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VORLESUNGENRIEMANNSCHE GEOMETRIEKARSTEN GROSSE-BRAUCKMANNInhaltsverzeichnisLiteraturEinführungvviTeil 1. Mannigfaltigkeiten und differenzierbare Abbildungen 11. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 11.1. Etwas Topologie 11.2. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 21.3. Differenzierbare Abbildungen 42. Tangentialraum 52.1. Tangentialraum in einem Punkt 52.2. Lie-Ableitung 62.3. Tangentialbündel 72.4. Differential 93. Vektorfelder und Kommutator 103.1. Vektorfelder auf Mannigfaltigkeiten 103.2. Vektorfelder als Derivationen 113.3. Lie-Klammer zweier Vektorfelder 123.4. Übungsaufgaben 14Teil 2. Semi-Riemannsche Metriken und Zusammenhänge 171. Metriken 171.1. Semi-Riemannsche Metriken 171.2. Etwas Physik 181.3. Länge, Winkel, Volumen 191.4. Konforme Metriken 201.5. Isometrien 211.6. Existenz Riemannscher Metriken 23i


iiK. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Geometrie1.7. Gruppenoperationen 241.8. Operation von Lie-Gruppen 251.9. Übungsaufgaben 272. Parallelität und kovariante Ableitung für immersierte Flächen 322.1. Parallelverschiebung in S 2 322.2. Parallelverschiebung: Definition und Eigenschaften 332.3. Parallelität als Differentialgleichung 342.4. Kovariante Ableitung längs Kurven 362.5. Kovariante Ableitung von Vektorfeldern 372.6. Übungsaufgaben 393. Zusammenhänge 413.1. Zusammenhänge 413.2. Parallelverschiebung eines Zusammenhangs 433.3. Torsionsfreiheit und Verträglichkeit von Zusammenhängen 453.4. Indizes heben und senken ist Musik 463.5. Levi-Civita-Zusammenhang und Koszul-Formel 483.6. Übungsaufgaben 494. Geodätische und Exponentialabbildung 514.1. Geodätische 524.2. Exponentialabbildung 544.3. Erste Variation der Bogenlänge 574.4. Stückweise differenzierbare Kurven 604.5. Kürzeste 624.6. Gauß-Lemma 624.7. Übungsaufgaben 645. Riemannsche Mannigfaltigkeiten als metrische Räume 685.1. Normale Bälle 695.2. Radiale Geodätische sind Kürzeste 705.3. Metrik 715.4. Vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeiten 725.5. Übungsaufgaben 756. Hyperbolischer Raum 776.1. Modelle des hyperbolischen Raums 776.2. Isometrien im Hyperboloid-Modell 786.3. Geodätische 816.4. Parallelenaxiom 84


Inhalt, Literatur – Stand: 14. Mai 2013iii6.5. Kompakte hyperbolische Flächen 846.6. Trigonometrie (99/00) 866.7. Pflasterungen der hyperbolischen Ebene (99/00) 886.8. Übungsaufgaben 89Teil 3. Krümmung 921. Krümmungsbegriffe 921.1. Gauß-Krümmung von Flächen 921.2. Krümmungstensor 941.3. Schnittkrümmung 961.4. Mannigfaltigkeiten konstanter Krümmung 991.5. Geometrische Eigenschaften des Krümmungstensors 1011.6. Übungsaufgaben 1032. Tensoren 1052.1. Multilineare Algebra 1052.2. Tensorfelder 1072.3. Musikalische Isomorphismen und Tensoren 1102.4. Riemannsche Differentialoperatoren div und ∆ 1122.5. Ricci- und Skalarkrümmung 1132.6. Übungsaufgaben 1143. Zweite Variation und Anwendungen 1183.1. Zweite Variation der Bogenlänge 1183.2. Satz von Myers 1204. Exkurs in die Topologie 1234.1. Fundamentalgruppe (99/00) 1234.2. Überlagerungen 1254.3. Übungsaufgaben 1275. Synge-Lemma und Folgerungen (99/00) 1295.1. Synge-Lemma 1295.2. Geschlossene Geodätische in Homotopieklassen 1316. Jacobifelder 1336.1. Jacobi-Gleichung 1336.2. Krümmungsberechnung für S n und H n 1356.3. Jacobifelder in Räumen konstanter Krümmung oder Dimension 2 1376.4. Übungsaufgaben 1397. Konjugierte Punkte 141


ivK. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Geometrie7.1. Kritische Punkte von d exp 1417.2. Konjugierte Punkte und Kürzeste (überwiegend 99/00) 1427.3. Konjugierte Punkte unter Krümmungsschranken (99/00) 1457.4. Satz von Cartan-Hadamard 1477.5. Ausblick auf Sätze zu Topologie und Krümmung 1507.6. Übungsaufgaben 1518. Riemannsche Untermannigfaltigkeiten 1558.1. Zweite Fundamentalform 1568.2. Gauß-Gleichung 1588.3. Krümmungsgrößen für Hyperflächen 1598.4. Codazzi-Gleichung für Hyperflächen 1628.5. Hauptsatz der Flächentheorie 1638.6. Höhere Kodimension 1658.7. Übungsaufgaben 165Teil 4. Weitere Themen (99/00) 1681. Schnittort und Injektivitätsradius 1681.1. Schnittpunkte und -ort 1681.2. Stetigkeit des Schnittpunktsabstands 1701.3. Klingenbergs untere Injektivitätsradius-Abschätzung 1712. Lie-Gruppen 1732.1. Die Lie-Algebra linksinvarianter Vektorfelder 1742.2. Flüsse und 1-Parameter-Untergruppen 1762.3. Linksinvariante Metriken und ihr Levi-Civita-Zusammenhang 1782.4. Biinvariante Metriken und ihr Levi-Civita-Zusammenhang 1803. Der Satz von Gauß-Bonnet 1833.1. Lokale Version 1833.2. Erster Teil des Beweises 1853.3. Tensorkalkül für J und 1-Formen 1863.4. Zweiter Teil des Beweises 1883.5. Globale Version des Satzes von Gauß-Bonnet 189Index 191


Inhalt, Literatur – Stand: 14. Mai 2013vLiteraturBücher zur Riemannschen Geometrie:[dC] Do Carmo: Riemannian Geometry, Birkhäuser 1992 (didaktisch gut; Kapitel 1 istallerdings nicht gut durchgearbeitet und Karten gehen in umgekehrte Richtung)[GHL] Gallot, Hulin, Lafontaine: Riemannian Geometry, 3. Aufl., Springer 04 (guterÜberblick, viele Themen und Beispiele)[L] Lee: Riemannian Manifolds, Springer 1997 (Empfohlen: Entspricht ziemlich demVorlesungsstoff, ausgezeichnet präsentiert mit Konzentration auf die Hauptideen.)[ON] O’Neill: Semi-Riemannian Geometry, with applications to relativity (Das einzigeBuch unserer Liste, das den semi-Riemannschen Fall behandelt. Konkret undgut geschrieben. Auch für Physiker empfohlen wegen Stil und mathematischerBehandlung relativistischer Themen.)[P] Petersen: Riemannian Geometry, Springer 2006 (Enthält viele Ergebnisse undneuere Entwicklungen, dargestellt auf höherem Niveau) 2nd ed. Springer 06[Sh] Sharpe: Differential Geometry (Behandelt den Differentialformenkalkül.)[Sp] Spivak: Differential Geometry, 5 Bände, Publish or Perish 1979. (Alles was manwissen möchte und noch mehr!)Quellen zu Grundlagen:[Bär] Bär: Elementare Differentialgeometrie, de Gruyter 2010[H] Hatcher: Algebraic Topology, Cambridge 2002, pdf im Internet.[L2] Lee: Introduction to smooth manifolds, Springer 2003Literatur zu speziellen Themen:[A] Anderson, J.W.: Hyperbolic geometry, 2nd edition, Springer Undergraduate MathematicsSeries, Springer, 2005.[B] Benedetti, Petronio: Hyperbolic geometry, Springer 1992, 2003[Fl] Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie, Spektrum-Verlag (lesbares Physik-Buch)[HE] Hawking, Ellis: The Large Scale Structure of Space-Time, Cambridge UP (Klassikerder Relativitätstheorie: Physik von einem recht mathematischen Standpunkt)[MC] McCleary: Geometry from a differentiable viewpoint, Cambridge 1995, 2013 (insbesonderezum Parallelenaxiom und seiner Geschichte)[R] Riemann: Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen, 1854http://www.maths.tcd.ie/pub/HistMath/People/Riemann/Geom/[Th] Thurston: Three-Dimensional Geometry and Topology, Vol. 1, Princeton UP 1997(Das Buch des Fields-Medaillisten, eigenständig, gut, zukunftsweisend; und dochkonkret geometrisch. Z.B. für hyperbolische Geometrie)


viK. Grosse-Brauckmann: Riemannsche GeometrieEinführungIn Bonn und in Darmstadt habe ich mehrfach Vorlesungen zur Riemannschen Differentialgeometriegehalten. Dabei hatte ich stets auch ein begleitendes <strong>Skript</strong>, das ich jeweilsverändert und hoffentlich verbessert habe. Auch viele Hörer haben Korrekturen beigetragen.In der vorliegenden Fassung habe ich sämtliche behandelten Riemannschen Themen gesammelt.Weil die Bonner Vorlesung zweisemestrig und damit etwas umfangreicher war, sindes im wesentlichen Ergänzungen aus jener Vorlesung, die zu der einsemstrigen DarmstädterVariante hinzukommen. Durch Wechsel der Notation im Laufe der Vorlesungen passen dieälteren Teile leider nicht immer genau zu den neueren: Dies betrifft die Schreibweise vonLie-Ableitungen, ∂ X f gegenüber X(f), die Einsteinsche Summenkonvention, aber auch densemi-Riemannschen Fall, den ich erst in den späteren Vorlesungen mitbehandelt habe.Die Grundlagen über differenzierbare Mannigfaltigkeiten bilden mittlerweile eine eigeneVorlesung. Daher taucht zusätzliches Material hierzu an dieser Stelle nicht auf. Ebensobildet auch die klassische Differentialgeometrie von Flächen ihre eigene Vorlesung; einigeder dort zuweilen in der Fortsetzungsveranstaltung Differentialgeometrie 2 behandeltenThemen überlappen sich mit der vorliegenden Vorlesung, so etwa der hyperbolische Raum,die Parallelverschiebung, oder der Satz von Gauß-Bonnet.Die Sammlung von Übungsaufgaben, die diesem Manuskript beigefügt ist, hat viele Autoren.Dazu beigetragen haben Dorothee Schüth, Steffen Fröhlich, Julia Plehnert, DominikKremer, Tristan Alex.Darmstadt, März 2013


1. Vorlesung, Montag 15.10.12i 1.1 – Stand: 14. Mai 2013 1Teil 1. Mannigfaltigkeiten und differenzierbare AbbildungenIn diesem Abschnitt wiederholen wir die in den folgenden Kapiteln benötigten Eigenschaftenvon Mannigwiederholen. Wir geben nur ein paar wenige Beweise an. Diese Begriffewurden eingehender in der Vorlesung Mannigfaltigkeiten besprochen.1. Differenzierbare MannigfaltigkeitenGrob gesagt ist eine Mannigfaltigkeit ein Raum, dessen lokale Struktur dadurch bestimmtist, dass wir fordern, dass er wie R n aussieht. Die globale Struktur bleibt damit aber offen.Wir werden am Ende der Vorlesung Eigenschaften wie positive Krümmung einsetzen, umglobale topologische Eigenschaften, wie z.B. Kompaktheit zu zeigen.1.1. Etwas Topologie. Untermannigfaltigkeiten M kann man durch eine Menge von Karten{x α : U α → R n , U α ⊂ M ⊂ R n+k , α ∈ A},definieren, die Homöomorphismen auf ihr Bild sind. Hierbei ist A eine Indexmenge. Entsprechendeswollen wir nun für abstrakte Mannigfaltigkeiten fordern. Dazu müssen wiraber zuerst spezifizieren, welchen Typ die Menge M haben soll.M heisst topologischer Raum, wenn es ein System offener Mengen O gibt, so dass:• beliebige Vereinigungen und endliche Durchschnitte von Mengen in O wieder in O liegen,• so dass zu O die leere Menge und ganz M gehören.Stetige Abbildungen zwischen topologischen Räumen werden dann dadurch erklärt, dassdie Urbilder offener Mengen offen sind und Kompaktheit ist durch die Überdeckungseigenschaftdefiniert.Metrische Räume M sind ein Beispiel topologischer Räume. Eine Teilmenge U ⊂ M istgenau dann ein Element von O, wenn es zu jedem Punkt p ∈ U einen Abstandsball{q ∈ M : d(p, q) < ε(p)} gibt, der ganz in U liegt. Prüfen Sie die genannten Eigenschaftenbitte nach.Ein topologischer Raum M heisst(i) Hausdorffsch, wenn je zwei verschiedene Punkte auch disjunkte offene Umgebungenbesitzen.(ii) Er erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, wenn es eine abzählbare Umgebungsbasisgibt, d.h. es gibt abzählbar viele offene Mengen {V β } ⊂ O mit der Eigenschaft, dass fürjedes p ∈ M und jede Umgebung U von p eine Menge V β mit p ∈ V β ⊂ U existiert. Diese


2 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieEigenschaft wird uns eine Partition der 1 erlauben.(iii) Er heißt lokal euklidisch von Dimension n, wenn jeder Punkt von M eine Umgebungbesitzt, die homöomorph zu R n ist. Genauer heißt dies: Für jedes p ∈ M existieren offeneMengen U ⊂ M, Ω ⊂ R n mit p ∈ U, und ein Homöomorphismus x: U → Ω. Man nennt(x, U) oder kurz x eine Karte von M um p, manchmal auch lokale Koordinaten.Definition. Eine topologische Mannigfaltigkeit der Dimension n ist ein HausdorffscherRaum M, der das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt und lokal euklidisch von Dimensionn ist.Jede Karte respektiert also die durch die Topologien von M und R n gegebenen offenenMengen, und Kartenwechsel der Form y ◦ x −1 sind, wo definiert, Homöomorphismen zwischenTeilmengen von R n .Eine Überdeckung von M ist eine Familie offener Mengen {U α ⊂ M : α ∈ A} für die gilt⋃α∈A U α = M. Eine Menge A = {(x α , U α ) : α ∈ A} von Karten, deren DefinitionsgebieteM überdecken, nennt man einen Atlas.Bemerkung. Alle topologischen Mannigfaltigkeiten, die wir betrachten werden, sind metrischeRäume. Metrische Räume sind immer Hausdorffsch (Beweis: Übung).1.2. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Anders als beim Stetigkeitsbegriff könnenwir für den Differenzierbarkeitsbegriff auf topologischen Mannigfaltigkeiten nicht eine vorgegebenedifferenzierbare Struktur benutzen, sondern wir müssen sie erst erklären. Wirerklären Differenzierbarkeit dadurch, dass wir sie durch Karten vom Urbild aus auf Minduzieren. Dies wird aber nur dann unabhängig von der gewählten Karte, wenn alle Kartenwechseldifferenzierbar sind.Definition. (i) Zwei Karten (x, U) und (y, V ) heißen (differenzierbar) verträglich, wennder Kartenwechsely ◦ x −1 : x(U ∩ V ) → y(U ∩ V )ein Diffeomorphismus ist.(ii) Ein Atlas A = {(x α , U α ) : α ∈ A} heißt differenzierbarer Atlas, wenn für alle α, β ∈ Adie Kartenwechsel x −1β◦ x α differenzierbar verträglich sind.(iii) Ist A Atlas, so ist S ⊃ A ein maximaler differenzierbarer Atlas oder eine differenzierbareStruktur, wenn S alle zu allen Karten von A verträglichen Karten enthält.Beachten Sie, dass zwei Karten (x, U) und (y, V ) immer verträglich sind, falls U ∩ V = ∅.Anschaulich gesprochen legt eine differenzierbare Struktur fest, welche stetigen Kurven aufM differenzierbar sind, d.h. was man als gerade, und was man als Ecke betrachten möchte.


i 1.2 – Stand: 14. Mai 2013 3Satz 1. Eine differenzierbare Struktur S ist Atlas, und sie wird eindeutig durch A bestimmt.Beweis. Der Beweis wird über folgende Behauptung geführt: Ist sowohl die Karte (x, U)wie die Karte (y, V ) verträglich zu A, so sind x und y auch miteinander verträglich.Um dies zu zeigen, betrachten wir für ein beliebiges p ∈ M zwei Karten (x, U), (y, V ), sodass p ∈ U ∩ V . Da A Atlas ist, gibt es eine Karte (x α , U α ) um p. Es gilt lokal:x ◦ y −1 =(x ◦ x −1α )} {{ }diff.bar, da vertr. zu A◦ (x α ◦ y −1 )} {{ }y vertr. zu A} {{ }diff.bar laut Kettenregel□Beispiele. 1. Durch (id, R) und (x 3 , R) werden zwei verschiedene differenzierbare Strukturenauf R gegeben.2. Zwei verschiedene differenzierbare Strukturen auf der offenen Kreisscheibe: Erstens dieStandardstruktur (Karte = id), zweitens eine Struktur, die durch eine auf dem offenenQuadrat definierte Karte, die 1-homogon ist, definiert wird.Definition. Eine (differenzierbare) Mannigfaltigkeit ist eine topologische MannigfaltigkeitM zusammen mit einer differenzierbaren Struktur S. Wir sagen von nun an Karte zueiner Karte der differenzierbaren Struktur S.Dabei wollen wir unter differenzierbar stets C ∞ verstehen. Wenn man alternativ nur k-fache Differenzierbarkeit voraussetzt, so erhält man eine C k -Mannigfaltigkeit; setzt man,stärker, analytisch voraus, so erhält man eine analytische oder C ω -Mannigfaltigkeit.Beispiele. 1. Trivial: R n mit einer Karte A = {(id, R n )}. Die differenzierbare Struktur istS = {(f, U) : U offen, f : U ⊂ R n → R n Diffeomorphismus auf Bild}.2. Jede offene Teilmenge O in einer Mannigfaltigkeit M ist selbst Mannigfaltigkeit. Dabeiist O = {offene Teilmengen von O}, die sogenannte Relativtopologie. Die Struktur S wirddurch diejenigen Karten (x, U) der differenzierbaren Struktur von M gegeben, deren Bilderx(U) offene Teilmengen von O sind.3. Sphären S n := {p ∈ R n+1 : p 2 1 + . . . + p 2 n+1 = 1}. Mithilfe der sogenannten stereographischenProjektion kann man zwei Karten definieren.4. Projektive Räume RP n oder CP n .Bemerkungen. 1. Wie kann man überhaupt Mannigfaltigkeiten konstruieren? Wie in denBeispielen sind Untermannigfaltigkeiten des R n eine Möglichkeit, insbesondere Graphenvon Funktionen und Niveaumengen. Weiter kann man Produktmannigfaltigkeiten M × Nnehmen (Übung) und, wichtiger, Quotientenmannigfaltigkeiten (später, Übungen: Torus?).


4 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie2. Andere gebräuchliche Typen von Mannigfaltigkeiten erhält man, wenn man die geforderteDifferenzierbarkeit von Kartenwechseln durch andere (stärkere oder schwächere)Eigenschaften ersetzt:Disziplin Mannigfaltigkeitstyp KartenwechselTopologie topologische Mannigfaltigkeit HomöomorphismenDifferentialtopologie diff.bare Mannigfaltigkeit Diffeomorphismen2d komplexe Analysis Riemannsche Flächen winkeltreue, biholomorphe, Diffeo.menDifferentialgeometrie Riemannsche Mannigfaltigkeit längentreue Diffeo.men (Isometrien)1.3. Differenzierbare Abbildungen. Wir erklären die Differenzierbarkeit von Abbildungenzwischen Mannigfaltigkeiten, indem wir den Umweg der Komposition mit Kartennehmen.Definition. Seien M und N differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Dann heißt f : M → Ndifferenzierbar in p ∈ M, falls y ◦ f ◦ x −1 differenzierbar in p ist, wobei x: U → Ω 1 eineKarte von M um p ist und y : V → Ω 2 eine Karte von N um f(p).Da Kartenwechsel differenzierbar sind, ist unsere Definition unabhängig von den gewähltenKarten: Bezüglich anderer Karten ˜x um p und ỹ um f(p) kann man (auf geeigneten offenenMengen) schreiben:ỹ ◦ f ◦ ˜x −1 = (ỹ ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ f ◦ x −1 ) ◦ (x ◦ ˜x −1 )Da die äußeren beiden Abbildungen als Kartenwechsel differenzierbar sind, ist nach derKettenregel die Differenzierbarkeit von ỹ ◦ f ◦ ˜x −1 und (y ◦ f ◦ x −1 ) äquivalent.Analog zeigt man, dass Differenzierbarkeit unter der Komposition von Abbildungen erhaltenbleibt: In diesem Fall schreibt man z ◦ f ◦ g ◦ x −1 = (z ◦ f ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ g ◦ x −1 ) undbenutzt die Kettenregel.Beispiele. 1. Trivial: Die Identität auf M ist differenzierbar (denn Kartenwechsel von Msind differenzierbar)2. Wir wollen R n immer mit der differenzierbaren Struktur betrachten, die der Atlas (R n , id)erzeugt. Dann wird jede Karte x α : U α → R n einer Mannigfaltigkeit (M, A) zu einer differenzierbarenAbbildung, denn für alle x β ∈ A ist die Komposition id ◦ x α ◦ x −1βals einKartenwechsel differenzierbar.Definition. Ein Homöomorphismus f : M → N zwischen Mannigfaltigkeiten heißt Diffeomorphismus,wenn f und f −1 differenzierbar sind.Ist M diffeomorph zu N, so gilt dim M = dim N (warum?).


i 2.1 – Stand: 14. Mai 2013 5Beispiele. 1. R n und B n = {x ∈ R n : |x| < 1} sind mittels x ↦→ x arctanh |x| diffeomorph.|x|2. T 2 und Rotationstorus sind diffeomorph (vermittels?).3. Ist x α : U α → Ω α Karte, so ist auch x −1α differenzierbar, denn x β ◦ x −1α ◦ (id | Ωα ) −1 ist alsKartenwechsel differenzierbar. Also ist jede Karte sogar Diffeomorphismus auf ihr Bild.2. Tangentialraum2.1. Tangentialraum in einem Punkt. Im Euklidischen stellt für jeden Punkt p ∈ Ω ⊂R n der Raum R n den Tangentialraum dar. Wenn wir einen Tangentialraum T p M einerabstrakten Mannigfaltigkeit erklären wollen, so haben wir das Problem, dass ein Tangentialvektorvon der gewählten Karte abhängt. Wir wollen daher die Tangentialvektorenverschiedener Karten identifizieren, indem wir eine Äquivalenzrelation erklären:Satz 2. Sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, (x, U), (y, V ) zwei Karten um p ∈ Mund ξ, η ∈ R n . Dann erklärt( ) ( )(1)(x, U), ξ ∼ (y, V ), η :⇔ η = d(y ◦ x −1 ) x(p) ξeine Äquivalenzrelation.Beweis. Die Reflexivität ist klar, Symmetrie folgt ausη = d(y ◦ x −1 )ξ ⇔ ξ = ( d(y ◦ x −1 ) ) −1η = d((y ◦ x −1 ) −1) η = d(x ◦ y −1 )η.Woraus folgt die Transitivität?□Definition. Der Tangentialraum von M in p ist der Raum der ÄquivalenzklassenT p M = { (x, U) ∈ S : p ∈ U } × R n/ ∼ .Ein Tangentialvektor v ∈ T p M wird durch ( (x, U), ξ ) repräsentiert. Wir nennen ξ denHauptteil des Tangentialvektors v bezüglich der Karte x.In Matrixschreibweise lautet (1)n∑η j ∂(y ◦ x −1 ) j=(x(p)) ξ i , j = 1, . . . , n.∂u ii=1Physiker sagen daher: Tangentialvektoren transformieren sich mit der Jacobimatrix desKartenwechsels. Tatsächlich haben wir hier das Transformationsverhalten einfach zur Definitiongemacht. (Wie immer in der Mathematik interessiert uns nicht, was ein Objekt ist,sondern was man damit macht!)Die Vektorraumstruktur der Hauptteile macht T p M zu einem Vektorraum:


6 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz 3. Auf T p M gibt es eine Vektorraumstruktur, so dass ξ ↦→ [(x, U), ξ] für jede Karte xIsomorphismus von n-dimensionalen Vektorräumen ist.Beweis. Erklären wir die Vektorraumstruktur auf T p M bzgl. einer Karte (x, U) um p, somüssen wir zeigen, dass jede andere Karte (y, V ) um p dieselbe Struktur ergibt. Dies liegtdaran, dass d(y ◦ x −1 ) x(p) linear ist.Explizit: Gilt((x, U), ξi)∼((y, V ), ηi)für i = 1, 2, also η i = d(y ◦ x −1 )ξ i ,so folgtλη 1 + η 2 = d ( y ◦ x −1) (λξ 1 + ξ 2 ) also ( (x, U), λξ 1 + ξ 2)∼((y, V ), λη1 + η 2).Ferner ist d(y ◦ x −1 ) x(p) bijektiv und daher ξ ↦→ [(x, U), ξ] Isomorphismus.□Betrachten wir die Basis ( b 1 = (1, 0, . . . , 0) . . . , b n = (0, . . . , 0, 1) ) von R n . Wir bezeichnendie dadurch gegebenen Äquivalenzklassen e i = e i (p) := [((x, U), b i )] i=1,...,n als Standardbasisvon T p M bzgl. der Karte (x, U). Bezüglich einer anderen Karte (y, V ) ergibt sich im allgemeineneine andere Standardbasis f i := [((y, V ), b i )] von T p M, denn ( d(y ◦x −1 )e 1 , . . . , d(y ◦x −1 )b n)ist in der Regel von (e1 , . . . , e n ) verschieden. Man sagt, auf dem TangentialraumT p M gibt es keine kanonische Basis, d.h. jede Basiswahl ist willkürlich oder kartenabhängig!Für R n verwenden wir stets nur die eine Karte id, identifizieren Hauptteile ξ mit Tangentialvektorenv.Bemerkung. Es gibt andere Wege, den Tangentialraum einzuführen:1. Wir erinnern zuerst an den Tangentialraum T p M an eine Untermannigfaltigkeit M n ⊂ R n+k :Dies ist derjenige n-dimensionale Untervektorraum von R n+k , der aus sämtlichen Tangentialvektorenc ′ (0) von Kurven c in M durch den Punkt c(0) = p besteht. Ähnlich kann man auch aufabstrakten Mannigfaltigkeiten T p M als den Raum dieser Kurven-Tangentialvektoren einführen.Wegen der Beschreibung desselben Tangentialvektors durch verschiedene Kurven muss man indiesem Fall eine Äquivalenzrelation zwischen Kurven durch denselben Punkt einführen.2. Man kann den Tangentialraum auch ohne Zuhilfenahme von Karten und Hauptteilen definieren,über Funktionskeime. Ein Tangentialvektor ist dann ein linearer Differentialoperator auf diesenKeimen, der die Produktregel respektiert.2.2. Lie-Ableitung. Wir ordnen jedem Tangentialvektor einer Mannigfaltigkeit eine Ableitungzu. Im Euklidischen entspricht dies der Richtungsableitung ∂ ξ f(p) = df p (ξ) einerskalarwertigen Funktion f : R n → R. Wir ersetzen jetzt R n durch eine Mannigfaltigkeit.Die Menge der glatten Funktionen auf M sei D(M) := C ∞ (M, R).


i 2.3 – Stand: 14. Mai 2013 7Definition. Die Lie-Ableitung von f ∈ D(M) im Punkt p ∈ M n in Richtung v ∈ T p M istn∑(2) ∂ v f(p) := ∂ ξ (f ◦ x −1 )(ρ) = d(f ◦ x −1 ) ρ (ξ) = ξ i ∂(f ◦ x−1 )(ρ) ∈ R,∂u iwobei (x, U) Karte um p mit x(p) = ρ und v = [ (x, U), ξ].Andere gebräuchliche Bezeichnungen für die Lie-Ableitung sind v(f) und L v f.Um zu zeigen, dass ∂ v f unabhängig von der Karte x definiert ist, beachten wir eine weitereKarte (y, V ) mit σ = y(p) und v = [ ((y, V ), η) ] :d(f ◦ x −1 ) ρ (ξ) = d(f ◦ y −1 ◦ y ◦ x −1 ) ρ (ξ)Kettenregel= d(f ◦ y −1 ) (y◦x −1 )(ρ)(d(y ◦ x −1 ) ρ (ξ) ) = d(f ◦ y −1 ) σ (η)Die Lie-Ableitung ist eine Operation mit den derivativen Eigenschaften ∂ ξ (cf +g) = c ∂ ξ f +∂ ξ g (Linearität) und ∂ ξ (fg) = f ∂ ξ g + (∂ ξ f)g (Produktregel).Im Spezialfall, dass der Vektor ein Element der Standardbasis e i bzgl. der Karte x ist,schreiben wir auch als Lie-Ableitung∂∂∣ ∣∣p(3):= ∂ ei und f := ∂ i (f ◦ x −1 ) ∣ ,∂x i ∂x i x(p)bzw. entsprechend ∂f∂x i(p); dabei haben wir mit ∂ i = ∂∂u idie Ableitung nach der i-tenVariablen in R n bezeichnet. Mit dieser Notation kann man die Lie-Ableitung auf Mannigfaltigkeitenwörtlich wie die euklidische Richtungsableitung notieren:∂ v f(p) =n∑ (ξ i ∂)f∣ =∂x i pi=1i=1n∑i=1ξ i ∂f∂x i(p).2.3. Tangentialbündel. Ist Ω ⊂ R n , so ist der Tangentialraum in jedem Punkt p ∈ Ωderselbe Raum R n . In einer Untermannigfaltigkeit M ⊂ R n+k hat man zu verschiedenenFußpunkten p ∈ M aber verschiedene Untervektorräume T p M. Z.B. gilt für S n dass T p S n :={v ∈ R n+1 : 〈v, p〉 = 0}.Es ist daher sinnvoll, Tangentialvektoren in der Form (p, v) = (Fußpunkt, Vektor) anzugeben.Wir werden weiterhin festlegen müssen, wann ein Vektorfeld differenzierbar ist. Auchhierfür müssen wir die Vektorräume T p M zusammen mit ihren Fußpunkten p behandeln.Es sei (x α , U α ) Karte um p ∈ M und v = [(x α , U α ), ξ α ] ∈ T p M ein Tangentialvektor. Aufder disjunkten Vereinigung der Tangentialräume definieren wir die Abbildung⋃(4) y α : {p} × T p M → x α (U α ) × R n ⊂ R 2n , y α (p, v) := ( )x α (p), ξ α ,p∈U αund erklären sie zu einer Karte von T M:


8 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz 4. Sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit mit Atlas A M = { (x α , U α ) : α ∈ A } .Auf der Menge T M := ⋃ p∈M {p} × T pM bestimmt dannA T M := { (y α , ⋃p∈U α{p} × T p M) : α ∈ A } mit y α wie in (4)einen Atlas, der T M die Struktur einer 2n-dimensionalen Mannigfaltigkeit gibt, unabhängigvom gewählten Atlas A M .Wir nennen die so erklärte Mannigfaltigkeit T M das Tangentialbündel und schreiben Elementein der Form [p, (x α , U α ), ξ α ].Beispiel. Eine Kurve c: I → M erklärt eine Kurve { ( c(t), c ′ (t) ) : t ∈ I} ⊂ T M.Beweis. Sicherlich überdeckt A T M die Menge T M. Wir können hier nur skizzieren, warumT M eine topologische Mannigfaltigkeit ist. Dazu wählen wir auf T M|U α := ⋃ p∈U α{p} ×T p M eine Topologie, so dass y α Homöomorphismus wird, d.h. wir induzieren die Produkttopologievon U α × R n auf T M|U α . Dies ergibt eine Basis der Topologie für T M.Wir zeigen nun, dass je zwei Karten (y α , T M|U α ) und (y β , T M|U β ) verträglich sind. Seidazu p ∈ U α ∩ U β und((p, v) = p, [ ] ) ((x α , U α ), ξ α = p, [ ] )(x β , U β ), ξ β , d.h. ξ β = d ( )x β ◦ x −1α ξα .Setzen wir noch ρ := x α (p) so erhalten wir((y β ◦ yα−1 )(ρ, ξ α ) = y β x−1α (ρ), v ) = ( ) ((x β ◦ x −1α )(ρ), ξ β = (x β ◦ x −1α )(ρ), d ( )x β ◦ x −1α (ξα )).Die erste Komponente ist aber ein differenzierbarer Kartenwechsel und die zweite ein Differentialeiner glatten Funktion, also selbst glatt. Daher ist A T M ein Atlas und die differenzierbareStruktur unabhängig von den Karten von M.□Beispiel. Das Tangentialbündel von S 1 kann man als Zylinder S 1 ×R deuten, d.h. es ist diffeomorphdazu.Ausblick. Das Tangentialbündel ist Spezialfall eines Vektorraumbündels. Nach Definition ist dasTangentialbündel lokal jeweils ein Produkt, und zwar homöomorph zu U α ×R n . Jeder Kartenwechseloperiert auf dem R n -Faktor als Vektorraumisomorphismus, der differenzierbar vom Fußpunktabhängt. Allerdings ist nicht jedes Tangentialbündel homöomorph zum Produkt M × R n , denn indiesem Fall würde M ein nichtverschwindendes tangentiales Vektorfeld besitzen. Dies zeigt, dassT S 2 kein Produkt ist, ebenso für Sphären gerader Dimension.


i 2.4 – Stand: 14. Mai 2013 92.4. Differential.Definition. Sei f : M → N eine differenzierbare Abbildung zwischen zwei Mannigfaltigkeiten.Das Differential df : T M → T N ist die Abbildung( ( ) ((5) p, v) = p, [(x, U), ξ] ↦→ df(p, v) = f(p), [ (y, V ), d(y ◦ f ◦ x −1 ) x(p) ξ ]) ,wobei (x, U) eine Karte von M um p und (y, V ) eine Karte von N um f(p) ist. Wir benutzenauch die Notation df(p, v) = (f(p), df p (v)), wobei wir schreiben df p : T p M → T f(p) N.Andere Bezeichnungen für df sind f ∗ , f ′ oder T f. Dass (5) unabhängig von den verwendetenKarten ist, folgt aus der Kettenregel (Übung).Beispiel. Betrachten wir eine Kurve c: I → M mit 0 ∈ I. Weil das Interval I in R liegt,und wir T p R mit R identifizieren, können wir den Tangentialvektor (0, v) := (0, 1) ∈ T Ibetrachten. Das Differential bildet ihn ab auf dc(0, 1) = ( c(0), dc 0 (1) ) = ( c(0), c ′ (0) ) .Das Differential in einem Punkt ordnet folgendermaßen Hauptteile einander zu:(6) ξ ↦→ η = d(y ◦ f ◦ x −1 ) x(p) ξ = ∑ ξ i ∂ i (y ◦ f ◦ x −1 )(x(p)) =: ∑ ξ i ∂f∂x i(p)Dabei haben wir mit dem letzten Ausdruck erneut eine Kurzschreibweise eingeführt, diedie Formel auf Mannigfaltigkeiten mit ihrer euklidischen Version übereinstimmen läßt.Satz 5. (i) Das Differential df p : T p M → T f(p) N ist eine lineare Abbildung.(ii) Es gilt die Kettenregel d(f ◦ g) p = df g(p) ◦ dg p .Proof. Die Linearität ist klar, z.B. aus (6). Wegen der euklidischen Kettenregel gilt, an denrichtigen Stellen,d(z ◦ f ◦ g ◦ x −1 ) = d(z ◦ f ◦ y −1 ◦ y ◦ g ◦ x −1 ) = d(z ◦ f ◦ y −1 ) ◦ d(y ◦ g ◦ x −1 ),so dass d(f ◦ g) p tatsächlich durch df g(p) ◦ dg p dargestellt wird.□Beispiel. Für die bereits betrachtete Kurve c: I → M und f ∈ D(M) gilt laut Kettenregelddt (f ◦ c)∣ ∣t=0:= d(f ◦ c)(0, 1) = df ( c(0), c ′ (0) ) = ( f(c(0)), df c(0) c ′ (0) ) = ( f(p), df p v ) .Wir haben so eine Formel erhalten, die die aus dem Euklidischen bekannte Formel derRichtungsableitung d dt (f ◦ c) = dfv für c′ (0) = v verallgemeinert.Wir werden folgende Terminologie benötigen. Eine differenzierbare Abbildung f : M → Nzwischen Mannigfaltigkeiten heißt Immersion, wenn das Differential df p : T p M → T f(p) Nfür alle p ∈ M injektiv ist.


i 3.2 – Stand: 14. Mai 2013 112. Für die Mannigfaltigkeit M = S n können wir Tangentialvektoren mit Tangentialvektorendes R n+1 identifizieren: Ein Vektorfeld ist eine Abbildung in das orthogonale Komplementjeden Punktes,V(S n ) = {X : S n → R n+1 : 〈X(p), p〉 = 0 ∀p ∈ S n }.Ist die Dimension der Sphäre ungerade, d.h. n + 1 = 2k, so definieren wir durch 90-GradDrehung von Koordinatenpaaren (bzw. Multiplikation mit i in C k = R 2k ) das VektorfeldV : S n → R n+1 , p = (x 1 , y 1 , . . . , x k , y k ) ↦→ V (p) = (−y 1 , x 1 , . . . , −y k , x k ).Es hat in R n+1 die konstante Länge 1, insbesondere verschwindet es nirgendwo. Andererseitshat jedes Vektorfeld auf einer geraddimensionalen Sphäre eine Nullstelle (Satz vomgekämmten Igel).2. Vorlesung, Mittwoch 17.10.123.2. Vektorfelder als Derivationen. Die punktweise definierte Lie-Ableitung ergibt eineLie-Ableitung für Vektorfelder:n∑∂ X : D(M) → D(M), (∂ X f)(p) := (∂ X(p) f)(p) = ξ i (p) ∂f (p),∂x iwobei die Summendarstellung lokal, also bezüglich einer Karte x um p ist. Dass dieseDefinition unabhängig von der Karte ist, hatten wir bereits bestätigt. Wir rechnen diesdennoch noch einmal nach:n∑ξ i (p) ∂ i (f ◦ x −1 ) ∣ n∑x(p)= ξ i (p) ∂ i (f ◦ y −1 ◦ y ◦ x −1 ) ∣ x(p)i=1Kettenr.= ∑ i,ji=1ξ i (p) ∂ j (f ◦ y −1 ) ∣ ∣y(p)∂ i (y ◦ x −1 ) j∣ ∣x(p)=In Kurzschreibweise lautet dieselbe Rechnung:n∑ξ i ∂f Kettenr.= ∑ ( ∂fξ i ∂y)j= ∑ ∂x i ∂yi,j j ∂x iji=1( ∑ii=1n∑η j (p) ∂ j (f ◦ y −1 )| y(p)j=1ξ i ∂y j∂x i) ∂f∂y j=n∑j=1η j ∂f∂y j.∂ X f ist ein Differentialoperator erster Ordnung mit folgenden Eigenschaften:1. ∂ X : D(M) → D(M) ist eine R-lineare Abbildung, die die Produktregel erfüllt.2. ∂ X f(p) hängt nur von X in p ab, wenn auch von f in einer Umgebung von p.3. Ist X : R n → R n ein Vektorfeld, so gilt für die Richtungsableitung: dfX = ∂ X f. Entsprechendesbehaupten wir für die Lie-Ableitung von skalaren Funktionen auf Mannigfaltigkeiten:(7) dfX = ∂ X f für X ∈ V(M), f ∈ D(M).


12 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieTatsächlich gilt nach Definition des Differentials dfX = ( f(p), [ (id, R), d(f ◦ x −1 ) x(p) ξ ]) ∈T R. Aber für die Bildmannigfaltigkeit R brauchen wir keine Karte und wir identifizierenohnehin T R mit R. Daher ergibt sich dfX = d(f ◦ x −1 ) x(p) ξ. Doch das stimmt wörtlich mitder Definition (2) überein.4. Oft werden wir benutzen: Für zwei Vektorfelder X, Y ∈ V(M) giltX = Y ⇐⇒ ∂ X f ≡ ∂ Y f gilt für alle f ∈ D(M).Es sei (x, U) eine Karte und f i ∈ D(U) definiert als i-te Koordinate des Kartenurbilds, f i (p) :=(π i ◦ x)(p) = x i (p). Dann gilt für pFür X = ∑ ξ j∂∂x jbereits X(p) = Y (p) ∀p ∈ U.∂f i Def. der Lie-Abl.(p) = ∂ j (f i ◦ x −1 )|∂x x(p) = ∂ j π i (x(p)) = δj.ijfolgt daraus ∂ X f i = ξ i . Gilt also ∂ X f i = ∂ Y f i für alle i = 1, . . . , n, so folgt3.3. Lie-Klammer zweier Vektorfelder. Weil mit f ∈ D(M) auch die Lie-Ableitung∂ X f ∈ D(M) ist, können wir Vektorfelder hintereinanderschalten. Dies ergibt eine zweiteRichtungsableitung (∂ X ∂ Y )(f) = ∂ X (∂ Y f) ∈ D(M). Um den Differentialoperator ∂ X ∂ Ybezüglich einer Karte x darzustellen, seien ∂ X = ∑ i ξi ∂∂x iund ∂ Y = ∑ j ηj ∂∂x j. Es folgt∂ X (∂ Y f) = ∂ X( ∑jη j ∂f∂x j)= ∑ iξ i ( ∑j∂η j ∂f+ η j∂x i ∂x j∂ 2 f).∂x i ∂x jDies zeigt, dass ∂ X ∂ Y ein Differentialoperator zweiter Ordnung ist, also keine Lie-Ableitungvon f bzw. kein Vektorfeld. Erstaunlicherweise kann man daraus aber doch ein Vektorfeldgewinnen:Satz 6. Seien X und Y Vektorfelder auf einer Mannigfaltigkeit M. Dann wird durch∂ Z f := (∂ X ∂ Y − ∂ Y ∂ X )f für alle f ∈ D(M) ein Vektorfeld Z eindeutig bestimmt.Beweis. Es gilt lokal, bezüglich einer Karte (x, U):( ∑∂ Y ∂ X f = ∂ Y ξ i ∂f )= ∑ ( ∑η j ∂ξ i ∂f+ ξ i ∂ 2 f)∂x i ∂xjj ∂x i ∂x j ∂x iiDa nach dem Schwarzschen Lemma zweite Ableitungen vertauschen, folgt(8) ∂ X ∂ Y f − ∂ Y ∂ X f = ∑ ) (ξ i ∂ηk − η i ∂ξk ∂f∀f ∈ D(M).∂x i ∂x i ∂x ki,kBetrachten wir nun auf U ⊂ M das Vektorfeld Z mit Hauptteil ζ k := ∑ ( )i ξi ∂η k∂x i− η i ∂ξk∂x i.Nun beschreibt (8) eine Wirkung auf alle f ∈ D(M), die wegen der Kettenregel unabhängigvon der gewählten Karte definiert ist, zunächst auf U ⊂ M. Da dies genauso für beliebigeKarten (y, V ) gilt, ist die Wirkung von (8) auf f ∈ D(M) unabhängig von gewählteni


i 3.3 – Stand: 14. Mai 2013 13Karten, d.h. durch (8) wird global ein Vektorfeld Z auf ganz M eindeutig definiert. (Umsich zu überzeugen, sollten Sie zur Übung einmal nachrechnen, dass tatsächlich die ζ k sichmit der Jacobimatrix des Kartenwechsels transformieren.)□Das Vektorfeld [X, Y ] := Z, für das die Lie-Ableitung ∂ [X,Y ] = ∂ Z durch (8) gegeben ist,heißt Kommutator oder Lie-Klammer von X und Y . Lokal, also bezüglich einer Karte(x, U), gilt [X, Y ] = ∑ ()i,kξ i ∂ηk∂x i− η i ∂ξk e∂x i k .Beispiele. 1. Es gilt [e i , e j ] = 0 für jede Karte x (nachrechnen!). Insbesondere gilt dasfür R n .2. Sei M = R 2 . Wir identifizieren Tangentialvektoren mit Hauptteilen, und setzenJ(u, v) := (−v, u) = ( ξ 1 (u, v), ξ 2 (u, v) ) , e 1 (u, v) := (1, 0) = ( η 1 (u, v), η 2 (u, v) ) .Dann sind die einzigen partiellen Ableitungen der Hauptteile ξ i , η i , die nicht verschwinden∂∂v ξ1 = −1 und ∂∂u ξ2 = 1. Es folgt [J, e 1 ] = ( − η 1 ∂ ξ2) e∂u 2 = −(0, 1).Der Kommutator hat folgende anschauliche Interpretation, die wir hier nicht beweisenkönnen. Wir betrachten eine Integralkurve einer Masche, d.h. wir starten in einem Punktp ∈ M und laufen zuerst in Richtung X, dann in Richtung Y , dann in Richtung −X, dannin Richtung −Y , und zwar jeweils für eine Zeit t > 0. Der Endpunkt sei q(t). Im allgemeinenist p ≠ q(t) und der Tangentialvektor an die Kurve q(t) erfüllt d q| dt t=0 = [X, Y ] p . Speziellfür Kartenfelder kommt man jedoch zum Ausgangspunkt zurück, also q(t) ≡ p und damitddtq = 0, konsistent mit [X, Y ] = 0.Der Kommutator hat folgende Eigenschaften:Satz 7. Für alle X, Y, Z ∈ V(M) gilt:(i) Antikommutativität [X, Y ] = −[Y, X](ii) Linearität [aX + bY, Z] = a[X, Z] + b[Y, Z] für a, b ∈ R,(iii) Jacobi-Identität [ [X, Y ], Z ] + [ [Y, Z], X ] + [ [Z, X], Y ] = 0,(iv) [fX, gY ] = fg[X, Y ] + f(∂ X g)Y − g(∂ Y f)X für alle f, g ∈ D(M)Beweis. Aus der Definition des Kommutators ergibt sich (i), aus (8), oder wegen Linearitätder Lie-Ableitung, folgt (ii).(iii) ∂ [[X,Y ],Z] = ∂ [X,Y ] ∂ Z − ∂ Z ∂ [X,Y ] = ∂ X ∂ Y ∂ Z − ∂ Y ∂ X ∂ Z − ∂ Z ∂ X ∂ Y + ∂ Z ∂ Y ∂ X . Jetztschreibe die beiden zyklischen Vertauschungen darunter und summiere die entstandenendrei Zeilen. Rechts in den Spalten 1 und 3 stehen gerade Permutationen, die sich paarweisezu 0 addieren; ebenso addieren sich die ungeraden Permutationen von Spalte 2 und 4 zu 0.


14 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie(iv) Wir verwenden die Produktregel beim zweiten Gleichheitszeichen:∂ [fX,gY ] = ∂ fX ∂ gY − ∂ gY ∂ fX = f ( (∂ X g)∂ Y + g ∂ X ∂ Y)− g((∂Y f)∂ X + f∂ Y ∂ X)= fg∂ [X,Y ] + f(∂ X g)∂ Y − g(∂ Y f)∂ X□Sind allgemein ein Vektorraum g und eine Verknüpfung [., .]: g × g → g gegeben, die dieEigenschaften (i) bis (iii) des Satzes erfüllt, so nennt man g eine Lie-Algebra. Der Raum derVektorfelder V(M) auf einer Mannigfaltigkeit M bildet also eine unendlich-dimensionaleLie-Algebra. Ein Beispiel einer endlich-dimensionalen Lie-Algebra ist der Vektorraum der(n × n)-Matrizen mit Kommutator [A, B] := AB − BA.Es gibt zwei wichtige Sätze, die eine Annahme über die Lie-Klammer als Voraussetzunghaben: Sind X 1 , . . . , X k Vektorfeldern mit 1 ≤ k ≤ n, und sind die Felder linear unabhängigin p, so gilt:1. Verschwinden alle Lie-Klammern paarweise, so kann man in einer Umgebung von p eineKarte finden, so dass die gegebenen Vektorfelder tangential an Parameterlinien sind.2. Sind alle Lie-Klammern in der linearen Hülle der Vektorfelder enthalten, so kann manin einer Umgebung von p eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit finden, an die diegegebenen Vektorfelder in jedem Punkt tangential sind (Satz von Frobenius).3.4. Übungsaufgaben.Aufgabe 1 – Quiz:Prüfen Sie die folgenden Behauptungen bzw. beantworten Sie:1. Karten sind immer Homöomorphismen auf ihr Bild.2. Jeder Atlas enthält alle zu ihm differenzierbar verträglichen Karten.3. Das Quadrat Q = {0 ≤ x, y ≤ 1} ⊂ R 2 ist eine Mannigfaltigkeit.4. Die Menge Γ = {y = ± √ x} ⊂ R 2 ist eine Mannigfaltigkeit.5. Sei f ∈ D(M) und ϕ: M → N. Wofür stehen die Kurzschreibweisen ∂∂x i,∂f∂x i∂ϕ∂x i?6. Auf jedem Torus T n gibt es ein nicht-verschwindendes Vektorfeld.7. Sind die Ausdrücke ∂ X f bzw. ∂ Y ∂ X f an der Stelle p definiert, wenn man das Vektorfeld Xnur in p kennt?Aufgabe 2 – Polarkoordinaten:Betrachten Sie die Mannigfaltigkeit M := R 2 \ {0}, sowie den Punkt p = (1, 0) ∈ M.Gegeben seien zwei Karten um p: Einerseits die Karte (x := id, M) und andererseits die Karte(y, (0, ∞) × R), so dass(y −1 : (0, ∞) × − π 2 , π )−→ M,2y −1 (r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ).


a) Wie lautet die Standardbasis {X 1 , X 2 } bezüglich x?i 3.4 – Stand: 14. Mai 2013 15b) Was ist die Standardbasis {Y 1 , Y 2 } bezüglich y in p? Drücken Sie diese in Termen von X 1 undX 2 aus.c) Berechnen Sie die Kartenwechsel x ◦ y −1 und y ◦ x −1 .d) Berechnen Sie das Differential d(x ◦ y −1 ) y(p) .Aufgabe 3 – Orientierbarkeit:Zwei Karten (x, U), (y, V ) einer Mannigfaltigkeit M heißen orientierbar verträglich, wenn giltp ∈ U ∩ V ⇒ det ( d(y ◦ x −1 ) ) x(p) > 0.Die Mannigfaltigkeit M heißt orientierbar, wenn es einen Atlas A gibt, so dass alle Kartenwechselorientierbar verträglich sind.a) Geben Sie zwei Beispiele eines Paares von Karten einer Mannigfaltigkeit an, die eine orientierbarverträglich, die andere nicht.b) Zeigen Sie, dass für jede differenzierbare Mannigfaltigkeit M das Tangentialbündel T M orientierbarist.Aufgabe 4 – Implizite Untermannigfaltigkeiten:Es seien M und N Mannigfaltigkeiten und f : M → N eine (glatte) Abbildung. Ein Punkt p ∈ Mheißt regulärer Punkt von f, falls df p surjektiv ist. Weiterhin heißt q ∈ N regulärer Wert, fallsalle p ∈ f −1 (q) reguläre Punkte sind.a) Zeigen Sie, dass f −1 (q) lokal Euklidisch ist, wenn q ein regulrer Wert von f ist. (Tipp: Satzfür implizite Funktionen.)b) Ist f −1 (q) eine Mannigfaltigkeit? Falls ja, welche Dimension hat sie?c) Ist die Einheitsmatrix E ein regulärer Wert der folgenden Abbildung?f : R n×n → Sym(n) = { A ∈ R n×n : A T = A } , A ↦→ A T A.Was sagt dies über die orthogonale Gruppe O(n) = { A ∈ R n×n : A T A = E } aus?Aufgabe 5 – Lie-Klammer in der Ebene:a) Geben Sie ein Beispiel von zwei nicht-konstanten Vektorfeldern X, Y der Ebene R 2 , derenKommutator verschwindet, und ein weiteres Paar von Vektorfeldern, für das der Kommutatornicht verschwindet.b) Der Kommutator zweier Vektorfelder X, Y sei von der Form [X, Y ] = aX + bY mit a, b: R 2 →R glatten Funktionen. Weiter gelte [X, Y ] p ≠ 0. Zeigen Sie durch Lösung einer Differentialgleichung,dass es in einer Umgebung U(p) von p Funktionen f, g : U(p) → R gibt, so dass[fX, gY ] = 0 in U(p).


16 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 6 – Kritische Punkte und Hesse-Form:Es sei M eine Mannigfaltigkeit, f : M → R eine Funktion, p ∈ M und (x, U) eine Karte von Mum p. Wir bezeichnen p als kritischen Punkt von f, falls d (f ◦ x −1 ) x(p) ≡ 0. Zeigen Sie, dassdiese Definition unabhängig von der Wahl der Karte (x, U) ist. Zeigen Sie weiterhin, dass für alleVektorfelder X und Y auf M∂ X ∂ Y f(p) = ∂ Y ∂ X f(p)gilt, falls p ein kritischer Punkt von f ist.


ii 1.1 – Stand: 14. Mai 2013 17Teil 2. Semi-Riemannsche Metriken und ZusammenhängeUnser Ziel ist es, Begriffe der Geometrie auf Mannigfaltigkeiten einzuführen. Dabei denkenwir beispielsweise an die Länge von Kurven oder an die Krümmung einer Mannigfaltigkeit.Es wird sich zeigen, dass bereits das Längenelement, genannt Riemannsche Metrik,sämtliche geometrischen Eigenschaften, einschließlich der Krümmung, bestimmt.Für Längen und Inhalte braucht man offensichtlich nur die erste Fundamentalform axiomatischeinzuführen. Es war Gauß’ Entdeckung von 1827, dass dies allein für Flächen bereitseinen Krümmungsbegriff bestimmt. Riemann formulierte 1854, wie der Krümmungsbegriffin höherer Dimension auszusehen hätte; seine intuitiven Vorstellungen vom Begriff derMannigfaltigkeit wurden aber erst 1913 durch Weyl präzise gefasst. Durch die Rückführungauf die Parallelverschiebung und durch die sogenannte kovariante Ableitung von Vektorfelderngab Levi-Civita 1916 eine elegante Grundlage für den Krümmungsbegriff. Koszulstellte 1950 diese Begriffe in einen neuen Rahmen, indem er Zusammenhänge einführte, diedann von Ehresman verallgemeinert wurden.1. Metriken1.1. Semi-Riemannsche Metriken. Will man Längen und Winkel in Mannigfaltigkeitenmessen, muss man die Längen in jedem Tangentialraum kennen. Wir beginnen daher miteiner Erinnerung an Lineare Algebra.Wir betrachten eine symmetrische Bilinearform b: V × V → R auf einem Vektorraum V .Die Form heisst ausgeartet, wenn es ein w ∈ V \ {0} gibt, so dass b(v, w) = 0 für allev ∈ V . Der Index k ∈ {1, . . . , n} von b ist die maximale Dimension eines Unterraums, aufdem b(v, v) ≤ 0 gilt. Die Form b heißt positiv definit, wenn k = 0 ist oder, äquivalent dazu,b(v, v) > 0 für alle v ≠ 0; entsprechend für negativ definit; eine definite Form ist niemalsausgeartet.Nun machen wir die Bilinearform punktabhängig:Definition. Eine semi-Riemannsche Metrik auf einer (differenzierbaren) MannigfaltigkeitM n ist eine Familie g von nicht-ausgearteten symmetrischen Bilinearformen vom Index0 ≤ k ≤ ng p : T p M × T p M → R, p ∈ M,die in folgendem Sinne differenzierbar von p abhängen: Für je zwei differenzierbare VektorfelderX, Y ∈ V(M) ist p ↦→ g p (X, Y ) differenzierbar. Die Metrik heißt Riemannsch, wenng p positiv definit für alle p ∈ M ist.Man nennt (M, g) oder kurz M = Mkn Riemannsche bzw. semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit.


18 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieDie Differenzierbarkeitsvoraussetzung ist äquivalent dazu, dass bezüglich jeder Karte (x, U)die Funktioneng ij : U → R, g ij (p) := g p(ei (p), e j (p) ) , 1 ≤ i, j ≤ n,differenzierbar sind. Dann erhält man für lokale Darstellungen X = ∑ i ξi e i und Y =∑j ηj e j den Ausdruck g(X, Y ) = ∑ ij g(ξi e i , η j e j ) = ∑ ij ξi η j g ij .Übung. 1. Warum kann der Index von g p auf einer zusammenhängenden Mannigfaltigkeit nichtvon p abhängen?2. Zeigen Sie, dass eine Matrix (g ij ) existiert, die invers zu (g ij ) ist, also ∑ j gij g jk = δ i k .Beispiele. 1. Der Modellfall sind Vektorräume. Der semi-euklidische Raum vom Index 0 ≤k ≤ n mit konstanter MetrikR n k :=(R n , 〈v, w〉 k := −k∑v i w i +i=1n∑i=k+1v i w i ).Speziell ist R n 0 der Euklidische Raum. und R n 1 der Minkowski-Raum. Im Falle k = 0 schreibenwir auch weiterhin 〈v, w〉 für 〈v, w〉 0 und R n für R n 0.2. Klassische Flächen: Ist f : M n → R m eine Immersion, so wird M Riemannsche Mannigfaltigkeitdurch Zurückziehen der Metrik g p (X, Y ) := 〈df p · X, df p · Y 〉. Ist speziell M eineoffene Teilmenge des R n , so wird hierdurch eine neue Metrik erklärt, die sogenannte ersteFundamentalform der Immersion. Ein Spezialfall sind Graphen in R n+1 , F (u) = ( u, f(u) )für f : Ω ⊂ R n → R. Erklären Sie die Riemannsche Metrik g ij auf Ω für diesen Fall!3. Allgemein kann man für jede Immersion f : M → (N, h), aus einer Riemannschen Metrikh von N eine Riemannsche Metrik für M gewinnen: Durch g p (X, Y ) := h f(p) (df p ·X, df p ·Y )wird die zurückgezogene [pullback] Metrik f ∗ h := g definiert.Eine traditionelle Notation für g, die wir in dieser Vorlesung nicht verwenden werden, istds 2 = ∑ ij g ij dx i dx j . Diese Notation kann man rigoros als Tensorprodukt von 1-Formenverstehen: ∑ ij g ∑ij dx i ⊗ dx j oder auch 1 2 ij g ij(dx i ⊗ dx j + dx j ⊗ dx i ), wobei (dx i ) diezu e i = ∂/∂x i duale Basis ist. Beispielsweise entsteht durch Auswerten ds 2 (e i , e j ) = g ij ,und dadurch wird wieder ds 2 (X) = (∑ ij g ij dx i ⊗ dx j) ( ∑ ξ k e k ) zu ‖X‖ 2 = ∑ ij g ij ξ i ξ j .Die Schreibweise wird besonders übersichtlich, wenn die Bezeichnung der Koordinaten eineBedeutung trägt: Z.B. lautet die Metrik von R 2 in Polarkoordinaten ds 2 = dr 2 + r 2 dϕ 2 .1.2. Etwas Physik. Die folgende Sprechweise hat ihren Grund in der Physik:Definition. Ein Tangentialvektor v an eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit M heißtraumartig [spacelike], wenn g p (v, v) > 0 oder v = 0; lichtartig oder null, wenn g p (v, v) = 0,aber v ≠ 0; er heißt zeitartig [timelike] wenn g p (v, v) < 0.


ii 1.3 – Stand: 14. Mai 2013 19Wir sehen uns das Beispiel der Lorentz-Räume R n 1 mit der Metrik 〈., .〉 1 an. Wir schreibenElemente von R n 1 schreiben wir als (t, u 1 , . . . , u n−1 ) = (t, u), wobei die erste Koordinate fürdie Zeit steht, die u-Koordinaten für den Ort; wir fassen R n 1 als Raumzeit auf. Der KegelK := {‖(t, u)‖ = 0} enthält alle Punkte mit t 2 = u 2 1 +. . .+u 2 n−1 und heißt Lichtkegel. Unterder in der Relativitätstheorie üblichen Einheitenwahl, bei der die Lichtgeschwinigkeit c = 1ist, besteht der Lichtkegel genau aus denjenigen Raumzeiten, die Licht vom Ursprung auserreicht, bzw. die Licht zum Ursprung senden können. Jeder Punkte außerhalb des Kegelsist vom Urspung aus mit Geschwindigkeit kleiner als c erreichbar (bzw. umgekehrt), undjeder Punkt innerhalb des Kegels ist unerreichbar.Der Raum der speziellen Relativitätstheorie ist R 4 1. Um die Koordinatenwahl in diesenRäumen zu verstehen, formulieren wir zuerst Postulate der speziellen Relativitätstheorie:1. Alle gleichförmig bewegten Systeme (Inertialsysteme) sind gleichberechtigt, keines istausgezeichnet (Relativitätsprinzip).2. Die Lichtgeschwindigkeit ist in jedem solchen System gleich, und kein Beobachter kannsich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen.Jede Bahn eines gleichförmig bewegten Beobachters, der sich zur Zeit 0 im Ursprung befindet,ist eine Ursprungsgerade. Nach 2. sind aber nur Ursprungsgeraden außerhalb desKegels K möglich. Wegen 1. sind alle diese Geraden sogar gleichberechtigt. Es gibt dahereine Koordinatentransformation, die diese Geraden aufeinander abbildet, wobei auch die t-Achse auf eine andere Gerade innerhalb des Kegels abgebildet wird. Dies ist die sogenannteLorentz-Transformation.Der Raum der allgemeinen Relativitätstheorie ist eine semi-Riemannsche MannigfaltigkeitM 4 1 . In jedem Punkt hat sie einen Tangentialraum T p M, der ein Lorentzraum ist. DieRichtungen aus T p M, die auf dem Lichtkegel liegen, sind physikalisch ausgezeichnet, alleraumartigen Tangentialvektoren sind aber über Koordinatentransformation gleichberechtigt,genause alle zeitartigen Vektoren. Es gibt also keine kanonischen Koordinaten.1.3. Länge, Winkel, Volumen. Bevor wir weitere Beispiele semi-Riemannscher Mannigfaltigkeitenangeben, wollen wir einen Hauptzweck von Metriken erwähnen.Für eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) setzen wir√(1) ‖v‖ p := |g p (v, v)| für v ∈ T p M.Durch Längen sind Winkel in T p M definiert: Im Euklidischen gilt 〈v, w〉 = |v||w| cos ∠(v, w).Entsprechend können wir auch einen Riemannschen Winkel ∠(v, w) erklären durch(2) g p (v, w) = ‖v‖ p ‖w‖ p cos ∠(v, w) für v, w ≠ 0.(Im semi-Riemannschen Fall müssen wir sogar ‖v‖ p , ‖w‖ p ≠ 0 voraussetzen.)


20 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAus dem infinitesimalen Längenbegriff g folgen entsprechende Begriffe auf M. Für einedifferenzierbare Kurve c: I → M, wobei I offenes Intervall ist, sei c ′ (t) := dc t ∈ T c(t) M derTangentialvektor. Die Bogenlänge oder einfach Länge von c ist dann∫ ∫ √ ∣∣gc(t) (L(c) := ‖c ′ ‖ dt = c′ (t), c ′ (t) )∣ ∣ dt ∈ [0, ∞].IIHat man zwei Punkte p, q einer Riemannschen Mannigfaltigkeit M, so ergibt das Infimumd(p, q) der Bogenlängen von Kurven zwischen p, q eine (Abstands-)Metrik auf M. Wirwerden sie noch genauer untersuchen.Über Riemannsche Mannigfaltigkeiten kann man auch integrieren. Weil dies völlig analog zuUntermannigfaltigkeiten des R m ist und wir es für diese Vorlesung nicht weiter benötigen,sei dies nur kurz bemerkt. Das Volumen des Kartenbildes (x, U) ist durch∫ √vol(U) = det ( g ij (x −1 (u)) ) du 1 . . . du nx(U)gegeben und tatsächlich unabhängig von der gewählten Karte (nach Transformationsformel,siehe Vorlesung Integration). Durch Summation über eine disjunkte Vereinigung von inKarten liegenden Teilmengen kann man über beliebige Teilmengen einer Mannigfaltigkeitintegrieren.3. Vorlesung, Montag 22.10.121.4. Konforme Metriken. Wir betrachten Metriken, für die Winkel übereinstimmen:Definition. Auf einer Mannigfaltigkeit M heißt eine semi-Riemannsche Metrik g konformzur Metrik h, wenn eine differenzierbare Funktion f : M → (0, ∞) existiert, so dass h p =f(p)g p für alle p ∈ M.Eine einfache aber dennoch interessante Klasse von Metriken ist auf Teilmengen Ω ⊂ R nerklärt und dort konform zur Riemannschen Standardmetrik 〈., .〉. Wir können Ω als eininhomogenes Medium mit Dichtefunktion f verstehen. Tatsächlich braucht eine Kurve mitkonstanter Ausbreitungsgeschwindigkeit ‖c ′ ‖ = √ f(c)〈c ′ , c ′ 〉 = const. länger, um durchGebiete hindurchzukommen, wo f groß ist. Kürzeste Kurven werden also solche Bereichezu vermeiden versuchen.Der hyperbolische Raum H n ist das prominenteste Beispiel einer Riemannschen Mannigfaltigkeit.Wir geben ihn in zwei verschiedenen Modellen an, die jeweils durch eine Kartegegeben sind.Beispiel. 1. Das Halbebenen-Modell des hyperbolischen Raumes ist(3) M n := R n−1 × (0, ∞) mit g x (v, w) := 1 x 2 n〈v, w〉.


ii 1.5 – Stand: 14. Mai 2013 21Wir haben also die Dichtefunktion f(x) = 1/x 2 n, die für x n → 0 explodiert. Betrachten wirfur n = 2 die Kurve c ε (t) := (0, t), definiert auf t ∈ [ε, 1]. Ihre Länge ist∫ 1√1 〈L(c ε ) = c′ (t), ct ′ (t) 〉 ∫ 11dt = dt = − log(ε) → ∞ für ε → 0.2 tεεWegen lim ε→0 L(c ε ) = ∞ wird die Kurve unendlich lang, wenn wir sie bis nach (0, 0) fortsetzen.Tatsächlich ist jeder Punkt x ∈ M vom sogenannten idealen Rand R×{0} unendlichweit entfernt. Weiterhin ist eine horizontale Kurve c(t) = (t, 1) nicht die kürzeste Verbindungihrer Endpunkte, weil die Metrik oberhalb “dünner” als unterhalb ist. Tatsächlichwerden wir sehen, dass senkrecht auf den Rand auftreffende Halbkreise kürzeste Kurvensind.2. Das Poincaré-ModellM n := B n := {x ∈ R n : ‖x‖ < 1}, g x (v, w) :=4(1 − |x|2 ) 2〈v, w〉.Auch hier explodiert die Dichtefunktion gegen den “idealen Rand” S n−1 .Das letzte Beispiel hat eine Verallgemeinerung. Sie geht zurück auf Riemanns Inauguralvorlesungvon 1854: Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen. Sei κ ∈ Rund(4) M κ := { x ∈ R n : −κ|x| 2 < 1 } 4mit g x (v, w) := ( ) 〈 〉1 + κ|x|22 v, w .Dann ist M κ eine Riemannsche Mannigfaltigkeit, die, wie noch zu definieren ist, konstanteKrümmung κ besitzt. Für κ = 0 ist dies R n mit der Metrik 4〈. , .〉, für κ = −1 das Poincaré-Modell, für κ = 1 entsteht die Metrik durch stereographische Projektion aus S n .1.5. Isometrien. Wie andere mathematische Strukturen auch (Gruppe, Menge, Vektorraum,Mannigfaltigkeit, topologischer Raum), so haben semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiteneinen natürlichen Äquivalenzbegriff:Definition. Seien (M, g), (N, h) semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Ein (lokaler) Diffeomorphismusϕ: M → N heißt (lokale) Isometrie, wenn giltg p (X, Y ) = h ϕ(p)(dϕp X, dϕ p Y ) für alle p ∈ M und X, Y ∈ T p M.Beispiele. 1. ( R n , c 2 〈X, Y 〉 k)für c > 0 und (R n , 〈., .〉 k ) sind isometrisch: Wähle ϕ := 1 c id.2. Die obigen Modelle von H n sind isometrisch (später).3. Alle Verformungen eines Blattes Papier sind isometrisch.4. Zylinder und Ebene sind lokal isometrisch, ebenso RP n und S n .5. Der Rotationstorus und der flache Torus T 2 = R 2 /Z 2 sind zwar diffeomorph, aber nichtisometrisch.


