RAA Berlin am 1./2. Juni 2000).Leu, Hans Rudolf; Krappmann, Lothar (Hg.):Zwischen Autonomie und Verbundenheit.Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt amMain1999Priebe, Michael: „Stand und Zwischenergebnisseder Evaluation Demokratie leben“, Vortragauf dem Symposium des Projekts Demokratieleben „Partizipation und Empowermentvon Kindern“. 31. März 2006Bundesjugendkuratorium: Streitschrift „Zukunftsfähigkeitsichern! – Für ein neues Verhältnisvon Bildung und Jugendhilfe“. 2001KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 39


Aggressionen und Sprache –ein zusammenhängendes Thema?Oder:Was du nicht willst, dass man dir tu’, dasfüg auch keinem andern zu.Ein Situationsbericht / Sigrid HöhneSchon im Krippenalter erfahren die Kinder die„Macht der Sprache“. Jüngere Kinder, dieetwas wollen, machen sich auf verschiedensteWeise verständlich: mit Gesten, Lauten,Silben und mit Worten. Hat ein Kleinkindkeine Worte zur Verfügung, nutzt es seinenKörper. Oftmals ist dann die schmerzhafteErfahrung der anderen Kinder: „Es beißt sichdurch` s Leben“. Diese Phase hört auf, wenndas Kind spürt, mit Worten komme ich schnelleran mein Ziel. Bei Kindern im Kindergartenalterkonnten wir beobachten: Kann das Kindsich nicht so richtig ausdrücken, was esmeint, dann nutzt es seinen Körper. Eskommt zu Rangeleien. Bei Schulkindern gehtes dann schon richtig zur Sache, auch in derGrundschule. Das war zum Jahresbeginnebenso in unserer Hortgruppe auffällig. Eswurden häufig Schimpfwörter benutzt mit demZiel, andere zu verletzen und Gefühle zumissachten. Aber auch kleine und größerePrügeleien waren auf der Tagesordnung. Esging sogar soweit, dass Kinder Angst hatten,in die Schule zu gehen. Sie hatten Bauchschmerzen,Kopfweh oder andere Beschwerden.Viele der Kinder und sogar wir als Erzieherinnengingen oft traurig nach Hause aufgrundvon solch heftigen Erlebnissen. VieleFragen traten bei uns auf: Was passiert da?Warum wollen einige Kinder nicht mehr zurSchule gehen? Warum setzen sich die Kinderso grob auseinander? Was bewegt sie dabei?Was können wir Erzieher tun, die Kinder aneine faire verbale Auseinandersetzung zuführen? U. v. a. m.In den Hortgruppen-Versammlungen sprachenwir und auch die Kinder über unsereBeobachtungen. Ein erstes Ergebnis der Gespräche:Wir entwickelten für uns die Stopp-Regel: „Wenn jemand nicht weiter weiß, sagter „Stopp!“ und die beiden Betroffenen drehensich um und gehen auseinander. Etwas später(wenn Wut/Ärger/ Aufregung vorbei ist)probieren sie, in Ruhe darüber zu reden, undsehen sich dabei an (aktuelle Variante). AusSpaß darf sie nicht angewendet werden!Klappt das mit dem Gespräch nicht, darf einErwachsener geholt werden.“ Die Regelwurde von den Kindern schriftlich festgehalten,wie ein Vertrag. Die Wirkung ist verblüffend:Ich denke, zu 75% der Streitereienließen sich so ohne Körpergewalt lösen. DieHortkinder „arbeiten“ inzwischen auch danachmit den jüngeren Kindern des Hauses.Aber die Regel löste noch nicht unsere Probleme.Zwei Kollegen hatten im Vorfeld amGordon-Lehrertraining teilgenommen undeine Kollegin an einem Wochenseminar vomSozialpädagogischen Fortbildungswerk zumThema „Umgang mit Aggressionen“. Fazit füruns Mitarbeiter war: Menschen verstehen40AGGRESSIONEN UND SPRACHE –


edeutet: einfühlen, annehmen, echt sein.Wir luden einzelne betroffene Kinder zu Gesprächenein und mithilfe des aktiven Zuhörensgelang es uns meist, die Ursachenihres Verhaltens herauszubekommen oderdenen schon sehr nah zu sein. Unsere Haltungenteilten wir durch Ich-Botschaften mitund wir halfen dem Kind, eigene Lösungen zufinden. Nun wurde uns immer mehr klar, ohneEltern und auch die Lehrer geht es nicht. Wirholten uns aber noch Hilfe von außerhalb.Zwei Moderatoren der JugendnetzwerkstelleFläming standen uns dafür zur Verfügung.Aggressionen unter Kindern und der verbaleAustausch wurden somit ein Thema für Kinder,Erzieher und auch Eltern. Leider gelanges uns <strong>bis</strong>her noch nicht, auch die Lehrer fürdieses Thema mehr zu sensibilisieren. DenKindern boten wir an, mehr über sich selbstnachzudenken: Was mag ich – was nicht, mitwem spiele ich gern und warum, worüberfreue ich mich, was ärgert mich u.Ä. Das Ich-Projekt entwickelte sich, an dem fast alle Kinderteilnahmen, es wurde viel geschrieben,gemalt und auch fotografiert. In der gemeinsamenVorbereitungszeit merkten wir, dassdie Ursachen und Auswirkungen in denAltersgruppen verschieden sind. Deshalbbereiteten wir zwei Elternabende vor: je einenfür den Vorschul- und für den Schulbereich.Die ersten Ergebnisse durften wir von fastallen teilnehmenden Kindern den eigenenEltern am Elternabend zeigen. Die Reaktionder Eltern deckte sich mit unseren Erkenntnissen:Schlechtfühlwörter waren vielseitigund schnell gefunden worden – Wohlfühlwörterwaren rar und fielen den Kindern schwer.Aber nicht nur diese Erkenntnis nahmen dieEltern mit, sondern auch, dass sie als Elternin der Ich-Form über ihre Gefühle sprechensollten, nicht mehr als max. 2 Forderungenkonkret stellen und die eigene Sprache alsVorbildwirkung nutzen.Ein weiterer Schritt in dieser Thematik ist gerade beendet. Die Vorschulkinder und Erstklässler wurdenin einer Gesprächsrunde befragt: Was ist für dich Mut? Was macht dir Mut? Was ist für dichAngst? Was macht dir Angst? Die größeren Kinder schrieben ihre Gedanken anonym auf. Mit denjüngeren Kindern führten wir ein Interview durch. Hier einige Beispiele:1. Kindergartenkinder Wann <strong>bis</strong>t du mutig? Wann hast du Angst?Laura, 6,0J. Wenn die Schaukel Wenn ich auf dem Klettergerüstschaukelt und ichruntergeschupst werde, habe ichrunterspringeAngst.Julia, 5,11J. Wenn ich Fahrschule mache, Wenn ich auf dem Turnkastenwenn ich 18 bin, brauche ich stehe, habe ich Angst.Mut zum Autofahren.AGGRESSIONEN UND SPRACHE – 41


Christian, 5,9J. Meine Muskeln machen Mut. Gespenster machen mir Angst.Hanna, 6,10J. Wenn ich im Galopp reite, Wenn ich im Dunkelnbin ich mutig.weggeschnappt werde,macht es mir Angst.Niklas, 6,7J. Ich merke Mut, wenn ich Ich kriege Angst, wenn ichStürmer sein darf.Geräusche höre, die ich nichtkenne.2. Schulkinder Was heißt für dich Mut? Was heißt für dich Angst?(Die Aussagen sind von Kindern im Alter von 7-11Jahren, ohne Namen, da die Kinder ihre Zettelanonym abgaben.)Wenn jeder mit mir spielt, macht das Mut. Wenn ichWenn jemand mich schlägt, dannüber eine Brücke gehe und mal mit einem U-Boot fahre. habe ich Angst.Dass wir erst eine Mutprobe machen müssen, wennwir ein Team sind. Dass ich vielleicht Mädchen helfe.Mut ist, wenn man sich einem Gegner stellt (vielleichtbeim Fußball).Mut macht mir, wenn jemand zu mirsagt: „Du schaffst das schon!“Wenn ich mich in ein Mädchen verliebe, verteidigeich sie.Wenn ich hinfalle und nicht weine. Wenn ich einenPokal gewinne, ist das von mir Mut.Wenn ich etwas gut mache, dann habe ich Mut.Wenn ich Achterbahn fahre, brauche ich Mut.Dass ich verprügelt werde.Dass ich Anmecker kriege.Angst ist, was sich einer nichttraut oder nicht mehr traut, weiles schwierig aussieht, aber ganzleicht ist.Wenn einer von hinten sichanschleicht und mich runterziehtoder erschreckt.Wenn mich jemand verprügelt,weil ich schwach bin. Wenn ichim Dunkeln Erwachsenenfilmegucke .Wenn ich Flugzeug fliege.Wenn ich keine Freunde habeund mich keiner leiden kann, dahabe ich Angst. Angst merke ichauch, wenn es im Bauch kribbelt.42 AGGRESSIONEN UND SPRACHE –


Ergebnis:Mut wird mit meist mit Können verbunden undAngst mit Dunkelheit/ Unbekanntem, bei denKindergartenkindern. Die Schulkinder dagegenkonnten ihre Ängste schon sehr genaubenennen, meist handelte es sich um Angstvor körperlichen Auseinandersetzungen. DieErgebnisse dieser Befragung durften wir mitErlaubnis der Autoren zum Lesen an einerzugänglichen Stelle im Haus anbringen. Soerfuhren auch die Eltern mehr über dieBeweggründe ihrer Kinder und es folgteninteressante Gespräche zu Hause, die auchden Eltern halfen, ihre Kinder zu verstehen.Ein weiterer Schritt ist in der Vorbereitungsphase:Das Thema „Gefühle“. Was sind Gefühle?Welche sind angenehm – welcheunangenehm? Wer hat Gefühle? Wie merktman Gefühle – wann heißt es, sie sind verletzt?Brauchen wir sie – wofür? Die Dokumentationwird sich an das „Ich-Projekt“ anschließen.Wir glauben, dass dieses Thema immer aktuellsein wird. Wir Erzieher sind für die Kindereine Bindungsperson und bieten ihnen eine„sichere Basis“. Das heißt auch den älterenKindern das Gefühl geben, hier werden sieangenommen wie sie sind, geschätzt undgeachtet, und hier können wir gemeinsamnach Ursachen forschen und Lösungen finden.Literatur:Gisela Walter: „Erzähl doch mal!“. Klett-Velber-VerlagThomas Gordon: „Die Schulkonferenz“ und„Die Familienkonferenz“Verena Sommerfeld: „Umgang mit Aggressionen“.Luchterhand-VerlagAGGRESSIONEN UND SPRACHE – 43


Das „Individuelle Curriculum“ für Jessé –ein Beispiel aus der Konsultationskita„Rappelkiste“ in WünsdorfEinleitung von Beate AndresIn der Kita-Debatte 1/06 wurde das „IndividuelleCurriculum“ vorgestellt. Das Verfahrenstellt eine Weiterentwicklung des infans-Konzeptsdar und soll gewährleisten, dass in derpädagogischen Planung der Kindertagesstättedie Interessen und Themen jedes einzelnenKindes ebenso Berücksichtigung finden,wie die Erziehungsziele der Erwachsenen.Die Planungsschritte der Erzieherinnen unddie Reaktionen des Kindes auf die individuellenAngebote und Herausforderungen werdenin einem Formblatt dokumentiert.In diesem Heft setzen wir die Darstellung desVerfahrens fort mit dem Beispiel eines individuellenCurriculums aus der Konsultationskita„Rappelkiste“ in Wünsdorf.Jessé, für den das individuelle Curriculumentwickelt wurde, interessiert sich besondersfür die Bildungsbereiche „Mechanik undKonstruktion“ und „Wissenschaft“. In seinemPortfolio wurde dies auf dem Beobachtungsbogen„Bildungsbereiche/ Zugangsformen“dokumentiert und in Notizen zu den besonderenInteressen des Jungen. Auch, dass ersich gerne sprachlich einbringt, konkrete Vorstellungenzu möglichen Experimenten formuliertund viele Fragen stellt, wurde dortfestgehalten. Vor diesem Hintergrund habensich die Erzieherinnen entschieden, Jessé vorallen Dingen darin zu unterstützen, in seinenInteressensbereichen weiter und vertiefendtätig sein zu können und weitere Kompetenzenzu erwerben. Entsprechend wählen sieaus den Erziehungszielen der Kindertagesstättesolche aus, die den besonderen Leidenschaftenvon Jessé entsprechen: Beschaffenheitvon Material kennen, Prinzip vonAnalyse und Synthese verwenden, sozialkommunikativeFähigkeiten besitzen undüber einen großen Wortschatz verfügen. Zugleichist es ihnen aber auch wichtig, demJungen einen Bereich nahezubringen, für dener sich <strong>bis</strong>lang kaum interessiert hat: das Gestaltenund Schreiben mit Pinsel, Stift undSchere. Von ihren Erziehungszielen nehmensie deshalb auch „Gestaltungsmittel undTechniken kennen“ in das individuelle Curriculumauf. In den beschriebenen Handlungsschrittenwird deutlich, dass sich das Teamder Kita „Rappelkiste“ entschieden hat, mitder Methode des „Bridging“ zu arbeiten, alsodie Interessen des Jungen zu nutzen und ihnvon dort ausgehend herauszufordern, sichNeuem zuzuwenden. Die Fotos zeigen eindrücklich,dass Jessé auf die Herausforderungender Erzieherinnen positiv reagiert hat,und belegen einmal mehr, dass Kinder sicheher auf <strong>bis</strong>lang ungeliebte Bildungsbereicheeinlassen, wenn ihre eigenen Interessen undThemen von den Erwachsenen berücksichtigtund anerkannt werden.Das individuelle Curriculum des infans-Konzeptsist in erster Linie als Planungs- undDokumentationsinstrument für die Hand der44DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


Erzieherinnen gedacht. Zwar wird auch diesepädagogische Planung im Portfolio dokumentiertund ist für die Eltern und die Kinderzugänglich, aber nicht immer finden sie denZugang zu der doch eher „trockenen“ Darstellung.Inzwischen wurde in einigen der Kindertagesstätten,die mit dem infans-Konzeptarbeiten, eine Lösung gefunden und erprobt.Mit Blick auf das Projekt Bildungs- und Lerngeschichtedes Deutschen Jugendinstitutsund das ihm zugrunde liegende Konzept vonMargaret Carr schreiben die Erzieherinnenauf der Basis des individuellen Curriculumskleine Bildungs- und Lerngeschichten in Formeines Briefes an das Kind. Es zeigt sich, dassdiese Verknüpfung mit dem Carr-Konzeptleicht möglich ist und von den Kindern undihren Eltern sehr positiv aufgenommen wird.Im nachfolgenden Beispiel aus der Konsultationskita„Rappelkiste“ ist eine Bildungs- undLerngeschichte für Jessé nachzulesen, dieauf der Basis des dokumentierten individuellenCurriculums formuliert wurde.DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 45


Ausgangssituation für das Erstellen einesindividuellen Curriculums:• Jessé ist ein freundlicher, hilfsbereiter und kontaktfreudiger Junge.• Er ist sehr neugierig, stellt häufig Wieso-, Weshalb- und Warum-Fragen.• Jessé untersucht mit allen Sinnen verschiedene Materialien, stellteigene Hypothesen auf und testet sie.• Er bemerkt winzige Details und Veränderungen in der lebenden undnicht lebenden Natur.• Sein bester Freund ist David. Gemeinsam haben sie auch viel Spaßbeim Experimentieren, beim Konstruieren, an Zahlenspielen undSpielen im Freien.Bildungsbereiche/Zugangsformen:• Im Bereich „Mechanik und Konstruktion“ konnte ein Profilwert von10 Punkten,• im Bereich „Wissenschaft“ ein Profilwert von 9 Punkten und• im Bereich „Sprache“ ein Profilwert von 9 Punktenerkannt werden.Weniger Interesse zeigt Jesse‘ im Bereich Darstellung / Gestaltung(Umgang mit Schreibutensilien).46 DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


Interessen von Jessé• Jessés bevorzugtes Interesse ist das Erkunden und Experimentieren.• Er schaut sich gerne Experimentierbücher an und möchte am liebstentäglich mehrere Experimente durchführen. Er bringt häufigAlltagsmaterialien von zu Hause mit und hat oft schon konkreteVorstellungen für sein Vorhaben.• Er untersucht mit Begeisterung sämtliche Materialien(Beschaffenheit von Körpern), ist interessiert an mechanischen Dingenund probiert alles selber aus.Als Themen des Kindes haben wir folgendebenannt:intuitive Physik:– Hypothesen aufstellen und deuten– Beschaffenheit von Körpern kennen.Erziehungsziele Grundlage der zugemutetenThemen:1. Beschaffenheit von Materialien kennen2. Prinzip von Analyse und Synthese verwenden3. sozial-kommunikative Fähigkeiten besitzen4. über einen großen Wortschatz verfügen5. Gestaltungsmittel und Techniken kennen.DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 47


