ZusammenfassungDIE EUROPÄISCHE UNION UND IHRE MITGLIEDSTAATEN HABENIN DEN VERGANGENEN 14 JAHREN GROSSE ANSTRENGUNGENUNTERNOMMEN, DIE BEFESTIGUNG DER AUSSENGRENZEN DERUNION AUSZUBAUEN. DAZU ZÄHLT NICHT NUR DIE TECHNISCHEAUFRÜSTUNG UND SICHERUNG DER GRENZRÄUME DURCHFRONTEX UND EUROSUR, SONDERN ZUNEHMEND EINE VERLA-GERUNG DER SICHERUNGSMASSNAHMEN IN DIE ANRAINER-STAATEN, TRANSIT- UND HERKUNFTSLÄNDER. DIESE EINBE-ZIEHUNG VON DRITTSTAATEN IN EUROPÄISCHES MIGRATIONS-MANAGEMENT FÜHRTE DAZU, DASS DIE BEZIEHUNGEN ZU DIE-SEN STAATEN UM EIN WICHTIGES ELEMENT ERWEITERTWURDEN. IN MANCHEN FÄLLEN DOMINIERTE SOGAR ZUMINDESTTEMPORÄR DAS THEMA MIGRATIONSBEKÄMPFUNG DIE BEZIE-HUNGEN.6
ZUSAMMENFASSUNGDie Mitwirkung von Drittstaaten bei der Ausweitung europäischer Migrationssteuerunggibt es nicht umsonst. Sie wurde eingehandelt gegen Zugeständnissein einer Reihe anderer Felder, so zum Beispiel in der Entwicklungs -zusammenarbeit, durch Wegschauen bei Menschenrechtsverletzungen, bei derinternationalen Anerkennung autoritärer Herrschaft, und über die weitgehendeFinanzierung von Sicherheitsmaßnahmen durch die Europäische Unionoder einzelne Staaten. Schließlich haben Maßnahmen zur Externalisierungeuropäischer Migrationssteuerung in Anrainer- und Transitstaaten gesellschaftlicheVeränderungen bewirkt, die sich negativ auf die Situation von Migrant_innenund Flüchtlingen, aber auch auf die Gesellschaften dieser Länderselbst auswirken. Die folgenden Ergebnisse unserer Studien verweisen auf solcheEffekte des Europäischen Grenz- und Migrationsregimes in Drittstaaten.VISAREGIMEMit Schengen begann eine breit angelegte Systematisierung der Kontrolleder europäischen Außengrenzen. Die zunehmende Homogenisierung vonKontrollpraktiken, Visavergabe und Einreisebestimmungen, verbunden miteiner Tendenz zur Erhöhung der Auflagen und der Überwachung, führtinsgesamt zu einer Immobilisierung der nicht ganz so Vermögenden, dernicht ganz so hoch Qualifizierten, derjenigen, die nicht in die statistischerstellten Wunschprofile Europas passen und nicht „dazugehören“ sollen. Die„Schwarze Liste“ der Union für visumpflichtige Staaten umfasst vor allemAfrika und Asien. Diese Blockierung von Migration und Flucht findet inzwischennicht mehr nur in Europa und an seinen Grenzen statt, sondern wird weitnach Afrika und Osteuropa hinein getragen. Europa versucht, seine SchwarzeListe auch den Transitstaaten zu oktroyieren. Lediglich die Türkei fühlt sichstark genug, europäischen Interessen eine eigene Visapolitik entgegenzusetzen.Das europäische Grenz- und Visaregime unterbindet mit den hohen Hürdenfür die Einreise eine transnationale Mobilität, und hemmt damit die soziale,politische und auch wirtschaftliche Dynamik und Innovationskraft in denHerkunfts- und Transitstaaten, aber auch in der EU. Flüchtlinge und Schutzsuchendehaben selbst unter hohen Risiken kaum mehr die Chance, europäischesTerritorium zu erreichen. Vielfach bleiben gerade die Schwächsten unter denSchutzsuchenden wortwörtlich auf der Strecke, weil sie nicht die Kraft unddas Kapital haben, die europäischen Grenzen zu erreichen.VASALLENSTAATENIn den Papieren und Vereinbarungen, die Ergebnisse einer ganzen Kettevon Konferenzen zwischen der Europäischen Union und ihren Nachbarstaatenfesthalten, ist vom „Diskurs auf Augenhöhe“ und „geteilter Verantwortung“die Rede. Tatsächlich lassen sich Zugeständnisse in der gemeinsamen „Bekämpfung“von Migration nicht verordnen, sondern müssen ausgehandeltwerden. Floskeln wie „Diskurs auf Augenhöhe“ dienen faktisch nur dazu, bestehendeMachtgefälle zu verschleiern. Schwache Staaten wie Moldau, derenRegierungen vom Wunsch getrieben werden, möglichst engen Anschluss andie Europäische Union zu bekommen, oder Tunesien, das sich in großer wirtschaftlicherAbhängigkeit von Europa sieht, werden in diesen Verhandlungen1986 Schengen: DerWegfall der innerenGrenzkontrollen für Personenverkehrist der Beginnverstärkter europäischerKooperation anden Außengrenzen.1999 In Tampere beschließtder Rat der EuropäischenUnion einenFünf-Jahres-Plan zuAsyl, Grenzkontrollenund Integration.2002 Sevilla: Der Rat derEuropäischen Union beschließtdie Konditionalisierungvon Ent wicklungsgelderndurch Kooperationim Kampfgegen irreguläre Migration.2004 Im Haager Programmbeschließt derRat einen Raum der Freiheit,der Sicherheit unddes Rechts gestützt aufeine gemeinsame externeDimension der Migrations-und Asylpolitik.2004 Gründung der europäischenAgentur Frontex7