22 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie6. Die stereographische Projektion st: S n \ {(0, . . . , 0, 1} → R n ist eine Isometrie von(S n , 〈., .〉 R n+1) nach (4) mit κ = 1.7. Wozu sind Riemannsche 1-Mannigfaltigkeiten isometrisch?Es sei ϕ: M → N lokale Isometrie, und (x, U) Karte von M um p. Nötigenfalls nachVerkleinerung von U ist die Einschränkung ϕ| U ein Diffeomorphismus, und daher könnenwir auch eine Karte y = x ◦ ϕ −1 um ϕ(p) definieren. Ist e i die Standardbasis bzgl. x, so istf i := dϕ p e i ∈ T ϕ(p) N die Standardbasis bzgl. y, und es gilt:(5) h ij (ϕ(p)) = h ϕ(p) (f i , f j ) = h ϕ(p) (dϕ e i , dϕ e j ) ϕ Isometrie= g p (e i , e j ) = g ij (p)Die lokalen Darstellungen x von M und y = x ◦ ϕ −1 von N stimmen also überein.Semi-Riemannsche Geometrie ist das Studium derjenigen Eigenschaften semi-RiemannscherMannigfaltigkeiten, die unter Isometrien erhalten bleiben. Natürlich fragt man insbesonderenach Invarianten, d.h. nach Größen, die unter der Äquivalenzrelation der Isometrieerhalten bleiben. Wir werden sehen, dass die Krümmung eine Invariante ist. Im aus derklassischen Differentialgeometrie bekannten zweidimensionalen Fall gilt das bereits für dieGauß-Krümmung: Dies ist genau das theorema egregium. Daraus folgt beispielsweise dieBehauptung von Beispiel 5.Die Isometrien von (M, g) in sich selbst bilden eine Gruppe, die Isometriegruppe. In unsymmetrischenFällen besteht sie vielleicht nur aus der Identität, in symmetrischen kannsie auch kontinuierlich sein.Beispiele. 1. Die Isometriegruppe von ( R n , 〈., .〉 ) sind Bewegungen, also O(n) komponiertmit Translationen.2. Isometriegruppe von ( S n , 〈., .〉 ) ist O(n).3. Die orientierungstreuen Isometrien der hyperbolischen Ebene im oberen Halbebenen-Modell sind SL(2, R).4. Die Isometriegruppe eines Ellipsoids in R 3 mit paarweise verschiedenen Achsen ist diskret(und besteht woraus?).Bemerkung. Nash zeigte 1956: Für jede Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) gibt es eineEinbettung ϕ: M n → R k , die Isometrie ist, d.h. g = ϕ ∗ 〈., .〉. Die Klasse der Untermannigfaltigkeitenvon (R k , 〈., .〉) umfasst also bereits alle Riemannschen Mannigfaltigkeiten!Die nötige Dimension ist allerdings hoch, k = 1 n(3n + 1) falls M kompakt ist, und sogar2k = 1 n(3n + 1)(n + 1) im nicht-kompakten Fall.2Umgekehrt gibt es keine globale Einbettung der hyperbolischen Ebene nach R 3 (Satz vonHilbert), jedoch gibt es solche Einbettungen lokal. Siehe Spivak V, Kap. 11 für eine eingehendeDiskussion von Bedingungen, wann isometrische Einbettungen unmöglich sind.


ii 1.7 – Stand: 14. Mai 2013 231.6. Existenz Riemannscher Metriken. Wir erinnern an den Begriff der Überdeckungeiner Mannigfaltigkeit M durch offene Mengen.Definition. Eine (differenzierbare) Zerlegung der Eins [partition of unity] relativ zu einerÜberdeckung {U α : α ∈ A} ist eine Familie {f α } α∈A von Funktionen in D(M) mit(i) f α ≥ 0 und supp f α ⊂ U α ∀α,(ii) ∀p ∈ M gibt es eine Umgebung, die nur endlich viele supp f α trifft,(iii) ∑ α f α(p) = 1 ∀p ∈ M.Bedingung (ii) ist sicher erfüllt, wenn die Überdeckung {U α } lokal endlich ist.Wir benutzen die folgende Konsequenz aus dem 2. Abzählbarkeitsaxiom, die wir ohneBeweis angeben:Satz 1. Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit gibt es eine Zerlegung der Eins relativzu einem Atlas.Korollar 2. Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit M existiert eine RiemannscheMetrik g.Beweis. Es seien X, Y ∈ V(M) Vektorfelder mit lokalen Darstellungen X(p) = ∑ i ξi α(p)e α iund Y (p) = ∑ i ηi α(p)e α i bezüglich der Karte (x α , U α ) ∈ A mit Standardbasis e α i .Auf U α ⊂ M wählen wir die von der Standardmetrik induzierte Riemannsche Metrikn∑gp α (X, Y ) := ξα(p)η i α(p), i p ∈ U α ,i=1und setzen sie durch 0 auf ganz M fort. Es sei nun f α eine Zerlegung der Eins relativ zueinem Atlas (x α , U α ). Dann istg := ∑ f α g ααin jedem Punkt p eine endliche Summe, und g ist bilinear, symmetrisch, positiv definit,sowie differenzierbar abhängig vom Fußpunkt.□Bemerkung. Trägt eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit auch eine semi-Riemannsche Metrikvom Index k für jedes 1 ≤ k ≤ n − 1? Erstaunlicherweise ist die Antwort negativ.Hier ist ein Gegenbeispiel für Index k = 1 und n = 2: Die Eigenrichtung des negativenEigenwerts definiert ein Linienfeld auf M, d.h. einen eindimensionalen Unterraum jedesTangentialraums. Aber S 2 besitzt kein Linienfeld. Tatsächlich gilt das für jede kompakteorientierbare Fläche M mit Euler-Charakteristik χ(M) ≠ 0, und daher besitzt allein derTorus ein nicht-verschwindendes Linienfeld. Unter den kompakten orientierbaren Flächenbesitzt also nur der Torus eine semi-Riemannsche Metrik vom Index 1.4. Vorlesung, Mittwoch 24.10.12


24 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie1.7. Gruppenoperationen. Mannigfaltigkeiten werden selten über Karten angegeben.Viel häufiger ist die Konstruktion als Quotient einer Mannigfaltigkeit. Je nachdem, obman durch eine diskrete oder kontinuierliche Gruppenwirkung teilt, bleibt die Dimensionbei Quotientenbildung erhalten, oder sie verkleinert sich.Definition. Sei M Mannigfaltigkeit und G eine Gruppe mit neutralem Element e. Gibtes eine differenzierbare AbbildungmitG × M → M, (g, p) ↦→ g · p,g · (h · p) = (gh) · p, e · p = p für alle p ∈ M und g, h ∈ G,so sagt man: Die Gruppe G operiert oder wirkt [acts on] M von links.Die folgenden Begriffe sind nützlich:Definition. (i) G operiert transitiv, wenn für alle Paare p, q ∈ M ein g ∈ G existiert mitg · p = q.(ii) Die Bahn oder der Orbit von p ist die Menge G · p = {g · p : g ∈ G}.(iii) Die Isotropiegruppe (der Stabilisator) von p ∈ M istG p := {g ∈ G : g · p = p};gilt G p = {e} für alle p ∈ M, so heißt die Operation frei.Beispiele. 1. (Z n , +) operiert frei, aber nicht transitiv auf R n .2. Die Gruppe Z 2 wirkt durch Punktspiegelung Z 2 ∼ {± id} auf R n , wegen G 0 = Z 2operiert sie nicht frei. Auf S n−1 ist die Operation frei.3. Auf R n operiert die Drehgruppe G = SO(n) nicht frei, denn G 0 = SO(n). Die Orbitssind die Sphären G · p = {q ∈ R n : ‖q‖ = ‖p‖}. Auch auf S n−1 ist die Operation nur fürn = 2 frei, in jedem Fall aber transitiv.Definition. Durch die Äquivalenzrelation auf Mp ∼ q : ⇐⇒ ∃g ∈ G : q = g · pwird der Quotientenraum oder Bahnenraum [orbit space] M/G := M/ ∼ eingeführt. Wirschreibenπ : M → M/G,π(p) := [p].Durch die Quotienten-Topologie wird M/G zum topologischen Raum: Eine Menge V ⊂M/G sei offen genau dann, wenn π −1 (V ) ⊂ M offen ist.Der topologische Raum M/G ist nicht unbedingt Mannigfaltigkeit:


ii 1.8 – Stand: 14. Mai 2013 25Beispiel. Die Operation von Z 2 auf R liefert den Raum R/Z 2 = [0, ∞).Der Quotientenraum läßt sich in Verallgemeinerung des Mannigfaltigkeitsbegriffs als Orbifaltigkeitbeschreiben.1.8. Operation von Lie-Gruppen. Symmetriegruppen von Räumen stellen selbst eineMannigfaltigkeit dar.Definition. Eine Mannigfaltigkeit G heißt Lie-Gruppe, wenn sie eine Verknüpfung besitzt,unter der sie Gruppe ist, und die Abbildungenfür alle g, h ∈ G glatt sind.g, h ↦→ gh, g ↦→ g −1Beispiele. 1. (R n , +).2. Von den Sphären sind nur S 1 und S 3 Lie-Gruppen, und zwar unter Multiplikation komplexerZahlen bzw. Quaternionen.3. Durch Gleichungen oder Ungleichungen definierte Matrizengruppen wie GL(n), O(n).4. Isometriegruppen Riemannscher Mannigfaltigkeiten.Jede Lie-Gruppe G operiert insbesondere auf sich selbst. Die Operation ist stets frei undtransitiv (warum?). Auch jede Untergruppe H von G operiert frei auf M = G. Mankann z.B. die Operation von Z n auf R n als Operation einer diskreten Untergruppe vonR n verstehen.Definition. Die Operation einer Lie-Gruppe G auf einer Mannigfaltigkeit M ist eigentlich[proper], wenn für jede kompakte Menge K ⊂ M die Mengekompakt ist.G K := {g ∈ G : (g · K) ∩ K ≠ ∅}Lesen Sie bei [L2] nach, warum die Bezeichnung eigentlich konsistent mit der üblichenDefinition ist.Beispiel. 1. Ist G selbst kompakt, etwa G = SO(n), so ist die Operation stets eigentlich.2. R ∗ ∋ t wirkt auf R n ∋ x durch t · x := tx. Die Operation ist nicht eigentlich, denn dieMenge G {0} = R ∗ ist nicht-kompakt.Satz 3. Die Lie-Gruppe G k operiere frei und eigentlich auf einer Mannigfaltigkeit M n .Dann ist M/G eine (n−k)-dimensionale Mannigfaltigkeit, wobei die differenzierbare Struktureindeutig dadurch bestimmt ist, dass π : M → M/G Submersion ist, d.h. π ist differenzierbarmit konstantem Rang Rang(dπ p ) = n − k für alle p ∈ M.


26 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSpeziell ist der Fall k = 0 zugelassen: Die Lie-Gruppe ist dann diskret und abzählbar, undM/G hat dieselbe Dimension wie M.Beispiele. 1. RP n = S n /{± id}.2. T n = R n /Γ für Γ ein Gitter [lattice], d.h. es gilt Γ = { ∑ ni=1 ki v i : k i ∈ Z } mit (v 1 , . . . , v n )linear unabhängig.3. Trivial, aber für den nächsten Satz erhellend: Die Operation der Lie-Gruppe R k ∋ v aufR n = R k ×R n−k ∋ (x, y) durch Translation: v ·(x, y) := (v +x, y). Hier ist der Bahnenraumdie Mannigfaltigkeit R n /R k = R n−k ∋ y.Beweisidee. Sie finden den vollständigen Beweis in [L2, Thm.9.16]. Es ist für M/G zuzeigen:1. Existenz und Eindeutigkeit der differenzierbaren Struktur,2. Hausdorff,3. zweites Abzählbarkeits-Axiom,4. lokal euklidisch.Um einen Eindruck zu geben, skizzieren wir, wie Karten von M/G aussehen; bei der Konstruktiongehen die gemachten Voraussetzungen ein. Das Ziel ist, M/G lokal wie in Beispiel3 zu beschreiben, d.h. so auf M Koordinaten (x, y) einzuführen, dass y konstant aufden Bahnen ist. Dann wird durch y eine Karte von M/G gegeben.Wir betrachten dazu die Orbitabbildung ϕ p : G → M, ϕ p (g) := g · p. Aus der Freiheit derAktion folgt, dass ϕ p für jedes p injektiv ist, denng · p = h · p ⇒ (h −1 g) · p = pfrei⇒ h −1 g = e ⇒ g = h.Man kann weiter zeigen, dass aus der Transitivität von G folgt, dass ϕ p den Rang k hat.Folglich immersiert ϕ p die Gruppe G nach M.Im Spezialfall einer kompakten Lie-Gruppe G könnten wir benutzen: Jede injektive Immersioneiner kompakten Menge ist Einbettung (siehe Vorlesung Mannigfaltigkeiten), so dassdie Orbits k-dimensionale Untermannigfaltigkeiten sind. Dasselbe läßt sich auch im nichtkompaktenFall folgern, wenn man die Eigentlichkeit der Operation ausnutzt: Ist K ⊂ Mkompakt, so ist (ϕ p ) −1 (K) einerseits abgeschlossen in G wegen Stetigkeit. Andererseits istdiese Menge in einer kompakten Menge enthalten:(ϕ p ) −1 (K) = {g : g · p ∈ K}= { g : {g · p} ∩ K ≠ ∅ } ⊂ { g : g · ({p} ∪ K) ∩ ({p} ∪ K) ≠ ∅ } = G {p}∪KDamit ist (ϕ p ) −1 (K) sogar kompakt, und ϕ p eine eigentliche Abbildung. Aber auch eineeigentliche injektive Immersion ist Einbettung.


ii 1.9 – Stand: 14. Mai 2013 27Mit Hilfe des Umkehrsatzes kann man nun lokal M auf R k × R n ∋ (x, y) so abbilden, dassdie Bahnen konstante y-Koordinate haben, so dass verschiedene Bahnen auf verschiedeney-Koordinaten führen. Die y-Koordinate definiert dann die gewünschte Karte. □Sofern wir eine Metrik haben, die invariant unter einer Gruppenoperation ist, induziert sieeine Metrik auf dem Quotienten:Satz 4. Ist (M, g) semi-Riemannsch und operiert die Lie-Gruppe G frei und eigentlichdurch Isometrien, so gibt es auf M/G genau eine semi-Riemannsche Metrik h, bezüglichderer π lokale Isometrie ist.Beweis. Wir geben den Beweis nur für dim G = 0.In kleinen Umgebungen des Punktepaares p ∈ M und q = π(p) ∈ M/G ist der lokaleDiffeomorphismus π = π p umkehrbar; nach dem Umkehrsatz ist (dπ p ) −1 = d(π p ) −1 . Wirkönnen also setzen(6) h q (X, Y ) := g p((dπp ) −1 X, (dπ p ) −1 Y ) für X, Y ∈ T q (M/G).Dann wird die Projektion (π p ) −1 zur lokalen Isometrie; die Differenzierbarkeit von h istoffensichtlich.Um zu zeigen, dass diese Definition unabhängig von der Wahl des Repräsentanten p vonq ist, betrachten wir einen weiteren Punkt p ′ ∈ M mit π(p ′ ) = q. Es existiert dann eing ∈ G mit ϕ(g) := g · p = p ′ , das als Isometrie wirkt. Aus π p ′ ◦ ϕ(p) = π p (p) folgt(dπ p ′) −1 = dϕ p ◦ (dπ p ) −1 und daher stimmt (6) für p und p ′ überein:(g p (dπp ) −1 X, (dπ p ) −1 Y ) ϕ Isometrie (= g p ′ dϕ(dπp ) −1 X, dϕ(dπ p ) −1 Y )= g p ′((dπp ′) −1 X, (dπ p ′) −1 Y ) .□Zum Beispiel sind RP n = S n /{± id} und die flachen Tori T n = R n /Γ Riemannsche Mannigfaltigkeiten.Bemerkung. Der Tangentialraum einer Lie-Gruppe in einem beliebigen Punkt ist in natürlicherWeise eine Lie-Algebra: Zu jedem Vektor gibt es eine Gruppen-invariante Fortsetzungzu einem Vektorfeld (sogenannte linksinvariantes Vektorfeld), und die Lie-Algebra ist durchdie Lie-Klammer von Vektorfeldern definiert.1.9. Übungsaufgaben.


28 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 7 – Matrixdarstellung von Bilinearformen:Es sei b: V × V → R eine symmetrische Bilinearform.a) Geben Sie zu einer Basis {e 1 , . . . , e n } von V eine symmetrische n × n-Matrix A an mitb(v, w) = v T · A · w .b) Zeigen Sie: A ist genau dann invertierbar, wenn b nicht-degeneriert ist.c) Gibt es eine Basis, für die A diagonal ist? (Zitieren Sie einen Satz!) Charakterisieren Sie denIndex von b mit Hilfe der Diagonalelemente.Aufgabe 8 – Minkowski-Raum:Beschreiben Sie die Mengen ‖v‖ 2 = ±1 im Minkowski-Raum.Aufgabe 9 – Schreibweise von Metriken:a) Zeigen Sie, dass sich jede Riemannsche Metrik g auch schreiben lässt alsn∑g = g ij dx i dx j mit dx i dx j := 1 2 (dxi ⊗ dx j + dx j ⊗ dx i ).i,j=1b) Schreiben Sie die Metriken der folgenden Räume in obiger Form: R n , R n k , H2 (obere Halbebene),U ⊂ R n mit erster Fundamentalform induziert durch f : U → R n+1 .Aufgabe 10 – Metrik auf einem Graphen:Für f ∈ C ∞ (R n , R n ) betrachten wir den Graphen M = { (u, f(u)) ∈ R n+1} .a) Warum ist M Mannigfaltigkeit und ϕ: R n → R n+1 , u ↦→ (u, f(u)) eine Immersion?b) Für p ∈ R n und X, Y ∈ V(R n ) ist die erste Fundamentalform von ϕ durch〈X, Y 〉 = 〈dϕ p X(p), dϕ p Y (p)〉 .definiert. Zeigen Sie, dass sie eine Riemannsche Metrik auf R n ist.c) Berechnen Sie die Koeffizienten der ersten Fundamentalformg ij (p) := g p (e i (p), e j (p)) , 1 ≤ i, j ≤ 2.Aufgabe 11 – Polarkoordinaten:Es sei P : Ω ⊂ R 2 → R 2 , (r, ϕ) ↦→ (r cos ϕ, r sin ϕ) gegeben.a) Wählen Sie ein maximales Ω ⊂ R 2 , so dass P Immersion ist. Warum ist P lokaler Diffeomorphismus?b) Sei 〈·, ·〉 die Standardmetrik auf dem Bild. Bestimmen Sie die Riemannsche Metrik g auf Ω,so dass P lokale Isometrie wird.


ii 1.9 – Stand: 14. Mai 2013 29Aufgabe 12 – Längen von Kurven:Berechnen Sie die Längen L der Kurvena) c −1 : [0, T −1 ] → M−1 2 , c −1(t) = (0, t), mit T −1 < 1;b) c +1 : [0, T +1 ] → M+1 2 , c +1(t) = (0, t), mit T +1 > 0.Aufgabe 13 – Kürzeste in der hyperbolischen Ebene:Wir betrachten die hyperbolische Ebene H 2 im oberen Halbebenenmodell. Berechnen Sie für ε > 0(noch einmal) die Länge der Kurvec 0 : [ε, 1] → H 2 ,t ↦→ (0, t).Zeigen Sie anschließend, dass jede Kurve c mit den gleichen Endpunkten wenigstens genauso langist.Aufgabe 14 – Semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeiten:a) Geben Sie Beispiele von zweidimensionalen Untermannigfaltigkeiten von R 3 1 an, die bezüglichder von R 3 1 zurückgezogenen Metrik semi-Riemannsch vom Index 0 oder 1 sind.b) Zeigen Sie, dass der Index einer semi-Riemannschen Metrik g p auf einer beliebigen Mannigfaltigkeitunabhängig ist vom Fußpunkt p.c) Zeigen Sie, dass kompakte zweidimensionale Untermannigfaltigkeiten von R 3 1 bezüglich der vonR 3 1 zurückgezogenen Metrik niemals semi-Riemannsch sind. (Weshalb ist dies in R3 anders?)Aufgabe 15 – Produktmannigfaltigkeiten:Es seien M 1 , . . . , M n Mannigfaltigkeiten und M = M 1 ×. . .×M n ihr kartesisches Produkt. Zeigensie:a) Es existiert eine differenzierbare Struktur S auf M, bezüglich der alle kanonischen Projektionenπ i : M → M i glatte Abbildungen sind. Insbesondere ist (M, S) eine glatte Mannigfaltigkeit.b) Verfügt jeder Faktor M i über eine Riemannsche Metrik g i , so ist auch M Riemannsch bezüglichder Metrik∑g(X, Y ) = √ n g i (X, Y ) 2 .c) Verfügt jeder Faktor M i über die Struktur einer Lie-Gruppe, so gilt dies auch für M.i=1Aufgabe 16 – Metrik auf Matrizenräumen:Es seien A, B ∈ R n×n beliebige Matrizen.


30 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriea) Zeigen Sie, dassg(A, B) := Spur (A · B)eine symmetrische Bilinearform darstellt.b) Was ist das Vorzeichen von g(A, A), falls A symmetrisch bzw. schiefsymmetrisch ist?c) Berechnen Sie den Index von g. Schreiben Sie dazu eine gegebene Matrix A als Summe einersymmetrischen und einer schiefsymmetrischen Matrix.Aufgabe 17 – Quiz:a) Es sei (M, g) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit. Welche Anforderungen an f ∈ D(M) mussman stellen, damit auch h p = f(p) · g p eine Riemannsche Metrik h auf M definiert?b) Wozu sind kompakte, eindimensionale Mannigfaltigkeiten isometrisch? Welche Invariante klassifiziertsie? Lässt sich dies auch auf den nicht kompakten Fall übertragen?c) Es sei G eine Lie-Gruppe, die auf einer Mannigfaltigkeit M operiert. Warum sind die Abbildungenp ↦→ g · p für g ∈ G dann automatisch Diffeomorphismen?d) Wir betrachten die hyperbolische Ebene im oberen Halbebenenmodell. Ist die Abbildung p ↦→ap mit a > 0 eine Isometrie?Aufgabe 18 – Gruppenoperationen I:Zeigen Sie, dass folgende Abbildungen Gruppenoperationen definieren und entscheiden Sie, welcheGruppenoperationen diskret sind:a) Die Gruppe G = (Z/7Z, +) durch Rotation um Viefden Winkel 2kπ/7 auf R 2 .b) Die Gruppe G = (Z n , +) durch a · x := a + x auf R n .c) Die Gruppe G = (R, +) durch a · (x, y) := (a + x, y) auf R 2 .d) Die Gruppe G = (SL 2 (R), .) durch( )a bc d· z = az + bcz + dauf der oberen Halbebene {z = x + iy ∈ C: y > 0}.Aufgabe 19 – Gruppenoperationen II:Entscheiden Sie, ob die folgenden Gruppenoperationen frei bzw. eigentlich sind. Ist beides derFall, beschreiben Sie den Quotienten geometrisch.a) S 1 operiert auf S 2 durch Drehung um die Nord-Süd-Achseb) Z operiert auf S 1 durch Drehung um Vielfache von π/8c) Z operiert auf S 1 durch Drehung um Vielfache von 1/8d) Z/2Z operiert auf dem Zylinder { (x, y, z) : x 2 + y 2 = 1 } durch Spiegelung an einer vertikalenEbenee) Z/2Z operiert auf dem Zylinder durch 180 ◦ -Drehung um die z-Achse


ii 2.0 – Stand: 14. Mai 2013 31Aufgabe 20 – Punktsymmetrische Untermannigfaltigkeiten:Wir nennen eine Untermannigfaltigkeit M m ⊂ R m+k punktsymmetrisch, wenn 0 ∉ M, und p ∈ Mgenau dann, wenn −p ∈ M. Zeigen Sie:a) Die Operation von G := Z/2Z durch {id, − id} ist diskret auf jeder punktsymmetrischenUntermannigfaltigkeit.b) M/G ist Hausdorffsch.c) Betrachten Sie nun Rotationstorus, Zylinder und S n . Überlegen Sie, welche topologischenRäume die Quotienten darstellen.Aufgabe 21 – Kompakte Lie-Gruppen:Zeigen Sie, dass kompakte Lie-Gruppen stets eigentlich operieren.Aufgabe 22 – Gruppenoperationen III:Die folgenden Gruppenoperationen sind allesamt frei und eigentlich. Bestimmen Sie jeweils dieTopologie des Quotienten.a) R + operiert auf R n \ {0} durch Skalierungb) R \ {0} operiert auf R n \ {0} durch Skalierungc) Z/2Z operiert auf dem Zylinder durch Punktspiegelung im Ursprungd) Z/2Z operiert auf dem Rotationstorus in R 3 durch Punktspiegelung im UrsprungAufgabe 23 – Klassifikation flacher 2-Tori:Ein flacher 2-Torus ist eine Riemannsche Mannigfaltigkeit der Art R 2 /Γ, wobei Γ ein Gittervom Rang 2 bezeichnet, welches durch Addition auf R 2 operiert. Es gibt also linear unabhängigeVektoren v und w mit Γ = vZ + wZ. Zeigen Sie die folgenden Aussagen:a) Ist ϕ: R 2 → R 2 eine Drehung oder Spiegelung, so ist R 2 /Γ isometrisch zu R 2 /ϕ(Γ).b) Ist ϕ: R 2 → R 2 eine Streckung, so ist R 2 /Γ homothetisch zu R 2 /ϕ(Γ). Zwei RiemannscheMannigfaltigkeiten (M, g) und (N, h) heißen homothetisch, falls ein Diffeomorphismus f : M →N und eine Konstante λ > 0 existieren, so dass h f(p) = λg p für alle p ∈ M.c) Jeder flache 2-Torus ist homothetisch zu einem Torus der Art R 2 /Γ w , wobeiΓ w = e 1 Z + wZ mit w ∈ [ 0, 1 2]× (0, ∞) und ‖w‖ ≥ 1.Tatsächlich sind die Tori R 2 /Γ w aus dem letzten Aufgabenteil paarweise nicht homothetischzueinander. Inwiefern liefert dies eine Klassifikation der Isometrieklassen flacher 2-Tori?5. Vorlesung, Montag 29.10.12


32 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie2. Parallelität und kovariante Ableitung für immersierte FlächenAlle weiteren Riemannschen Begriffe, die wir einführen werden, beruhen auf einer Richtungsableitungvon Vektorfeldern, der sogenannten kovarianten Ableitung. Man kann sieso verstehen, dass sie die Abweichung gegenüber einer zu definierenden Parallelverschiebungmißt. Wir werden sehen, dass diese Parallelverschiebung von Tangentialvektoren längsKurven allerdings wegabhängig ist, also von der Wahl der Kurve abhängt.Zur Motivation der axiomatischen Definitionen des nächsten Kapitels betrachten wir zuerstden Fall von immersierten Flächen in R m . Hier ergibt sich der Begriff der Parallelverschiebungdurch Projektion aus dem umgebenden Raum.2.1. Parallelverschiebung in S 2 . Sei c(t) eine Kurve in einer Fläche M. Wir wollendefinieren, dass ein Vektorfeld X(t) ∈ T c(t) M parallel ist. Dabei soll Parallelität bedeuten,dass sich das Vektorfeld nur so wenig wie nötig ändert. Das Problem hierbei ist, dass dasVektorfeld in der Regel nicht konstant sein kann, wenn es tangential längs c bleiben soll.Wir sehen uns das am Beispiel von S 2 an. Dabei betrachten wir der Einfachheit halbereinen nach Bogenlänge parametrisierten Großkreis als Kurve c. Wir wollen ein VektorfeldX parallel längs c verschieben. Wir nehmen an, dass X im Punkt t = 0 die Länge 1 hat.Fall 1: Wenn X(0) senkrecht auf c ′ (0) steht, steht X(0) senkrecht auf der Ebene, in derder Großkreis c liegt. Damit ist Y := X(0) ein in R 3 konstantes Vektorfeld, Y ′ = 0, dasdennoch tangential ist. Wir betrachten es als parallele Fortsetzung von X(0).Fall 2: Wir wollen X(0) = c ′ (0) parallel fortsetzen. Dieser Vektor ist nicht mehr tangentiallängs c, deshalb kann eine parallele Fortsetzung nicht konstant bleiben. Wir wollen Xmöglichst wenig ändern, indem wir X nur soweit nötig normal zu T c(t) S 2 ändern, darüberhinaus aber nicht tangential. Dies bedeutet, dass wir verlangen(7) X(t) ∈ T c(t) S 2 und X ′ (t) ∈ (T c(t) S 2 ) ⊥ ⊂ R 3 für alle t.Tatsächlich erfüllt X(t) := c ′ (t) diese Bedingungen, denn X ′′ (t) = c ′′ (t) = −c(t) stehtsenkrecht auf dem Tangentialraum. Daher ist X(t) = c ′ (t) die gesuchte Parallelverschiebung.Die Bedingung (7) ist eine natürliche Bedingung, denken Sie nur an ein Flugzeug,das “geradeaus” über die Erdkugel fliegt.Fall 3: Sei nun X(0) beliebiger Einheitstangentialvektor. Wir verlangen (7) auch in diesemFall. Um zu verstehen, was das bedeutet, beachten wir, dass Y und c ′ (t) eine Basis desTangentialraums in c(t) darstellen. Wir können die Fortsetzung also in der Form X(t) :=a(t) c ′ (t) + b(t) Y angeben. Wir behaupten, dass (7) genau dann erfüllt wird, wenn a undb konstant sind (Übung). Insbesondere bleibt die Länge von X konstant. Für die hierbetrachtete geodätische Kurve c bleibt auch der Winkel gegenüber c ′ konstant.


ii 2.2 – Stand: 14. Mai 2013 33Das Ergebnis einer Parallelverschiebung hängt vom gewählten Weg ab. Äquivalent dazuist, dass die Parallelverschiebung eines Vektors entlang eines geschlossenen Weges nichtunbedingt der Startvektor ist. Als Beispiel einer geschlossenen Kurve in S 2 betrachten wirein gleichseitiges Dreieck mit Kantenlängen π , z.B. mit dem Nordpol als einer Ecke und2der gegenüberliegenden Seite auf dem Äquator. Die Südrichtung definiert ein Einheitsfeld,das parallel ist (warum?), aber am Nordpol um π springt.2Bemerkung. Man kann den Parallelitätsbegriff (7) auch physikalisch motivieren. Wir betrachtenein Pendel auf der Erdoberfläche S 2 , wobei wir aber, anders als beim Foucaultschen Pendel vonder Erdrotation absehen. Wir bewegen uns nun längs einer gegebenen Kurve c(t) und führendas Pendel mit. Im Punkt c(t) wird die Pendelebene aufgespannt vom Normalenvektor an dieErdoberfläche und einem Einheitstangentialvektor X(t) längs c(t). Weil die Gravitation nur inNormalenrichtung auf das Pendel einwirkt, es in Tangentialrichtung aber kräftefrei beläßt, rotiertdie Schwingungsebene nicht um die Normale auf der Erdoberfläche. Dies bedeutet (7) gilt, undX(t) wird parallel verschoben längs c.2.2. Parallelverschiebung: Definition und Eigenschaften. Wir ersetzen nun S 2 durchdas Bild einer beliebigen Immersion F : M n → R m k mit Kodimension m − n ≥ 0. DieMannigfaltigkeit M n betrachten wir mit der zurückgezogenen semi-Riemannschen Metrik(8) g = F ∗ 〈., .〉, d.h. g p (X, Y ) := 〈dF p X, dF p Y 〉.Im semi-Riemannschen Fall setzen wir stillschweigend voraus, dass diese Metrik nichtdegeneriertvon konstantem Index ist (automatisch im Riemannschen Falle). Wir bezeichnenmit ⊤ die orthogonale Projektion auf den Tangentialraum des Bildes der Immersion,⊤ F (p) : R m → dF p (T p M).Wir betrachten eine differenzierbare Kurve c in der Mannigfaltigkeit M. Ein Vektorfeldlängs der Kurve c: I → M ist eine differenzierbare Abbildung X : I → T c(t) M. Wir machennun (7) zu einer Definition.Definition. Ein Vektorfeld X längs einer Kurve γ in einer Mannigfaltigkeit M, die durchF : M → R m immersiert ist, heißt parallel längs γ, wenn seine Tangentialprojektion erfüllt(9) ⊤ F (c(t))((dFc(t) · X) ′ (t) ) = 0 für alle t.Wir nennen X(t) eine Parallelverschiebung von X(t 0 ) längs c.Die Bedingung (9) sagt, dass dF (X) keine tangentiale Veränderung ausführt. So wie imBeispiel von S 2 gilt auch im allgemeinen, dass ein paralleles Feld dF X weder tangentialrotiert noch seine Länge ändert:Satz 5. Sind X, Y parallel längs c, so ist g(X, Y ) := 〈dF ·X, dF ·Y 〉 konstant. Insbesonderebleiben konstant: die Länge ‖X‖ und der für X, Y ≠ 0 durch (2) definierte Winkel ∠(X, Y ).


34 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeweis. Wir nutzen aus, dass dF · X und dF · Y tangential sind (bei (∗)):d〈Produktregel d〉 〈g(X, Y ) =dt dt dF · X, dF · Y d〉+ dF · X,dt dF · Y 〈 ((∗) d) 〉 〈 ( d) 〉= ⊤dt dF · X , dF · Y + dF · X, ⊤} {{ }dt dF · Y = 0} {{ }=0=0Direkt aus der Definition folgt, dass die Parallelverschiebung von zwei Immersionen längseiner Kurve dann übereinstimmt, wenn die Tangentialräume entlang der Kurve übereinstimmen.Diese Bedingung ist z.B. erfüllt für einen Breitenkreis der Sphäre und einenKegel, der die Sphäre im Breitenkreis tangential berührt.Satz 6. Es sei c eine Kurve in R m , die im Schnitt des Bildes zweier Immersionen F 1 , F 2liegt, so dass die Tangentialebenen für jeden Punkt aus c übereinstimmen. Dann stimmtauch die Parallelverschiebung längs c für beide Flächen überein.□Beweis. Nach Voraussetzung stimmen die beiden Tangentialprojektionen bzgl. F 1 und F 2überein. Also ist für Y (t) := dF 1 · X 1 (t) = dF 2 · X 2 (t) die Bedingung ⊤Y ′ (t) = 0 äquivalentbezüglich jeder der beiden Flächen.□2.3. Parallelität als Differentialgleichung. Wir wollen nun Parallelverschiebungen berechnen.Dazu benutzen wir lokale Koordinaten des Urbilds M, d.h. wir nehmen an, dasswir eine Karte (x, U) von M haben. Dann ist die Abbildung F ◦ x −1 : x(U) → R m einFlächenstück im Sinne der elementaren Differentialgeometrie mit erster Fundamentalform(8). Für ein Vektorfeld X längs c werden durch X(t) = ∑ ξ i (t)e i (c(t)) Hauptteileals Funktion von t definiert. Die Zeit-Ableitung von dF · X hat (z.B. nach I(6)) die lokaleDarstellung(10)ddt(dFc(t) · X(t) ) = d dt( n∑i=1ξ i ∂F )◦ c =∂x in∑ξ ′ i ∂F◦ c +∂xi=1 i} {{ }∈T c(t) Fn∑c ′i ξ j ∂ 2 F◦ c.∂x i ∂x jDa wir an der Tangentialkomponente interessiert sind, führen wir eine Bezeichnung ein.Dabei benutzen wir, dass für eine Immersion F die n Vektoren ∂F∂x k(p) ∈ R m für jedesp ∈ M eine Basis von dF (T p M) bilden.Definition. Die Christoffel-Symbole zu einer Immersion F : M → R m bezüglich der Karte(x, U) sind die Funktionen Γ k ij : U → R für 1 ≤ i, j, k ≤ n, definiert durch die Tangentialprojektionder zweiten Ableitungen,( ∂ 2 F)⊤ F (p) (p) =∂x i ∂x jn∑k=1Γ k ij(p) ∂F∂x k(p).i,j=1


ii 2.3 – Stand: 14. Mai 2013 35Nach dem Satz von Schwarz ist Γ k ij = Γ k ji. Mit Hilfe der Christoffel-Symbole erhalten wiraus (10)()) n∑n∑(11) ⊤((dF c X) ′ = ξ ′ k + (Γ k ij ◦ c)γ ′i ξ j ∂F◦ c,∂x kk=1wobei γ der Hauptteil von c ′ sei. Wenn X parallel ist, muss diese Linearkombination verschwinden;sie ist eine triviale Linearkombination, weil ∂F∂x kBasis ist. Wir haben gezeigt:Satz 7. Ein Vektorfeld X(t) = ∑ ni=1 ξi (t)e i (c(t)) längs c ist genau dann parallel in U,wenn folgendes System linearer gewöhnlicher Differentialgleichungen für diejenigen t gilt,für die c(t) im Definitionsbereich U einer Karte x liegt:n∑ )(12) ξ ′k (t) + Γij( k c(t) γ ′i (t)ξ j (t) = 0 für k = 1, . . . , n.i,jDies ist ein System linearer Differentialgleichungen für ξ (bzw. X), dessen Koeffizienten γund Γ glatt sind.Satz 8. Es sei F : M → R m eine Immersion und c: I → M eine Kurve mit c(t 0 ) = p. Fürjedes X 0 ∈ T p M existiert dann eine eindeutig bestimmte Parallelverschiebung X(t) längs cmit Anfangswert X(t 0 ) = X 0 .Beweis. Der Anfangspunkt c(t 0 ) liegt in einer Karte x. Der Existenzsatz für Lösungenlinearer Differentialgleichungen liefert eine Lösung X(t), die solange definiert ist wie c(t)in der Menge U liegt, d.h. bis vor T := sup{t > t 0 : c(t) ∈ U}. (Dies liefert auch derExistenzsatz von Picard-Lindelöf, zusammen mit der Tatsache, dass |ξ| 2 := ∑ i,j g ijξ i ξ jkonstant in t bleibt.)Wenn c(T ) definiert ist, liegt es in einer Karte (x 1 , U 1 ). Im Schnitt U ∩ U 1 müssen zweiLösungen der Differentialgleichung (12) bzgl. x und x 1 nach dem Eindeutigkeitssatz übereinstimmen,wenn sie einen Wert gemeinsam haben. Also können wir die Lösung sogarnach ganz U 1 fortsetzen, unabhängig vom gewählten Anfangswert in U ∩ U 1 . Da für jedeskompakte [a, b] ⊂ I die Menge c([a, b]) ⊂ M von endlich vielen Karten x k überdeckt wird,führt die Fortsetzung nach endlich vielen Schritten zu einer Parallelverschiebung von Xlängs [a, b]. Also erhalten wir eine Lösung längs der ganzen Kurve c.□Eine wichtige Eigenschaft der Koeffizienten der Differentialgleichung (12) beweist man inder elementaren Differentialgeometrie.Satz 9. Die Christoffel-Symbole Γ k ij einer Immersion F : U → R m sind allein durch diesemi-Riemannsche Metrik g aus (8) bestimmt. Tatsächlich gilt mit g ij := 〈 〉∂F∂x i, ∂F∂x jundi,j


36 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie(g ij ) der inverse Matrix von (g ij ):(13) Γ l ij = 1 n∑ ( ∂g lk g jk +2 ∂x ik=1∂∂x jg ik −∂ )g ij∂x kfür 1 ≤ i, j, l ≤ n.Dies bedeutet, dass Parallelverschiebung bereits auf der Riemannschen Mannigfaltigkeit(M, g) definiert ist, d.h. die Immersion F geht allein durch die Definition (8) ein. Alsostimmen die Parallelverschiebungen überein, wenn zwei Immersionen F 1 und F 2 lokal isometrischsind, g 1 = g 2 . Beispielsweise ist für abwickelbare Flächen die Parallelverschiebungauf dem ebenen Modell ablesbar.Wir werden (13) durch die Koszul-Formel (27) in einem allgemeineren Rahmen beweisen;siehe die Bemerkungen nach Satz 16.6. Vorlesung, Mittwoch 29.10.122.4. Kovariante Ableitung längs Kurven. Wir suchen einen Ableitungsbegriff für Vektorfelderlängs Kurven. In Mannigfaltigkeiten besteht das Problem darin, dass im DifferenzenquotientenVektoren aus verschiedenen Tangentialräumen voneinander abgezogenwerden müssten; aber dies sind verschiedene Vektorräume. Die Idee hier ist, die Parallelverschiebungin der Mannigfaltigkeit zu benutzen, um die Tangentialräume aufeinanderabzubilden.Im Falle der Immersion von M in den R m wird durch die Projektion der Ableitung desVektorfeldes auf den Tangentialraum der Immersion ein solcher Ableitungsbegriff in Merklärt:Definition. Sei X ein Vektorfeld längs c: I → M. Dann ist die kovariante Ableitung vonX längs c das eindeutig bestimmte Vektorfeld D X längs c mitdt(14) dF c(t) · D ( d)dt X(t) = ⊤ dt dF c(t)X(t) .Nach dieser Definition ist äquivalent: X parallel ⇐⇒ D X = 0. Dies ist sinnvoll, denndtparallele Felder sind ja Felder, die sich nur soviel ändern wie nötig, um im Tangentialraumzu bleiben – aus der Mannigfaltigkeit M heraus gesehen, sind sie konstant.Beispiel. Wir betrachten S n als Untermannigfaltigkeit von R n+1 . Die Immersion F ist danndie Inklusion ι: M := S n → R n+1 , ι(p) = p. Wegen dι = d id = id stimmt die Metrik gdann mit dem Skalarprodukt von R n+1 überein. Ist X ein Vektorfeld längs einer Kurve c,so giltD( dX)dt X(t) = ⊤ dt (t) = dX 〈 dX〉c(t),dt (t) − dt (t), c(t)denn eine Normale im Punkt c(t) ist c(t) selbst.


k=1ii 2.5 – Stand: 14. Mai 2013 37Aus (11) folgt eine Darstellung der kovarianten Ableitung mit Hilfe der Christoffel-Symbole:D(15)dt X = D n∑n∑( n∑ξ k e k ◦c = ξ ′ k + (Γ k ij ◦ c)γ ′i ξ)(e j k ◦c)dtk=1Wir können nun die Aussage präzisieren, dass die kovariante Ableitung die Ableitung vonX längs c relativ zu parallelen Feldern misst. Betrachten wir dazu eine Kurve c: I → Mmit 0 ∈ I und wählen in c(0) = p eine Basis ( v 1 (0), . . . , v n (0) ) . Für jedes t ist dann dieParallelverschiebung ( v 1 (t), . . . , v n (t) ) der Basis wiederum orthonormal und damit wiedereine Basis von T c(t) M dar (siehe Übungen).Wir schreiben nun X = ∑ ξ k v k als eine Linearkombination bezüglich dieser Basis underhaltendF · D ( dn∑ ) n∑dt X = ⊤ dt dF ( ξ k v k ) = ξ ′ k ⊤ ( ) ( ddF · v } {{ } k + ξ k ⊤k)dt dF · v = dF ( ∑n ξ ′ k )v k ,k=1k=1} {{ }tangentialk=1=0 da v k paralleld.h. D dt X = ∑ nk=1 ξ′ k v k . Insbesondere ist eine konstante Linearkombination paralleler Felderwieder parallel. Der Parallelitätsbegriff erlaubt also, einen Ableitungsbegriff zu formulieren,weil durch ihn Vektoren in verschiedenen Tangentialräumen verglichen werden können.Bemerkungen. 1. Im Riemannschen Fall kann man in jedem Punkt p eine Orthonormalbasis(v1 (p), . . . , v n (p) ) aus der Standardbasis e 1 (p), . . . , e n (p) gewinnen: Man muss dazu nur dasi,j=1Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren bezüglich der positiv definiten Bilinearform g pverwenden. Nach Satz 5 bleibt eine parallele Fortsetzung v i (t) längs einer Kurve sogar g-orthonormal für alle t.2. In der elementaren Differentialgeometrie wird eine Kurve c als Geodätische bezeichnet,wenn c ′ ein paralleles Vektorfeld längs c ist, d.h. wenn die kovariante Ableitung D dt c′ für allet verschwindet; siehe Kapitel 4 weiter unten.2.5. Kovariante Ableitung von Vektorfeldern. Die Richtungsableitung eines VektorfeldesY in R n in Richtung eines Vektors X ∈ R n definiert man üblicherweise dadurch, dassman Y längs einer Kurve mit Tangentialvektor X nach der Zeit ableitet. Genauso leitenwir nun ein Vektorfeld Y in Richtung eines anderen Feldes X kovariant ab:Definition. Die kovariante Ableitung eines Vektorfeldes Y auf M in Richtung eines VektorfeldesX im Punkt p ∈ M ist durch(16) ∇ X Y (p) := D (Y ◦ c)(0)dtgegeben, wobei c eine Kurve durch c(0) = p mit c ′ (0) = X(p) ist.


38 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeachten Sie, dass Y ◦ c ein Vektorfeld längs c ist, so dass man die kovariante AbleitungDbilden kann. Dass (16) unabhängig von der gewählten Kurve c ist, folgt aus der lokalendtDarstellung (15): Im gegebenen Punkt p = c(0) geht nur die Richtung X p = c ′ (0) in denWert von D Y ein.dtWir berechnen noch eine Deutung von dF · ∇ X Y :dF p · ∇ X Y (p) (16)= dF c(0) · D((14) d [(Y ◦ c)(0) = ⊤ dFc(t) (Y ◦ c) ] dt dtt=0)(dF Y =∂ Y F d [= ⊤ (∂Y F ) ◦ c ] (0))= ⊤ ( ∂ X ∂ Y F (p) )dtHierbei steht ∂ Y F für die euklidische Richtungsableitung des Vektors F . Die kovarianteAbleitung ist also die Tangentialprojektion der zweifachen euklidischen Richtungsableitung∂ X ∂ Y F !Wir geben noch die lokale Darstellung der kovarianten Ableitung an. Es sei dazu (x, U)Karte von M und X = ∑ i ξi e i sowie Y = ∑ j ηj e j lokale Darstellungen von Vektorfeldern.Aus( n∑n∑n∑[∂ XdF · ∇ X Y = ⊤(∂ X ∂ Y F ) = ⊤j=1η j ∂F∂x j)]=folgt nach Definition der Christoffel-Symbolen∑( n∑(17) ∇ X Y = ξ i ∂ηk +∂xk=1 i=1 ii,j=1ξ i ∂ηj∂x i∂F∂x j+n∑Γ k ijξ i η)e j k .i,j=1i,j=1( ∂η j ξ i ∂F)⊤∂x j ∂x iBeispiel. In (R n , 〈., .〉), also für F = id gilt Γ k ij = 0. Der zweite Summand von (17) verschwindetund wir erhalten für die kovariante Ableitung ∇ X Y = ∂ X Y gerade die Standard-Richtungsableitung von Y in Richtung X.Im allgemeneinen verstehen wir die zweite Summe als einen Korrekturterm. Er sorgt dafür,dass die Ableitung relativ zu parallelen Feldern genommen wird und damit Koordinatenunabhängigist.Die folgenden Eigenschaften, von denen man (i) und (ii) direkt aus (17) abliest, werdenwir im allgemeinen Fall axiomatisch fordern:Satz 10. Sei F : M → R m k eine Immersion, die eine semi-Riemannsche Metrik g aufM induziert. Die kovariante Ableitung ∇ auf M erfüllt für alle X, Y, Z ∈ V(M) undf ∈ D(M):(i) In der Richtung ist sie D(M)-linear: d.h. ∇ fX+Y Z = f∇ X Z + ∇ Y Z.(ii) Im abzuleitenden Feld ist sie R-linear, d.h. ∇ X (cY + Z) = c∇ X Y + ∇ X Z für c ∈ R,und derivativ ∇ X (fY ) = (∂ X f)Y + f∇ X Y .


ii 2.6 – Stand: 14. Mai 2013 39(iii) Weiterhin gilt ∇ X Y − ∇ Y X = [X, Y ] und(iv) die Produktregel ∂ Z g(X, Y ) = g ( ∇ Z X, Y ) + g ( X, ∇ Z Y ) .Beachten Sie, dass (iii) eine weitere Charakterisierung der Lie-Klammer ist – nach Definitiongilt [X, Y ] = ∂ X Y − ∂ Y X.Beweis. (iii) Aus (17) folgt wegen Γ k ij = Γ k ji:∇ X Y − ∇ Y X =n∑ ( n∑k=1 i=1ξ i∂η k +∂x in∑ (=i,k=1n∑Γ k ijξ i η j −i,j=1ξ in∑j=1η j∂ξ k +∂x jn∑Γ k jiξ i η)e j ki,j=1∂η k − η i ∂)ξ k e k = [X, Y ]∂x i ∂x i(iv) Sei c Kurve durch p mit c ′ (0) = Z. Wir schreiben ˜X := X ◦ c und Ỹ := Y ◦ c für dieFelder längs c. Mit jeweils in t = 0 auszuwertenden t-Ableitungen gilt dann:〈 〉 Def. Lie∂ Z g(X, Y ) = ∂ Z dF · X, dF · Y = d 〈dF · ˜X, dF · Ỹ 〉dt〈 d=dt (dF · ˜X),〉 〈dF · Ỹ + dF · ˜X, d〉dt (dF · Ỹ ) 〈Def. kov. Abl.= dF · Ddt ˜X,〉 〈dF · Ỹ + dF · ˜X, dF · D 〉dtỸD= g(dt ˜X,) ( Ỹ D) (16) (+ g ˜X, = g p ∇Z X, Y ) (+ g p X, ∇Z Y ) dtỸ□2.6. Übungsaufgaben.Aufgabe 24 – Christoffel-Symbole des Zylinders:Berechnen Sie die Christoffel-Symbole des Zylinders dargestellt als Graph überR 2 × (−1, 1).Aufgabe 25 – Quiz:a) Betrachten Sie zwei Großkreisbögen c 1 und c 2 auf S 2 , welche den Nordpol (0, 0, 1) und denSüdpol (0, 0, −1) verbinden und sich in den Polen rechtwinklig schneiden. Es sei ferner X derTangentialvektor von c 1 im Nordpol. Welchen Winkel bilden die Parallelverschiebungen vonX entlang c 1 und c 2 am Südpol? (Skizze genügt!)b) Es sei c ein nach Bogenlänge parametrisierter Großkreis von S 2 und Y ein normiertes Vektorfeldlängs c mit Y ⊥ c ′ . Zeigen Sie, dass a(t) und b(t) konstant sein müssen, wenna(t)c ′ (t) + b(t)Y ein paralleles Feld längs c sein soll.


40 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 26 – Linearität der Parallelverschiebung:Es sei M eine Mannigfaltigkeit, c: I → M eine Kurve und 0, t ∈ I. Zeigen Sie die folgendenAussagen:a) Für parallele Vektorfelder X und Y längs c und Konstanten a, b ∈ R ist auch die LinearkombinationaX + bY ein paralleles Vektorfeld längs c.b) Es gibt eine eindeutig bestimmte Abbildung ϕ t : T c(0) M → T c(t) M, so dass ϕ t (X(0)) = X(t)für jedes parallele Feld X längs c gilt. Wir bezeichnen diese Abbildung als Parallelverschiebunglängs c.c) Die Parallelverschiebung ϕ t ist eine lineare Abbildung.d) Die Parallelverschiebung ϕ t ist ein Isomorphismus von Vektorräumen.Tipp: Was ist das Bild einer Orthonormalbasis?Aufgabe 27 – Parallelverschiebung auf dem Kegel:Einen Kegel kann man durch isometrisches Aufrollen eines ebenen Sektors U ⊂ R 2 mit Öffnungswinkelα > 0 erhalten. Dabei sei f : U → R 3 die entsprechende Parametrisierung des Kegels. AufU betrachten wir die Standardmetrik 〈·, ·〉.a) Begründen Sie anschaulich, dass die Immersion f eine Isometrie ist.b) Was sind daher die Christoffel-Symbole der Immersion f?Ein Breitenkreis des Kegels werde durch ein Kreissegment in M parametrisiert.c) Wie sieht ein paralleles Vektorfeld X in U längs des Kreissegments aus? Warum ist seinisometrisches Bild df · X ebenfalls parallel?d) Geben Sie den Drehwinkel an, den das drehende Feld df · X bei einem vollen Umlauf um denBreitenkreis ausführt.Aufgabe 28 – Parallelverschiebung entlang Breitenkreis von S 2 :Untersuchen Sie die Parallelverschiebung längs eines Breitenkreises von S 2 mit Höhe 0 < h < 1über dem Äquator. Finden Sie dazu einen an S 2 im Breitenkreis tangentialen Kegel. Wickeln Siediesen Kegel auf ein Winkelsegment der Ebene ab. Welchen Winkel hat das entstehende Segment?Bestimmen Sie nun die Parallelverschiebung mithilfe der vorigen Übung.


ii 3.1 – Stand: 14. Mai 2013 41Aufgabe 29 – Parallelität im Normalenbündel von Kurven:Sei c: I → R n eine reguläre Kurve. Sei X : I → R n ein Normalenfeld an c, d.h. es gilt 〈X, c ′ 〉 = 0.Das Feld X heißt parallel im Normalenbündel längs c, wenn gilt D dt X := ⊥( ddt X) = 0.a) Zeigen Sie, dass analog zu Satz 5 der Vorlesung gilt: Sind X, Y parallel im Normalenbündellängs c, so bleibt 〈X, Y 〉 konstant. Insbesondere bleiben die Länge |X| und der für X ≠ Yerklärte Winkel ∠(X, Y ) erhalten.b) Es gibt eine Basis N 1 (t), . . . , N n−1 (t), des Normalenraums ⊥ (c ′ (t)), die differenzierbar von tabhängt.c) Zu jedem gegebenen Normalenvektor X(0) in c(0) gibt es eine parallele Fortsetzung längs derKurve c, d.h. D dt X ≡ 0.d) Es gibt eine parallele Orthonormalbasis längs c.e) Geben Sie eine solche Orthonormalbasis für S 1 × {0} ⊂ R 3 an. Wie sieht eine geschlosseneKurve c: S 1 → R 3 aus, für die die parallele Orthonormalbasis sich nicht “schließt”, d.h. nichtauf S 1 erklärt ist?Literatur: Richard L. Bishop: There is More than One Way to Frame a Curve, American Math.Monthly 82, 246–251, 1975.7. Vorlesung, Montag 5.11.12 -- gegenüber Vorlesung korrigiert3. ZusammenhängeIm letzten Abschnitt haben wir eine kovariante Ableitung beschrieben, die durch eine ImmersionF : M → R m einer Mannigfaltigkeit M induziert wird. Sie entspricht der Tangentialprojektionder Richtungsableitung auf M. Diesen Begriff hatten wir eingeführt, indem wirzuerst eine Parallelverschiebung längs Kurven beschrieben hatten, und dann die kovarianteAbleitung relativ dazu eingeführt hatten.Ist keine Immersion gegeben, so können wir immer noch axiomatisch diejenigen Eigenschaftenfordern, die wir im letzten Abschnitt für die Tangentialprojektion der Richtungsableitunghergeleitet hatten. Hier definieren wir zuerst die Ableitung und benutzen sie dann,um die Parallelverschiebung einzuführen.Der Begriff Zusammenhang bezieht sich auf die Parallelverschiebung von einem Tangentialraumzu einem anderen. Er hat nichts mit dem topologischen Zusammenhangsbegriff zutun.3.1. Zusammenhänge. In einem ersten Schritt benutzen wir zwei der vier Eigenschaftender kovarianten Ableitung, um einen allgemeinen Ableitungsbegriff auf differenzierbarenMannigfaltigkeiten zu erklären:


42 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieDefinition. Ein (linearer) Zusammenhang ∇ auf einer differenzierbaren MannigfaltigkeitM ist eine Abbildung∇: V(M) × V(M) → V(M), (X, Y ) ↦→ ∇ X Y,die für alle X, Y, Z ∈ V(M), c ∈ R und f ∈ D(M) erfüllt:(i) ∇ fX+Y Z = f∇ X Z + ∇ Y Z,(ii) ∇ X (cY + Z) = c∇ X Y + ∇ X Z und ∇ X (fY ) = (∂ X f)Y + f∇ X Y .Die Bezeichnung ∇ wurde in den 1950’er Jahren von Nomizu eingeführt. Um lokal arbeitenzu können, brauchen wir folgende Aussage:Lemma 11. (∇ X Y )(p) hängt nur ab von Y in einer Umgebung von p, sowie von X(p).Beweis. Wir zeigen zuerst ∇ X Y 1 (p) = ∇ X Y 2 (p) falls Y 1 = Y 2 in einer Umgebung von p.Nach Differenzbildung reicht es zu zeigen (∇ X Y )(p) = 0, falls Y auf einer Umgebung Uvon p verschwindet. Sei ϕ eine Hutfunktion mit supp ϕ ⊂ U und ϕ(p) = 1. Wir behaupten(18) ϕ(∇ X Y ) (ii)= ∇ X (ϕY ) − (∂ X ϕ)Y = 0,woraus durch Auswerten in p die Behauptung folgt. Der erste Term von (18) verschwindet,weil wegen ϕY ≡ 0 auf ganz M gilt ∇ X (ϕY ) = ∇ X (0 · ϕY ) = 0, unter Benutzung von (ii).Der zweite Term verschwindet, weil die Träger von ϕ und Y disjunkt sind.Nun untersuchen wir die Abhängigkeit von X. Wie zuvor zeigt man zuerst, dass ∇ X Y (p)nur von X in einer Umgebung von p abhängt; wir werden dies in der ersten Gleichheitvon (19) benutzen. Wegen (i) reicht es, ∇ X Y (p) = 0 für X(p) = 0 zu zeigen. Schreibenwir lokal X = ∑ i ξi e i in U, so gilt ξ i (p) = 0. Daraus folgt für jedes Y ∈ V(M)(19) ∇ X Y (p) = ∇ ∑ ξ i e iY (p) (i)= ∑ ξ i (p)(∇ ei Y )(p) = 0. □Wir dürfen daher ∇ X Y lokal, für eine Karte x mit Standardbasis (e i ), ausrechnen:(∑ )∇ X Y = ∇ ∑ ξ i e i η j (i)e j = ∑ (∑ )ξ i (ii)∇ ei j ηj e j = ∑ )(ξ i (∂ ei η j ) e j + ξ i η j ∇ ei e jii,jNun definieren wir:Definition. Die Christoffel-Symbole eines Zusammenhangs ∇ sind die für jede Karte (x, U)erklärten Funktionen Γ k ij ∈ D(U), gegeben durch ∇ ei e j = ∑ k Γk ije k .Die Christoffel-Symbole Γ k ij eines Zusammenhangs sind im allgemeinen nicht symmetrischin i, j. Wir können nun die zu (17) analoge lokale Darstellung angeben:n∑ ( n∑n∑ )∇ X Y = ξ i ∂ηk + ξ i η j Γ k ij e k∂x ik=1i=1i,j=1


ii 3.2 – Stand: 14. Mai 2013 43Die Christoffel-Symbole messen den Unterschied zwischen der Richtungsableitung der Karteund dem Zusammenhang. Erst durch die Christoffel-Term wird die Formel invariantunter Koordinatenwechsel.3.2. Parallelverschiebung eines Zusammenhangs. Wir wollen nun eine kovarianteAbleitung D X entlang von Kurven c(t) definieren, woraus sich wieder der Begriff derdtParallelverschiebung ergibt.Sei dazu ein Vektorfeld ˜X längs einer Kurve c gegeben, d.h. eine differenzierbare Abbildung˜X : I → T M mit ˜X(t) ∈ T c(t) M. Die Menge dieser Vektorfelder bezeichnen wir mit V(c).Wir verallgemeinern den lokalen Ausdruck (15):Definition. Jede Kurve c ∈ C ∞ (I, M) bestimmt genau eine kovariante Ableitung längs cD: V(c) → V(c),dtmit den folgenden Eigenschaften:(i) D dt ist R-linear und derivativ, d.h. D dt (fX) = ( d dt f)X + f D dt X für alle f ∈ C∞ (I).(ii) Ist U ⊂ M eine Umgebung von c(t), und X ∈ V(U), so gilt für ˜X(t) := X(c(t)):(20)Ddt ˜X(t) = (∇ c ′ (t)X) ( c(t) )Die Schreibweise in (20) rechts ist dadurch gerechtfertigt, dass (∇ Z X)(p) von Z nur durchZ(p) abhängt. Insbesondere erübrigt sich eine Fortsetzung von c ′ . Beachten Sie, dass (20),von rechts nach links gelesen, die Aussage von Lemma 11 verschärft.Beweis. Wir zeigen zuerst die Eindeutigkeit. Ist ˜X(t) = ∑ ˜ξ i i (t)e i (c t ) lokale Darstellung,dann muss geltenD (i) ˜X(t) = ∑ ( ddt dt ˜ξ j (t)e j (c(t)) + ˜ξ j (t) ( ) )∇ c ′ (t)e j (c(t))j(21)(ii)=n∑k=1( d˜ξkdt +n∑i,j=1)γ ′i ˜ξj Γ k ij ◦ c e k ◦ c∣ ,tdabei ist c ′ (t) = ∑ γ ′i (t)e i (c(t)). Also ist D dteindeutig durch ∇ bestimmt.Für die Existenz definieren wir D ˜X lokal durch (21). Man überzeugt sich schnell, dass diedtbehaupteten Eigenschaften erfüllt sind. Wegen der Eindeutigkeit hängt D ˜X aber nicht vondtder gewählten Karte ab.□Definition. ˜X heißt parallel längs c, wennDdt ˜X = 0 für alle t.