Individuelles CurriculumName des KindesZeitraum von Januar <strong>bis</strong> März 2006aktuelle aktuelle aktuelle Erziehungsziele päd. Handlg./Antwort Reaktion/Antwort Bildungs-Zugangs- Interessen Themen Grundlage der u. zugemutete Themen des Kindes schrittebereiche des Kindes zugemuteten Themen Handlungsziele Grad der EngagiertheitMechanik untersucht Beschaffen- Beschaffenheit von Salzteig herstellen aus folgenden Ausdauer und Freude beim DifferenzierungKons- immer heit von Materialien kennen Zutaten: Mehl, Salz, Wasser Zubereiten von Formen der Feinmotoriktruktion wieder Körpern Teigmasse, arbeitet10 Punkte Materialien erkunden 30 Minuten konzentriertWissen- Interesse Hypothesen Prinzip von Analyse Experimentierbücher und Nach- blättert sehr häufig in den kann Nachschlagewerkeschaft an mecha- aufstellen und Synthese schlagewerke zur Verfügung stellen Fachbüchern; selbstständig benutzen,9 Punkte nischen und testen benutzen Computerspiel: Löwenzahn sucht sich aus dem findet die gesuchten ArtikelDingen Computerspiel, Löwenzahn oder Abbildungen, bittetnur die Experimente aus Erzieherin, ihm vorzulesentestet Dinge Experimen- Erzieherin fragt Jessé, ob er das arbeitet sehr ausdauernd, sein Selbstwertgefühl wirdund deren tieren Experiment „Kerze“ selbstständig stellt mit großem Eifer gestärkt, er ist stolz aufFunktion organisieren und durchführen sein Experiment vor und seine Leistungmöchte und dabei den anderen erklärt es den zuhörenden kann selbstständig diesesKindern die Arbeitsschritte erläutert. Kindern Experiment organisierenErzieherin bietet ihm das Experiment bringt immer wieder probiert immer wieder,„Öl-Wasser Gemisch herstellen“ an Flaschen von zu Hause mit, hat Ausdauer,um dieses Gemisch kann sich gut konzentrierenherzustellen verfolgt sein Ziel <strong>bis</strong> zumSchlussDatum: Datum: Datum: Datum d. fachl. Diskurses: Datum d. Beobachtungen:Jan 06 6.1./ 17.1.06 18.1.06 25.1.2006 27.1./ 06.2./ 7.2.0618. Jan.48 DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


Individuelles CurriculumName des KindesZeitraum von <strong>bis</strong>aktuelle aktuelle aktuelle Erziehungsziele päd. Handlg./Antwort Reaktion/Antwort Bildungs-Zugangs- Interessen Themen Grundlage der u. zugemutete Themen des Kindes schrittebereiche des Kindes zugemuteten Themen Handlungsziele Grad der EngagiertheitSprache spricht zusammenhängend während einer Gesprächsrunde ist stolz, dass ihm so er kann vor einer Kinder-9 Punkte gern sprechen können erhält J. die Möglichkeit, sein viele Kinder zuhören gruppe zusammen-Experiment verbal zu erläutern und Interesse an seinen hängend und in derInhalten haben richtigen Reihenfolgesprechenerzählt gern Aufforderung: den anderen Kindern erklärt mit großerErlebnisse das Experiment vorzuführen und Begeisterungdabei Handlungsschritte folgerichtigzu erklärenstellt oft über einen großen Definitionen aus Nachschlagewerken fragt immer wieder nach, verwendet Begriffe:„Was-ist- Wortschatz verfügen vorlesen lassen bringt das Sachbuch zur Sauerstoffdas-“ und Erzieherin, wenn er eine Dichte„Warum- Frage hat ExperimentFragen“ Öl-Wasser-GemischDatum: Datum: Datum: Datum d. fachl. Diskurses: Datum der Beobachtungensein Selbstwertgefühlund seine Selbstständigkeitwurden dabei weiterentwickeltDAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 49


Individuelles CurriculumName des KindesZeitraum von Januar <strong>bis</strong> März 2006aktuelle aktuelle aktuelle Erziehungsziele päd. Handlg./Antwort Reaktion/Antwort Bildungs-Zugangs- Interessen Themen Grundlage der u. zugemutete Themen des Kindes schrittebereiche des Kindes zugemuteten Themen Handlungsziele Grad der Engagiertheitzuge- Gestaltungsmittel J. anregen, die Materialien für nimmt die Anregungen übt sich im Gebrauch vonmutetes und Techniken die Experimente aufzuzeichnen und Angebote der Erz. an Stiften, Pinsel undThema: kennen SchereDarstellungundGestaltung„Kratzen, schaben, ritzen, malen“ macht interessiert mit gibt bei Schwierigkeiten(aus dem Buch: Mit Fantasie die nicht gleich aufWelt gestalten)ist stolz auf seineErgebnisse – Selbstwertgefühlschreiben können Aquarellbilder malen, findet seine AufgabeUmgang mit Stiften, Namen sehr schwierigschreiben,Bilder, auf denen Utensilien für die probiert alles aus,Experimente dargestellt sind, aus arbeitet ausdauernddem Katalog ausschneiden undauf ein Blatt kleben,sich selbst beim Experimentieren große Herausforderung, überschreitet seinezeichnen kommt an seine Grenze GrenzenDatum: Datum: Datum: Datum d. fachl. Diskurses: Datum d. Beobachtungen:50 DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


• Durch Beobachten konnte ich erkennen, dass Jessé die MaterialienSchere, Stift und Kleber kennt, aber er setzt diese selten ein. Da esein legitimes Erziehungsziel ist, möchte ich Jessé mit diesenMaterialien vertraut machen und ihn anregen, damit zu arbeiten.• Bridging• Deshalb animiere ich ihn, seine Materialien für sein Experimentaufzuzeichnen.• Die Materialliste seines Lieblingsexperimentes kennt Jessé.• Er weiß, dass er für sein Vorhaben drei Kerzen, drei Teller und dreiGläser benötigt, und zeichnet diese auf.DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 51


52 DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


• Jessé entdeckt beim Computerspiel „Löwenzahn" ein Experiment. Erbittet mich, es vorzulesen. Am nächsten Tag bringt er dieentsprechenden Utensilien mit in die Kita. Ungeduldig wartet er, <strong>bis</strong> wirZeit zum Experimentieren finden. Ich lese ihm nochmals die Anleitungvor, anschließend organisiert er sich seinen Arbeitsplatz. Er stelltfolgende Materialien bereit: Eier, Salz, Wasser, Gläser, Löffel. In daserste Glas füllt er kaltes Wasser und legt behutsam ein Ei hinein. Essinkt zum Boden, weil das reine Leitungswasser die geringste Dichtebesitzt. Das Ei erfährt weniger Auftriebskraft und sinkt zu Boden.Fazit• Beim Experimentieren machen Kinder sinnliche Erfahrungen. Sieerfassen die chemischen und physikalischen Prozesse durch Sehen,Riechen, Schmecken, Hören, Anfassen und immer in Verbindung miteigenaktivem Handeln.• Die sinnliche Wahrnehmung aktiviert Denkprozesse; die Eindrückemüssen erfasst, geordnet und mit dem <strong>bis</strong>herigen Wissen verknüpftwerden.• Sinnliche Wahrnehmung beeinflusst die Sprachentwicklung.• Die Sprache begleitet neben den Sinnen die kognitiven Prozesse.DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 53


Lerngeschichte für JesséLieber Jessé!In den letzten Wochen habe ich dich oft beobachtet und aufgeschrieben,was du in unserer Kita erlebt und entdeckt hast.Es freut mich, wenn du morgens so fröhlich und mit tollen Ideen inunsere Kita kommst. Du bemerkst winzige Veränderungen, möchtestalles erklärt bekommen, stellst selber Hypothesen auf und testest diese.Du hast nicht nur zahlreiche Fragen, sondern erklärst uns viele Dinge,die uns schmunzeln lassen.Zum Beispiel:• Momentan zeigst du großes Interesse am Experimentieren. Du findestnicht nur in Büchern, Zeitschriften und im Computerspielen immerneue Anregungen zum Experimentieren, sondern du hast selber vieleIdeen. Dein Lieblingsexperiment „Wie viel Luft benötigt eine Kerzezum Brennen?“ würdest du am liebsten zehnmal am Tag durchführen.• Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass du es anderen Kindernvorgeführt und professionell erklärt hast. Die Begriffe „Luft“,„Sauerstoff“ und „Dichte“ sind bereits in deinem Wortschatz integriert.Oft bringst du Alltagsmaterialien von zu Hause mit und weißt schon,welches Experiment du damit ausprobieren möchtest.• Du hast es geschafft, viele Kinder für das Experimentieren zubegeistern. Durch deine Fragen musste auch ich mich intensiver mitden physikalischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Gemeinsamhaben wir neue Erkenntnisse gewonnen und dafür bin ich dir sehrdankbar.54 DAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ …


Resümee• Wir haben in unserer Arbeit mit dem individuellen Curriculum folgendeErfahrungen gesammelt:– Die kindliche Entwicklung wird beobachtet, beachtet und ernstgenommen.– Sie ist Ausgangspunkt für die nächsten Handlungsschritte. – Da dieInteressen und Themen der Kinder aufgegriffen werden, gelingtauch die Zumutung von Themen erstaunlich gut. Kinder sind in diesemProzess bereit, sich zugleich anderen Inhalten, die nicht ihrenaktuellen Interessen entsprechen, zuzuwenden.– Durch diese auf die Interessen und Themen der Kinder fokussiertepädagogische Arbeit finden sich die Kinder in ihrem Lernprozessbestätigt und angenommen. Jedes Kind wird mitgenommen.Kontakt:Konsultationskita „Rappelkiste“Am Eiskutenberg 115838 WünsdorfTelefon: 033702 / 66505E-Mail: rappelkiste.wuensdorf@arcor.deAnsprechpartnerin: Regina HandkeInfans e.V.Havelberger Straße 1310559 BerlinTelefon: 030 / 3963008E-Mail: infans@t-online.dewww.infans.netAnsprechpartnerin: Beate AndresDAS „INDIVIDUELLE CURRICULUM“ … 55


Helfen Kitawettbewerbe bei der Entwicklungpädagogischer Qualität?Andrea TietjenIn den Jahren 2002/2003 und 2003/2004 hatPädQUIS, Kooperationsinstitut der FreienUniversität Berlin, im Auftrag des brandenburgischenMinisteriums für Bildung, Jugend undSport zwei Kitawettbewerbe im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>durchgeführt. Mit diesem Vorhabensollten mehrere Ziele erreicht werden:• Der Qualitätsgedanke sollte in die breite(Fach)Öffentlichkeit und in die pädagogischePraxis getragen werden;• die Qualitätsentwicklungsprozesse solltenangeregt und damit• sollte die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzungmit Kriterien bester pädagogischerFachpraxis herausgefordertwerden.Die Teilnahme am Wettbewerb war freiwillig,allerdings gebunden an die Bereitschaft, sicheiner externen Evaluation zu stellen und damitdie eigene pädagogische Praxis zu öffnen.Es bewarben sich in beiden Kitawettbewerbeninsgesamt ca. 500 Kindertageseinrichtungenum eine Teilnahme, dies sind rund einViertel aller brandenburgischen Kitas. DerAufruf zum Wettbewerb fand also eine hoheResonanz. Aus Gründen der Finanzierbarkeitkonnten je Wettbewerb nur 50 Einrichtungen,insgesamt somit 100 Einrichtungen, untersuchtwerden, die per Zufallsverfahren ausgewähltwurden. Sie repräsentierten hinsichtlichGröße, Trägerschaft und regionaler Verteilungdie Gegebenheiten im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>.50 der insgesamt 100 Kindertageseinrichtungenwurden Ende 2002/Anfang 2003 (1. Kitawettbewerb),die zweiten 50 Ende 2003/Anfang 2004 (2. Kitawettbewerb) evaluiert.Ein wichtiger Bestandteil der Wettbewerbewaren die Rückmeldungen der Ergebnisse andie Einrichtungen. Dazu wurden für die teilnehmendenGruppen und Einrichtungen individuelleQualitätsprofile mit Stärken und Entwicklungsnotwendigkeitenin den verschiedenenQualitätsbereichen erarbeitet und schriftlichwie mündlich zurückgemeldet. Besondersdie mündlichen Rückmeldungen führten zuintensiven Diskussionen in den Teams, dieauch nach den Rückmeldungen fortgesetztwurden. Abschließend fand eine zentrale Veranstaltungfür alle teilnehmenden Einrichtungenstatt, auf der die Bemühungen um guteQualität anerkannt und die Sieger-Einrichtungender Wettbewerbe vom Minister für Bildung,Jugend und Sport für ihre herausragendeQualität ausgezeichnet wurden. Dergenaue Ablauf der Durchführung und dieErgebnisse der Wettbewerbe sind ausführlichbeschrieben in der Kitadebatte 01/04.Was haben die Kitawettbewerbe aus Sichtder Einrichtungen gebracht?Nachdem die Wettbewerbe und Rückmeldungender Ergebnisse abgeschlossen warenund einige Zeit vergangen war, sollte untersuchtwerden, welche Effekte und langfristi-56HELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER …


gen Auswirkungen die Qualitätsuntersuchungenund Rückmeldungen der Evaluationsergebnisseaus Sicht der beteiligten Einrichtungenauf die pädagogische Praxis hatten. Ineiner Nachuntersuchung sollte vor allem zweiFragen nachgegangen werden:1. Wie beurteilen die pädagogischen FachundLeitungskräfte, die an den Wettbewerbenteilgenommen hatten, diese Ergebnisseim Nachhinein (interne, subjektiveSicht)?2. Haben sich die Einrichtungen im Hinblickauf ihre pädagogische Qualität nachweislichund langfristig verbessert (externe,objektive Sicht)?Um die erste Frage zu beantworten, fand inden Jahren 2005/2006 eine umfangreicheschriftliche Befragung statt, die sich an alleEinrichtungen richtete, die an den Evaluationenim Rahmen der Wettbewerbe (100 Einrichtungen)teilgenommen hatten. Dabei solltenauch Aspekte der Organisation und desAblaufs der Wettbewerbe sowie der individuelleNutzen für die Einrichtungen aus subjektiverSicht bewertet werden. Zur Beantwortungder zweiten Frage wurden per Zufallsverfahren20 Kitas aus dem 2. Wettbewerbausgewählt, die noch einmal auf freiwilligerBasis verbunden mit der Möglichkeit, dasDeutsche Kindergarten Gütesiegel zu erwerben,extern evaluiert wurden. Über diesen Teilder Untersuchung wird im nächsten Heftberichtet.Die Befragung erbrachte folgende Ergebnisse:TeilnahmebereitschaftTrotz des langen Zeitraums von zwei bzw.drei Jahren, der für die Einrichtungen zwischendem jeweiligen Wettbewerb und derschriftlichen Befragung lag, war die Teilnahmeerneut hoch. Die Beteiligung der Einrichtungenaus dem 2. Kitawettbewerb betrug84 %. Von den Einrichtungen des 1. Wettbewerbsbeteiligten sich 52 %; diese niedrigereTeilnahme ist – neben dem zeitlich größerenAbstand – auch darauf zurückzuführen, dasssich Namen und Anschriften von Kitas geänderthatten und diese nicht erreicht werdenkonnten. Insgesamt ermöglichte die Beteiligungsrateeine aussagekräftige Evaluationder Wettbewerbe.Initiative zur Teilnahme an denWettbewerben – Druck von außen oderEigen-Motivation?Die ersten Fragen setzten sich mit der Initiativezur Teilnahme und mit Gefühlen undErwartungen, die damit verbunden waren,auseinander. Die Leiterinnen und Fachkräftegaben hier mit hoher Übereinstimmung an,dass die Initiative am stärksten von den Einrichtungenselbst, gefolgt von den Trägernund in den wenigsten Fällen von den Elternausging, wie die Abbildungen 1 und 2 zeigen:Mit diesem Ergebnis wurde die Annahmebestätigt, dass mit der Freiwilligkeit der Teilnahmeam Wettbewerb die Initiative von denEinrichtungen selbst ausging und nicht durchDruck von außen geprägt war.Externe Evaluationen –Auslöser unangenehmer Gefühle?Die meisten Leiterinnen und Fachkräfte begegnetenden Befragungsergebnissen zufolgeder externen Evaluation mit wenig Skepsisoder Ängstlichkeit. Sie gaben an, motiviertHELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER … 57


Abbildung 1: Initiative zur Teilnahme: Einschätzung der Leitungskräfte(Mehrfachnennungen möglich)Abbildung 2: Initiative zur Teilnahme: Einschätzung der Fachkräfte(Mehrfachnennungen möglich)gewesen zu sein, die pädagogische Arbeit zuverbessern, und waren im Übrigen davonüberzeugt, dass sie schon gute Arbeit leisteten.28 % äußerten jedoch auch die Sorge,durch die Teilnahme an der Evaluation zeitlichund emotional belastet zu werden.Effekte der Wettbewerbe –Kooperationen und emotionale AspekteRund 90 % der Befragten gaben als Antwortauf die Frage nach den Effekten des jeweiligenWettbewerbs an, dass er vor allem zuQualitätsentwicklung und zu konstruktiven58 HELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER …


Diskussionen in den Teams geführt habe.Unterschiedliche Ansichten gab es in Bezugauf die Beurteilung der Verbesserung derKooperation mit Eltern und Trägern. 46 % derBefragten waren der Meinung, die Kooperationmit dem Träger habe sich durch die Teilnahmeam Wettbewerb verbessert. Die andereHälfte (54 %) sah keine Verbesserung.Bezüglich der Kooperation mit den Eltern antworteten64 %, dass sich diese verbesserthabe. Die restlichen 36 % meinten, dassdiese sich nicht oder kaum verbessert habe.Hierdurch wird deutlich, dass das angestrebteZiel, den Qualitätsgedanken in die pädagogischePraxis und in die (Fach)Öffentlichkeitzu tragen und zur Qualitätsentwicklung anzuregen,zumindest aus der subjektiven Sichtder Beteiligten erreicht wurde.Die Rückmeldung der Ergebnisse –Verunsicherung oder Anreiz fürVeränderungen?Explizit wurde in der Befragung der Bedeutungund Wirkung der individuellen Rückmeldungennachgegangen. So wurden u.a. Fragennach der Beschäftigung mit Qualitätsaspektenund nach dem Ergreifen bestimmterMaßnahmen aufgrund der Rückmeldungengestellt. Die ganz überwiegende Mehrheit derLeitungs- und Fachkräfte sah in den Rückmeldungsergebnisseneinen Anstoß zur Qualitätsentwicklungund hat sie als kritische Hinweisegenutzt. Die Rückmeldungen dientenden Angaben zufolge dazu, miteinander insGespräch zu kommen, was für die pädagogischeArbeit als sehr fruchtbar angesehenwurde. Ein Teil der Befragten sah aber auchAuswirkungen der Rückmeldungen wie Ratlosigkeit,Verunsicherung und Auslöser für Konflikte(10 – 16 %). 31 % gaben an, dass dieErgebnisse sie emotional belastet hätten. Mitdiesen Antworten wurde von der Mehrheitzum Ausdruck gebracht, dass sie selbstkritischund gleichzeitig selbstbewusst die Rückmeldungenzum Anlass genommen hatten,Qualitätsentwicklungsprozesse in den Teamszu initiieren und durch die Rückmeldungenausgelöste Konflikte und Unsicherheitenkonstruktiv anzugehen.Effekte der Wettbewerbe –konkrete Qualitätsverbesserung?Die Befragten wurden aufgefordert, Maßnahmenzu benennen, die sie explizit aufgrundder Rückmeldungen eingeleitet hatten. 68 %nannten die Anschaffung neuer Fachliteratur,66 % die Anschaffung neuer (Spiel-)Materialien;63 % gaben an, ihre Einrichtungskonzeptionen(weiter)entwickelt zu haben, 53 % antworteten,an externen Fortbildungen und 37% an internen Fortbildungen teilgenommenzu haben. 26 % nannten eine andere Organisationvon Dienstbesprechungen und 69 %gaben zusätzlich Beispiele für weitere Maßnahmenwie z.B. die Entwicklung von Beobachtungsverfahrenoder die Anwendungbereits vorhandener Beobachtungsinstrumentean. Auch wurden speziell in den BereichenVeränderungen vorgenommen, die imRahmen der Rückmeldungen von den Evaluatorenbesonders angesprochen wordenwaren. Am häufigsten genannt wurden diesbezüglichVerbesserungen im Bereich,Betreuung und Pflege/Gesundheit und Körperpflege‘(44 %), gefolgt vom Bereich ,Platzund Ausstattung‘ (35 %). Auf Platz 3 der Nen-HELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER … 59


nungen befand sich der Bereich ,Sprachlicheund kognitive Anregung‘ (30 %), an letzterStelle standen die Bereiche ,Aktivitäten‘ und,Eltern & Erzieherinnen‘ (21%).Durchführung weiterer Kitawettbewerbe –Zustimmung oder ,einmal reicht‘?Die Fach- und Leitungskräfte wurden auchgefragt, ob sie die Durchführung eines weiterenKitawettbewerbs für wünschenswert erachtenwürden. 12 % der Leitungs- und 24 %der Fachkräfte gaben an, sich eher nicht füreinen weiteren Kitawettbewerb auszusprechen,dies wurde unterschiedlich begründet.Ein Teil der Befragten gab an, dass die vorabbefürchtete zeitliche und emotionale Belastungtatsächlich hoch gewesen sei. „Vielleicht“antworteten 21 % der Leitungs- und 37% der Fachkräfte. Hier wurde mehrfach angemerkt,dass sie sich bei einem kürzeren Zeitraumzwischen Evaluation und Rückmeldungeher für die Durchführung eines weiterenWettbewerbs aussprechen würden. Insgesamt67 % der Leitungs- und 39 % der Fachkräftebejahten einen erneuten Wettbewerbund begründeten dies vielfältig. Häufig genanntwurde die Notwendigkeit, sich bezogenauf pädagogische Qualität zu verorten undmit anderen Einrichtungen zu vergleichen.Ebenso erläuterten viele Fach- und Leitungskräfte,dass man sich durch die Teilnahme aneinem Kitawettbewerb herausgefordert fühle,das eigene pädagogische Handeln kritisch zuhinterfragen. Auch die Bestätigung der eigenenpädagogischen Arbeit durch die Rückmeldungsergebnissewurde mehrmals alswichtiger Aspekt genannt. Gleichzeitig nanntendie meisten Befragten als große Hindernissevon langfristiger Qualitätsentwicklungdie Aspekte Zeitmangel, Personalmangel undihre schwierige finanzielle Situation.Unterschiede in der pädagogischenQualität vor und nach denWettbewerben?Um die Einschätzung ihrer pädagogischenQualität in den Einrichtungen und Gruppenvor und nach dem jeweiligen Wettbewerbgebeten, ergab sich das in Abbildung 3 dargestellteBild:Abbildung 3: Einschätzung der pädagogischenQualität vor und nach denKitawettbewerben von Leitungskräften(rot) und Fachkräften (blau) in ProzentvorhernachherEs zeigt sich, dass die Leitungskräfte dasQualitätsniveau ihrer Einrichtungen vor demKitawettbewerb bei 63 % ansetzten, nachdem Wettbewerb bei 77 %, sie also eine Qualitätsverbesserungvon 14 % wahrnehmen.Die Fachkräfte setzten das Ausgangsniveaubei 67 % an, das Niveau nach dem Wettbewerbund der dadurch erfolgten Auseinandersetzungmit Qualitätsfragen bei 79 %. Deut-60 HELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER …


lich wird, dass die Leitungskräfte etwasselbstkritischer die pädagogische Qualitätihrer Einrichtungen vor den Wettbewerbenbzw. zum Zeitpunkt ihrer Durchführung beurteiltenals die Fachkräfte die Qualität in ihrenGruppen. Inwieweit solche subjektiven Einschätzungendes Zuwachses an pädagogischerQualität anhand externer Evaluationenbestätigt werden, ist Gegenstand eines geplantenFolgebeitrags.zur Qualitätsentwicklung und die Bereitschaftzum Vergleich mit anderen kommenaus der pädagogischen Praxis herausund sind nicht von außen ,aufgedrückt‘.• Im Durchschnitt sehen die Leiterinnen undFachkräfte durch die Auseinandersetzungmit Evaluationsergebnissen einen substanziellenQualitätsgewinn.Fazit und AusblickIm Rahmen zeitlicher und finanzieller Belastungen,innerhalb derer eine Mehrheit vonKindertageseinrichtungen arbeitet, muss dasEngagement der beteiligten Einrichtungenhervorgehoben werden. Der Ansatz überWettbewerbe – Verbindung von freiwilligerTeilnahme mit der Bereitschaft zur externenEvaluation – hat sich bewährt, wie die hoheTeilnahmebereitschaft der brandenburgischeKitas dokumentiert. Die Hauptergebnisse derBefragung verdeutlichen:• Die brandenburgischen Kitas, die am Qualitätswettbewerbteilgenommen haben,sind sowohl selbstbewusst als auchselbstkritisch. Sie haben sich auf den Wegbegeben, Qualitätsfragen in den Mittelpunktihrer pädagogischen Arbeit zu stellen,und sind dafür auch bereit, sich einerexternen Prüfung zu stellen.• Eine solche Überprüfung stellt für einenTeil zugleich eine zeitliche und emotionaleBelastung dar. Die Bereitschaft der Befragtenzur Qualitätsentwicklung und-sicherung wird dadurch jedoch nichtnegativ beeinflusst.• Die Initiative zur Teilnahme, die MotivationKontakt:PädQuis gGmbHUnipostfach 8Habelschwerdter Allee 4514195 BerlinTelefon: 030 / 83854664E-Mail: info@paedquis.dewww.paedquis.deKontaktpersonen:Prof. Dr. Wolfgang TietzeAndrea TietjenHELFEN KITAWETTBEWERBE BEI DER … 61


„Am Anfang lief es etwas zögerlich. Mittlerweilemacht die Stadt auch Werbung für dieTagesmütter.“Evaluation von Tagespflegequalifizierungenim Rahmen der Umsetzung desEuropäischen Sozialfonds (ESF)Gabriele Bindel-KögelZur aktuellen Lage der Kindertagespflegeim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>Die Kindertagespflege gewinnt in Deutschlandin den letzten Jahren zunehmend anBedeutung. Dabei geht es in den alten Bundesländernum die Sicherstellung eines bedarfsgerechtenAngebotes an Krippen- undTagespflegeplätzen für Kinder unter drei Jahren,das noch lange nicht erreicht ist. Dagegenliegt in den neuen Bundesländern dieVersorgungssituation der unter 3-Jährigen imJahre 2005 bei rund 40%, in <strong>Brandenburg</strong>sogar bei 43% 1 . Allerdings sorgt die demografischeEntwicklung in den neuen Bundesländernfür den Abbau von Plätzen in den Kindertagesstättenim ländlichen Raum, der wiederumdurch Angebote von Tagesmüttern aufgefangenwerden könnte. Vor diesem Hintergrundspricht Wiesner von „zwei Welten derKinderbetreuung in Deutschland“ (2004,S. 441).Mit dem Gesetz zum qualitätsorientierten undbedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuungfür Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz,kurz TAG), das Anfang 2005 in Kraftgetreten ist, erfolgt eine deutliche Aufwertungder Tagespflege von Kindern. Die Grundsätzeder finanziellen Förderung gelten nun für alleFormen der Tagesbetreuung, sei es ein Platzin einer Kindertagesstätte, sei es ein Platz beieiner Tagesmutter.Wodurch wird die Tagespflegequalifiziert?Mit der Prüfung des Angebots der Tagespflegepersonbzw. der Erlaubnispflicht, der Qualifizierungspflichtund der Sicherstellung derBetreuung in Ausfallzeiten werden relevanteQualitätskriterien erfüllt. Die in TagespflegeTätigen – überwiegend Frauen – erhalteneine fachliche Qualifizierung und berufsbegleitendeBetreuung. Damit tritt die Tagespflegeaus dem <strong>bis</strong>her eher semiprofessionellenSchattendasein, das der „Tagesmutter“ derVergangenheit anhaftet. Zum neuen Qualifikationsprofilder Tagespflegepersonen zählenpersönliche Eignung, Sachkompetenz, Kooperationsbereitschaftund Kenntnisse hinsichtlichder Anforderungen der Kindertagespflege.Diese sollen durch qualifizierte Lehrgängeerworben oder in anderer Weise nachgewiesenwerden (vgl. § 23 Abs. 3 SGB VIII).Im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> wurde die umfangreiche(Nach)Qualifizierung der in der Tagespflegetätigen Personen bereits 2001 mit derTagespflegeeignungsverordnung eingeleitet.In dieser Verordnung werden die Voraussetzungenfür die Aufnahme der Tätigkeit in derTagespflege geregelt. Einen besonderen Stellenwertnimmt die Qualifizierung der Betreuungspersonenein. Geregelt ist neben derTeilnahme an vorbereitenden Kursen im Umfangvon 24 Stunden und an Erste-Hilfe-Kur-62„AM ANFANG LIEF ES ETWAS …


sen auch die erfolgreiche Teilnahme an einerfachlichen Qualifizierung im Umfang von 104Unterrichtsstunden für Tagespflegepersonen,die über keine pädagogische Grundqualifizierungverfügen und mindestens zwei fremdeKinder betreuen.Ein weiterer Qualifizierungsaspekt ist die Beratungder Tagespflegepersonen beim Aufbauund bei der Durchführung von Tagespflegedurch den öffentlichen Träger der Jugendhilfebzw. das Jugendamt. Von hier aus sollenauch Zusammenschlüsse von Tagespflegepersonenund fachlicher Austausch gefördertwerden (vgl. § 23 Abs. 4 SGB VIII), um dieQualität der Tagespflege dauerhaft zu verbessern.Die Höhe der laufenden Geldleistung für dieTagespflegeperson wird nach § 23 Abs. 2SGB VIII „vom Träger der öffentlichenJugendhilfe festgelegt, soweit <strong>Land</strong>esrechtnicht etwas anderes bestimmt.“ Das Entgeltist zwar nicht bundeseinheitlich geregelt, wasin der Praxis zu einer erheblichen Heterogenitätführt (vgl. Deutscher Verein 2005, S. 23).Es soll aber die laufenden Geldleistungen fürSachaufwand, Betreuungsleistung sowie dieTeilerstattung nachgewiesener Beiträge zurAlterssicherung bzw. die Vollerstattung derUnfallversicherung umfassen (vgl. § 23 Abs. 2SGB VIII). Im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> besteht dieMöglichkeit, Verantwortung und Finanzierungfür die Tagespflege in jedem <strong>Land</strong>kreis eigenständigzu gestalten, d.h. entweder an Gemeinden/Ämterzu übertragen oder in unmittelbarerVerantwortung des örtlichen Trägersder Jugendhilfe zu belassen. In § 18 des<strong>Brandenburg</strong>er KitaG sind die weiteren Rahmenbedingungenfür die Förderung der Tagespflegein Anlehnung an SGB VIII geregelt.Zu Beginn des Jahres 2006 wurde CaminoWerkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitungund Forschung im sozialen Bereich gGmbHvom Ministerium für Bildung, Jugend undSport wie vom Ministerium für Arbeit, SozialesGesundheit und Familie des <strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong>beauftragt, die Wirkung der vomEuropäischen Sozialfond geförderten Maßnahmenzur Qualifizierung der Tagespflegezu untersuchen. Die Evaluation wurde ausMitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.Der rund 100-seitige Endbericht ist alsDownload unter www.mbjs-brandenburg.dezu finden.Im Zuge der Untersuchung wurden 285 Teilnehmerinnender Qualifizierungskurse befragt,die zwischen 2002 und 2005 an denMaßnahmen teilnahmen. Darüber hinauswurden die kursdurchführenden Fachkräftedes Vereins „Familien für Kinder gGmbH“, 87Tagesmütter (leider kein Tagesvater) sowieFachkräfte der 18 Jugendämter von <strong>Land</strong>kreisenund kreisfreien Städten im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>befragt. Dabei ging es um das Qualifikationsniveauder Tagesmütter/-väter undderen Qualifizierungsbedarf, um die Arbeitsbedingungenund die Zukunft der Tagespflegeim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> sowie um die Beratungsqualitätder Jugendämter und Gemeindenin diesem neuen Arbeitsfeld der Jugendhilfe.Zur Qualifikation der Tagesmütter/-väterMit den Qualifizierungsmaßnahmen der Tagespflegewerden fast ausschließlich Frauenmit überwiegend mittleren Schulabschlüssenund mittlerer <strong>bis</strong> hoher beruflicher Bildung„AM ANFANG LIEF ES ETWAS … 63


erreicht. Sie sind zwischen 30 und 40 Jahrealt, haben Familie und in der großen Mehrheitauch eigene Kinder. Das bedeutet, dassTagespflege im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> einerseitsvon Personen durchgeführt wird, die über eingutes Bildungsniveau als Ausgangsbasis füreine pädagogische Schulung und qualifizierteAusübung der Tagespflege verfügen. Andererseitshandelt es sich um erfahrene Familienfrauen,die im Umgang mit (eigenen) Kinderngeübt sind. Der Anteil der Arbeitslosenunter den Teilnehmerinnen lag zwischen rd.30 und 40%, also weit höher als der <strong>Land</strong>esdurchschnittin <strong>Brandenburg</strong> (rd. 22%). Diesehaben nach Absolvierung der Kurse überwiegendein Angebot der Tagespflege eröffnetoder auch anderweitig Arbeit gefunden. Damitzeichnet sich die Maßnahme ganz deutlichals arbeitsmarktpolitisches Instrument aus.Die Ergebnisse der Untersuchung legennahe, dass über die bestehenden Grundkursehinaus eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildungder Tagespflegepersonen, insbesondereauch nach Eröffnung einer Tagespflegestellenotwendig ist. Dabei geht es um dieReflexion der Anwendung des theoretischGelernten, also um eine berufsbegleitendeMaßnahme, um Fallbesprechungen und dieReflexion der laufenden Praxis.Der Rahmen der KindertagesbetreuungDer zentrale Ort der Betreuung ist bei zweiDritteln der 87 befragten Tagesmütter dereigene Haushalt. In der Regel wird dieTagespflege allein verantwortlich durchgeführt,was die Arbeitsstrukturen in besondererWeise von der Teamarbeit in der Kindertagesstätteunterscheidet. Gerade die relativ isolierteArbeitssituation der Tagespflegepersonenbedingt die häufig anzutreffende Unterstützungdurch weitere Familienmitglieder.Fast alle Tagesmütter leben zusammen miteinem Partner. Die Betreuungssituation imFamilienhaushalt setzt zumindest die Toleranzder anderen Familienmitglieder gegenüberdem Angebot voraus, in der Regel auchdie Mitarbeit.Die Betreuung im eigenen Haushalt hat VorundNachteile. Zum einen lässt sich dasBetreuungsangebot einfacher und flexibleraufbauen, die Investitionsrisiken sind deutlichgeringer und auch die laufenden Kosten lassensich dem jeweiligen Betreuungsaufwandanpassen. Als Nachteile kann die relativ isolierteArbeitssituation benannt werden.Typisch dafür ist die Äußerung einer Tagesmutter:„Ich fühle mich ein wenig allein. Trotzder vorhandenen Arbeitskreise ist man docheher Einzelkämpfer.“Darüber hinaus können Schwierigkeiten beider Abgrenzung des privaten Bereichsgegenüber dem „öffentlichen“ Betreuungsangebotentstehen, was bei den Eltern dazuführen kann, die Betreuungspersonen mithohen Ansprüchen zu überfordern: „Es istimmer wieder schwierig sich abzugrenzen,aber irgendwo muss man auch einen Strichziehen, denn man hat ja auch private Verpflichtungen.“Dazu eine Fachkraft desJugendamtes: „Viele Eltern erwarten, dassdie Tagespflegeperson rund um die Uhr zurVerfügung steht. Hier sollten die Tagesmütterverstärkt lernen, sich abzugrenzen. Vielfachvermuten sie, dass die Eltern die Betreuungsplätzeaufgeben, wenn nicht ihren Bedürfnissengrenzenlos entsprochen wird.“64 „AM ANFANG LIEF ES ETWAS …


