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Anmerkungen zur Rolle des Lehrers

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Veröffentlichungen der Jahrestagung 2005Jugendliche erfahren die Beliebigkeit von Sexualität,die Auflösung aller Bindungen, denPrimat von Spaß und Egoismus, die grenzenloseKonsumgesellschaft, die Dauerpräsenzvon Gewalt, die Selbstverständlichkeit vonKorruption und die Abhängigkeit der Menschenvom Geld.Unter den Erscheinungen der Erwachsenenweltragt besonders die Bedeutung <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong>hervor, als letzte sinngebende Instanz für dasHandeln und Denken der Menschen. Wir erlebendurch die Medien einen grenzenlosenMaterialismus. Geldgier, Geldbesitz und Gelderwerbsind der Hauptantrieb im Guten und imBösen. Man muss sich nur das Beispiel Sportvor Augen führen, um die Macht <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong>zu erkennen. Die Güte einer Sache wird anihrem materiellen Wert gemessen, der Rangvon Berufen an der Höhe <strong>des</strong> Einkommensorientiert. In Aktiengesellschaften steht nichtan erster Stelle die Qualität <strong>des</strong> Produkts unddas Wohl der Mitarbeiter, sondern der ShareholderValue.Zu allen Zeiten haben Korruption, Geldgier undGewalt das Leben der Menschen beherrscht.Der Unterschied heute liegt darin, dass diesenErscheinungen der menschlichen Natur keinKorrektiv durch die Religionen oder durch eineIdeologie entgegentritt. Religionen und Ideologienhelfen, die negativen Elemente menschlichenHandelns zu deuten und Hoffnung aufVeränderung zu wecken. Jugendliche wachsenheute auf, ohne Religion und ohne Hoffnungauf Überwindung der Ungerechtigkeit inder Welt und ohne Hoffnung auf den Sieg derguten Kräfte über die bösen. Alle religiösenund weltlichen Utopien und Menschheitsträumehaben sich als unerfüllbar erwiesen.Der Aufbruch der Studenten der 68er-Jahrewar getragen von einem Glauben an eine gerechteWelt, inspiriert durch die marxistischeIdeologie. Es waren damals Wohlstandskinder,die auf die Straße gingen. Der französischeFilmemacher Jean-Luc Godard hat die Studentendieser Zeit die „Kinder von Karl Marxund Coca Cola“ genannt. Heute ist Karl Marxverschwunden und Coca Cola übrig geblieben.Das Denken und Verhalten der Jugendlichenorientiert sich am Konsum, eine Orientierungan humanistischen oder religiösen Ideen findetnicht mehr statt. Ein bekannter Pädagoge,Wolfgang Harder, hat die Einstellung der Jugendlichenin der kurzen Formel zusammengefasst:„ICH. ALLES. SOFORT.“ Sie sind ichbezogen,sie leben in einer Welt der unbegrenztenAngebote und sie wollen die Befriedigungvon Bedürfnissen nicht aufschieben.Darin liegt jedoch der Ursprung aller Kultur.Die Haltung „ICH. ALLES. SOFORT.“ entstehtimmer dann, wenn Menschen den Glauben andie Zukunft verloren haben. Die Zukunftserwartungenvon Jugendlichen auf eine humaneWelt sind gegen null gesunken. Man sollte sicheinmal vor Augen führen, mit welchen BedrohungenJugendliche heute fertig werden müssen:der Sinnlosigkeit <strong>des</strong> Daseins, der wachsendenÜberbevölkerung, der Ausbeutung derLebensgrundlagen der Menschen, der Vergreisungder westlichen Nationen, der Auflösungder menschlichen Werte und Bindungen, derstrukturellen Arbeitslosigkeit, dem Materialismusals sinngebender Idee u.s.w.(„Es reden und träumen die Menschen viel vonkünftigen, besseren Tagen“, so heißt es beiSchiller. Dürfen heute Jugendliche noch soträumen?)Für uns Pädagogen bedeutet die Dominanzkapitalistischen Geistes eine große Herausforderung.Der Kapitalismus <strong>des</strong> 18., 19. undauch noch teilweise 20. Jahrhunderts war inden Ländern der nördlichen Hemisphäre domestiziertdurch das Christentum. Der Essay<strong>des</strong> Soziologen Max Weber „Die protestantischeEthik und der Geist <strong>des</strong> Kapitalismus“,gibt darüber erstklassig Auskunft. Max Weberhat die These aufgestellt, dass die protestantischeEthik calvinistischer, reformierter undpuritanischer Provenienz durch die Forderungnach asketischer und rationaler Lebensführung,vor allem durch Arbeit als alterprobtesasketisches Mittel und Selbstzweck <strong>des</strong> Lebensüberhaupt („wer nicht arbeitet, soll nichtessen“, heißt es bei Paulus) den Geist <strong>des</strong>Kapitalismus geprägt habe. Wobei mit Arbeitbesonders die Berufsarbeit gemeint war. DieNützlichkeit und Gottgefälligkeit eines Berufsrichtet sich im puritanischen Verständnis nachdem wichtigsten Gesichtspunkt: „der privatwirtschaftlichenProfitlichkeit. Denn wenn Gotteinem der Seinigen eine Gewinnchance zeigt,2/8

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