44 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWie in Satz 8 erhalten wir die Existenz eines parallelen Vektorfeldes zu gegebenem Anfangswertaus dem entsprechenden Satz für lineare Differentialgleichungen, d.h. wir erhalten zujedem Zusammenhang eine Parallelverschiebung längs Kurven.Es stellt sich die Frage, wann ein gegebenes Vektorfeld ˜X ∈ V(c) sich fortsetzen läßt zueinem Vektorfeld X auf M. Natürlich geht dies im allgemeinen nicht, denn in Doppelpunktender Kurve c kann ˜X verschiedene Werte haben. Daher schränken wir uns auf folgendenFall ein. Ist ˜X Vektorfeld längs c und p = c(t 0 ) so heißt X lokale Fortsetzung von ˜X, wenneine Umgebung U von p existiert, so dass(22) X ∈ V(U) mit X ( c(t) ) = ˜X(t) für alle t nahe bei t 0 .Für immersierte Kurven kann man stets fortsetzen; daher kann man D dtdefinieren.sogar durch (20)Lemma 12. Ist ˜X Vektorfeld längs einer Kurve c: I → M mit c ′ (t) ≠ 0, so gibt es einelokale Fortsetzung X von ˜X um p := c(t).Falls c keine Immersion ist, so gibt es im allgemeinen allerdings keine lokale Fortsetzungvon ˜X: Denken Sie z.B. an den Fall, dass c auf einem Zeit-Intervall konstant ist, aber ˜Xdort verschiedene Werte annimmt. Dieser Fall wird von (21) abgedeckt, ist aber mit (20)nicht darstellbar.Beweis. Wir benutzen eine Tatsache, die wir hier nicht beweisen (siehe Vorlesung Mannigfaltigkeiten,Lemma I.9, oder [L2]): Für jede Immersion f : N n → M n+k von Mannigfaltigkeitenund p ∈ N gibt es eine Karte (y, V ) von N um p und eine Karte (x, U) von M umf(p), so dass für alle u ∈ y(V ) gilt x ◦ f ◦ y −1 (u 1 , . . . , u n ) = (u 1 , . . . , u n , 0, . . . , 0) ∈ R n+k .In unserem Falle c: I → M n heisst das: Es gibt für jedes t 0 ∈ I eine Umgebung I 0 undeine Karte (x, U) von M um p = c(t 0 ), so dass(x ◦ c)(t) = (t, 0, . . . , 0) ∈ R n für alle t ∈ I 0 ⊂ I.Wir setzen den durch ˜X(t) = [˜ξ(t, 0)] gegebenen Hauptteil konstant in der Koordinate vvon R n−1 fort: ξ(t, v) := ˜ξ(t). Das Vektorfeld X = [ξ] auf U setzt ˜X differenzierbar fort. □Zum Abschluss zeigen wir, wie man den Zusammenhang aus der Parallelverschiebungzurückerhalten kann:Satz 13. Es seien X, Y Vektorfelder, und c eine Kurve durch p = c(0) mit c ′ (0) = X p .Ferner sei ρ t : T p M → T c(t) M die Parallelverschiebung längs c. Dann gilt∇ X Y ∣ p= limtt→01(ρ−1t (Y c(t) ) − Y p).


ii 3.3 – Stand: 14. Mai 2013 45Beweis. Für eine längs c parallele Basis (v i (t)) = (τ t (v i (0))) und Y ( c(t) ) = ∑ i ηi (t)v i (t)gilt:(∇ X Y )(p) = D ∑η i v(t) v i (t)i parallel∣ = ∑ dη idtt=0 dt (0) v i(0) = ∑ η i (t) − η i (0)limv i (0)t→0 tiii1( ∑)= lim η i (t)τt −1 (v i (t)) − η i 1()(0)v i (0) = lim τt −1 (Y c(t) ) − Y p t→0 tt→0 ti(Welche Eigenschaft der Parallelverschiebung haben wir beim letzten Gleichheitszeichenbenutzt?)□3.3. Torsionsfreiheit und Verträglichkeit von Zusammenhängen. Es gibt viele Zusammenhängeauf einer gegebenen Mannigfaltigkeit. Im semi-Riemannschen Fall werdenwir aber sehen, dass folgende Forderungen einen Zusammenhang eindeutig festgelegen:Definition. (i) Ein Zusammenhang auf einer Mannigfaltigkeit M heißt torsionsfrei odersymmetrisch, wenn seine Torsion T (X, Y ) := ∇ X Y − ∇ Y X − [X, Y ] für alle X, Y ∈ V(M)verschwindet.(ii) Ein Zusammenhang auf einer semi-Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) heißt verträglichmit der Metrik, wenn er ∂ Z g(X, Y ) = g(∇ Z X, Y ) + g(X, ∇ Z Y ) für alle X, Y, Z ∈V(M) erfüllt.Beispiel. Die von einer Immersion F : M → R m induzierte kovariante Ableitung mit dF ·∇ X Y = ⊤(∂ X ∂ Y F ) hat diese Eigenschaften, siehe Satz 10(iii) und (iv).Wir behaupten: Aus (i) folgt, dass die Christoffel-Symbole für jede Karte symmetrischsind,(23) Γ k ij = Γ k ji für alle 1 ≤ i, j, k ≤ n.Den Beweis lassen wir als Übung.8. Vorlesung, Mittwoch 7.11.12Die in Satz 5 gezeigte Konstanz von Längen und Winkeln paralleler Felder längs Kurvenist äquivalent zur Eigenschaft (ii):Satz 14. Ein Zusammenhang ∇ ist genau dann verträglich mit g, wenn längs jeder Kurvefür je zwei parallele Vektorfelder ˜X, Ỹ der Wert g( ˜X, Ỹ ) konstant bleibt.Insbesondere haben parallele Vektorfelder also konstante Länge.Beweis. “⇒” Sei c: I → M Kurve, und t 0 ∈ I. Wir nehmen zuerst an c ′ (t 0 ) ≠ 0. Dannist c lokal Immersion und damit sogar lokal Einbettung. Aus den gegebenen Vektorfeldern


46 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrielängs c erhalten wir dann nach Lemma 12 lokal definierte Felder X, Y, Z mit ˜X = X ◦ c,Ỹ = Y ◦ c sowie c ′ = Z ◦ c, und es gilt in einer Umgebung von t 0 :(24)ddt g( ˜X, Ỹ ) = ∂ Zg(X, Y ) ∇ verträglichD= g(dt ˜X,)Ỹ= g p (∇ Z X, Y ) + g p (X, ∇ Z Y )) ˜X, Ỹ parallel= 0.(D+ g ˜X,dtỸVerschwindet c ′ auf einem Intervall, so sind nach Definition der Parallelität ˜X und Ỹdort konstant, also auch g( ˜X, Ỹ ). Wegen Stetigkeit von ˜X, Ỹ gilt damit die Behauptunginsgesamt.“⇐” Wir zeigen die Verträglichkeitsbedingung in p ∈ M. Für Z(p) = 0 verschwindenbeide Seiten der Vertäglichkeitsbedingung ohnehin. Ist Z(p) ≠ 0, so wählen wir c als eineeingebettete Kurve durch p mit Z(p) = c ′ (0) ≠ 0. Weiter sei ( v i (0) ) eine Orthonormalbasisvon T p M und ( v i (t) ) ihre Parallelverschiebung längs c. Nach Voraussetzung ist dann auch(vi (t) ) Orthonormalbasis.Die Einschränkung eines beliebigen Feldes X auf c schreiben wir lokal als ˜X(t) = X(c(t)) =∑ ξ i (t)v i (t). Es folgt für t nahe bei 0Ddt ˜X = D dt∑ξ i v i = ∑iidξ idt v i + ξ i D dt v i = ∑}{{} i=0dξ idt v i.Setzt man diesen Ausdruck und einen entsprechenden für Ỹ (t) = ∑ η j (t)v j (t) ein in g, soergibt sich zunächst die gewünschte Verträglichkeitbedingung längs c:Dg(dt ˜X,) ( Ỹ D)vi ONB+ g ˜X, = ∑ dξ idtỸdt ηi + ξ i dηidt = ∑ ddt (ξi η i ) v i ONB= d g( ˜X, Ỹ )dtiiDie Außenseiten der Gleichung ergeben g p (∇ Z X, Y ) + g p (X, ∇ Z Y ) = ∂ Z g(X, Y ).□3.4. Indizes heben und senken ist Musik. Wir schieben einen Abschnitt ein, den wirzwar für Mannigfaltigkeiten formulieren, der aber eigentlich nichts als Lineare Algebradarstellt. Wir benötigen die Aussage nicht nur im nächsten Abschnitt, sondern auch beider Diskussion von Tensoren in Kapitel III.Ein endlich dimensionaler Vektorraum W und sein Dualraum W ∗ haben die gleiche Dimensionund sind damit isomorph. Zwar gibt es im allgemeinen keinen basisunabhängigen(kanonischen) Isomorphismus. Hat man eine semi-Riemannsche Metrik gegeben, so ist dasanders:Lemma 15. Sei (M, g) semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit. Ist V ∈ V(M), undω ∈ Λ 1 (M), ω(Z) := g(V, Z) für alle Z ∈ V(M)


ii 3.5 – Stand: 14. Mai 2013 47eine 1-Form, d.h. eine D(M)-lineare Abbildung von V(M) nach D(M). Dann ist die AbbildungV ↦→ ω ein D(M)-linearer Isomorphismus von V(M) nach Λ 1 (M).Die nicht-ausgeartete symmetrische Bilinearform g induziert also einen kanonischen Isomorphismuszwischen einem Vektorraum und seinem Dualraum. Aus der Funktionalanalysiskennen Sie vielleicht die entsprechende Aussage für Hilberträume: den RieszschenDarstellungssatz.Beweis. Die D(M)-Linearität von V ↦→ ω ist klar. Wir müssen Injektivität und Surjektivitätzeigen.Injektivität: Gilt für alle Z, dass g(V 1 , Z) = g(V 2 , Z), so folgt g(V 1 − V 2 , Z) = 0. Weil gnicht ausgeartet ist, erhalten wir V 1 = V 2 .Surjektivität: Zu ω ∈ Λ 1 (M) müssen wir ein Urbild V ∈ V(M) konstruieren. Sei dazu xKarte um p ∈ M mit Standardbasis (e j ) und dualer Basis (e j ). Für α j := ω(e j ) ergibt sichω = ∑ α j e j . Gesucht ist nun V = ∑ ξ i e i , so dass(25) α j!= g(V, e j ) = ∑ iξ i g ij für jedes j = 1, . . . , n.Weil g nicht-ausgeartet ist, besitzt die Matrix (g ij ) eine Inverse (g ij ), siehe Aufgabe 7.Multiplikation mit der Inversen ergibt ξ:∑(26)α j g jk = ∑ ξ i g ij g jk = ξ k für jedes k = 1, . . . , n.ji,jDie beiden Formelzeilen sind äquivalent und wir haben das gewünschte differenzierbareFeld V = ∑ ξ i e i lokal konstruiert. Wegen der schon bewiesenen Eindeutigkeit von V istdie gefundene Darstellung aber unabhängig von der Karte und damit global. □Im Beweis haben wir den Isomorphismus zwischen dem Vektorraum T p M und seinemDualraum (T p M) ∗ , bzw. V(M) und Λ 1 (M), durch die lokalen Darstellungen (25) (26)definiert. Dabei macht das Index senken (25) aus den Koordinaten des Vektors X dieKoordinaten der Form ω; die dadurch gegebene Zuordnung ω ↦→ X nennt man auch den(erniedrigenden) musikalischen Isomorphismus ♭: V(M) → Λ 1 (M), X ↦→ ω := X ♭ [flat].Entsprechend ist das Index heben (26) der (erhöhende) Isomorphismus ♯: Λ 1 (M) → V(M),ω ↦→ X := ω ♯ [sharp].Beispiel. Aus der Flächentheorie kennen wir die Beziehung zwischen zweiter Fundamentalformund Weingartenabbildung b(X, Y ) = g(SX, Y ). Dies können wir jetzt auffassen alsb = S ♭ bzw. S = b ♯ .


48 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie3.5. Levi-Civita-Zusammenhang und Koszul-Formel. Nun weisen wir die Existenzeines torsionsfreien und verträglichen Zusammenhangs nach:Satz 16 (Levi-Civita). Auf jeder semi-Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) gibt es genaueinen Zusammenhang ∇, der torsionsfrei und mit der Metrik verträglich ist.Dieser Zusammenhang heißt Levi-Civita- (oder auch semi-Riemannscher) Zusammenhang,wir nennen ihn im folgenden meist kovariante Ableitung. Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeitexistiert eine Riemannsche Metrik (Korollar 2), und damit existiert auch stetsein Riemannscher Zusammenhang.Beweis. Nehmen wir an, ∇ existiert. Aus den Eigenschaften von ∇ gewinnen wir zuersteine Darstellungsformel für ∇ X Y . Aus der Verträglichkeitsbedingung folgern wir∂ X g(Y, Z) = g(∇ X Y, Z) + g(Y, ∇ X Z)∂ Y g(Z, X) = g(∇ Y Z, X) + g(Z, ∇ Y X)−∂ Z g(X, Y ) = −g(∇ Z X, Y ) − g(X, ∇ Z Y ).Dies addieren wir unter Benutzung der Torsionsfreiheit:∂ X g(Y, Z) + ∂ Y g(Z, X) − ∂ Z g(X, Y ) = g([X, Z], Y ) + g([Y, Z], X) + g(Z, ∇ X Y + ∇ Y X ),} {{ }=∇ X Y −[X,Y ]Wir erhalten die Koszul-Formel(27) g ( ∇ X Y, Z ) = 1 (∂ X g(Y, Z) + ∂ Y g(Z, X) − ∂ Z g(X, Y )2+ g ( [X, Y ], Z ) − g ( [Y, Z], X ) + g ( [Z, X], Y )) .Für festes X, Y bezeichnen wir die rechte Seite als ω(Z). Wir behaupten, ω ist eine 1-Form,d.h. wir müssen ω(fZ) = fω(Z) für jedes f ∈ D(M) nachweisen. Sicher sind der dritteund vierte Term von ω(Z) jeweils D(M)-linear. Wir befassen uns nun mit dem zweitenund fünften Term. Ist f ∈ D(M), so gilt einerseits∂ Y g(fZ, X) = ∂ Y(fg(Z, X))= ∂Y fg(Z, X) + f∂ Y g(Z, X).Andererseits ist [Y, fZ] = ∂ Y (fZ) − f∂ Z Y = ∂ Y f Z + f[Y, Z], wobei der mittlere Ausdrucknur bezüglich einer Karte definiert ist. Daraus folgt−g ( [Y, fZ], X ) = −∂ Y f g(Z, X) − f g ( [Y, Z], X ) .Also ist die Summe aus zweitem und fünftem Term ebenfalls D(M)-linear. Das gleiche giltfür die Summe aus erstem und sechstem Term, und die Behauptung ist gezeigt.Wir dürfen daher Lemma 15 anwenden, und ω definiert ein Vektorfeld V , das von X und Yabhängt. Wir müssen nachweisen, dass (X, Y ) ↦→ V dann tatsächlich ein Zusammenhang


ii 3.6 – Stand: 14. Mai 2013 49ist, der torsionsfrei und mit der Metrik verträglich ist. Den Nachweis der entsprechendenvier Eigenschaften lassen wir als Übung.Weil V nach Lemma 15 eindeutig durch ω bestimmt wird, liefert die rechte Seite von (27)einen eindeutigen Zusammenhang, der durch die differenzierbare Struktur und g bestimmtist.□Ist x Karte mit Basisfeldern e i , sowie Christoffel-Symbolen ∇ ei e j = ∑ k Γk ije k , so verschwindendie Lie-Klammern [e i , e j ] etc. und deshalb folgt mit X := e i , Y := e j , Z := e k aus derKoszul-Formel die lokale Darstellung(28)n∑g kl Γ l ij = 1 2l=1( ∂∂x ig jk +∂∂x jg ki −∂ )g ij∂x kfür jedes 1 ≤ i, j, k ≤ n,also (13). Speziell auf den Räumen (R n , 〈., .〉 k ) verschwinden alle Christoffel-Symbole, sodass unabhängig vom Index k alle Levi-Civita-Zusammenhänge mit der Richtungsableitungübereinstimmen, ∇ X Y = ∂ X Y .Wir werden von nun an stets den Levi-Civita Zusammenhang betrachten. Wenn wir (M, g)schreiben, meinen wir stets diesen Zusammenhang.3.6. Übungsaufgaben.Aufgabe 30 – Quiz zu Zusammenhängen:a) Es seien ∇ 1 und ∇ 2 Zusammenhänge auf M. Sind dann auch 2∇ 1 und ∇ 1 + ∇ 2 Zusammenhänge?b) Wird M n bereits durch eine Karte überdeckt, so besteht eine Bijektion zwischen der Wahlvon n 3 Funktionen {Γ k ij } und Zusammenhängen auf M.c) Folgern Sie direkt aus dem letzten Teil: Jede Mannigfaltigkeit M besitzt einen Zusammenhang.Aufgabe 31 – Christoffelsymbole in R n :Zeigen Sie: Bei linearem Koordinatenwechsel f : R n → R n verschwinden die Christoffelsymboleder durch f auf R n induzierten Metrik, bei nichtlinearem f jedoch nicht.Aufgabe 32 – Zylinderkoordinaten in R 3 :Sei g 0 das Standardskalarprodukt von R 3 und seif : R + × R 2 → R 3 ,(r, ϕ, h) ↦→ (r cos ϕ, r sin ϕ, h).Wir betrachten die Riemannsche Mannigfaltigkeit M := (R + × R 2 , f ∗ g 0 ).a) Berechnen Sie die Koeffizienten der Metrik und die Christoffelsymbole von M.


50 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrieb) Bestimmen Sie damit ∇ ei e j für die Standardbasis {e i : 1 ≤ i ≤ 3}. Welche Terme verschwinden?Wieso stimmt das Ergebnis mit der geometrischen Erwartung überein?c) Können Sie auch diejenigen Terme, die nicht verschwinden, geometrisch erklären?Aufgabe 33 – Vektorfelder längs einer Abbildung:Wir betrachten eine Abbildung F : M → N zwischen Mannigfaltigkeiten M und N. Eine (glatte)Abbildung Y : M → T N mit Y (p) ∈ T F (p) N für alle p ∈ M heißt Vektorfeld längs F .a) Veranschaulichen Sie sich die Definition in den folgenden Fällen. Können Sie jeweils Beispielefür Vektorfelder längs F angeben, die Sie bereits kennen?(i) M ist ein Intervall und F eine (nach Bogenlänge parametrisierte) Kurve.(ii) M ist eine offene Teilmenge von R 2 , N = R 3 und F eine Immersion.(iii) F : M → N ist eine Immersion.b) Geben Sie eine Darstellung eines Vektorfeldes Y längs F in lokalen Koordinaten an.c) Wir nehmen im Folgenden an, dass auf N ein Zusammenhang ∇ definiert ist. Definieren Siein diesem Fall die kovariante Ableitung ∇ X Y eines Vektorfeldes Y längs F in Richtung einesVektorfeldes X auf M. Benutzen Sie hierzu den bereits bekannten Begriff der kovariantenAbleitung längs einer Kurve und vergessen Sie nicht, die Wohldefiniert Ihrer Definition zuzeigen. (Tipp: Das Vorgehen in Abschnitt 2.5 ist sehr ähnlich.)Aufgabe 34 – Kovariante Ableitung auf der Sphäre S 2 :Zu einem Winkel gegenüber der Horizontalen ϑ ∈ ( − π 2 , π 2)sei durcht ↦→ γ(t, ϑ) := (cos ϑ cos t, cos ϑ sin t, sin ϑ),t ∈ [0, 2π),ein Breitenkreis auf der Einheitssphäre S 2 ⊂ R 3 gegeben. Seine Einheitstangente sei X(t, ϑ) :=γ ′ (t,ϑ)|γ ′ (t,ϑ)| , wobei γ′ (t, ϑ) die Ableitung nach t bedeutet.a) Berechnen Sie die kovariante Ableitung D dt X(t, ϑ) = ⊤ ( ddt X(t, ϑ)) . Was ist die kovarianteAbleitung von X(t, ϑ) längs des Äquatorkreises?b) Berechnen Sie die Projektionen 〈 Ddt X(t, ϑ), γ(t, ϑ)〉 und 〈 Ddt X(t, ϑ), X(t, ϑ)〉 für ϑ ∈ (− π 2 , π 2 ).Deuten Sie Ihre Ergebnisse geometrisch (Tipp: normal, tangential,ddt ‖X‖).Das Feld X(t, ϑ) ist für ϑ ≠ 0 nicht parallel. Wir konstruieren nun ein paralleles Feld.c) Bestimmen Sie ein Y (t, ϑ), so dass {X(t, ϑ), Y (t, ϑ)} eine orthonormale Basis der Tangentialebenean T γ(t,ϑ) S 2 bildet.d) Bestimmen Sie einen (konstanten) Drehwinkel α = α(ϑ), so dass das gegen den Breitenkreisγ(., ϑ) rotierende Feld Z(t, ϑ) := cos(αt)X(t, ϑ) + sin(αt)Y (t, ϑ) parallel wird.Aufgabe 35 – Test:a) Geben Sie für die Minkowski-Metriken (R n , 〈·, ·〉 k ) die metrischen Koeffizienten g ij an. GebenSie den Levi-Civita-Zusammenhang und die Parallelverschiebung dieser Metriken an.


ii 4.0 – Stand: 14. Mai 2013 51b) Gegeben sei eine Isometrie f : M → N zwischen Riemannschen Mannigfaltigkeiten M und N.Geben Sie Karten x von M und y von N an, so dass die Christoffel-Symbole der jeweiligenLevi-Civita-Zusammenhänge bezüglich dieser Karten übereinstimmen.c) Sei (x, U) Karte von M. Welche Aussage gilt für die Lieklammer [e i , e j ] von zwei Vektorender Standardbasis?d) Es sei ∇ ein torisonsfreier Zusammenhang auf einer Mannigfaltigkeit M n . Zeigen Sie, dass dieChristoffelsymbole Γ k ij des Zusammenhangs in diesem Fall symmetrisch sind, d.h. dass giltΓ k ij = Γ k ji für alle 1 ≤ i, j, k ≤ n.Aufgabe 36 – Parallelverschiebung:Sei c eine Kurve in einer Mannigfaltigkeit M und τ t : T c(0) M → T c(t) M die Parallelverschiebunglängs c. Zeigen Sie: τ t ist linear und bildet eine Basis auf eine Basis ab.Aufgabe 37 – Eigenschaften des Levi-Civita-Zusammenhangs:Betrachten Sie den Levi-Civita Zusammenhang, der durch die Koszul-Formel definiert ist. WeisenSie für ihn die vier Eigenschaften nach, die ein torsionsfreier und mit der Metrik verträglicherZusammenhang erfüllen muss. (Am besten in vier Gruppen, jeder eine Eigenschaft.)Aufgabe 38 – Produktmannigfaltigkeiten:Es seien M 1 und M 2 differenzierbare Mannigfaltigkeiten und M := M 1 × M 2 ihr Produkt. Sindg 1 und g 2 Riemannsche Metriken auf M 1 bzw. M 2 , so definieren wir die Produktmetrik auf Mdurchg (p,q) (X, Y ) := g 1 p(dπ 1 · X, dπ 1 · Y ) + g 2 q(dπ 2 · X, dπ 2 · Y )für alle (p, q) ∈ M und X, Y ∈ T (p,q) M, wobei π i die Projektion von M auf M i sei (i = 1, 2).a) Verifizieren Sie, daß g tatsächlich eine Riemannsche Metrik ist.b) Benutzen Sie die Koszul-Formel, um für den Levi-Civita-Zusammenhang auf der Produktmannigfaltigkeitzu zeigen: ∇ X Y = (∇ 1 dπ 1 X dπ 1Y, ∇ 2 dπ 2 X dπ 2Y )9. Vorlesung, Montag 12.11.124. Geodätische und ExponentialabbildungGeodätische wurden bereits in der Differentialgeometrie von Kurven und Flächen eingeführt.Hier wie dort gibt es zwei äquivalente Definitionen:• als “gerade” Kurven, d.h. Kurven mit verschwindender geodätischer Krümmung oder• als “kürzeste” Kurven bzw. als Kurven, die kritisch für die Bogenlänge sind.Die Diskussion ist über weite Strecken analog zum Flächenfall. Entstand dort durch dieAddition c(t) + sV (t) im Parametergebiet aus einer Kurve c und einem Vektorfeld V eine


52 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieVariation von c, so benötigen wir hier für diesen Zweck die Riemannsche Exponentialabbildung.Sie hat viele weitere Anwendungen.Mit Hilfe von Geodätischen werden wir die Geometrien von Mannigfaltigkeiten studieren.Ihre Spreizung wird sich als ein Maß der Krümmung herausstellen.4.1. Geodätische. Wir können eine Kurve c in M als Bewegung eines Massenpunktesverstehen. Leiten wir den Geschwindigkeitsvektors c ′ ab, so erhalten wir den BeschleunigungsvektorD dt c′ . Geodätische entsprechen den unbeschleunigten Bewegungen, d.h. ihrGeschwindigkeitsvektor bleibt (intrinsisch gesehen) konstant:Definition. Eine Kurve c: I → M heißt Geodätische, wenn D dt c′ = 0 für alle t ∈ I gilt,d.h. das Vektorfeld c ′ längs c ist parallel.Mit Hilfe von Satz 14 folgt sofort:Lemma 17. Geodätische c sind mit konstanter Geschwindigkeit ‖c ′ ‖ parametrisiert.Beispiele. 1. In (R n , 〈., .〉 k ) führt Integration der Bedingung c ′′ = 0 auf die Lösung c p,v (t) =p + tv für p, v ∈ R n und t ∈ R.2. Für (B n , 〈., .〉 k ) haben Geodätische die gleiche Form, existieren aber nur für ein beschränktesZeitintervall (für welches?).3. Für M = (S n , 〈., .〉) sind proportional zur Bogenlänge parametrisierte Großkreise tatsächlichGeodätische: Seien p ∈ S n und v ∈ T p S n ⊥ p. Für v = 0 setzen wir c :≡ p undsonst(29) c p,v (t) := cos ( t|v| ) p + sin ( t|v| ) v|v| , t ∈ R.Man rechnet schnell nach (c p,v (t)) ′′ = −|v| 2 c p,v (t), und daher (c ′′p,v(t)) ⊤ = 0.Wir wollen Geodätische auch geometrisch charakterisieren. Ist c beliebig, aber mit ‖c ′ ‖ ≡ 1parametrisiert, so deuten wir die Beschleunigung D dt c′ als geodätischen Krümmungsvektorvon c; dieser Vektor steht dann senkrecht auf c ′ (warum?). Wir bezeichnen κ geod := ‖ D dt c′ ‖als geodätische Krümmung von c. Für Punkte von Kurven mit ‖c ′ ‖ ̸= 0 können wir dieseBegriffe durch Umparametrisierung definieren; beispielsweise gilt für den Fall ‖c ′ ‖ ≡ a > 0,dass κ geod = ‖ D dt c′ ‖/a 2 (warum?). Wir folgern:Satz 18. Eine Kurve c mit ‖c ′ ‖ ≠ 0 ist Geodätische genau dann, wenn sie mit konstanterGeschwindigkeit parametrisiert ist und ihre geodätische Krümmung κ geod (t) verschwindet.Um eine lokale Darstellung anzugeben, schreiben wir eine Kurve γ = x◦c mit Hauptteil γ ′ .Aus (20) folgtDdt c′ = ∑ ( ddt γ′k + ∑ )γ ′i γ ′j Γ k ij ◦ c e k ◦ cki,j


ii 4.1 – Stand: 14. Mai 2013 53und c ist geodätisch genau dann, wenn das (nicht-lineare) Differentialgleichungssystemzweiter Ordnung in γ gilt(30) 0 = γ ′′k + ∑ i,jγ ′i γ ′j Γ k ij ◦ x −1 ◦ γ, k = 1, . . . , n.Innerhalb einer Karte können wir die Existenzaussage des Satzes von Picard-Lindelöf anwenden,um das Gleichungssystem (30) lokal zu lösen:Satz 19. Seien p ∈ M und v ∈ T p M. Dann existiert für ein ε > 0 die Geodätische(31) c p,v : (−ε, ε) → M mit Anfangswerten c p,v (0) = p, c ′ p,v(0) = v.Je zwei Lösungen zu denselben Anfangswerten stimmen auf dem Schnitt ihres Definitionsbereichesüberein (Eindeutigkeit).Nach der Eindeutigkeitsaussage des Satzes von Picard-Lindelöf ist die Lösung unabhängigvon der gewählten Karte; daraus folgt die Eindeutigkeit von Geodätischen. Geodätischesind Riemannsche Objekte in folgendem Sinn:Lemma 20. Ist c: I → (M, g) geodätisch, und f : (M, g) → ( ˜M, ˜g) lokale Isometrie, so istauch f ◦ c: I → ( ˜M, ˜g) geodätisch.Beweis. Für t ∈ I wählen wir eine Karte (x, U) von M um c(t). Dann ist x ◦ f −1 lokaldefiniert und eine Karte von ˜M um f(c(t)). Bezüglich der jeweiligen Standardbasen giltdann ˜g ij = g ij laut (5). Also stimmen die beiden Levi-Civita-Ableitungen überein, und mit(28) folgt Γ k ij = ˜Γ k ij. Es gilt also in einer Umgebung von t lokal dasselbe Differentialgleichungssystemgilt. Daher stimmen die Lösungen überein.□Beispiele. Operiert eine diskrete Gruppe G auf einer Mannigfaltigkeit M durch Isometrien,so ist nach Satz I.3 die Projektion π : M → M/G lokale Isometrie.1. Die Geodätischen von RP n = (S n , 〈., .〉)/{± id} erhalten wir als Projektionen π(c p,v (t))der Großkreisparametrisierungen (29). Wegen c p,v (t + π/|v|) = −c p,v (t) halbiert sich diePeriode gegenüber S n .2. Im Falle der flachen Tori T n = (R n , 〈., .〉)/Γ lösen also die Projektionen von Geraden,c p,v (t) = π(p + tv), das Anfangswertproblem; sie sind für t ∈ R definiert. Falls av ∈ Γ mita ∈ R \ {0}, so sind die Bildkurven c p,v (R) kompakt in T n , denn c p,v (t + a) = π ( p + (t +a)v ) = π(p + tv) = c p,v (t). Wenn nicht, ist die Geodätische injektiv, aber ihr Bild ist keineUntermannigfaltigkeit. Das Bild kann dicht T n liegen. (Siehe Übungen).Für spätere Zwecke halten wir noch fest, wie sich Geodätische unter Umparametrisierungenmit konstanter Geschwindigkeit verhalten:


54 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieLemma 21. Sei c p,v : (−ε, ε) → (M, g) und a ∈ R. Dann gilt c p,v (at) = c p,av (t), d.h.˜c(t) := c p,v (at) ist auf (−ε/a, ε/a) geodätisch mit Anfangswerten ˜c(0) = p und ˜c ′ (0) = av.Beweis. (i) Wir lassen den Index p, v weg. Es gilt ˜c ′ (t) = ac ′ (at), und daher sind Anfangswertevon ˜c der Punkt p und Richtung av. Weiter ist ˜c geodätisch, denn∇˜c ′˜c ′ (t) = ∇ ac ′ac ′ (at) = a 2 ∇ c ′c ′ (at) = 0.(ii) Die beiden Kurven haben dieselben Anfangswerte p, av. Nach dem Eindeutigkeitssatzstimmen sie daher für alle t überein.□4.2. Exponentialabbildung. Eine besonders gute Karte um einen Punkt p einer Mannigfaltigkeiterhält man, indem man Ursprungsstrahlen auf Geodätische durch p abbildet:Definition. Sei (M, g) semi-Riemannsch. Die Abbildungexp p : E(p) := {v ∈ T p M : c p,v (t) existiert für t ∈ [0, 1]} → M, exp p (v) := c p,v (1),heißt Exponentialabbildung.Natürlich ist die Exponentialabbildung exp p allein durch die Lösungen einer Differentialgleichungdefiniert, so dass wir über E(p) zunächst nicht viel sagen können. Dennoch wirdsich exp als nützlich herausstellen.Unter der Exponentialabbildung gehen die Ursprungsgeraden s ↦→ sv ∈ E(p) in T p M aufGeodätische, dennexp p (sv) = c p,sv (1) = c p,v (s)(nach Lemma 21 mit t := 1, a := s). Nach Definition von E(p) ist mit v ∈ E(p) unds ∈ [0, 1] auch sv ∈ E(p). Insbesondere ist der Definitionsbereich E(p) von exp p sternförmigum 0.Beispiele. 1. M = R n : exp p (v) = p + v und E(p) = T p R n = R n .2. M = S n : Es ist E(p) = T p S n und aus (29) folgtexp p (0) = p und exp p (v) = (cos |v|) p + (sin |v|) v|v|für v ≠ 0.Insbesondere bildet exp p folgende Teilmengen von T p M auf Punkte ab: {v ∈ T p M, ‖v‖ =π} ↦→ −p und {v ∈ T p M, ‖v‖ = 2π} ↦→ p, und so weiter. (Analog für M = RP n .)Für M := S n \ {−p} ist exp p nur auf einem offenem Ball B π (0) ⊂ T p S n definiert.3. Für M = SO(n) ⊂ R n2 kann man folgendes zeigen. Dies ist eine Mannigfaltigkeit, derenTangentialraum an die Einheitsmatrix E ∈ SO(n) durch den Raum der schiefen Matrizengegeben ist; insbesondere hat M die Dimension n(n−1) . Ist V ∈ T2 E M eine schiefe Matrix,so wird eine Geodätische durch E durch die Kurve c E,V (t) = ∑ ∞ 1k=0(tV k! )k dargestellt. DieReihe exp E (V ) = E + V + 1V 2 + 1 V 3 + . . .. hat den Namen Exponentialabbildung geprägt2 3!


10. Vorlesung, Mittwoch 14.11.12ii 4.2 – Stand: 14. Mai 2013 55Wir zeigen nun, dass E(p) immer eine Umgebung der 0 enthält.Satz 22. (i) Es gibt eine offene Umgebung E des Nullschnitts M × {0} ⊂ T M, auf derexp definiert ist. Insbesondere ist E(p) eine sternförmige offene Umgebung der 0.(ii) exp p : E(p) → M ist differenzierbar.Beweis. (i) Wir betrachten exp als eine Abbildungexp: E := { (p, v) ∈ T M : c p,v (s) existiert für s ∈ [0, 1] } → M.Sei (p, v) ∈ E. Weil Geodätische auf offenen Intervallen existieren, gibt es ein ε > 0,so dass c p,v auf [0, 1 + ε) definiert ist. Wegen der stetigen Abhängigkeit der Lösung derGeodätischen-Gleichung von den Anfangswerten gilt dies sogar noch in einer kleinen Umgebungvon (p, v). Also ist E eine offene Teilmenge von T M.Weil M × {0} in E enthalten ist und E offen ist, stellt E eine offene Umgebung dieserMenge dar.(ii) Die Lösungen c p,v (1) der Geodätischen-Gleichung hängen differenzierbar von den Anfangswertenp, v ab.□Wir wollen nun das Differential von exp betrachten. Wegen exp p : T p M → M gehtd(exp p ) v : T v (T p M) → T expp (v)M.Geometrisch verstehen wir d(exp p ) v · w ∈ T expp (v)M als Änderungsrichtung von exp p (v),wenn man v ∈ T p M in Richtung w ∈ T v T p M ändert.Beispiel. S n . Es sei S π := {v ∈ T p M, ‖v‖ = π}. Weil von p ausgehende Geodätische der∣Länge π als Endpunkt −p haben, gilt exp ∣Sπ p ≡ −p. Ist also v ∈ S π und w ∈ T v T p M einVektor, der tangential an S π ist, so haben wir verschwindende Ableitung (d(exp p ) v )w = 0.Andererseits verlängern sich die Geodätischen c p,v (1), wenn man v in radialer Richtungvändert, d.h. auf Ableitungsniveau gilt (d exp p ) v · = ‖v‖ c′ p,v/‖v‖ (π).Der Raum T p M ist Vektorraum, und es ist üblich, den Tangentialraum an einen Vektorraummit dem Vektorraum selbst zu identifizieren. Dies geschieht über Parallelverschiebung, diein diesem Falle kanonisch ist: Man muss nur den Fußpunkt vergessen. Dies tut man bei derDifferentialrechnung in R n ohnehin. Durch diese Identifikation wird der Definitionsbereichvon d exp p zu T v T p M = T p M. Speziell für v = 0 ergibt sichd(exp p ) 0 : T 0 T p M ∼ = T p M → T expp (0)M = T p M.Unter Benutzung dieser Identifikation behaupten wir:Satz 23. exp p (0) = p und d(exp p ) 0 = id.


56 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeweis. Für ϕ: R n → N ist laut Kettenregelddt ϕ(x + tv)∣ ∣t=0= dϕ x · v. Entsprechend istd(exp p ) 0 · v = d dt exp p(0 + tv) ∣ t=0= d dt c p,tv(1) ∣ Lemma 21(ii)t=0=ddt c p,v(t) ∣ ∣t=0= v.Korollar 24. Für jedes p ∈ M besitzt der Tangentialvektor 0 ∈ T p M eine Umgebung V (p),so dass exp p : V (p) → M Diffeomorphismus auf sein Bild ist.□Beweis. Nach dem Satz hat exp p in 0 vollen Rang. Der Umkehrsatz gibt die Behauptung.□Beachten Sie, dass V (p) wirklich von p abhängt: Auf einer sich verjüngenden Rotationsfläche(z.B. der Pseudosphäre) wird V (p) immer kleiner, wenn p nach unendlich läuft. InSpezialfällen kann man maximale Mengen, auf denen exp p Diffeomorphismus ist, explizitbeschreiben:Beispiele. 1. R n k : Rn , 2. S n : B π , 3. RP n : B π/2 .Als eine Folgerung aus dem Korollar gewinnen wir nun spezielle Koordinaten. Sie sindgut an die Geometrie angepasst und daher für viele Zwecke tatsächlich am besten. Auchwenn ich leider in dieser Vorlesung Ihnen kein Beispiel dafür gebe, rechnet man vieledifferentialgeometrische Behauptungen recht einfach in diesen speziellen Koordinaten nachund überzeugt sich dann, dass das Ergebnis auch allgemein gilt.Satz 25 (Normalkoordinaten). Sei (M, g) semi-Riemannsch und p ∈ M. Dann gibt es eineUmgebung U von p so dass x := exp −1p : U → R n eine Karte ist mitg ij (p) = ±δ ij und Γ k ij(p) = 0 für alle i, j, k;dabei tritt das negative Vorzeichen ind g-mal auf.Diese Aussagen gelten allein im Punkt p. In der elementaren Differentialgeometrie habenwir übrigens die gleiche Aussage schon für die lokale Normalform einer Fläche gezeigt.Beweis. Auf dem Vektorraum T p M stellt g eine nicht-ausgeartete symmetrische Bilinearformvom Index k dar. Nach dem Satz über die Hauptachsentransformation gibt es dahereine Basis (v 1 , . . . , v n ), so dass g(v i , v j ) = ±δ ij , wobei genau k der n Paare i = j einMinuszeichen erhalten.Wir wählen nun U entsprechend dem letzten Korollar und betrachten wir den Vektorv = ∑ ξ i v i ∈ x(U) ⊂ T p M. Die Kurven t ↦→ exp p (tv i ) = c p,tvi (1) = c p,vi (t) erfüllenc ′ (0) = v i . Also gilt g ij (p) = g(v i , v j ) = ±δ ij .


ii 4.3 – Stand: 14. Mai 2013 57Wir schreiben nun einen Vektor v ∈ T p M als v = ∑ i ξi e i . Die Ursprungsgeraden t ↦→ tvhaben Kurven c(t) := exp p (tv) als Bilder, deren Tangente c ′ einen konstanten Hauptteil γ ′besitzt. Also ist d dt γ′ = 0 und die Geodätischen-Gleichung (30) ergibt(32) 0 = ∑ i,jγ ′i γ ′j Γ l ij ◦ c, l = 1, . . . , n.Speziell in p wird jeder Vektor ξ ∈ R n durch die Tangente γ ′ einer Kurve realisiert. Esgilt daher 0 = ∑ i,j ξi ξ j Γ l ij(p) für jedes ξ ∈ R n . Aber das bedeutet, dass die quadratischeForm ξ ↦→ ∑ i,j Γl ij(p)ξ i ξ j verschwindet. Durch Polarisierung folgt, dass die zugehörigeBilinearform verschwindet, also Γ l ij(p) = 0.□4.3. Erste Variation der Bogenlänge. Eine Hauptfrage der Riemannschen Geometrieist, wann Geodätische Kürzeste sind. Um diese Frage präzise formulieren zu können, wollenwir zunächst untersuchen, wie sich die Bogenlänge ändert, wenn wir die Kurve variieren,d.h. zu nah benachbarten Kurven übergehen.Wir verallgemeinern zuerst das Lemma von Schwarz auf Abbildungen h: Ω ⊂ R 2 → M.Falls X, Y Vektorfelder auf M sind mit X ◦ h = ∂ h und Y ◦ h = ∂ h so folgt aus der Charakterisierungder Lie-Klammer [X, Y ] ◦ h = 0. Nach (33) ergibt das die Vertauschbarkeit∂s ∂t(∇ Y X) ◦ h = (∇ X Y ) ◦ h. Falls h eine Immersion ist, so zeigt eine Variante von Lemma12, dass sich ∂ h und ∂ h stets lokal fortsetzen lassen. Die Vertauschbarkeit gilt aber auch∂s ∂tohne diese Annahme:Lemma 26. Sei Ω ⊂ R 2 offen und h ∈ C ∞ (Ω, M). Dann gilt(33)D ∂dt ∂s h = D ∂ds ∂t h.Dabei haben wir auf der linken Seite ∂ ∂s h als Vektorfeld längs der Kurve t ↦→ h s(t) aufgefasstfür jedes s, und rechts ∂ ∂t h als Vektorfeld längs s ↦→ h s(t) für jedes t.Beweis. Das Vektorfeld X = ∂h ist für alle (s, t) ∈ Ω definiert. Längs jeder Kurve t ↦→ h ∂s s(t)haben wir dann zwei Vektorfelder definiert: die Tangentialvektoren ∂h und X. Eine lokale∂tDarstellung für D X ist gemäß (21)dtD ∂hdt ∂s = ∑ ( ∂ ∂h k∂t ∂s + ∑ Γ k ij ◦ h ∂hi ∂h j )e k ◦ h für alle (s, t) ∈ Ω.∂s ∂tki,jGanz analog ergibt sich bei Vertauschung der Rollen von s und t:D ∂hds ∂t = ∑ ( ∂ ∂h k∂s ∂t + ∑ Γ k ij ◦ h ∂hi ∂h j )e k ◦ h für alle (s, t) ∈ Ω.∂t ∂ski,jDie ersten Summen in den beiden Darstellungen stimmen laut Schwarzschem Lemma überein,die zweiten als eine Konsequenz der Torsionsfreiheit Γ k ij = Γ k ji aus (23).□


58 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie11. Vorlesung, Montag 19.11.12Definition. Sei c: I = [a, b] → M differenzierbare Kurve.(i) Eine Variation von c ist eine differenzierbare Abbildungh: (−δ, δ) × I → M, (s, t) ↦→ h s (t) = h(s, t), mit h 0 (t) = c(t).(ii) Das Vektorfeld V (t) := ∂ ∂s h s(t)| s=0 längs c heißt Variations-Vektorfeld von h.(iii) h bzw. V heißt eigentlich, wenn h s (a) = c(a), h s (b) = c(b) für alle s.Lemma 27 (1. Variation). Sei M semi-Riemannsch, c ∈ C ∞ ([a, b], M) differenzierbar mitg(c ′ , c ′ ) ≠ 0 konstant. Ist h s eine Variation mit Vektorfeld V längs c, so gilt(34) δ V L(c) := d ds (L(h s))| s=0 = 1 k g(V, ∣c′ )wobei k := ‖c ′ ‖ sign g(c ′ , c ′ ).∣ b a− 1 k∫ bag(V (t), D )dt c′ dt.Man nennt (34) die erste Variation der Bogenlänge in Richtung V . Beachten Sie, dass dierechte Seite allein von V , aber sonst nicht von h s abhängt. Das rechtfertigt die Schreibweiseδ V L(c).Wir erläutern die beiden Terme von (34):• Der erste Term gibt an, wie sich die Kurve verkürzt oder verlängert, wenn man dieEndpunkte von c verändert. Z.B. verlängert sie sich für V (b) = c ′ (b), und sie bleibt inerster Ordnung gleich lang, wenn man c(b) senkrecht zur Tangente c ′ (b) verschiebt. DerTerm verschwindet stets, wenn die Variation eigentlich ist.• Der zweite Term ist für uns entscheidend. Verändert man die Kurve in Richtung ihresKrümmungsvektors, V (t) = D dt c′ , so wird sie kürzer, und umgekehrt. Überlegen Sie sichauch den Effekt einer Umparametrisierung. Der Integrand verschwindet, wenn die Kurvegeodätisch ist D dt c′ ≡ 0.Veranschaulichen Sie sich die Effekte an konkreten Beispielen.Beweis. Es ist∫L(h s ) =‖h ′ s‖ dt =∫ √|g(h′s , h ′ s)| dtmit ‖h ′ 0(t)‖ > 0 für alle t. Weil (s, t) ↦→ ‖h ′ s(t)‖ stetig ist, und [a, b] kompakt, können wirnach Verkleinerung von δ annehmen, dass g ( h ′ s(t), h ′ s(t) ) ≠ 0 für |s| < δ und t ∈ [a, b].Dann ist ε := sign ( g(h ′ s, h ′ s) ) unabhängig von s, t und der Integrand ist differenzierbar.


ii 4.3 – Stand: 14. Mai 2013 59Wir berechnen nun die erste Variation, indem wir unterm Integral differenzieren und dabeibenutzen, dass der Levi-Civita-Zusammenhang Riemannsch ist:δ V L(c) = d ds L(h s) ∣ s=0= d ∫ b√∂εg(ds a ∂t h s(t), ∂ )∂t h s(t) dt∣s=0∫ b1D=a 2 √ ∂2ε g(εg(., .)| s=0ds ∂t h s(t) ∣ , ∂ )s=0 ∂t h s(t) ∣ dts=0(33)= ε ∫ b( D ∂)gk dt ∂s h s(t) ∣ , c ′ (t) dt = ε ∫ b D)g(s=0 k dt V (t), c′ (t) dtaDie Behauptung folgt nun durch partielle Integration:δ V L(c) = ε ∫ bdk dt g( V (t), c ′ (t) ) (− g V (t), D )dt c′ (t) dtaDefinition. Eine Kurve c heißt kritisch für die Bogenlänge, wenn δ V L(c) = 0 für jedeeigentliche Variation h s von c gilt.Diese Eigenschaft charakterisiert Geodätische:Satz 28. Sei c: [a, b] → M eine nirgends lichtartige Kurve, also g(c ′ , c ′ ) ≠ 0. Dann istc geodätisch ( D dt c′ = 0) genau dann, wenn g(c ′ , c ′ ) konstant ist und c kritisch für die Bogenlänge.Beweis. “=⇒” Aus D dt c′ = 0 folgt k := ‖c ′ ‖ > 0 konstant nach Lemma 17. Weil h s eigentlichist, gilt nach der ersten Variationsformel (34) deshalb δ V L(c) = 0.“⇐=” Wir zeigen das Verschwinden der geodätischen Krümmung D dt c′ (t 0 ) = 0 nur fürt 0 ∈ (a, b). Wegen der Stetigkeit von D dt c′ ergibt dies die Behauptung.Für ξ > 0 klein gibt es eine Hutfunktion f = f ξ ∈ C ∞ ([a, b]), so dass der Träger in[t 0 − ξ, t 0 + ξ] ⊂ (a, b) liegt, 0 ≤ f ≤ 1 und f(t 0 ) = 1. Sei weiterhin y ein beliebiger Tangentialvektoran M in c(t 0 ). Wir erweitern y zu einem Vektorfeld Y längs c, beispielsweisedurch Parallelverschiebung. Setzen wir V := fY , so ist die Variation( )h s (t) := exp c(t) sV (t)wegen f(a) = f(b) = 0 eigentlich. Sie hat V als Variationsvektorfeld, denn∂∂s h s(t) ∣ s=0= d ds exp ( )∣c(t) sV (t) ∣s=0Satz 23= (d exp c(t) ) 0 V (t) = V (t).Wir betrachten nun die Menge K := c([a, b]) ⊂ M. Nach Satz 22 ist exp auf einer Umgebungder Menge K × {0} ⊂ T M definiert. Weiterhin ist h s ([a, b]) eine kompakte Menge,die stetig von s abhängt. Ein Kompaktheitsargument zeigt daher die Existenz eines δ > 0,so dass für |s| < δ auch die Variationskurven h s ([a, b]) in dieser Umgebung enthalten sind.a□


60 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWeil h s eigentlich ist, folgt0 = δ V L(c) (34)= − ε k∫ bag(V (t), D )dt c′ dt = − ε ∫ t0 +ξ (f ξ (t)g Y (t), D )k t 0 −ξdt c′ (t) dtfür alle ξ > 0 klein und jedes Y . Weil der Integrand stetig in t ist, muss sogarg ( Y, D dt c′ (t 0 ) ) = 0 für alle Y ∈ T c(t0 )Mgelten. Die semi-Riemannsche Metrik g ist aber nicht ausgeartet, woraus wie gewünschtDdt c′ (t 0 ) = 0 folgt.□Bemerkungen. 1. Im Riemannschen Fall kann man im Beweis y := D dt c′ (t 0 ) setzen, denn ausg(y, y) = 0 folgt dann direkt y = 0.2. Eine interessante Frage ist, wann ein kritischer Punkt c = h 0 auch Minimum von s ↦→ L(h s ) ist,d.h. wann c die Länge zwischen den Endpunkten lokal minimiert. Ganz analog zum Fall kritischerPunkte von Funktionen, für den die zweite Ableitung (bzw. Hesseform) eine hinreichende Antwortauf diese Frage gibt, ist für Kurven Positivität einer zweiten Variation hinreichend für Minimalität.3. Die Bogenlänge merkt nicht, welche Parametrisierung verwendet wird. Daher mussten wirzusätzlich zu δ V L(c) = 0 auch noch ‖c ′ ‖ konstant voraussetzen. Die (mathematische) EnergieE(c) := 1 ∫2 ‖c ′ ‖ 2 dt ist besser: Man rechnet nach (Übung)δ V E(c) = g(V, c ′ ) ∣ ∫ b (b a − g V (t), D dt c′) dt,so dass kritische Punkte von E mit konstanter Geschwindigkeit parametrisierte Geodätische sind:δ V E(c) = 0 für alle V mit V (a) = V (b) = 0 ⇐⇒ c Geodätische =⇒ ‖c ′ ‖ konstantBetrachten wir als physikalisches Modell ein Gummiband. Kritische Punkte der Energie sindGleichgewichtslagen des Gummibandes. Dabei ist ‖c ′ ‖ eine Spannung, die im Gleichgewicht injedem Punkt gleich groß sein muss.a4.4. Stückweise differenzierbare Kurven. Stückweise differenzierbare Kurven betrachtetman, da erst diese Klasse von Kurven abgeschlossen bezüglich Hintereinanderhängenist – Sie kennen das aus der Funktionentheorie. Wir werden in dieser größeren Klasse allerdingskeine zusätzlichen kritischen Punkte der Bogenlänge finden; das überrascht nicht,denn Kurven werden nicht dadurch kürzer, dass man Ecken in sie einbaut.Definition. (i) Eine Kurve c ∈ C 0 ([a, b], M) zusammen mit einer Zerlegung Z ∈ R l+1 derForm a = t 0 < t 1 < . . . < t l = b heißt stückweise differenzierbar, wenn alle Einschränkungenc| [ti−1 ,t i ] differenzierbar sind.(ii) Eine gebrochene Variation von (c, Z) ist eine Abbildung h ∈ C 0( (−δ, δ) × [a, b], M ) , sodass jede Einschränkung h: (−δ, δ) × [t i−1 , t i ] → M differenzierbare Variation von c| [ti−1 ,t i ]ist.


ii 4.5 – Stand: 14. Mai 2013 61Für t ∈ [a, b]\Z können wir die gebrochene Variation nach s ableiten und erhalten dadurchein stückweise differenzierbares Vektorfeld V (t) := ∂hs (t)| ∂s s=0 längs c als Variationsfeld;umgekehrt liefert Exponenzieren wieder eine gebrochene Variation.Erklärt man schließlich die Bogenlänge von (c, Z) durch L(c) := ∑ li=1 L(c| [t i−1 ,t i ]), so kannman durch Anwenden von (34) auf jedes Teilintervall [t i−1 , t i ] erhalten:Satz 29. Sei (c, Z) stückweise differenzierbare Kurve. Auf [a, b]\Z sei g(c ′ , c ′ ) ≠ 0 konstantund k := ‖c ′ ‖ sign g(c ′ , c ′ ). Für jede gebrochene Variation h s (t) mit Variationsfeld V gilt(35) δ V L(c) = 1 kl∑g ( V, c ′)∣ t∣ − ii=1t + i−1− 1 k∫ bag(V (t), D )dt c′ dt.Dabei ist c ′ (t + i ) := lim t↘t ic ′ (t); entsprechend für minus.12. Vorlesung, Mittwoch 21.11.12Wenn die erste Variation von stückweise differenzierbaren Kurven verschwindet, so sindsolche Kurve wiederum Geodätische. Sie besitzen also keine Ecken:Satz 30. Sei (c, Z) stückweise differenzierbare Kurve und ‖c ′ ‖ ≠ 0 konstant auf [a, b] \ Z.Dann ist c eine differenzierbare Geodätische (also D dt c′ = 0 auf [a, b]) genau dann, wenn giltδ V L(c) = 0 für jede eigentliche gebrochene Variation h s von c mit Variationsfeld V .Beweis. “=⇒” Ist c differenzierbar, so folgt c ′ (t − i ) = c′ (t + i ). Daher wird der erste Term von(35) zu einer Teleskopsumme, die verschwindet; der zweite verschwindet ohnehin.“⇐=” Satz 28 zeigt, dass auf jedem glatten Teilstück von c die geodätische KrümmungDdt c′ verschwindet. Es bleibt also zu zeigen, dass c in allen t i glatt ist (i = 1, . . . , l − 1).Wir bemerken zuerst, dass sich y ∈ T c(ti ) wiederum zu einem stückweise differenzierbaremVektorfeld Y längs c fortsetzen lässt. Sei weiter f ≥ 0 eine Hutfunktion mit f(t i ) = 1 undTräger in (t i−1 , t i+1 ). Für das Feld V := fY ergibt h s (t) := exp c(t)(sV (t))eine eigentlicheVariation. Die erste Variation (35) dafür lautet0 = δ V L(c) = 1 k(g ( y, c ′ (t − i )) − g ( y, c ′ (t + i ))) = 1 k g( y, c ′ (t − i ) − c′ (t + i ))für alle y. Es folgt c ′ (t − i ) = c′ (t + i). Dies zeigt, dass c einmal differenzierbar ist.Aber jede C 1 -Lösung c der Differentialgleichung D dt c′ = 0 ist tatsächlich sogar C ∞ : Inγ ′′k = − ∑ ij (Γk ij ◦ γ)γ ′i γ ′j ist die rechte Seite stetig in t, also existiert auch γ ′′ (t i ). Aberdann ist die rechte Seite in C 1 , also die linke in C 3 , etc.□


62 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie4.5. Kürzeste.Definition. Eine stückweise differenzierbare Kurve c: I → M heißt Kürzeste, wenn fürjedes [a, b] ⊂ I und jede stückweise differenzierbare Kurve ˜c: [0, 1] → M von c(a) nach c(b)giltL(c| [a,b] ) ≤ L(˜c).Beispiele. 1. Auf S n sind Großkreisbögen bis zur Länge π Kürzeste.2. In R n \ B 1 (0) gibt es keine Kürzeste zwischen ±2e 1 .3. Jede lichtartige Kurve ist Kürzeste.Satz 31. Sei c eine stückweise differenzierbare Kürzeste mit g(c ′ , c ′ ) ≠ 0 konstant. Dannist c geodätisch, insbesondere differenzierbar.Beweis. Nach Einschränkung auf [a, b] ⊂ I gilt L(c) ≤ L(h s (t)) für jede eigentliche Variationh s von c. Also hat s ↦→ L(h s (t)) ein Minimum in s = 0, das heißt δ V L(c) = 0. AusSatz 30 folgt die Behauptung.□Wir behandeln nun noch ein Beispiel, und zwar Geodätische und Kürzeste auf dem quadratischenTorus T 2 := R 2 /Z 2 .Weil die Projektion π : R 2 → T 2 lokal isometrisch ist, sind alle Geodätischen von T 2 inProjektionen von Geraden des R 2 enthalten. Wir wählen P, Q ∈ R 2 mit p = π(P ) undq = π(Q) und setzen Q m,n := Q + (m, n). Ist G m,n ⊂ R 2 Geradenstück von P nach Q m,n ,so projiziert es auf eine Geodätische c m,n von p nach q. Dies sind alle Geodätischen, weiljede Homotopieklasse von Kurven von p nach q durch eine Kurve c m,n repräsentiert wird,und c m,n sogar eindeutige Geodätische in seiner Klasse ist (warum?).Unter den Geodätischen c m,n ist normalerweise eine die Kürzeste. Es können aber maximalvier Kürzeste existieren, z.B. für Q = P +(1/2, 1/2). Sind auch genau zwei oder genau dreiKürzeste möglich?4.6. Gauß-Lemma. Wir betrachten nun d exp an einer beliebigen Stelle. Weil exp p (tv) =c p,v (t) geodätischer Strahl ist, ist(36) ‖d(exp p ) v · v‖ =∥ d dt exp p tv ∣ ∣t=1∥ ∥∥ =∥ ∥∥ ddt c p,v(t) ∣ ∣t=1∥ ∥∥ Geod. haben konst. Geschw.= ‖v‖.Andererseits scheint es, dass man für einen Vektor w ⊥ v nicht viel sagen kann: d(exp p ) v wkann verschwinden (z.B. auf der Sphäre für ‖v‖ = π), oder aber auch groß sein (beispielsweiseim Hyperbolischen). Dennoch hat man noch eine Aussage:


ii 4.6 – Stand: 14. Mai 2013 63Lemma 32 (Gauß-Lemma). Sei (M, g) semi-Riemannsch und p ∈ M, v ∈ T p M, so dassexp p (v) definiert ist. Dann gilt für jedes w ∈ T p Mg ( d(exp p ) v · v, d(exp p ) v · w ) = g(v, w).Auch in dieser Aussage haben wir den Vektorraum T p M mit T v T p M durch Parallelverschiebungidentifiziert. Man kann die Aussage folgendermaßen verstehen: In radialer Richtungist exp isometrisch (wähle für w ein skalares Vielfaches von v). Eine dazu orthogonaleRichtung (wähle w mit g(v, w) = 0) hat unter exp immerhin auch ein dazu orthogonalesBild.Beweis. Wir betrachten die Geraden t ↦→ t(v + sw) in T p M und ihr Bild unter der Exponentialabbildung,h(s, t) := exp p t(v + sw) = c p,v+sw (t), t ∈ [0, 1], −δ < s < δ.Wegen der Offenheit des Definitionsbereichs der Exponentialabbildung existiert ein δ > 0für das die Abbildung erklärt ist.Die Variationsvektoren in den Endpunkten lauten∂h∂s (0, 1) = d ds exp p(v + sw) ∣ ∣s=0Kettenr.= d(exp p ) v w,Weiter ist die Endpunktstangente der Kurve mit s = 0∂h∂t (0, 1) = d dt exp p t(v + 0w) ∣ ∣t=1Kettenr.= d(exp p ) v v.∂h∂s (0, 0) = d ds exp p 0 ∣ ∣s=0= 0.Es folgtg ( d(exp p ) v · v, d(exp p ) v · w ) ( ∂h ∂h)= g (0, 1),∂t ∂s (0, 1)(Hauptsatz ∂h ∂h) ∫(37)1d( ∂h= g (0, 0), (0, 0) +∂t } ∂s {{ } 0 dt g ∂h)(0, t),∂t ∂s (0, t) dt=0Wir rechnen nun den Integranden aus. Für jedes s ist die radiale Kurve t ↦→ h(s, t)geodätisch, also D ∂h(s, t) = 0. Daher gilt für alle s, tdt ∂td( ∂h(38)dt g ∂t , ∂h ) ( ∂h= g∂s ∂t , D ∂h) (33)( ∂h= gdt ∂s ∂t , D ∂h)= 1 d( ∂hds ∂t 2 ds g ∂t , ∂h ).∂tHierbei haben wir die Torsionsfreiheit von ∇ und die Verträglichkeit mit der Metrik benutzt.Um weiter die rechte Seite zu berechnen, betrachten wir die Kurve t ↦→ h(s, t). Sie hatAnfangsgeschwindigkeit ∂h (s, 0) = v +sw. Weil sie geodätisch ist, hat ihr Tangentialvektor∂t


64 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriefür alle t dieselbe Länge (Lemma 17). Deshalb gilt für alle s, t:( ∂h ∂h) ( ∂hg (s, t),∂t ∂t (s, t) ∂h)= g (s, 0),∂t ∂t (s, 0) = g ( v + sw, v + sw )Spezialisieren wir nun auf s = 0 und setzen dieses Resultat in (38) ein, so ergibt sich(39)d( ∂hdt g ∂h)(0, t),∂t ∂s (0, t) = 1 d∣2 ds g(v + sw, v + sw) ∣∣s=0= g(v, w) für alle t.In (37) ersetzen wir nun den Integranden durch diesen in t konstanten Wert. Daraus erhaltenwir die gewünschte Behauptung.□4.7. Übungsaufgaben.Aufgabe 39 – Quiz zu Geodätischen:a) Eine konstante Kurve c(t) ≡ p ist Geodätische.b) Multipliziert man die Metrik g mit einer Konstanten λ > 0, so bleiben gleich: [X, Y ] ja/nein,Levi-Civita-Zusammenhang ∇ X Y ja/nein, Parallelverschiebung ja/nein, Geodätische ja/nein.c) Die Differentialgleichung für Parallelverschiebung ist eine gewöhnliche Differentialgleichungmit den Eigenschaften: autonom/nicht-autonom, linear/nicht-linear, von . . . Ordnung.d) Die Differentialgleichung für Geodätische ist eine gewöhnliche Differentialgleichung mit denEigenschaften: autonom/nicht-autonom, linear/nicht-linear, von . . . Ordnung.e) Sei c: I → M eine nicht-konstante Geodätische. Wie muss ein Diffeomorphismus von Intervallenh: J → I aussehen, damit c ◦ h wieder geodätisch ist?Aufgabe 40 – Geodätische und Injektivitätsradius:a) Geben Sie ein Beispiel für eine Riemannsche Mannigfaltigkeit M und zwei Punkte p, q ∈ Man, zwischen denen keine Kürzeste existiert.b) Geben Sie zwei geometrisch verschiedene Beispiele von Riemannschen Mannigfaltigkeiten an,so dass zwischen zwei Punkten p, q ∈ M unendlich viele Geodätische existieren.c) Der Injektivitätsradius einer Riemannschen Mannigfaltigkeit M ist definiert alsInj(M) := inf inj M(p) mit inj M (p) := sup{exp p : B r (0) → M ist injektiv} ∈ (0, ∞].p∈M(i) Bestimmen Sie den Injektivitätsradius von R n , S n , Zylinder und Rotationstorus.(ii) Wie sieht eine Mannigfaltigkeit aus, deren Injektivitätsradius verschwindet?r∈RAufgabe 41 – Christoffelsymbole der hyperbolischen Ebene:Wir betrachten das obere Halbebenen-Modell U 2 von H 2 .a) Berechnen Sie die Christoffel-Symbole.


) Bestimmen Sie die Geodätischen.ii 4.7 – Stand: 14. Mai 2013 65Hinweis: Das Ergebnis sollen Strahlen senkrecht zur x-Achse sein, sowie Halbkreise mit Mittelpunktauf der x-Achse.c) Zwei Geodätische heißen parallel, falls sie keine gemeinsamen Punkte besitzten.Zeigen Sie, dass es zu jeder Geodätischen γ in U 2 und jedem nicht auf γ liegenden Punktp ∈ U 2 unendlich viele zu γ parallele Geodätische durch p gibt.Bemerkung: Die hyperbolische Halbebene bildet also eine Geometrie, in der das Parallelenaxiomverletzt ist.Aufgabe 42 – Geodätische auf dem Zylinder:Es sei Z ein Zylinder in R 3 , z.B. Z = {(x, y, z) : x 2 + y 2 = 1}.a) Zeigen Sie, dass es für je zwei Punkte p ≠ q auf Z unendlich viele Geodätische von p nach qin Z gibt.b) Gilt das auch für p = q?Aufgabe 43 – Geodätische unter Isometrien:Gibt es auf R 2 \ {0} eine Metrik, bezüglich welcher alle Ursprungskreise Geodätische sind?Aufgabe 44 – Geodätische in spiegelsymmetrischen Flächen:Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit M heißt spiegelsymmetrisch bezüglich einer Kurve c: I → M,falls es eine Isometrie f : M → M gibt, deren Fixpunktmenge genau c(I) entspricht.a) Zeigen Sie, dass eine Kurve c, bezüglich der M spiegelsymmetrisch ist, geodätisch ist.Tipp: Welche Charakterisierung von Geodätischen kann man hier verwenden?b) Ist c auch Kürzeste?Aufgabe 45 – Geodätische in SO n (R):Wir definieren exp(A) := ∑ ∞k=0 1 k! Ak , dabei sei A 0 := 1.a) Zeigen Sie, dass exp(A) für jedes A ∈ M n (R) konvergiert, so dass exp: M n (R) → M n (R).b) Wir definieren durch c(t) := exp(tA) := ∑ ∞k=0 1 k! (tA)k eine Kurve c: M n (R) → R. BerechnenSie c ′ , c ′′ und zeigen Sie mit der Differentialgleichung von c die Identität c(s + t) = c(s)c(t).c) Wir bezeichnen den Vektorraum der schiefsymmetrischen n × n-Matrizen mit o n (R), undden der symmetrischen mit Sym n (R). Zeigen Sie, dass man bezüglich 〈·, ·〉 die orthogonaleZerlegung M n (R) = Sym n (R) ⊕ o n (R) hat.d) Für A ∈ o n (R) folgern Sie nun mit b) und c) die folgenden Behauptungen.i, Die Kurve c liegt in der Drehgruppe, exp(tA) ∈ SO n (R).ii, ‖c ′ (t)‖ ist konstant bezüglich der Metrik 〈A, B〉 = trace(AB T ).iii, c ist Geodätische in SO n (R).


66 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 46 – Metrik in Gaußscher Form:Eine Riemannsche Metrik auf U ⊂ R 2 ist von Gaußscher Form, wenn es eine Funktion f : U →(0, ∞) gibt, so dass für X = (ξ 1 , ξ 2 ) und Y = (η 1 , η 2 ) gilt:g p (X, Y ) = ξ 1 η 1 + f(p)ξ 2 η 2 ,p ∈ UMan kann zeigen, dass sich für jede Fläche stets lokal eine Karte in Gaußscher Form findenläßt.a) Geben Sie eine Orthonormalbasis für jeden Punkt p an.b) Berechnen Sie die Christoffelsymbole.c) Zeigen Sie: Die u-Linien, c(u) := (u, c) ∈ U sind für jedes c geodätisch.d) Bestimmen Sie die gedätische Krümmung der v-Linien γ(v) := (c, v) für c ∈ R.Tipp: Parametrisieren Sie lieber nicht auf Einheitsgeschwindigkeit um. Statt dessen könnenSie aber leicht ein Normalenfeld N(t) bestimmen. Wie verhält sich D dt N zu D dt c′ ?Aufgabe 47 – Erste Variation der Energie:Es sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit und c: [a, b] → M eine differenzierbare Kurve. Weitersei h s eine eigentliche Variation von c mit Vektorfeld V .a) Berechnen Sie die erste Variation δ V E(c) des Energiefunktionals E(c) := 1 ∫ b2 a ‖c′ ‖ 2 dt.b) Zeigen Sie, dass genau dann δ V E(c) = 0 für alle eigentlichen Variationen mit Vektorfeld Vgilt, wenn c eine Geodätische ist.Aufgabe 48 – Schar geschlossener Geodätischer:Sei M Riemannsch und h: [−ε, ε] × [0, 1] → M eine Schar geschlossener Geodätischer, d.h. füralle s ∈ [−ε, ε] ist t ↦→ h s (t) geschlossene Geodätische (mit ‖ ∂h∂t ‖ konstant).Zeigen Sie: Alle Kurven h s haben die gleiche Länge l(h s ).Aufgabe 49 – Verkürzung einer Ecke:Betrachten Sie die Kurve mit Ecke c: [−1, 1] → R 2 , c(t) := (t, 0) für t ≤ 0 und c(t) := (0, t) fürt ≥ 0. Geben Sie eine konkrete Variation h s an, die c verkürzt.Aufgabe 50 – Krümmung von Horokreisen:Wir betrachten das obere Halbebenen-Modell U 2 von H 2 .a) Sei c(t) = (t, 1) mit t ∈ (0, 1) ein Stück eines Horokreises. Zeigen Sie, dass (x, y) ↦→ (x + λ, y)für jedes λ ∈ R eine Isometrie von U 2 ist und folgern Sie, dass D dt c′ konstant ist.b) Verwenden Sie eine konkrete Variation, um zu zeigen, dass D dt c′ = (0, 1) gilt.c) Zeigen Sie, dass (x, y) ↦→ λ · (x, y) für jedes λ ∈ R eine Isometrie von U 2 ist und folgern Sie,dass jeder Horokreis {(x, y) ∈ U 2 : y = h} Krümmung 1 hat.


Aufgabe 51 – Kürzeste Kurven zu einer Menge:ii 4.7 – Stand: 14. Mai 2013 67Sei K ⊂ M eine kompakte Menge mit glattem Rand und p ∈ M \ K.a) Zeigen Sie: Ist c: [a, b] → M eine kürzeste Kurve mit c(a) = p und c(b) ∈ K, so trifft c dieMenge K senkrecht.Tipp: Was sagt die erste Variation, falls es nicht so ist?b) Finden Sie ein Beispiel für M, p und K, so dass es unendlich viele kürzeste Kurven von p nachK gibt. Kann es auch sein, dass jede Geodätische von p nach K Kürzeste ist?Aufgabe 52 – Schnittort auf dem Torus:Der Schnittort [cut locus] eines Punktes p ∈ M ist die MengeC(p) := {q ∈ M : es gibt mehr als eine Kürzeste von p nach q}a) Die folgenden Abbildungen repräsentieren zweidimensionale Tori, und zwar einen rechteckigenund einen allgemeinen Torus. Um die Übersicht zu erleichtern sind auch vier nebeneinanderliegende Fundamentalbereiche skizziert. Zeichnen Sie jeweils C(p) ein.pp✁ ✁ ✁ ✁✁ ✁ ✁ ✁✁✁ ✁ ✁ ✁✁p✉✁ ✁✁✁✁ ✁✁✁ ✁✁✁ ✁✁✁✉✁ ✁ p✁✁ ✁✁✁ ✁✁✁✁ ✁✁✁ ✁✁b) Stellen Sie beide Tori als identifiziertes Viereck bzw. Sechseck dar, wobei Sie zu identifizierendeKanten mit Pfeilen versehen. Zeichnen Sie alle Kürzesten vom Mittelpunkt p zu einemEckpunkt q des Vierecks bzw. Sechsecks ein.c) Sei p ∈ RP 2 ein Punkt der projektiven Ebene RP 2 . Bestimmen Sie die Menge C(p).Hinweis: Repräsentieren Sie RP 2 als Hemisphäre von S 2 mit Pol p.Aufgabe 53 – Geodätische minimieren nicht hinter Schnittpunkt:Sei M vollständig und c : [0, 1 + δ) → M eine Geodätische mit δ > 0, so dass c| [0,1] Kürzeste vonp = c(0) nach q = c(1) ist.