Es stehen aktuell mehr Betreuungsplätze zurVerfügung als belegt werden. Die Belegungsquoteliegt bei 71%. Betrachtet man die Auslastungnicht pro Platz, sondern pro Tagespflegestelle,so sind 45% der 87 Tagespflegestellenvoll belegt. Das liegt auch am gesetzlichenAnerkennungsverfahren, das grundsätzlichdie Bewilligung von fünf Plätzen vorsieht,sodass diese in der Regel auch vorgehaltenwerden. Allerdings werden je nachräumlichen Bedingungen zum Teil weniger alsfünf Plätze bei Tagesmüttern zur Belegungfrei gegeben. Viele Tagesmütter haben in denInterviews betont, dass sie eine Vollbelegunganstreben, jedoch mit Schwierigkeiten zukämpfen haben. Als Ursache werden fehlendeKinder vor Ort, Probleme der Zuweisungvon Kindern durch die öffentlichen Stellensowie mangelnde Information der Elternangegeben: „Die wissen nichts von denFinanzierungsmöglichkeiten, die sagen häufig,Tagespflege, das kann ich mir nicht leisten“.In den meisten Tagespflegestellen erfolgt eineäußerst flexible und zeitlich umfangreichewochentägliche Betreuung der Kinder. Sowerden in zwei Dritteln der Tagespflegestellen109 der 290 Kinder zwischen 6 und 8 Stundenpro Tag betreut. Diese doch recht umfangreicheBetreuungszeit ist dadurch begründet,dass die Eltern berufstätig (oder aufArbeitssuche) sein müssen, weil nur in diesenFällen ein rechtlicher Anspruch auf einenPlatz in der Tagesbetreuung besteht.Es gibt ein ganzes Spektrum an Regelungenin den Bereichen Urlaub und Krankheit, dasim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> weit gefächert ist. Esreicht von keinem bezahlten Urlaub – außerdass alle Kinder zur gleichen Zeit keinenBetreuungsbedarf haben oder die Elterneigenständig eine Vertretung organisieren –<strong>bis</strong> zu 24 Tagen bezahltem Urlaub pro Jahr.Ähnliches gilt, wenn Tagesmütter wegenKrankheit ausfallen.Das Profil der TagespflegeDie interviewten Tagesmütter betonen denUnterschied zur Kindertagesstätte: Aufgrundder kleinen Gruppen bestehe die Möglichkeitzu mehr individueller Betreuung der Kinder. Inden Kindertagesstätten gäbe es oft großeGruppen und damit auch „viel Hektik undStress“, wohingegen es in der Tagespflegeviel ruhiger und harmonischer abliefe unddiese ruhigere Atmosphäre sei angenehmerfür die Kinder. „Vor allem für die 0- <strong>bis</strong> 3-Jährigenist das Familiäre in der Tagespflege positiv.Diese kleinen Kinder brauchen noch einekonstante Bezugsperson und viele sind zuzart für so eine große Gruppe, wie dies z.B. inden Kindertagesstätten gängig ist“, so eineTagesmutter. Gesundheitliche Aspekte könnenin der Tagespflege sehr gut berücksichtigtwerden, z.B. bei Vorliegen von Allergien. VieleTagesmütter kochen selbst für die Kinder,wohingegen in den Kindertagesstätten dasEssen meist angeliefert wird. Die insgesamtindividuelle Konstellation der Betreuung zeigtsich auch darin, „dass man in der Tagespflegegut die Wünsche der Eltern berücksichtigenkann.“ So können z.B. die Betreuungszeitenflexibel gehandhabt werden. Viele Kinderwürden „in das Zeitkonzept der Kindertagesstätteeinfach nicht rein passen.“ Der Zeitfaktorspielt auch eine Rolle, beim Schritt vonzu Hause in ein Betreuungsangebot im Rah-„AM ANFANG LIEF ES ETWAS … 65


men der Tagespflege, das sei „für die Kinderviel leichter, und der Übergang sei kindgerechtergestaltbar.“Vorteile der Tagespflege werden vor allem fürsehr kleine Kinder gesehen. Für ältere Kindersei die Kindertagesstätte besser, „denn ältereKinder brauchen z.B. auch mehr Bildungsangeboteund das sollte jemand übernehmen,der auch was davon versteht, wie z.B. Erzieherinnen.“Die Arbeitssituation aus Sicht derTagesmütterTagespflege wird oftmals von Frauen in einerLebensphase begonnen, in der die eigenenKinder ebenfalls versorgt werden müssen.Hintergrund der Entscheidungen zur Eröffnungeiner Tagespflegestelle ist der Wunsch,Familie und Beruf besser zu vereinbaren.Dies ist in Angleichung an „westdeutsche“Verhältnisse in den neuen Bundesländernebenfalls schwierig geworden. Aufgrund dergängigen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilunghaben insbesondere berufstätige Frauenaus Mangel an Kinderbetreuungsangebotenzeitliche Engpässe und Stress. ArbeitsloseFrauen mit Kindern haben weniger Chancenauf dem Arbeitsmarkt. Sie sind zeitlich stärkergebunden und können z.B. keine längerenWege zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen. Beieinigen Tagesmüttern besteht vor allem derWunsch, mehr für ihre Familie da zu sein undeine Zeit lang aus dem Erwerbsleben „auszusteigen“,die Mehrzahl wünscht sich, eineBerufstätigkeit – als Tagesmutter – auszuüben.2Die Arbeitssituation der Tagesmutter istdadurch gekennzeichnet, dass sie über einhohes Maß an Eigeninitiative und Selbstständigkeitverfügen muss. Sowohl was die fortlaufendeQualifizierung für die pädagogischeBetreuungsarbeit betrifft als auch Aufbau undAufrechterhaltung des Tagesbetreuungsangebots,ist sie in der Regel auf sich gestellt.Sie ist konfrontiert mit bürokratischen Anforderungen,mit der Unwissenheit und Skepsisvon Eltern und teils auch von Gemeinden undJugendämtern, mit dem Problem der Belegungaller Plätze und den damit einhergehendenschwankenden Verdienstmöglichkeiten(vgl. Bindel-Kögel/Lücker 2006, S. 92/93). DieExistenz muss immer wieder neu gesichertwerden.Die interviewten und befragten Tagesmütterscheinen diese Aufgaben engagiert und couragiertanzugehen. Dabei finden sie vor allemUnterstützung durch andere Familienmitglieder,aber auch durch Fachkräfte in Ämternund Gemeinden. Bereits zwei Drittel vonihnen konnten sich in Zusammenschlüssen,Arbeitskreisen oder Stammtischen vonTagesmüttern/-vätern verankern. Der Arbeitsalltagals Einzelkämpferin wird durch dieZusammenschlüsse aufgebrochen und eswerden neue soziale Beziehungen und Netzegeschaffen, die wiederum Selbsthilfepotenzialeaktivieren.Die 87 befragten Tagesmütter formulieren inder Erhebung Wünsche für die Sicherungihrer beruflichen Zukunft: Sie benennenneben der beruflichen Anerkennung, der besserenfinanziellen Absicherung eine bessereKooperation und Unterstützung durch Jugendämterund Gemeinden, eine gleichberechtigteBehandlung von Tagespflege undöffentlicher Kindertagesstätte, die Information66 „AM ANFANG LIEF ES ETWAS …


der Eltern über die Kindertagespflege, mehrInformation vonseiten der Ämter über dieRechte von Tagesmüttern, mehr Fort- undWeiterbildung, kontinuierliche Qualifikationsangebote<strong>bis</strong> hin zu einer berufsbegleitendenErzieherinnen-Ausbildung. Nicht zuletzt werdendie Vernetzung und Kooperation unterTagesmüttern, aber auch mit Kindertagesstätteund Eltern <strong>bis</strong> hin zu Ämtern genannt.Die VerdienstmöglichkeitenDie Tagespflege wird nach § 12 des <strong>Brandenburg</strong>erKita-Gesetzes entweder vom Jugendamtdirekt finanziert oder – wo eine Übertragungder Aufgaben stattgefunden hat – vonseitender Gemeinden/Ämter verantwortet,und von dort aus wird auch die Auszahlungdes Entgelts an die Tagespflegepersonen vorgenommen.Diese Art der öffentlichen Finanzierung(sei es unmittelbar durch das Jugendamtoder mittelbar durch die Gemeinden)ermöglicht im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> eine Vielfaltan Modalitäten, die u.a. zu erheblichen Unterschiedenbei der Bezahlung der Tagesmütter/-väterführen. Für eine 6-stündige Tagesbetreuungwerden pro Kind zwischen179,– € und 346,– € (ohne Zuschuss zurRenten- bzw. Übernahme der Unfallversicherung)gezahlt, je nachdem, wo die Tagespflegepersonwohnt.Etwa die Hälfte der 87 befragten Tagesmüttergibt an, nach Abzug der entstehenden Kostenunter 500 € im Monat zu verdienen, wobeihier die Mehrzahl noch keine volle Auslastungder Plätze erreicht hat, also den Verdienstkünftig bei Nachfrage noch erhöhen könnte.25 Tagesmütter, die meisten mit voller Auslastung,geben zwischen 500–1000,– €monatlich an. Da die große Mehrheit derTagesmütter/-väter – auch bei geringerer Kinderzahl– zwischen 6 und 8 Stunden dieTagesbetreuung durchführt, ist der Verdienstvergleichsweise gering gegenüber dem belegungsunabhängigenEinkommen von Erzieherinnenin der Kindertagesstätte und Kinderkrippe.Andererseits verfügen die Tagesmütter/-väteroftmals nicht über einen beruflichenAbschluss, der eine gleichwertige Bezahlungrechtfertigen könnte. Des Weiteren sind dieArbeitsbedingungen von Tagespflegepersonendurch die überschaubare Gruppengrößeund den Gestaltungsspielraum teils attraktiverals in den Tagesstätten. Das Tätigkeitsfeld ist– nach Aussage der Interviewpartnerinnen –,was Interesse und Engagement betrifft, fürdie Tagesmütter ein persönlicher Gewinn;was jedoch die finanzielle <strong>Seite</strong> betrifft, könnenFrauen in der Regel nicht unabhängigvon einem Partner davon leben.Die Rolle der JugendämterAufgrund der möglichen Übertragung der Aufgabender Gewährleistung der Kindertagesbetreuungan die Gemeinden und Ämter (§ 12KitaG) kommt es im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> zueiner Heterogenität unter den <strong>Land</strong>kreisenund kreisfreien Städten, sowohl was dieWege der Beratung und Prüfung des Angebots,als auch die Wege der Verwaltung undFinanzierung <strong>bis</strong> hin zu den Pauschalenbetrifft, die in manchen <strong>Land</strong>kreisen vonGemeinde zu Gemeinde variieren können.Steuernde Wirkung durch die Jugendhilfeplanungsteht in einigen <strong>Land</strong>kreisen noch in denAnfängen. Eine gewisse Steuerung geschiehtin den Beratungen im Vorfeld des Aufbaus„AM ANFANG LIEF ES ETWAS … 67


einer Tagespflegestelle und im Zuge derErlaubniserteilungen. Wo vorhanden, wird dieEröffnung von Angeboten der Tagespflegedurch die Kindertagesstätten- bzw. Tagespflegebedarfsplanunggesteuert. Das Risiko,durch hohe Konkurrenz möglicherweise nichtausreichend belegt zu werden, verbleibt oftnoch bei den Tagesmüttern/-vätern.Die Vernetzung der Tagespflegepersonenwird vonseiten der Jugendämter für besonderswichtig gehalten, um die relativ vereinzelteArbeitssituation abzubauen, aber auch,um die Qualität der Tagespflege durch fachlichenAustausch voranzubringen. Oftmalsdurch die Fachkräfte der Jugendhilfe mitangestoßen, können die Treffen der Tagesmüttervor Ort nicht alle beratend begleitetwerden. Um die Qualität der Gesprächskreisezu pflegen bzw. zu erhöhen, können aberStrukturen der Zusammenarbeit geschaffenwerden, die eine zeitnahe Information derPraxisberaterinnen und die Organisation vonFort- und Weiterbildungen nach gemeldetemBedarf ermöglichen.Die Jugendämter zur Entwicklung derTagespflege im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>Nach Einschätzung der Fachkräfte derJugendämter ist eine klare Tendenz des Ausbausvon Tagespflege in den befragten Kreisenund kreisfreien Städten erkennbar. Unddie Prognose für den weiteren Ausbau ist in 9Jugendämtern positiv, allein in 5 Jugendämternfehlen noch weitere rund 150 Plätze fürKinder in der Tagespflege.Die hohe Anzahl der Tagespflegestellen im<strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> signalisiert, dass hier inwenigen Jahren mithilfe der EU-gefördertenQualifizierungsmaßnahmen ein neues Arbeitsfeldmit Verdienstmöglichkeiten für eineentsprechend hohe Anzahl von arbeitslosenFrauen meist mit Kindern geschaffen werdenkonnte. Die Dimension der Strukturverbesserungwird klar, wenn man die von Caminoerhobenen Zahlen mit den Angaben desMinisteriums für Bildung, Jugend und Sportvergleicht: Für 1999 wird im Bericht über dieQualität brandenburgischer Kindertagesbetreuungeine Zahl von 138 dem <strong>Land</strong> bekanntenTagespflegeplätzen genannt, für das Jahr2005 eine Anzahl von 2.785 Plätzen für Kinderin der Tagespflege (vgl. MBJS 2006, S. 9).Diese Zahl wird aktuell um einiges überschritten,da allein die mit Kindern belegten Plätzeeinen Umfang von rund 3.250 ausmachen,wegen der fehlenden Auslastung aber nochmehr Plätze zur Verfügung stehen würden.Während insgesamt eine Expansion zu verzeichnenist, kann die Frage nach den Ursachenfür die regionalen Unterschiede bei derVerteilung der Angebote der Tagespflege im<strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> nicht eindeutig beantwortetwerden. Ob dies demografische Hintergründehat oder sich Tagespflege dort verstärktentwickelt, wo die Arbeitslosigkeitbesonders hoch ist, ob eher politische Entscheidungendie <strong>Land</strong>schaft prägen oderetwa der individuelle Bedarf von Elternansteigt, kann mit dieser Untersuchung nichtabschließend beantwortet werden. DieAnzahl der Tagespflegestellen wie auch dieHöhe der Verdienstmöglichkeiten gebenjedoch Auskunft über die Relevanz derTagespflege in der jeweiligen Region.68 „AM ANFANG LIEF ES ETWAS …


EmpfehlungenUnter Berücksichtigung der dargelegten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung werdeneinige Empfehlungen zur Diskussion gestellt, um das bereits erreichte fachliche Niveau derTagespflege im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> noch weiter zu qualifizieren und Tagespflege systematischzu etablieren.Herstellung verlässlicher Rahmenbedingungen für TagespflegepersonenZur Herstellung von verlässlichen Rahmenbedingungen z.B. bezüglich der Bezahlung derTagespflegepersonen und der Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern solltedie Tagespflege im stärkeren Maße in der Jugendhilfeplanung als zusätzliches Regelangebotberücksichtigt werden. Die Steuerung sollte in Bezug auf die Zulassung von Tagespflegestellenerfolgen, sodass auch künftiger teils unvorhersehbarer Bedarf kurzfristig abgedeckt werdenkann. Es sollte überprüft werden, ob hinsichtlich der Planungssicherheit auch der Tagespflegepersonennicht ein gewisser Prozentsatz freigehaltener Plätze – unabhängig von der konkretenBelegung – finanziert werden könnte.Angleichung der Vergütung für erbrachte LeistungenFür die Schaffung eines stabilen Systems der Tagesbetreuung für Kinder ist die adäquate finanzielleAnerkennung von im öffentlichen Auftrag erbrachten Erziehungsleistungen notwendig. UmTagespflege als Parallel- und Alternativangebot zu verankern, ist mit einer Anhebung des Qualifikationsniveausauch eine entsprechende Bezahlung zu gewährleisten.Qualitätssicherung durch berufsbegleitende Fort- und WeiterbildungNach Abschluss des Prüfverfahrens durch das Jugendamt und mit Beginn der Tätigkeit in derTagespflege werden berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungsangebote für Tagespflegepersonenempfohlen, die mit einem Zertifikat abgeschlossen werden. Die Inhalte sollten in einemCurriculum von erfahrenen Weiterbildungsträgern zusammen mit dem <strong>Land</strong>esjugendamt unddem MBJS unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Jugendämter ausgearbeitet werden.Bei der Umsetzung der berufsbegleitenden Qualifizierung könnte, wie <strong>bis</strong>her bereits von der„Familien für Kinder gGmbH“ praktiziert, ein mobiles Team von Pädagoginnen in den <strong>Land</strong>kreisenund kreisfreien Städten von <strong>Brandenburg</strong> in Kooperation mit den zuständigen Fachkräftenin den <strong>Land</strong>kreisen die Fortbildungen organisieren.Ein regelmäßiger „Info-Brief“ für Tagesmütter und -väter mit zentralen Themen, praktikablenVorschlägen und Empfehlungen könnte aus dem mobilen Team und den Erfahrungen zurberufsbegleitenden Qualifizierung heraus entwickelt werden.Die Einführung einer freiwilligen Zertifizierung durch ein Gütesiegel wäre eine weitere Möglichkeitder Erhöhung und Sicherung der Qualität der Tagespflege.„AM ANFANG LIEF ES ETWAS … 69


Um- und Aufstiegschancen eröffnenMit einer Anhebung der Qualifikation könnten für die berufsfremden TagespflegepersonenWege für die Aufnahme einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Erzieherin oder in anderesoziale Berufe mit Fachhochschulreife eröffnet werden. Damit wäre mittelfristig die Möglichkeitgegeben, dass die nicht im pädagogischen Bereich qualifizierten Frauen mit entsprechendenFortbildungsnachweisen nach Jahren der Berufserfahrung in der Tagespflege sich auch fürandere Bereiche der sozialen Arbeit qualifizieren könnten.Verbesserung der Bildungs- und Beratungsarbeit der Jugendämter und GemeindenDa sowohl die Jugendämter, aber auch die Gemeinden nur eine minimale Beratung und Weiterbildungzur Verfügung stellen können, ist die Kooperation der Jugendämter und Gemeindenbei der Umsetzung der oben vorgeschlagenen berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildungendringend geboten.Abbau der isolierten Arbeitssituation der TagespflegepersonenZukünftig sollten Fortbildungen verstärkt für Tagesmütter und Erzieherinnen aus Kindertagesstättengemeinsam angeboten werden.Darüber hinaus sollten Ansätze der Kooperation zwischen Tagespflegepersonen und Kindertagesstättendurch Gemeinden und Jugendämter weiterhin noch stärker gefördert werden z.B.dadurch, dass die Tagespflege ergänzend zum Angebot der Kindertagesstätte bestimmteBetreuungszeiten anbietet oder Plätze für bestimmte Kinder bereitstellt, die in der Kindertagesstättenicht gut aufgehoben wären.Die bereits bestehenden Netze an Zusammenschlüssen von Tagespflegepersonen sollten weiterausgebaut und in der Anfangsphase unterstützt werden.Gleichbehandlung von Kindertagesstätte und Kindertagespflege auf Gemeinde- und <strong>Land</strong>esebeneSowohl bei der direkten Information und Erlaubniserteilung zur Tagespflege für Eltern als auchbei der Bekanntgabe des Angebots der Tagespflege – z.B. im Rahmen des Internet-Auftritts derJugendämter – sollte die Tagespflege dem Angebot der Kindertagesstätten gleichgestelltwerden.Es wäre zu empfehlen, für die Altersgruppen der unter 3-Jährigen landesweites didaktischesMaterial, das den Kindertagesstätten zur Verfügung gestellt wurde, kostengünstig für alle indiesem Bereich Tätigen bereitzustellen.70 „AM ANFANG LIEF ES ETWAS …


Literatur:Bindel-Kögel, G./Lücker, K. 2006: Evaluationder Tagespflegequalifizierungen im Rahmender Umsetzung des Europäischen Sozialfonds.Hrsg: Camino-Werkstatt für Fortbildung,Praxisbegleitung und Forschung imsozialen Bereich gGmbH.Den kompletten Evaluationsbericht finden Sieunter www.mbjs.brandenburg.de/kita/kitastartseiteinnerhalb der online-Bibliothekunter dem Stichwort Tagespflege.Deutscher Verein 2005: „Überarbeitete Empfehlungendes Deutschen Vereins zur Ausgestaltungder Kindertagespflege nach den§§ 22, 23, 24 SGB VIII“ unter www.deutscherverein.de.Ministerium für Bildung, Jugend und Sport:Kindertagesbetreuung im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>– Übersicht vom 10.01.2006 unter www.mbjs.brandenburg.de.Rosenzweig, B. (2005): Zur Situation derFrauen in Ost- und Westdeutschland nachder Vereinigung. In: Deutschland Ost –Deutschland West. Die Wende: auch ein radikalerlebensgeschichtlicher Einschnitt. Opfer,Verliererinnen, ungleiche Schwestern? www.lpb.bwue.de/aktuell/<strong>bis</strong>/4_00/ostwest08.htmvom 20.10.2005, 14 <strong>Seite</strong>n, S. 7).Wiesner, R. 2004: Das Tagesbetreuungsausbaugesetz.In: Zentralblatt für Jugendrecht,91. Jg. H. 12, S. 441-476.1 vgl. Länderübersicht Kita: Versorgungssituation 2005 unter www.mbjs.brandenburg.de/kita/kita-startseiteinnerhalb der Rubrik Daten/Fakten.2 Nach einer Befragung von Rosenzweig (2005, S. 7) wird das Modell kontinuierlicher Vollzeiterwerbstätigkeitbei gleichzeitiger Mutterschaft von der Mehrheit der Frauen in den neuen Bundesländern nach wie vorpräferiert.„AM ANFANG LIEF ES ETWAS …71


Kindertagespflege –Vernetzung im <strong>Land</strong>kreis Prignitz85 Kinder werden im <strong>Land</strong>kreis inKindertagespflege betreut / Sabine NitzowDie Geschichte der Kindertagespflege inunserem <strong>Land</strong>kreis geht <strong>bis</strong> ins Jahr 1997zurück. Damals nahm hier die erste Kindertagespflegepersonihre Tätigkeit auf. EineRichtlinie zur Förderung von Kindern in Kindertagespflegebildete die rechtliche Grundlagedafür.Zielgruppe für eine Vermittlung in Kindertagespflegewaren zu der Zeit– Kinder von 0 – 2 Jahren,– Kinder, deren Eltern an flexible, sich oftändernde Arbeitszeiten vertraglich gebundenwaren (hier auch in Kombination mitBetreuung in einer Einrichtung),– Kinder mit individuellem Entwicklungs- undFörderbedarf.Durch die Änderung des Kita-Gesetzes abdem 01.01. 2004 übernahm der <strong>Land</strong>kreisPrignitz wieder die Leistungsverpflichtung fürdie Kindertagespflege. Seitdem werden Kinderim Alter von 0 <strong>bis</strong> 3 Jahren und nachBedarf auch ältere Kinder in Kindertagespflegebetreut.Gegenwärtig sind in unserem <strong>Land</strong>kreis 25Kindertagespflegepersonen tätig, die 85 Kinderbetreuen. Kindertagespflegestellen werdenals alternatives, gleichrangiges Angebotzur Betreuung in Kindertagesstätten gesehen.Abb.: Übersicht über den Standort der Tagespflegepersonen im <strong>Land</strong>kreis Prignitz72KINDERTAGESPFLEGE – VERNETZUNG …


Die Kindertagespflegepersonen sind quasials „Einzelkämpfer“ in einem großflächigenRaum verteilt. Deshalb war es von Beginn anmein fachlicher Anspruch, ihnen Fortbildungzu ermöglichen sowie Raum und Zeit für denfachlichen Austausch zu geben.Einen ersten Erfahrungsaustausch gab es imAugust 1998. Dabei ging es unter anderemauch um die „Einsamkeit des Arbeitsplatzes“ .Die damals aktiven Tagespflegepersonenzeigten großes Interesse an einem regelmäßigenAustausch. Wir einigten uns auf einejährliche Teilnahme an zwei Fortbildungsveranstaltungenund auf die Teilnahme an der<strong>Land</strong>esarbeitstagung zur Kinderbetreuung inKindertagespflege, außerdem verabredetenwir zwei Treffen des Arbeitskreises der Kindertagespflegepersonenim <strong>Land</strong>kreis.Seit 2001 verstärkte sich der Wunsch nacheiner noch umfassenderen Zusammenarbeit.Seither treffen sich die tätigen Kindertagespflegepersoneneinmal im Quartal aneinem Sonnabend. Gastgeber sind im Wechseldie Tagespflegepersonen in ihrenTagespflegestellen. Das bietet zum einen dieMöglichkeit des Austausches in vertrauterUmgebung, zum anderen nehmen die Teilnehmer/-innenimmer wieder Anregungen fürdie eigene Arbeit mit, sei es zur Raumgestaltungoder zum Materialangebot. Jede Kindertagespflegestelleträgt ihre ganz persönlicheHandschrift.Diese Treffen dienen nicht nur dem Erfahrungsaustausch,sie sind auch immer verbundenmit einem inhaltlichen Fortbildungsthema,das durch mich vermittelt wird.Solche Themen waren <strong>bis</strong>her u.a.• Eingewöhnung, das Bild vom Kind, Rechteder Kinder,• Rolle der Kindertagespflegepersonen,• Tagesablauf in der Kindertagespflegestelle,• Präventionen von Unfällen im SäuglingsundKleinkindalter,• Entwicklung von Kreativität im Kleinkindalter,• Arbeit mit dem Material des Bundesverbands„Empfehlung für Tagespflege“ undspäter mit der „Empfehlung zur Qualitätvon Tagespflege im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>“des <strong>Land</strong>esjugendhilfeausschusses,• Waldkindergärten in Deutschland,• Grenzsteine der Entwicklung,• Qualitätserhebung in der Kindertagespflegeanhand der Tagespflegeeinschätzskala(TAS).Für die Themen „Beobachtung und derenStellenwert“, „Selbstreflexion – Rolle als Tagesmutter,Kommunikation mit Eltern – professionelleDistanz“, „Musikalische Früherziehungin der Tagespflege“ sowie für die Fachbeiträgeeiner Atem-, Sprech- und Stimmlehrerinund einer Physiotherapeutin habe ichfreie Dozentinnen vertraglich gebunden undauch finanziert.Seit dem Jahr 2003 arbeiten wir auch kreisübergreifendmit Kindertagespflegepersonenaus dem <strong>Land</strong>kreis Ostprignitz-Ruppin zusammen.Den jeweils letzten Arbeitskreis desJahres im Monat November bestreiten Tagespflegepersonenaus beiden <strong>Land</strong>kreisen gemeinsam,wobei sich die beiden Kreise alsGastgeber abwechseln. Die Erfahrungen sindKINDERTAGESPFLEGE – VERNETZUNG … 73


gut, die Teilnehmer/-innen wollen nicht mehrauf diesen fachlichen Austausch verzichten.Diese Treffen organisiere ich gemeinsam mitder Praxisberaterin im <strong>Land</strong>kreis OPR, AdrianeMaruhn.Über die von mir initiierten Veranstaltungenhinaus treffen sich Kindertagespflegepersonenauch regional in kleinen Gruppen inregelmäßigen Abständen. Man geht gelegentlichgemeinsam zum Abendessen, trifft sichzu Hause oder treibt gemeinsam Sport.Erfahrungsaustausch findet auch über Telefonateam Abend oder auch einmal über Mittagstatt.Viele Kindertagespflegestellen halten Kontaktmit benachbarten Kindertagesstätten, z.B.wenn es um die Teilnahme an Feierlichkeitenoder Theatervorstellungen geht. In den erstenJahren schlossen sich die Kindertagespflegepersonenauch für die jährlich anstehendenUntersuchungen des Schulärztlichen undZahnärztlichen Dienstes den Kindertagesstättenan. Mittlerweile betreuen die meisten Kindertagespflegepersonenaber fünf Kinder, sodasssich ein Besuch der Ärzte in denTagespflegestellen als vorteilhafter erwies.Um den Kindern in der Tagespflege einenoptimalen Übergang in die Schule zu ermöglichen,haben sich auch die Kontakte der Kindertagespflegepersonenzu den benachbartenGrundschulen intensiviert und sind als guteinzuschätzen. So ist mir der Fall einer Kindertagespflegestellebekannt, die einmalwöchentlich die Turnhalle der Schule für ihrSportangebot nutzen kann. Einige Tagespflegestellenholen sich Angebote ins Haus undhaben z.B. Kolleginnen der musikalischenFrüherziehung wöchentlich vertraglich gebunden.Bei Bedarf ist auch eine Zusammenarbeit mitden Kolleginnen der Frühförderung derLebenshilfe unseres <strong>Land</strong>kreises möglich.Unsere Kindertagespflegepersonen arbeitenaber nicht nur gemeinsam, auch privat habensich Kontakte und mittlerweile Freundschaftenentwickelt. Selbst die jeweiligen Partnerbringen sich ein und unterstützen den Austausch.So gab es im letzten Jahr eine netteWeihnachtsfeier und für das nächste Jahr istein großes Sommerfest geplant. Vielleichttrug dieses familiäre Engagement dazu bei,dass in unserem <strong>Land</strong>kreis bereits zwei Ehepaaresowie eine Mutter und deren Tochterdieser schönen und sehr verantwortungsvollenTätigkeit nachgehen.Ansprechpartnerin beim <strong>Land</strong>kreisPrignitz:Sabine NitzowPraxisberaterin für KindertagesbetreuungTelefon: 03876/ 713 - 243E-Mail: sabine.nitzow@lkprignitz.de74 KINDERTAGESPFLEGE – VERNETZUNG …


Die Lernwerkstatt als eine Form des Lernensin der VorschuleDaniela HaffIn der Lernwerkstatt als Lernmethode werdenden Kindern Lernaufgaben der verschiedenstenBildungsbereiche als Lernpaket gebündeltzum selbstständigen Erarbeiten angeboten.Die Lehrer und Erzieher, die für das ProjektVorschule in der Grundschule Booßen verantwortlichwaren, wählten gemeinsam 11 Aufgabenfür mehrere Vorschulstunden aus.Die Aufgabenstellungen der Lernaufgabenwurden so aufbereitet, dass die Kinder dieAufgabenstellung anhand der Symbole undZeichnungen lesen und ausführen konnten.Unter Lesen ist in diesem Fall das Verstehender Zusammenhänge der Bildsprache gemeint.Das Ergebnis musste für die Kinderkontrollierbar sein und wurde nicht gewertet.Die Erzieherin/Lehrerin hatte während derStationswerkstatt die Möglichkeit, die Kinderin ihrem Lern- und Sozialverhalten zu beobachten.Für die Kinder ergaben sich folgende Regeln:1 Jede Lernaufgabe muss einmalgelöst werdenName Zu Beginn ist immer der Nameauf das Arbeitsblatt zu schreiben.Helfen Wurde eine Aufgabe nicht verstanden,mussten zuerst andereKinder um Unterstützung gebetenwerden.AufräumenXNach dem Benutzen des Lernkastenswerden alle Materialienwieder hineingepackt und derKasten wird an seinen Platzzurückgestellt.Gelöste Aufgaben werden in derTabelle abgehakt.Die Tabelle ermöglicht den Kindern denÜberblick darüber, welche Aufgaben sieschon gelöst und welche noch erarbeitet werdenmüssen, um die Lernwerkstatt erfolgreichabzuschließen.Für Kinder sind feste Strukturen, aber auchdas Gefühl, innerhalb dieser Struktur wählenzu dürfen, wichtig. Die Lernwerkstatt bietetihnen dafür die Möglichkeit. So entscheidendie Kinder, welche Aufgaben sie in welcherReihenfolge und mit welchen Partnern lösenwerden. Die Kinder lernten sich schneller kennen.In der Lernwerkstatt können die Kinder eigenverantwortlicherund im eigenem Lerntempolernen. Dies steigert ihr Selbstwertgefühl.Beim selbstständigen Erarbeiten der Aufgabenstellungenschulen die Kinder daslogische Denken, das Erfassen von Zusammenhängenund somit die geistigeVoraussetzung zum Lesenlernen. UnterLesen ist das Verstehen des Gelesenengemeint.Das selbstständige Lösen von Lernaufgabenvermittelt den Kindern Stolz und festigt dasSelbstbewusstsein.DIE LERNWERKSTATT ALS EINE FORM … 75


Kinder helfen Kindern. Sie lernen so, Achtungvor den Fähigkeiten, aber auch Verständnisfür die Probleme anderer aufzubringen.Sie entwickeln ihre Sprechfertigkeitenund ihren Wortschatz und üben sich im grammatischrichtigen und zusammenhängendenSprechen. Soziale und sprachliche Fähigkeitenwerden gefördert .Die Ausdauer und Konzentration der Kinderist beim Lösen der Lernaufgaben in derLernwerkstatt außerordentlich hoch. DieZeitspanne, in der die Kinder konzentriertarbeiten, hat auch die Booßener Lehrer undErzieher erstaunt.Die hohe Konzentrationsfähigkeit verdanktdie Lernwerkstatt unter anderem dem selbstständigenund bewegten Arbeiten. Die Kinderkönnen selbst entscheiden, ob sie beimLösen der Aufgaben sitzen, stehen oder aberauch auf dem Bauch liegen möchten. Durchdiese Möglichkeit des Lernens werden wirdem altersgemäßen Bewegungsmuster derKinder gerecht und beugen Haltungsschädenvor.Die Lernwerkstatt gibt den Kindern die Möglichkeit,zu experimentieren, neue Dinge kennenzu lernen und auszuprobierenAnhand der Ideen und der fantasievollenGestaltung der Lernkästen konnte man denSpaß und die Freude der Lehrer und Erziehererkennen. Ich danke dem Lehrer- und Erzieherteamaus Booßen und den Erziehern derKita Lichtenberg.Kontakt:Verein „Kinder der Natur“ e.V.Kita „Haus am Teich“Teichstraße 3a15234 Frankfurt (Oder)76 DIE LERNWERKSTATT ALS EINE FORM …