68 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieZeigen Sie: Gibt es eine weitere Kürzeste zwischen p und q, dann ist c auf [0, 1 + δ] nicht mehrKürzeste.Aufgabe 54 – Kürzeste auf Polyedern:a) Es sei M die Oberfläche eines Würfels. Wir wollen die Kürzeste in M zwischen zwei Punktenp, q ∈ M ermitteln. Es sei p der Mittelpunkt einer Würfelfläche F und q:• Mittelpunkt auf einer Nachbarfläche, oder• Mittelpunkt einer Kante, die nur eine Ecke mit F gemeinsam hat.Kann man p, q so wählen, dass eine Kürzeste durch eine Ecke läuft?b) Versuchen Sie Kürzeste auf allgemeinen Polyedern zu analysieren, indem Sie unterscheiden:Innerhalb der Flächen, in Kanten, in Ecken mit Gesamtwinkel 2π.Tipp: Eine Möglichkeit, Kürzeste in den Ecken zu verstehen, ist es, Kürzeste auf drei, vieroder fünf zusammengeklebten Vierecken zu verstehen.Aufgabe 55 – Quiz zur Exponentialabbildung:In R n gilt exp p (v) = . . . . . . . . . . . .. Also ist d(exp p ) v (w) = . . . . . . . . . . . ..Betrachten wir nun die Sphäre S 2 . Sei p ∈ S 2 .a) Es sei v ∈ T p S 2 mit |v| = π/2. Bestimmen Sie geometrisch und als Formel:v• exp p v • d(exp p ) v |v|• d(exp p ) v w für w ⊥ v ein Einheitsvektor.b) Es sei v ∈ T p S 2 mit |v| = π. Bestimmen Sie wiederum:v• exp p v • d(exp p ) v |v|• d(exp p ) v w für w ⊥ v ein Einheitsvektor.c) Gibt es ein v ∈ T p S 2 so dass (d exp p ) v v = 0?d) Was ist die Exponentialabbildung auf einer Sphäre vom Radius R?13. Vorlesung, Montag 26.11.125. Riemannsche Mannigfaltigkeiten als metrische RäumeDie Metrik g misst die Distanz infinitesimal. Daraus ergibt sich folgender Abstandsbegriff:Definition. Sei (M, g) Riemannsch. Für p, q ∈ M sei(40) d(p, q) := inf{L(c) : c: [a, b] → M stückw. diff.bar, c(a) = p, c(b) = q} ∈ [0, ∞].Wir wollen im vorliegenden Kapitel zwei Fragen klären:1. Ist d eine Metrik, also positiv, symmetrisch und gilt die Dreiecksungleichung?2. Wird das Infimum angenommen? In diesem fall existiert eine Kürzeste von p nach q.Gegenbeispiele: 1. Im semi-Riemannschen Fall kann d(p, q) = 0 auch für p ≠ q gelten, z.B.für zwei Punkte auf dem Lichtkegel von R n 1.


ii 5.1 – Stand: 14. Mai 2013 692. Für M := R n \ {0} mit Standardmetrik wird das Infimum nicht angenommen.Das erste Beispiel belegt, warum wir uns in diesem Kapitel auf Riemannsche Mannigfaltigkeitenbeschränken müssen. Das zweite Beispiel legt nahe, den Begriff der Vollständigkeitzu verwenden.5.1. Normale Bälle.Definition. Ein normaler Ball B R (p) ⊂ M vom Radius R ∈ (0, ∞] um p ist das Bild vonexp p : { v ∈ T p M : ‖v‖ < R } → M;dabei ist gefordert, dass diese Abbildung definiert und Diffeomorphismus auf ihr Bild ist.Beispiele. 1. Auf S n und Einheitszylinder ist B π (p) normaler Ball.2. In R n ist B ∞ (p) normal.Folgende Eigenschaften werden wir noch benötigen:Lemma 33. Sei (M, g) Riemannsch.(i) Für jedes p ∈ M existiert ein R = R(p) > 0, so dass B R (p) ein normaler Ball ist.(ii) Ist K ⊂ M kompakt, so ist für alle p ∈ K der Radius R unabhängig von p wählbar.Leider wissen wir nicht, dass r wie in (i) als eine stetige Funktion von p gewählt werdenkann, sonst wäre (ii) eine sofortige Folgerung aus (i).Beweis. (i) Nach Korollar 24 gibt es stets eine Umgebung U der 0, so dass exp p definiertund Diffeomorphismus ist. Also gibt es R > 0 mit {‖v‖ < R} ⊂ U.(ii) [Umkehrsatz] Wie im Beweis von Satz 22 sei wieder E ⊂ T M der Definitionsbereichvon exp. Wir betrachten die AbbildungF : E → M × M,F (p, v) := (p, exp p v).Wir wollen zuerst zeigen, dass diese Abbildung in Punkten (p, 0) umkehrbar ist. FürF (p, 0) = (p, p) ist das Differential von F folgende Abbildung, wenn wir bei ∼ = wiederdie übliche Identifikation benutzen:dF (p,0) : T (p,0) (T M) = T p M × T 0 (T p M) ∼ = T p M × T p M → T (p,p) (M × M) = T p M × T p M.Um den Rang von dF (p,0) zu bestimmen, beachten wir einerseits F (p, 0) = (p, p), alsoF (·, 0) = (id M , id M ) und daher dF (p,0) (v, 0) = (v, v). Andererseits folgt aus d(exp p ) 0 = id,dass dF (p,0) (0, w) = (0, w). Insgesamt ergibt sich daraus folgende Blockgestalt:( )1 n 0dF (p,0) =1 n 1 n


70 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieInsbesondere hat dF in (p, 0) den maximalen Rang 2n.Der Umkehrsatz sagt daher, dass F ein lokaler Diffeomorphismus von einer Umgebungvon (p, 0) ∈ T M auf eine Umgebung von (p, p) ∈ M × M ist. Nach Verkleinerung dieserMengen dürfen wir annehmen, dass für jeden Punkt p ∈ M eine offene Menge U ∋ psowie R > 0 existiert, so dass F die spezielle Umgebung der Form U × {‖v‖ < R} aufeine Umgebung der Diagonale U × U diffeomorph abbildet. Insbesondere ist dann exp auf{q} × {‖v‖ < R} Diffeomorphismus für alle q ∈ U, und diese Eigenschaft bleibt natürlichauch auf Vereinigungen solcher Mengen erhalten.Weil K kompakt ist, wird K × {0} ⊂ T M von endlich vielen Mengen U i × {‖v‖ < R i }überdeckt. Setzen wir also R := min{R i }, so wird {v ∈ T q M : ‖v‖ < R} für jedes q ∈ Kdiffeomorph auf sein Bild in M abgebildet.□5.2. Radiale Geodätische sind Kürzeste. Wir rechtfertigen nun unsere Bezeichnung“Ball vom Radius r” für B r (p), indem wir d(p, q) < r für jedes q aus B r (p) zeigen:Lemma 34. Sei M Riemannsch, p ∈ M und B R (p) ein normaler Ball. Für jedes q =exp p (v) ∈ B R (p) ist die Geodätische von p,t ↦→ c p,v (t) ⊂ B R (p), t ∈ [0, 1],die Kürzeste unter allen stückweise differenzierbaren Kurven in M von p nach q; jede gleichlange Kurve ist eine monotone Umparametrisierung von c p,v .Korollar. Für einen normalen Ball gilt B R (p) = {q ∈ M : d(p, q) < R}.Beweis. [Integration in Polarkoordinaten] Sei c: [0, 1] → M eine stückweise differnezierbareKurve von p nach q. Wir müssen zeigen L(c) ≥ L(c p,v ) = ‖v‖. Es ist instruktiv, sich denfolgenden Beweis im Fall R n k zu überlegen.(i) Fall c ⊂ B R (p). OBdA. können wir annehmen c(t) ≠ p für alle t > 0, denn sonstgibt es eine Einschränkung von c auf ein Intervall [t 0 , 1] mit dieser Eigenschaft. Da expDiffeomorphismus auf B R ist, kann man dann eindeutig schreiben c(t) = exp p (r(t)v(t))mit r : [0, 1] → [0, R) und v : (0, 1] → T p M, ‖v(t)‖ = 1.Als Vorüberlegung betrachten wir die Abbildung h(σ, ρ) := exp p (ρv(σ)). Für jedes σ istρ ↦→ h(σ, ρ) geodätisch mit Anfangsgeschwindigkeit v(σ). Also gilt(∂ 1 h = d(exp p ) ρv(σ) ρ dv )und ‖∂ 2 h‖ 2 = ∥ d(expp ) ρv(σ) · v(σ) ∥ 2 Gauß-L.= ‖v(σ)‖ 2 = 1dσfür alle (σ, ρ). Setzen wir w(σ) := ddσ v(σ) so folgt durch Differenzieren von ‖v(σ)‖2 = 1,dass g ( v(σ), w(σ) ) = 0. Aus dem Gauß-Lemma folgt deshalb g(∂ 1 h, ∂ 2 h) = 0 für alle (σ, ρ).


Nun setzen wir ein σ := t und ρ := r(t), d.h.ii 5.3 – Stand: 14. Mai 2013 71h ( t, r(t) ) = exp p(r(t)v(t))= c(t), 0 < t ≤ 1.Wenden wir darauf die Kettenregel an, so erhalten wir eine Zerlegung von c ′ in normalenund radialen Anteil:c ′ (t) = ∂ 1 h ( t, r(t) ) + ∂ 2 h ( t, r(t) ) r ′ (t)Unter Benutzung der Vorbemerkungen können wir die Länge ausrechnen:‖c ′ (t)‖ 2 = g ( c ′ (t), c ′ (t) ) = ∥ ∥ ∂1 h(t, r(t)) ∥ ∥ 2 + |r ′ (t)| 2 ≥ |r ′ (t)| 2 für alle t > 0.Also gilt für 0 < ε < 1:L(c) ≥∫ 1ε‖c ′ (t)‖ dt ≥∫ 1ε|r ′ (t)| dt ≥∫ 1Da r(ε) → 0 für ε → 0 folgt die Behauptung L(c) ≥ L(c p,v ).εr ′ (t) dt = r(1) − r(ε) = L(c p,v ) − r(ε)Wir diskutieren nun den Gleichheitsfall. Dann muss gelten ‖∂ 1 h(t, r(t))‖ = 0 für allet ∈ [0, 1], also v(t) konstant und |r ′ (t)| = r ′ (t) ≥ 0 für alle t. Daher ist c monotoneReparametrisierung von c p,v .(ii) Es sei t 1 der erste Punkt, für den c(t 1 ) nicht mehr in B R (p) liegt. Teil (i) zeigt dannL(c) ≥ L(c| [0,t1 ]) ≥ R > L(c p,v ).□Bemerkung. Man kann auch statt eines normalen Balles B R eine offene Umgebung U einerradialen Geodätischen betrachten, so dass d exp p auf U vollen Rang hat. Dann zeigt derSatz, dass jede Kurve exp p h s (t) länger als die radiale Strecke c p,v = exp p h 0 (t) ist, sofernnur h s (t) in U liegt.14. Vorlesung, Mittwoch 28.11.125.3. Metrik. Wir beantworten nun die eingangs gestellte Frage 1.Satz 35. Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit.(i) Durch (40) wird eine Metrik d = d g auf (M, g) definiert.(ii) Die von d g induzierte Topologie stimmt mit der von M überein.Beweis. (ii) Aus Lemma 34 folgt: Für jedes p gibt es ein r, so dass B r (p) metrischerBall ist. Weil exp auf normalen Bällen Diffeomorphismus auf sein Bild ist, und Bälle imTangentialraum eine Basis der Topologie erzeugen, enthält jede offene Umgebung um peinen metrischen Ball, und umgekehrt.(i) 1. Endlichkeit, d(p, q) < ∞: Es sei C p ⊂ M die Menge der mit p ∈ M durch eine stückweisedifferenzierbare Kurve verbindbaren Punkte. In einer zusammenhängenden offenenTeilmenge von R n sind zwei Punkte durch eine differenzierbare Kurve verbindbar. Also


72 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriesind auch zwei Punkte im Definitionsbereich einer Karte differenzierbar verbindbar. Wirfolgern:• C p ist offen, denn mit q ∈ C p liegt auch eine Kartenumgebung von q in C p .• C p ist abgeschlossen, denn mit q ∈ M \ C p liegt auch eine Kartenumgebung in M \ C p .Zusammen mit p ∈ C p folgt aus M zusammenhängend, dass C p = M.2. Symmetrie, d(p, q) = d(q, p): Läuft c: [a, b] → M von p nach q, so läuft die Kurve˜c := c(a + b − t): [a, b] → M von q nach p. Es ist L(˜c) = L(c) (warum?).3. Dreiecksungleichung, d(p, r) ≤ d(p, q) + d(q, r): Die Zusammensetzung stückweise differenzierbarerKurven bleibt stückweise differenzierbar; dabei ist die Länge additiv.4. Positivität, p ≠ q =⇒ d(p, q) > 0: Dies folgt aus (ii) und der Tatsache, dass die Topologievon M Hausdorffsch ist.□Wie in jedem metrischen Raum folgt aus der Dreiecksungleichung, dass q ↦→ d(p, q) Lipschitzist. Insbesondere:Korollar 36. Für jedes p ∈ M ist die auf M definierte Funktion q ↦→ d(p, q) stetig.Beispielsweise folgt daraus, dass auch auf dem Abschluss eines normalen Balles die Distanznoch durch die Länge radialer Geodätischer gegeben wird; diese Tatsache benutzen wir imfolgenden.5.4. Vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Wir kommen nun zur zweitenFrage, wann das Infimum der Länge angenommen wird. Wir benötigen folgende Voraussetzung:Definition. Die Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) heißt (metrisch) vollständig, wennes M mit der Metrik (40) ist, d.h. Cauchy-Folgen bzgl. d konvergieren.Beispiele. 1. Kompakte metrische Räume sind vollständig. Also sind z.B. die MannigfaltigkeitenS n , RP n , T n vollständig, unabhängig von der gewählten Riemannschen Metrik.2. (R n , 〈., .〉) ist vollständig, nicht aber R n mit der durch stereographische Projektion vonS n zurückgezogenen Metrik.Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit heißt geodätisch vollständig, wenn jede Geodätischein M fortgesetzt werden kann zu einer auf ganz R definierten Geodätischen. Wir brauchendie beiden Vollständigkeitsbegriffe nicht zu unterscheiden:Satz 37. Ist (M, g) genau dann metrisch vollständig, wenn (M, g) geodätisch vollständigist.


ii 5.4 – Stand: 14. Mai 2013 73Beweis. “⇒”: Nach dem lokalen Existenzsatz ist der maximale Definitionsbereich von Geodätischenoffen. Wir zeigen nun die Abgeschlossenheit.Es sei c: [a, b) → M Geodätische, die wir nach Bogenlänge parametrisiert annehmendürfen. Wir wollen c über b hinaus fortsetzen. Sei t i ↗ b. Wegend(c(t i ), c(t j )) ≤ L(c| [ti ,t j ]) = |t i − t j | → 0ist c(t i ) Cauchy-Folge und besitzt einen eindeutig bestimmten Grenzwert p ∈ M. Fügenwir diesen Punkt zur Geodätischen hinzu, so ist wegen der Stetigkeit von c die MengeK := c ( [a, b) ) ∪ {p} kompakt. Nach Lemma 33(ii) gibt es ein R > 0, so dass für jedesq ∈ K der Ball B R (q) normal ist.Wegen c(t i ) → p gibt es ein i mit d(p, c(t i )) < R. Aber im normale Ball B R (c(t i )) istdie Geodätische radial, und daher enthält er eine Verlängerung von c auf einem offenenIntervall über b hinaus.“⇐”: Übung.□Korollar 38. Ist (M, g) vollständig, so ist exp p v für alle p ∈ M und alle v ∈ T p Mdefiniert.Sind zwei Punkte p, q in einem normalen Ball enthalten, so gibt es eine Geodätische von pnach q, die Kürzeste ist (Lemma 34). Wir zeigen dies nun allgemein:Satz 39 (Hilbert 1905, Hopf, Rinow 1931). Ist (M, g) vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit,so lässt sich jedes Paar von Punkten p, q ∈ M durch eine Geodätische c mitL(c) = d(p, q) (also eine Kürzeste) verbinden.Die Vollständigkeit ist nicht notwendig für die Richtigkeit der Aussage: Auch auf demoffenen Einheitsball B n ⊂ R n mit Standardmetrik gibt es zwischen je zwei Punkten eineKürzeste.Für die gesuchte Geodätische t ↦→ exp p (tv) von p nach q muss die die Richtung v bestimmtwerden. Wir finden v, indem wir zunächst die Distanz von q zu einem normalen Ball B r (p)minimieren. Diese Möglichkeit wird durch die folgende Aussage eröffnet:Lemma 40. Sei B ρ (q 0 ) normaler Ball, q ∉ B ρ (q 0 ). Dann existiert ein ζ ∈ S ρ (q 0 ) :=∂B ρ (q 0 ) mit d(q 0 , q) = d(q 0 , ζ) + d(ζ, q).Wegen Lemma 34 ist d(q 0 , ζ) = ρ.Beweis. Die Menge S ρ (q 0 ) ist kompakt und d(., q) laut Korollar 36 stetig; daher existiertein ζ ∈ S ρ (q 0 ) mit d(ζ, q) = d(S ρ (q 0 ), q).


74 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieFür beliebiges η ∈ S ρ (q 0 ) ist laut Dreiecks-Ungleichungd(q 0 , q) ≤ d(q 0 , η) + d(η, q) = ρ + d(η, q).Durch Betrachtung des Infimums folgt damit einerseitsd(q 0 , q) ≤ ρ + d ( S ρ (q 0 ), q ) .Sei andererseits c: [0, 1] → M Kurve von q 0 nach q. Wegen q ∉ B ρ (q 0 ) schneidet c die MengeS ρ (q 0 ) (dies folgt aus der Stetigkeit t ↦→ d(c(t), q 0 ) und Lemma 34). Ist etwa c(t 0 ) ∈ S ρ (q 0 ),so giltL(c) = L(c| [0,t0 ]) + L(c| [t0 ,1])Lemma 34≥ ρ + d ( S ρ (q 0 ), q )Daher ist auchd(q 0 , q) = inf L(c) ≥ ρ + d( S ρ (q 0 ), q )cund es folgt insgesamt die behauptete Gleichheit.Beweis des Satzes von Hopf-Rinow. Es sei p ≠ q und B r (p) ein normaler Ball. Falls q ∈B r (p) sind wir nach Lemma 34 fertig. Wenn nicht, ist r ≤ d := d(p, q) und das Lemma lieferteinen Punkt z ∈ S r (p), in dem d(q, .) ein Minimum annimmt. Wir schreiben z = exp p (rv)für ‖v‖ = 1. Wegen der Vollständigkeit von M existiert gemäß Korollar 38 die Geodätischec(t) = exp p (tv) für alle Zeiten t.Wir betrachten die Gleichung(41) d ( c(t), q ) = d − tund setzen I := {t ∈ [0, d] : (41) gilt}. Wir wollen I = [0, d] zeigen, denn dann gilt c(d) = qund damit ist c die gesuchte Geodätische der Länge d von p nach q. Wegen 0 ∈ I reicht es,I abgeschlossen und offen nachzuweisen.Gilt (41) für eine Folge (t k ), so gilt dies wegen der Stetigkeit von t ↦→ d(c(t), q) auch fürden Grenzwert lim k→∞ t k . Damit ist I abgeschlossen.Wir zeigen nun die Offenheit: Wäre T < d, so finden wir ρ > 0 mit T + ρ ∈ I. Es seiB ρ (c(T )) ein normaler Ball um c(T ) mit Rand S ρ (c(T )). Wir nehmen 0 < ρ < d − T an,so dass q außerhalb von B ρ (c(T )) liegt. Wiederum laut Lemma gibt es eine Minimalstelleζ von d(q, .) auf S ρ (c(T )) mit(42) d T ∈I= T + d ( c(T ), q ) Lemma= T + d ( c(T ), ζ ) + d(ζ, q)und daherd(p, ζ) Dreiecksungl.≤ d ( p, c(T ) ) + d ( c(T ), ζ ) (42)= d − d(ζ, q) Dreiecksungl.≤ d(p, ζ).Also gilt sogar Gleichheit in der ersten Ungleichung, d.h.(43) d(p, ζ) = d ( p, c(T ) ) + d ( c(T ), ζ ) .□


ii 5.5 – Stand: 14. Mai 2013 75Wir verketten die Geodätische c von p nach c(T ) mit der radialen Geodätischen von c(T )nach ζ. Das Resultat ist eine stückweise differenzierbare Kurve, die gemäß (43) die Längeminimiert, also eine Kürzeste. Insbesondere minimiert sie auf beiden Teilstücken und hatso die Länge d(p, ζ) = T + ρ.Nach Korollar 31 ist diese Kürzeste differenzierbar (das entscheidende Argument in diesemBeweis!). Also liegt ζ auf der Kurve c, d.h. ζ = c(T + ρ). Einsetzen von (43) in die rechteSeite von (42) liefertalso T + ρ ∈ I.d = d ( p, c(T + ρ) ) + d ( c(T + ρ), q ) ,□5.5. Übungsaufgaben.Aufgabe 56 – Längenabschätzung:Geben Sie den Beweis von Lemma 34 im Spezialfall einer ebenen Kurve mit Polarkoordinatendarstellungc(t) = P ( r(t), ϕ(t) ) an, wobei P (r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ).Aufgabe 57 – Quiz zu Vollständigkeit:a) Wenn f : M → N eine Isometrie und M vollständig ist, ist dann auch N vollständig?b) Wenn f : M → N ein Diffeomorphismus und N vollständig ist, ist dann auch M vollständig?c) Geben Sie alle möglichen eindimensionalen Riemannschen Mannigfaltigkeiten (bis auf Isometrien)an. Welche davon sind vollständig?d) Ist R × (0, ∞) mit der Metrik g (x,y) = 〈·, ·〉/y vollständig?Aufgabe 58 – Vollständigkeit unter Diffeomorphismen:Seien M, N Riemannsche Mannigfaltigkeiten und sei N vollständig.a) Sei f : M → N ein Diffeomorphismus. Es existiere ein c > 0, so dass für alle p ∈ M undv ∈ T p Mgelte. Zeigen Sie, dass M vollständig ist.‖v‖ ≥ c · ‖df p v‖b) Finden Sie ein Beispiel für M,N und eine lokale Isometrie f : M → N, so dass M nichtvollständig ist.Aufgabe 59 – Strahlen:Ein Strahl durch p ist eine Geodätische c: [0, ∞) → M mit c(0) = p, die auf jedem endlichenTeilstück Kürzeste ist. Sei M vollständig, aber nicht kompakt. Zeigen Sie: Für jedes p ∈ M gibtes einen Strahl durch p.


76 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 60 – Rotationsparaboloid:a) Jede vertikale Ursprungsebene schneidet das Rotationsparaboloid P = {(x, y, z) ⊂ R 3 : z =x 2 + y 2 } in einer Geodätischen.Tipp: Spiegelsymmetrieb) Benutzen Sie die vorige Aufgabe, um zu zeigen, dass jeder dieser Schnitte Strahlen durch denPol 0 des Paraboloids definiert.c) Zeigen Sie, dass genügend lange Teilstücke im Schnitt von P mit vertikalen Ursprungsebenennicht Kürzeste sind.Tipp: Es reicht Geodätische durch 0 zu betrachten, die symmetrisch um 0 sind. BetrachtenSie die Distanz der Endpunkte.Aufgabe 61 – Exponentialabbildung und Vollständigkeit:a) Sei exp p auf ganz T p M = R n definiert. Zeigen Sie, dass für jedes q ∈ M ein v ∈ T p M existiert,so dass t ↦→ exp p tv auf [0, 1] parametrisierte Kürzeste von p nach q ist.b) Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Gibt es ein p ∈ M, so dass exp p auf ganz R n = T p Mdefiniert ist, so ist M vollständig.Aufgabe 62 – Transitive Isometrien:Wenn die Isometriegruppe transitiv auf einer Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) operiert, d.h.für alle p, q ∈ M gibt es eine Isometrie ϕ mit ϕ(p) = q, so ist M vollständig.Tipp: Benutzen Sie das Ergebnis der letzten Aufgabe.


15. Vorlesung, Montag 3.12.12ii 6.1 – Stand: 14. Mai 2013 776. Hyperbolischer RaumWie wir später noch sehen werden, ist unter den einfach zusammenhängenden n-dimensionalenRiemannschen Mannigfaltigkeiten genau H n der Raum mit Krümmung −1, währendR n Krümmung 0 hat und S n Krümmung +1.Nach einem Satz von Hilbert ist die hyperbolische Ebene H 2 nicht nach R 3 isometrischeinbettbar (Beweis siehe z.B. Spivak III, Ch. 5, Thm. 12). Der ganze Raum H 2 kann alsonicht als Untermannigfaltigkeit von R 3 konstruiert werden. Lokal ist das aber möglich: JedeFläche mit K ≡ −1 ist lokal isometrisch zu H 2 . Daher muss die Beschreibung des hyperbolischenRaumes etwas aufwendiger sein als die von S n . Es gibt verschiedene Beschreibungen,sogenannte Modelle dafür, die wir einführen, auch wenn wir sie nicht vollständig behandeln.Literatur: Wir orientieren uns an [L]. Geometrischer ist [Bär, 4.9-4.11]. Weiterführend:[Th].6.1. Modelle des hyperbolischen Raums. Den Raum S n ohne einen Punkt kann manals Untermannigfaltigkeit {p : 〈p, p〉 = 1} ⊂ R n+1 einführen, oder als stereographischeMetrik auf R n . Ähnlich beschreiben wir nun den hyperbolischen Raum, wobei wir nocheine dritte Beschreibung hinzufügen, die eine enge Beziehung zur Funktionentheorie hat(und gerade für n = 2 gern verwendet wird):Satz 41. Die folgenden Räume sind isometrische Riemannsche Mannigfaltigkeiten:(i) Hyperboloid-Modell: : Die obere Schale des zweischaligen Hyperboloids {〈p, p〉 1 = −1}im Lorentz-Raum ist die Rotationshyperfläche(H n := {p = (p 1 , . . . , p n , p 0 ) ∈ R n+11 : 〈p, p〉 1 = −1, p 0 > 0}, 〈., .〉 1),wobei 〈p, q〉 1 := ∑ ni=1 p iq i − p 0 q 0 die Lorentz-Metrik ist.(ii) Poincaré-Ball-Modell: Der offene Einheitsball B n ⊂ R n , versehen mit Riemanns Metrik(iii) (Poincaré) Halbraum-Modell:(B n , b p (., .) :=4〈., .〉)(1 − |p| 2 )2(U n := R n−1 × R + , u (p1 ,...,p n)(., .) := 1 p 2 n〈., .〉 )Die dadurch bis auf Isometrie beschriebene Riemannsche Mannigfaltigkeit nennen wir denhyperbolischen Raum H n . Um die Isometrien anzugeben, benötigen wir folgende Abbildung:


78 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieDefinition. Es sei P − := (0, . . . , 0, −1) ∈ R n+11 undΠ: R n+11 \ {P − } → R n × {0} ⊂ R n+11die Projektion längs Geraden durch den Punkt P − . Die Einschränkung π von Π auf H nheißt (hyperbolische) stereographische Projektion.Man erhält schnell eine explizite Formel für π (Übung). Weil die Hyperboloidschale H nasymptotisch zum Lichtkegel ist, wird H n durch π auf den Einheitsball in R n × {0} abgebildet.Der Beweis des Satzes folgt aus den folgender Aussage, die mit längerer Rechnungbeweisbar ist. Im Falle des oberen Halbebenen-Modells beschränken wir uns aus Bequemlichkeitauf den Fall n = 2. Für mehr Details siehe [L], S.38–40.Satz 42. (i) Stereographische Projektion π : H n → B n ×{0} ist Isometrie, d.h. π ∗ b = 〈., .〉 1 .(ii) Die Cayley-Abbildungist Isometrie von (B 2 , b) nach (U 2 , u).ϕ: B 2 → U 2 , ϕ(w) := −i w + iw − iBemerkung. Im Falle der flachen Räume R n k liefern skalare Vielfache der Metriken 〈., .〉 kisometrische Räume (warum?). Auf der Sphäre, und auch auf dem hyperbolischen Raum,entsteht durch Skalierung jedoch eine Familie paarweise nicht-isometrischer Metriken. Wiebei S n kann man genausogut auch 1-Parameter-Familien der hyperbolischen Modelle definieren,siehe [L].6.2. Isometrien im Hyperboloid-Modell. Wir befassen uns nun genauer mit demHyperboloid-Modell. Für die Intuition mag hilfreich sein:Beispiel. Es sei P := (0, . . . , 0, 1) der Scheitel des Hyperboloids, der die Rolle des Polsder Sphäre übernimmt, und v := (v 1 , . . . , v n , 0) ⊥ P ein horizontaler Einheitsvektor, also〈v, v〉 1 = 1. In der von v und P aufgespannten Ebene betrachten wir den “hyperbolischenGroßkreis”(44) c(t) := v sinh t + P cosh t,eine Hyperbel (warum?). Tatsächlich liegt c in der Rotationsfläche H n , dennAlso ist c ein Meridian von H n . Weiter gilt〈c(t), c(t)〉 1 = sinh 2 t − cosh 2 t = −1.(45) 〈c ′ (t), c ′ (t)〉 1 = cosh 2 t − sinh 2 t = 1,so dass c(t) nach Bogenlänge parametrisiert ist. Weil c(t) asymptotisch an den Lichtkegel{〈p, p〉 1 = 0} wird, muss die euklidische Länge ‖c ′ (t)‖ 0 tatsächlich mit t gegen ∞ gehen.


ii 6.2 – Stand: 14. Mai 2013 79Es wird für die Diskussion von H n günstig sein, über genügend Isometrien zu verfügen. ImFall von S n gilt:• O(n + 1) ist die Menge linearer Abbildungen, die das Skalarprodukt erhält. Also wird dieNorm erhalten und daher S n als Menge fixiert.• Auf S n wirkt O(n + 1) durch Isometrien.Analog betrachten wir nun lineare Abbildungen, die die Lorentz-Metrik von R n+11 erhalten:O(n, 1) := {A ∈ GL(n + 1) : 〈p, q〉 1 = 〈Ap, Aq〉 1 }Die beiden Zusammenhangskomponenten ±H n ⊂ R n+11 werden durch A ∈ O(n, 1) entwederals Menge erhalten oder vertauscht. Die Lorentz-Gruppe O + (n, 1) ist die Untergruppe vonO(n, 1), die H n als Menge erhält.Beispiel. 1. Drehungen um die x 0 -Achse sind in O + (n, 1),2. Spiegelung an R n × {0} ist in O(n, 1).Lemma 43. (i) Jedes A ∈ O + (n, 1) wirkt als Isometrie auf H n .(ii) Die Gruppe O + (n, 1) operiert transitiv auf H n , d.h. für alle p, q ∈ H n existiert A ∈O + (n, 1) mit Ap = q. Die Operation ist transitiv auf orthonormalen Rahmen: Man kann dasBild einer Orthonormalbasis von T p M in T q M als beliebige Orthonormalbasis vorschreiben.Beweis. (i) Für alle v, w ∈ T p H n müssen wir zeigen 〈dA(v), dA(w)〉 1 = 〈v, w〉 1 . Aber A istlinear, also dA(v) = Av, und daher folgt die Behauptung aus der Definition von O + (n, 1).(ii) Wir betrachten die Matrix⎛⎞cosh r 0 . . . 0 sinh r0 1 0 0A(r) :=... . .⎜⎟⎝ 0 0 1 0 ⎠sinh r 0 . . . 0 cosh rmit⎛ ⎞ ⎛⎞p 1 p 1 cosh r + p 0 sinh rp 2p 2A.=..⎜ ⎟ ⎜⎟⎝p n ⎠ ⎝ p n ⎠p 0 p 1 sinh r + p 0 cosh rund zeigen A(r) ∈ O + (n, 1):• Die Identität cosh 2 r − sinh 2 r = 1 liefert〈A(r)p, A(r)q〉1 = (p 1 cosh r + p 0 sinh r)(q 1 cosh r + q 0 sinh r) + p 2 q 2 + . . . + p n q n− (p 1 sinh r + p 0 cosh r)(q 1 sinh r + q 0 cosh r)= 〈p, q〉 1 .• Wir zeigen, dass mit p 0 > 0 auch (Ap) 0 > 0 gilt:n∑p ∈ H n ⇒ p 2 0 − 1 = p 2 i ⇒ p 0 > |p 1 | ⇒ p 0 cosh r > |p 1 || sinh r|.i=1


80 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWeiter ist A(r)P = (sinh r, 0, . . . , 0, cosh r). Daher nimmt q = A(r)P alle Werte q ∈ H nan mit q 2 = . . . = q n = 0, und {A(r)P : r ∈ R} ist ein ganzer Meridian der RotationsflächeH n ⊂ R n+11 . Weil alle Rotationen um die x 0 -Achse in O + (n, 1) liegen, gibt es daherinsgesamt für jedes q ∈ H n ein r ∈ R und ein B ∈ ( SO(n) 0 n)0 n 1 , so dass q = BA(r)P . WeilA(r) und B invertierbar sind zeigt das, dass p auf q abbildbar ist. Dabei ist das Bild einerOrthonormalbasis vorschreibbar, weil man in T P H n mit einer Matrix der Form ( O(n) 0 n)0 n 1gegebene Orthonormalbasen aufeinander abbilden kann.□Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit M heißt homogen [homogeneous], wenn es für zweiPunkte p, q ∈ M eine Isometrie σ gibt mit σ(p) = q. Sie heißt isotrop [isotropic], wennfür alle p ∈ M und v, w ∈ T p M mit ‖v‖ = ‖w‖ = 1 eine Isometrie ρ mit ρ(p) = p unddρ(v) = w gibt. Diese Eigenschaften bedeuten, dass der Raum an jedem Punkt und injeder Richtung gleich aussieht. Offenbar sind R n und S n homogen und isotrop (warum?),und entsprechend gilt:Korollar 44. H n ist homogen und isotrop.Aus diesem Satz wird folgen, dass die Krümmung von H n konstant ist.Im allgemeinen ist die Einschränkung einer semi-Riemannschen Metrik auf eine Untermannigfaltigkeitnicht Riemannsch, womöglich sogar keine Metrik. Speziell gilt aber:Satz 45. Die von der Lorentz-Metrik 〈., .〉 1 auf H n ⊂ R n+11 induzierte Metrik ist Riemannsch.Es gibt drei Arten sich davon zu überzeugen: Erstens ist dies eine Folgerung aus dem vonuns nicht bewiesenen Satz 42(i), denn Zurückziehen erhält Riemannsche Metriken. Zweitensist die Behauptung geometrisch klar, denn jeder Tangentialraum an H n ist mit wenigerals 45 Grad geneigt und enthält damit nur raumartige Vektoren (Richtungen außerhalb desKegels). Drittens zeigen wir durch Rechnung:16. Vorlesung, Mittwoch 5.12.12Beweis. Wir behaupten zuerst, analog zum Fall S n ⊂ R n+1 :(46) T p H n = {v ∈ R n+1 : 〈v, p〉 1 = 0}Tatsächlich folgt für jede Kurve c: I → H n aus 〈c, c〉 1 = −1 sofort 〈c ′ , c〉 1 = 0.Weiter ist die Einschränkung der Metrik 〈., .〉 1 auf T P H n = R n ×{0} gerade die Standardmetrik,also sicher Riemannsch. Die Behauptung folgt nun aus der Transitivität von O + (n, 1).□


ii 6.3 – Stand: 14. Mai 2013 81Bemerkung. Wir haben hier die Hyperflächen {〈p, p〉 = −1} des Lorentzraumes R n+11 betrachtet.Man kann für r > 0 auch entsprechende Hyperflächen der Minkowski-Räume R n+1kbetrachten:Die Pseudosphärehat Index k, und der pseudohyperbolische RaumS n k (r) := {p ∈ Rn+1k: 〈p, p〉 = r 2 }, 0 ≤ k ≤ nH n k (r) := {p ∈ Rn+1k: 〈p, p〉 = −r 2 }, 1 ≤ k ≤ n + 1hat Index k − 1. Damit haben wir interessante Beispiele semi-Riemannscher Mannigfaltigkeitenvon beliebigem Index 1 ≤ k ≤ n vorliegen. Diese Räume haben sogar konstante Krümmung.Näheres findet man in [ON], Kapitel 4, Hyperquadrics, und Kapitel 8, Simply connected spaceforms.6.3. Geodätische. Wir lösen hier nicht die Differentialgleichung für Geodätische, sondernwollen Symmetrien einsetzen. Nützlich ist folgender Begriff von nicht gekrümmtenUntermannigfaltigkeiten:Definition. Eine semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeit M einer semi-RiemannschenMannigfaltigkeit N heißt total geodätisch, wenn jede Geodätische von M auch eine Geodätischevon N ist.Beispiele. 1. N = R n und M jeder affine Untervektorraum oder offene Teilmenge davon.2. N = S n oder H n und M Schnitt von N mit beliebigem Untervektorraum von R n+1 , odereine offene Teilmenge davon. Dies werden wir im Beispiel in Abschnitt 6.1 zeigen, es folgtaber ebenso aus der Verallgemeinerung des Beweises von Satz 47(i).3. N beliebig, und• M ⊂ N jede offene Menge, oder• M ein Punkt (enthält konstante Geodätische), oder• M Bild einer Geodätischen.(offene Teilmenge)Satz 46. Es sei σ eine Isometrie von (N, g) mit der FixpunktmengeFix(σ) := {p ∈ N : σ(p) = p}.Dann ist Fix(σ) total geodätische Untermannigfaltigkeit von N.Fix(σ) braucht nicht zusammenhängend zu sein – finden Sie ein Beispiel dafür!Für die folgende Anwendung des Satzes kann man anstelle des hier gegebenen Beweises auch sehrviel einfacher argumentieren, siehe Abschnitt 6.1. Der folgende Beweis ist aber in vielen weiterenSitutation anwendbar.


82 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeweis. Für p ∈ Fix(σ) betrachten wir den Eigenraum V von dσ zum Eigenwert 1, also denUnterraum V := {v ∈ T p M : dσ(v) = v}. Weiterhin sei ε > 0 so gewählt, dass exp auf B ε (0) ⊂T p M definiert ist und Diffeomorphismus nach B ε (p) ⊂ M ist (Kor. 24). Wir behaupten(47) exp p(V ∩ Bε (0) ) = Fix(σ) ∩ B ε (p).Dabei ist der Fall dim V = 0 möglich (aber uninteressant). Er tritt ein, wenn p isolierter Punktvon Fix(σ) ist.Nehmen wir zum Nachweis an, dass eine Geodätische c p,v einen von σ fixierten Anfangspunktp ∈ M hat und eine von dσ fixierte Anfangsrichtung v ∈ T p M. Die Isometrie σ fixiert dann auchdie Geodätische c p,v (Eindeutigkeitssatz). Dies zeigt “⊂” der Behauptung.Andererseits sei q ∈ Fix(σ) ∩ B ε (p). Nach Lemma le:laengenabsch ist die Kürzeste c von p nachq eindeutig. Also muss c mit der gleich langen Geodätischen σ ◦ c zwischen diesen Endpunktenübereinstimmen. Das heißt, dass σ die Geodätische c punktweise fixiert. Insbesondere wird dieAnfangsrichtung v fixiert, und so ist “⊃” ebenfalls gezeigt.Aus (47) folgt erstens, dass Fix(σ) eine Untermannigfaltigkeit ist. Tatsächlich ist V ein Unterraum,V ∼ R d , und damit hat exp p eingeschränkt auf V ∩ B ε eine Umkehrabbildung, die Karte vonFix(σ) ist.Zweitens zeigt das für “⊃” gegebene Argument, dass lokal Fix(σ) aus radialen Geodätischen vonM besteht. Damit ist Fix(σ) total geodätisch.□Der vorausgehende Satz zeigt, dass die Schnitte von Ursprungsebenen mit S n Geodätischesind, denn die Spiegelung an jeder solchen Ebene ist Isometrie. Ganz genauso kann manim Hyperboloid-Modell argumentieren.Satz 47. Die Geodätischen von H n sind Parametrisierungen proportional zur Bogenlängevon genau den folgenden Mengen:(i) (Hyperboloid) Schnitte von Ursprungs-2-Ebenen mit H n ,(ii) (Poincaré-Ball) Strecken und Kreisbögen, die den Rand S n senkrecht treffen,(iii) (Halbraum) Halbgeraden und Halbkreise, die den Rand R n × {0} senkrecht treffen.Im Hyperboloid-Modell sind speziell alle Geodätischen durch den Scheitel P bis auf Parametrisierungin der Form (44) darstellbar, denn diese Kurven liegen in der (P, v)-Ebene,und sind gemäß (45) nach Bogenlänge parametrisiert.Beweis. (i) Die Spiegelung σ an der vertikalen Ebene E durch (e 1 , P ) ist Element derIsometriegruppe O + (n, 1) von H n . Nach Satz 46 ist daher der nach Bogenlänge parametrisierteMeridian c aus (44) geodätisch. Wegen Homogenität und Isotropie von H n istjede Ursprungs 2-Ebene Bild von E unter einer linearen Abbildung A ∈ O + (n, 1); weil AIsometrie ist, ist auch Ac geodätisch und nach Bogenlänge parametrisiert. Tatsächlich wird


ii 6.4 – Stand: 14. Mai 2013 83zu jedem Punkt p ∈ H n und jedem Vektor v ∈ T p H n mit ‖v‖ = 1 damit das Anfangswertproblemfür Geodätische gelöst, so dass wir alle nach Bogenlänge parametrisiertenGeodätischen erhalten haben.(ii) Dies folgt aus der expliziten Formel für stereographische Projektion, siehe [L, S.84/85].Genau dann, wenn die Ebene den Punkt S enthält, ist das Bild eine Gerade.(iii) Auch dies kann man nachrechnen, siehe [L, S.86]. Nicht nur für die Cayley-Transformierte,sondern für jede Möbiustransformation gilt: Geraden und Kreise werden aufGeraden oder Kreise abgebildet; weil Winkel erhalten werden, bleibt auch die Eigenschaft,den Rand senkrecht zu treffen, erhalten.□Satz 48. (i) H n ist vollständig.(ii) Die Geodätischen sind auf jedem Teilstück Kürzeste und jeder metrische Ball B r (p) istnormal.Beweis. (i) Weil die Exponentialabbildung für alle Punkte p ∈ H n auf ganz T p M definiertist, folgt die Behauptung aus der von uns nicht bewiesenen Richtung des Korollars 38.(ii) Nach dem letzten Satz existiert genau eine Geodätische, die p ≠ q ∈ H n verbindet.Dies muss deshalb die Kürzeste sein.□Für den Scheitel des Hyperboloid-Modells können wir die Exponentialabbildung explizitangeben: exp P (v, 0) = ( v sinh |v|, cosh |v|). Wir betrachten abschließend eine geodätische|v|Kreisscheibe in H 2 um P vom Radius r > 0, parametrisiert durchIhr Umfang ist∫ 2π0‖c ′ ‖ dϕ =c(ϕ) = (sinh r cos ϕ, sinh r sin ϕ, cosh r).∫ 2π0⎛⎞− sinh r sin ϕ⎜⎟∥ ⎝ sinh r cos ϕ ⎠∥ dϕ =01Wir erhalten also folgende Kreisumfänge:S 2 : |∂B r | = 2π sin r = 2π(r − r3 + . . .),3!R 2 : |∂B r | = 2πr,H 2 : |∂B r | = 2π sinh r = 2π(r + r3 + . . .).3!∫ 2π0sinh r dϕ = 2π sinh r.Wegen sin r < r < sinh r ist im hyperbolischen Raum am meisten Platz. In Satz 24 werdenwir noch zeigen, dass in Flächen mit beliebiger Krümmung die Taylorentwicklung von1|∂B 2π r(p)| einen Koeffizienten von − r3 liefert, der gerade die Krümmung K(p) ist.3!


84 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie6.4. Parallelenaxiom. Rund zweitausend Jahre lang waren Euklids Axiome die Grundlageder ebenen Geometrie. Diese Axiome beziehen sich auf Punkte und Geraden der (euklidischen)Ebene. Zwei Beispiele sind: Durch je 2 Punkte geht genau eine Gerade; entferntman aus einer Geraden einen Punkt, so gibt es Punkte in der Geraden, die nicht verbindbarsind. Die berühmteste Aussage, in verkürzter Form, lautet:Je zwei Geraden, die nicht parallel sind, schneiden sich in einem Punkt.Diese Aussage wurde zum Parallelenaxiom uminterpretiert, und ist, vorausgesetzt die anderenAxiome gelten, auch äquivalent dazu:Für jede Gerade g und p ∉ g gibt es genau eine Gerade h durch p mith ∩ g = ∅.Man vermutete lange, das Parallelenaxiom sei von den anderen impliziert. Daher war es eineRevolution festzustellen, dass für die Menge der Geodätischen von H 2 das Parallelenaxiomnicht gilt, obwohl alle anderen Axiome gelten. In unseren Modellen ist dies einfach zusehen: Nimmt man z.B. den Poincaré-Ball mit einer Geodätischen g, so gehen durch jedenPunkt p ∉ g viele Kreise, die g nicht schneiden (und den Rand senkrecht treffen).Mehr zur axiomatischen Geometrie finden Sie bei Bär und in Hilberts Buch “Grundlagender Geometrie”. Eine ausführliche und sehr schöne Quelle zu diesen Fragen ist das Buchvon John McCleary [MC].17. Vorlesung, Montag 10.12.126.5. Kompakte hyperbolische Flächen. Das Geschlecht [genus] g ∈ N 0 einer kompaktenorientierbaren Fläche wollen wir hier nicht präzise definieren. Es ist anschaulich dieAnzahl ihrer “Henkel”. Wenn man eine nach R 3 eingebettete Fläche hat, so ist es dieAnzahl der Löcher. Eine Sphäre hat also Geschlecht 0, ein Torus Geschlecht 1.Ist die Fläche M trianguliert mit F Flächen, K Kanten und E Ecken, so ist g über Euler-Charakteristik χ(M) := E − K + F = 2(1 − g) ≤ 2 gegeben. Überprüfen Sie dies fürspeziellen Triangulierungen; es gehen auch polygonale Zerlegungen (warum?). Diese Definitionvon g kommt aus der formalen topologischen Definition von g als Dimension derersten Homologiegruppe von M.Wir wollen nun Flächen von beliebigem Geschlecht g > 0 konstruieren, die lokal isometrischzur hyperbolischen Ebene sind. Weil H 2 konstante Gauss-Krümmung −1 hat, gilt dies daherauch für folgende Flächen:Satz 49. Für jedes g ≥ 2 gibt es eine zweidimensionale kompakte orientierte RiemannscheMannigfaltigkeit M g vom Geschlecht g, deren Metrik lokal isometrisch zu H 2 ist.


ii 6.5 – Stand: 14. Mai 2013 85Wir werden diese Flächen aus Sechsecken ⊂ H 2 zusammenkleben. Dabei besteht einSechseck aus sechs durchnummerierten verschiedenen Punkten aus H 2 , die zyklisch durchGeodätische verbunden sind, welche einander nicht schneiden.Lemma 50. Es gibt geodätische Sechsecke in H 2 , die nur rechte Winkel haben.Beweis. Dies zeigt man entweder durch hyperbolische Geometrie (Übung). Oder man siehtes elementargeometrisch durch eine Betrachtung in der Poincaré-Kreisscheibe. Wir werdenbenutzen, dass sie konform zur Standardmetrik ist.Sind p 1 (r), . . . , p 6 (r) Punkte in B, die auf den sechs Ursprungsstrahen mit Winkeln 2π/6, . . . , 5·2π/6 liegen und geodätischen Abstand zum Ursprung r > 0 haben, so gilt: Die Geodätischendurch benachbarte Punkte (Kreisbögen) schneiden sich mit Winkel gegen 120 ◦ fürr → 0, und mit Winkel gegen 0 ◦ für r → ∞. Der Winkel hängt stetig von r ab, also wirdnach dem Zwischenwertsatz 90 ◦ angenommen.□Beweis des Satzes. Wir wählen ein rechteckiges Seckseck S wie in Lemma 50. Wir verklebendann zwei Kopien von S entlang jeder zweiten Seite und erhalten ein sogenanntes Y-Stück.Die nicht verklebten Kanten (zusammen mit ihren Spiegelbildern) bilden drei disjunkteKreise, die das Y-Stück beranden.Man kann nun Kopien von Y-Stücken entlang ihrer Randkreise zusammenkleben. Verklebtman beispielsweise die Randkreise zweier Y-Stücke, so erhält man eine Fläche M 2 mitg = 2. Verklebt man nur zwei statt drei Kreise, so erhält man ein Doppelstück “mit Loch”(bestehend aus 4 Sechsecken). Verklebt man für g > 1 nun g − 1 solcher Doppelstücke bzw.(2g − 2) Y-Stücke so hat die resultierende Fläche M g das Geschlecht g > 1. (ÜberprüfenSie die Euler-Charakteristik χ(M g ) = E − K + F .)Nun besitzt jeder Punkt eine Umgebung, die isometrisch zu einer Teilmenge von H 2 ist:Das ist ohnehin klar für innere Punkte eines Sechsecks. Aber es gilt auch für jeder Punktauf einer Kante oder in einer Ecke, weil man durch Spiegelung an Kanten eine Pflasterungvon H 2 durch isometrische Kopien des Sechsecks erhält, so dass sich in jeder Ecke vierSechsecke treffen. Also ist M g Riemannsche Mannigfaltigkeit, die lokal isometrisch zu H 2ist.□Bemerkungen. 1. Die Flächen des Satzes lassen sich nicht isometrisch nach R 3 einbettenoder immersieren, weil ja solche Immersion einen Punkt positiver Gauß-Krümmung habenmuss.2. Die Riemannsche Struktur definiert eine 90-Grad Drehung J : T p M → T p M; da die von unskonstruierten Mannigfaltigkeiten M g orientierbar sind, ist J global definiert, indem wir eine Orthonormalbasisv p , w p konstruieren und Jv p = w p , Jw p = −v p definieren. Jede orientierte hyperbolischeFläche trägt deshalb eine wohlbestimmte konforme Struktur, d.h. sie wird zu einer


86 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieRiemannschen Fläche, also einer komplex-eindimensionale Mannigfaltigkeit. Erstaunlicherweisegilt für g ≥ 2 auch die Umkehrung (siehe Farkas-Kra, Theorem IV.8.6): Jede Riemannsche Flächeläßt sich mit einer Metrik versehen, so dass v ⊥ iv und die Metrik Krümmung −1 hat.3. Unsere Konstruktion läßt sich benutzen, um die Menge aller Riemannschen Metriken mitK ≡ −1 auf einer topologischen Fläche vom Geschlecht g zu analysieren; genauer betrachtetman natürlich die Äquivalenzklassen isometrischer Metriken. Diese Menge heißt Teichmüller-Raum T g . Man kann elementargeometrisch zeigen: Jedes beliebige rechtwinklige Sechseck hat dreiParameter, also auch jedes Y-Stück. Beispielsweise kann man die Längen l 1 , l 2 , l 3 > 0 der Randkreisenehmen. Weil man diese Kreislängen paarweise anpassen muß, hat man für M g insgesamt3(2g − 2)/2 Parameter. Da aber Verdrehen eines Y-Randkreises gegenüber seinem Partnerkreisjeweils einen weiteren Parameter ϕ i ∈ S 1 einführt (solche Twists führen zu nicht-isometrischenFlächen), hat T g die Dimension 2 · 3(2g − 2)/2 = 6g − 6. Eine Karte von T g wird durch eine Wahlgeschlossener Geodätischer bestimmt, die M in Y-Stücke zerlegt; tatsächlich kann man zeigen,dass eine solche Zerlegung immer möglich ist, in der Regel sogar auf viele verschiedene Weisen.Die durch die Wahl bestimmten (6g −6) Parameter der Fläche (l 1 , ϕ 1 , . . . , l 3g−3) , ϕ 3g−3 definierendann eine Karte von T g .6.6. Trigonometrie (99/00). Ein Dreieck ist durch drei paarweise verschiedene Punkteund ihre geodätische Verbindungskurven gegeben. Wir wollen Dreieckswinkel und -längenberechnen. Durch Wahl von Lorentzisometrien können wir annehmen, dass die drei EckenA, B, C in einem Unterraum H 2 ⊂ H n liegen und von der speziellen Form sind:⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞0sinh ccos α − sin α 0 sinh b cos α sinh b⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟A = ⎝0⎠ , B = ⎝ 0 ⎠ , C = ⎝sin α cos α 0⎠⎝ 0 ⎠ = ⎝sin α sinh b⎠ .1cosh c0 0 1 cosh b cosh bFür⎛⎞− cosh c 0 sinh c⎜⎟S := ⎝ 0 1 0 ⎠ ∈ O + (3, 1)− sinh c 0 cosh cgilt SA = B und SB = A. Wegen Se y = e y ist S eine hyperbolische Spiegelung. Imgespiegelten Dreieck vertauschen a und b sowie α und β ihre Rolle, d.h. SC hat ebenfallsdie Koordinaten⎛⎞ ⎛ ⎞− cos α sinh b cosh c + cosh b sinh c cos β sinh a⎜⎟(48) SC = ⎝ sin α sinh b ⎠ ! ⎜ ⎟= ⎝sin β sinh a⎠ .− cos α sinh b sinh c + cosh b cosh c cosh aWir folgern:


Satz 51. Im hyperbolischen Dreieck gelten:(i) Sinussatzii 6.7 – Stand: 14. Mai 2013 87sinh asin α = sinh bsin β = sinh csin γfallsα, β, γ ≠ 0 mod π(ii) Kosinussatzcosh c = cosh a cosh b − cos γ sinh a sinh b(und zyklisch vertauscht)(iii) Winkelkosinussatzcos γ = − cos α cos β + cosh c sin α sin β(und zyklisch vertauscht)Zum Vergleich: In R 2 agilt (i) = b = c , (ii) sin α sin β sin γ c2 = a 2 + b 2 − 2ab cos γ und (iii)α + β + γ = π. Dies sind gerade die Grenzfälle der hyperbolischen Sätze für kurze Seiten.Beweis. (i) Zeile 2 von (??) und Index-Permutation.(ii) Zeile 3.(iii) cos α(Zeile 1) − sin α(Zeile 2) gibtcos α cosh b sinh c −}cos{{ 2 α}sinh b cosh c − sin 2 α sinh b = cos(β + α) sinh a.−1+sin 2 αZeile 1 mit b ↔ c,gibt eingesetzt in die erste Formel:cos α sinh c cosh b = cosh c sinh b − cos γ sinh a,− cos γ sinh a + sin 2 α sinh b(cosh c − 1) = cos(β + α) sinh aDivision durch sinh a und Sinussatz ergibtund damit− cos γ + sin α sin β(cosh c − 1) = cos(β + α),− cos γ + sin α sin β cosh c = cos α cos β.□Bemerkung. Aus dem Winkelkosinussatz folgt, anders als für R 2 : Sofern überhaupt einDreieck existiert, bestimmen die drei Winkel α, β, γ die drei Längen a, b, c eindeutig,


88 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie6.7. Pflasterungen der hyperbolischen Ebene (99/00).Lemma 52. Ein rechtwinkliges Dreieck mit positiven Kantenlängen und Winkeln 0 0 >1(49) cosh a = cos αsin β ,cos βcosh b =sin α .und diese Formeln definieren a, b genau für α < π/2 − β. Schließlich wählen wir c gemäßSinussatz. Existenz folgt nun durch Wahl von a, b laut (??) und c durch Sinussatz. □In R 2 pflastern nur Dreiecke, Vierecke, Sechsecke, bei beliebiger Kantenlänge. Im hyperbolischenFall erhält man viele verschiedenen Typen von Pflasterungen durch Wahl speziellerKantenlängen. Der hyperbolische Fall ist reichhaltiger:Satz 53. In H 2 pflastern genau die folgenden regelmäßigen n-Ecke, so dass sich jeweils kdavon in einer Ecke berühren:• Dreiecke für alle k ≥ 7,• Vierecke für alle k ≥ 5,• Fünf- und Sechsecke für alle k ≥ 4 und• n-Ecke mit n ≥ 7 für alle k ≥ 3.Beweis. Ein n-Eck pflastert wie angegeben genau dann, wenn nach Unterteilung in 2nrechtwinklige Dreiecke diese Dreiecke die Winkel α = π, β = π und γ = π besitzen. Lautn k 2Lemma ist daher äquivalent zur Existenz der Pflasterung:πn + π k < π 2 ⇐⇒ 1 k < 1 2 − 1 n = n − 22n⇐⇒2nn − 2 < kBemerkungen. 1. Man kann H 2 auch mit idealen n-Ecken pflastern, bei denen alle Kantenlängenunendlich lang sind.2. Mit etwas aufwendigeren Rechnungen erhält man: Es gibt einen Würfel, der H 3 pflastert,und zwar so dass jeweils fünf Würfel längs einer Kante zusammenstoßen (Kantenwinkel= 72 ◦ ). Welche anderen Platonischen Körper pflastern? Pflastern auch ideale Polyeder?□


ii 6.8 – Stand: 14. Mai 2013 896.8. Übungsaufgaben.Aufgabe 63 – Zum Aufwärmen:a) Zeigen Sie, dass die Meridiankurven von H n Hyperbeln sind.b) Schreiben Sie H n als Graph und zeigen Sie, dass seine Tangentialvektoren raumartig sind.c) Zeigen Sie, dass die Räume (R n , λ · g 0 ) mit λ > 0 paarweise isometrisch sind (g 0 sei dasStandard-Skalarprodukt).d) Sei g eine Metrik der Form g = λ 2 ((dx 1 ) 2 + . . . + (dx n ) 2 ). Zeigen Sie, dass sich die Länge derKurve γ : [a, b] → (M, g) durch das Kurvenintegral∫L(γ) = λberechnen lässt.e) Zeigen Sie, dass die Cayley-Transformationϕ: B 2 → U 2 , ϕ(w) := −i w + iw − iinvertierbar ist (wenn Sie es nicht schon wissen).f) Finden Sie eine Formel für die hyperbolische stereographische ProjektionΠ: R n+11 \ {(0, . . . , 0, −1)} → R n × {0} ⊂ R n+11 .γAufgabe 64 – Pseudosphäre:a) Als Pseudosphäre bezeichnet man die Rotationsfläche der Traktrix (derjenigen Kurve, bei derauf jeder Tangentengeraden der Tangentenpunkt und der Schnittpunkt mit der y-Achse denAbstand 1 besitzen). Zeigen Sie: Die Pseudosphäre hat Gauß-Krümmung K ≡ −1.Tipp zur Verkürzung der Rechnung: Überlegen Sie sich, dass eine nach Bogenlänge parametrisierteTraktrix c(t) + c ′ (t) ∈ {y-Achse} erfüllt und verwenden Sie die Formel der Gaußkrümmungeiner nach Bogenlänge parametrisierten Kurve.b) Was ist die geodätische Krümmung und Länge des berandenden Breitenkreises? Was ist diegeodätische Krümmung eines Meridians?c) Wir entfernen aus der Pseudosphäre eine Meridiankurve. Aus allgemeinen Sätzen folgt, dassdie entstehende einfach zusammenhängende Fläche isometrisch zu einer Teilmenge V ⊂ U 2ist. Benutzen Sie Teil b), um mit allgemeinen Überlegungen zu erschließen, wie man V ameinfachsten darstellen kann. (Sie sollen nicht die Isometrie berechnen.)d) Überlegen Sie: Welche Isometrie von U 2 entspricht dann der Drehung der Pseudosphäre umihre Achse? Was bedeutet das für die geodätische Krümmung eines beliebigen Breitenkreisesauf der Pseudosphäre?


90 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 65 – Metriken auf der oberen Halbebene:a) Zeigen Sie: Die Kurve t ↦→ (0, 1 − t) ∈ H 2 für t ∈ (0, 1) hat unendliche Länge in der hyperbolischenMetrik der oberen Halbebene.b) Zeigen Sie: Die Riemannsche Mannigfaltigkeit R × (0, ∞), g = 1 y〈·, ·〉 ist nicht vollständig.c) Zeigen Sie direkt: Jede Cauchy-Folge in H 2 mit der hyperbolischen Metrik konvergiert.Tipp: Zeigen Sie, dass jede Cauchy-Folge von 0 weg beschränkte y-Koordinaten hat.Aufgabe 66 – Dreiecke und Pflasterungen:a) Ein Dreieck in U 2 ist eine geschlossene C 0 -Kurve, die aus drei geodätischen Bögen besteht.Bestimmen Sie ein Dreieck mit drei gleichen Winkeln von 45 ◦ in H 2 .Tipp: Zwischenwertargument.b) Machen Sie sich klar, dass mit isometrischen Bildern des Dreiecks die hyperbolische Ebenelückenlos gepflastert werden kann. Wieviele solcher Dreiecke kommen in jeder Ecke zusammen?Skizzieren Sie! Tipp: Spiegelung.c) Wir betrachten ab jetzt das Poincaré-Modell (B1 2, g) von H2 . Ein ideales Dreieck ist ein Dreieck,dessen drei Ecken auf ∂B1 2 liegen. Was sind seine Winkel?d) Warum kann man die hyperbolische Ebene mit solchen idealen Dreiecken lückenlos pflastern?Skizzieren Sie!e) Zum Nachdenken: Sehen Sie irgendeinen elementaren Weg zu zeigen, dass die Winkelsummejedes hyperbolischen Dreiecks kleiner als 180 ◦ ist?Aufgabe 67 – Inhalt und Innenwinkel von Dreiecken:Wir betrachten das obere Halbebenen-Modell U 2 von H 2 . Wir wollen den Inhalt eines Dreiecks∆ berechnen.a) Sei ∆ ein Dreieck mit genau einer Ecke in ∂U 2 und Winkeln α,β > 0 in den anderen beidenEcken. Argumentieren Sie, warum wir annehmen dürfen, dass eine Ecke in ∞ und die anderenbeiden Ecken auf dem Einheitskreis liegen. Berechnen Sie daraus area(∆).b) Sei jetzt ∆ ein Dreieck mit den Winkeln α,β,γ > 0. Berechnen Sie area(∆).c) Zeigen Sie, dass die Winkelsumme in hyperbolischen Dreiecken kleiner als 180 ◦ ist.Aufgabe 68 – Trigonometrie:In Hyperboloid H 2 betrachten wir drei verschiedene Punkte P 1 , P 2 , P 3 , welche durch drei Geodätischeder Längen a, b, c > 0 verbunden sind. Weiter gelte α, β, γ ∈ (0, π).


ii 6.8 – Stand: 14. Mai 2013 91P 3✓ ✓❆ γ✓ ✓ ❆b❆ a ❆✓✓ ✓ ❆❆ αβ ❆P 1c P 2AP 3 = P 3′✁ ✁ γ❙❙a✁✁ ✁ ❙❙b❙✁ ✁ ❙ βα❙AP 2 = P 1c AP 1 = P 2a) Begründen Sie zunächst, daß wir o.B.d.A. annehmen könnenP 1 = (0, 0, 1), P 2 = (sinh c, 0, cosh c), P 3 = (sinh b cos α, sinh b sin α, cosh b).Auf dieses neue Dreieck wenden wir nun die Isometrie⎛⎞− cosh c 0 sinh cA := ⎜⎝ 0 1 0 ⎟⎠− sinh c 0 cosh can, welche die Punkte P 1 und P 2 miteinander vertauscht.b) Bestimmen Sie anhand des rechten Bildes die Koordinaten des Bildpunktes P ′ 3 := AP 3.c) Berechnen Sie andererseits das Produkt P 3 ′ = AP 3 explizit unter Verwendung obiger Isometrie.Schließen Sie hieraus• den Sinussatzsinh asin α = sinh bsin β = sinh csin γ ,• den Kosinussatzcosh c = cosh a cosh b − cos γ sinh a sinh b(und zyklisch vertauscht)• und den Winkelkosinussatzcos γ = − cos α cos β + cosh c sin α sin β(und zyklisch vertauscht).Tipp: Multiplizieren Sie die erste Zeile mit cos α und verwenden einerseits die erste Zeilemit b ↔ c und andererseits den Sinussatz.d) Verwenden Sie den Winkelkosinussatz, um zu zeigen, dass ein rechtwinkliges Dreieck mit denanderen beiden Winkeln 0 < α, β < π genau dann existiert, wenn α + β < π/2 gilt.e) Wir wollen nun untersuchen, auf welche Arten H 2 gepflastert werden kann. Wir betrachten einePflasterung mit regulären n-Ecken, wobei an jeder Ecke k solcher n-Ecke aufeinandertreffen.Skizzieren Sie eine solche Situation.f) Führen Sie das Problem auf die Existenz von rechtwinkligen Dreiecken zurück, indem Sie jedesn-Eck in 2n rechtwinklige Dreiecke aufteilen. Wie groß sind die beiden anderen auftretendenWinkel in diesen rechtwinkligen Dreiecken?g) Verwenden Sie die bisherigen Aufgabenteile, um zu untersuchen, für welche Werte von n und keine Pflasterung von H 2 durch reguläre n-Ecke existiert, wobei an jeder Ecke k solcher n-Eckezusammentreffen.