Aus einem Stolperstein wird eine RolltreppeGestaltungsmöglichkeiten für denÜbergang von der Kita zur Schule /Franka GröschDie Frage „Freust du dich auf die Schule?“wird von der überwiegenden Zahl der Schulanfängermit „Ja!“ beantwortet. Der Einstieg inden Schulalltag bedeutet jedoch für viele Kindernicht nur Spaß und Lust, sondern Anstrengung,Kraft und Mühe.Ursachen für die immer größer werdendenUnterschiede zwischen den Schulanfängernsind auf verschiedenen Ebenen zu suchen.Die Leiter und Erzieher der Kita „Haus amTeich“ und die Kita „Max und Moritz“ stelltensich die Frage, was Kindergärten gemeinsammit den Schulen tun können, um allen Kinderneinen positiven entspannten Start in dieSchule zu ermöglichen.Die Kita- <strong>Land</strong>schaft hat sich in den letzten 15Jahren sehr verändert.Aus einem einheitlichen Gefüge mit strafforganisierten Grundstrukturen und einemgemeinsamen Plan ist eine bunte Kita- <strong>Land</strong>schaftmit vielfältigen pädagogischen Angebotengeworden.Die Schule jedoch ist <strong>bis</strong> auf einige Ausnahmenin Organisation, Struktur und Inhaltengleich geblieben.Dadurch entstehen vielfältige Reibungspunkte.Wir haben uns zur Aufgabe gestellt, Kindergartenund Schule näher zueinander zu bringenund gemeinsam einen reibungslosenÜbergang zu gestalten. Beide Kitas befindensich in verschiedenen Ortsteilen von Frankfurt(Oder), die beide zum Einzugsgebiet der„Grundschule am Mühlenfließ“ gehören.Eine Kontaktaufnahme mit der Direktorin derzuständigen Grundschule signalisierte unsein gemeinsames Interesse an diesemThema. Ende Januar 2006 trafen sich Leiterinnenund Erzieher von Kitas, die im Einzugsgebietder Grundschule liegen, undDirektor und Lehrer der Grundschule. Ziel desZusammentreffens war herauszufinden, obbeide <strong>Seite</strong>n an dem Projekt Vorschule interessiertsind.Die Diskussion war sehr interessant. Es wurdendie Befindlichkeiten hinsichtlich des Zeitaufwandesgeäußert. Die Notwendigkeit stellteniemand infrage. Eine Ideensammlung ergabeine Aufteilung von Verantwortlichkeiten. JedeKita und auch die Schule sollten in die Gestaltungund Durchführung einbezogen werden.So wurde der Zeitaufwand des Einzelnengering gehalten und ein Kennenlernen der verschiedenenArbeitsweisen gewährleistet.Wir stellten einen Stundenplan für das2. Schulhalbjahr 2006 auf.Jeder Lehrer bzw. Erzieher durfte sich einenBildungsbereich aussuchen, planen unddurchführen. In jeder der wöchentlich einmalstattfindenden Vorschulstunden waren jeweilsein Erzieher der verschiedenen Kitas und einLehrer anwesend.Abgeschlossen wurde das Vorschul(halb)jahrmit einer Lernwerkstatt, die die letzten 3 Stun-AUS EINEM STOLPERSTEIN WIRD EINE … 77


den in Anspruch nahm. Die Lernwerkstatt isteine Form des selbstständigen Lernens. Siebesteht aus Lernkästen, deren thematisierterInhalt alle Bildungsbereiche der Kinder anspricht.Sie enthalten beispielsweise Experimenteund Aufgaben aus dem mathematischnaturwissenschaftlichenBereich, Spiele zurWahrnehmung, Aufgaben zur Sprachentwicklungund Entwicklung der Schriftkultur, Bastelaufgabenzur Entwicklung der Feinmotorik.Der Computer nimmt ebenfalls einen festenPlatz in jeder Lernwerkstatt ein. Es existiertein bestimmter Zeitrahmen, in dem alle Aufgabenerledigt werden müssen, den sich dieKinder aber selbstständig einteilen. DieKästen sind so aufgebaut, dass die Kinder dieAufgabe selbstständig „lesen“, durchführenund kontrollieren können. Erledigte Aufgabenwerden in einer Übersicht abgezeichnet. DerErzieher bzw. Lehrer übernimmt die Beobachterfunktion.Er hat die Möglichkeit, auf dieseWeise Stärken und Schwächen der Kinder zuerkennen. Die Selbstständigkeit und Kommunikationder Kinder werden gut entwickelt,denn sie helfen sich gegenseitig, erklären undfragen. Die Gestaltung der Kästen ist mitetwas Aufwand verbunden. Nachdem eineErzieherin uns dieses Lernmodell vorgestellthatte, probierten alle die Lernkästen aus.Wir beschlossen, für unsere Vorschule eineeigene Lernwerkstatt zu entwickeln. Jedergestaltete zwei Lernkästen, deren Inhalt vorherfestgelegt wurde.Die Vorschule begann für die Kinder im 2.Schulhalbjahr des Schuljahres 2005/2006.Jedes Kind erhielt ein Namenskärtchen undnach der Vorstellung der Erwachsenen ginges im Raum der 1. Klasse los. Die Kinderwaren schnell zu begeistern und nahmen ihreAufgaben sehr ernst. Erzieher und Lehrer bereitetensich sorgfältig vor und arbeiteten sehrgut zusammen. Die Lernwerkstatt kam beiallen sehr gut an.In der Auswertungsrunde zu Beginn desSchuljahres 2006/2007 zogen wir eine positiveBilanz. Die Kinder fühlten sich als Schulanfängerin ihrer Schule bereits zu Hause. Siekannten viele Lehrer und scheuten sich nicht,diese auch anzusprechen.Zu ersten Mal hat kein Kind geweint. Die Kinderkannten sich untereinander und schlossenschnell Freundschaft. Die Lehrerin konntesich in ihren anfänglichen Erklärungen sehrkurz fassen, denn den Kindern waren dieArbeitsweisen bekannt. Die Eltern waren vondiesem Projekt sehr begeistert und unterstütztenden Prozess.Fazit:Der Aufwand unserer Vorschule und die Formder Organisation haben sich bewährt. Für daslaufende Schuljahr liegt ein Kooperationskalendervor. Die Schule legte einen Verantwortlichenaus ihrem Team fest, der für dieZusammenarbeit mit den Kitas zuständig ist.Wir beginnen mit einer Elternversammlung,die Ziele und Inhalte darstellt. Nach den Oktoberferientreffen sich die Kinder alle 14 Tagefür eine Stunde in der Schule. Im zweitenSchulhalbjahr finden unsere Vorschultreffenwöchentlich statt. Steht die Lehrerin derzukünftigen ersten Klasse fest, wird sie aktivin die Vorschule einbezogen.Auf diese Weise legen wir ein gutes Fundamentfür den Übergang der Kinder von derKita in die Schule und aus einem Stolpersteinwird eine Rolltreppe.78 AUS EINEM STOLPERSTEIN WIRD EINE …


Adebar im KinderladenUmweltpädagogisches Langzeitprojektumgesetzt / Annegret FederNein, hier geht es nicht um Werbung für Kinderspielzeug,sondern um ein umweltpädagogischesLangzeitprojekt in einer Montessori-Kita.Zwei Pädagogen aus dem Montessori-Kinderladene.V. in Bernau schlossen sichAnfang des Jahres 2006 zusammen, um dieBildungsarbeit der Einrichtung um weitereumweltpädagogische Aspekte in Form vonProjektarbeit zu bereichern. Beide Pädagogenhaben langjährige Erfahrung im NaturundUmweltschutz.Ihr pädagogisches Motto „So wie es richtig ist,dass man in der Natur nur sieht, was manweiß, so ist es auch richtig, dass man nurschützt, was man in Zuneigung kennt.“ habensie von Horst Stern (aus „Sterns Stunde“)übernommen.Welches Wissen zum Thema „Vogelschutz“lässt sich nun in einer Kita in Anknüpfung anpositive Alltagserfahrungen der Kinder vermitteln?Adebar ist da natürlich ein bekannter undbeliebter Sympathieträger für Kinder.Was verbinden Kinder im Alter von 2– 6 Jahrenaber wirklich mit der Gestalt des großenrotbeinigen Vogels?Um Antwort auf diese Frage zu finden undumweltpädagogisch zu arbeiten, initiierten wirein vierteiliges Storchenprojekt. Ziel war es,die 44 Kinder des Kinderladens stufenweiseund von verschiedenen Aspekten her mit demThema in Kontakt zu bringen, dabei die Wahrnehmungzu schulen, kognitive und motorischeFähigkeiten weiterzuentwickeln und dieWeltsicht der 2- <strong>bis</strong> 6-Jährigen zu erweitern.Schwerpunkte der vier Projektmodulewaren:1. Größe, Gestalt und Flugvermögen desWeißstorchs.2. Lebensweise und Lebensraum.3. Der Weißstorch als bekanntester Zugvogel.4. Langzeitbeobachtungen der populärenStörchin „Prinzesschen“.Didaktisch wurden Aspekte der Montessori-Pädagogik beibehalten. Es wurden vier Projektgruppenin der Altersmischung 2 <strong>bis</strong> 6Jahre mit jeweils 11 Kindern gebildet. An vierTagen in der Woche konnte also jedes Kindeinmal (auf Wunsch auch mehrmals!) für eineStunde in einer Projektgruppe mitarbeiten.Obwohl die Projektinhalte durch die Pädagogenvorgegeben wurden, konnte jedes Kindselbst entscheiden, wie intensiv es an welchemTeil der jeweiligen Projektarbeit teilnehmenwollte, und auch eigenständige Formender Mitarbeit entwickeln. Ganz im Sinne derFreiarbeit nach Montessori: „Hilf mir, es selbstzu tun!“.Zum Beispiel bestand eine Teilarbeit zurErfassung von Größe und Gestalt des Stor-ADEBAR IM KINDERLADEN 79


ches in der farblichen Gestaltung einer naturgetreuen,lebensgroßen Skizze eines stehendenTieres.Ein Pädagoge hatte dazu mithilfe einesOverhead-Projektors ein Storchenbild aufweiße DIN A1-Blätter projiziert und als Bleistiftskizzein Umrissen markiert.Mithilfe der Kinder wurden die riesigen Skizzenblätterdann direkt an der Wand des Projektraumsin Arbeitshöhe der Kinder befestigt,was den Kindern sichtlich sehr gefiel.Nun durften die Kinder aus einer großen KisteStifte für ihre Zeichenarbeit auswählen. Besondersfür die Gestaltung des Bildhintergrundeswurden den Kindern in der vorbereitetenUmgebung Anregungen vermittelt. Esgab Overhead-Projektionen mit Bildern vomLebensraum und Futter des Weißstorches,die die Kinder schon aus anderen Teilprojektenkannten. Es entstanden ganz verschiedenartigeStorchenporträts. Es gab naturgetreueBilder, aber auch himmelblaue und kunterbunteStörche. Bei den 2-Jährigen standeher die Faszination von Farbe und Größe imVordergrund, wogegen die 5- <strong>bis</strong> 6-Jährigensich um naturgetreue Farbgebung und sauberesAusmalen der Umrisse bemühten. Sieließen ihrer Fantasie mehr bei der Kreationeines individuellen Hintergrunds freien Lauf.Bei jedem Teilprojekt des Storchenprojektswurden Wissensaspekte mit verschiedenenSinneserfahrungen für die Kinder kombiniertund Fähigkeiten wie vergleichendes Betrachtenund Hören, Erfassen von Größen undMengen, Koordination von Bewegung undUmgang mit bzw. Handhabung von verschiedenenMaterialien weiterentwickelt.Für das Modul 1:Größe, Gestalt und Flugvermögen des Weißstorchs“wurden wiederholt zur großen Freudeder Kinder als lebensgroße Overhead-Projektionen von stehenden und fliegendenTieren an die Wand des Projektraums gebracht.Jeweils ein Kind durfte sich dann zumGrößenvergleich in dieses Projektionsbildstellen. Spielerisch wurde dazu auch dasMontessori-Rechenmaterial mit den rot- blauenStäben verwendet. Für jedes Kind war esspannend zu ermitteln: „Wieviel größer / kleinerbin ich als ein Storch?“ Selbst nach vielfacherWiederholung verloren die Kinder dieFreude an diesem Vergleich nicht.Ganz erstaunlich fanden es die Kinder, dieetwa „Storchenmaß“ hatten, um wie viel ihreausgebreiteten Arme kürzer waren als dieSchwingen des Storchs. Immer wieder recktendie Kinder ihre Arme, um die Flügelspitzendes Storchbildes vielleicht doch zu erreichen.Nach der Größe der Schwingen wurdedann die Luftverdrängung durch Federn mithilfegroßer weißer Federn durch die Kindererprobt. Aus dem ursprünglichen Betrachtender Federn und dem Hören und Fühlen derLuftverdrängung beim Auf- und Abbewegender Federn entwickelten die Kinder selbstständigein „Flug-Versuch-Spiel“. Die Armeausgebreitet, Federn in der Hand, liefen undhüpften sie begeistert im Kreis.Später wurde in einem anderen Teilprojektper CD das unterschiedliche Klappern desStorchs in den verschiedenen Lebenssituationenvermittelt. (Den Kindern war aus anderenProjekten bereits vertraut, Vogelstimmen voneiner CD zu hören und Vogelbildern zuzuordnen.)Hier wurde nun anschließend mit den80 ADEBAR IM KINDERLADEN


Kindern mittels verschiedener Klanghölzerversucht, das Storchengeklapper nachzuahmen.Die Kinder merkten, dass so ein Storchenschnabeletwas ganz besonderes ist,denn kein Kind vermochte so schnell zu klappernwie ein Storch. Weiter ging es musikalischund pantomimisch.„Auf unserer Wiese gehet was“ – das bekannteKinderlied – Rätsel wurde gesungen unddargestellt und damit übergeleitet zur Thematikdes Moduls 2: Lebensweise und Lebensraum.Jetzt wurden auch die Eltern der Kinderaktiv. Storchenbilder und -bücher wurden zumProjekttag mitgegeben.Viel Spaß bereitete das Erfassen von Nahrungsmengenfür Storchennachwuchs. 4 kgNahrung – Hätten Sie’s gewusst? – muss einStorchenpaar täglich für seine Jungen herbeischaffen!Erwachsene denken vielleicht:„4 kg, das sind 4 Tüten Zucker oder Mehl…“Die Kinder dagegen faszinierte es, dass derInhalt von 2 Kisten ihrer Holzbausteine notwendigwar, um auf einer digitalen Waage„4 kg“ aufleuchten zu lassen. Es folgte dieAufgabe, selbst Storchenvater oder -mutterzu spielen und in Form von Bausteinen dieerforderliche Frühstücks- oder Mittagsmengefür die Storchenkinder auf die Waage zu häufen.Daraus entwickelten die Kinder dann einBewegungsspiel. Sie wünschten sich, dieBausteine mögen im Raum verteilt werden,sodass sie sie, wie der Storch auf der Wiesedie Frösche und Käfer, selbst suchen konnten.Noch nie wurden im Raum verstreuteBausteine so schnell wieder zusammengesuchtund in Kisten gelegt. Selbst die 2-Jährigenwaren voller Eifer dabei. Doch es galt,wieder den Bezug zur Natur herzustellen.Mithilfe von Bildern und präpariertem Tiermaterialwurde das breite Nahrungsspektrumdes Storchs vorgestellt. Natürlich folgte ein„Frosch/Maus… -Storch-Fangespiel“. Mithilfeder Waage wurde das Gewicht von Käfernermittelt und mit dem von Holzbausteinen verglichen.4kg Käfer pro Tag – was für einegewaltige Arbeit für Storcheneltern! Und waspassiert, wenn der Lebensraum nicht genugKäfer und Frösche mehr bieten kann, weil derMensch alle Freiflächen betoniert oder Giftauf die Felder spritzt…Schon wurde der Bezug Lebensraum undNahrung für Familie Storch hergestellt. Zweigroße <strong>Land</strong>schaftsbilder dienten der vergleichendenBeschreibung. Dinge erkennen, zeigen,zum Teil benennen, das schafften auchdie kleinsten Kinder, für die jede Overhead-Projektion immer das freudige „Kino!!!“-Erlebnisdarstellte. Den größeren Kindern gelangder logische Schluss, wo Störche leben können,und wo eben nicht mehr…Über die didaktische Brücke von Jahreszeitenbildernwurde dann die Notwendigkeit desVogelzuges vermittelt. Kein Frosch ist jemalsauf einem Winterbild zu sehen!...Somit folgte nun Modul 3: Der Weißstorch alsZugvogel.Hier war wieder die Vermittlung von Aspektender kosmischen Erziehung gefragt. WelcheLänder bereist der Storch? Warum fliegt ernicht in gerader Richtung über das Mittelmeer?Ausgehend von der Erfahrung der Kinder mitder Luft und der Vogelfeder wurde nun vonjedem Kind eine Thermikspirale gebastelt.ADEBAR IM KINDERLADEN 81


Hier ging es auch um die Fähigkeiten, Kreisezu zeichnen, sauber auszuschneiden, mitNadel und Faden zu arbeiten – so wie in derFreiarbeit auch, nur unter einem anderen thematischenAspekt. Die Spiralen wurden überdie Heizung gehängt und beobachtet. Aha,warme Luft als Flughilfe für den Storch!...Darum also die Routen: Straße von Gibraltarund Bosporus, wo die über dem Meer zu fliegendeStrecke relativ gering ist. Denn thermischenAuftrieb gibt es nur über Festlandsflächen.Nun wurden die Länderpuzzlespiele aus demFreiarbeitsraum in die Projektarbeit einbezogen.Doch jetzt ging es um mehr als: Wo liegtwelches <strong>Land</strong>?! Es ging nun darum, Erfahrungenmit <strong>Land</strong>(schaft) und Leuten einzubeziehen.Es stellte sich heraus, dass selbst 6-jährige Kinder gar nicht sicher waren, ob sienun im Urlaub in Tschechien oder doch in derTürkei waren…Also wurde von einem Pädagogeneine Dia-Show mit Urlaubsbildern ausStorch-Durchzugsländern in Etappen gezeigt.Afrikanische Musik erklang von einer CD…Einbezogen wurde auch die Spielkiste mitden „wilden Tieren“. Zu den Dias durften dieKinder passende Tiere aus der Kiste auswählen.Das gelang ebenso schon denKleinsten, da die Dias auch Tiere, z. B. ausAfrika, in ihrem natürlichen Lebensraum zeigten.Weiterhin wurde die Storchenreise durch dasLied „Storchengeklapper“ von B. Cratziusbegleitet, das mit den Kindern im Modul 3erlernt und außerdem im Morgenkreis gefestigtwurde.Das Lied wurde von der „LernwerkstattStorch“ des Projekts „Future on Wings“ dankenswerterweisezur Verfügung gestellt.(Pädagogische Leiterin Angela Bochum:„www.Future-on-Wings.net“)Jetzt galt es noch im Modul 4: Langzeitbeobachtungender populären Störchin Prinzesscheneinen nachhaltigen und persönlichenBezug für die Kinder zu dem Storchenprojektherzustellen.Die Kinder verfügen bereits über Alltagserfahrungenmit PC und ferngesteuertem Spielzeug.Diese Erfahrungen wurden nun mit Prinzesschenverknüpft. Diese Weißstörchin wirdbereits seit 1994 per Sender/Satellit auf ihrenReisen zwischen Europa und Afrika beobachtet.Sie horstet seit dieser Zeit auf dem Storchenhofin Loburg in Sachsen-Anhalt, ein eingetragenerVerein sammelt Beobachtungsdatenvon ihr und veröffentlicht sie aktuell imInternet. Kilometergenau lässt sich PrinzesschensReise so im Internet verfolgen:www.prinzesschen.deDen Projektkindern wurde nun Prinzesschenund seine Ausrüstung mit einem Sender perBild vorgestellt. In kleinen Gruppen konntendie Kinder am PC der Kita Prinzesschens Reiseroutelife im Internet betrachten. EinPädagoge erstellte eine DIN A1 große bunteKarte mit Europa und Afrika, analog zu denden Kinden vertrauten Länderpuzzlespielen.Mithilfe von Informationen aus dem Netz wirdnun jeweils im Frühling und Herbst PrinzesschensReiseroute und derzeitiger Aufenthaltmit kleinen Storchennadeln an dieser Kartemarkiert und im Morgenkreis besprochen.Die Eltern der Kinder erhalten Infos zu Möglichkeiten,Prinzesschen auch zu Hause via82 ADEBAR IM KINDERLADEN