92 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieTeil 3. KrümmungEs sei stets (M n , g) semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit und ∇ ihr Levi-Civita-Zusammenhang.Wir setzen ferner n ≥ 2 voraus.1. KrümmungsbegriffeDer Krümmungsbegriff, den wir einführen, wird die folgenden Eigenschaften haben:1. Die Krümmung wird die Gauß-Krümmung auf semi-Riemannsche Mannigfaltigkeitenbeliebiger Dimension verallgemeinern. Sie tut es durch Einschränkung der Mannigfaltigkeitauf exp p (Ebene). Dies war 1854 Riemanns wegweisende Idee.2. Die Krümmung misst die Wegabhängigkeit der Parallelverschiebung: Die Krümmungverschwindet genau dann, wenn die Parallelverschiebung lokal wegunabhängig ist. Dabeikann man “lokal” präzisieren als “für homotope Wege”.3. Die Krümmung ist die einzige Invariante von semi-Riemannschen Mannigfaltigkeitenunter lokalen Isometrien.4. Die Krümmung ist normiert durch die Festlegung: Die Mannigfaltigkeiten S n , R n , H nhaben die Krümmungen +1, 0, −1.1.1. Gauß-Krümmung von Flächen. Weil der Riemannsche Krümmungsbegriff dieGauß-Krümmung verallgemeinert, möchte ich kurz wiederholend darstellen, wie dieserKrümmungsbegriff definiert werden kann und welche Eigenschaften er hat. Wir geben vierverschiedene Charakterisierungen der Gauß-Krümmung K an. Dabei sind a), b) extrinsischeDefinitionen und c), d) geben an, wie die Gauß-Krümmung intrinsisch deutbar ist.a) Wir betrachten immersierte Flächen f : Ω 2 → R 3 . Wir benutzen die Normalen-Abbildungν : Ω 2 → S 2 (Gauß-Abbildung) der Fläche.Beispiele. 1. Für eine parametrisierte Ebene ist ν konstant,2. für einen Zylinder liegt ν in einem Großkreis,3. für S 2 R kann man ν = 1 R f wählen.Wenn sich f stark krümmt, wird das Normalenbild groß sein. Eine Möglichkeit, die Größedes Normalenbildes zu messen, ist det dν p zu betrachten. Allerdings tut es dies relativzur gewählten Parametrisierung: Skalieren wir die Fläche in R 3 beispielsweise mit einemFaktor, so hängt det dν p quadratisch von diesem Faktor ab. Um eine von der gewählten Parametrisierungunabhängige Größe zu erhalten, dividieren wir durch det df. Entsprechendhat Gauß definiert:(1) K(p) = det dν pdet df p.


iii 1.1 – Stand: 14. Mai 2013 93(Technisch ist es vorteilhaft, die Weingarten-Abbildung S = −(df) −1 dν einzuführen, so dassK(p) = det ( (df p ) −1 dν p)= det(−Sp ); siehe Vorlesung klassischen Differentialgeometrie.)Beispiele. 1. Für die Ebene K ≡ 0,2. für den lokal isometrischen Zylinder ebenfalls.3. Für die Sphäre S 2 R ist K = 1/R2 .b) Man kann auch die zweite Fundamentalform b ij := 〈∂ ij f, ν〉 benutzen, um die Gauß-Krümmung einzuführen. Wir tun dies hier nur für den Spezialfall eines Graphen überder Tangentialebene. Wir nehmen also f(x, y) = (x, y, h(x, y)) an, wobei f(0, 0) = 0 undgrad f(0, 0) = 0, bzw. ν(0, 0) = (0, 0, 1). Dann gilt im Ursprung b ij = ∂ijh, 2 die zweiteFundamentalform ist also die Hesseform der Höhenfunktion, b = d 2 h. Zulässige Isometriensind hier Bewegungen der parametrisierenden Ebene. Die Invarianten der symmetrischenBilinearform d 2 h bezüglich Bewegungen sind die Eigenwerte, genannt Hauptkrümmungenκ 1 , κ 2 . In der entsprechenden Basis von Eigenvektoren hat d 2 h die Diagonalform d 2 h =( κ1 =∂ 11)h 00 κ 2 =∂ 22 h . Insbesondere ist auch das Produkt der Eigenwerte K = det d 2 h = κ 1 κ 2eine Invariante.Wenn f allgemein ist, also nicht unbedingt Graph über der Tangentialebene, erhält maneinen parametrisierungsinvarianten Ausdruck, indem man setzt(2) K = det bdet g .c) In S 2 , R 2 , H 2 haben Kreise ∂B r vom Abstand r um einen Punkt die Längen 2π sin r,2πr, bzw. 2π sinh r. Eine Taylorentwicklung führt daher zu der Formel für die Länge L derAbstandskreise auf,L(∂B r ) = 2π ( r − K 3! r3 + O(r 4 ) ) ,wobei K die Gauß-Krümmung ist. Im Falle variabler Krümmung gibt die entsprechendeFormel für L(∂B r (p)) die Krümmung K(p) an.d) Wir benötigen eine Formel, die K(p) durch die erste Fundamentalform bzw. RiemannscheMetrik g und seine Ableitungen bestimmt. Dass es eine solche Formel gibt, ist eineüberraschende Tatsache, die nicht aus (1) oder (2) ablesbar ist. Sie ist Inhalt des theoremaegregium von Gauß. Der Beweis des theorema egregium folgt aus längeren Rechnungen,die man wie folgt zusammenfassen kann. Für eine Immersion f : Ω n → R n+1 gilt(∂ ij − ∂ ji )∂ k f = 0 nach dem Satz von Schwarz. Indem man diesen Ausdruck als eine Linearkombinationseiner Tangentialkomponenten berechnet, gewinnt man für jede Immersionf eine Gleichung, die sogenannte Gauß-Gleichung,n∑n∑ ( )(3) Rijk s := ∂ i Γ s jk−∂ j Γ s ik+ Γ r jkΓ s ir−Γ r ikΓ s jr = bjk b ir −b ik b jr grs1 ≤ i, j, k, s ≤ n.r=1r=1


94 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieDie Gauß-Gleichung verknüpft die innere Geometrie (linke Seite) mit der äußeren Geometrie(rechte Seite). Tatsächlich hängen die Christoffel-Symbole ja nur von g ab, während bdurch ν bestimmt ist.Multiplizieren wir die Gauß-Gleichung mit der Matrix g st und summieren, so erhalten wir∑s g stRijk s = b jkb it − b ik b jk für 1 ≤ i, j, k, t ≤ n. Im zweidimensionalen Fall, n = 2, wirddie rechte Seite zur Determinante von b, wenn wir spezifizieren i = t = 1 und j = k = 2.Es ergibt sich die gewünschte intrinsische Formel für die Gauß-Krümmung,∑ 2s=1(4)g s1R122s = det bg 11 g 22 − g122 det g = K,in jedem Punkt p ∈ Ω ⊂ R 2 .Die durch die Gleichungen (3) und (4) gegebenen Größen werden wir auf Mannigfaltigkeitenübertragen. Dabei wird (3) zum algebraischen Begriff des Krümmungstensors führen, und(4) zur geometrischen Schnittkrümmung.1.2. Krümmungstensor. Die Krümmung auf Riemannschen Mannigfaltigkeiten wird zunächstdurch einen Tensor beschrieben, der drei Vektorfeldern ein neues Vektorfeld zuordnet.Später werden wir hieraus den geometrischen Begriff der Schnittkrümmung herleiten.Definition. (i) Der (Riemannsche) Krümmungstensor ist der Kommutator der zweitenkovarianten Ableitungen(5) R(X, Y )Z := ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z − ∇ [X,Y ] Z, X, Y, Z ∈ V(M).Bezüglich einer Karte x: U → R n definieren wir lokale Darstellungen R s ijk : U → R durchR(e i , e j )e k = ∑ sR s ijke s .(ii) Man bezeichnet Mannigfaltigkeiten mit identisch verschwindendem Krümmungstensorals flach.Bemerkungen. 1. Die Wahl des umgekehrten Vorzeichens für R ist ebenfalls üblich!2. Der Grund für die Schreibweise R(X, Y )Z statt R(X, Y, Z) wird noch klar.Der Krümmungstensor erscheint auf den ersten Blick als ein ganz willkürliches Objekt.Dass er in der definierten Form tatsächlich vorkommt, werden wir in späteren Beweise nochsehen, z.B. bei der zweiten Variation. Es wird aber auch unmittelbar daraus einsichtig, dassdas Vertauschen von Ableitungen, also das Lemma von Schwarz, ein zentrales Argument dermehrdimensionalen Analysis ist (Übung: wo genau?). Anders als im flachen Fall vertauschenaber im Riemannschen Fall zweite Ableitungen nicht mehr, und dieser Tatbestand wirdjedesmal für das Auftreten des Krümmungstensor verantwortlich sein.


iii 1.2 – Stand: 14. Mai 2013 95Im Beweis des folgenden Lemmas erkennen wir unsere Definition (5) als die koordinatenfreieDarstellung von (3):Lemma 1. Sei (x, U) Karte einer semi-Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g). Der Levi-Civita-Zusammenhang habe die Christoffel-Symbole Γ. Dann gilt die in (3) links gegebeneDarstellung von Rijk s durch die Christoffel-Symbole.Beweis. Die Standardbasis (e i ) bezüglich einer Karte (x, U) erfüllt [e i , e j ] = 0. Also gilt:R ( )e i , e j ek = ∇ ei ∇ ej e k − ∇ ej ∇ ei e k( ∑ ) ( ∑ )= ∇ ei Γ r jke r − ∇ej Γ r ike r∇ derivativ== ∑ srr∑[ (∂i ) ∑Γ r jk er + Γ r jk Γ s ire s − ( ∑]∂ j Γik) r er − Γ r ik Γ s jre sr[∂ i Γ s jk − ∂ j Γ s ik + ∑ rs() ]Γ r jkΓ s ir − Γ r ikΓ s jr e s□sDie folgende Eigenschaft ist wichtig, z.B. für Basisdarstellungen:Lemma 2. (X, Y, Z) ↦→ R(X, Y )Z ist D(M)-linear in allen drei Einträgen.Dies ist nicht offensichtlich, denn die R(X, Y )Z definierenden Ableitungsausdrücke (X, Y ) ↦→∇ X Y und (X, Y, Z) ↦→ ∇ X ∇ Y Z sind nicht D(M)-linear.Beweis. Die R-Linearität, z.B. R(U +V, Y )Z = R(U, Y )Z +R(V, Y )Z, gilt termweise. Wirzeigen nun die D(M)-Linearität. Sei f ∈ D(M).• in X: Unter Verwendung der Formel von Satz I.7(iv) folgtR(fX, Y )Z = f∇ X ∇ Y Z − ∇ Y (f∇ X Z) − ∇ f[X,Y ]−(∂Y f)XZ• in Y genauso.• in Z:= f∇ X ∇ Y Z − f∇ Y ∇ X Z − ∂ Y f ∇ X Z − f∇ [X,Y ] Z + ∂ Y f∇ X Z = fR(X, Y )Z.∇ X ∇ Y (fZ) = ∇ X(f∇Y Z + ∂ Y fZ )= f∇ X ∇ Y Z + ∂ X f∇ Y Z + ∂ Y f∇ X Z +(∂} {{ } X ∂ Y f)Z.symm. in X,Y=⇒ R(X, Y )fZ = ∇ X ∇ Y (fZ) − ∇ Y ∇ X (fZ) − ∇ [X,Y ] fZ= f ( ∇ X ∇ Y − ∇ Y ∇ X)Z + (∂[X,Y ] f)Z − f∇ [X,Y ] Z − (∂ [X,Y ] f)Z= fR(X, Y )Z□


96 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie18. Vorlesung, Mittwoch 12.12.12Lemma 2 sagt, dass R ein Tensor ist: Der Wert von R(X, Y )Z im Punkt p wird alleindurch die Werte der Vektorfelder X, Y, Z im Punkt p bestimmt. Es gilt z.B. lokal( ∑R ξ i e i , ∑ ) ∑η j e j ζ k (∗)e k = ∑ ξ i η j ζ k R(e i , e j )e k = ∑ ξ i η j ζ k Rijke s s .Weil ξ, η, ζ nur lokal definiert sind, ist (∗) nicht direkt durch die D(M)-Linearität gerechtfertigt.Wir werden dies mit Satz 10 nachholen, wenn wir uns allgemein mit Tensorenbefassen.Bemerkungen. Wählen wir für X, Y, Z Standardbasisfelder einer Karte, so ist der Krümmungstensorexakt der Kommutator der zweiten Ableitungen ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z. Indem mannoch den Lie-Klammer-Term ∇ [X,Y ] Z hinzufügt, verallgemeinert man diesen Kommutatorunter Beibehaltung der Tensor-Eigenschaft auf beliebige Felder X, Y, Z.1.3. Schnittkrümmung. Mit diesem Begriff interpretieren wir g ( R(X, Y )U, V ) als einenKrümmungsusdruck, der auf den durch X, Y und U, V aufgespannten orientierten Ebenendefiniert ist. Wir werden folgende formale Eigenschaften benötigen:Lemma 3. (i) Bianchi-Identität: R(X, Y )Z + R(Y, Z)X + R(Z, X)Y = 0(ii) R(X, Y )Z = −R(Y, X)Z(iii) g ( R(X, Y )U, V ) = −g ( R(X, Y )V, U )(iv) g ( R(X, Y )U, V ) = g ( R(U, V )X, Y )Die Eigenschaften (ii) – (iv) kann man als Orientierungswechsel der Ebenen bzw. Ebenentauschverstehen.Beweis. (i) Laut Jacobi-Identität, Satz I,12, ist 0 = [ X, [Y, Z] ] + [ Y, [Z, X] ] + [ Z, [X, Y ] ] . Indieser zyklischen Summe ersetzen wir nun die Lie-Klammern gemäß [U, V ] = ∇ U V −∇ V U:0 = ∑ [ ] ∑X, [Y, Z] = ∇ X [Y, Z] − ∇ [Y,Z] X = ∑ ∇ X ∇ Y Z − ∇ X ∇ Z Y − ∇ [Y,Z] Xzykl.zykl. zykl.(∗)= ∑ ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z − ∇ [X,Y ] Z = ∑ R(X, Y )Z.zykl.zykl.Bei (∗) haben wir die insgesamt 9 Terme nur umgruppiert.(ii) Nach Definition von R klar.(iii) Auch (X, Y, U, V ) ↦→ g ( R(X, Y )U, V ) ist D(M)-linear. Daher reicht es, die Behauptunglokal für Vektoren der Standardbasis nachzuweisen. Daraus folgt sie allgemein, dennwir können aufsummieren, z.B. g ( R( ∑ i ξi e i , Y )U, V ) = ∑ i ξi g ( R(e i , Y )U, V ) . Machen Sie


iii 1.3 – Stand: 14. Mai 2013 97sich dies klar! Wir schreiben weiterhin X, Y, U, V für die Vektoren der Standardbasis undwerden allein benutzen, dass alle ihre Lie-Klammern verschwinden (*).Zunächst: Ist b irgendeine Bilinearform, so giltb(Z, Z) = 0 ∀Z ⇐⇒ b(X, Y ) = −b(Y, X) ∀X, Y (Schiefsymmmetrie).Dabei ist “⇐” klar, während “⇒” aus der Parallelogrammgleichung folgt oder ausb(X, Y ) + b(Y, X) = b(X + Y, X + Y ) − b(X, X) − b(Y, Y ).Also reicht es, zu zeigen g ( R(X, Y )U, U ) = 0. Wir leiten dies her, indem wir zuerst dieVerträglichkeitsbedingung von ∇ mit g verwenden:g ( ∇ X ∇ Y U, U ) = ∂ X g(∇ Y U, U) − g(∇} {{ } Y U, ∇ X U)} {{ }= 1 2 ∂ Y g(U,U) symm. in X,Y⇒2g ( R(X, Y )U, U ) (∗)= ∂ X ∂ Y g(U, U) − ∂ Y ∂ X g(U, U) = ∂ [X,Y ] g(U, U) (∗)= 0(iv) Wir addieren die vier zyklischen Gleichungen, die wir aus (i) erhalten:g ( R(W, X)Y, Z ) + g ( R(X, Y )W, Z ) + g ( R(Y, W )X, Z ) = 0g ( R(X, Y )Z, W ) + g ( R(Y, Z)X, W ) + g ( R(Z, X)Y, W )= 0}({{)}−gR(X,Z)Y,W. . . + . . . + g ( R(W, Y )Z, X )= 0}({{)}gR(Y,W )X,Z. . . + . . . + g ( R(X, Z)W, Y )= 0.}({{)}−gR(X,Z)Y,WNach (iii) heben sich die ersten beiden Spalten zyklisch in Paaren weg wie unterstrichen.In der dritten Spalte haben wir mit (ii)(iii) umgeformt. Das ergibt die gewünschte Summe2g ( R(Y, W )X, Z ) − 2g ( R(X, Z)Y, W ) = 0.□Sämtliche Information über R steckt bereits in g(R(X, Y )Y, X), und zwar punktweise:Satz 4. Sei g : (R n ) 2 → R eine nicht ausgeartete symmetrische Bilinearform und dietrilineare Abbildung R: (R n ) 3 → R n erfülle die vier Eigenschaften aus Lemma 3. Dann istR(X, Y )Z bereits eindeutig durch g(R(X, Y )Y, X) bestimmt.Beweis. Wir nehmen ang ( R ′ (X, Y )Y, X ) = g ( R(X, Y )Y, X )für alle X, Y


98 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrieund müssen R(X, Y )W = R ′ (X, Y )W für alle X, Y, W zeigen.Zunächst ist g(R ( X, Y )Y, Z ) (ii)(iii)= g ( R(Y, X)Z, Y ) (iv)= g ( R(Z, Y )Y, X ) . Das benutzenwir, um in der folgenden Formel den unterstrichenen Term zu erhalten:g ( R(X + Z, Y )Y, X + Z ) = g ( R(X, Y )Y, X + Z ) + g ( R(Z, Y )Y, X + Z )= g ( R(X, Y )Y, X ) + 2g ( R(X, Y )Y, Z ) + g ( R(Z, Y )Y, Z ) .Das gleiche gilt für R ′ , wobei nach Annahme die linke Seite und die beiden rechts nichtunterstrichenen Terme übereinstimmen. Also muss auch der unterstrichene Term für R undR ′ jeweils übereinstimmen. Daher gilt bereits(6) g ( R(X, Y )Y, Z ) = g ( R ′ (X, Y )Y, Z ) für alle X, Y, Z.Hieraus folgt g ( R(X, Y + W )(Y + W ), Z ) = g ( R ′ . . . ) . Subtrahieren wir davon laut (6)gleiche Summanden, so verbleibtg ( R(X, Y )W, Z ) + g ( R(X, W )Y, Z ) = g ( R ′ (X, Y )W, Z ) + g ( R ′ (X, W )Y, Z )(7)(ii)⇔ g ( R(X, Y )W, Z ) − g ( R ′ (X, Y )W, Z ) = g ( R(W, X)Y, Z ) − g ( R ′ (W, X)Y, Z ) .Für jedes Z bleibt also die Differenz, die auf beiden Seiten von (7) auftritt, gleich unterzyklischer Vertauschung der X, Y, W .Die Bianchi-Identität gilt für R und R ′ , und so folgt0 = g ( Bianchi(X, Y, W ), Z ) − g ( Bianchi’(X, Y, W ), Z )(7)= 3g ( R(X, Y )W, Z ) − 3g ( R ′ (X, Y )W, Z ) .Weil dies für alle Z gilt, folgt R(X, Y )W = R ′ (X, Y )W gemäß Lemma II.14.□Wir verallgemeinern nun die Gauß-Krümmung (4). Dabei spezialisieren wir einfach aufEbenen des Tangentialraumes. Ein Paar Vektoren X, Y ∈ T p M heißt nicht ausgeartet, wenngilt ‖X‖ 2 p‖Y ‖ 2 p − g p (X, Y ) 2 ≠ 0. Im Riemannschen Fall sind linear unabhängige Vektorennicht ausgeartet.Definition. Sei (M, g) semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (mit dim M ≥ 2). Für p ∈ Mund X, Y ∈ T p M nicht-ausgeartet ist die Schnittkrümmung [sectional curvature](8) K p (X, Y ) := g (p Rp (X, Y )Y, X )‖X‖ 2 p‖Y ‖ 2 p − g p (X, Y ) . 2Der Nenner gibt den Riemannschen Inhalt des von X und Y aufgespannten Parallelogrammsan. Er übernimmt nur die Rolle einer Normalisierung, so dass die zweite Behauptungdes folgendes Satzes gilt:


iii 1.4 – Stand: 14. Mai 2013 99Satz 5. (i) Die Schnittkrümmung bestimmt den Krümmungstensor.(ii) K p (X, Y ) hängt nur von der durch X, Y aufgespannten Ebene σ ⊂ T p M (dem Schnitt)ab.(iii) Ist dim M = 2 und M Riemannsch, so stimmt p ↦→ K p (X, Y ) für beliebige linearunabhängige Vektoren X, Y ∈ T p M mit der Gauß-Krümmung K(p) überein.Wegen (ii) schreiben wir auch K(σ) oder K p (σ).Beweis. (i) Hatten wir bereits durch Satz 4 gezeigt.(ii) Jede Basistransformation von σ, gegeben durch (X, Y ) ↦→ (X ′ , Y ′ ), wird erzeugt durch:a) (X, Y ) ↦→ (Y, X)b) (X, Y ) ↦→ (X + Y, Y )c) (X, Y ) ↦→ (λX, Y ) mit λ ≠ 0Zähler und Nenner von (8) bleiben unter (a) invariant, und werden unter (c) beide mit λ 2multipliziert. Wegen R(Y, Y )Z = 0 nach Lemma 3(ii) bleibt unter (b) der Zähler invariant,und ebenso der Nenner. Also ist K p (X, Y ) = K p (X ′ , Y ′ ).(iii) Nach (ii) hängt K p (X, Y ) nicht von der Wahl von X, Y ab. Setzen wir speziell X := e 1und Y := e 2 , so erhalten wir in pK(e 1 , e 2 ) = g( R(e 1 , e 2 )e 2 , e 1 )‖e 1 ‖ 2 ‖e 2 ‖ 2 − g 2 (e 1 , e 2 ) = g( R 1 122e 1 + R 2 122e 2 , e 1 )g 11 g 22 − g 2 12= g 11R 1 122 + g 21 R 2 122det g(4)= KBemerkung. Die komplex-projektiven Räume CP n sind interessante Riemannsche Mannigfaltigkeiten,deren Schnittkrümmung genau das Intervall [ 1 4, 1] annimmt. Im semi-Riemannschen Fall(mit Index 1 ≤ k ≤ n − 1) sind solche Beispiele unmöglich, denn eine untere oder obere Schrankean die Schnittkrümmung impliziert bereits, dass die Schnittkrümmung konstant ist (siehe [ON,Prop. 8.28]).1.4. Mannigfaltigkeiten konstanter Krümmung.Definition. (i) Eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) hat konstante Krümmung,wenn es ein κ ∈ R gibt mit K p (σ) = κ für alle p ∈ M und alle Ebenen σ ⊂ T p M.(ii) Eine vollständige zusammenhängende Mannigfaltigkeit konstanter Krümmung heißtRaumform [space form].(iii) Ist K p (σ) 0 für alle p ∈ M und Ebenen σ ⊂ T p M, so sagt man M hat negative,positive Krümmung.□Nach Satz 4 ist konstante Krümmung κ = 0 äquivalent zur Flachheit R ≡ 0. Der RaumR n und lokal isometrische Räume wie T n sind Beispiele.


100 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz 6. M hat genau dann konstante Krümmung κ, wenn gilt(9) R p (X, Y )Z = κ ( g p (Y, Z)X − g p (X, Z)Y ) für alle p ∈ M und X, Y, Z ∈ T p M.Diese Formel gilt immer in Dimension dim M = 2, sofern man κ durch die Gauss-Krümmung K(p) ersetzt.Beweis. “⇐” Aus (9) folgtg ( R(X, Y )Y, X ) = g ( κg(Y, Y )X, X ) − g ( κg(X, Y )Y, X ) = κ ( ‖X‖ 2 ‖Y ‖ 2 − g(X, Y ) 2)und damit K(X, Y ) = κ, d.h. M hat konstante Krümmung.“⇒” M habe konstante Krümmung κ, d.h. es giltg ( R(X, Y )Y, X ) = κ ( ‖X‖ 2 ‖Y ‖ 2 − g(X, Y ) 2) .Diese Formel gilt auch in Dimension 2 mit K statt κ.Wir behaupten nun: Die rechte Seite von (9) erfüllt die vier Eigenschaften von Lemma 3.Tatsächlich ergibt die rechte Seite von (9) sechs Terme in (i), die sich paarweise wegheben.Weiter sind (ii)-(iv) für (9) bzw. für(X, Y, U, V ) ↦→ κ ( g(Y, U)g(X, V ) − g(X, U)g(Y, V ) )leicht zu sehen. Laut Satz 4 folgt daraus bereits, dass der Krümmungstensor mit demTensor für konstante Krümmung übereinstimmt.□Zwar gilt der Beweis auch, wenn K p (σ) nur von p, nicht aber von σ abhängt. Das istin dim M = 2 auch der Fall für jede Fläche, deren Gauß-Krümmung nicht konstant ist.Allerdings sagt für dim M ≥ 3 ein Satz von Schur (siehe Übungen): Ist K p unabhängig vonσ, so ist p ↦→ K p bereits konstant.19. Vorlesung, Montag 17.12.12Im Riemannschen Falle haben folgende Mannigfaltigkeiten konstante Krümmung:Satz 7. S n hat konstante Krümmung 1, ebenso Quotienten unter diskreter Gruppenoperationwie RP n .Beweis. Seien p, q ∈ S n und σ Ebene in T p S n und τ Ebene in T q S n . Dann gibt es eineIsometrie ϕ ∈ O(n + 1) mit ϕ(p) = q und dϕ(σ) = τ. (Tatsächlich gibt es sogar fürjedes Paar von Orthonormalbasen in T p S n , T q S n eine Isometrie, die die Vektoren paarweiseaufeinander abbildet.) Nun ist die Schnittkrümmung K p (σ) invariant unter Isometrien.Also hat S n konstante Krümmung κ ∈ R.


iii 1.5 – Stand: 14. Mai 2013 101Wir benutzen nun, dass S 2 ⊂ R 3 die Schnittkrümmung 1 hat. Das folgt entweder durchAnwendung des theorema egregium, oder indem man Christoffel-Symbole für die stereographischeProjektion berechnet.Sei σ ⊂ T p S n eine Ebene. Der Untervektorraum U := span(p, σ) hat Dimension 3. Daherist S := U ∩ S n isometrisch zur 2-Sphäre und hat die konstante Schnittkrümmung 1. Alsogilt nach (9) für je drei Vektoren X, Y, Z, die T p S aufspannen,R S p (X, Y )Z = g S (Y, Z)X − g S (X, Z)Y.Wir behaupten nun, dass beide Seiten erhalten bleiben, wenn g, R bezüglich S n gebildetwerden. Aus Satz 6 folgt dann κ = 1.Weil die Inklusion S ⊂ S n isometrisch ist, bleibt die rechte Seite unverändert. Für die linkeSeite beachten wir, dass auf der Untermannigfaltigkeit S n ⊂ R n+1 die kovariante AbleitungY als Tangentialanteil definiert ist:∇ SnX(10) ∇ SnX Y = ⊤(∂ X Y ) = ∂ X Y − 〈∂ X Y, p〉 p.Nun ist die Normale p sowohl die Normale von S n als auch die Normale an S ⊂ U. Also giltdieselbe Formel für S wie für S n ; das gleiche gilt für die zweiten kovarianten Ableitungenund die Lie-Klammer, die R definieren.□Ähnlich kann man auch für den hyperbolischen Raum argumentieren. Durch Berechnender Christoffelsymbole zeigt man, dass H 2 Krümmung −1 hat. Weiterhin hat H n konstanteKrümmung, da die Isometriegruppe transitiv auf Ebenen ist. Es reicht also dieKrümmung von H n für eine Ebene zu bestimmen. Nehmen wir einen Unterraum H 2 ⊂ H n ,der tangential an diese Ebene ist, so behaupten wir, dass dessen Schnittkrümmung −1auch die Schnittkrümmung von H n ist. Das liegt daran, dass ganz allgemein für eine totalgeodätische Untermannigfaltigkeit M einer Mannigfaltigkeit N gilt ∇ M X Y = ∇N X Y fürX, Y ∈ V(M) (siehe z.B. Prop.13 auf p.104 von [ON]).Bemerkung. Im semi-Riemannschen Fall (mit Index 1 ≤ k ≤ n − 1) sind Pseudosphären undpseudohyperbolische Räume Beispiele von Mannigfaltigkeiten konstanter Krümmung.1.5. Geometrische Eigenschaften des Krümmungstensors. Wir geben hier zwei anschaulicheEigenschaften des Krümmungstensors an.a) Der Krümmungstensor ist ein infinitesimales Maß der Wegabhängigkeit der Parallelverschiebung.Um dies zu präzisieren, betrachten wir p ∈ M und X, Y, Z ∈ V(M). Es seiweiterhin f eine auf einer Umgebung U von 0 ∈ R 2 erklärte Abbildung mit Werten in M,so dass f(0) = p und ∂f | ∂x p = X(p) und ∂f | ∂y p = Y (p). Wir betrachten nun das Bild einesin U enthaltenen kleinen Rechtecks ✷ s,t ; es soll die linke untere Ecke in 0 haben, sowieKantenlängen s in x-Richtung und t in y-Richtung.


102 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWir nehmen nun den Vektor Z(p) und verschieben ihn parallel längs des Randes vonf(✷ s,t ); genauer gesagt machen wir dies nacheinander entlang der vier glatten Seiten desBild-Rechtecks. Das Ergebnis dieser Parallelverschiebung sei der Vektor Z(s, t) ∈ T p M.Satz 8. Es gilt(11) R(X, Y )Z = lim(s,t)→0Z(s, t) − Z(p).stGilt also R p (X, Y )Z ≠ 0, so führt die Parallelverschiebung von Z längs eines geeignetkleinen Rechtecks ✷ s,t tatsächlich zu einem von Z verschiedenen Vektor; sie ist insbesonderewegabhängig.Die Umkehrung, dass die Parallelverschiebung für Mannigfaltigkeiten mit R ≡ 0 wegunabhängigist, werden wir erst aus dem nächsten Satz folgern können.Beweisidee. Man setzt Z(p) fort zu einem Feld ˜Z, so dass˜Z(p) = Z(p), t ↦→ ˜Z f(0,t) parallel, s ↦→ ˜Z f(s,t) parallel.Wegen Parallelität und Kartenfeldern gilt dann R p (X, Y )Z = (∇ ex ∇ ey˜Z)(p). Man kanndie Behauptung nun zeigen, indem man die beiden kovarianten Ableitungen durch Differenzenquotientenersetzt, wie wir dies in dem Satz in II,13 gezeigt haben. Wir lassen dielängere Rechnung aus.□b) Die Krümmung ist die einzige lokale Isometrie-Invariante einer Mannigfaltigkeit. Wenndie Krümmungen zweier Mannigfaltigkeiten in der Umgebung eines Punktes übereinstimmen,so sind die Mannigfaltigkeiten lokal isometrisch. Dabei vergleicht man die Krümmungen,indem man bezüglich eines festen Punktepaares p ∈ M n , q ∈ N n die lokal definierteAbbildung exp q ◦ exp −1p betrachtet, wobei Vektorfelder mittels Parallelverschiebung nachT p M = T q M = (R n , δ) zurückbefördert werden.Ein einfacherer Fall ist natürlich, sich auf Räume konstanter Krümmung zu beschränken,siehe z.B. [GHL, Thm.3.82]. Wir wollen hier sogar allein den flachen Fall behandeln:Satz 9. Sei (M, g) semi-Riemannsch mit Krümmungstensor R ≡ 0. Dann ist M lokalisometrisch zu (R n , 〈., .〉 k ).Beweis. Wir gehen ähnlich wie im letzten Beweis vor. Sei p ∈ M n und (x, U) eine Kartevon M um p = x −1 (0) mit Standardbasis e 1 , . . . e n und k der Index von g. Wir werden eineneue Karte definieren, indem wir die Integralkurven von n Vektorfeldern betrachten, diewir durch Parallelverschiebung aus einer Orthonormalbasis in p gewinnen. Sei dazu X i (p)eine Orthonormalbasis.


iii 1.6 – Stand: 14. Mai 2013 103Wir setzen X 1 durch Parallelverschiebung fort auf Punkte der Form x −1 (u 1 , 0, . . . , 0); dieseFortsetzung benutzend, erweitern wir X 1 dann durch Parallelverschiebung auf Punkte derForm x −1 (u 1 , u 2 , 0, . . . , 0). Dabei arbeiten wir in einer geeignet kleinen Umgebung vonu = 0. Nach Voraussetzung gilt dann0 Vor.= R ( e 2 , e 1)X1e 2 ,e 1 Kartenfelder= ∇ e2 ∇ e1 X 1 − ∇ e1 ∇ e2 X 1X 1 parallel= ∇ e2 ∇ e1 X 1 .Also ist das Vektorfeld ∇ e1 X 1 parallel längs der Kurven t ↦→ x −1 (u 1 , t, 0, . . . , 0). Aber diesesVektorfeld verschwindet jeweils im Punkt x −1 (u 1 , 0, . . . , 0). Damit verschwindet ∇ e1 X 1 inallen Punkten x −1 (u 1 , u 2 , 0, . . . , 0), d.h. X 1 ist auch parallel entlang der Kurven u 1 ↦→x −1 (u 1 , u 2 , 0, . . . , 0).Durch Induktion gewinnt man auf die gleiche Weise eine Fortsetzung von X 1 auf eine ganzeUmgebung von p, so dass ∇ ei X 1 ≡ 0 für alle i. Also ist X 1 sogar parallel entlang jederKurve.Das gleiche Argument funktioniert auch für jedes der Felder X 2 , . . . , X n . Also gilt für denLevi-Civita-Zusammenhang[X i , X j ] = ∇ Xi X j − ∇ Xj X iX i ,X j parallel= 0.Daher kommutieren die Flüsse dieser Felder und wir können eine Karte y um p definieren,indem wir setzen y −1 (u 1 , . . . , u n ) := ϕ u 1(. . . (ϕ u n(p)) . . .). Wegen des Kommutierens der X ihat diese Karte die Standardbasis X 1 , . . . , X n (siehe Vorlesung Mannigfaltigkeiten).Wir behaupten, dass y eine lokale Isometrie von M nach (R n , 〈., .〉 k ) darstellt. Im Punkt perfüllen diese Felder(12) g(X i , X j ) = ±δ ij ,mit + für die ersten n − k Indices i = j. Aber für parallele Felder (X i ) bleibt g(X i , X j )konstant (Satz II 14). Also ist y Isometrie.□1.6. Übungsaufgaben.Aufgabe 69 – Testfrage:Warum ist R n flach?Aufgabe 70 – Der Krümmungstensor ist ein Tensor:Zeigen Sie, dass die Abbildung (X, Y, Z) ↦→ R(X, Y )Z in allen Einträgen D(M)-linear ist.


104 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAufgabe 71 – Krümmung konformer Metriken:Wir betrachten eine ebene konforme Metrik der Formλ 2 (dx 2 + dy 2 ) .Zeigen Sie, dass die (Schnitt- oder Gauß-)Krümmung gegeben ist durchK p = − ∆ log λλ 2 ,wobei ∆ = ∂ 11 + ∂ 22 den Laplace-Operator bezeichnet. Folgern Sie, dass H 2 Krümmung K = −1hat.Aufgabe 72 – Skalierte Metriken:Eine gegebene Riemannsche Metrik g werde mit einem konstanten Faktor λ ∈ R multipliziert,˜g := λg.a) Unter welcher Bedingung an λ ist ˜g ebenfalls Riemannsche Metrik?Wie ändern sichb) die Christoffel-Symbole Γ k ij ;c) der Riemannsche Krümmungstensor;d) die Schnittkrümmung (bzw. Gaußkrümmung in Dimension n = 2)?e) Sind Geodätische von (M, g) auch Geodätische von (M, ˜g)?Aufgabe 73 – Konforme Metriken:Nun sei (M, g) semi-Riemannsch und ˜g = λg, wobei λ ∈ D(M).a) Wie muss λ gewählt werden, damit auch (M, ˜g) semi-Riemannsch ist?b) Für welche λ besitzen g und ˜g den gleichen Index?c) Sind Geodätische von (M, g) auch Geodätische von (M, ˜g)? Geben Sie einen Beweis oder einGegenbeispiel an.Aufgabe 74 – Krümmung von Rotationsflächen:a) Berechnen Sie die Gaußsche Krümmung des RotationsparaboloidsP := {(x, y, z) ∈ R 3 : z = x 2 + y 2 } ⊂ R 3 .b) Sei (r, h): I → (0, ∞) × R eine reguläre Kurve. Geben Sie die Gaußsche Krümmung für eineRotationsfläche f : I × R → R 3 , f(t, ϕ) = (r(t) cos ϕ, r(t) sin ϕ, h(t)) an.


Aufgabe 75 – Produktmannigfaltigkeiten:iii 2.1 – Stand: 14. Mai 2013 105Es seien (M 1 , g 1 ) und (M 2 , g 2 ) nicht-leere Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Laut Aufg.38 istN := M 1 × M 2 mit der Metrik h (p,q) (X, Y ) := g 1 p(X 1 , Y 1 ) + g 2 q(X 2 , Y 2 ) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit.Hierbei schreiben wir ein Vektorfeld Z auf N als Z = (Z 1 , Z 2 ) mit Z i := dπ i (Z), wobeiπ i : N → M i die Projektion ist (i = 1, 2).a) Zeigen Sie R (p,q) (X, Y )Z = (R 1 p(X 1 , Y 1 )Z 1 , R 2 q(X 2 , Y 2 )Z 2 ).b) Wieso gibt es für jedes (p, q) ∈ N immer eine Ebene σ in T (p,q) N mit K (p,q) (σ) = 0?c) Bestimmen Sie alle Schnittkrümmungen des Riemannschen Produktes N = S 2 × S 2 , wobei S 2die Standardmetrik besitzt.Anmerkung: H. Hopf fragte in den fünfziger Jahren, ob S 2 × S 2Krümmung besitzt. Das Problem ist nach wie vor offen.irgendeine Metrik positiver20. Vorlesung, Mittwoch 19.12.122. TensorenDer Tensorkalkül ist die technische Grundlage der Riemannschen Geometrie. Da wir mittlerweileeiner Reihe von Tensoren begegnet sind, und wir andererseits im nächsten Abschnittdie Ricci-Krümmung als eine durch Tensorkalkül definierte Krümmungsgröße benötigen,schieben wir an dieser Stelle ein Kapitel ein, das mit gutem Grund auch schon vielfrüher hätte behandelt werden können. Daneben möchten wir noch Laplace und andere Differentialoperatoreneinführen, die Grundlage der geometrischen Analysis sind; allerdingskönnen wir in dieser Vorlesung leider keine Anwendungen davon mehr geben.2.1. Multilineare Algebra. Wir behandeln hier zuerst die punktweisen Eigenschaftenvon Tensorfeldern. Eine sehr explizite Quelle für die nächsten drei Abschnitte ist [ON,Kap.2 und 3].Es sei V ein n-dimensionaler Vektorraum und V ∗ der Dualraum der Kovektoren. Fürr, s ≥ 0 heißt eine Abbildung T : (V ∗ ) r × V s → R ein (r, s)-Tensor, wenn T multilinearist, d.h. R-linear in jedem Argument. Die Menge dieser Abbildungen sei T (r,s) (V ), wobeiT (0,0) (V ) := R.Beispiele. 1. Jede Bilinearform (v, w) ↦→ b(v, w) ist (0, 2)-Tensor.2. Die Determinante (v 1 , . . . , v n ) ↦→ det(v 1 , . . . , v n ) ist ein (0, n)-Tensor, und jede k-Formist (0, k)-Tensor.3. Die Auswertung (w ∗ , v) ↦→ w ∗ (v) ist (1, 1)-Tensor.Bemerkungen. 1. Basisdarstellungen wie b(v 1 , v 2 ) = ∑ ij b ijv i 1v j 2 kann man auch für beliebigeTensoren angeben. Sei (e i ) eine Basis von V und (e j ) eine Basis von V ∗ . Schreiben wir jedes


106 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriev ∈ V und w ∈ V ∗ als Linearkombination, z.B. v = ∑ v i e i , so erhalten wir allein unterBenutzung der Multilinearität für einen (r, s)-Tensor T die Darstellung( n∑T (w 1 , . . . , w r , v 1 , . . . , v s ) = T wi 1 1e i 1, . . . ,= ∑1≤i 1 ,...,i r≤n1≤j 1 ,...,j s≤ni 1 =1n∑j s=1v jss e js)T ( e i 1). . . e ir , e j1 . . . e js w1i1. . . wi r rv j 11 . . . vs js=:∑1≤i 1 ,...,i r≤n1≤j 1 ,...,j s≤nT i 1...i rj 1 ...j swi 1 1. . . wi r rv j 11 . . . v jswobei die Koeffizienten termweise durch Gleichheit definiert sind. In Multiindex-Notationist also T (w I , v J ) = ∑ I,J T I J w Iv J . Aus der Anzahl der Koeffizienten sieht man sofort, dassdie Dimension des Raums der (r, s)-Tensoren gerade dim V r+s = n(r +s) ist. Versteht maneinen Tensor als Multilinearkombination, also eine Summe von Produkten, so erklären sichdie meisten Rechenregeln von selbst.2. Das Tensorprodukt ⊗ ist eine Operation, die aus einem (r, s)-Tensor T und einem (r ′ , s ′ )-Tensor T ′ den (r + r ′ , s + s ′ )-Tensor (T ⊗ T ′ )(· · · · · · ) := T (· · · )T ′ (· · · ) macht; ist (r, s)oder (r ′ , s ′ ) gleich (0, 0), so läßt man das Tensorzeichen fort. Basiselemente von T (r,s) (V )kann man damit in der Form e i1 ⊗ · · · ⊗ e ir ⊗ e j 1⊗ · · · ⊗ e js =: e I ⊗ e J angeben. Ist (e j )duale Basis zu (e i ), also e j (e i ) = δ j i , so gilt offenbar T = ∑ I,J T I J e I ⊗ e J .3. Die Kontraktion macht aus einem (r, s)-Tensor T für jede Wahl von 1 ≤ a ≤ r und1 ≤ b ≤ s einen (r − 1, s − 1)-Tensor c a bT . Dazu wird der a-te Kovektor bzw. b-te Vektordurch e k bzw. das duale Basiselement e k ersetzt und dann summiert:s ,(c a bT )(w 1 . . . w r−1 , v 1 · · · v s−1 ) := ∑ kT (w 1 · · · w a−1 , e k , w a · · · w r−1 , v 1 · · · v b−1 , e k , v b · · · v s−1 )Man kann zeigen, dass Kontraktion nicht von der gewählten Basis abhängt (Übung). Offenbarhat c a bT gerade die Koeffizienten(c a bT ) i 1...i r−1j 1 ...j s−1=n∑k=1T i 1···i a−1 k i a···i r−1j 1···j b−1 k j b···j s−1.4. Ein basis-unabhängiger Isomorphismus von der Menge der multilinearen AbbildungenΦ: V s → V in die Tensoren T (1,s) (V ) wird gegeben durch(13) w ∗ ↦→ T (w ∗ , v 1 , . . . , v s ) := w ∗( Φ(v 1 , . . . , v s ) )(Übung). Insbesondere sind isomorph:• T (1,0) (V ) ∼ = V durch T (w ∗ ) := w ∗ (v)• T (1,1) (V ) ∼ = End(V ) ∋ A durch T (w ∗ , v) := w ∗ (Av)Unter der zweiten Identifikation entspricht der Kontraktion eines Tensors T ∈ T (1,1) (V )


iii 2.2 – Stand: 14. Mai 2013 107gerade die Spur des Endomorphismus A ∈ End(V ), denn bezüglich der Matrix (a j i ) gilt:c 1 1T = ∑ T (e k , e k ) ∼ = ∑ e k (Ae k ) = ∑ (∑ )e k a k i e j = ∑ a k k = Spur Akkk jkWeil die Spur einer Matrix nicht von der gewählten Basis abhängt, zeigt dies, dass dieKontraktion c 1 1T basis-unabhängig definiert ist; diese Feststellung folgt sogar für beliebigeKontraktionen beliebiger Tensoren, indem man alle übrigen Einträge fixiert. Der basisunabhängigeIsomorphismus existiert auch noch allgemeiner, z.B. von T (r+1,s) in die Mengeder multilinearen Abbildungen (V ∗ ) r × V s → V .5. Kovarianz und Kontravarianz sind Begriffe, die sich auf das Transformationsverhaltenbeziehen. Betrachten wir zuerst Vektoren. Es seien (e i ) und (f i ) Basen von V , und ξ, η dieKoordinaten der Basisdarstellungen v = ∑ j ξj e j = ∑ i ηi f i . Ist dann f i = ∑ a j i e j für einA = (a j i ), so gilt(14) ξ j = ∑ iη i a j i ⇔ ξ = A t η ⇔ η = (A t ) −1 ξ.Betrachten wir dagegen einen Kovektor mit Basis-Darstellungen w ∗ = ∑ i α ie i = ∑ j β jf j ,bezüglich der dualen Basen (e i ) bzw. (f j ). Einsetzen von v ergibtw ∗ (v) = ∑ ijα i e i (ξ j e j ) = ∑ ijα i ξ j δ i j = ∑ iα i ξ i analog= ∑ iβ i η i ,bzw. α t ξ = β t η. Also transformieren sich die Koordinaten α, β von w ∗ wie folgt:(15) α t ξ = α t A t η ⇔ β t = α t A t ⇔ β = AαWeil sich Elemente von V ∗ oder von T (0,s) mit A transformieren, nennt man sie kovariant.Sie werden mit unteren Indizes notiert. Die sich in der umgekehrten Richtung mit(A t ) −1 transformierenden Elemente von V (obere Indices) oder T (t,0) heißen kontravariant.(Siehe en.wikipedia.org/wiki/Covariance_and_contravariance_of_vectors fürausführlichere Erklärungen im Kontext der Physik.)2.2. Tensorfelder. Lässt man Vektoren von Fußpunken abhängen, so erhält man Vektorfelder.Ebenso gewinnen wir aus Tensoren nun Tensorfelder:Definition. Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Ein (r, s)-Tensorfeld T ist einein jedem Eintrag D(M)-lineare AbbildungT : (V(M) ∗ ) r × V(M) s → D(M).Die Menge dieser Abbildungen sei T (r,s) (M), wir setzen T (0,0) (M) := D(M).


108 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieEin Tensorfeld macht also aus s Vektorfeldern und r Dualvektorfeldern (Formen) eineFunktion. Wie wir schon beim Krümmungstensor gesehen haben, ist die entscheidende Eigenschaftdie D(M)-Multilinearität. Indem wir Bemerkung 4 von Tensoren auf Tensorfelderübertragen, können wir T (1,s) (M) mit multilinearen Abbildungen V(M) s → V(M) identifizieren.Ein Spezialfall dieser Identifikation sind Vektorfelder V(M) ∼ = T (1,0) (M) ∋ T ,durch T (ω) := ω(X).Beispiele. (i) Die semi-Riemannsche Metrik oder der metrische Tensor g ∈ T (0,2) (M).(ii) g(R(W, X)Y, Z) ist (0, 4)-Tensorfeld, während sich R selbst nach (13) mit einem (1, 3)-Tensorfeld identifizieren lässt.(iii) Dagegen ist die Abbildung (X, Y, Z) ↦→ g(∇ X Y, Z) kein (0, 3)-Tensorfeld; jedoch istfür jedes feste Y die Abbildung (X, Z) ↦→ g(∇ X Y, Z) ein (0, 2)-Tensorfeld.Anders als für Derivationen gilt:Satz 10. Sei T ∈ T (r,s) Tensorfeld. Dann hängt der Wert T p (ω 1 , . . . , ω r , X 1 , . . . , X s ) ∈ Rnur ab von den punktweisen Werten ω 1 (p), . . . , ω r (p), X 1 (p), . . . , X s (p).Eine wichtige Konsequenz ist, dass man für Tensorfelder genau die gleiche Basisdarstellungwie für Tensoren hat, allein, dass Koeffizienten sowie Vektoren und Kovektoren nun vomFußpunkt abhängen:T p (ω 1 , . . . , ω r , X 1 , . . . , X s ) =∑1≤i 1 ,...,i r≤n1≤j 1 ,...,j s≤nT i 1...i rj 1 ...j s(p) ω 1 i 1(p) · · · ω r i r(p) X j 11 (p) · · · X jss (p)In Tensorproduktschreibweise bezüglich einer Karte (x, U), lautet dies mit jeweils in pauszuwertenden FaktorenT = ∑ T i 1...i rj 1 ...j se i1 ⊗· · ·⊗e ir ⊗e j 1⊗· · ·⊗e js = ∑ T i 1...i r∂j 1 ...j s⊗· · ·⊗∂ ⊗dx j 1⊗· · ·⊗dx js .∂x i1 ∂x irAufgrund des Satzes kann man diese lokalen Darstellung punktweise herleiten.Beweis. Wir zeigen dies für einen (0, 1)-Tensor, der allgemeine Fall geht genauso. Für zweiVektorfelder X, Y mit X(p) = Y (p) ist dann zu zeigen T p (X) = T p (Y ).Es sei (x, U) eine Karte um p und Standardbasis e i . Für die lokalen Darstellungen X =∑i ξi e i und Y = ∑ i ηi e i gilt η i (p) = ξ i (p) für alle i. Die D(M)-Linearität würde ergeben( ∑ )(16) T p X = T p ξ i e i = ∑ ξ i (p)T p e i = ∑ η i (p)T p e i = T p Y.iiiJedoch sind η i , ξ i und die e i nur auf U, nicht auf M, definiert, so dass wir die D(M)-Linearität nicht direkt benutzen können.Durch Multiplikation mit dem Quadrat einer Hutfunktion f erreichen wir aber das gleicheResultat. Dazu habe f ∈ D(M) kompaktem Träger in U und es sei f(p) = 1. Durch


iii 2.2 – Stand: 14. Mai 2013 109Fortsetzung mit 0 erhalten wir dann Funktionen fξ i , fη i ∈ D(M) und fe i ∈ V(M), mitdenen wir nun die lokal definierten Ausdrücke ξ i , η i , e i in (16) ersetzen können; wegenf(p) = 1 folgt dasselbe Resultat.□Die Kovarianz und Kontravarianz beschreibt im Tensorfeld-Fall das Verhalten unter Kartenwechseln.Es seien (x, U) und (y, V ) zwei Karten um p ∈ M und y ◦ x −1 : x(U) → y(U)der Kartenwechsel. Ist (e i ) die Standardbasis von x und (f i ) die von y, so dass X dieDarstellungen X = ∑ i ξi e i = ∑ j ηj f j hat, so gilt laut I(1)(17) η = d(y ◦ x −1 )ξ bzw. η j = ∑ i∂y j∂x i ξi ,wobei wir rechts die Kurzschreibweise ∂yjverwendet haben; die Jacobimatrix∂x ientspricht also der Matrix (A t ) −1 aus (14). Gemäß (15) transformieren sich daher dieKoordinatenvektoren von Kovektorfeldern mit der Inversen der Transformierten der Jacobimatrix,bei Notation analog zu (15) also wie β = d(x ◦ y −1 ) t α.:= ∂(y◦x−1 ) j∂u iDefinition. Die kovariante Ableitung eines (0, s)-Tensorfeldes T ist das (0, s+1)-Tensorfeld∇T , das erfüllt(18) ∂ X T (Y 1 , . . . , Y s ) = ∇T (Y 1 , . . . , Y s , X)+T (∇ X Y 1 , Y 2 , . . . , Y s )+. . .+T (Y 1 , . . . , ∇ X Y s ).Ist ∇T ≡ 0, so sagen wir der Tensor T ist parallel.Ganz ähnlich, aber noch etwas aufwendinger, definiert man die kovariante Ableitung eines(r, s)-Tensorfelds (siehe [Lee], S.53/54).Satz 11. Die semi-Riemannsche Metrik g ist genau dann parallel (∇g = 0), wenn ∇ mitder Metrik verträglich ist.Beweis. Nach (18) gilt: ∂ Z(g(X, Y ))= (∇g)(X, Y, Z) + g(∇Z X, Y ) + g(X, ∇ Z Y )□Die Ableitungsvorschrift (18) wird evident, wenn man bedenkt, dass Tensoren lokal Multilinearkombinationensind, die nach der Produktregel zu differenzieren sind. Formal mussman die Wohldefiniertheit von (18) überprüfen, also dass ∇T wieder D(M)-multilinear ist.Der Einfachheit halber machen wir dies nur für das Beispiel T = g:(∇g)(fX, Y, Z) = ∂ Z g(fX, Y ) −g(∇} {{ } Z (fX), Y ) − g(fX, ∇ Z Y )fg(X,Y )= ( f∂ Z g(X, Y ) + g(X, Y )∂ Z (f) ) − ( fg(∇ Z X, Y ) + g((∂ Z f)X, Y ) ) − fg(X, ∇ Z Y )= f(∇ Z g)(X, Y )Kovariantes Ableiten vertauscht mit Kontraktion (Übung).


110 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie21. Vorlesung, Montag 14.1.132.3. Musikalische Isomorphismen und Tensoren. Gegeben eine semi-RiemannscheMetrik, sind V(M) und der Dualraum Λ 1 (M) basis-unabhängig isomorph, siehe LemmaII.15. Dies induziert Isomorphismen von Tensoren, z.B. T (r+s,0) (M) ↔ T (r,s) (M) ↔T (s,r) (M) ↔ T (0,r+s) (M): Man muss nur ein Vektorfeld X durch ω(.) = g(X, .) ersetzen,bzw. umgekehrt.Beispiel. T (1,1) ↔ T (0,2) . Auf einer Hyperfläche M ⊂ R m ist die Weingartenabbildung Sist ein (1, 1)-Tensor, der isomorph ist zum (0, 2)-Tensor der zweiten Fundamentalform b:Es gilt S = b ♯ oder lokal durch Heben eines Index S i k = ∑ j gij b jk ; ebenso umgekehrt.Ein Beispiel für den Isom T (0,1) (M) ↔ T (1,0) (M) ∼ = V(M)Definition. Der Riemannsche Gradient grad: D(M) → V(M) wird für f ∈ D(M) durcheine der folgenden Eigenschaften eindeutig bestimmt:• Global durch grad f = (df) ♯ , d.h. für grad f und die 1-Form df gilt gemäß Lemma II.15:(19) df(X) = g(grad f, X) für alle X ∈ V(M).• Oder lokal gemäß II(26) durch Index heben:(20) grad f = ∑ ijg ij ∂ i f e j .Für die Standardmetrik auf R n ergibt sich die bekannte Formel. Auch Riemannsch gibtder Gradient die Richtung des steilsten Anstiegs von f an (Übung?).Wir wollen nun darstellen, wie man musikalische Isomorphismen einsetzen kann, um dieKontraktion eines Tensors auch dann zu definieren, wenn man über zwei Einträge desgleichen Typs kontrahieren möchte, also zweimal kovariant oder zweimal kontravariant.Sehen wir uns diese Kontraktion zuerst am Beispiel an. Für die zweite Fundamentalform(b ij ) ist c 11 b durch Index-Hebung definiert:(∑ )c 11 b := c 1 1(b ♯ ) = c 1 1 g ij b ji = c11 S = nH.ijUm die nötige Hebung zu vermeiden, benutze ich lieber S statt b. Beachten Sie: Würde manman direkt summieren, ∑ i b ii, so ist das Ergebnis basisabhängig und damit unbrauchbar.Damit die Notation nicht ausufert, betrachten wir im folgenden nur den Fall r = 0.Definition. Sei T ∈ T (0,s) mit s ≥ 2. Für 1 ≤ a < b ≤ s ist die Riemannsche Kontraktionoder Riemannsche Spurbildungc ab T ∈ T (0,s−2)


iii 2.3 – Stand: 14. Mai 2013 111durch eine der folgenden äquivalenten Arten definiert:(i) Der musikalischen Isomorphismus ♯, angewendet auf das b-te Argument, liefert einenTensor ˜T ∈ T (1,s−1) . Dann ist c ab T := c 1 ˜T a .(ii) Durch die Koordinaten-invariante lokale Darstellungn∑(21) (c ab T ) j1 ... ĵ a ... ĵ b ... j s:= g kl T j1 ... k ... l ... j s,dabei sollen Indizes unter einem Hut weggelassen werden, und rechts stehen k und l in derPosition a und b.(iii) Ist (E k ) ein orthonormaler Rahmen [frame] von V(U) für U ⊂ M offen, also g(E i , E j ) =±δ ij , so gilt für jeden Punkt aus Un∑(c ab T )(v 1 , . . . , v s−2 ) := ±T (v 1 , . . . , e k , . . . , e k , . . . , v s−2 );k=1dabei stehen rechts insgesamt s Einträge, wobei E k an die a-te und b-te Position eingeschobenist.Die Darstellung (iii) ist am übersichtlichsten und wird besonders häufig verwendet. Weilmusikalische Isomorphismen und Kontraktionen Tensoren erhalten, erhält die RiemannscheKontraktion (i) Tensoren. Wir überzeugen uns noch, dass die Darstellungen (ii) und (iii)zu (i) äquivalent sind.Hebt man den b-ten Index von T ∈ T (0,s) , so erhält man ˜T ∈ T (1,s−1) mit Koeffizientenk,l=1˜T k j 1 ...... ĵ b ... j s= ∑ lg kl T j1 ...... l ... j s.Wir kontrahieren über den a-ten Eintrag und erhalten c 1 ˜T a ∈ T (0,s−2) in der behauptetenDarstellung (21)(c 1 ˜Tn∑n∑a ) j1 ... ĵ a ... ĵ b ... j s= ˜T j k 1 ... k ...... j s= g kl T j1 ... k ... l ... j s.k=1Aus g kl (p) = g(E k , E l ) = ±δ kl folgt g kl (p) = ±δ kl . Daher folgt (iii) sofort aus (ii). Einorthonormaler Rahmen E k existiert stets lokal (warum?).Definiert man allgemeiner, als wir das in (18) getan haben, auch die kovariante Ableitung von(r, s)-Tensoren, so kann man feststellen, dass die Ableitung mit den musikalischen Isomorphismenvertauscht. Umgekehrt kann man das Kommutieren von ∇ mit ♭ postulieren, um eine Formel fürdie kovariante Ableitung von (r, s)-Tensoren zu gewinnen: Z.B. kann man für einen (1, s)-TensorT die kovariante Ableitung ∇T definieren als den (1, s + 1)-Tensor mitk,l=1(∇T ) ♭ := ∇(T ♭ ) ∈ T (0,s+2) .


112 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWir demonstrieren das am Beispiel b = S ♭ . Aus (∇S) ♭ := ∇(S ♭ ) folgt für alle X, Y, Z ∈ V(M):(22)g ( (∇ X S)Y, Z ) = (∇ X b)(Y, Z) (18) ( )= ∂ X b(Y, Z) − b(∇X Y, Z) − b(Y, ∇ X Z)∇g=0= g ( ∇ X (SY ), Z ) + g ( SY, ∇ X Z ) − g ( S(∇ X Y ), Z ) − g ( SY, ∇ X Z )Die unterstrichenen Terme heben sich weg, und wir erhalten als kovariante Ableitung von S genauden Ausdruck, den wir auch durch Anwendung der Produktregel erhalten würden:(23) (∇ X S)Y = ∇ X (SY ) − S(∇ X Y ).Die gleiche Formel muss für jeden (1, 1)-Tensor gelten. Umgekehrt: Macht man (23) zur Definition,so folgt das Kommutieren von ∇ mit ♭.2.4. Riemannsche Differentialoperatoren div und ∆. Divergenz und Laplace sindbereits in R n aus zwei Gründen interessant: Sie haben eine hohe Invarianz, z.B. sind siedrehinvariant (isotrop), was man den Definitionen div V = ∑ i ∂ iV i und ∆f = ∑ i ∂ iifnicht direkt ansieht. (Indem wir diese Operatoren als Spurbildungen auffassen, wird dieseEigenschaft aber klar werden.)Wir verallgemeinern zuerst die Divergenz zu einem Riemannschen, d.h. Koordinaten-invariantenBegriff. Wir ersetzen den euklidischen Ausdurck div V = ∑ i ∂ iV i wie folgt:• die partielle Ableitung durch eine kovariante Ableitung, ∂ i V ❀ ∇ ei V• die i-te Komponente durch 〈. , e i 〉,• und deuten ∑ i 〈∂ iV, e i 〉 als Riemannsche Kontraktion:Definition. Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit.(i) Die Riemannsche Divergenz ist die Riemannsche Kontraktion c 12 des (0, 2)-Tensors(X, Y ) ↦→ g(∇ X V, Y ), alsodiv: V(M) → D(M),div V := ∑ kg(∇ Ek V, E k )für (E k ) orthonormal.(ii) Der Laplace-Beltrami-Operator ist∆: D(M) → D(M), ∆f := div grad f.Diese Operatoren sind Koordinaten-invariant definiert, und spezialisieren sich auf die wohlbekanntenAusdrücke im euklidischen Fall.Wir wollen die Divergenz in allgemeinen Koordinaten angeben. Aus der lokalen Darstellung∇ X V = ∑ ir(X i ∂ i V r + ∑ j Γr ijX i V j) e r erhält man ∇ ek V = ∑ r(∂k V r + ∑ j Γr kj V j) e r . Mitder allgemeinen Formel (21), und ∑ l gkl g(e r , e l ) = ∑ l gkl g rl = δr k ergibt sich folgendelokale Darstellung der Riemannschen Divergenz:div V = ∑ k,lg kl g(∇ ek V, e l ) = ∑ k,l,rg kl (∂ k V r + ∑ jΓ r kjV j )g(e r , e l ) = ∑ k(∂ k V k + ∑ jΓ k kjV j )


iii 2.5 – Stand: 14. Mai 2013 113Um den Laplace-Operator als Riemannsche Kontraktion zu verstehen, definieren wir dieRiemannsche Hesse-Form [Hessian] von f ∈ D(M) als den (0, 2)-Tensor(X, Y ) ↦→ Hf(X, Y ) := g ( ∇ X (grad f), Y ) .Offenbar ist ∆ die Riemannsche Kontraktion der Hesse-Form,∆f = c 12 Hf = ∑ kHf(E k , E k )für (E k ) orthonormal.Schreibt man Hf mithilfe von Lie-Ableitungen (Übung) so wird die Symmetrie der Hesse-Form klar, und man erhält die lokale Darstellung(24) ∆f = ∑ (g ij ∂ ij f − ∑ )Γ k kj∂ i f .ijkDurch Rechnung gewinnt man folgende oft verwendeten lokalen Darstellungen von divund ∆, wobei g := | det(g ij )| sei (siehe Übungen):div V = √ 1 ∑∂ k ( √ g V k ), ∆f = ∑ 1√ ∂ i ( √ g g ij ∂ j f)gij gkWir können an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass sich Sätze wie der Divergenzsatzwörtlich auf Riemannsche Mannigfaltigkeiten verallgemeinern, und so zahlreiche Anwendungenvorhanden sind.2.5. Ricci- und Skalarkrümmung. Diese Krümmungsbegriffe sind durch Kontraktiondefiniert:Definition. (i) Der Ricci-Tensor ist der symmetrische (0, 2)-TensorRic(X, Y ) := c 14 g ( R(·, ·)·, ·) = ∑ kg(R(E k , X)Y, E k )für (E k ) orthonormal,mit lokaler Darstellung R ij := Ric ij = ∑ k Rk kij .(ii) Die Skalarkrümmung (Ricci-Skalar in der Physik) ist Scal ∈ D(M) mitn∑n∑Scal p := c 12 Ric = Ric(E l , E l ) = g ( )R(E k , E l )E l , E k für (E i ) orthonormal.l=1k,l=1Die lokale Darstellung lautet Scal = ∑ ij gij R ij = ∑ ijk gij R k kij .Beispiele. 1. R n hat Ric ≡ 0 und Scal ≡ 0.2. S n hat Scal ≡ n(n − 1); Ric bleibt als Übung.3. In Dimension n = 2 stimmen Ric und Scal mit K überein, in Dimension n = 3 gibt esoffenbar drei verschiedene Summanden von Scal.Man kann zeigen, dass Kontraktionen als Spurbildungen denselben Wert ergeben wie Mittelwertsintegraleüber Einheitssphären. Um z.B. den Charakter der Skalarkrümmung als


114 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriegemittelte Schnittkrümmung zu betonen, wird sie manchmal durch n(n − 1) geteilt. Esvor diesem Hintergrund nicht überraschend, dass eine mathematische Interpretation derSkalarkrümmung durch das Volumenwachstum oder Flächenwachstum von Bällen gegebenist, d.h. für ε ∼ 0 giltvol(B ε (p) ⊂ M)vol(B ε (0) ⊂ R n ) = 1 − Scal p6(n + 2) ε2 + O(ε 4 ),area(∂B ε (p) ⊂ M)area(∂B ε (0) ⊂ R n ) = 1 − Scal p6n ε2 + O(ε 4 )Die Ricci-Krümmung ist insbesondere durch den Ricci-Fluss, einer Evolutionsgleichung fürMetriken, in den letzten Jahren intensiv studiert worden. Perelman hat ihn zum Beweisder Poincaré-Vermutung eingesetzt (siehe Übungen). Die Ricci-Krümmung braucht manallgemein in der Analysis von Mannigfaltigkeiten, siehe z.B. [GHL, Kap.IV: Analysis onmanifolds and the Ricci curvature]. Zuweilen betrachtet man auch die quadratische FormRic(X, X). Sie misst n − 1 mal die mittlere Schnittkrümmung über alle Ebenen, die denEinheitsvektor X enthalten.Ricci- und Skalarkrümmung spielen in der allgemeinen Relativitätstheorie eine prominenteRolle: Dort ist die Raumzeit eine 4-Mannigfaltigkeit M mit Lorentz-Metrik g. Man benötigtnoch einen vorgegebenen (0, 2)-Tensor T , den Energie-Impuls Tensor, der im Vakuum-Fallverschwindet. Die drei (0, 2)-Tensoren Ric, g, T erfüllen erfüllen die Einsteinschen FeldgleichungenRic − 1 2 Scal g = T(Einstein 1915). Dies sind partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung für die Lorentz-Metrik g. Im Vakuum-Fall T ≡ 0 bezeichnet man die Lösungen (M, g) auch als Einstein-Mannigfaltigkeiten. Variationell kann man Lösungen als kritische Punkte des Integrals dertotalen Skalarkrümmung ∫ S d vol darstellen (Hilbert 1915).M2.6. Übungsaufgaben.Aufgabe 76 – Quiz Tensoren:a) Welche der folgenden Ausdrücke sind D(M)-linear, wenn f ∈ D(M), ω ∈ V ∗ (M) und X, Y ∈V(M)?• X ↦→ ∇ X Y • Y ↦→ ∇ X Y • X ↦→ fX • X ↦→ [X, Y ] • X, Y ↦→ X(ωY )b) Welche Invariante liefert die Kontraktion der Metrik einer semi-Riemannschen Mannigfaltigkeit,c 12 g?c) Bestimmen Sie Ric(X, Y ) für S n .d) Welches Tensorprodukt ist kommutativ?• w 1 ⊗ w 2 für w 1 , w 2 ∈ V ∗• v ⊗ w für v ∈ V , w ∈ V ∗e) Wie ändert sich die Formel für die Divergenz im semi-Riemannschen Fall?


Aufgabe 77 – Zweite Bianchi-Identität:iii 2.6 – Stand: 14. Mai 2013 115Wir betrachten den Tensor T (X, Y, U, V ) := g ( R(X, Y )U, V ) . Zeigen Sie die zweite Bianchi-Identität∇T (X, Y, U, V, W ) + ∇T (X, Y, V, W, U) + ∇T (X, Y, W, U, V ) = 0.Tipp: Für p ∈ M wähle geeignete Felder X i mit ∇ Xi X j (p) = 0. Rechne dafür die Tensorableitungaus –zyklische Summe!– und benutze die Jacobi-Identität.Aufgabe 78 – Satz von Schur:Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit der Dimension n ≥ 3. Zeigen Sie: Ist M isotrop, d.h.hängt K p (σ) für kein p von σ ab, so hängt K p (σ) sogar nicht einmal von p ab; M ist also eineMannigfaltigkeit konstanter Krümmung.Tipp: Sei T ′ (W, Z, X, Y ) := g(Z, X)g(W, Y ) − g(W, X)g(Z, Y ). Setzen wir T (W, Z, X, Y ) :=g(R(W, Z)X, Y ), so gilt nach Satz 6 dann T p = κ(p)T p. ′ Folgern Sie dann aus der 2. Bianchi-Identität, ∇T (W, Z, X, Y, U) + ∇T (W, Z, Y, U, X) + ∇T (W, Z, U, X, Y ) = 0, dass() (0 =∂ U κ g(Z, X)g(W, Y ) − g(W, X)g(Z, Y ) + ∂ X κ g(Z, Y )g(W, U)) ()− g(W, Y )g(Z, U) + ∂ Y κ g(Z, U)g(W, X) − g(W, U)g(Z, X) .Wählen Sie nun X, Y, Z orthonormal und U = Z. Es folgt g ( (∂ Y κ)X − (∂ X κ)Y, W ) = 0. Warumist also κ konstant?Aufgabe 79 – Ricci-Tensor:Sei (M, g) Riemannsch. Für v, w ∈ T p M seienn∑Ric p (v, w) := g p (R p (e i , v)w, e i )der Ricci-Tensor undi=1S p := tr g (Ric p ) =n∑Ric p (e i , e i )die Skalarkrümmung (mit e 1 , . . . , e n Orthonormalbasis von T p M). Für einen Einheitsvektor v ∈T p M nennt man Ric p (v, v) die Ricci-Krümmung von v.a) Sei v ∈ T p M ein Einheitsvektor und sei (e 2 , . . . , e n ) eine Orthonormalbasis von v ⊥ . Zeigen Sien∑Ric p (v, v) = K p (span(v, e i )).i=2i=1b) Zeigen Sie, dass der Ricci-Tensor symmetrisch ist.c) Sei M zweidimensional und sei v ∈ T p M ein Einheitsvektor. Zeigen Sie, dass die Ricci-Krümmung von v genau der Gauß-Krümmung und die Skalarkrümmung genau der doppeltenGauß-Krümmung von M entsprechen.


116 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometried) Sei Z := Ric p − Spn ·g p der so genannte spurfreie Ricci-Tensor. Zeigen Sie, dass wirklich tr g Z ≡0 gilt.e) Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) heißt Einstein-Mannigfaltigkeit, wenn in jedemp ∈ M die Bedingung Ric p = λ(p)g p erfüllt ist. Zeigen Sie, dass eine Mannigfaltigkeit, derenspurfreier Ricci-Tensor verschwindet, eine Einstein-Mannigfaltigkeit ist.f) Zeigen Sie, dass jede 3-dimensionale Einstein-Mannigfaltigkeit konstante Krümmung besitzt.Tipp: Satz von Schur.Aufgabe 80 – Gradient:Zeigen Sie: Ist grad f| p ≠ 0, so ist grad f die Richtung des größten Wachstums, d.h. in p gilt− grad f‖ grad f‖ ≤ v(f) ≤grad f‖ grad f‖für jedes v ∈ T p M mit ‖v‖ = 1; Gleichheit gilt nur für v = ± grad f‖ grad f‖ .Aufgabe 81 – Hesse-Form:Weisen Sie die Symmetrie der Hesse-Form nach, also Hf(X, Y ) = Hf(Y, X), und zeigen Sie (24).Tipp: Es ist Hf(X, Y ) = ∂ X ∂ Y f − ∂ ∇X Y f.Aufgabe 82 – Laplace-Beltrami-Operator für konforme Metriken:a) Zeigen Sie ∆(fh) = f∆h + h∆f + 2g(grad f, grad h) für f, h ∈ D(M).b) Für den nächsten Teil brauchen wir eine Vorüberlegung. Es sei ˜g = λ 2 g mit einer Funktionλ: M → (0, ∞) eine zu g konform äquivalente Metrik auf M. Dann gilt für den Levi-CivitaZusammenhang ˜∇ von ˜gλ 2 ˜∇X Y = ∇ X Y + 1 ()X(λ)Y + Y (λ)X − g(X, Y ) grad λ .λTipp: Koszul-Formelc) Mit ˜div bezeichnen wir die Divergenz bezüglich ˜g = λ 2 g. Zeigen Sieλ 2 ˜divZ = div Z +nλ Z(λ).Tipp: Rechnen Sie bezüglich des orthonormalen Rahmen Ẽi := 1 λ E i von (M, ˜g).d) Zeigen Sie ˜∆f = 1 λ 2 ∆f + n−2λ 3 g(grad f, grad λ) für den Laplace-Operator ˜∆ einer konformäquivalenten Metrik ˜g = λ 2 g.Bemerkung: In Dimension n = 2 sind also ∆f = 0 und ˜∆f = 0 äquivalent unter konformerÄnderung der Metrik; z.B. kann man die längs einer beliebigen biholomorphen Abbildungzurückgezogene Metrik betrachten.


iii 3.0 – Stand: 14. Mai 2013 117Aufgabe 83 – Lokale Formeln für Divergenz und Laplace:a) Es gilt div(Zu) = u div Z + Z(u) für u ∈ D(M).b) Leiten Sie ∂ k ( √ g) = ∑ √i g Γikiher, wobei g für det(g kl ) steht. Zeigen Sie die lokale Darstellungder Divergenzdiv Z = √ 1 ∂ k ( √ g ζ k ) für Z = ∑ ζ k e kgund folgern Sie daraus die lokale Darstellung∆f = 1 √ g∂ i(√ g g ij ∂ j (f) ) .Aufgabe 84 – Ricci-Fluss:Wir betrachten eine Familie M t := (M, g(t)) von Riemannschen Mannigfaltigkeiten. Hierbei seig(t) für jedes t ∈ [0, T ) eine Riemannsche Metrik und die Funktion t ↦→ g(t) sei glatt. Um zuverdeutlichen, auf welche Metrik sich eine Größe bezieht, schreiben wir sie in eckige Klammern,also etwa Ric[g] für den Ricci-Tensor bezüglich Metrik g.a) Ist ˜g = a · g mit a > 0, dann gilt Ric[˜g] = Ric[g].Die Ricci-Fluss-Gleichung (Ricci curvature flow, RCF ) ist das folgende Anfangswertproblem:(RCF)∂∂t g(t) = −2 Ric[g(t)], g(0) = g 0Eine Lösung hiervon ist eine Funktion t ↦→ g(t), zusammen mit einem Existenzintervall [0, T ),auf dem g Riemannsch ist und (RCF) löst.b) Sei M 0 = S n mit Standardmetrik. Wie lautet hier (RCF)? Lösen Sie die Gleichung. Für welcheZeiten existiert die Lösung?c) Zeigen Sie, dass für M = S n mit Standardmetrik die Lösung M t von (RCF) für jedes t ∈ [0, T )isometrisch zu einer Sphäre vom Radius r(t) mit Standardmetrik ist. Wie lautet die Funktionr(t)? Was passiert also mit der Lösung für t → T ?d) Sei M eine kompakte Einstein-Mannigfaltigkeit. Zeigen Sie, dass es ein T > 0 gibt, so dasseine Lösung von (RCF) für t < T existiert.e) Wir betrachten eingebettete Flächen (also n = 2) in R 3 . Wie lautet hier (RCF)? Was passiert,wenn M ein flacher Torus, ein Zylinder, ein Stück der Pseudosphäre oder ein Rotationstorusist?Anmerkung: Der Ricci-Fluss wurde von Hamilton 1981 eingeführt. Er wurde zum Beweis der Poincaré-Vermutung(jede einfach zusammenhängende, geschlossene 3-Mannigfaltigkeit ist homöomorphzu S 3 ) von Perelman 2003 sowie zum Beweis des Sphärensatzes (jede kompakte, einfach zusammenhängenden-Mannigfaltigkeit mit Schnittkrümmungen in (1/4, 1] ist diffeomorph zur n-Sphäre) von Brendle und Schoen 2007 benutzt.22. Vorlesung, Mittwoch 16.1.13


118 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie3. Zweite Variation und AnwendungenEine Geodätische stellt einen kritischen Punkt der Bogenlänge dar. Wir interessieren unsnun dafür, ob ein solcher kritischer Punkt ein lokales Minimum der Bogenlänge darstellt.Dazu berechnen wir die zweite Variation. Weil sie die Schnittkrümmung enthält, können wiranschließend aus Krümmungsvoraussetzungen interessante Schlüsse ziehen. Wir betrachtenstets den Riemannschen Fall.3.1. Zweite Variation der Bogenlänge. Weil man die zweite Variation zur Klärung derlokalen Minimalität von Geodätischen benötigt, berechnet man sie nur für kritische Punkteder ersten Variation; dabei betrachten wir zuerst die Energie. Um die Rechnungen zu vereinfachen,betrachten wir anstelle einer allgemeinen Variation h s (t) durch einen speziellenAusdruck gegebene Variationen:Lemma 12. Sei (M, g) Riemannsch, c ∈ C ∞ ([a, b], M) Kurve, V (t) Vektorfeld längs c,und h s (t) := exp c(t) sV (t), definiert für |s| klein. Dann gilt(25)wobeid 2ds E(h s) = d2 12 ds 2 2∫ bag(T, T ) dt =∫ ba∥ D ∥ ∥∥dt V 2− g(R(V, T )T, VT (s, t) := ∂ ∂t h s(t), V (s, t) := ∂ ∂s h s(t) ∈ T hs(t)M.)dt für alle s,Überlegen Sie einmal, welche Terme in (25) dritte Ableitungen von h enthalten und inwelcher Reihenfolge jeweils nach s und t abgeleitet wird.Beweis. Um (25) zu zeigen, müssen wir offenbar unterm Integral ableiten. Für unsereVariation gilt D V (s, t) = 0 für alle s, t.dsNach Lemma II.26 vertauschen die Ableitungen: D ∂h= D ∂h, d.h. D V = D T . Es folgtdt ∂s ds ∂t dt dsd( D) ( D)(26)ds g(T, T ) = 2g ds T, T = 2gdt V, Tund darausd 2( Dds g(T, T ) = 2g D) D 2 ds dt V, T + 2g(dt V, D )ds T .}{{}Ddt VNun vertauschen wir im ersten Term die Ableitungsreihenfolge. Für die Kartenfelder V, Tgilt [V, T ] = 0, und wir erhaltenD Dds dt V = D DV + R(V, T )V = R(V, T )V.dt ds


iii 3.1 – Stand: 14. Mai 2013 119Durch das Vertauschen der kovarianten Ableitungen handeln wir uns also einen Krümmungstermein! Es ist also genau die technische Definition des Krümmungstensors undnicht seine anschauliche Deutung, die wir benötigen. Insgesamt folgt1 d 2()2 ds g(T, T ) = g R(V, T )V, T + ∥ D ∥ ∥∥ 2 dt V 2 ), = −g(R(V, T )T, V +so dass Integration über t genau unsere Behauptung (25) ergibt.Wir benutzen das Lemma, um die zweite Variation der Länge zu berechnen:∥ D dt V ∥ ∥∥2,Satz 13. Sei (M, g) Riemannsch, c ∈ C ∞ ([a, b], M) eine nach Bogenlänge parametrisierteGeodätische, und V (t) Vektorfeld längs c mit V (t) ⊥ c ′ (t). Dann gilt für die Variationh s (t) := exp c(t) sV (t)(27)d 2ds L(h s) ∣ =2 s=0∫ ba∥ D ∥ ∥∥dt V 2 ( )− Kc V, c′‖V ‖ 2 dt.Dies gilt auch im stückweise differenzierbaren Fall, d.h. wenn V stetig ist und differenzierbarbis auf endlich viele Ausnahmepunkte.Beispiel. In R n ist K ≡ 0. Also ist für c Gerade d2ds 2 (L(c))=∫ ba ‖ D dt V ‖2 ≥ 0. Es gilt sogar“>”, wenn V ≢ const längs c. Geraden sind also strikte lokale Minima der Bogenlänge.Wir bezeichnen (27) als zweite Variation der Bogenlänge von c. Sie hängt nur vom VektorfeldV längs c ab, bzw. genauer von V und D V . Daher schreiben wir auch dt δ2 V,V L(c) fürd 2(L(c)); der Doppelindex deutet an, dass die zweite Variation eine quadratische Form inds 2V ist, genauso wie ihr endlich dimensionales Analagon, die Hesse-Form.Beweis. Wir schreiben die Variationsvektorfelder wie im Lemma, wobei V (0, t) = V (t).Für jedes s gilt zunächst(28)dds L(h s) = d ds∫ ba√∫ b1g(T, T ) dt =2 √ dg(T, T ) dt.g(T, T ) dsWir spezialisieren nun auf s = 0, um (erst hier) die Geodätischen-Bedingung D T (0, t) =dtDdt c′ (t) = 0 und die Voraussetzung V (0, t) ⊥ T (0, t) = c ′ (t) zu verwenden:d∣(29)ds g(T, T ) ∣∣s=0 (26) D)∣= 2g(dt V, T ∣∣s=0= 2 d ∣dt g(V, T ) ∣∣s=0= 0 ∀t ∈ [a, b]Wir differenzieren (28) unter Verwendung von g(T, T )| s=0 = ‖c ′ ‖ ≡ 1:d 2∫ b∣1∣ dd 2ds L(h s) ∣ =2 s=0a( dds 2 √ g(T, T )ds E(h ∣s)2= d2∣s=0∣s=0a∣ds g(T, T ) ∣∣s=0+ 1 ∣ )} {{ } 2 ds g(T, T ) ∣∣s=0dt2≡0 nach (29)□


120 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieJetzt setzen wir (25) ein, wobei wir den Krümmungstensorterm in (25) durch die Schnittkrümmungersetzen; dabei benutzen wir erneut V (t) ⊥ T (t) = c ′ (t). Wir erhalten (27).Um dasselbe Endergebnis auf den stückweise differenzierbaren Fall zu übertragen, brauchenwir nur über die differenzierbaren Teilintervalle zu summieren.□Im Falle von R n und H n sind Geodätische globales (oder absolutes) Minimum der Bogenlänge,weil sie für gegebene Endpunkte eindeutig sind. Auf Zylinder oder flachem Toruszeigen sind lokale Minima nicht unbedingt global (Beispiel?). Dabei heißt “lokal” stets mitzur gegebenen Geodätischen C 1 -nahen Kurven verglichen, t ↦→ exp c(t) sV (t) verglichen.Korollar 14. Sei (M, g) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit mit nicht-positiver Schnittkrümmung,d.h. K p (σ) ≤ 0 für alle p ∈ M und Ebenen σ ⊂ T p M. Dann ist jede Geodätischec: [a, b] → M ein lokales Minimum der Bogenlänge, d.h. es giltδ 2 V,V L(c) > 0 für alle V mit V (a) = V (b) = 0, V ⊥ c ′ , V ≢ 0(V ist also ein nicht verschwindendes senkrechtes und eigentliches Variationsfeld).Beweis. Ist die Krümung strikt negativ, so folgt das Ergebnis direkt aus (27), sogar ohnedass wir V (a) = V (b) = 0 voraussetzen müßten.Nehmen wir für den allgemeinen Fall an, das Integral (27) wäre ≤ 0. Weil beide Summandenim Integral nicht-negativ sind, folgt dann D V = 0 längs c, d.h. V ist parallel längs c. Aberdtein paralleles Feld hat konstante Länge. Wegen der Randbedingung muss also V identischverschwinden, im Gegensatz zur Annahme.□23. Vorlesung, Montag 21.1.133.2. Satz von Myers.Definition. Der (Riemannsche) Durchmesser [diameter] diam(M) ∈ [0, ∞] einer RiemannschenMannigfaltigkeit (M, g) istdiam(M) := sup{d(p, q) : p, q ∈ M}.Beispiele. 1. diam(S n r ) = πr: Antipodenpunkte p, −p haben d(p, −p) = πr. Andere Punktewerden durch Großkreisbögen kürzerer Länge verbunden.2. diam(RP n ) = π 2 .3. diam(T n ) = √ n2 : Nach Pythagoras gilt diam2 = n( 1 2 )2 .Große positive Krümmung bedeutet einen kleinen Durchmesser:


iii 3.2 – Stand: 14. Mai 2013 121Satz 15 (Bonnet 1855 (n = 2), Myers 1941). Sei M vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit.Gilt für ein r > 0, dass(30) Ric p (X, X) ≥ n − 1r 2 für alle p ∈ M und Einheitsvektoren X ∈ T p M,so ist diam(M) ≤ πr.Insbesondere gilt der Satz, wenn man statt (30) die Krümmungsschranke(31) K p (σ) ≥ 1 r 2 für alle p ∈ M und Ebenen σ ⊂ T p M,voraussetzt. Dies sieht man, indem man X zu einer ONB ergänzt.Bemerkungen. 1. Aus K p > 0 folgt noch nicht diam(M) < ∞: Das Rotations-ParaboloidP := {z = x 2 + y 2 } ⊂ R 3 hat K p > 0, aber unendlichen Durchmesser (Übung).2. Es ist nötig, im Satz die Vollständigkeit vorauszusetzen. Wir bilden einen Streifen S :=R × (−ε, ε) durch Kugelkoordinaten auf eine ε-Umgebung des Äquators von S 2 ab. ZweiPunkte (x, y) und (x + 2π, y) werden durch diese Überlagerungsabbildung Π auf denselbenPunkt von S 2 abgebildet. Versehen wir den Streifen S mit der zurückgezogenen Metrik g =Π ∗ 〈., .〉, so erhalten wir eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (S, g), die wir uns als (unendlichlange) Abwicklung der Äquatorumgebung vorstellen. Sie hat konstante Krümmung K ≡ 1,ist aber nicht vollständig. Sie hat diam(S, g) = ∞, denn die Punkte (0, 0) und (2πk, 0) fürk ∈ N haben einen Abstand von fast 2πk (Übung).Beweis. Wir geben den Beweis unter der Voraussetzung (31) und lassen den Fall der Ricci-Schranke (30) als Übung.Wir nehmen indirekt an, es wäre diam(M) > πr. Dann gibt es zwei Punkte p, q ∈ M mitdist(p, q) > πr. Der Satz II.39 von Hopf-Rinow liefert eine Kürzeste c von p nach q mitL := L(c) = dist(p, q) > πr.Nach Voraussetzung hat die Schnittkrümmung dann die untere Schranke(32) K ≥ 1 r 2 > π2L 2 .Wir wollen die Annahme, dass c Kürzeste ist, zum Widerspruch führen, indem wir eineigentliches Variationsfeld V ⊥ c ′ angeben, für das δV,V 2 L(c) < 0 gilt. D.h. für hinreichendkleine s ≠ 0 ist exp c(t) sV (t) eine Kurve von p nach q, die kürzer ist als c.Dazu nehmen wir an, dass c auf [0, L] und nach Bogenlänge parametrisiert ist. Es seiE = E(0) ⊥ c ′ (0) Einheitsvektor. Nach Satz II.14 bleibt die Parallelverschiebung E ∈ V(c)


122 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrievon E(0) senkrecht auf c ′ (t) und Einheitsvektorfeld. Wir betrachten nun das ebenfalls aufc ′ senkrechte FeldV (t) := L (sin π )π L t E(t).Auf einer Sphäre vom Riemannschen Durchmesser L ist V ein eigentliches Variationsvektorfeldeiner Geodätischenschar zwischen zwei Antipoden.Die Derivativität der kovarianten Ableitung längs Kurven (siehe die Definition von D/dt)und die Parallelität von E ergibtDdt V = d ( Ldt π sin π )L t E(t) + L (sin π ) D(π L t dt E(t) = cos π )} {{ } L t E(t).=0Die zweite Variation zeigt nun, dass c keine Kürzeste sein kann:δ 2 V,V L(c) =(32) 0noch nicht die Kompaktheit impliziert.2. Lohkamp hat 1994 bewiesen, dass jede Mannigfaltigkeit M n mit n ≥ 3 eine Metrikmit negativer Ricci-Krümmung besitzt. Im Gegensatz zu positiver Ricci-Krümmung kanndaher negative Ricci-Krümmung keine topologischen Konsequenzen haben.3. Wir führen diese Diskussion in Abschnitt 5.4 weiter.


iii 4.1 – Stand: 14. Mai 2013 1234. Exkurs in die Topologie4.1. Fundamentalgruppe (99/00). Wir betrachten im folgenden stets eine (zusammenhängende)topologische Mannigfaltigkeit M statt allgemeiner topologischer Räume.Kurven sind hier als stetig definiert.Definition. (i) Zwei Kurven c 0 , c 1 : [0, 1] → M von p nach q heißen homotop, wenn einestetige Abbildung (Homotopie) h : [0, 1] 2 → M, notiert h s (t), existiert mith i (t) = c i für alle t und i = 0, 1,h s (0) = p, h s (1) = q für alle s.(ii) Eine Kurve von p nach p heißt Schleife durch p ∈ M; statt homotop sagen wir p-homotop.(iii) Eine Schleife c durch p heißt null-homotop, wenn sie homotop zur konstanten Schleifec(t) ≡ p ist.Beispiele. 1. Je zwei Kurven c i : [0, 1] → R n von p nach q sind homotop: Eine Homotopieist h s (t) = (1 − s)c 0 (t) + sc 1 (t). Insbes. ist jede Schleife c null-homotop (setze c 1 = p).2. Ebenso sind zwei Kurven in S n , n ≥ 2 null-homotop. Falls es ein q ∈ S n gibt mitq ∉ c 0 ([0, 1]) ∪ c 1 ([0, 1]), so können wir von q aus stereographisch projizieren, die Homotopievon 1. verwenden, und diese wieder zurückprojizieren.Im allgemeinen können stetige Kurven surjektiv sein (Peano-Kurven!). Wegen gleichmäßigerStetigkeit gibt es aber eine Zerlegung 0 = t 0 < t 1 < . . . < t k = 1, so daß auf jedemIntervall die Kurve Bild in einer Hemisphäre hat. Mit der stereographischen Projektionkönnen wir dann für jedes i das Teilstück c| ( t i , t i + 1) auf den Großkreisbogen von c(t i )nach c(t i+1 ) homotopieren. Das Ergebnis, k Großkreisbögen, ist dann nicht mehr surjektiv,und ist daher wie zuvor null-homotop.3. Auf dem Torus T 2 sind c 1 (t) = (t, 0), c 2 (t) = (0, t) nicht homotop (und nicht nullhomotop).(Beweis?)Satz 17. Homotopie ist eine Äquivalenzrelation ∼.Beweis. c ∼ c (Reflexivität): Setze h s (t) := c(t).c 0 ∼ c 1 ⇐⇒ c 1 ∼ c 0 (Symmetrie): ˜h s (t) := h 1−s (t).c 0 ∼ c 1 und c 1 ∼ c 2 =⇒ c 0 ∼ c 2 (Transitivität): Seien f Homotopie von c 0 nach c 1 und gHomotopie von c 1 nach c 2 . Dann isth s (t) :={f 2s (t) für 0 ≤ s ≤ 1,2g 2s−1 (t) für 1 ≤ s ≤ 12die Homotopie von c 0 nach c 2 .□


124 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWir bezeichnen die Menge der Äquivalenzklassen der Schleifen durch p mit π 1 (M, p).Der Raum π 1 (M, p) erhält folgendermaßen eine Gruppenstruktur: Sind c 0 , c 1durch p, so ist die Hintereinanderausführung{c 0 (2t) für 0 ≤ t ≤ 1(33) c 0 c 1 :=, 2c 1 (2t − 1) für 1 ≤ t ≤ 12Schleifen(erst c 0 dann c 1 !) wieder eine Schleife durch p.Lemma 18. Ist c 0 ∼ c ′ 0 und c 1 ∼ c ′ 1 so ist c 0 c 1 ∼ c ′ 0c ′ 1.Beweis. Sind g s bzw. h s die Homotopien von c 0 nach c ′ 0 bzw. c 1 nach c ′ 1, so ist g s h s dieHomotopie von c 0 c 1 nach c ′ 0c ′ 1.□Also ist [c 0 c 1 ] := [c 0 ][c 1 ] unabhängig von den Repräsentanten.Satz 19. Mit der Multiplikation (??) wird π 1 (M, p) eine Gruppe mit neutralem Elementder konstanten Kurve [p]. Ist c −1 (t) := c(1−t), so ist das Inverse von [c] gegeben durch [c −1 ].Beweis. Wir zeigen [cc −1 ] = [p], indem wir eine Homotopie h angeben von cc −1 nach p:⎧⎪⎨ c(2t) für 0 ≤ t ≤ s,h s (t) := c(s) für s ≤ 2t ≤ 2 − s,⎪⎩c −1 (2t − 1) = c(2 − 2t) für 2 − s ≤ 2t ≤ 2Neutrales Element: Reparametrisierung. Ebenso für Assoziativität.□Satz 20. Sei γ Kurve von p nach q. Die Abbildung γ ∗ : [c] ↦→ [γ −1 cγ] ist Gruppenisomorphismusvon π 1 (M, p) auf π 1 (M, q).Beweis. γ ∗ ist Homomorphismus, dennγ ∗ [c 0 ]γ ∗ [c 1 ] = [γ −1 c 0 γ][γ −1 c 1 γ]Lemma ??= [γ −1 c 0 γγ −1 c 1 γ] = [γ −1 c 0 c 1 γ] = γ ∗ [c 0 c 1 ].Ferner ist (γ −1 ) ∗ das Inverse von γ ∗ ; daher ist γ ∗ Isomorphismus.□Weil M zusammenhängend ist, gibt es ∀p, q ∈ M einen Weg von p nach q (nur dann!).Also:Korollar 21. π 1 (M, p) ist unabhängig von p.Definition. Die Gruppe π 1 (M) := π 1 (M, p) heißt Fundamentalgruppe von M. Ist π 1 (M) =0, so heißt M einfach zusammenhängend.


iii 4.2 – Stand: 14. Mai 2013 125Beispiele. π 1 (R n ) = 0 (war Bsp. 1).π 1 (S 1 ) = Z (Beweis kommt), π 1 (S n ) = 0 für n ≥ 2 (war Bsp. 2).π 1 (T n ) = π 1 (S 1 × . . . × S 1 ) = Z n . (Beweis Übung)Ist M 2 g eine Fläche vom Geschlecht g ≥ 2 (d.h. mit g Löchern, siehe Abschnitt 7.5), so istπ 1 (M 2 g ) nicht abelsch.4.2. Überlagerungen.Definition. Seien E, M zusammenhängende topologische/differenzierbare/RiemannscheMannigfaltigkeiten. Eine stetige/differenzierbare/(lokal) isometrische Abbildungπ : E → Mheisst topologische/differenzierbare/isometrische Überlagerung [covering], wenn für jedesp ∈ M eine Umgebung U existiert, deren Urbild eine disjunkte Vereinigung ist,π −1 (U) = ∐ λ∈ΛS λ mit π : S λ → U Homöomorphismus/Diffeom./globale Isometrie,wobei S λ offene Teilmenge von E ist und Λ beliebige Indexmenge. Eine Überlagerung heisstuniversell, wenn E einfach zusammenhängend ist.E und M haben dann die gleiche Dimension, und π −1 (p) ist diskrete Menge. Der Begriffuniverselle Überlagerung bezieht sich darauf, dass diese Überlagerung jede andere Überlagerungüberlagert.Beispiele. 1. Es sei M = S 1 der Kreis.a) E = R ist universelle Überlagerung unter π(t) := e it mit Λ = Z.b) E = S 1 ergibt unter π(z) := z k eine k-blättrige (endliche) Überlagerung, mit Λ ={1, . . . , k}. Dieselben Abbildungen, π(z) = exp(z) bzw. π(z) = z k , geben auch Überlagerungenvon M = C ∗ durch E = C bzw. E = C ∗ an.2. Mithilfe von Quaternionen kann man sehen, dass M = SO(3) von E = S 3 zweiblättrigüberlagert wird.3. Wirkt eine Gruppe Λ diskret, so ist π : E → M := E/Λ Überlagerung, Hierunter fallendie isometrischen Überlagerungen π : S n → RP n mit Λ = Z 2 und π : R n → T n mit Λ = Z n .Bemerkungen. 1. Die Abbildung π k (z) := z k , k ≥ 2 von 1.b) ist nicht Überlagerung von E := Cnach M = C. Einerseits ist π −1 (0) = {0}, andererseits gilt #π −1 (z) = k für alle z ≠ 0, wobeisich Urbild um k-te Einheitswurzeln unterscheiden. Also besitzt 0 ∈ M nicht die geforderteUmgebung. Funktionentheoretiker sprechen hier noch von einer verzweigten Überlagerung, beider eine diskrete Menge von Ausnahmepunkten in M zugelassen ist.2. Die Projektion π : (x, y, z) ↦→ (0, y, z) ist keine Überlagerung, weil π −1 (p) ∼ = R nichtdiskret ist. Der passende allgemeinere Begriff ist hier die Faserung.


126 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieDie wichtigste Eigenschaft von Überlagerungen ist, dass man Wege von M nach E hochhebenkann; diese Eigenschaft charakterisiert umgekehrt Überlagerungen.Satz 22. Sei π : E → M Überlagerung und c: [0, 1] → M eine Kurve mit c(0) = p. Ist˜p ∈ E ein Punkt mit π(˜p) = p, so gibt es eine eindeutig bestimmte Kurve ˜c: [0, 1] → E mit˜c(0) = ˜p und π ◦ ˜c = c.Die Kurve ˜c nennt man auch einen Lift von c.Beweis. (i) Eindeutigkeit: Seien c 1 , c 2 : [0, 1] → E zwei Kurven mit π ◦c i = c und c i (0) = ˜p.Wir betrachten die Menge I := {t : c 1 (t) = c 2 (t)} ⊂ [0, 1] mit 0 ∈ I. Wir zeigen nun I und[0, 1]\I sind offen. Sei t ∈ I, so ist c 1 (t) = c 2 (t) ∈ S λ . Wegen Stetigkeit ist c i (s) ∈ S λ , für s ineiner kleinen Umgebung von t. Weil π : S λ → U Homöomorphismus ist, folgt c 1 (s) = c 2 (s)in dieser Umgebung. Liegen umgekehrt c 1 (t) und c 2 (t) in verschiedenen Blättern S λ ≠ S µ ,also t ∈ [0, 1] \ I, dann gilt das genauso auch noch für eine offene Umgebung von t.(ii) Existenz: Betrachten wir den Spezialfall, dass c([0, 1]) in nur einem U ⊂ M enthaltenist. Liegt ˜p ∈ S λ , so ist π : S λ → U bijektiv, und daher ist ˜c := π −1 ◦ c ein eindeutiger Liftnach S λ ⊂ E. Wegen π −1 stetig ist auch ˜c stetig.Betrachten wir nun den allgemeinen Fall. Weil I kompakt ist und M von den offenenMengen U überdeckt wird, gibt es eine endliche Zerlegung 0 = t 0 < t 1 < . . . < t n = 1,so dass c| [ti−1 ,t i ] ⊂ U i ⊂ M. Zunächst liegt p = c(0) ∈ U 1 . Wie im Spezialfall erhaltenwir einen eindeutigen Lift ˜c| [0,t1 ] ⊂ Sλ 1. Ist ˜c| [0,t i ] schon konstruiert, so setzen wir wie imSpezialfall diese Kurve zu ˜c| [0,ti+1 ] stetig fort, indem wir in dasjenige S i+1λhochheben, dasden Endpunkt c(t i ) enthält.□Auch Homotopien h: [0, 1] 2 → M lassen sich nach E liften. Der Beweis ist fast genauso(Übung).Vorlesung 99/00Satz 23. Eine Mannigfaltigkeit M hat eine universelle Überlagerung ˜M (die wieder Mannigfaltigkeitist).Beweis. Wir wählen p 0 ∈ M und betrachten die Kurven von [0, 1] nach M mit Anfangspunktp 0 , aber beliebigem Endpunkt. Dann ist(34) α ∼ β : ⇐⇒ α(1) = β(1) und α, β homotopeine Äquivalenzrelation (Beweis wie in Satz ??). Wir setzen ˜M = {〈α〉} als die Menge derÄquivalenzklassen, und π : ˜M → M, 〈α〉 ↦→ α(1).


iii 4.3 – Stand: 14. Mai 2013 127Weil M Mannigfaltigkeit ist, existiert ∀p ∈ M ein U, so daß U einfach zusammenhängendist (etwa U = x(B r ) für kleinen Ball). Für jedes q ∈ U ist daher jeder Weg c : I → U ⊂ Mvon p nach q homotop. Sei nun 〈α〉 ∈ ˜M mit π(〈α〉) = α(1) = p. Wir setzenS 〈α〉 := {〈αc〉 ∈ ˜M | c Weg in U von p nach q}.Dann ist π : S 〈α〉 → U, 〈αc〉 ↦→ (αc)(1) bijektiv. In der Tat ist π injektiv: Gilt π(〈αc〉) =π(〈αc ′ 〉), so ist c homtop zu c ′ (innerhalb von U), und daher auch 〈αc〉 = 〈αc ′ 〉. Surjektivitätist klar. Weil π bijektiv ist, erklärt die Karte π −1 ◦ x eine Topologie auf S 〈α〉 .Sind ferner 〈α〉 ≠ 〈β〉 mit π(〈α〉) = π(〈β〉), (also α und β zwei nicht-homotope Wege vonp 0 nach p), so sind auch 〈αc〉 ≠ 〈βc〉 und daher ist S 〈α〉 ∩ S 〈β〉 ≠ ∅ ⇐⇒ 〈α〉 = 〈β〉.˜M ist zusammenhängend: Sei 〈α〉 ∈ ˜M. Die Kurven h s (t) := 〈α(st)〉 von p nach α(s) gebeneinen Weg in ˜M an, der von der konstanten Kurve h 0 = 〈p〉 nach h 1 = 〈α〉 läuft.Schließlich ist ˜M einfach zusammenhängend, also universelle Überlagerung: Sei s ↦→ c(s)eine Schleife in ˜M durch 〈p 0 〉. Dann ist auch γ := π ◦ c Schleife. Weil Hochheben eindeutigist, gilt sogar c = ˜γ, sofern ˜γ Schleife durch 〈p 0 〉 ist. Weil c Schleife ist, gilt [γ] = c(1) = [p 0 ],d.h. γ homotop zur konstanten Kurve p 0 . Weil sich Homotopien hochheben lassen (Beweiswie in Satz 17), ist auch ˜γ = c null-homotop.□Für jede Homotopieklasse 〈α〉 von Wegen von p 0 nach p ∈ M haben wir eine Klasse S 〈α〉definiert. Es besteht aber eine Bijektion von der Menge der Homotopieklassen Γ p0 ,p (fürjedes feste Punktepaar p 0 , p ∈ M) zu π 1 (M) (Übung), und zwar durch Komposition; siemacht Γ p0 ,p zu einer Gruppe. Daher:Korollar 24. (i) Für jedes ˜M gilt M = ˜M/π 1 (M).(ii) ˜M kompakt =⇒ π 1 (M) endlich.Beachte zu (ii), daß die S λ disjunkte offene Mengen sind; unendliches Λ macht daher ˜Mnicht kompakt.(ii) hatten wir in Korollar ?? benutzt. Dabei hatten wir benutzt, daß für eine RiemannscheMfk. M auch ˜M Riemannsch wird, wenn wir π zur lokalen Isometrie erklären; natürlichmuß ˜M zunächst differenzierbar gemacht werden, indem wir Karten π −1 ◦ x von B r nachS 〈α〉 benutzen, falls x Karte von U ⊂ M ist.4.3. Übungsaufgaben.Aufgabe 85 – Zweite Variation eines Großkreises:Auf S 2 betrachten wir den Großkreis c(t) := e 3 cos t+e 1 sin t und seine Variation durch Großkreiseh s (t) := e 3 cos t + sin t(e 1 cos s + e 2 sin s).


128 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriea) Zeigen Sie, dass das Variationsfeld V (t) orthogonal zu c ′ (t) ist.b) Für welche t ist h s eigentlich?c) Was ist L(h s ([0, π]))?d) Berechnen Sie die zweite Variation der Bogenlänge von c([0, π]).Aufgabe 86 – Satz von Myers:Beweisen Sie den Satz von Myers unter der Annahme (30), d.h. unter der Annahme Ric p (X, X) =∑ n−1k=1 g(R(E k, X)X, E k ) ≥ n−1 .r 2Aufgabe 87 – Semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiten:a) Geben Sie ein Beispiel einer Riemannschen Mannigfaltigkeit M und eines Punktes p ∈ M mit|K p | ≤ a ∈ R gilt und K p nicht konstant ist.Ab jetzt betrachten wir eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) mit Index ν > 0.b) Der kausale Charakter eines Tangentialvektors X ∈ T p M ist die Eigenschaft, lichtartig, raumartigoder zeitartig zu sein. Dabei sagen wir zwei nicht lichtartige Vektoren X, Y ∈ T p M habenentgegengesetzten kausalen Charakter, wenn genau einer von ihnen zeitartig ist.Zeigen Sie, dass die Summe zweier orthonormaler Tangentialvektoren mit entgegengesetztemkausalen Charakter lichtartig ist.c) Wir definierenQ p : T p M × T p M → R, Q p (X, Y ) = g p (X, X)g p (Y, Y ) − g p (X, Y ) 2 .Eine Ebene Π ⊂ T p M, die von X und Y aufgespannt wird, nennen wir definit, falls Q p (X, Y ) >0, degeneriert, falls Q p (X, Y ) = 0 und indefinit, falls Q p (X, Y ) < 0. Zeigen Sie, dass dieseEigenschaft wohldefiniert ist.Tipp: Zeigen Sie sgn Q(X, Y ) = sgn Q(X, Z) für jede Linearkombination Z von X und Y .d) Finden Sie eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) und drei Paare von Vektoren, diejeweils eine definite, eine indefinite und eine degenerierte Ebene aufspannen.e) Sei Π eine Ebene, die durch die orthogonalen Vektoren X, Y aufgespannt wird. Zeigen Sie,dass Π genau dann definit ist, wenn X und Y den gleichen kausalen Charakter haben, genaudann indefinit ist, wenn X und Y entgegengesetzten kausalen Charakter haben, und genaudann degeneriert ist, wenn X oder Y lichtartig sind.f) Sei X, U, Z ein Orthonormalsystem in T p M, so dass X und U entgegengesetzten kausalenCharakter haben. Dann gilt Q(X, Z) = −Q(U, Z).g) Wir definieren eine AbbildungN p : {degenerierte Ebenen in T p M} → {−1, 0, 1},Π ↦→ sgn g p (R p (X, Y )Y, X),wobei X und Y die Ebene Π aufspannen. Zeigen Sie, dass N p wohldefiniert ist.Tipp: Ersetzen Sie auch hier einen der Vektoren durch eine Linearkombination.


iii 5.1 – Stand: 14. Mai 2013 129h) Zeigen Sie, dass (M, ˜g) mit ˜g := −g eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Index n − νist. Wie ändern sich dann Q p , R p und K p ?Aufgabe 88 – Semi-Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit Krümmungsschranke:KrümmungsschrankeIn dieser Aufgabe wollen wir folgenden Satz zeigen:Satz (Kulkarni et al., 1979). Sei (M, g) eine semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Index ν > 0und sei p ∈ M. Wenn K p ≥ a oder K p ≤ b mit a, b ∈ R gilt, dann ist K p konstant.Alle auftretenden Größen werden im Punkt p ∈ M betrachtet und wir lassen den Fußpunktüberall weg.a) Überlegen Sie, dass wir o.B.d.A. dim M ≥ 3 und a ≤ K annehmen können.b) Zeigen Sie: N ≡ 0. Dabei dürfen Sie ohne Beweis verwenden, dass jede degenerierte EbeneGrenzwert von einerseits definiten und andererseits indefiniten Ebenen ist.c) Seien X, U, Z ∈ T p M ein Orthonormalsystem. Weiterhin gelte, dass X und U entgegengesetztenkausalen Charakter haben. Folgern Sie aus (b): K(span(X, Z)) = K(span(U, Z)).Tipp: Berechnen Sie g(R(X ± U, Z)Z, X ± U).d) Sei ν = 1 und U zeitartig. Zeigen Sie, dass K für jede Ebene, die U enthält oder auf Usenkrecht steht, konstant ist. Folgern Sie die Behauptung des Satzes für ν = 1 und ν = n − 1.e) Zeigen Sie, dass K auch für 1 < ν < n − 1 konstant ist.Aufgabe 89 – Minitest zu Überlagerungen:Welche der folgenden Abbildungen sind Überlagerungen?a) R → S 1 , t ↦→ (cos t, sin t)b) C ∗ → C ∗ , z ↦→ z k mit k ∈ Nc) R n → R n /Γ, x ↦→ π(x) mit einem Gitter Γ und der kanonischen Projektion πd) M → M, p ↦→ pe) C ↦→ C, z ↦→ exp zVorlesung 99/005. Synge-Lemma und Folgerungen (99/00)5.1. Synge-Lemma. Wir diskutieren eine weitere Anwendung der zweiten Var.formel. EineKurve c: [a, b] → M heißt (diff.bar) geschlossen, wenn p := c(a) = c(b) (Schleife) undfür Param. mit ‖c ′ ‖ konstant, gilt c ′ (a) = c ′ (b). Eine geschlossene Geodätische erfüllt auchc (k) (a) = c (k) (b), denn eine C 1 -Geodätische ist immer auch C ∞ (siehe Beweis von SatzIII,20: Die Formel c ′′l = −(Γ l ij ◦ c)c ′i c ′j zeigt c ′′ (a) = c ′′ (b) und man kann weiterdifferenzieren).


130 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieEin Äquator von S 2 ist eine geschlossene Geodätische. Verglichen mit der Schar von Breitenkreisenstellt der Äquator ein lokales Maximum der Länge dar: L(S ϕ ) = 2π cos ϕ istmaximal in ϕ = 0.Ebenso gilt allgemein:Satz 25 (Synge 1936). Sei M orientierbare Riem. Mfk. von gerader Dimension n mitüberall positiver Schnittkrümmung (K p (σ) > 0 ∀p ∈ M, σ ∈ T p M). Sei c : [a, b] → Mgeschlossene Geodätische (also nicht konstant). Dann gibt es eine Varation h : (−ε, ε)×[a, b]von c, so daß die Kurven h s geschlossen sind, und L(h s ) < L(h 0 ) = L(c) für s ≠ 0.Wir benötigen eine Tatsache der linearen Algebra:Lemma 26. Ist A ∈ SO(m) und m ungerade, so hat A einen Eigenvektor v ≠ 0 mitEigenwert 1, also Av = v.Beweis. A hat m Eigenwerte λ i ∈ C; sie sind Nullstellen des charakteristischen Polynomsχ(λ) = det(A − λ1 m ) = a 0 + a 1 λ + . . . + a m λ m mit reellen Koeffizienten. Ist χ(λ) = 0 soauchχ(λ) = a 0 + a 1 λ + . . . + a m (λ) m = a 0 + a 1 λ + . . . + a m λ m = χ(λ) = 0.Nicht-reelle Wurzeln treten also in konjugierten Paaren λ, λ auf. Da A ∈ O(m), gilt |λ i | = 1,und die reellen Eigenwerte sind in ±1.Nach Umnumerieren haben wir also n Eigenwerte λ 1 , λ 1 , . . . λ k , λ k , −1, . . . , −1, 1, . . . , 1. DaA ∈ SO(m) und λ 1 · . . . · λ m = det A = 1 haben wir eine geraden Zahl von −1’en. Wegenm ungerade ist also wenigstens eine 1 Eigenwert.□Beweis des Synge-Lemmas. Sei p := c(a) = c(b). Wir setzen T p M ⊥ := {X ∈ T p M |g(X, c ′ (a)) = 0} und nehmen für A Parallelverschiebung längs eines Durchlaufes der geschlossenenKurve c, also A : T p M ⊥ → T p M ⊥ . Nach Satz III,8 ist A orthogonal, ferner folgtaus der Orientierbarkeit von M sogar det A = 1, also A ∈ SO(n − 1) mit n − 1 ungerade.Nach dem Lemma existiert ein v ∈ T p M ⊥ mit Av = v und ‖v‖ = 1. Sei V (t) die Fortsetzungvon v durch Parallelverschiebung längs c, also D dt V = 0. Für kleine s ist h s(t) := exp c(t) sV (t)definiert und es gilt∂∂s h ds(t)| s=0 = (d exp c(t) ) 0ds (sV (t))| Lemma III,13s=0 = V (t) ⊥ c ′ (t).Also ist δ V L(c) = g(V, c ′ )| b a = 0 und s ↦→ L(h s ) in 0 kritisch.Aus (27) erhalten wird 2ds 2 L(h s)| s=0 = −∫ bag(R(V, c ′ )c ′ , V ) dt = −∫ baK(V, c ′ )‖c ′ ‖ 2 ‖V ‖ 2 dt < 0


iii 5.2 – Stand: 14. Mai 2013 131wegen der Krümmungsvoraussetzung. Also hat s ↦→ L(h s ) in 0 ein striktes lokales Maximum.□5.2. Geschlossene Geodätische in Homotopieklassen.Korollar 27. Eine kompakte, orientierbare Riem. Mfk. (M, g) von gerader Dimension mitüberall positiver Schnittkrümmung ist einfach zusammenhängend (π 1 (M) = 0).Beweis. Zwei Schleifen c 0 , c 1 : [0, 1] → M (durch möglicherweise verschiedene Punkte)heißen frei homotop, wenn es eine diff.bare stetige Abbildung h : [0, 1] 2 → M gibt mith i (t) = c i (t) für s = 0, 1, so dass h s (0) = h s (1) gilt (d.h. jedes h s ist Schleife). FreieHomotopie ist eine Äquivalenzrelation in der Menge aller Schleifen. Beachte: Sind zweiSchleifen c 0 , c 1 durch p homotop, so sind sie auch frei homotop. Also gibt es i.a. weniger freieÄquivalenzklassen als bzgl. Homotopie. (Bemerkung dazu: Sind in einer differenzierbarenMannigfaltigkeit zwei differenzierbare Kurven homotop, so auch differenzierbar homotop;ich verzichte auf die Details.)Indem man nicht Konstanz von s ↦→ h s (0), bzw. h s (1) fordert, identifiziert man mehrKurven als in π 1 (M). Wir behaupten aber: Ist eine Schleife [c] ∈ π 1 (M, p) frei null-homotop,so ist sie auch null-homotop; d.h. ist π 1 (M) ≠ 0, so gibt es auch eine Schleife, die nicht freinullhomotop ist.In der Tat, sei h s (t) die freie Homotopie, d.h. h 0 (t) = c(t) und h 1 (t) ≡ q. Weil s ↦→ h s (0) =h s (1) stetig ist, so ist γ s (t) := h st (0) stetig auf [0, 1] 2 und t ↦→ γ s (t) ist eine Kurve vonp nach h s (0). Daher ist H s (t) := (γ s h s γs −1 )(t) für jedes s eine Schleife durch c(0) = p,und H s (0) = H s (1) = p, und zwar von H 0 (t) = c(t) nach der null-homotopen SchleifeH 1 (t) = γ 1 γ1 −1 .Unter der Voraussetzung π 1 (M) ≠ 0 gibt es also eine nicht-triviale freie HomotopieklasseC. Der Beweis wird daher abgeschlossen, indem das Synge-Lemma auf die Kürzeste desfolgenden Lemmas angewandt wird.□Lemma 28. Ist M kompakt, so enthält jede Äquivalenzklasse frei homotoper Kurven Ceine diff.bare geschlossene Kürzeste (nur konstant, wenn C trivial).Beispiele. 1. Ist M nicht kompakt, so braucht eine geschlossene Kürzeste nicht zu existieren.So führt Verkürzung einer Kurve auf der Pseudosphäre zum Wegrutschen nach ∞.2. Natürlich ist die Kürzeste des Lemmas nicht eindeutig; dies sieht man schon auf T 2 .Beweis. Zunächst eine Vorbereitung. Nach Lemma II.33(ii) gibt es für jedes p eine offeneUmgebung U(p) und r(p) > 0 mit exp q : B r → M Diffeomorphismus auf sein Bild ∀q ∈U(p). Weil M kompakt ist, überdecken endlich viele U(p), also M = ⋃ ki=1 U(p i). Wählen wir


132 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrier := min 1≤i≤k r(p i ) > 0, so ist exp q : B r → M sogar für jedes q ∈ M Diffeomorphismus aufsBild. Beachte, daß nach Lemma II.34 der Punkt q und jeder andere Punkt in exp q (B r ) ⊂ Mdurch eine (bis auf Parametrisierung) eindeutige Kürzeste verbunden werden.Wir zeigen zuerst, daß C auch eine stückweise diff.bare Kurve endlicher Länge enthält.Weil jedes c ∈ C gleichmäßig stetig ist, findet man 0 = t 0 < t 1 < . . . < t m = 1, so daßc([t i−1 , t i ]) ⊂ exp ti−1B r . Aber c| [ti−1 ,t i ] ist homotop zur eindeutigen Kürzesten von c(t i−1 )nach c(t i ), denn wir können eine Homotopie im Urbild der Karte wählen (vgl. Bsp. 1 in2.3.1). Wir bezeichnen mit C ′ ⊂ C die Teilmenge der stückweise differenzierbaren Kurven.Sei c k ∈ C ′ nun eine Minimalfolge, d.h. L(c k ) → I := inf γ∈C L(γ). Wir nehmen an, c k ist mitkonstanter Geschwindigkeit auf [0, 1] parametrisiert. Es ist L(c k ) < C, z.B. mit C := I + 1nach Streichung des Folgenanfangs. Es folgt ‖c ′ k ‖ < C und damit dist(c k(t), c k (t + r )) < 2Cr. Nach der Vorüberlegung werden diese beiden Punkte durch eine eindeutige Kürzeste2verbunden.Wir wollen die Konvergenz einer Teilfolge der Minimalfolge gegen eine Geodätische c zeigen.Dazu reduzieren wir das Problem auf ein endliches Problem, indem wir nur endlich vieleZeiten t i betrachten. Im folgenden läuft i von 1 bis m oder von 0 bis m.Wir wählen endlich viele (etwa m < C + 2) Stützstellen t 2r 0 := 0 < t 1 < t 2 < . . . < t m := 1mit t i − t i−1 < r . Weil M kompakt ist, gibt es eine Teilfolge c 2C k, so daß c k (t i ) → p i für alle0 ≤ i ≤ m. Beachtedist(p i−1 , p i )dist stetig= limk→∞dist ( c k (t i−1 ), c k (t i ) ) ≤ r 2 < r.Wir definieren nun eine stückweise diff.bare Kurve c, indem wir c| [ti−1 ,t i ] als eindeutigeKürzeste von p i−1 nach p i wählen, und zwar mit konstanter Geschwindigkeit auf diesemIntervall. Dann giltm∑m∑L(c) = L(c| [ti−1 ,t i ]) = dist(c(t i−1 ), c(t i ))i=1dist stetig= limk→∞≤ lim infk→∞m∑i=1m∑i=1i=1dist(c k (t i−1 ), c k (t i ))L(c k | [ti−1 ,t i ]) = lim infk→∞ L(c k) = I.Wir behaupten weiter, daß c ∈ C ′ . Genauer zeigen wir c homotop zu c k , sofern k gewähltist mit dist(c k (t i ), p i ) < r für alle i. Zunächst liegt auch die eindeutige Kürzeste γ 2i vonp i nach c k (t i ) in exp pi−1B r , denn nach der Dreiecksungleichung ist mit q ∈ exp p B r/2auch exp q B r/2 ⊂ exp p B r . In exp pi−1B r liegt auch das Kurvenstück c k ([t i−1 , t i ]), denn eshat Länge < r und liegt daher in exp 2 c(t i−1 ) B r/2 . Die beiden Kurven γ i−1 c k | [ti−1 ,t i ] und


iii 6.1 – Stand: 14. Mai 2013 133c| [ti−1 ,t i ]γ i liegen ganz in exp pi−1B r und sind daher bzgl. ihrer Endpunkte homotop. EinInduktionsbeweis zeigt dann c k homotop zu c.Weil I als Infimum über C ′ definiert ist, folgt L(c) ≥ I und damit insgesamt L(c) = I.Nun zeigen wir noch: c ist diff.bar. Ist I = 0, so ist c konstant, also diff.bar. Ist I > 0,und c nicht konstant, so können wir nach eventueller Verkleinerung von m annehmen, daßc auf keinem Teilintervall [t i−1 , t i ] konstant ist. Hätte c in t i eine Ecke ( c′ (t − i ) ≠ c′ (t +‖c ′ (t − i )i )‖ ‖c ′ (t + )‖), iso gäbe es nach der 1. Variationsformel eine geschlossene Kurve (frei homotop zu c) mitLänge < I. Also muß c diff.bar sein.□6. JacobifelderWir interessieren uns für folgende Fragen:1. Wie nah liegen Geodätische beieinander? Denken Sie an S 2 , R 2 , H 2 .2. Wann ist d exp injektiv? Wir werden hier nur lokal Injektivität untersuchen.6.1. Jacobi-Gleichung. Bezüglich einer Geodätischen c ∈ C ∞ (I, M) heißt h: (−ε, ε) × Ieine Variation von c = h 0 durch Geodätische, wenn jede Kurve t ↦→ h s (t) geodätisch ist,d.h.(35)Ddt h′ s(t) = 0 für alle s, t.Satz 29. Es sei c geodätisch und h s (t) eine Variation von c durch Geodätische. Dannerfüllt das Variationsfeld J := ∂ ∂s h s| s=0 ∈ V(c) die Jacobische Differentialgleichung(36) J ′′ + R(J, c ′ )c ′ = 0,wobei J ′′ (t) := D DJ(t).dt dtEin Vektorfeld längs einer Geodätischen, das (34) erfüllt, heißt Jacobifeld. Ein Jacobifeldgibt den Abstand einer Geodätischenschar in 1. Ordnung an, es beschreibt damit die Spreizunginfinitesimal benachbarter Geodätischer.Beispiele. 1. In R n sei c = vt mit v ∈ R n Ursprungsgerade. Für X, Y ∈ R n sind J(t) = tXoder J(t) = Y Jacobifelder. Offenbar gilt jeweils J ′′ = 0.2. Auf S n ist für c(t) = p cos t + w sin t das Feld J(t) = v sin t Jacobifeld (v, p, w paarweisesenkrecht und Einheitsvektoren).3. Ist c(t) geodätisch, so sind auch Reparametrisierungen, z.B. h 1 s(t) := c(s + t) bzw.h 2 s(t) := c ( (1+s)t ) Variationen durch Geodätische. Also sind J 1 (t) := ∂ ∂s c(s+t)| s=0 = c ′ (t)bzw. J 2 (t) := ∂ ∂s c( (1 + s)t ) | s=0 = tc ′ (t) Jacobifelder.


134 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeweis. Weil 0 = D ∂h dt ∂t s(t) für alle s, t gilt, folgt0 = D ( D ∂h)= D D ∂h( ∂hds dt ∂t dt ds ∂t + R ∂s , ∂h ) ∂h∂t ∂t= D D ∂h( ∂hdt dt ∂s + R ∂s , ∂h ) ∂h∂t ∂t ;∇ symm.dies geht wieder mit R(J, T )T = ∇ J ∇ T T − ∇ T ∇ J T wie im Beweis der 2. Variation. Fürs = 0 folgt die Jacobi-Gleichung.□24. Vorlesung, Mittwoch 23.1.13Als erstes analysieren wir die Jacobi-Gleichung: Jacobifelder existieren eindeutig zu gegebenenAnfangsbedingungen J(a), J ′ (a):Lemma 30. Sei c ∈ C ∞ (I, M n ) geodätisch, a ∈ I. Die Jacobi-Gleichung ist ein Systemlinearer Differentialgleichungen zweiter Ordnung und hat für gegebene Anfangswerte J(a) =v und J ′ (a) = w genau eine Lösung J : I → T c(t) M. Insbesondere ist der Raum J c derJacobifelder längs c ein 2n-dimensionaler Vektorraum.Aus Beispiel 3 folgt, dass c ′ , tc ′ einen 2-dimensionalen Unterraum tangentialer Jacobifelderaufspannen. In den Übungen wird gezeigt, dass dies bereits alle tangentialen Jacobifeldersind, d.h. der Raum der Felder, die senkrecht auf c ′ stehen, hat Dimension 2n − 2.Beweis. Sei E 1 := c ′ , E 2 , . . . , E n eine parallele Orthonormalbasis längs c, erhalten z.B.durch Parallelverschiebung einer ONB in c(a). Jedes Vektorfeld X längs c lässt sich dannschreiben als X(t) = ∑ nk=1 ξk (t)E k (t). Wir erhalten dannFerner istX ′ = D ( ∑ )ξ k E k = ∑ dtkkdξ kdt E k,( ∑ )R(X, c ′ )c ′ = R ξ i E i , c ′ c ′ = ∑iiX ′′ = D dt X′ = ∑ kξ i R(E i , c ′ )c ′ = ∑ i,kd 2 ξ kdt 2 E k.ξ i R k i E k ,wobei glatte Funktionen R k i (t) auf I durch R(E i , c ′ )c ′ = ∑ R k i E k definiert sind. UnterBenutzung der linearen Unabhängigkeit der E k ergeben die letzten Gleichungend 2 ξ k n∑dt (t) + ξ i (t)R k 2 i (t) = 0 für k = 1, . . . , n.i=1Dies ist ein System von n gewöhnlichen linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnungin (ξ 1 (t), . . . , ξ n (t)) auf dem Intervall I mit glatten Koeffizienten. Daher gibt es genau eineLösung mit Anfangswerten ξ k (a) = v k d,dt ξk (a) = w k , die auf ganz I erklärt ist. □


iii 6.2 – Stand: 14. Mai 2013 135Mithilfe der Exponentialabbildung können wir Scharen von Geodätischen h s (t) angeben.Wir werden uns auf den Fall beschränken, dass die Geodätischen alle durch einen gemeinsamenPunkt p gehen. Sei c(t) := exp p tu, so betrachten wir die Schar radialer Geodätischer(37) h s (t) := exp p t(u + sw).Satz 31. Sei c Geodätische mit c(0) = p und c ′ (0) = u ∈ T p M. Dann ist das Variationsvektorfeldvon (35)(38) J(t) := ∂ ∂s h ∣s s=0= (d exp p ) tu · tw,ein Jacobifeld längs c, das eindeutig durch seine Anfangsbedingungen J(0) = 0 und J ′ (0) =w bestimmt ist.Beweis. Sicherlich ist t ↦→ h s (t) geodätisch und h 0 (t) = exp p tu = c(t). Nach Satz 18 ist JJacobifeld längs c.Weiterhin hat J die Anfangsbedingungen J(0) = (d exp p ) 0 0 = 0 und(39)J ′ (0) = D ∣dt J(t) ∣∣t=0= D ∂∣dt ∂s h ∣∣s,t=0 Lemma II.26 D ∂∣=ds ∂t h ∣∣s,t=0= D ds (d exp ∣p) t(u+sw) (u + sw) = d ds (d exp ∣p) 0 (u + sw)∣s,t=0(∗)∣s=0Satz 23=d ( ) ∣ id ·(u + sw) ∣s=0 = d ∣dsds (sw) ∣∣s=0= wBeachten Sie, dass durch Schritt (∗) klar wird, dass sich das zu differenzierende Vektorfelds ↦→ (d exp p ) 0 (u + sw) in dem einen Tangentialraum T expp (0)M = T p M befindet (dennallgemein gilt ja d(exp p ) v : T v T p M → T expp (v)M). Die kovariante Ableitung D in einemdsfesten Tangentialraum wird damit zur Standardableitung d .□dsWegen (35) und (36) können wir die durch d exp beschriebene Spreizung der Geodätischenals Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung berechnen, welche die Krümunng längsc enthält:Korollar 32. Seien u ∈ T p M und w ∈ T u T p M = T p M. Sei die Geodätische c(t) := exp p tuauf [0, 1] definiert und J(t) das Jacobifeld längs c mit J(0) = 0, J ′ (0) = w. Dann gilt(40) (d exp p ) u · w = J(1).6.2. Krümmungsberechnung für S n und H n . Da die Jacobi-Gleichung die Krümmungals Koeffizient enthält, kann man aus der expliziten Kenntnis der Geodätischen auf dieKrümmung zurückschließen.


136 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz 33. Sei n ≥ 2.(i) S n hat Schnittkrümmung K ≡ 1,(ii) H n hat Schnittkrümmung K ≡ −1.Teil (i) hatten wir in Satz 7 unter Benutzung des theorema egregium bereits gezeigt.Beweis. (i) Wir wollen K p (v, w) berechnen für p ∈ S n und v ⊥ w Einheitsvektoren in T p S n .Dazu betrachten wir den Großkreis(41) c(t) := p cos t + w sin t.mit c(0) = p und c ′ (0) = w. Ein Jacobifeld längs c, das in p gerade mit v übereinstimmt,wird erzeugt durch die geodätische Variationh s (t) = (p cos s + v sin s) cos t + w sin t;tatsächlich ist auch t ↦→ h s (t) für jedes s ein Großkreis, denn p, v, w sind paarweise senkrechteEinheitsvektoren. Es gilt(42) J(t) := ∂ ∂s h s(t)| s=0 = v cos tund damit J(0) = v.Um die Jacobi-Gleichung R c (J, c ′ )c ′ = −J ′′ zur Krümmungsberechnung einsetzen zu können,beachten wir, dass v längs c tangential bleibt, so dass (für alle t)J ′ = D dt (v cos t) = ⊤ d dt (v cos t) = −v sin t ⇒ J ′′ = D (−v sin t) = −v cos t = −J.dtEs folgt, wobei ab dem zweiten Ausdruck jeweils in t = 0 ausgewertet sein soll:(43) K p (v, w) = K c (J, c ′ ) = g( R(J, c ′ )c ′ , J )‖c ′ ‖ 2 ‖J‖ 2 = g(−J ′′ , J)‖J‖ 2 =g(J, J)‖J‖ 2 = 1(ii) Im Hyperboloid-Modell H n können wir ähnlich wie in (i) vorgehen. Wie in Abschnitt 6.2 seiP := (0, . . . , 0, 1) ∈ H n und w := (1, 0, . . . , 0) ∈ T P H n . Nach Satz II.47 istc(t) := P cosh t + w sinh tgeodätisch. Da wir Geodätische durch P explizit kennen, betrachten wir diesmal eine den PunktP fixierende Variation, und zwar, für v := (0, 1, 0, . . . , 0) ⊥ w,h s (t) := P cosh t + (w cos s + v sin s) sinh t.Das Variationsvektorfeld lautet J(t) := ∂ ∂s h s(t)| s=0 = v sinh t. Weil t ↦→ h s (t) geodätisch für alles ist, gilt die Jacobigleichung R c (J, c ′ )c ′ = −J ′′ . Wiederum ist v tangential längs c, jedoch folgtnun (für alle t)J ′′ = D ( D)dt dt v sinh t = D (⊤ d )dt dt (v sinh t)= D (v cosh t) = ⊤(v sinh t) = v sinh t = J.dt


iii 6.3 – Stand: 14. Mai 2013 137(Argumentieren Sie: Warum gilt ∇ X Y = ⊤(∂ X Y ) auch für H n ⊂ R n+11 ?) Es folgtK c (J, c ′ ) = 〈R(J, c′ )c ′ , J〉 L〈c ′ , c ′ 〉 L 〈J, J〉 L = 〈−J ′′ , J〉 L〈J, J〉 L = −1 ∀t.Weil die Isometriegruppe von H n nach Lemma 43 insbesondere transitiv auf Ebenen in Tangentialräumenwirkt, hat H n konstante Krümmung. Also folgt K ≡ −1.□25. Vorlesung, Montag 28.1.136.3. Jacobifelder in Räumen konstanter Krümmung oder Dimension 2. Es sei Meine Mannigfaltigkeit entwedera) mit konstanter Krümmung κ, oderb) zweidimensional mit Gauß-Krümmung κ.Auf M lässt sich dann Satz 6 anwenden. Dazu betrachten wir längs einer nach Bogenlängeparametrisierten Geodätischen c ∈ C ∞ (I, M) ein Jacobifeld mit J(t) ⊥ c ′ (t) für alle t:R(J, c ′ )c ′ (9)= κ ( g(c ′ , c ′ ) J − g(J, c ′ ) c ′) = κJ.} {{ } } {{ }=1=0Die Jacobi-Gleichung (34) vereinfacht sich also zuJ ′′ + κJ = 0.Um dies als skalare Gleichung zu schreiben, sei E ∈ V(c) paralleles Feld mit E(t) ⊥ c ′ (t).Wir betrachten speziell J(t) := a(t)E(t) mit a ∈ C ∞ (I, R). Wegen J ′′ = (a ′ E+aE ′ ) ′ = a ′′ Eist J genau dann Jacobifeld, wenn a die skalare Gleichung(44) a ′′ + κa = 0 für alle t ∈ Ierfüllt, wobei κ(t) := κ ( c(t) ) .Im Fall a) kann man (42) explizit lösen:Satz 34. In einer Raumform mit Krümmung κ ist das Jacobifeld J mit den Anfangsbedingungengegeben durch⎧⎪⎨J(t) :=⎪⎩J(0) = E ⊥ c ′ (0) und J ′ (0) = F ⊥ c ′ (0)cos( √ κ t)E(t) + 1 √ κsin( √ κ t)F (t), für κ > 0,E(t) + tF (t), für κ = 0,cosh( √ −κ t)E(t) + 1 √ −κsinh( √ −κ t)F (t), für κ < 0,wobei E(t) bzw. F (t) parallele Fortsetzungen von E = E(0) bzw. F = F (0) längs c sind.