Netz zu begleiten, um auch dort das Thema„Storchenzug und fremde Länder“ mit ihrenKindern ergänzend aufgreifen zu können.So ist nun Prinzesschen im Frühling undHerbst mittlerweile regelmäßige Teilnehmerinbeim Morgenkreis im Montessori-Kinderladene. V. in Bernau. Sie liefert immer wieder vielfältigeVerknüpfungsmöglichkeiten zu anderenMorgenkreis-Themengruppen wie Jahreszeiten,Naturbeobachtungen, Kennenlernenvon <strong>Land</strong> und Leuten und und und…Und so ist Adebar aus unserem Kinderladennicht mehr wegzudenken.Mittlerweile gibt es ihn auch schon bei einemKind als Kuscheltier in der Mittagsruhe…Kontakt:KonsultationskitaMontessori-Kinderladen e.V.Oranienburger Straße 1416321 BernauTelefon: 03338/758080Fax: 03338/708179ADEBAR IM KINDERLADEN 83


Was – Wann – WoDas Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat in der Vergangenheit konsequent den AufundAusbau von Praxisunterstützungssystemen in Form von Praxisberatung, Konsultationskitasund Überregionalen Pädagogischen Zentren unterstützt.Seit der Veröffentlichung der KitaDebatte 1997 stellen in der Rubrik „WAS-WANN-WO“ dieKonsultationskitas und die „Überregionalen Pädagogischen Zentren“ (ÜPZ) ihre aktuellenAngebote vor.Konsultationskitas stehen landesweit exemplarisch für einen speziellen inhaltlichen Ansatz.Sie haben den Auftrag, interessierten Mitarbeiterinnen von Kitas, den Trägern und Jugendämternihr pädagogisches Konzept darzustellen. Regional haben sie die Aufgabe, in Zusammenarbeitmit den Praxisberaterinnen der örtlichen Jugendämter Netzwerke für Fortbildungund Beratung aufzubauen.Überregionale Pädagogische Zentren haben den Auftrag, die entstandenen fachlichen Ansätze,die sich infolge von Modellprojekten entwickelt haben, aufzugreifen und weiterzuentwickeln.Sie stehen interessierten Mitarbeiterinnen von Kitas, Trägern und Jugendämtern fürfachliche Unterstützung zur Verfügung.84WAS – WANN –WO


Konsultationskita „Kinderland“ inEisenhüttenstadtAnschrift:Träger:Kita „Kinderland“Heinrich-Heine-Allee 615890 EisenhüttenstadtTel.-Nr.: 03364 43832Fax: 03364 410845E-Mail: kita@awokvehst.deArbeiterwohlfahrt Kreisverband Eisenhüttenstadt e.V.Ansprechpartnerinnen: Elke DrobbeSylvana StannekEine neue Konsultationskita stellt sichvorUnsere Kindertagesstätte „Kinderland“ wurdeam 03.Januar 1957 eröffnet.Sie befindet sich in einem der ältesten Wohngebieteder Stadt Eisenhüttenstadt, umgebenvon einer Parkanlage mit hohen Bäumen undPlastiken.Unweit von unserer Kita entfernt, laden dasNaherholungsgebiet „Die Diehloer Berge“ unddas Fließ zum Verweilen ein.Unsere Kita betreut 146 Kinder im Alter von 8Wochen <strong>bis</strong> zum Schuleintritt.Sie ist von Montag <strong>bis</strong> Freitag von 6.00 <strong>bis</strong>20.00 Uhr geöffnet.Unser Team besteht aus 18 Mitarbeitern.Von 2001 <strong>bis</strong> 2004 war unsere EinrichtungModellkita zum Projekt:„Vorbeugen ist besser als heilen,Vorbeugen ist billiger als heilen!“Das war ein Modellprojekt des <strong>Land</strong>kreisesOder-Spree zur Gesundheitsförderung undSuchtprävention in Kindertagesstätten undGrundschulen.Um einen fachlichen Austausch, gegenseitigeHilfe und Beratung sowie gemeinsame Fortbildungund Qualifizierung zu erhalten, sindwir im Mai 2005 dem „Netzwerk gesunde Kita“beigetreten.Wir haben im Prozess der Beschäftigung mitdem Modellprojekt erkannt, dass Suchtpräventionim engen Zusammenhang mit derStärkung der kindlichen Persönlichkeit, mitder Lebenskompetenz und Gesundheitserziehungsteht.Deshalb unser Schwerpunkt:Suchtprävention „Fit und stark für’sLeben“Um Sucht präventiv entgegenzuwirken,haben wir in unserem Konzept die gesund-WAS – WANN –WO 85


heitliche Bildung und Erziehung im Sinne derStärkung der kindlichen Persönlichkeit festgeschrieben.Sie ist eine wichtige Grundlage für dieLebenskompetenz .Lebenskompetenz ist, wer• sich selbst kennt und mag,• emphatisch ist,• kritisch und kreativ denkt,• kommunizieren und Beziehungen führenkann,• durchdachte Entscheidungen trifft,• erfolgreich Probleme löst und• Gefühle und Stress bewältigen kann.WHO, 1994die Gesundheitsförderung und Suchtprävention.Aus dieser Erkenntnis ergibt sich der hoheStellenwert der Elternarbeit im Gesamtkonzeptunserer Einrichtung.Haben wir Sie neugierig gemacht?! Dannnehmen Sie mit uns Kontakt auf.Einen wesentlichen Beitrag für die Ausprägungvon Lebenskompetenz bildet dieEinheit von Kommunikation, Sprache undBewegungSprache und Bewegung – beides ist bei denKindern wesentliche Mittel der Erkenntnisgewinnung,des Ausdrucks und der Mitteilung.Das Grundanliegen unserer Arbeit bestehtdarin, eine anregungsreiche, zur Aktivität undzum Handeln auffordernde Umwelt zu schaffen,in der die Kinder ihren Körper, Bewegung,Sprache und Stimme gleichermaßeneinsetzen können, um sich mit sich selbst undanderen auseinanderzusetzen. Hierbei werdendie anderen Lebenskompetenzen mitherausgebildet.Wichtig ist:Das gleichberechtigte Zusammenwirken allerErziehungsträger, speziell der Eltern undErzieherinnen, schafft ein optimales Klima für86 WAS – WANN –WO


Konsultationskita „Märchenland“ inPotsdam-DrewitzAnschrift: Paul-Wegener-Str. 2–414480 PotsdamTel.: 0331/624197Fax: 0331/6006331E-Mail: Kita-Maerchenland-Potsdam@internationaler-bund.deInternet: www.Kita-Maerchenland.deAnsprechpartnerin:Nadine MehlSeit November 2006 stellen wiruns als Konsultationskita vor.1996 ist der Internationale BundTräger unserer Einrichtung geworden.Wir haben eine Kapazität von 250Plätzen und nehmen Kinder imAlter von 0 Jahren <strong>bis</strong> zum Endeder Grundschulzeit auf.Im Kindergarten und Hortbereicharbeiten wir nach dem Prinzip deroffenen Arbeit verbunden mit dem situationsorientiertenAnsatz. Gemeinsam mit den Kindernhaben wir die Räume funktionsorientierteingerichtet. In den unterschiedlichen Räumenzum Spielen, kreativen Tätigsein und zuden sportlichen Aktivitäten können die Kinderselbst entscheiden, welche Angebote sie nutzenwollen. Sie haben aber auch Rückzugsmöglichkeitensowie Raum und Zeit für individuelleBeschäftigung.2001–2003 arbeiteten wir zusammen mit derAOK, dem Ministerium für Bildung, Jugendund Sport, dem Institut für Psychologie, demInstitut für Sportmedizin und Prävention derUniversität Potsdam an einem Projekt – Pfiffikusdurch Bewegungsfluss.Dieses Projekt beinhaltet eine spielerischeBewegungsvielfalt, wobei nicht nur die körperlichenFähigkeiten, sondern in erster Liniedie Ausreifung des Nervensystems stimuliertwerden. Um leistungsfähig zu sein, brauchtjedes Kind ein funktionierendes Netz von Ner-WAS – WANN – WO 87


venverbindungen zwischen Gehirn, Rückenmark,Sinnesorganen und Muskeln. DiesesNetz entsteht in den ersten Lebensjahrendurch Bewegung. Besonders wichtig ist dieoptimale Verknüpfung beider Hirnhälften, diejeweils die gegenüberliegende Körperhälftekontrolliert und steuert.Die praktische Umsetzung des Projektswurde integriert, spiegelt sich im gesamtenTagesablauf wider und ist ein fester Bestandteilunserer pädagogischen Arbeit.Dazu gehören:• regelmäßige Fortbildungen der Erzieher,• kognitions- und bewegungsförderndeRaumgestaltung/Materialien,• Rituale: – Morgen- und Mittagskreis– Angebote– Sport– Trimmpfad im Außengelände– Bewegungsmottos– komplexe Projekte (Verknüpfungder Pfiffikus-Übungsschwerpunkte).Übungsschwerpunkte:Wir freuen uns auf Ihren Besuch.88 WAS – WANN – WO


Konsultationskita„Haus der kleinen Strolche“ in WoltersdorfAnschrift:KiTa „Haus der kleinen Strolche“Steinwinkel 115569 WoltersdorfTel. 03362/79988-0E-Mail: Kita-haus-der-kleinen-Strolche@t-online.dewww.haus-der-kleinen-strolche.deAnsprechpartnerinnen: Frau Marina Kussatz (Konsultationsleiterin)Frau Andrea Nöske (Leiterin)2 Schwerpunkte unserer Fortbildungsangebote:1. Umsetzung der Grundsätze derelementaren Bildung impädagogischen Alltag• Grundverständnis: Was ist mit dem Bildungsbereichgemeint?• Wie kann die Erzieherin die Bildungsfähigkeitender Kinder pädagogisch begleiten?2. Beobachtung- und Dokumentationsverfahren• Beobachtung und Dokumentation im„Haus der kleinen Strolche“ nach INFANS• Was ist ein Portfolio?• Welche Instrumente und Erhebungsprotokollegehören in das Portfolio?• Das individuelle Curriculum• Von den Erziehungszielen zu den Handlungszieleneiner Kindertagesstätte• Bedingungen für das Gelingen im Team.Wir bieten weiterhin an:– Öffentlichkeits- und Elternarbeit – Dokumentationund Bereitstellung beobachtbarerSelbstbildungsprozesse von Kindern –Entwickeln einer Projektmappenkultur.– flexible Arbeitszeitgestaltung – Um dieAufgaben einer Kindertagesstätte zubewältigen: ein Muss!?• Einblick in die Konzeption der Kita„Haus der kleinen Strolche"• Gespräche und Erfahrungsaustauschmit den Erzieherinnen• Rundgang durch die KiTa.Mögliche Formen von Fortbildung:• Teamfortbildung• Kleinteams.Als Tagesveranstaltung (9–16 Uhr) oder stundenweise(9–12 oder 12–16 Uhr oder 17–19Uhr).WAS – WANN – WO 89


Die KiTa „Haus der kleinen Strolche“ arbeitetmit dem Jugendamt/Praxisberatung LOS inBeeskow,Frau Butschke (Tel.: 03366/351514) undFrau Peschel (Tel.: 03366/351517) zusammen.Wir bitten alle, die an einer Fortbildung/einemErfahrungsaustausch interessiert sind, sichtelefonisch anzumelden.Unkostenbeitrag: 5,– Euro90 WAS – WANN – WO


Konsultationskita„Spatzenhaus“ in Frankfurt (Oder)Anschrift:Träger:Ansprechpartnerin:Kita „Spatzenhaus“Willichstraße 37 / 3815232 Frankfurt (Oder)„Unsere Welt“ Frankfurt (Oder) e.V.Karin MuchajerTelefon: 0335 / 54 21 81Fax: 0335 / 500 49 24E-Mail: kita@spatzenhaus.dewww.spatzenhaus.deFortbildungsangebote:• Trägerwechsel:Mitarbeiter und Eltern haben wichtige Mitspracherechtebeim Wechsel der Trägers.Wir geben ihnen Anregungen, woran siedie Qualität und Attraktivität des neuenTrägers messen können.• Eigene Trägerschaft:Vielleicht möchten Sie nicht fremdbestimmtsein und Ihre Geschicke lieberselbst in die Hand nehmen. Wir gebenunsere Erfahrungen, die wir seit dem Jahr1995 sammeln konnten, gern weiter undberaten Sie bei Bedarf bei der Vorbereitungsowie bei der Bewältigung schwierigerAufgaben in der eigenen Trägerschaft.• Finanzierung von Kindertagestätten:Wir informieren Sie über gesetzlicheRegelungen im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>, überChancen und Risiken. Wir zeigen Ihnen,wie man Platzkosten errechnet, Wirtschaftspläneerstellt, wir geben Anregungenzur Erwirtschaftung des gefordertenEigenanteils des Trägers.• Eigene Trägerschaft – Personalvertretung?:Chance oder Hemmnis …Wir informieren Sie darüber, welche BedeutungDemokratie für uns hat, welcheErfahrungen wir gesammelt haben, aberauch welche Schwierigkeiten es gibt.• ArbeitsplatzentwicklungDie Einwohnerentwicklung im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>hat entscheidende Auswirkungenauf die Arbeitsplatzsicherheit in den Kindertagesstätten.Ist die Reduzierung vonArbeitszeiten die einzige Möglichkeit, umArbeitsplätze zu erhalten? Bei uns erfahrenSie, welche Antworten wir daraufhaben.WAS – WANN – WO 93


Konsultationskita „Biene Maja“ in BeeskowAnschrift:DRK – Integrationstagesstätte„Biene Maja“15848 ‚BeeskowTelefon: 03366/20585E-Mail: biene-maja@drk-fos.deAnsprechpartnerinnen: Frau Marion Filkow (Leiterin)Frau Doris Schrobbach (Kosultationsleiterin)Folgende Angebote stehen zur Verfügung:– Offene Arbeit – wird vor allem und zuerstvon einer Haltung gekennzeichnet.Einer Haltung, die offen ist• für Prozesse und Ergebnisse• für unterschiedliche Entwicklungswegevon Kinder und Erwachsenen• für die Deutungen und Bedeutungen derKinder, für deren Signale und Impulse• für Zweifel an unseren Gewohnheitenund Gewissheiten• für neue Ideen und ungewöhnlicheLösungen• für andere Blickwinkel und Konzepte– Raumkonzept – Kinder brauchen Spielräume.Sie brauche Zeit für ungestörtes Spiel.Sie brauchen Aktionsräume drinnen unddraußen für ausladende Bewegungen, fürToben und Raufen, denn auf diese Weiseerobern sie sich ihre Umgebung, erprobenihre Kräfte und testen ihre Grenzen.Sie brauchen Räume für eigenständigesHandeln und gemeinsame Verantwortung.Räume zum Räumen und Gestalten,Räume zum Forschen und Experimentieren,Räume zum Reden und Schweigen,Räume zum Musizieren.– Systematische Beobachtung jedes Kindesund Dokumentation der Ergebnisse– als grundlegende Methoden derFrühpädagogik. Die Qualität der Selbstbildungsprozesseder Kinder hängt davonab, auf welche Weise seine Konstruktionermöglicht, unterstützt und herausgefordertwird. Aus diesem Grund sind die systematischenBeobachtungen eine wichtigeVoraussetzung, um Auskunft darüber zuerlangen, wie das Kind die Welt und sichselbst darin sieht. (Beobachtungsmaterialvon Infans)– Rundgang durch die KitaWir bitten allen Interessierten, sich bei uns zurindividuellen Terminabsprache zu melden.Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dassein vorheriger Austausch über Fragen undWünsche effektiver für die Konsultation ist.Es besteht die Möglichkeit, in unserer Einrichtungzu hospitieren und mit den Erzieherinneneinen Erfahrungsaustausch zuführen. Ebenso gibt es Fortbildungsangebotefür die oben erwähnten Punkte.94WAS – WANN – WO


Konsultationskita„Zauberstein“ in Hohen NeuendorfAnschrift:Träger:AWO KindertagesstätteGoethestr. 9316540 Nohen NeuendorfTel.: 03303 / 215660, Fax: 215661E-Mail: kita.zauberstein@awo-havelland.deAWO Oberhavelland gGmbHAnsprechpartnerinnen: Bärbel Baurycza (Leiterin)Doris Bonk (stellv. Leiterin)Sprechzeit:Mo.14:00–17:00 Uhr und Di. 09:00–11:00 UhrDas Kind in seiner Einzigartigkeitrespektieren und begleiten !Wer und wo?Die Kindertagesstätte „Zauberstein“ befindetsich in Trägerschaft der ArbeiterwohlfahrtOberHavelland gGmbH und wurde imDezember 2003 eröffnet.Hier werden 122 Kinder im Alter von 0–6Jahren von 13 Pädagogen/-innen, zweiKüchenhilfen, einem Hausmeister undeinem Zivildienstleistenden in ihrer Entwicklungbegleitet.Die Kita „Zauberstein“ befindet sich in derNiederheide, einer von reichlich Natur umgebenenWohngegend. Angrenzend an einWaldstück bieten das ebenerdige, pavillonartige,von Licht durchflutete Gebäude und dergroßzügig gestaltete Garten ein Optimum anSpiel- und Bewegungsfläche.Was?Unser pädagogischer Auftrag liegt in denGrundsätzen des Situationsansatzes, gekoppeltmit einer zeitgemäßen reformpädagogischenBegleitung der Kinder u. a.nach den Methoden und Materialien, dieMaria Montessori entwickelte. Er ist gekennzeichnetdurch den besonderen Respekt vorder Individualität und Würde eines jeden Kindessowie durch das Wissen um deren Entwicklungsphasen,deren Dauer und Zeitpunktein jedes Kind selbst bestimmt.Wie?Die Kinder erleben sich in geschlechts- undaltersgemischten Gruppen mal groß, malklein, mal stark, mal Hilfe suchend…, sie könnensich Partner mit gleichem Entwicklungsstandsuchen, verschiedene Rollen erprobenund Rücksicht und Verantwortung übernehmen.WAS – WANN – WO 95