138 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieIm Falle b) erlaubt (42) beispielsweise, aus Krümmungsschranken Abschätzungen für dieLänge von Jacobifeldern gewinnen. Wir leiten nun eine andere Folgerung für n = 2 her.Dazu verwenden wir in T p M = R 2 Polarkoordinaten, tv(ϕ) = t(cos ϕ, sin ϕ), bezüglichderer exp lautetf : (0, r) × R → M,f(t, ϕ) := exp p tv(ϕ).Im folgenden denken wir uns ein beliebiges ϕ fixiert. Die Bildkurve c ϕ (t) := c(t) := f(t, ϕ)ist radiale Geodätische mit c ′ (0) = v(ϕ). Wegen |v| = 1 ist c mit Einheitsgeschwindigkeitparametrisiert, und es folgt ∥ ∥ ∂f∂t (t, ϕ)∥ ∥ = 1 für alle t.Weil t ↦→ f(t, ϕ) für jedes ϕ geodätisch ist, ist J ϕ (t) := J(t) := ∂f (t, ϕ) ein Jacobifeld längs∂ϕc. Wir wollen eine Taylorentwicklung für J in t = 0 angeben. Dazu berechnen wir J undseine Ableitungen in t = 0. Zunächst ist(45) ‖J(0)‖ = ‖(d exp p ) 0 0‖ = 0.Es sei E ∈ V(c) parallel längs c mit ‖E‖ = 1 und E ⊥ c ′ . In t = 0 ist dann E(0) =(− sin ϕ, cos ϕ). Nach dem Gauß-Lemma II.32 ist ∂f ⊥ ∂f , d.h. J ist normal längs c bzw.∂t ∂ϕJ(t)‖E(t). Wir dürfen g(E, J) > 0 für kleine t > 0 annehmen (beachten Sie: aus J ≢ 0und J(0) = 0 folgt J ′ (0) ≠ 0).Wir behaupten J ′ (0) = E(0). Dies zeigt man analog zur Rechnung (37): Man muss nurdas dortige s ↦→ t(u + sw) durch unser ϕ ↦→ tv(ϕ) ersetzen; weiter differenziert man stattin s = 0 nun in ϕ. Daher erhalten wir nun:J ′ (0) = ddϕ v(ϕ)| ϕ = (− sin ϕ, cos ϕ) = E(0)Wir erhalten daraus als erste t-Ableitung‖J(t)‖ ′ 1t=0 = limt↘0 ‖J(t)‖ g( J(t), J ′ (t) ) ( J(t))= lim gt↘0 ‖J(t)‖ , J ′ (t)(46)E‖J= limt↘0g ( E(t), J ′ (t) ) = g ( E(0), E(0) ) = 1.Aus J(t)‖E(t) folgt weiter J(t) = ‖J(t)‖E(t), und daher nach der Jacobi-Gleichung (42)(47) ‖J(t)‖ ′′ = −κ ( f(t, ϕ) ) ‖J(t)‖ für kleine t ≥ 0.Wir wollen nun die Länge von Kreisen mit geodätischem Radius r ausrechnen. Es seiS r := S 1 r(0) ⊂ T p M und L(S r (p)) die Länge der Kurve exp p (S r ).Satz 35 (Bertrand/Puiseux 1848). Sei M zwei-dimensional mit Gauß-Krümmung K.Dann gilt(L(S r (p)) = 2πr 1 − K(p) )6 r2 + o(r 2 ) .


iii 6.4 – Stand: 14. Mai 2013 139Äquivalent ist die folgende intrinsische Darstellung der Gauß-Krümmung:(6K(p) = lim 1 − L(S )r(p))r↘0 r 2 2πrBeweis. Mit den Bezeichnungen von zuvor sei J(t) = a(t)E(t) mit a(t) > 0 für kleine t.Die Taylorreihe von a in 0 ergibt die Darstellungk∑ a j‖J(t)‖ = a(t) =j! tj + o(t k ), t ≥ 0, t ≈ 0,die wir nun für k = 3 berechnen:a 0 = a(0) (43)= 0j=0a 1 = da (44)(0) = 1dta 2 = d2 a= −K ( c(0) ) a(0) (43)= 0dta 3 = d dt2(0)(45)( d 2 adt 2 (t) )∣∣∣t=0 (45)= − d dt(K ( c(t) ) )∣∣∣t=0a(t)= − d dt K( c(t) ) | t=0 a(0) −K ( c(0) ) da(0) = −K(p).}{{} dt0Einsetzen in die Taylorreihe gibt für t > 0 klein‖J(t)‖ = ta 1 + t33! a 3 + o(t 3 ) = t − t33! K(p) + o(t3 ).Dies gilt für jeden Wert von ϕ; die rechte Seite hängt von ϕ gar nicht ab. Die Länge derKurve ϕ ↦→ f(r, ϕ) mit ϕ ∈ [0, 2π] ist daher∫ 2πL(S r ) = ∥ ∂f ∥ ∫ 2π(∥∥∂ϕ (r, ϕ) dϕ = ‖J(r)‖ dϕ = 2π r − K(p) )r 3 + o(r 3 ) .3!00Die Formel gilt auch in folgender Situation. Sei M allgemeiner n-dimensional und v, w ONBeiner Ebene σ in T p M. Dann ist f : B r ⊂ R 2 → M mit f(t, ϕ) := exp p t(v cos ϕ + w sin ϕ)definiert, und hat für kleines r Rang 2. Die Formel gilt daher für die Kreise S r (p, ϕ) :={f(t, ϕ) : t = r} mit Schnittkrümmung K p (σ).6.4. Übungsaufgaben.□Aufgabe 90 – Test:Geben Sie an, ob die folgenden Aussagen stimmen: Beweis oder Gegenbeispiel.a) Sind J 1 , J 2 , J 3 Jacobifelder, so auch J 1 + 2J 2 + 3J 3 .


140 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrieb) Jacobifelder haben konstante Länge.c) Das Vektorfeld t ↦→ f(t)c ′ (t) ist genau dann ein Jacobifeld, wenn f affin linear ist.d) Sind J 1 , J 2 Jacobifelder, so ist g(J 1 ′ , J − 2) − g(J 1, J 2 ′ ) konstant in t.e) Ist J Jacobifeld ohne Nullstelle, so ist J/|J| parallel.Aufgabe 91 – Jacobifelder auf dem Zylinder:Sei Z = {x 2 + y 2 = 1} ⊂ R 3 der Zylinder mit Standardmetrik. Finden Sie eine Basis für denRaum der Jacobifelder längs des Meridians {x = 1, y = 0}.Aufgabe 92 – Jacobifelder bei nichtpositiver Schnittkrümmung:Sei M Riemannsch und J ein Jacobifeld längs einer Geodätischen c.a) Berechnen Sie d2dt 2 ‖J(t)‖ 2 .b) Zeigen Sie: hat M nichtpositive Schnittkrümmung, so ist t ↦→ ‖J(t)‖ 2 konvex.c) Wir betrachten die Geodätische c: t ↦→ (0, e t ) im oberen Halbebenen-Modell U 2 des hyperbolischenRaums. Finden Sie ein Jacobifeld J senkrecht zu c ′ . Was passiert mit ‖J‖ für t → ±∞?Was verrät das über den (infinitesimalen) Abstand zweier solcher Geodätischer?Aufgabe 93 – Tangentiale und normale Jacobifelder:Sei J ein Jacobifeld längs einer nach Bogenlänge parametrisierten Geodätischen c. Zeigen Sie,dass sowohl Normalanteil J ⊥ := J − g(J, c ′ )c ′ als auch Tangentialanteil J ⊤ := g(J, c ′ )c ′ ebenfallsJacobifelder sind.Aufgabe 94 – Tangentiale Jacobifelder:Es seien J, J 1 , J 2 Jacobifelder längs einer nach Bogenlänge parametrisierten Geodätischen c(t).Beweisen Sie die folgenden Aussagen:a) g(J 1 ′ , J 2) − g(J 1 , J 2 ′ ) ist konstant in t.b) g(J ′ , c ′ ) ist konstant und g(J, c ′ ) affin linear in t.c) Ist J(0) ⊥ c ′ (0) und J ′ (0) ⊥ c ′ (0), so ist J(t) ⊥ c ′ (t) für jedes t.d) Es sei J der Raum der Jacobifelder längs c, und J ⊥ := {J ∈ J : J(t) ⊥ c ′ (t) ∀t}. Dann istJ = J ⊥ ⊕ span{c ′ , tc ′ }. Insbesondere hat J ⊥ Dimension 2n − 2.Aufgabe 95 – Jacobifeld auf Rotationsfläche:Sei ϕ(t, α) := ( r(t) cos α, r(t) sin α, h(t) ) eine Rotationsfläche, deren Meridiane t ↦→ ϕ(t, α) nachBogenlänge parametrisiert seien. Finden Sie ein Jacobifeld längs eines Meridians. Berechnen Siedie Gauß-Krümmung der Rotationsfläche aus der Jacobi-Gleichung.


iii 7.1 – Stand: 14. Mai 2013 141Aufgabe 96 – Linearisierung:Die Linearisierung einer Differentialgleichung L(t, u, u ′ ) = u ′ − f(t, u) = 0 ist definiert alsdds L(t, u + sv, (u + sv)′ ) ∣ ∣s=0.a) Linearisieren Sie die quadratische Differentialgleichung u ′ − u 2 = 0.b) Machen Sie sich klar, dass die Jacobische Differentialgleichung eine Linearisierung der Geodätengleichungist.Aufgabe 97 – Schnittkrümmung:Sie sind in einem Punkt p des Weltraums, den wir als eine 3-dimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeitauffassen. Wie würden Sie die Schnittkrümmung K p (σ) ermitteln? Geben Sie möglichstpräzise an, was Sie messen müssen, und welche Rechnung Sie mit den Ergebnissen machen. (Siekönnen Längen messen und kennen die Bahnen von Lichtstrahlen.)26. Vorlesung, Mittwoch 30.1.137. Konjugierte Punkte7.1. Kritische Punkte von d exp. Konjugierte Punkte spielen eine Rolle für die Frage,bis wohin eine Geodätische minimiert. Wie wir in Satz 27 sehen werden, minimiert eineGeodätische die Länge im Vergleich zu nah benachbarten Kurven genau dann, wenn siekein Paar konjugierter Punkte enthält.Definition. Sei c ∈ C ∞ (I, M) geodätisch. Dann heißt t 2 ∈ I konjugiert zu t 1 ∈ I längs c,wenn es ein Jacobifeld J ≢ 0 längs c gibt mit J(t 1 ) = J(t 2 ) = 0. Die maximale Anzahllinear unabhängiger Felder J mit dieser Eigenschaft bezeichnet man als Vielfachheit von t 2 .Wir sagen auch c(t 1 ) ist konjugiert zu c(t 2 ).Beispiele. 1. In S n ist längs des Großkreises (39) das Feld (40) ein Jacobifeld. Also ist −pzu p konjugiert, sogar unabhängig von der gewählten Geodätischen. Die Vielfachheit ist dieDimension von T p M ∩ w ⊥ , also n − 1. Entsprechend sind in S n 1/ √ 1(mit Krümmung κ = )κ r 2die Endpunkte von Geodätischen der Länge √ π κkonjugiert.2. In R n oder T n hat J(t) = X + tY höchstens eine Nullstelle. Ebenso in H n wegenJ(t) = X cosh t + Y sinh t. Also gibt es keine Paare konjugierter Punkte.Bemerkung. Die Vielfachheit kann höchstens n − 1 sein. Der Raum der Jacobifelder mitJ(t 1 ) = 0 ist laut Lemma 19 gerade n-dimensional. Weil aber das Feld tc ′ höchstens eineNullstelle hat, bleibt höchstens ein n − 1-dimensionaler Unterraum von Feldern mit einerzweiten Nullstelle.


142 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieUm nah benachbarte Kurven mit einer gegebenen Geodätischen zu vergleichen, wollen wirwieder die Exponentialabbildung einsetzen. Wir sagen (d exp p ) hat u als kritischen Punkt,wenn (d exp p ) u : T u T p M = T p M → T expp M nicht den vollen Rang n hat.Beispiel. Für S n sind alle u mit |u| ∈ πN kritische Punkte von d exp p .Satz 36. Sei c ∈ C ∞ ([0, τ], M) geodätisch mit c(0) = p. Dann ist(i) τ konjugiert zu 0 genau dann, wenn exp p den kritischen Punkt τu := τc ′ (0) ∈ T p M hat.(ii) Dabei ist die Vielfachheit von τ gleich der Dimension des Kerns von (d exp p ) τc ′ (0).Beweis. (i) Ist τ konjugiert zu 0 längs c, so gibt es ein Jacobifeld J längs c mit J(0) =J(τ) = 0. Sei u := c ′ (0) und w := J ′ (0); es ist w ≠ 0 da sonst J ≡ 0 nach Lemma 19wäre. Nach (36) lautet das Jacobifeld J(t) = (d exp p ) tu tw. Daher J(τ) = 0 ⇐⇒ (d exp p ) τukritisch.(ii) Die Mengen {w : J(τ) = (d exp p ) τu τw = 0} und {J Jacobifeld : J(0) = 0, J(τ) = 0}sind isomorph über die Abbildung w ↦→ J mit J(0) = 0, J ′ (0) = w.□Definition. (i) Sei c ∈ C ∞ ([0, T ], M), wobei T = ∞ zugelassen ist. Der konjugiertePunkt b ∈ (0, T ] heisst erster konjugierter Punkt von c, wenn c auf [0, b) keine weiteren zu0 konjugierten Punkte hat.(ii) Der konjugierte Ort von p ∈ M ist die Menge C(p) derjenigen q ∈ M, für die es eineGeodätische c ∈ C ∞ ([0, 1], M) von p nach q gibt, deren erster konjugierter Punkt q ist.Beispiele. 1. S n : C(p) = {−p}.2. R n , T n , H n : C(p) = ∅.3. Im allgemeinen ist C(p) die Vereinigung von Flächenstücken deren Dimension höchstensn − 1 ist.7.2. Konjugierte Punkte und Kürzeste (überwiegend 99/00). Geodätische ohnekonjugierte Punkte minimieren die Länge:Lemma 37. Sei c ∈ C ∞ ([0, b], M) Geodätische ohne konjugierte Punkte, und h s (t) eineeigentliche Variation von c. Dann gibt es ein ε > 0, so dass L(c) ≤ L(h s ) gilt für alle|s| < ε. Zusatz: Ist h s keine Reparametrisierung von c, so gilt dies sogar mit “ 0, so dass für |s| < εdie Kurven t ↦→ h s (t) in exp p (U) liegen.


iii 7.2 – Stand: 14. Mai 2013 143Weil U die Menge exp p (U) überlagert, kann man h s eindeutig liften zu einer Kurve ˜h s ⊂ U(Satz 17). Nach der Bemerkung im Anschluss zu Lemma II.34 ist L(h s ) = L(exp p ˜hs ) ≥L(exp p σ) = L(c), wobei > gilt, wenn h s nicht den Strahl σ reparametrisiert. □44. Vorlesung, Freitag 26.5.00Gegeben eine Geodätische c: [0, b] → M, definieren wir den Vektorraum{}V ⊥ (c) := V ∈ V (c) : V (t) ⊥ c ′ (t) ∀t, V (0) = V (b) = 0 .Konjugierte Punkte können wir durch die 2. Variation charakterisieren:Satz 38. Sei c: [0, b] → M eine Geodätische.(i) Enthält c keinen konjugierten Punkt, so ist δV,V 2 L(c) > 0 für alle V ∈ V⊥ (c) \ {0}.(ii) Enthält c einen konjugierten Punkt im Innern, so gibt es ein stetiges Vektorfeld Vlängs t, differenzierbar bis auf einen Punkt, mit V (0) = V (b) = 0 und V (t) ⊥ c ′ (t) ∀t, sodass δV,V 2 L(c) < 0.Nach (i) sind Geodätische ohne konjugierte Punkte kürzer als benachbarte differenzierbareKurven, denn c ist dann striktes lokales Minimum der Bogenlänge unter C 1 -nahen Kurvenγ ≠ c mit denselben Endpunkten, L(c) < L(γ). Beachte, dass (i) mit δV,V 2 L(c) ≥ 0 bereitsaus dem letzten Lemma folgt; es geht hier um die strikte Ungleichung.Der Satz sagt, dass die quadratische Form δV,V 2 L(c) positiv definit auf V⊥ c ist. Als Vorüberlegungfür den Beweis wollen wir diese quadratische Form bilinearisieren. Dann erhaltenwir die Indexform, definiert durch∫ b ( DI(V, W ) := gdt V, D )dt W − g ( R(V, c ′ )c ′ , W ) dt,wobei V, W Vektorfelder längs c sind mit V, W ⊥ c ′ . Dann ist0δ 2 V,V L(c) = I(V, V ) falls h s (t) = exp c(t) sV (t) oder V ∈ V ⊥ (c).Im Beweis benutzen wir zum einen I(V, W ) = I(W, V ), was aus den Symmetrien von Rfolgt. Zum anderen ergibt∫ b ( DI(V, W ) = gdt V, D )dt W − g ( R(V, c ′ )c ′ , W ) dt(48)0∫ bd( D)=0 dt g dt V, W( D)∣ ∣∣= gdt V, W b−0} {{ }=0, falls W ∈V ⊥ c∫ b0( D2− g)dt V, W − g ( R(V, c ′ )c ′ , W ) dt2()g V ′′ + R(V, c ′ )c ′ , W dt.} {{ }=0, falls V Jacobifeld


144 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriedie Charakterisierung:(49) I(V, W ) = 0 ∀W ∈ V ⊥ (c) ⇐⇒ V JacobifeldBeweis. (i) Sei V ∈ V ⊥ (c). Dann ist h s (t) = exp c(t) sV (t) eigentliche Variation mit VariationsvektorfeldV . Aus Lemma 26 folgt bereits δV,V 2 L(c) ≥ 0. Es reicht daher zu zeigen: IstδV,V 2 L(c) = 0, so folgt V ≡ 0. Für jedes a ∈ R und alle Vektorfelder W ∈ V⊥ (c) gilt0Lemma 26I(V,W )=I(W,V )≤ I(V − aW, V − aW ) = I(V, V ) −2aI(V, W ) + a 2 I(W, W ).} {{ }0Da die Ungleichung für alle a gilt, ist I(V, W ) = 0. Da dies wiederum für alle W gilt, istV nach (??) Jacobifeld. Da aber c keine konjugierten Punkte hat, ist V ≡ 0.(ii) Zeige: Ist τ ∈ (0, b) konjugiert zu 0 längs c, dann ist δV,V 2 L(c) = I(V, V ) < 0 für einV ≢ 0 mit V (0) = V (b) = 0. Wir konstruieren dazu ein Vektorfeld V (t) ⊥ c ′ (t), das bisauf den Punkt τ diff.bar ist, und δV,V 2 L(c) = ∫ b‖V ′ ‖ 2 + g(R(V, c ′ )c ′ , V ) dt < 0 erfüllt.0Weil τ konjugiert zu 0 ist, gibt es ein senkrechtes Jacobifeld J ≢ 0 mit J(0) = J(τ) = 0. Wirsetzen −J ′ (τ) durch Parallelverschiebung fort zu einem Feld X(t), das ebenfalls senkrechtzu c ′ ist. Sei weiter f : [0, b] → R mit f(0) = f(b) = 0, aber f(τ) = 1. Wir setzenY (t) := f(t)X(t) und betrachten für a ∈ RV (t) :={aY (t) + J(t) 0 ≤ t ≤ τ,aY (t) τ ≤ t ≤ b.Dann ist V (t) ⊥ c ′ (t) und V (0) = V (b) = 0. Das Vektorfeld V längs c ist diff.bar außer inτ, wo es stetig ist. Für h s (t) = exp c(t) sV (t) ergibt die 2. Variationsformel (27)∫ bδV,V 2 L(c) = a 2 ‖Y ′ ‖ 2 − g ( R(Y, c ′ )c ′ , Y ) dt0+ 2a∫ τ0g(J ′ , Y ′ ) − g ( R(J, c ′ )c ′ , Y ) dt +∫ τ0‖J ′ ‖ 2 − g ( R(J, c ′ )c ′ , J ) dt.Wenn wir nun die Indexform mit dem Integrationsintervall indizieren, erhalten wir weiterδV,V 2 L(c) = a 2 I [0,b] (Y, Y ) + 2aI [0,τ] (J, Y ) + 2a I [τ,b] (J, Y ) + I [0,τ] (J, J)} {{ } } {{ }=0 nach (??) ebenso =0(??)= a 2 I [0,b] (Y, Y ) + 2ag(J ′ , Y )| τ Y (τ)=−J ′ (τ)0 = a 2 I [0,b] (Y, Y ) − 2a‖J ′ (τ)‖ 2 .Für genügend klein gewähltes a > 0 ist daher0 > δ 2 V,V L(t).□


iii 7.3 – Stand: 14. Mai 2013 145Bemerkung. Weil C ∞ -Funktionen dicht in W 1,2 sind, approximieren sie das Integral δ 2 V,V L(t)der zweiten Variation beliebig gut. Daher existiert in (ii) sogar ein differenzierbares Feld V .Wir werden diese verschärfte Aussage aber nicht benötigen.Korollar 39. Es sei c: [0, b] → M eine Geodätische mit einem zu 0 konjugierten Punktτ ∈ (0, b). Dann gilt: Zu jeder offenen Umgebung U von c([0, b]) ⊂ M gibt es eine stückweisedifferenzierbare Kurve γ : [0, 1] → U mit γ(0) = c(0) und γ(1) = c(b) mit L(γ) < L(c).Damit erhalten wir die vollständige Antwort auf die Frage, welche Geodätischen Kürzestesind bezüglich nah benachbarter Vergleichskurven.Im Spezialfall einer eingebetteten Geodätischen sagt der nächste Satz folgendes: Besitztdie Geodätische keine konjugierten Punkte, so ist sie kürzer als alle kleinen Deformationendieser Kurve mit denselben Endpunkten. Im immersierten Fall, also wenn die Kurve einenDoppelpunkt hat, muss man mit dieser Aussage vorsichtig sein: Durch Abschneiden einerSchleife am Doppelpunkt verkürzt man natürlich die Kurve. Um diesen Fall beschreibenzu können, kann man z.B. den Begriff Deformation so fassen, dass er C 1 -nahe Kurven zuc in folgendem Sinne erfasst:Satz 40. Es sei c(t) = exp p (tu) mit [0, 1] parametrisierte Geodätische in M, wobei p ∈ M,u ∈ T p M.(i) Wenn c keinen zu 0 konjugierten Punkt t ∈ (0, 1) hat, so gibt es für jedes eigentlicheV ∈ V ⊥ (c) ein s 0 > 0, so dass für |s| < s 0 alle Kurven h s (t) := exp c(t) (u + sV ) mindestensdie Länge von c haben, L(h s ) ≥ L(c).(ii) Wenn c einen konjugierten Punkt besitzt, so gibt es in jeder Umgebung von c einestückweise differenzierbare Kurve ˜c mit L(˜c) < L(c).Beweis. (i) Wir betrachten die Variation h s (t) := exp c(t) (sV (t)). Wegen der Eigentlichkeitist δ V L(c) = 0 und nach Satz ??(i) ist δ 2 V,V L(c) ≥ 0. Also gibt es ein s, so dass L(h s) =L(c) + 1 2 s2 δ 2 V,V L(c) + O(s3 ) ≥ L(c).(ii) Wenn c einen konjugierten Punkt hat so liefert Satz ??(ii) ein Ṽ ∈ V⊥ (c) mit einerNicht-Differenzierbarkeitsstelle, so dass δṼ , ṼL(c) < 0. Wie zuvor folgt aus der Taylor-Entwicklung diesmal L(h s ) < L(c) für ein kleines s. Wir setzen γ := h s .□Beispiel. Für T n kann man sogar U = R n wählen (warum?). Konstruieren Sie ein Beispieleiner vollständigen Mannigfaltigkeit mit einer Geodätischen ohne konjugierte Punkte, fürdas man aber nicht U = R n wählen darf.7.3. Konjugierte Punkte unter Krümmungsschranken (99/00). Im Falle negativerKrümmung gilt:


146 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieLemma 41. Sei M vollständige Mannigfaltigkeit mit überall K p (σ) ≤ 0. Für jedes p ∈ Mist der konjugierte Ort leer, C(p) = ∅ und exp p : T p M → M lokaler Diffeomorphismus.Beweis. Sei c: [0, ∞) → M geodätisch und J ein Jacobifeld längs c mit J(0) = 0. Wirzeigen: Ist J(t) = 0 für ein weiteres t > 0, so folgt J ≡ 0. Also gibt es keine konjugiertenPunkte, und exp hat nach Satz 25 keine kritischen Punkte.Aus der Krümmungsschranke folgt1 d 22 dt 2 (‖J‖2 ) = d dt g(J ′ , J) = g(J ′ , J ′ ) + g(J ′′ , J) = ‖J ′ ‖ 2 − g ( R(J, c ′ )c ′ , J )( )= ‖J ′ ‖ 2 −K(J, c ′ ) ‖c ′ ‖ 2 ‖J‖ 2 − g(c ′ , J) 2 ≥ 0.} {{ } } {{ }≥0 n.V.≥0Also ist ‖J‖ 2 konvex. Da ‖J(0)‖ 2 = 0 und ‖J‖ 2 ≥ 0, folgt also aus ‖J(t)‖ 2 = 0 sogarJ| [0,t] ≡ 0. Insbesondere gilt 0 = J(0) = J ′ (0) und daher laut Lemma 19 sogar J ≡ 0. □Wir möchten noch eine Verallgemeinerung des Lemmas erwähnen. Dazu beachten wirdass bei konstanter positiver Krümmung die Sphäre S n 1/ √ folgende Eigenschaft hat: JedeκGeodätische hat bei Länge L = √ π κden ersten konjugierten Punkt. Im allgemeinen gibt esentsprechende Abschätzungen:Lemma 42. (i) Ist K p (σ) ≤ κ mit κ > 0, so ist jede Geodätische c der Länge L(c) < √ π κfrei von konjugierten Punkten.(ii) Ist 0 < λ ≤ K p (σ), so besitzt jede Geodätische c der Länge √ π λ≤ L(c) einen konjugiertenPunkt.Es gilt also:1. Für S n 1/ √ ist das Lemma scharf.κ2. Der erste konjugierte Punkt einer Geodätischen in einer Mannigfaltigkeit mit Krümmung0 < λ ≤ K p (σ) ≤ κ liegt also zwischen Länge √ π κund √ π λ(einschließlich).3. Lemma 28 ist Spezialfall von Teil (i).Beweis. (ii) Wir sehen uns den Beweis des Satzes 15 von Myers noch einmal an. Wir habennun die Krümmungsschranke K p (σ) ≥ 1 := λ. Wenn wir strikte Ungleichungen durch dasr 2Gleichheitszeichen ergänzen, liefert der Beweis folgendes. Für eine Geodätische c der LängeL := L(c) ≥ πr = √ π λgibt es ein Vektorfeld V ∈ Vc⊥ mit δV,V 2 L(c) ≤ 0. Nach Satz ??(i)enthält daher c einen konjugierten Punkt.(i) Sei c mit L(c) < √ π κgegeben. Wir zeigen: Für alle stückweise differenzierbaren VektorfelderV ∈ Vc⊥ längs c ist δV,V 2 L(c) > 0. Nach Satz ??(ii) zeigt dies zunächst, dass c


iii 7.4 – Stand: 14. Mai 2013 147im Innern frei von konjugierten Punkten ist. Wenden wir diesen Schluß an auf eine Fortsetzungder gegebenen Geodätischen, deren Länge weiterhin < π √ κist, so erhalten wir dieBehauptung.Wir wollen M mit S := S n 1/ √ vergleichen. Auf M betrachten wir längs der bogenlängenparametrisiertenGeodätischen c eine parallele ONB E 1 (t), . . . , E n−1 (t), E n (t) := c ′ (t), undκschreiben V (t) = ∑ i ξi (t)E i (t). Entsprechend sei ˜c bogenlängenparametrisierter Großkreisin S mit Länge L(˜c) = L(c), und Ẽ1(t), . . . , Ẽn−1(t), Ẽn(t) := ˜c ′ (t) eine parallele ONB. Nundefinieren wir Ṽ (t) := ∑ i ξi (t)Ẽi(t).Dann ist(∑‖V ‖ 2 M = g ξ i E i , ∑ijξ j E j)=n∑ 〈∑(ξ i ) 2 = ξ i Ẽ i , ∑iji=1ξ j Ẽ j〉S= ∥ ∥ Ṽ ∥ ∥ 2 S .Weiter folgt aus der Parallelität D V = ∑ dt i ( d dt ξi )E i bzw.dtṼ = ∑ i ( d dt ξi )Ẽi, wobeikovariante Ableitung auf S bezeichnet. Daher ist wie zuvor∥ D ∥ ∥∥dt V 2n∑ ( d) 2 ∥ ∥∥ ˜D=M dt ξi = ∥ 2dtṼ S.i=1Für die Variation h s (t) := exp c(t) sV (t) ergibt (27)δ 2 V,V L(c) =∫ L0K M ≤κ=K S≥∥ D ∥ ∥∥dt V 2∫ L0M− K M (V, c ′ )‖V ‖ 2 M dt∥ ˜D∥ 2 − K S (Ṽ dtṼ, ˜c′ )‖Ṽ ‖2 S dt = δ 2 LS Ṽ ,Ṽ S(˜c).˜D˜Ddt dieIn S hat ˜c mit Länge < √ π κaber keine konjugierte Punkte. Nach Satz ??(i) ist daher dergefundene Ausdruck > 0.□7.4. Satz von Cartan-Hadamard. Im Flächenfall wurde der folgende Satz bereits 1881von Mangoldt bewiesen und unabhängig davon von Hadamard 1898.Satz 43 (Cartan 1928). Sei M vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit mit K p (σ) ≤ 0für alle p ∈ M, σ ⊂ T p M Ebenen.(i) exp p : R n = T p M → M ist differenzierbare Überlagerung für jedes p ∈ M.(ii) Ist speziell M einfach zusammenhängend, so ist M diffeomorph zu R n .Beispiele. 1. Für den Torus T n ist exp p : R n → T n Überlagerung, sogar isometrisch.2. Für die in Satz 49 konstruierten hyperbolischen Flächen Σ g (mit Krümmung −1) ist H 2die isometrische Überlagerung. Das gleiche gilt für beliebige Quotienten von R n oder H nunter diskreten Gruppenoperationen.Der Beweis beruht auf folgendem Lemma:


148 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieLemma 44. Sei ϕ: (E, h) → (M, g) lokale Isometrie zusammenhängender RiemannscherMannigfaltigkeiten. Ist E vollständig, so ist ϕ eine isometrische Überlagerung. Insbesondereist auch M vollständig.Beweis. Wir zeigen zuerst: ϕ(E) ist vollständig. Dazu müssen wir zeigen, dass für jedesp ∈ ϕ(E) und jedes v in T p M die Geodätische c p,v von M auf ganz R definiert ist undin ϕ(E) liegt. Zunächst gibt es zu p ∈ ϕ(E) ein ˜p ∈ E mit ϕ(˜p) = p. Weiter ist dϕDiffeomorphismus und so existiert ṽ ∈ T˜p E mit dϕ(ṽ) = v. Weil E vollständig ist, existiertin E die Geodätische ˜c˜p,ṽ (t) für alle Zeiten t ∈ R. Das Bild dieser Geodätischen ist eineKurve c in ϕ(E). Weil ϕ lokale Isometrie ist, ist auch c geodätisch. Weiter hat c diegewünschten Anfangsbedingungen, c = c p,v , und die Behauptung ist gezeigt.Aus der Vollständigkeit von ϕ(E) folgt die Abgeschlossenheit von ϕ(E). Weiter ist ϕnatürlich lokaler Diffeomorphismus und daher ϕ(E) offen in M. Weil E nicht-leer ist undM zusammenhängend, folgt ϕ(E) = M, d.h. ϕ ist surjektiv.Sei p ∈ M und U(p) = exp p (B r ) = {q ∈ M : dist(p, q) < r} eine Umgebung, auf der expinjektiv ist, wobei r = r(p). Wir schreiben nun ϕ −1 (p) =: {p λ ∈ E : λ ∈ Λ} mit Λ ≠ ∅ undsetzenZu zeigen ist:(i) ϕ: U(p λ ) → U Diffeomorphismus;(ii) ϕ −1 (U) = ⋃ λ∈Λ U(p λ) und(iii) diese Vereinigung ist disjunkt.U(p λ ) := {q ∈ E : dist(p λ , q) < r}.(i) Wir betrachten die folgenden Abbildungen:T pλ E ⊃ B r (0)⏐⏐↓dϕT p M ⊃ B r (0)Wegen der Vollständigkeit von E ist exp pλexp pλ−−−→ U(pλ ) ⊂ E⏐ϕ↓exp p−−−→ U(p) ⊂ Mdefiniert (Korollar II.38).Wir behaupten zuerst, dass das Diagramm kommutiert. Dies folgt im wesentlichen daraus,dass radiale Geodätische aufeinander abgebildet werden. Genauer müssen wir zeigen:exp M p tdϕ(v) = ϕ(exp E p λtv)Weil die Exponentialabbildungen radial isometrisch sind und ϕ lokale Isometrie, wird einmit Einheitsgeschwindigkeit parametrisierter Strahl in B r (0) ⊂ E pλ in Richtung v aufbeiden Wegen des Diagramms auf eine mit Einheitsgeschwindigkeit parametrisierte radialeGeodätische in U(p) ⊂ M in Richtung dϕ(v) abgebildet.


iii 7.4 – Stand: 14. Mai 2013 149Wir behaupten nun, dass alle Abbildungen Diffeomorphismen sind. Der Satz von Hopf-Rinow zeigt, dass exp pλsurjektiv ist. Also ist diese Abbildung Diffeomorphismus. DieAbbildung exp p ist nach Annahme Diffeomorphismus und dϕ ist Diffeomorphismus, weilϕ lokale Isometrie ist. Wegen der Kommutativität ist damit auch ϕ = exp p ◦ dϕ ◦ exp −1p λDiffeomorphismus.(ii) Jeder Punkt q ∈ U(p λ ) wird mit p λ durch eine radiale Geodätische der Länge < rverbunden; also hat auch ϕ(q) Abstand < r zu p. Es ist also ⋃ U(p λ ) ⊂ ϕ −1 (U). Für dieumgekehrte Inklusion müssen wir zeigen, dass jedes q ∈ ϕ −1 (U) Distanz < r zu einem p λhat. Ohne Vollständigkeit würde dies nicht stimmen. Es gibt eine eindeutige bogenlängenparametrisierteradiale Kürzeste c: [0, L] → M von p nach ϕ(q) mit L := dist(p, ϕ(q)). Weilradiale Geodätische aufeinander abgebildet werden, liftet die Kürzeste zu einer Geodätischen˜c durch q, die ebenfalls radial ist, so dass ˜c ein p λ als den von q verschiedenenEndpunkt hat. Weil ϕ radial isometrisch ist, gilt dann dist(p λ , q) < r und daher q ∈ U(p λ ).(iii) Wenn die Vereinigung nicht disjunkt ist, so gibt es einen Punkt q ∈ E mit dist(q, p λ )


150 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrieπ 1 (M) = 0. Beispielsweise ist der Ursprung ein Pol für das Rotationsparaboloid, und tatsächlichist das Paraboloid diffeomorph zu R 2 .Die universelle Überlagerung von S n ist wieder S n , also nicht homöomoorph zu R n . Wir könnendaraus schließen:Korollar 45. S n , n ≥ 2, besitzt keine Metrik mit Krümmung K ≤ 0.7.5. Ausblick auf Sätze zu Topologie und Krümmung. Wir haben gesehen, dasssich Mannigfaltigkeiten je nach Krümmung ganz verschieden verhalten. Sind sie positivgekrümmt (genauer: von 0 weg beschränkt) so müssen sie kompakt sein (Myers) und ihreFundamentalgruppe ist endlich. Sind sie negativ gekrümmt (genauer: nicht-positiv), so istihre Überlagerung diffeomorph zu R n (Cartan).Es ist ein interessantes Problem, festzustellen, welche Gruppen auf Mannigfaltigkeiten operierenkönnen. Im Spezialfall von Raumformen ergibt Kor. ??:Satz 46. Sei M vollständige zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit mit konstanterKrümmung K ≡ −1, 0, oder 1. Dann ist M isometrisch zu ˜M/Γ, wobei ˜M fürH n , R n bzw. S n steht, und Γ = π 1 (M) diskrete Untergruppe der Isometriegruppe von M ist.Je nach dem Wert der Krümmung erhält man folgende Möglichkeiten:• K ≡ 0: Dies sind Tori oder andere Quotienten, die durch Division von R n durch einGitter Γ k := { ∑ ki=1 λ iv i : λ i ∈ R} entstehen.• K ≡ 1: In geraden Dimensionen sind die einzigen fixpunktfreien Isometrien von S ndie Inversionen, so dass in diesem Falle M entweder S n oder RP n sein muss. In ungeradenDimensionen muss man diejenigen endlichen Untergruppen von O(n) bestimmen, dieFundamentalgruppen sein können. J.A. Wolf hat dies geleistet, siehe sein Buch “Spaces ofconstant curvature” von 1967. Das einfachste nicht-triviale Beispiel ist S 3 : Die Linsenräume(siehe Übung 99) geben ein Beispiel für Quotientenräume von S 3 , es gibt aber noch weitereTypen.• K ≡ −1: Dieser Fall ist reichhaltiger und daher schwerer zu analysieren; man mussGitter in O + (n, 1) studieren. In Dimension n = 2 klassifiziert das Geschlecht die orientiertenFlächen bis auf Diffeomorphie. Für jedes Geschlecht g gibt der 6g − 6-dimensionaleTeichmüllerraum die verschiedenen Isometrietypen hyperbolischer Flächen an. In höhererDimension n ≥ 3 ändert dagegen jede Deformationen einer kompakten hyperbolischenMannigfaltigkeiten auch den Isometrie-Typ: Jeder Diffeomorphismus, der einen Isomorphismusder Fundamentalgruppe induziert, ist Isometrie (sogenannte Mostow-Rigidität,1968). Z.B. ist das Volumen einer 3-Mannigfaltigkeit allein durch den topologischen Typbestimmt. Eine explizite Klassifikation ist in allgemeiner Dimension bislang nicht gegebenworden.


iii 7.6 – Stand: 14. Mai 2013 151Im Falle nicht-konstanter Krümmung gibt es Uniformisierungssätze: Für Dimension 2 existiertje nach Geschlecht g = 0, 1, ≥ 2 eine Metrik mit konstanter Krümmung 1, 0, −1.Thurstons Geometrisierungsprogramm ist ein entsprechender Uniformisierungssatz in Dimensionn = 3. Man benötigt in diesem Fall eine Zerlegung in Mannigfaltigkeiten von achtverschiedenen Typen, die allesamt homogene 3-Mannigfaltigkeiten sind. Perelman hat denBeweis dazu geliefert (2003). Höhere Dimensionen sind nicht mit den gleichen Methodenbehandelbar.Es gibt viele weitere interessante Fragen und Entwicklungen in der Richtung Topologieund Geometrie. Eine besonders bekannte Aussage in dieser Richtung dürfte der Satz vonToponogov sein. Sei M vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit mit SchnittkrümmungK ≥ κ.Wir wollen geodätische Dreiecke in M mit solchen im Raum M(κ) konstanter Krümmungκ vergleichen, der ohne Beschränkung der Allgemeinheit zweidimensional sein darf. Seiendazu γ i : [0, 1] → M für i = 1, 2 zwei geodätische Strecken mit γ 1 (0) = γ 2 (0), die sich ineinem Winkel α schneiden. Diese Strecken seien kurz in folgendem Sinn: γ 1 muss minimierenund, sofern κ > 0, gelte L(γ 2 ) ≤ π/ √ κ. Dann hat die Vergleichskonfiguration vonGeodätischen c 1 , c 2 im Raum M 2 (κ) mit denselben Längen und Winkel einen kleinerenEndpunktsabstand,d M(γ1 (1), γ 2 (1) ) ≤ d M(κ)(c1 (1), c 2 (1) ) .Im Vergleichsraum mit der konstanten geringeren Krümmung ist die gegenüberliegendeSeite also länger; dies gilt insbesondere, wenn man zwei Räume konstanter Krümmungvergleicht. Beweise sind nicht ganz einfach und finden sich in [P, S.339ff] oder [CE, Ch.2].Der Satz von Toponogov gibt zum einen eine besonders einprägsame Interpretation derKrümmung. Seine Bedeutung liegt aber zum anderen darin, dass er es erlaubt, auch fürmetrische Räume Krümmungsschranken zu definieren: Wenn die genannte Abschätzungfür alle Dreiecke gilt, können wir einem metrischer Raum die Krümmung von mindestens κzuweisen. Ein metrischer Raum hat also positive Krümmung, wenn für beliebige (!) Dreieckedie gegenüberliegende Dreiecksseite stets kleiner ist als für ein euklidisches Dreieck.Beispielsweise hat ein Würfel in diesem Sinne positive Krümmung.7.6. Übungsaufgaben.Aufgabe 98 – Synge-Lemma:In dieser Aufgabe zeigen wir die folgende Aussage:


152 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz (Synge 1936). Sei M eine orientierbare Riemannsche Mannigfaltigkeit gerader Dimensionmit überall positiver Schnittkrümmung. Sei c: [a, b] → M geschlossene Geodätische (also nichtkonstant). Dann gibt es eine Variation h von c, so dass alle Kurven h s geschlossen sind, undL(h s ) < L(h 0 ) = L(c) für s ≠ 0.Gehen Sie wie folgt vor:a) Zeigen Sie, dass eine Matrix aus SO(m) mit m ungerade den Eigenwert 1 hat.b) Setzen Sie einen Vektor aus T c(a) M ⊥ := {X ∈ T p M : g(X, c ′ (a)) = 0} parallel zu einemgeschlossenen Vektorfeld V (t) fort.c) Berechnen Sie die ersten beiden Variationen.Aufgabe 99 – Linsenräume:Indem wir C 2 = R 4 identifizieren, wird S 3 = {(w, z) ∈ C 2 : w ¯w + z¯z = 1}. Für k ∈ N schreibenwir Z k = {ζ κ := e 2πiκ/k : 0 ≤ κ ≤ k − 1} als multiplikative Gruppe k-ter Einheitswurzeln in C.a) Z k operiert auf S 3 durch (w, z) ↦→ (wζ κ , zζ m κ ) eigentlich diskontinuierlich, und zwar für jedesm ∈ N, das teilerfremd zu k ist.b) Z k operiert durch Isometrien (oder auch orthogonal). Daher hat der Quotientenraum L(k, m) =S 3 /Z k mit Riemannscher Quotientenmetrik die konstante Krümmung +1. Warum ist π 1 (L(k, 1)) ≠0, wenn k ≥ 2?c) Finden Sie eine geschlossene Geodätische mit Länge 2π/k in L(k, 1).d) Bestimmen Sie r, so dass exp p : B r → L(k, 1) injektiv ist für alle p ∈ L(k, 1).Aufgabe 100 – Satz von Frankel:In dieser Aufgabe zeigen wir den folgenden Satz.Satz (Theodore Frankel, 1960). Sei M n kompakt mit positiver Schnittkrümmung und seien U k , V ltotal geodätische Untermannigfaltigkeiten von M mit k + l ≥ n. Dann schneiden sich U und Vin mindestens einem Punkt.Gehen Sie dazu wie folgt vor:a) Zeigen Sie, dass total geodätische Untermannigfaltigkeiten von kompakten Mannigfaltigkeitenselbst kompakt sind.b) Ist U ∩ V ≠ ∅, dann gibt es eine Kürzeste c zwischen U und V . Diese trifft beide Untermannigfaltigkeitensenkrecht.c) Die Parallelverschiebung T c(0) M → T c(1) M ist ein Isomorphismus.d) Benutzen Sie die Dimensionsvoraussetzung, um ein paralleles Vektorfeld P längs c mit P (0) ∈T c(0) U und P (1) ∈ T c(1) V zu finden.e) Untersuchen Sie die zweite Variation bezüglich P .


iii 7.6 – Stand: 14. Mai 2013 153Zusatz: Wenn M nicht kompakt ist, U und V aber schon – gilt der Satz dann auch noch?Bemerkung: Siehe [P, S.181] für eine Verallgemeinerung von B. Wilking (2003).Aufgabe 101 – Killing-Felder:Sei X ein Vektorfeld auf (M, g) und sei A ein (0, 2)-Tensor auf (M, g). Die Lie-Ableitung von Anach X ist wie bei Differentialformen definiert als(L X A)(V, W ) := ∂ X A(V, W ) − A([X, V ], W ) − A(V, [X, W ]).Ähnlich wie bei der Lie-Klammer zweier Vektorfelder lässt sich zeigen, dass1L X A = limt→0 t (ψ∗ t A − A)gilt, wobei ψ t den Fluss von X bezeichnet, der für geeignete t definiert ist.a) Zeigen Sie, dass ein Vektorfeld X genau dann L X g = 0 erfüllt, wenn der Fluss ψ t für jedes teine Isometrie ist. Ein solches Vektorfeld nennt man auch Killing-Vektorfeld Tipp: Zeigen Sie,dass die Ableitung der Funktion f : s ↦→ g(dψ s v, dψ s v) verschwindet.b) Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:(i) X ist ein Killing-Feld.(ii) Für alle Vektorfelder V, W auf M gilt ∂ X g(V, W ) = g([X, V ], W ) + g(V, [X, W ]).(iii) Es gilt g(∇ V X, W ) = −g(∇ W X, V ) für alle Vektorfelder V, W auf M, d.h. die AbbildungV ↦→ ∇ V X ist schiefsymmetrisch bezüglich g.c) Zeigen Sie, dass die Menge der Killing-Felder einer Mannigfaltigkeit M einen VektorraumK(M) bildet.d) Finden Sie eine Basis für K(R n ). Tipp: Fangen Sie mit R 2 an. Nach (a) müssen Sie nur dieIsometriegruppe kennen und die zugehörigen Flüsse betrachten.e) Sei M = T n der flache Torus. Finden Sie eine Basis von K(T n ). Tipp: Liften Sie Felder nachR n , denn dort kennen Sie sie bereits.Aufgabe 102 – Eindeutigkeit von Killing-Feldern:a) Sei X ein Killing-Feld auf M und sei c eine Geodätische in M. Zeigen Sie, dass die EinschränkungX ◦ c von X auf c ein Jacobifeld ist und dass g(X ◦ c, c ′ ) konstant entlang cist.b) Sei X ein Killing-Feld auf M und sei M zusammenhängend. Zeigen Sie, dass wenn X undV ↦→ ∇ V X beide in einem Punkt p ∈ M verschwinden, bereits X ≡ 0 folgt.Tipp: Zeigen Sie, dass die Menge A, auf der X verschwindet, offen und abgeschlossen ist.Betrachten Sie für die Offenheit einen normalen Ball um p.Aufgabe 103 – Satz von Bochner:Zeigen Sie den folgenden Satz:


154 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieSatz (Bochner, 1946). Sei M eine kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit mit negativer Ricci-Krümmung. Dann ist jedes Killing-Vektorfeld konstant 0.Gehen Sie dazu wie folgt vor:a) Nehmen Sie an, es existiere ein nicht-verschwindendes Killing-Feld X. Zeigen Sie, dass f :=12g(X, X) ein lokales Maximum annehmen muss.b) Zeigen Sie, dass grad f = −∇ X X gilt.c) Zeigen Sie, dass Hf(V, V ) = ‖∇ V X‖ 2 + g(R(X, V )X, V ) gilt.d) Verwenden Sie (ohne Beweis), dass in einem Maximum die Hesse-Matrix einer Funktion fnegativ semidefinit ist, um einen Widerspruch zu erhalten.Aufgabe 104 – Symmetrische Räume:Eine zusammenhängende Mannigfaltigkeit heißt symmetrisch, wenn es in jedem Punkt p ∈ Meine Isometrie ζ p : M → M gibt, so dass d(ζ p ) p = − id gilt.a) Finden Sie Beispiele für symmetrische Räume.b) Zeigen Sie, dass die globale Isometrie ζ p Geodätische durch p spiegelt: Für jede Geodätischemit c(0) = p gilt ζ p (c(s)) = c(−s).c) Zeigen Sie, dass symmetrische Räume vollständig sind.Aufgabe 105 – Transvektionen:Eine Isometrie ϕ: M → M heißt Transvektion entlang einer Geodätischen c, wenn ϕ(c(s)) =c(s + T ) für ein T und alle s gilt (also ϕ entlang c verschiebt) und dϕ die Parallelverschiebungentlang c ist.a) Finden Sie ein Beispiel für eine Transvektion auf S 2 .b) Sei M ein symmetrischer Raum, c eine Geodätische auf M und ζ s die globale Symmetrie vonM in c(s). Dann ist die Abbildung ζ T/2 ζ 0 für jedes T eine Transvektion entlang c, welche umT verschiebt.c) Zeigen Sie, dass jede nichtkonstante Geodätische in einem symmetrischen Raum entwederinjektiv oder einfach periodisch ist.Aufgabe 106 – Satz von Kobayashi:In dieser Aufgabe zeigen wir die folgende Aussage:Satz (Kobayashi 1962). Eine homogene Riemannsche Mannigfaltigkeit mit K ≤ 0 und Ric < 0ist einfach zusammenhängend.a) Finden Sie ein Beispiel einer homogenen Mannigfaltigkeit mit K ≤ 0 und Ric ≥ 0, die nichteinfach zusammenhängend ist.


Gehen Sie jetzt zum Beweis des Satzes wie folgt vor:iii 8.1 – Stand: 14. Mai 2013 155b) Zeigen Sie, dass jede maximale Geodätische in M injektiv oder periodisch ist. Sie dürfenbenutzen, dass man jeden Vektor X zu einem Killing-Vektorfeld fortsetzen kann.Tipp: Sie müssen nur zeigen, dass bei einer Geodätischen mit c(0) = c(b) auch c ′ (0) = c ′ (b)gilt (wieso?). Setzen Sie dazu c ′ (0) durch ein Killing-Vektorfeld längs c fort.c) Wenn M nicht einfach zusammenhängend ist, gibt es eine periodische Geodätische.d) M besitzt keine periodischen Geodätischen.Tipp: Wegen Ric < 0 gibt es einen Vektor X ∈ T c(0) M mit g(R(X, c ′ (0))c ′ (0), X) < 0. SetzenSie diesen zu einem Killing-Feld fort und berechnen Sie die zweite Ableitung der periodischenFunktion h(t) = g(X(c(t)), X(c(t))).8. Riemannsche UntermannigfaltigkeitenWir verallgemeinern in diesem Abschnitt die Flächentheorie. Statt R n+k betrachten wirnun eine umgebende semi-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M n+k , g).Definition. Eine semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeit M n mit Kodimension k ∈ Nin M n+k ist eine Untermannigfaltigkeit, so dass auch die auf M n induzierte Metrik semi-Riemannsch ist.Genauer seiι: M n → M n+keine Inklusion, die Einbettung ist. Wir unterstellen stets, dass die Metrik ι ∗ g auf Msemi-Riemannsch ist, also nicht-degeneriert von konstantem Index. Ein Beispiel ist dasHyperboloid-Modell des hyperbolischen Raums H n ⊂ R n+11 .Wir wollen in aller Regel die Inklusionsabbildung nicht ausschreiben:• Wir schreiben p statt ι(p), und M statt ι(M).• Wir identifizieren Tangentialvektoren v ∈ T p M mit ihren Bildern dι(v) ∈ T ι(p) M, undschreiben T p M statt dι p (T p M). Entsprechend schreiben wir V(M) statt dι(V(M)) für längsM = ι(M) definierte tangentiale Vektorfelder.• Wenn nötig, setzen wir Vektorfelder X ∈ V(M) lokal zu Vektorfeldern X fort, die aufoffenen Mengen bezüglich M definiert sind.Weil wir allein lokale Theorie betreiben, verallgemeinert sich alles, was wir tun, sinngemäßauf den Fall immersierter Mannigfaltigkeiten F : (M n , F ∗ g) → (M n+k , g) mit Metrik bzw.isometrischer Immersionen F : (M n , h) → (M n+k , g). In der Tat ist das Bild einer solchenMannigfaltigkeit nach Einschränkung auf geeignete offene Mengen U ⊂ M eine Einbettung,und F (U) ist Untermannigfaltigkeit von M.


156 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie8.1. Zweite Fundamentalform. Es seien ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang und R derKrümmungstensor von M, sowie entsprechend ∇ und R diese Größen für M. Wir untersuchennun die Frage, in welcher Beziehung ∇ zu ∇ und R zu R stehen, wenn man sie auftangentialen Vektorfeldern auswertet.Dazu zerlegen wir in Punkten p ∈ M das Tangentialbündel von M orthogonal inT p M = T p M ⊕ N p M ∼ = R n ⊕ R k .Wir haben dann differenzierbare orthogonale Projektionen, die wir für jedes p ∈ M definieren:⊤: T p M → T p M, ⊥: T p M → N p MWir bezeichnen Vektorfelder auf M, die Werte im Normalenbündel NM längs M annehmen,mit N (M). Für uns wird wichtig sein, dass für tangentiale Vektorfelder die Lie-Klammer unabhängig von der Fortsetzung ist und dass sie wiederum tangential ist:(50) X, Y ∈ V(M) ⇒ [X, Y ] = [X, Y ] ∈ V(M)Die Unabhängigkeit von der Fortsetzung folgt daraus, dass [X, Y ](p) bereits durch X(p)und Y (p) definiert ist. Die Tangentialität folgt daraus, dass Integralkurven von X und Ysicherlich innerhalb von M verlaufen. Also muss auch die Ableitung an Endpunktsvektorenvon Maschen wieder in M liegen, wenn wir die Sprechweise von Kapitel I.3.3 benutzen.Als Alternative füge ich noch einen Formelbeweis dieser Behauptung ein. Dazu sei allgemeinerϕ: M → ˜M. Dann heißen X ∈ V(M) und ˜X ∈ V( ˜M) ϕ-verwandt, wenn für alle p ∈ M gilt:dϕ p (X(p)) = ˜X(ϕ(p)) bzw. kurz dϕ X = ˜X ◦ ϕ.Lemma 47. Seien X, Y ∈ V(M) Vektorfelder, die ϕ-verwandt zu ˜X, Ỹ ∈ V( ˜M) sind. Dann istauch [X, Y ] ein ϕ-verwandtes Feld zu [ ˜X, Ỹ ], d.h. es gilt dϕ[X, Y ] = [ ˜X, Ỹ ] ◦ ϕ.Beweis. Zuerst stellen wir fest, dass die Identität ∂ X f = df(X) zusammen mit der Kettenregelergibt:(51) ∂ X (f ◦ ϕ) = d(f ◦ ϕ)(X) = df(dϕ(X)) = (df( ˜X)) ◦ ϕ = (∂ ˜Xf) ◦ ϕ für alle f ∈ D( ˜M)Für f ∈ D( ˜M) wenden wir nun (47) zweimal an:∂ X (∂ Y (f ◦ ϕ)) = ∂ X ((∂Ỹ f) ◦ ϕ)) = (∂ ˜X∂Ỹf) ◦ ϕ ⇒ ∂ [X,Y ] (f ◦ ϕ) = (∂ [ ˜X, Ỹ ] f) ◦ ϕAndererseits ist nach (47) auch ∂ [X,Y ] (f ◦ ϕ) = (∂ dϕ[X,Y ] f) ◦ ϕ. Durch Vergleich ergibt sich dieBehauptung.□Es folgt in unserer Situation dι[X, Y ] = [dιX, dιY ] ◦ ι bzw. [X, Y ] = [X, Y ].Längs M zerlegen wir ∇ X Y orthogonal und betrachten zuerst die Normalkomponente:


iii 8.1 – Stand: 14. Mai 2013 157Definition. Die (vektorwertige) zweite Fundamentalform der Untermannigfaltigkeit Mvon M istB : V(M) × V(M) → N (M), B(X, Y ) := ⊥(∇ X Y ).Lemma 48. Die zweite Fundamentalform ist(i) wohldefiniert (unabhängig von den benutzten Fortsetzungen),(ii) C ∞ (M)-bilinear,(iii) symmetrisch.Beweis. (iii)B(X, Y ) − B(Y, X) = ⊥(∇ X Y − ∇ Y X) ∇ symm.= ⊥([X, Y ]) (46)= 0(i),(ii) Nach Definition von B hängt X ↦→ B(X, Y ) nicht von der Fortsetzung X ab, unddiese Zuordnung ist D(M)-linear. Wegen Symmetrie gilt das genauso für Y ↦→ B(X, Y ). □Wir hatten für immersierte Untermannigfaltigkeiten M des R n+k die kovariante Ableitungals Tangentialanteil der euklidischen Richtungsableitung definiert. Bei Unterdrückung vondF in der Notation lautete diese Definition ∇ X Y := ⊤(∂ X Y ). Wir hatten dann festgestellt,dass dies genau der Levi-Civita-Zusammenhang von M ⊂ R n+k ist (Satz II.10). Das gleichestellen wir nun in der verallgemeinerten Situation fest:Satz 49. Sei ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang von (M, g). Dann wird der Levi-Civita-Zusammenhang ∇ von (M, ι ∗ g) gegeben durch(52) ∇ X Y = ⊤(∇ X Y ), X, Y ∈ V(M),wobei X, Y Fortsetzungen von X, Y sind.Beweis. Für die rechte Seite von (48) weisen wir die Eigenschaften nach, die den Levi-Civita-Zusammenhang ∇ nach Satz II.16 eindeutig bestimmen.• D(M)- bzw. R-Linearität: Weil die Tangentialprojektion D(M)-linear ist, werden dieseEigenschaften von ∇ ererbt.• Derivativität in Y . Sie folgt aus der Derivativität von ∇:⊤(∇ X fY ) = ⊤(∂ X f Y + ∇ X fY ) = ∂ X f Y + ⊤(∇ X fY ),∀ f ∈ D(M).• Symmetrie/Torsionsfreiheit:⊤(∇ X Y ) − ⊤(∇ Y X) ∇ symm.= ⊤([X, Y ]) (46)= [X, Y ]• Verträglichkeit mit der Metrik ι ∗ g. Für alle X, Y, Z ∈ V(M) giltXg(Y, Z) ∇ symm.= g(∇ X Y , Z) + g(Y, ∇ X Z) = g(⊤∇ X Y , Z) + g(Y, ⊤∇ X Z).


158 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAuf den Außenseiten dieser Gleichung können wir g durch ι ∗ g ersetzen.□Beispiel. Für die Sphäre M = S n ⊂ R n+1 und für das Hyperboloid-Modell M = H n ⊂ R n+1von H n gilt T p M = p ⊥ (siehe (46)). Es folgt(53) ∇ X Y (p) = ∂ X Y − 〈∂ X Y, p〉p.Korollar 50 (Gauß-Formel). Angewendet auf tangentiale Felder hat ∇ folgende orthogonaleZerlegung in Tangential- und Normalkomponente:(54) ∇ X Y = ∇ X Y + B(X, Y ) ∈ V(M) ⊕ N (M) für alle X, Y ∈ V(M).Insbesondere hängt ∇ X Y für tangentiale Felder nicht von der Fortsetzung von Y ab.Speziell kann man das Korollar auf Kurven anwenden. Ist c regulär, so erhält man dieZerlegung∇ c ′c ′ = ∇ c ′c ′ + B(c ′ , c ′ ).Wir erhalten daraus zwei Folgerungen:• Eine Kurve c in M ist genau dann eine Geodätische von M, wenn im umgebenden Raumder Beschleunigungsvektor ∇ c ′c ′ normal ist, denn nur dann verschwindet die Tangentialkomponenteder Gleichung.• Eine Geodätische c von M ist auch Geodätische von M genau dann, wenn B(c ′ , c ′ ) = 0.Aus der letzten Eigenschaft erhalten wir (vgle. Abschnitt 6.3):Satz 51. Eine semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeit M von M ist genau dann totalgeodätisch, wenn B ≡ 0 gilt.Beispiel. Wir betrachten die Sphäre M = S n ⊂ R n+1 oder das Hyperboloid-Modell M =H n ⊂ R n+1 des hyperbolischen Raums. Es sei V ⊂ R n+1 ein Unterraum der Dimension1 ≤ d ≤ n. Dann ist M d−1 := V d ∩ M n Untermannigfaltigkeit, z.B. ein sphärischer oderhyperbolischer Großkreis im Fall d = 2 (vgle. (44)). Für Vektorfelder an die Untermannigfaltigkeit,X, Y ∈ V(M), liegt ∂ X Y (p) im Unterraum V . Nach (49) liegt auch die kovarianteAbleitung in V . Also ist ⊥ ∇ X Y (p) = 0, d.h. es gilt B ≡ 0. In beiden Fällen ist also Mtotal geodätische Untermannigfaltigkeit. (Was ändert sich, wenn V ein affinen Unterraumist, der nicht die 0 enthält?)8.2. Gauß-Gleichung. Von nun an wollen wir bei Vektorfeldern die Kennzeichnung derFortsetzung weglassen und nicht mehr zwischen g und ι ∗ g unterscheiden.Lemma 52 (Weingarten-Formel). Seien X, Y ∈ V(M) und N ∈ N (M). Dann gilt auf Mbezüglich beliebiger Fortsetzungen dieser Felder(55) g ( ∇ X N, Y ) = −g ( N, B(X, Y ) )


Beweis.iii 8.3 – Stand: 14. Mai 2013 1590 = Xg(N, Y ) = g ( ∇ X N, Y ) + g ( N, ∇ X Y ) (50)= g ( ∇ X N, Y ) + g ( N, B(X, Y ) ) □Für das theorema egregium war die Gauß-Gleichung entscheidend. Sie verallgemeinert sichauf unsere Situation:Satz 53 (Gauß-Gleichung). Für tangentiale Vektorfelder X, Y, Z, W ∈ V(M) giltg ( R(X, Y )Z, W ) − g ( R(X, Y )Z, W ) = g ( B(X, Z), B(Y, W ) ) − g ( B(X, W ), B(Y, Z) ) .Beweis.g ( R(X, Y )Z, W ) = g ( ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z − ∇ [X,Y ] Z, W )(50)= g ( ∇ X (∇ Y Z + B(Y, Z)) − ∇ Y (∇ X Z + B(X, Z)) − ∇ [X,Y ] Z), W )Dabei haben wir beim Lie-Klammer-Term schon berücksichtigt, dass B normal ist undorthogonal auf W steht. Nun verwenden wir die Weingarten-Formel, um die beiden kovariantenAbleitungen von B zu ersetzen:g ( R(X, Y )Z, W ) = g ( ∇ X ∇ Y Z, W ) − g ( ∇ Y ∇ X Z, W ) − g ( ∇ [X,Y ] Z), W )− g ( B(Y, Z), B(X, W ) ) + g ( B(X, Z), B(Y, W ) )Wir wenden erneut (50) an. Weil W tangential ist, trägt aber nur der Tangentialanteil von∇ bei. Wir können daher ∇ durch ∇ ersetzen und die entstehenden Terme als KrümmungstensorR von M zusammenfassen. Dies liefert die Behauptung.□29. Vorlesung, Rosenmontag 11.2.13Wenn wir in der Gauß-Gleichung Z = Y und W = X setzen, erhalten wir nach Divisionim nicht-ausgearteten Fall folgende Beziehung der Schnittkrümmungen:(56) K(X, Y ) − K(X, Y ) = ‖B(X, Y )‖2 − g ( B(X, X), B(Y, Y ) ).‖X‖ 2 ‖Y ‖ 2 − g 2 (X, Y )8.3. Krümmungsgrößen für Hyperflächen. Wir betrachten in diesem Abschnitt ausschließlichsemi-Riemannsche Untermannigfaltigkeiten mit Kodimension 1, also ι: M n →M n+1 . In diesem Fall nennen wir M n eine Hyperfläche.Definition. Es sei N ∈ N (M) ein lokal definiertes Einheits-Normalenfeld einer Hyperfläche.Dann ist die Weingartenabbildung [shape operator]SX := −∇ X Nfür X ∈ V(M).Die Weingartenabbildung S gibt an, wie sich die Normale an M ändert, wenn man inRichtung X auf der Hyperfläche läuft. Wie in der klassischen Flächentheorie gilt:


160 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieLemma 54. (i) Die Weingartenabbildung SX ist tangential für alle X ∈ V(M), d.h.S ∈ T 1,1 (M).(ii) Es gilt(57) g ( SX, Y ) = g ( B(X, Y ), N ) für alle X, Y ∈ V(M)und die Weingartenabbildung ist selbstadjungiert.Die rechte Seite von (53) wird manchmal als (skalarwertige) zweite Fundamentalformb(X, Y ) von M bezeichnet.Beweis. (i) Dies folgt aus 0 = ∂ X g(N, N) = 2g(∇ X N, N).(ii) Die Weingartenformel (51) ergibt die Identität. Weil B nach Lemma 35 symmetrischist, folgt daraus die Selbstadjungiertheit.□Die Selbstadjungiertheit bedeutet, dass S diagonalisierbar ist. Es existiert also eine Orthonormalbasis(E i ) von T M sowie Zahlen λ i , so dass SE i = λ i E i .Definition. Die Gauß-Kronecker-Krümmung istund die mittlere Krümmung istdet S = λ 1 · . . . · λ n ,H = 1 n Spur S = 1 n (λ 1 + . . . + λ n ).Hyperflächen M mit H ≡ 0 heissen minimal.Beispiel. 1. Wir betrachten M = S n als Hyperfläche von M = S n+1 . Dabei sei S n+1 ⊂ R n+2und die n-Sphäre als Äquator z.B. bezüglich der Pole ±e n+2 definiert, alsoM := {p ∈ S n+1 : 〈p, e n+2 〉 = 0} ⊂ R n+1 × {0}.Offenbar ist N := e n+2 eine Einheitsnormale an M. Tatsächlich für alle p ∈ M ja nachDefinition N ∈ T p M ⇔ 〈p, N〉 = 0. Wegen der Konstanz von N sind wir im besonderseinfachen Fall S = ∇ X N ≡ 0. Also ist M = S n eine totUntermannigfaltigkeit von S n+1 dieGauß-Kronecker-Krümmung 0 und ebenso mittlere Krümmung 0. Letzteres gilt natürlichganz allgemein, wenn (wie hier) B ≡ 0 gilt, so dass M total geodätische Untermannigfaltigkeitvon M ist.2. Ebenso für M = H n Hyperfläche von M = H n+1 .Wir können (52) mit den Hauptkrümmungen λ i ausdrücken. Dazu verwenden wir B(X, Y ) =g(SX, Y )N, was aus (53) folgt. Das ergibt:(58) K(X, Y ) − K(X, Y ) = g2 (SX, Y ) − g(SX, X)g(SY, Y ).‖X‖ 2 ‖Y ‖ 2 − g 2 (X, Y )


iii 8.3 – Stand: 14. Mai 2013 161Verwendet man im Flächenfall n = 2 für X, Y eine Orthonormalbasis von Eigenvektoren,so ergibt sich in diesem Spezialfall(59) K(T p M) − K(p) = −λ 1 (p)λ 2 (p),wobei wir K für die intrinsisch definierte Gauß-Krümmung von M 2 geschrieben haben. Ingekrümmten 3-Mannigfaltigkeiten M 3 ist die Gauß-Krümmung vom Produkt der Hauptkrümmungenverschieden!Beispiel. Die Untermannigfaligkeit M = S 2 von M = S 3 erfüllt 1 − 1 = 0 · 0.Wir behandeln abschließend noch ein Beispiel einer Riemannschen Untermannigfaltigkeit,die nicht total geodätisch ist.Beispiel. Es sei M n eine Horosphäre des hyperbolischen Raums M n+1 = H n+1 . Eine einfacheArt M n darzustellen ist als Ebene im oberen Halbraummodell,M = {p ∈ U n+1 : p n+1 = 1}.Weil die Metrik g = 〈., .〉/p 2 n+1 von U n+1 eingeschränkt auf M gerade die Standardmetrikist, ist eine Horosphäre flach, sie hat also K ≡ 0. Nun bestimmen wir S, ohne aufChristoffel-Symbole zurückzugreifen. Längs M ist N = e n+1 eine Einheitsnormale. Unsinteressiert Sv = −∇ v N für (horizontales) v ∈ T p M. Dazu betrachten wir zuerst denSpezialfall n = 2. Dann gilt ∇ e1 e 1 = e 2 = N, denn wir hatten in einer Übung ja κ = 1für die Kurve t ↦→ c(t) = (t, 1) ∈ U 2 festgestellt. (Eine andere Art, dies ohne Berechnenvon Christoffel-Symbolen festzustellen, ist zu bestätigen, dass der Einheitshalbkreis eineGeodätische ist, deren parallele Tangente in (0, 1) gerade euklidisch mit Einheitsgeschwindigkeitin Richtung auf −N rotiert. Also rotiert die euklidisch konstante Tangente an c(t)mit Einheitsgeschwindigkeit in Richtung auf +N.) Weil die 90 ◦ -Drehung J parallel ist, giltdann auch∇ e1 e 2 = ∇ e1 (Je 1 ) = J ∇ e1 e 1 = Je 2 = −e 1 ,bzw. Se 1 = e 1 . Nun kann man aber U 2 als total geodätische Untermannigfaltigkeit von U nauffassen, und daher gilt Sv = v für jeden horizontalen Einheitsvektor v. Also sind alleEigenwerte 1. Daher ergibt (55) gerade −1 − 0 = −1. Beachten Sie, dass sich die flacheUntermannigfaltigkeit M in Richtung N krümmt, wenn wir sie mit einer total geodätischenUntermannigfaltigkeit vergleichen (hier wäre das eine euklidische Hemisphäre). Essei bemerkt, dass wie in der klassischen Differentialgeometrie die Hauptkrümmungen alsquadratische Terme einer Normalform auftauchen.Bemerkung. Die hier dargestellte Theorie für Hyperflächen kann man auf den Fall höhererKodimension verallgemeinern. In diesem Fall betrachtet man ein beliebiges EinheitsnormalenfeldN ∈ N (M). Relativ dazu ist die Weingartenabbildung S N (X) := −∇ X N definiert;


162 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriefür jede Wahl von N ist S N selbstadjungiert. Allerdings hängen nun die Hauptkrümmungsrichtungenvon der Wahl von N ab, ebenso det S N und H N . Man kann Minimalität nochdefinieren als das Verschwinden von H N für alle Wahlen von N. (Siehe [dC], Kap.6, fürweitere Informationen und Literaturangaben.)30. Vorlesung, Mittwoch 13.2.138.4. Codazzi-Gleichung für Hyperflächen. Die klassische Formel für die Codazzi-Mainardi-Gleichungen enthält erste Ableitungen der zweiten Fundamentalform b. Auchhier wollen wir zunächst die skalarwertige zweite Fundamentalform betrachten,b(X, Y ) = g ( B(X, Y ), N ) = g(SX, Y ) ⇔ B(X, Y ) = b(X, Y )N,die bezüglich der Wahl einer Einheitsnormale N gegeben ist.Satz 55. Sei M eine Hyperfläche in M mit lokal definiertem Einheits-Normalenfeld N.Dann gilt(60) g ( R(X, Y )Z, N ) = (∇ X b)(Y, Z) − (∇ Y b)(X, Z) für alle X, Y, Z ∈ V(M).Auf der rechten Seite von (56) stehen Tensorableitungen, wie wir sie (18) definiert hatten:(∇ X b)(Y, Z) = ∂ X b(Y, Z) − b(∇ X Y, Z) − b(Y, ∇ X Z)−(∇ Y b)(X, Z) = −∂ Y b(X, Z) + b(∇ Y X, Z) + b(X, ∇ Y Z)Beweis. Um die linke Seite von (56) zu berechnen, beachten wirDaraus ergibt sich⊥∇ X ∇ Y Z = B(X, ∇ Y Z) + ⊥∇ X B(Y, Z)⊥R(X, Y )Z = B(X, ∇ Y Z) + ⊥∇ X (B(Y, Z)) − B(Y, ∇ X Z) + ⊥∇ Y (B(X, Z)) − B([X, Y ], Z)Um die beiden Terme mit kovarianten Ableitungen von B umzuformen, beachten wir∇ X (B(Y, Z)) = ∇ X(b(Y, Z)N)= ∂X b(Y, Z) N + b(Y, Z) ∇ X N,so dass wegen der Tangentialität von ∇ X N folgt:g ( ∇ X (B(Y, Z)), N ) = ∂ X b(Y, Z)Es ergeben sich insgesamt genau die behaupteten Terme rechten Seite von (56):g ( R(X, Y )Z, N ) = b(X, ∇ Y Z) + ∂ X b(Y, Z) − b(Y, ∇ X Z) + ∂ Y b(X, Z) − b([X, Y ], Z). □Im Falle konstanter Krümmung sehen die Codazzi-Gleichungen für alle Werte der Krümmunggleich aus:


iii 8.5 – Stand: 14. Mai 2013 163Korollar 56. Falls die Mannigfaltigkeit M konstante Krümmung hat, gilt für die HyperflächeM(61) (∇ X S)Y = (∇ Y S)X für alle X, Y ∈ V(M).Beweis. Die Formel (9) für R bei konstanter Krümmung zeigt, dass R in diesem Falltangential an M ist, also ⊥R(X, Y )Z = 0. Damit verschwindet die linke Seite von (56).Die rechte Seite haben wir mit (22) umgeformt.□Benutzen wir (23), so können wir für (57) auch ∇ X (SY ) − ∇ Y (SX) − S ( [X, Y ] ) = 0schreiben.Wir möchten noch eine besonders elegante Schreibweise der Codazzi-Gleichungen in einerRaumform angeben. Ist ω eine 1-Form, so spezialisiert sich die Formel für das Differentialauf dω(X, Y ) = ∂ X (ω(Y )) − ∂ Y (ω(X)) − ω([X, Y ]), siehe Vorlesung Mannigfaltigkeiten. IstM zusätzlich Riemannsch, so kann man aber auch mit kovarianten Ableitungen schreiben(62) dω(X, Y ) = (∇ X ω)Y − (∇ Y ω)X.Da beide Seiten dieser Formel schiefe (2, 0)-Tensoren sind, beweist man sie am einfachsten,indem man sie für Koordinatenfelder nachprüft: Man muss dazu nur überprüfen, dass sie fürω = f e k , X = e i , Y = e j gilt. Während eine 1-Form Werte in R annimmt, betrachten wirnun den Fall von vektorwertigen Formen, d.h. von (1, 1)-Tensoren. In diesem Fall machenwir (58) einfach zur Definition. Damit wird (57) äquivalent zudS = 0.8.5. Hauptsatz der Flächentheorie. Falls die umgebende Mannigfaltigkeit konstanteSchnittkrümmung besitzt, so haben die Gleichungen von Gauß und Codazzi die Bedeutungvon Integrabilitätsbedingungen für Hyperflächen, d.h. der Hauptsatz der Flächentheorieverallgemeinert sich:Satz 57. Es sei M n+1 eine Raumform, also vollständig, zusammenhängend und mit konstanterKrümmung κ. Weiter sei M n einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit mitRiemannscher Metrik g, Levi-Civita-Zusammenhang ∇ und Krümmungstensor R. Genügteine symmetrische Fundamentalform B bzw. b den Gleichungen von Gauß und Codazzi, soexistiert eine isometrische Immersion von M nach M mit der gegebenen zweiten Fundamentalform,eindeutig bis auf Isometrie von M.Spivak gibt einen langen Beweis in Band IV, Chapter 7, Theorem 20. Beweise, die dieEinbettung von S n oder H n nach R n+1 benutzen, sind viel direkter und kürzer (sieheAufgabe 14 bei Spivak hinter dem genannten Kapitel).