Die Altersmischung gilt für 14 Kinder einerKrippengruppe im Alter von 0 <strong>bis</strong> ca. 2,5Jahren und für fünf Kindergartengruppenim Alter von ca. 2–6 Jahren, die von jeweils20–22 Kindern besucht werden.Wir gehen von den sozialen Lebenssituationender Kinder aus, unterstützen sie in ihrerFantasie und bei der Erschließung der Welt,ermöglichen ihnen durch eigenständigesHandeln und durch die Entwicklung gemeinsamerProjekte eine aktive Selbstständigkeits-und Lebensgestaltung, in der sieeine bewusste Auseinandersetzung mit Wertenund Normen des täglichen Lebens erfahrenkönnen.Innerhalb der Gruppe lernt das Kind, Gefühleund Wünsche zu äußern, Rücksicht zu nehmen,Konflikte zu lösen und gemeinsameZiele zu verfolgen. Regeln werden gemeinsamvereinbart. Das Kind erfährt Geborgenheitund Zugehörigkeit. Hierfür schaffen wirdie räumlichen Voraussetzungen, durcheine anregende vorbereitete Umgebungund einen freien Zugang zu den Materialien,die entsprechend dem Alter und nach einemfesten Ordnungsprinzip vorhanden sind.Somit stimulieren wir das eigenaktive undkreative Tun der Kinder.In unserer Kita bieten wir Möglichkeitenfür verschiedene Lernbereiche:• Übungen des praktischen und täglichenLebens,• Soziale und emotionale Entwicklung,• Mahlzeiten, Gesundheit, Schlaf,• Fantasie- und Rollenspiel,• Sinnesentwicklung,• Bildende Kunst, Musik und Tanz,• Sprachentwicklung,• Interkulturelles Lernen,• Mathematische Kompetenzen,• Kognitive Entwicklung,• Computer für Kinder,• Bauen und Konstruieren,• Bewegung nach E. Hengstenberg undEntspannung,• Natur-, Umgebungs- und Sachwissen.Warum?Wir sprechen die gesamte Sinnesentwicklungder Kinder an, wir motivieren sie zumTätigsein und bereiten sie ganzheitlich imFreispiel und beim Arbeiten mit den Materialienauf die Schule und das Leben vor.Gesellschaftliche bildungspolitische Anforderungen,verschiedene Kulturen, Naturverbundenheitund umweltpädagogische Ziele stehenim Mittelpunkt unseres Kita-Alltags. Dazugehören auch die Integration von Kindernmit Behinderungen und die Förderung vonKindern mit Entwicklungsbesonderheitendurch pädagogischen Mehrbedarf.Wer mit wem ?Wir verstehen uns als Partner in der Betreuung,Bildung und Erziehung der Kinder. DieZusammenarbeit mit den Eltern ist uns vonAnfang an sehr wichtig. Wir gestalten mitihnen eine bewusste begleitende Eingewöhnungsphasefür das Kind, bleiben imgemeinsamen Austausch, stimmen uns imInteresse der Kinder ab und führen regelmäßigeElterntreffen, Info-Abende und Entwicklungsgesprächedurch.Innerhalb eines Jahres gibt es mehrere interessanteVeranstaltungen mit und für96 WAS – WANN – WO


Eltern wie zur Eingewöhnung, zur Schulvorbereitung,zur positiven Erziehung, zumFaustlosprojekt sowie zum Englischangebot.Es gibt eine Wahl der Elternvertreter sowieregelmäßige Zusammenkünfte, Arbeitsgruppenund Elternbriefe.Durch unterschiedliche berufliche Voraussetzungenbringen wir, die Mitarbeiter/-innen derKita „Zauberstein“, ein hohes Potenzial zurTeamentwicklung ein. Durch wöchentlicheTeamsitzungen und Fortbildungen zu frühpädagogischen,entwicklungspsychologischenund organisatorischen Themen erarbeiten wiruns Kompetenzen, die sich an den nationalenQualitätskriterien in Zusammenarbeit mitder internationalen Akademie der Freien UniversitätBerlin orientieren.Unsere Arbeit beruht auf Situationsanalysenund wird fortlaufend dokumentiert.Einmal im Jahr unterstützen uns die Eltern beieiner einwöchigen Teamfortbildung. Währendsie die Betreuung ihres Kindes abdecken,erweitern wir unsere Kompetenzen,von denen dann alle Kinder profitieren. Themenwie der brandenburgische Bildungsplan,die Fortschreibung der Konzeption unddie Arbeit mit weiterführenden Verfahren zurpädagogischen Dokumentation in der Kitakonnten u. a. auch zusammen mit externenFachleuten erarbeitet werden. Die Durchführungvon regelmäßigen Beobachtungen,die Anwendung der Grenzsteine der Entwicklungund der Sprachbeobachtungsinstrumente(WESPE und KISTE) sowie dieräumliche Anpassung an die Bildungsbereichedurch die Anordnung von Bildungsinselnin den Gruppen und im Spielflur gehörenzu unseren aktiven Entwicklungsprozessen.Zu unseren Sprechzeiten können alle interessiertenFachkräfte mit uns einen Termin zurHospitation, Begehung und Konsultation vereinbaren.Kein Tag in unserem Haus für Kinder wird dem vergangenen gleichen, er wird durch dieEinzigartigkeit der Kinder bestimmt.WAS – WANN – WO 97


Ein Tag in der Kita „Zauberstein“Ab 6.30 Uhr begrüßen wir die Kinder imSpielflurbereich. Hier können sie sich langsamauf den Tag einstimmen oder auch schontätig werden.Zwischen 8.00 und 9.00 Uhr findet das offeneFrühstück in den jeweiligen Gruppenbereichenstatt. Während dieser Zeit sind die Kinderim freien Spiel tätig und beachten eineruhige, entspannte Atmosphäre. Wir bietenden Kindern eine gesunde, vollwertige Ernährung.Die Kinder können bei einem offenenFrühstück lernen, sich eigenständig ihreMahlzeit zuzubereiten. Danach findet der gemeinsameMorgenkreis statt, in dem die aktuellenThemen gemeinsam besprochen werden.Durch die verschiedenen Angebote undProjekte können die Kinder dann auch gruppenübergreifendtätig sein und untereinandersowie zu den anderen Erzieherinnen Beziehungenaufbauen.Gegen 12.00 Uhr reichen wir eine Mittagsmahlzeit(11.30 Uhr für Krippenkinder), zwischendurchstehen ein Obst-, Gemüse- undGetränkeangebot bereit. Während einige KinderMittagsruhe halten, können die anderenbei einer Übung zur Stille oder einer Geschichteentspannen, um später in den Räumen,auf dem Spielflur oder auch in unseremGarten zu spielen.98 WAS – WANN – WO


Vom SPFW <strong>Brandenburg</strong> zum SFBB –Sozialpädagogisches FortbildungsinstitutBerlin-<strong>Brandenburg</strong>Nach kurzer Verweildauer in Ludwigsfeldezieht das SPFW nach Berlin. Die SozialpädagogischeFortbildung in Berlin und <strong>Brandenburg</strong>ist ab Januar 2007 am StandortJagdschloss Glienicke in Berlin fusioniert.Wir sind weiterhin für Sie – die Fachkräfte derKindertagesbetreuung – Ansprechpartner/-innen und gut erreichbar:Sozialpädagogisches FortbildungsinstitutBerlin-<strong>Brandenburg</strong>Jagdschloss GlienickeKönigstraße 36 B, 14109 Berlin(Wannsee/Glienicker Brücke)Fon: 030/48 48 1-100Fax: 030/48 48 1-122E-Mail: info@fobiglienicke.verwalt-berlin.dewww.senbjs.berlin.de/fobiglienickeDas Fortbildungsprogramm 2007 ist bereitsein erstes gemeinsames Arbeitsergebnis.Die Kindertagesbetreuung mit ihren aktuellenDiskussionen und Anforderungen in Berlinund <strong>Brandenburg</strong> steht im Zentrum. Wir, die<strong>Brandenburg</strong>er und Berliner ‚Macher’ diesesProgramms, haben uns aufeinander zubewegtund freuen uns im Ergebnis über dieneue Vielfalt bei gleichzeitiger Wahrung derUnterschiede.Die Mehrzahl der geplanten Veranstaltungenlädt zur Begegnung der Fachkräfte aus beidenLändern ein. Wenn <strong>Land</strong>esgesetze, das BerlinerBildungsprogramm bzw. die GrundsätzeElementarer Bildung in <strong>Brandenburg</strong> undandere landesspezifische Strukturen und Programmeeine Differenzierung sinnvoll machen,dann finden Sie einen Hinweis auf den <strong>Land</strong>esbezugder eingeladenen Zielgruppen.Für die brandenburgischen Fachkräfte verändernsich mit diesem Programm auch dieOrte, an denen die Veranstaltungen stattfindenwerden. Sowohl mit dem JagdschlossGlienicke als auch mit dem Wannseeforumstehen gute Seminarbedingungen zur Verfügung.Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie auchbei der nächsten Etappe unserer Reise –Blankensee, Ludwigsfelde – und jetzt in dieKulturlandschaft Berlin-Babelsberg, JagdschlossGlienicke, mit dabei sind. Im Übergangvom SPFW zum SFBB werden mehrereSeminare dezentral in peripheren <strong>Land</strong>kreisenstattfinden, was Sie den jeweiligen Ausschreibungenentnehmen können.Die Vielfalt der Themen finden Sie unter folgendenÜberschriften:1. Kultur des Aufwachsens2. Bildung und Erziehung3. Pädagogik der Vielfalt und Differenz4. Kindertagespflege5. Kindertagesbetreuung und Schule6. Zusammenarbeit mit Eltern7. Lernende Organisation – Veränderungsteuern.WAS – WANN – WO 99


Das Programm steht ab sofort im Internet zurVerfügung: www.spfw.brandenburg.deWenn der Wind der Veränderung weht, bauendie einen Mauern und die anderen Windmühlen.’Im Sinne der Windmühlen wünschen wirIhnen und uns erfolgreiche Übergänge.Für den FachbereichKindertagesbetreuungDr. Monika Bekemeier, Annette Hautumm,Claudia Lutze, Cornelia Schiemann,Carola WildtCarola Wildt, Stellvertretende LeiterinE-Mail: Carola.Wildt@SFBB.verwalt-berlin.deTel.: 030-48481-301Dr. Monika BekemeierKoordination Kindertagesstätten undKindertagespflegeE-Mail: Monika.Bekemeier@SFBB.verwaltberlin.deTel.: 030 –90193-222100 WAS – WANN – WO


Ausflug in die geheimnisvolle Weltder IndianerIlka Sokolowski und Claudia Toll haben eingroßes Indianerbuch für Kinder gestaltet, dasInformationen über das Leben, die Kultur, dieKleidung und das Essen der Indianer mit tollenAnleitungen zum Selbermachen vereint.Da gibt es z.B. das Bohnentipi für den Garten,verschiedene indianische Instrumente oderFederschmuck , an dem man sich selbst versuchenkann. Außerdem finden sich viele Lieder,Rezepte, Geschichten und Spiele, womitdas Buch auch sehr gut als Anleitung fürspannende Indianer- Geburtstage dienenkann.Untermalt wird das Ganze von passendgestalteten Illustrationen, die die verschiedenenBereiche des Indianerlebens für Ihr Kindanschaulich und lebendig machen. Sehrlobend zu erwähnen ist auch das direkte Einbeziehendes Kindes in das Buchgeschehendurch die Anrede „Du“ im laufenden Text.Somit kann Ihr Kind Zusammenhänge zueigenem Wissen oder Erfahrungen schaffen.Zusammenfassend befindet sich am Endedes Buches ein Indianer-ABC, in dem manalle wichtigen Begriffe rund um das Indianerlebennachschlagen kann.Insgesamt gestaltet sich „Tipi und Tomahawk“als sehr gelungenes Buch, das in Ihrem Kindsicherlich den Wunsch bestärken wird, nächstesJahr einen Indianer-Geburtstag zu feiern!He.(Ilka Sokolowski/Claudia Toll: „Tipi undTomahawk“, Patmos Verlag, 80 <strong>Seite</strong>n,14,90 €, ISBN 3491380839)Alte Reime – neu entdecktVom „Bi-Ba-Butzemann“ über „Hans mit denbunten Hosen“ <strong>bis</strong> „Ich geh mit meiner Laterne“– dieses Buch lässt die Herzen aller Fansdeutscher Kinderreime höher schlagen. IngeborgMeyer-Rey hat die schönsten in einemliebevoll illustrierten Buch zusammengestellt.Für die Kleinen ab 2 Jahre gibt es viel zu entdecken,denn die Bilder sind bunt und fröhlichgestaltet und stehen immer im Zusammenhangmit dem Text. Das macht es einfacher,auch einen bildlichen Bezug zum Vers zubekommen.Mit diesem Buch fällt es Ihren Kindern bestimmtnicht schwer, bald auch ein großerReime-Fan zu werden.He.(Ingeborg Meyer-Rey: „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“, KinderbuchVerlag in derVerlagsgruppe Beltz, 12 <strong>Seite</strong>n, 5,95 €,ISBN 3-358-03020-2)FACHLITERATUR – REZENSIONEN 101


Vom kleinen Angsthasen, der auf einmalganz viel Mut zeigteDer kleine Angsthase hat ein großes Problem:Wie sein Name schon sagt, hat er vor allemAngst. Und darum wollen die anderen Hasenkindernie mit ihm spielen und lachen ihn aus.Darüber ist er sehr traurig. Nur mit dem vielkleineren Ulli kann er spielen. Doch als einesTages ein böser Fuchs in das Hasendorfkommt und Ulli fängt, vergisst der kleineAngsthase all seine Angst und rettet denFreund mit einem schlauen Trick...Dieses Buch ist ein Klassiker unter den „Mutmachbüchern“.Es ist sehr einfach illustriert,doch in Kombination mit dem kinderfreundlichgestalteten Text erhält es seine ansprechendeWirkung. Elizabeth Shaw, die auch durchKinderbücher wie „Zilli, Billi und Willi“ und „DieSchildkröte hat Geburtstag“ bekannt wurde,erzählt eine Geschichte, die den kleinenLesern und Zuhörern Mut macht und ihnenzeigt, dass man seine Ängste einfach überwindenkann.He.(Elizabeth Shaw: „ Der kleine Angsthase“,KinderbuchVerlag in der VerlagsgruppeBeltz, 16 <strong>Seite</strong>n, 8,95 €,ISBN 3-358-02106-8)102FACHLITERATUR – REZENSIONEN


Info-Blatt zur Medikamentenausgabe inKindertageseinrichtungenErarbeitet durch den UnterausschussKindertagesbetreuung des<strong>Land</strong>esjugendhilfeausschusses des<strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong>Für die Erzieherinnen von Tageseinrichtungenstellt sich häufig die Frage, ob sie denihnen anvertrauten Kindern Medikamenteverabreichen sollen, können, dürfen oder sogarmüssen.Mit dieser Frage wird auch das <strong>Land</strong>esjugendamtoft konfrontiert. Der UnterausschussKindertagesbetreuung des <strong>Land</strong>esjugendhilfeausschussesdes <strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong> hatsich aufgrund der vielfältigen Unsicherheitendazu mit diesem Problem beschäftigt undbereits Anfang des Jahres 2006 eine Arbeitshilfeerarbeitet.Die Arbeitshilfe entstand auf der Grundlageder Sichtung umfangreicher Literatur zumThema „Medikamentenausgabe in Kitas“ undder Einbeziehung von Fragestellungen ausder Praxis und aus dem Internetforum desMinisteriums für Bildung, Jugend und Sport.Merkblätter verschiedener Trägerverbändesowie einzelne Empfehlungen aus anderenBundesländern dienten der Orientierung.Das entstandene Info-Blatt gibt eine Zusammenstellungder wesentlichen gesetzlichenBestimmungen zu speziellen Regelungen inder Vertragsgestaltung, zu Versicherungenund zu Fragen des Datenschutzes. Es enthältHinweise zu den Voraussetzungen für Medikamentenausgabebei den Pädagogen undzur Aufbewahrung von Medikamenten. Beispieleund Checklisten runden das Materialab. Im Verlauf der Arbeit an diesem Papierwurde angeregt, auch Hinweise zur Medikamentenausgabein der Tagespflege mit aufzunehmen.Rückmeldungen haben bereits gezeigt, dassdas Material sowohl aufseiten des Trägers alsauch aufseiten des pädagogischen PersonalsKlarheit über die Modalitäten der Medikamentenausgabeschafft und als Grundlage für dieErarbeitung von notwendigen Regelungenzum Verabreichen von Medikamenten in derkonkreten Kindertageseinrichtung oder in derTagespflegestelle hilfreich ist.Das <strong>Land</strong>esjugendamt hat die Arbeitshilfe alsBroschüre drucken lassen und Ende des Jahres2006 allen Kindertageseinrichtungen des<strong>Land</strong>es zur Verfügung gestellt.Die Arbeitshilfe ist außerdem abrufbar imInternet unter www.lja.brandenburg.de in derRubrik Kindertagesbetreuung unter Empfehlungen/ Arbeitshilfen / Fachaufsätze / Beiträge.GESETZE – VERORDNUNGEN 103

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