164 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieIch möchte noch eine Anwendung dieses Satzes angeben, die den Bogen zu Minimalflächenund zu meiner eigenen Arbeit schlägt:Satz 58 (Lawson 1970). Sei M 2 einfach zusammenhängende 2-Mannigfaltigkeit. Dannexistiert eine minimale Immersion f : M → S 3 mit Weingartenabbildung S genau dann,wenn eine isometrische Immersion ˜f : M → R 3 mit mittlerer Krümmung H ≡ 1 existiertund ˜S = JS + id.Hierbei ist J die 90 ◦ -Drehung bezüglich der Metrik g, die von den isometrischen Immersionenf oder ˜f induziert wird, also Je 1 = e 2 und Je 2 = −e 1 für einen ONB.Beispiel. 1. S 2 ist einmal Minimalfläche in S 3 und zum anderen Fläche konstanter mittlererKrümmung 1 in R 3 .2. Der Clifford-Torus (siehe Übung 111) ist minimale Immersion von R 2 nach S 3 ; der Satzliefert dann den Zylinder vom Radius 1/2 als Immersion mit H = 1 in R 3 . Beachten Sie, dassman nicht Torus oder Zylinder für M wählen darf, weil sie nicht einfach zusammenhängendsind; die Schließung beider Flächen ist gewissermaßen zufällig.Beweis. Wenn f existiert, sind die Gleichungen von Gauß und Codazzi in S 3 erfüllt. Wirweisen nun diese Gleichungen für ˜f in R 3 nach, und umgekehrt.Wir nehmen dazu an, dass wir einen Punkt p ∈ M betrachten, und zwei Einheitsvektorene 1 , e 2 ∈ T p M wählen, die Hauptkrümmungsrichtungen für f sind. Weil f minimal ist,lauten die Weingartenabbildungen in dieser Basis dann in jedem p ∈ MS =(λ 00 −λ)( ) (0 −1und ˜S = JS + id =1 0λ 00 −λ)+(1 00 1)=(1 λλ 1Man sieht zunächst, dass ˜S mittlere Krümmung 1 hat, wir lassen den analogen Beweis derUmkehrung als Übung.Die isometrischen Flächen besitzen im Punkt p dieselbe intrinsische Gauß-Krümmung K =K(p). Daher lauten die beiden Gauß-Gleichungen1 − K = λ 2 für f laut (55) und 0 − K = λ 2 − 1 für ˜f laut (54).Diese beiden Gleichungen sind äquivalent!Das gleiche zeigen wir nun für die Codazzi-Gleichungen, die wir in der Form ∇ X (SY ) −∇ Y (SX) − S ( [X, Y ] ) = 0 benutzen. Es reicht, Felder zu betrachten, die [X, Y ] = 0 imbetrachteten Punkt p erfüllen. Wir müssen dann zeigen ∇ X (SY ) = ∇ Y (SX) ist äquivalentzu der entsprechenden Gleichung für ˜S. Wegen der Parallelität von J (Übung) ist aber∇ X ( ˜SY ) = ∇ X ((JS + id)Y ) = ∇ X (JSY ) + ∇ X Y = J∇ X (SY ) + ∇ X Y.)Wieder sind die beiden Gleichungen äquivalent!□


iii 8.7 – Stand: 14. Mai 2013 165In jüngster Zeit sind durch B. Daniel auch Integrabilitätsbedinungen für Flächen in homogenen3-Mannigfaltigkeiten angegeben worden. In jedem Punkt dieser Räume ist dieSchnittkrümmung nicht konstant, sie stimmt aber in verschiedenen Punkten überein. DerHauptsatz der Flächentheorie gilt auch noch in dieser Sitatuation, und sogar der Satz vonLawson besitzt eine Verallgemeinerung.8.6. Höhere Kodimension. Die dargestellte Theorie kann auf den Fall von höherer Kodimensionk ≥ 1 erweitert werden. Die Gauß-Gleichungen enthalten g(R(X, Y )Z, W ) für viertangentiale Felder; die Codazzi-Gleichungen enthalten g(R(X, Y )Z, N) für drei tangentialeund ein normales Vektorfeld. Im Falle der höheren Kodimension treten zu diesen Gleichungendie Ricci-Gleichungen hinzu, die g(R(X, Y )N 1 , N 2 ) für zwei tangentiale VektorfelderX, Y ∈ V(M) und zwei normale N 1 , N 2 ∈ N (M) bestimmen. Wegen der Symmetrien von Rist es unwesentlich, an welcher Stelle diese Einträge stehen. Im Falle konstanter Krümmungder umgebenden Mannigfaltigkeit sind die drei Gleichungen von Gauß, Codazzi und Ricciwiederum (alle) Integrabilitätsbedingungen. Siehe [dC], Kapitel 6, für die Darstellung derGleichungen im Falle höherer Kodimension.Bei Kodimension k ist die verallgemeinerte Theorie konzeptionell interessant, weil sie dask-dimensionale Normalenbündel systematisch betrachten muss. Auf dem Normalenbündelführt man durch Projektion ebenfalls einen Zusammenhang ein:∇ N X N := ⊥∇ X N,X ∈ V(M), N ∈ N (M).Das Normalenbündel hat ebenfalls einen Krümmungstensor:R N (X, Y )N := ∇ N X ∇ N Y N − ∇ N Y ∇ N X N − ∇ N [X,Y ]N,X, Y ∈ V(M), N ∈ N (M),der die Ortsabhängigkeit der Parallelverschiebung im Normalenbündel misst: Ist R N ≡ 0,so kann man lokal eine parallele Orthonormalbasis des Normalenbündels finden. (Siehe [dC,Kapitel 6] oder [Spivak IV, Chapter 7].) Dies führt auf den allgemeineren Begriff von Zusammenhängenin Vektorbündeln über einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit (siehe z.B.[Lee], S.49). Sie verallgemeinert unsere Theorie des Zusammenhangs im Tangentialbündel.8.7. Übungsaufgaben.Aufgabe 107 – Semi-Riemannsche Hyperflächen:Eine semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeit M n ⊂ M n+k in einer semi-Riemannschen Mannigfaltigkeitist eine semi-Riemannsche Untermannigfaltigkeit, auf der die eingeschränkte Metriknicht-degeneriert ist und konstanten Index hat.a) Zeigen Sie, dass ein Unterraum W eines Vektorraums V genau dann nicht-degeneriert ist,wenn V die direkte Summe von W und W ⊥ ist. Folgern Sie, dass der Normalraum einersemi-Riemannschen Untermannigfaltigkeit nicht-degeneriert ist.


166 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrieb) Der Ko-Index co-ind von M ist der Index von g, eingeschränkt auf N p M. Zeigen Sie, dass derKo-Index nicht vom Punkt abhängt und dass ind(M) = ind(M) + co-ind(M) gilt.c) Welche der folgenden Sätze und Definitionen bleiben erhalten, wenn wir semi-RiemannscheUntermannigfaltigkeiten betrachten?• Definition der 2. Fundamentalform• induzierter Levi-Civita-Zusammenhang• Gauß-Gleichung• Codazzi-Gleichungd) Sei f : M → R und c ∈ f(M). Unter welchen Voraussetzungen ist M := f −1 (c) eine semi-Riemannsche Hyperfläche in M?e) Das Vorzeichen ε einer Hyperfläche M sei 1, falls co-ind(M) = 0 gilt; es ist −1, falls co-ind(M) =1 gilt.Finden Sie ein Einheitsnormalenfeld auf M = f −1 (c). Was ist das Vorzeichen von M?Aufgabe 108 – Nabelpunkte:Sei M ⊂ M eine semi-Riemannsche Hyperfläche mit lokal definiertem Einheitsnormalenfeld Nund Weingartenabbildung S.a) Ein Punkt p ∈ M heißt Nabelpunkt, wenn es ein Z ∈ N p M gibt, so dass B(V, W ) = g(V, W )Zfür alle V, W ∈ T p M gilt. Zeigen Sie, dass in der Sphäre M = S n (R) vom Radius R in M =R n+1 jeder Punkt ein Nabelpunkt ist. Berechnen Sie das mittlere Krümmungsfeld (c 12 B)/nvon S n (R).b) Zeigen Sie, dass M genau dann nur aus Nabelpunkten besteht, wenn S = k N · id mit einerFunktion k N : M → R gilt. Warum gilt k −N = −k N ?Die Funktion k N heißt Normalkrümmung von M bezüglich N.c) Sei M zusammenhängend mit Dimension mindestens 2. Wir nehmen an, dass M nur ausNabelpunkten besteht und dass M konstante Krümmung K hat. Zeigen Sie, dass die Normalkrümmungk N von M konstant ist und dass M konstante Krümmung K + εk 2 N hat.Tipp: Setzen Sie in p linear unabhängige Vektorfelder V, W in die Codazzi-Gleichung ein.Danach hilft die Gauß-Gleichung.Aufgabe 109 – Total geodätische Untermannigfaltigkeiten:a) Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen für eine Riemannsche Untermannigfaltigkeit M ⊂ Mäquivalent sind:(i) M ist total geodätisch in M.(ii) Die zweite Fundamentalform B von M in M verschwindet.b) Warum stimmt die Schnittkrümmung einer total geodätischen Untermannigfaltigkeit mit derSchnittkrümmung der umgebenden Mannigfaltigkeit überein?c) Zeigen Sie, dass total geodätische Untermannigfaltigkeiten nur aus Nabelpunkten bestehen.


iii 8.7 – Stand: 14. Mai 2013 167d) Zeigen Sie, dass eine flache Hyperfläche in R n ν , die nur aus Nabelpunkten besteht, totalgeodätisch ist.e) Sei σ ⊂ T p M ein Unterraum der Dimension zwei, sei B ein offener Ball in T p M, auf dem exp pein Diffeomorphismus ist und sei S = exp p (B ∩ σ). Was beschreibt S anschaulich? Zeigen Sie,dassK S (p) = K p (σ)gilt. Hier ist K S die Gauß-Krümmung der zweidimensionalen Fläche S.Aufgabe 110 – Codazzi-Gleichungen:Formulieren Sie die Codazzi-Gleichungen (56) einer allgemeinen Hyperfläche als eine Gleichungfür die Weingartenabbildung S.Aufgabe 111 – Clifford-Torus:Wir betrachten in M := S 3 die Untermannigfaltigkeit M, die Bild der folgenden Abbildung ist:f : R 2 → S 3 , f(x, y) := 1 √2(cos x, sin x, cos y, sin y)a) Bestätigen Sie: f ist Immersion und das Bild von M ist ein Torus.b) M hat Schnitt- bzw. Gaußkrümmung K ≡ 0 und M ist homogen.c) Finden Sie ein Einheitsnormalenfeld N an M. Geben Sie die Weingartenabbildung S an. Wassind die Hauptkrümmungen λ 1 , λ 2 ? Folgern Sie: Die Gauß-Gleichung gilt, M ist minimal, abernicht isotrop.d) Überlegen Sie, warum t ↦→ f(t, t) und t ↦→ f(t, −t) Asymptotenlinien sind. Folgern Sie daraus,dass M minimal ist, ohne die vorherige Rechnung zu benutzen.e) Zeigen Sie, dass der Clifford-Torus auf zwei verschiedene Weisen durch Großkreise geblättertwird. Zusatz: Folgern Sie, dass es Rotationstori in R 3 gibt, die durch vier Scharen von Kreisengeblättert werden.f) Eine gute geometrische Beschreibung des Clifford-Torus ist: Dies ist die Menge, die Abstandπ/4 von einem Großkreis hat. Verifizieren Sie diese Beschreibung, und zeigen Sie, dass es sogarzwei derartige Großkreise gibt.Anmerkung: Die Lawson-Vermutung besagt, dass der Clifford-Torus der einzige Torus in S 3 ist,der minimal und eingebettet ist. Die Vermutung wurde 2012 von Simon Brendle bewiesen.


168 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieTeil 4. Weitere Themen (99/00)47. Vorlesung, Freitag 9.6.001. Schnittort und InjektivitätsradiusWelche Geodätische sind Kürzeste? Wie wir in Satz III.27 gesehen haben, ist eine Geodätischekürzer als alle nah benachbarten Kurven, genau dann, wenn sie keine konjugiertenPunkte im Innern enthält. Nun untersuchen wir Kürzeste als globale Minima der Distanz.Weil die besten Resultate in dieser Richtung umfangreiche Beweise erfordern, beschränkenwir uns hier darauf, mit vergleichsweise einfachen Mitteln eine nicht optimale Abschätzungzu erzielen.1.1. Schnittpunkte und -ort.Definition. Sei M vollständig und c : [0, ∞) → M geodätischer Strahl durch p = c(0)(bogenl.par.).(i) q = c(τ) heißt Schnittpunkt von p längs c, wenn τ = sup{t ∈ [0, ∞) | dist ( p, c(t) ) = t}.(ii) Die Vereinigung der Schnittpunkte von p über sämtliche Geodätische durch p heißtSchnittort S(p) bzgl. p.Beispiele. 1. S n hat S(p) = {−p}, es ist damit S(p) = C(p).2. T n = R n /Z n : S(p) ist die Menge von Punkten mit wenigstens einer Koordinate 1/2,dagegen ist C(p) = ∅.3. Zylinder: S(p) gegenüberliegende Gerade, C(p) = ∅.4. Ellipsoid: Dieser Fall ist kompliziert, siehe [Spivak IV, p.365].Wenn q = c(τ) Schnittpunkt von p ist, so ist c| [0,τ] noch Kürzeste: Wäre dist(p, q) = τ − δmit δ > 0, so wäre auch dist ( p, c(τ − δ 3 )) ≤ dist(p, q)+dist ( q, c(τ − δ 3 )) ≤ τ −δ + δ 3 < τ − δ 3 ,Widerspruch.In RP n erreicht eine Geodätische im Abstand π/2 ihren Schnittpunkt, im Abstand π denersten konjugierten Punkt. Ganz allgemein liegen Schnittpunkte vor konjugierten Punkten:Lemma 1. Ist c(σ) konjugiert zu p = c(0), so existiert ein Schnittpunkt c(τ) von p mit0 < τ ≤ σ.Beweis. Nach Satz III.27 ist für jedes ε > 0 die Geodätische c: [0, σ + ε] → M nichtKürzeste. Daher ist τ ≤ σ.□Lemma 2. Ist q = c(τ) Schnittpunkt von p = c(0) längs c, dann(i) ist c(τ) erster konjugierter Punkt zu p längs c, oder(ii) eine weitere Geodätische γ ≠ c von p nach q existiert mit L(γ) = L(c).


iv 1.2 – Stand: 14. Mai 2013 169Dabei soll γ ≠ c bedeuten, daß die eine Kurve nicht die andere reparametrisiert.In S n tritt (i) und (ii) zugleich auf. Bei RP n oder Zylinder trifft nur (ii) ein.Beweis. Da dist(c(0), c(t)) < t für t > τ ist, so gibt es für jedes i ∈ N eine bogenl.par.Kürzeste c ≠ γ i : [0, τ i ] → M von p nach c(τ + 1 ). Dabei isti(1) τ − 1 i ≤ τ i < τ + 1 i ,denn c| [0,τ] ist Kürzeste (s.o.), und daher kürzer als die Zusammensetzung von γ i mit c [τ,τ+1i ];weiter ist γ i kürzer als c| [0,τ+1/i] .Sei v i := γ ′ i(0) ∈ S n ⊂ T p M. Die Menge (v i ) i∈N ist beschränkt und daher konvergiert eineTeilfolge gegen v ∈ T p M mit ‖v‖ = 1. Für γ(t) := exp p tv (bogenl.par.) istγ(τ) = exp p (τv) (1)exp stetig= exp p ( lim (τ i v i )) = lim exp p (τ i v i )i→∞ i→∞= limi→∞γ i (τ i ) = limi→∞c(τ + 1 i ) = c(τ).Weil aber τ = dist(p, q) ist (s.o.), so ist daher auch γ Kürzeste auf [0, τ], also L(γ) = L(c).Entweder ist γ ≠ c und (ii) gilt oder γ = c und daher v = γ ′ (0) = c ′ (0). In diesem Fallzeigen wir d exp p ist singulär in τv, d.h. (i) gilt. Wäre d exp p regulär, so gäbe es nachdem Umkehrsatz eine Umgebung U(τv) ⊂ T p M, so daß exp p : U(τv) → M injektiv wäre.Andererseits ist( 1) ( 1) exp p τ + v = c τ + = γi (τ i ) = expiip τ i v i .Wegen (1) ist ‖(τ + 1 i )c′ (0)‖ ≠ ‖τ i v i ‖ und daher (τ + 1 i )c′ (0) ≠ τ i v i . Wegen (1) und v i → vliegen aber (τ + 1)v, τ i iv i ∈ U(τv) für i groß. Also ist exp p in keiner Umgebung von τvinjektiv und daher hat c tatsächlich einen konjugierten Punkt in τ.□Satz 3. Ist M vollständig und q ∈ M − S(p), so gibt es eine eindeutige Kürzeste von pnach q.Daher gibt die Distanz von p zu S(p) gerade den Radius des maximalen Balles an, auf demexp injektiv ist.Beweis. Die Existenz einer Kürzesten folgt aus dem Satz von Hopf-Rinow. Gäbe es zweiverschiedene Kürzeste, so folgt aus dem Eindeutigkeitssatz für Geodätische, daß sie in qeinen Winkel ungleich 0 einschließen. Setzt man also eine der beiden Geodätischen überq hinaus fort, so erhält man für jeden Punkt hinter q zwei verbindende Kurven gleicherLänge, von denen die eine einen Knick besitzt. Nach dem Regularitätssatz Satz II.30 istdie entsprechende Kurve keine Kürzeste. Also minimiert die Fortsetzung der Geodätischendie Länge nicht mehr; q muß daher im Schnittort von p liegen.□


170 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie1.2. Stetigkeit des Schnittpunktsabstands. Es sei SM := {(p, v) ∈ T M | ‖v‖ = 1};SM heißt Sphärenbündel. Wir definieren weiter f : SM → R + ∪ ∞, indem wir setzen:f(p, v) = τ, wenn c(τ) Schnittpunkt der Geod. c: [0, ∞) → M durch c(0) = p mit c ′ (0) = vist, bzw. f(p, v) = ∞, wenn c keinen Schnittpunkt hat.Satz 4. f ist stetig.Beweis. Es sei c i eine Folge von Geodätischen mit c i (0) → c(0) und c ′ i(0) → c ′ (0). Es seienc i (τ i ) Schnittpunkte von c i (0), und c(τ) der Schnittpunkt von c(0). Wir zeigen τ i → τdurch (i) lim sup τ i ≤ τ und (ii) lim inf τ i ≥ τ.(i) Für τ = ∞ ist das klar. Sei also τ < ∞. Beh.: Für jedes ε > 0 gibt es nur endlich vieleIndices j mit τ j > τ + ε. In der Tat ist für jedes solche τ j dann c j noch bis τ + ε Kürzeste.Gäbe es ∞ viele j, so wäredist ( c(0), c(τ+ε) ) = dist ( lim c j (0), lim c j (τ + ε) )j→∞ j→∞dist stetig= limj→∞dist ( c j (0), c j (τ + ε) ) = τ + ε,Widerspruch. Endlich viele j bedeuten aber lim sup τ i ≤ τ + ε, was die Beh. zeigt.(ii) Sei σ := lim inf τ i ≤ lim sup τ i ≤ τ. Wir zeigen nun σ ≥ τ. Falls σ = ∞ stimmt das.Betrachten wir eine Teilfolge, wieder als τ i bezeichnet, die gegen σ < ∞ konvergiert.Fall 1: Es gibt unendlich viele Indices j, so daß c j (τ j ) konjugiert ist zu c j (0). Dann hat(d exp p ) τj c ′ j (0) nicht vollen Rang, also auch nicht (d exp p ) σc ′ (0) (z.B. wegen Stetigkeit vondet). Dies heißt σ konjugiert zu 0 längs c. Laut Lemma 1 liegt der Schnittpunkt nichtdahinter, d.h. es gilt tatsächlich τ ≤ σ.Fall 2: Es gibt unendlich viele Indices j, so daß c j (τ j ) nicht konjugiert ist zu c j (0). NachLemma 2 finden wir für diese j je eine weitere Geodätische γ j ≠ c j von c j (0) nach c j (τ j )mit L(γ j ) = L(c j ). Eine Teilfolge der γ j konvergiert gegen eine Geodätische γ von p nachc(σ) = lim j→∞ c j (τ j ) der Länge lim j→∞ L(γ j ) = lim j→∞ τ j = σ.Ist γ ≠ c, so ist γ mindestens so lang wie c. Wäre σ < τ, so lieferte wie im Beweis vonSatz 3 die Zusammensetzung von γ mit c| [σ,τ] eine Kürzeste mit Knick, im Widerspruch zuSatz II.30. Daher gilt σ ≥ τ. Ist γ = c, so ist wie im Beweis von Lemma 2 c(σ) konjugiertzu c(0), also wie oben τ ≤ σ.□Ist M kompakt und vollständig, so minimiert kein Strahl. Also f : SM → (0, ∞). Insbesondereist v ↦→ f(p, v) stetige Abbildung von S n nach R für jedes p, jedoch i.a. nichtdiffbar. Beachte, daß B p := {tv | t < f(p, v), ‖v‖ ≤ 1} ⊂ R n homöomorph zu B n ist, undexp p B p = M − S(p), exp p ∂B p = S(p) ⊂ M. Topologisch ist daher M ein Ball exp p B p ,dessen Rand S(p) geeignet identifiziert ist.


48. Vorlesung, Mittwoch 21.6.00iv 1.3 – Stand: 14. Mai 2013 1711.3. Klingenbergs untere Injektivitätsradius-Abschätzung. Wir sind interessiert anKriterien für die Krümmung vollständiger Riemannscher Mannigfaltigkeiten, die entscheiden,ob Geodätische auch Kürzeste sind. Ein solcher Satz ist der von Myers: K ≥ λ =⇒diam(M) ≤ √ π λ⇐⇒ jede Geodätische c mit L(c) > √ π λist nicht Kürzeste. Natürlich isteine obere Schranke an die Länge, für die Geodätische noch Kürzeste sein können, einfacherals eine untere Schranke, denn man braucht nur eine kürzere Vergleichskurve zu finden.Lokal gibt es eine solche untere Schranke: Für jedes p ∈ M gibt es ein r(p) > 0, so daß eineGeodätische c durch p mit L(c) < r Kürzeste ist; im kompakten Fall kann man r > 0 sogargleichmäßig wählen. Kann man eine krümmungsabhängige untere Schranke für r angeben?Der Satz von Hadamard tut dies für K ≤ 0 unter der Zusatzvoraussetzung π 1 (M) = 0:jede Geodätische ist dann Kürzeste. Wie bereits gesagt, kann man die Zusatzvoraussetzungnicht einfach fallen lassen; dies zeigen bereits die Familien von Tori R n /(εZ n ). ImFalle positiver Krümmung geben in Dimension drei die Linsenräume L(k, 1) ein Beispielkompakter Mannigfaltigkeiten mit K ≡ 1, für die es Geodätische c mit L(c) > π gibt, dieknicht Kürzeste sind; k → ∞ zeigt also, daß auch hier ohne Zusatzvoraussetzungen keineuntere Schranke möglich ist.Insofern ist es erstaunlich, daß man im Falle gerader Dimension und positiver Krümmungdurch das Synge-Lemma eine untere Schranke angeben kann; dies tut der Satz von Klingenberg.Lemma 5. Sei q ∈ S(p) mit dist(p, q) = dist(p, S(p)). Dann gibt es(i) eine Kürzeste von p nach q entlang derer q konjugiert zu p ist, oder(ii) es gibt genau zwei Kürzeste von p nach q, die in q den Winkel π einschließen.Beweis. Wenn (i) nicht gilt, so gibt es nach Lemma 2 zwei verschiedene bogenlängenpar.Geodätische c : [0, t] → M, γ : [0, t] → M von p nach q. Wir führen c ′ (t) ≠ −γ ′ (t) zu einemWiderspruch. In diesem Fall gibt es ein v ∈ T q M mit(2) g ( v, −c ′ (t) ) > 0 und g ( v, −γ ′ (t) ) > 0.Sei σ eine Kurve mit σ ′ (0) = v. Nach Vor. ist q weder längs c noch längs γ konjugiert zu p.Nach Satz III.25(i) exp p in tc ′ (0) und tγ ′ (0) ∈ T p M lokal umkehrbar. Für s ∈ (0, s 0 ) gibtes also stetige Scharen von Geodätischen t ↦→ c s (t) und t ↦→ γ s (t), die jeweils von p nachσ(s) laufen.Nach der 1. Variation und (2) istdds L(c s) ∣ < 0s=0unddds L(γ s) ∣ < 0.s=0


172 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieAlso ist L(c s ) < L(c) und L(γ s ) < L(γ) für kleine s > 0. Insbesondere ist σ(s) einSchnittpunkt von p mit dist(p, σ(s)) < dist(p, q). Daher ist q ∈ S(p) nicht in minimalemAbstand. Widerspruch.□Definition. Der Injektivitätsradius einer Mfk. istinj(M) = infp∈M dist ( p, S(p) ) = sup{r > 0 | exp p (B r ) ist injektiv ∀p ∈ M} ∈ [0, ∞]Natürlich ist inj(M) ≤ diam(M).Beispiele. inj(S n ) = π, inj(RP n ) = π/2, inj(T n ) = 1 2 , inj(Rn ) = ∞.Korollar 6. Es sei M vollständig mit 0 < λ ≤ K p (σ) ≤ κ für alle p ∈ M und Ebenen σin T p M. Dann giltinj(M) ≥ min{ π √ κ, 1 2 L},wobei L die minimale Länge von geschlossenen nicht-konstanten Geodätischen von M ist.Beweis. Nach Satz III.15 von Myers ist M kompakt. Daher ist auch SM kompakt. Aufdieser Menge ist f stetig nach Satz 4 und nimmt deshalb ein Minimum über SM in(p, v) an. Es sind dann p und q = exp p (f(p, v)v) ∈ S(p) zwei Punkte mit dist(p, q) =inf p∈M dist ( p, S(p) ) = inj(M).Wenn p und q konjugiert sind längs einer Kurve ohne weitere konjugierte Punkte, dann istdist(p, q) ≥ π √ κnach der (von uns nicht bewiesenen) Bemerkung (ii) in Abschnitt 5.3.Anderenfalls gibt es nach Lemma 5 genau zwei bogenlängenpar. Geodätische c ≠ γ derLänge t = inj(M) mit c, γ von p nach q mit c ′ (t) = −γ ′ (t). Wir behaupten c ′ (0) = −γ ′ (0).Zunächst ist wegen q ∈ S(p) auch p ∈ S(q) (Übung). Auch für q ist p der nächste Punktvon S(q), denn dist(p, q) = inj(M). Lemma 5 gibt nun die Behauptung.Da C 1 -Geodätische diff.bar sind, formen c und γ zusammen eine diff.bare Geodätische, dieoffenbar minimale Länge unter allen nicht-konstanten geschlossenen Geodätischen hat. □Hiermit können wir nun zeigen:Satz 7 (Klingenberg). Sei M vollständig, orientierbar, von gerader Dimension und mitüberall positiver Krümmung 0 < λ ≤ K p (σ) ≤ κ.(i) Wenn q ∈ S(p) und dist(p, q) = inj(M), so ist p konjugiert zu q.(ii) inj(M) ≥ π √ κ.M ist kompakt nach dem Satz von Myers. Man könnte auch voraussetzen dass M kompaktist, und für die Krümmung lediglich 0 < K p (σ) ≤ κ fordern.


iv 2.0 – Stand: 14. Mai 2013 173Beweis. (ii) folgt mit dem Beweis von Korollar 6 sofort aus (i).(i) Annahme: q nicht konjugiert zu p. Nach dem Beweis von Korollar 6 gibt es eine geschlosseneGeodätische c durch p und q der Länge L(c) = 2 inj(M). Nach dem Synge-Lemma ??gibt es eine Variation h s (t) = exp c(t) sV (t) von c durch geschlossene Kurven, so daß L(h s )ein Maximum in s = 0 hat.Sei nun q s = h s (τ s ) ein Punkt auf h s , dessen in M gemessener Abstand von h s (0) maximalist. Ferner sei γ s eine bogenlängenpar. Kürzeste von q s nach h s (0). Bereits h s ist kürzerals 2 inj(M) und daher folgt dist(q s , h s (0)) < inj(M). Also ist γ s sogar eindeutige Kürzesteund q s nicht konjugiert zu h s (0) längs γ s . Es ist(3) γ ′ s(0) ⊥ h ′ s(τ s ),denn sonst gäbe es nach der 1. Variationsformel noch Punkte auf h s , die weiter von vonh s (0) entfernt sind als q s .Wir wollen nun den Grenzwert s → 0 betrachten. Die Punkte q s ∈ h s konvergieren gegeneinen Punkt in h 0 . Weil die Distanz und s ↦→ h s stetig ist, folgt aus “q s hat maximalenAbstand von h s (0)” auch “lim q s hat maximalen Abstand von lim h s (0) = p”. Weil q aberder eindeutige Punkt von h 0 = c in maximalem Abstand von p ist, folgt lim q s = q.Wegen der Kompaktheit der Einheitssphäre konvergiert daher auch eine Teilfolge derγ ′ s(0) ∈ T qs M gegen ein v ∈ T q M. Wir setzen γ(t) := exp q tv. Es ist γ(0) = q und wirbehaupten γ(inj(M)) = p. In der Tat ist einerseits L(γ) ≤ lim L(γ s ) ≤ inj(M), aber andererseitskonvergieren die Endpunkte h s (0) der Kurven γ s gegen den Punkt p = c(0) mitAbstand inj(M) von q.Wegen γ s(0) ′ → v erhalten wir aus (3) auch γ ′ ⊥ c ′ (τ). Insbesondere ist γ nicht eines derbeiden Segmente von c, die p und q verbinden. Also stellt γ eine dritte Kürzeste von p nachq dar, im Widerspruch zu Lemma 5.□49. Vorlesung, Freitag 23.6.002. Lie-GruppenKonkrete Beispiele von Mannigfaltigkeiten durch:• Parametrisierungen (insbesondere Graphen), Niveaumengen• Quotienten von Standardräumen wie H n , R n , S n• Matrizen- und andere GruppenMit dem letzten Fall wollen wir uns nun beschäftigen.


174 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWir geben noch einen Grund an, warum Lie-Gruppen betrachtet werden, den wir nichtweiter verfolgen werden. Wir haben in der Vorlesung mehrfach Quotientenmannigfaltigkeitenbezüglich diskreter Gruppenoperationen betrachtet; die entstehende Mannigfaltigkeithat insbesondere dieselbe Dimension. Man möchte aber auch Quotienten vom TypR n = R n+1 /R betrachten, also etwa den Raum vertikaler Geraden mit R n selbst identifizieren.Solche dimensionsvermindernden Quotienten nach kontinuierlichen Gruppen, sogenanntehomogene Räume, werden durch den Quotienten von Lie-Gruppen nach normalenUntergruppen rigoros gemacht. Dies erlaubt eine Vielzahl von expliziten Mannigfaltigkeiten,die allgemeiner sind als Räume konstanter Krümmung.Literatur: [CE] hat ein Kapitel über Lie-Gruppen. [GHL], S. 33, hat erste Definitionen fürhomogene Räume sowie viele Beispiele.Definition. Eine Lie-Gruppe ist eine diff.bare Mfk. G mit Gruppenstruktur, für dieG × G → G : (g, h) ↦→ g · hG → G : g ↦→ g −1diff.bar sind.Beispiele. 1. (R n , +), (T n , +)2. Von den Sphären sind S 1 ⊂ C und S 3 ⊂ Quaternionen Lie-Gruppen bzgl. Multiplikation.Auch C − {0}, Quaternionen−{0}.3. GL(n) = {A ∈ M(n) | det A ≠ 0} mit Matrizenmultiplikation ist Gruppe wegendet(AB) = det A det B. Da die det-Bedingung offen ist, ist T GL(n) = M(n) und GL(n)die Vereinigung n 2 -dimensionaler Mfk. in R n2 . Tatsächlich definieren die Bedingungendet A > 0 und det A < 0 jeweils eine Zusammenhangskomponente. Analog komplex.4. O(n) = {A ∈ GL n (R) | A · A T = 1 n } mit Mat.mult.; Gruppe klar. Ist Niveaumengezu 1 n von f : A ↦→ AA T ; für f(A) = 1 n hat f tatsächlich vollen Rang (siehe Aufgaben).T O(n) = o(n) := {B ∈ M(n) | B T = −B}, also schiefe Matrizen; die Dimension istn(n − 1)/2. Für A ∈ O(n) ist | det A| = 1 und daher hat O(n) wenigstens zwei durch dasVorzeichen der Determinante bestimmte Zusammenhangskomponenten; man kann zeigen,daß es auch höchstens zwei sind. Davon ist aber nur SO(n) mit det A = 1 wieder eine Lie-Gruppe, denn 1 n liegt nur in SO(n); der Tangentialraum so(n) stimmt mit o(n) überein.Weiter ist O(n) abgeschlossen und liegt in einer beschränken Teilmenge von R n2 ; daher istO(n) (insbesondere SO(n)) kompakt.5. Die Gruppe aller affinen Bewegungen des R n . Allgemeiner ist für jede RiemannscheMannigfaltigkeit die Isometriegruppe eine Lie-Gruppe.2.1. Die Lie-Algebra linksinvarianter Vektorfelder.Definition. Eine (reelle) Lie-Algebra L ist ein R-Vektorraum mit einer bilinearen Abbildung[., .] : L × L → L, für die gilt


iv 2.1 – Stand: 14. Mai 2013 175(i) [X, Y ] = −[Y, X],(ii) [[X, Y ], Z] + [[Y, Z], X] + [[Z, X], Y ] = 0 (Jacobi-Identität).Beispiele. 1. R 3 mit Kreuzprodukt ist Lie-Algebra.2. Untervektorräume der Matrizen M(n), die eine Gruppe bezüglich des Matrixproduktesbilden, werden mit [A, B] := AB − BA zu einer Lie-Algebra.3. Für jede Mannigfaltigkeit M ist der Raum der Vektorfelder V(M) eine Lie-Algebraunendlicher Dimension (siehe Abschnitt I.3.3).Wichtig ist die n-dim. Lie-Algebra der linksinvarianten VF. ⊂ V(M):Definition. (i) Sei G Lie-Gruppe, g ∈ G. Dann heißtL g : G → G,h ↦→ g · hLinkstranslation. Wegen (L g ) −1 = L g −1 ist L g Diffeomorphismus.(ii) Ein Vektorfeld X auf G heißt linksinvariant, wenn ∀g, h ∈ GX ◦ L g = dL g ◦ X bzw. X g·h = (dL g ) h · X h .Entsprechend rechtsinvariant.Beispiel. 1. Auf (R n , +) sind die linksinvarianten Vektorfelder X ≡ v ∈ R n genau diekonstanten Vektorfelder. In der Tat, L g h = g + h, d.h. L g = g + id und daher dL g = id;linksinv.und es muß also X g = X ge = (dL g ) e X e = X e sein (e ist Gruppeneins, also hier 0).2. Sei g ∈ GL n (R) und x ∈ M n (R). Dann ist X mit X g := gx linksinvariantes Vektorfeld.In der Tat, L g h = gh =⇒ (dL g )x = d L dt g(h + tx)| t=0 = d g · (h + tx)| dt t=0 = gx; es muß alsoX g = X ge = (dL g ) e X e = gX e sein.Bemerkung. 1. Wie in diesen Bspn. bestimmt jedes v ∈ T e G ein linksinvariantes VektorfeldV durchV g := dL g · vMan kann daher T e G mit einem Unterraum von V(M) identifizieren.2. Ist v 1 , . . . , v n Basis von T e G, so ist V 1 := dL g v 1 , . . . , V n := dL g v n Basis von T g G. Mansagt, T G ist trivial; insbesondere ist G orientierbar.Satz 8. Sind X, Y linksinvariant, so auch [X, Y ]. Insbesondere ist der Raum g der linksinvariantenVektorfelder auf G n eine n-dimensionale Unter-Lie-Algebra von V(M).Beweis. Dies folgt aus Lemma III.34: Ist ϕ Diffeomorphismus, so gilt (dϕX)(f) = X(f ◦ϕ)und daher (dϕX)(dϕY )(f) = XY (f ◦ ϕ) sowie [dϕX, dϕY ] ϕ(p) (f) = [X, Y ] p (f ◦ ϕ) =(dϕ([X, Y ] p ))f.□


176 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBemerkung. Wir wollen T e G = g als Identifikation verstehen, d.h. wir betrachten T e Gselbst als Lie-Algebra mit [v, w] := [linksinv. Forts. von v, linksinv. Forts. von w] e .Beispiele. Als Vorbemerkung berechnen wir die Lieklammer in R n selbst. Laut I.(??) ist[X, Y ](f) = ( )X i ∂Y j− Y i ∂Xj ∂f. Wenn X, Y : Ω ⊂ R n → R n , so hat dY die Jacobimatrix∂x i ∂x i ∂x j∂Y j, und das Matrixprodukt dY X hat die Komponenten X i ∂Y j. Daher können wir die∂x i ∂x iLie-Klammer durch Tangentiale schreiben als(4) [X, Y ] = dY X − dX Y1. Zu (R n , +) ist daher [X, Y ] = 0 für alle linksinvarianten, also konstanten VF.2. Sei g ∈ G = GL n (R) und v, w ∈ M n (R) = T e G sowie V g = gv, W g = gw. Mit e = 1 n giltzunächst mit Ausdrücken in R n2(4) in R[v, w] = [V, W ] n2e = dW e V e − dV e W e = dW e v − dV e w= d ()∣∣∣t=0 W g=g·wW e+tv − V e+tw = d (∣∣t=0(e + tv)w − (e + tw)v)∣= vw − wv.dtdtDie Lie-Klammer ist also der bekannte Matrizen-Kommutator. Ebenso für alle Untergruppenvon GL(n).2.2. Flüsse und 1-Parameter-Untergruppen. Erinnerung: Ist X ein Vektorfeld aufM, so heißt eine Familie t ↦→ ϕ t von Diffeomorphismen von M mit(5)der Fluß von X.ddt ϕ t(p) = X ϕt(p) und ϕ 0 (p) = pLemma 9. Ist X linksinvariant auf der Lie-Gruppe G und ϕ t der Fluß von X, so gilt(6) ϕ t (g) = gϕ t (e).Beweis.ddt (gϕ t(e)) = d dt (L gϕ t (e)) KettenregelX linksinv.= (dL g ) ϕt(e)X ϕt(e) = X gϕt(e)Also erfüllt gϕ t (e) Gleichung (5). Auf Grund des Eindeutigkeitssatzes gilt (6).□Korollar 10. Der Fluß ϕ t eines linksinvarianten Vektorfeldes existiert für alle t ∈ R.Beweis. Wegen des lokalen Existenzsatzes für Flüsse gibt es ε > 0, so daß ϕ t (g) definiertist für alle |t| ≤ ε. =⇒ ϕ t (g) = gϕ t (e) definiert ∀g =⇒ ϕ t+s (g) = ϕ s (ϕ t (g)) definiert fürjedes |s| < ε. =⇒ Definitionsbereich von ϕ t (g) ist ganz R für jedes g.□50. Vorlesung, Mittwoch 28.6.00


iv 2.2 – Stand: 14. Mai 2013 177Definition. Eine 1-Parameter-Untergruppe von G ist ein diff.barer Homomorphismus γ :R → G, d.h. γ(0) = e, γ(s + t) = γ(s)γ(t) ∀ s, t ∈ R.Insbesondere laufen die Kurven γ immer durch den “Ursprung” e. Diese algebraische Definitionstellt sich als andere Beschreibung der Flußlinien heraus:Satz 11. Ψ : γ ↦→ γ ′ (0) bildet die Menge von 1-Parameter-Untergruppen U bijektiv aufg = T e G ab.Beweis. Es sei v ∈ T e G mit linksinvarianter Fortsetzung V g := gv. Wir schreiben ϕ v t fürden Fluß von V , der durch v eindeutig bestimmt ist. Wir setzen Φ : T e G → U, v ↦→ ϕ V t (e)und behaupten Ψ −1 = Φ.Ψ ◦ Φ = id | TeG: In der Tat,ddt ϕv t (e)| t=0 = v.Φ ◦ Ψ = id | U . Die Abbildung Φ ◦ Ψ ordnet einer 1-Par.U.Gruppe γ die Flußlinie ϕ γ′ (0)tZu zeigen ist ϕ γ′ (0)t = γ(t). Aberzu.γ ′ (s) = d dt γ(s + t)| t=0 = d dt (γ(s) }{{}L γ(s)γ(t))| t=0 = dL γ(s) γ ′ (0),das heißt γ(t) ist eine Flußlinie durch e mit Anfangsbedingung γ ′ (0). Wegen der Eindeutigkeitdieser Kurven folgt ϕ γ′ (0)t = γ(t). □Also ist jede 1-Parameter-Gruppe durch ihre Anfangsrichtung γ ′ (0) eindeutig bestimmt,und wir können schreiben:Definition. Sei v ∈ g. Mit e tv := ϕ v t (e) bezeichnen wir die 1-Parameter-Untergruppe mitAnfangsvektor v.Den folgenden Satz brauchen wir in Abschnitt 6.4.Lemma 12. Sind v, w ∈ g, so gilt[v, w] = d d∣dt ds etv e sw e −tv ∣∣s,t=0Beachte: Für festes t ist s ↦→ e tv e sw e −tv Kurve durch e für s = 0 =⇒ d ds etv e sw e −tv | s=0 ∈ T e G=⇒ t ↦→ d ds etv e sw e −tv | s=0 ist Kurve in T e G. Deren Tangentialvektor liegt (nach Parallelverschiebung)wieder in T e G.Beweis. Wir benutzen die folgende Formel für die Lie-Klammer auf differenzierbaren Mannigfaltigkeiten[X, Y ] p = d dt dϕ −t(Y ϕt(p)) ∣ ,t=0


178 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometriewobei ϕ t der Fluß von X ist. Ist ψ s der von Y , so gilt weiter[X, Y ] p = d dt dϕ −t(Y ∣ ϕt(p)) t=0= d d−t(dt dϕ ds ψ )∣∣ ∣∣t=0s s=0◦ ϕ t (p) = d ddt ds ϕ −t ◦ ψ s ◦ ϕ t (p) ∣ .s,t=0Betrachten wir diesen Ausdruck nun für eine Lie-Gruppe G im Punkt p = e. Für Xlinksinvariant gilt ϕ t (h) = h · e tX nach Lemma 9 und ebenso für Y . Es folgtϕ −t ◦ ψ s ◦ ϕ t (e) = ϕ −t ◦ ψ s (e tX ) = ϕ −t (e tX · e sY ) = e tX · e sY · e −tX .Einsetzen liefert die Behauptung.□Beispiel. In Matrizengruppen G ist für B ∈ g = T e G die übliche Exponentialreiheγ(t) := 1 n + tB + t2 2 B2 + . . . ,eine 1-Par.U.Gruppe (prüfe nach: γ(s + t) = γ(s)γ(t)) mit γ ′ (0) = B. Nach Satz 11 istdaher e tB diese Reihe (was, umgekehrt, die Bezeichnung rechtfertigt). Weiter giltd d∣dt ds etA e sB e −tA ∣∣s,t=0= d ∣dt etA Be −tA ∣∣t=0= d ∣∣∣t=0dt etA B1 n + 1 n B d ∣∣∣t=0dt e−tA = AB − BA,d.h. zusammen mit unserer Berechnung [A, B] = AB − BA für Matrizengruppen erhaltenwir Lemma 12 direkt in diesem Fall.2.3. Linksinvariante Metriken und ihr Levi-Civita-Zusammenhang.Definition. Eine Riemannsche Metrik g heißt linksinvariant, wenn für jedes h ∈ G dieLinkstranslation L h eine Isometrie ist.Wenn g und X, Y linksinvariant sind, h ∈ G, so ist(7) h ↦→ g h (X h , Y h ) X linksinv.= g Lh e(dL h X e , dL h Y e ) g linksinv.= g e (X e , Y e )konstant.Wir folgern: 1.(8) Zg(X, Y ) = 0für alle linksinvarianten X, Y, Z und g. (Das gilt sogar für jedes Z.)2. Linksinvariante Metriken auf G sind durch (7) bijektiv zu Metriken auf T e G = g.Eine Lie-Gruppe mit einer linksinv. Metrik ist homogen, d.h. für jedes Paar h, k ∈ G gibt eseine Isometrie, die h auf k abbildet. In der Tat tut dies L kh −1. Nach einer Übung bedeutetdas: G ist vollständig.Definition. Für X ∈ g bezeichne ad X : g → g den Endomorphismus ad X (Y ) := [X, Y ].


iv 2.3 – Stand: 14. Mai 2013 179Dann können wir schreiben g([X, Y ], Z) = g(ad X Y, Z) = g(Y, ad T X Z), wobei T die Transpositionfür Matrizengruppen ist, und im allgemeinen der adjungierte Endomorphismus.Satz 13. Sei G Lie-Gruppe und ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang einer linksinvariantenMetrik g. Dann gilt für linksinvariante X, Y, Z, W ∈ g((i) ∇ X Y = 1 2 [X, Y ] − adTX Y − ad T Y X ) ,(ii) g ( R(X, Y )Z, W ) = g ( ∇ X Z, ∇ Y W ) − g ( ∇ Y Z, ∇ X W ) − g ( ∇ [X,Y ] Z, W ) ,(iii) K(X, Y ) = |∇ X Y | 2 − ∣ ∣ [X, Y ]∣ ∣2− g(∇X X, ∇ Y Y ) − g ( (ad Y ) 2 X, X ) für X, Y orthonormal.Beweis. (i) Wegen Linksinvarianz der Vektorfelder und Metrik ergibt die Koszul-Formel(9)g ( 2∇ X Y, Z ) = Xg(Y, Z) + Y g(X, Z) − Zg(X, Y )} {{ }=0 wegen (8)− g ( X, ad Y Z ) − g ( Y, ad X Z ) + g ( Z, [X, Y ] )(= g − ad T Y X − ad T X Y + [X, Y ], Z).(ii) Für X, Y linksinv. ist wegen (i) auch ∇ X Y linksinv. Daher ist wegen (8) auch Xg(∇ Y Z, W ) =0 und g ( ∇ X ∇ Y Z, W ) = −g ( ∇ Y Z, ∇ X W ) ; die Formel folgt nun aus der Def. von R.(iii) Nach (ii) istg ( R(X, Y )Y, X ) = g(∇ X Y, ∇ Y X) − g(∇ Y Y, ∇ X X) − g(∇ [X,Y ] Y, X)= |∇ X Y | 2 − g ( ∇ X Y, [X, Y ] ) − g(∇ X X, ∇ Y Y ) − g(∇ [X,Y ] Y, X).Wir formen den zweiten und vierten Summanden um:−g ( ∇ X Y , [X, Y ] ) − g(∇ [X,Y ] Y, X)(i)= − 1 ∣2∣ [X, Y ]∣ ∣2+12 g( Y, [ X, [X, Y ] ]) + 1 2 g( X,[Y, [X, Y ]]} {{ }−[Y,[Y,X]]=− ad Y ad Y X− 1 2 g( [ [X, Y ], Y ], X ) + 1 } {{ } 2 g( Y, [ [X, Y ], X ]) + 1 2 g( [X, Y ], [Y, X] )[Y,[Y,X]]=ad Y ad Y X= − ∣ ∣ [X, Y ] 2 (− g ad2Y X, X )Dabei heben sich die unterstrichenen Terme auf, und die verbleibenden addieren sich inPaaren.□)51. Vorlesung, Freitag 30.6.00


180 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieBeispiel. Die Heisenberg-Gruppe H = e h ⊂ GL(3) hat h := span{e 1 , e 2 , e 3 } mit⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞0 1 00 0 00 0 1⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟e 1 := ⎝ 0 0 0 ⎠ e 2 := ⎝ 0 0 1 ⎠ e 3 := ⎝ 0 0 0 ⎠ .0 0 00 0 00 0 0Weil H drei-dimensional ist, können wir die Heisenberg-Gruppe als R 3 mit einer ungewöhnlichenLie-Klammer verstehen. Es ist nur e 1 e 2 = e 3 , alle anderen = 0, also [e 1 , e 2 ] = e 3 ,aber [e i , e j ] = 0 für i oder j gleich 3. Sei g linksinvariant, so daß (e 1 , e 2 , e 3 ) ONB. Dann istad T e 1e 3 = e 2 , denn g ( ad T e 1e 3 , X ) = g ( e 3 , [e 1 , X] ) , und ad T e 2e 3 = −e 1 , denn g ( ad T e 2e 3 , X ) =g ( e 3 , [e 2 , X] ) ; die weiteren sind 0 und auch (ad T ) 2 = 0. Daher∇ e1 e 2 = 1 2 e 3, ∇ e1 e 3 = − 1 2 e 2 ∇ e2 e 3 = 1 2 e 1,die übrigen ergeben sich aus ∇ X Y −∇ Y X = [X, Y ] oder sind 0. Also ist K(e 1 , e 2 ) = 1 4 −1 =− 3 4 und K(e 1, e 3 ) = K(e 2 , e 3 ) = 1 4 .2.4. Biinvariante Metriken und ihr Levi-Civita-Zusammenhang. Eine Metrik heißtbiinvariant, wenn sie links- und rechtsinvariant ist. Die Existenz biinvarianter Metriken istnicht a priori klar; auf kompakten Lie-Gruppen gibt es sie aber immer (siehe [CE]).Beispiel. Auf Matrizengruppen definiert das Skalarprodukt des R n2(10) 〈A, B〉 := a ij b ij = Spur AB T (= Spur A T B)eine Riemannsche Metrik. Wir behaupten: Speziell auf SO(n) ist 〈., .〉 biinvariant. Sei h ∈SO(n). Dann ist für X e ∈ T e G das Feld dL h X = X ◦ L h = hX linksinvariant. Aber(11) 〈hX, hY 〉 = Spur(hX) T (hY ) = Spur X T (hh T )Y = Spur X T Y = 〈X, Y 〉gilt sogar für alle X, Y ∈ M(n), insbesondere für so(n). Ebenso für rechtsinvariant.Betrachte die KonjugationsabbildungIn k = e hat sie das Differentialk ↦→ hkh −1 = L h R h −1k.Ad h := d(L h R h −1) e = dL h dR h −1 : T e G → T e G.Beachte Ad e = id. Weil e sY Kurve durch e mit Tangentialvektor Y ist, folgt(12) Ad h Y = d ds (L hR h −1e sY ) ∣ = d s=0 ds (hesY h −1 ) ∣ .s=0Biinvarianz kann man algebraisch charakterisieren:Lemma 14. Eine linksinvariante Metrik g ist genau dann biinvariant, wenn ad X schiefist, g(ad X Y, Z) = −g(Y, ad X Z) für X, Y, Z ∈ g.


iv 2.4 – Stand: 14. Mai 2013 181Beweis. “⇒”: Es isth ↦→ g e (Ad h Y, Ad h Z ) = g e(d(Lh R h −1)Y, d(L h R h −1)Z ) Biinvarianz= g e (Y, Z)konstant. Setzen wir h := e tX , so folgt:0 = d dt g( Ad e tX Y, Ad e tX Z )∣ ∣t=0(12)= d ( ddt g ds etX e sY e −tX d)∣,ds etX e sZ e −tX ∣∣s,t=0( d d= gdt ds etX e sY e −tX∣ ∣d)s,t=0,ds esZ∣ ∣ ds=0+ g( ∣ ds esY s=0,Lemma 12= g([X, Y ], Z) + g(Y, [X, Z])d ddt ds etX e sZ e −tX∣ )∣s,t=0“⇐”: Diese Formeln rückwärts.□Satz 15. Sei G Lie-Gruppe mit biinvarianter Metrik. Dann gilt für den Levi-Civita-Zusammenhang∇ und linksinvariante X, Y, Z ∈ g(i) ∇ X Y = 1 [X, Y ],2 ](ii) R(X, Y )Z = − 4[ 1 [X, Y ], Z ,∣(iii) K(X, Y ) = 1 ∣4 [X, Y ] 2für X, Y orthonormal; insbesondere ist K ≥ 0.Beweis. (i) Nach (9) ist zu zeigen:g(X, [Y, Z]) + g(Y, [X, Z]) = 0 ⇐⇒ −g(X, ad Z Y ) − g(Y, ad Z X) = 0.Dies trifft zu laut Lemma 14.(ii)(iii)R(X, Y )Z = ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z − ∇ [X,Y ] Z(i)= 1 [ ]X, [Y, Z] − 1 [ ] 1[ ]Y, [X, Z] − [X, Y ], Z4 } {{ } 42−[Y,[Z,X]]−[Z,[X,Y ]](Jacobi-Id.)= − 1 [ ][X, Y ], Z4g(R(X, Y )Y, X) (ii)= − 1 4 g([ [X, Y ], Y ] , X ) = 1 4 g([ Y, [X, Y ] ] , X )= − 1 4 g( [X, Y ], [Y, X] ) = 1 ∣∣ [X, Y ] 24Lemma 14□Wir können nun biinvariante Metriken geometrisch charakterisieren:Satz 16. (i) Sei G eine Lie-Gruppe mit linksinvarianter Metrik g. Dann ist g genau dannbiinvariant, wenn die 1-Parameteruntergruppen t ↦→ e tX für alle X ∈ g geodätisch sind.(ii) Eine Lie-Gruppe G mit biinvarianter Metrik ist vollständig.


182 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieEs ist also t ↦→ e tX = exp e (tX) die Geodätische durch e ∈ G mit Anfangsrichtung X ∈ g.Daß Geodätische in Matrizengruppen als Exponentialreihe gegeben sind, erklärt den BegriffExponentialabbildung exp im Riemannschen Fall.Beweis. (i) Nach Lemma 14 ist g biinvariant genau dann wenn ad X schief ∀X ∈ g ist.Äquivalent ist 0 = ad T X X ∀X ∈ g. Da [X, X] = 0 ist, gilt dies nach Satz 13(i) genau dann,wenn ∇ X X = 0 ist ∀X ∈ g. Aber dies ist äquivalent zu c(t) = e tX geodätisch, denn für Xlinksinvariant erfüllt c ′ (t) = Xe tX = X(c(t)).(ii) exp e ist offenbar auf ganz g = T e G definiert. Nach Aufgabe 78b) ist G vollständig.□Flache Metriken haben die folgende algebraische Beschreibung:Korollar 17. Eine Lie-Gruppe G mit biinvarianter Metrik hat K ≡ 0 ⇐⇒ G abelsch.Beweis. Nach Satz 15(iii) ist K ≡ 0 ⇐⇒ [X, Y ] ≡ 0 ∀X, Y ∈ g. Aber dies bedeutetnach Satz I,16, daß die Flüsse ϕ t (e) = e tX und ψ s (e) = e sY kommutieren, insbesondere fürs, t = 1. Also ist äquivalent e X e Y = e Y e X ∀X, Y . Weil aber alle h, k ∈ G darstellbar sindals h = e X , k = e Y , ist dies äquivalent zu hk = kh ∀h, k ∈ G, also G abelsch. □Beispiel. Wir möchten abschließend Geodätische in SO(n) direkt behandeln, indem wirSO(n) als Untermannigfaltigkeit von M(n) = R n2 deuten. Es gilt T e SO(n) = so(n), sieheoben. Wir betrachten die Standardmetrik 〈., .〉 auf R n2 aus (10) und behaupten nunso(n) ⊥ = {X ∈ M(n) | X = X T } =: Sym(n).Für X ∈ so(n) ⊥ und E ij − E ji ∈ so(n) ist in der Tat 0 = 〈X, E ij − E ji 〉 = −x ij + x ji , alsoX ∈ Sym(n); umgekehrt ist für jedes Y ∈ so(n) auch Spur XY T = 0, denn termweise giltx ij y ij = −x ji y ji also ∑ i,j x ijy ij = − ∑ i,j x jiy ji = 0. Folglich ist M(n) = so(n) ⊕ Sym(n)eine orthogonale Zerlegung in (n−1)n - und (n+1)n -dim. Unterräume.2 2Sei nun A ∈ SO(n) ein beliebiger Punkt. Jeder Vektor X ∈ T e SO(n) wird linksinvariantfortgesetzt zu AX ∈ T A SO(n), d.h. A so(n) := {AX | X ∈ so(n)} ist der Tangentialraumin A. Nun benutzen wir, daß die Matrizenmetrik nach (11) sogar für alle Matrizenlinksinvariant ist, auch für solche aus dem Normalraum Sym(n). Daher ist ASym(n) derNormalraum in A, und T A M(n) = A so(n) ⊕ ASym(n) ist orthogonale Summe.Wir zeigen nun durch direkte Rechnung, daß c(t) := e tX für X ∈ so(n) Geodätischedurch 1 n ist. Dazu müssen wir zeigen c ′′ (t) ∈ ( T c(t) SO(n) ) ⊥, d.h. c ′′ (t) ∈ c(t)Sym(n).Tatsächlich istc ′′ (t) = d2dt 2 etX = d dt etX X = e tX X 2 = c(t)X 2mit (XX) T = X T X T = (−X)(−X), d.h. X 2 ∈ Sym(n).52. Vorlesung, Mittwoch 5.7.00


iv 3.1 – Stand: 14. Mai 2013 1833. Der Satz von Gauß-Bonnet3.1. Lokale Version. Wir benötigen drei Begriffe, die speziell sind für Dimension 2.Definition. Sei (M, g) orientierbare Riem. 2-Mfk. und e 1 , e 2 positiv orientierte Orthonormalbasisvon T p M. Die Riemannsche 90-Grad-Drehung J : T p M → T p M ist die lineareAbbildung mitJe 1 = e 2 und Je 2 = −e 1 .Beispiele. 1. In C ist z ↦→ iz = Jz die 90-Grad-Drehung, daher die Schreibweise.2. In Polarkoordinaten auf R 2 −{0} sind ∂ und 1 ∂positiv orientierte ONB; also J ∂ = 1 ∂∂r r ∂ϑ ∂r r ∂ϑund J ∂ = −r ∂ .∂ϑ ∂r3. Für konform äquivalente Metriken h p (X, Y ) = λ(p) 2 g p (X, Y ) gilt J h X = J g X. Dies folgtaus der Charakterisierung von J als Isometrie, |JX| = |X|, mit g(JX, X) = 0 ∀X.Erinnerung: Für ebene Kurven c : I → (R 2 , 〈., .〉) mit |c ′ | = 1 gilt ¨c ⊥ c ′ . Daher konntenwir die Krümmung κ definieren als ¨c = κn = κJc ′ .Definition. Sei (M, g) orientierbare Riem. 2-Mfk. und c nach Bogenlänge par. Kurve inM. Dann ist D dt c′ ⊥ c ′ und κ g mitDdt c′ = κ g Jc ′ ⇐⇒ κ g = g ( Ddt c′ , Jc ′)heißt geodätische Krümmung von c. (Der Index steht für die Riemannsche Metrik g.)Geodätische haben κ g ≡ 0. Das Vorzeichen von κ g ändert sich beim Umkehren des Durchlaufsinnes.Ist c einfach (eingebettet) geschlossen mit c(I) = ∂Ω, so sagen wir, daß c dasGebiet Ω links berandet, wenn Jc ′ innere Normale an Ω ist.Beispiele. 1. t ↦→ e it berandet D links.2. Ist Ω ⊂ R 2 konvex und links von c berandet, so gilt κ 〈.,.〉 ≥ 0.Definition. Es sei c : I → M eine stetige, einfache (also injektive) Kurve, die stückweisedifferenzierbar ist bis auf t 1 , . . . , t k mit |c ′ | ≠ 0. Dann ist der Außenwinkel δ ∈ [−π, π] vonc in t i der orientierte Winkel von c ′ (t − i ) nach c′ (t + i ). Es gilt also c′ (t + i ) = cos δ c′ (t − i ) +sin δ Jc ′ (t − i ). Im Fall c′ (t − i ) = −c′ (t + i ) wählen wir δ als Grenzwert der Sekantenwinkel∈ (−π, π).Satz 18. Sei Ω ⊂ R 2 einfach zusammenhängend, links berandet von einer einfach geschlossenenstetigen Kurve c : I = [0, L] → R 2 . Es sei g Riemannsche Metrik mit Gauß-Krümmung K auf ¯Ω.(i) Ist c diff.bar mit geodätischer Krümmung κ g , so gilt∫ ∫(13)K dA + κ g ds = 2π.Ω∂Ω


184 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche Differentialgeometrie(ii) Ist c stückweise diff.bar bis auf 0 < t 1 , . . . , t k ≤ L, so gilt∫ ∫k∑(14)K dA + κ g ds + δ i = 2π,Ω∂Ωi=1∫κg ist wohldefiniert, denn κ g ist bis auf die Ausnahmestellen t i definiert.Beispiel. Für die obere Halbkugel S 2 + ist κ g ≡ 0 und |S 2 +| = 2π.Für ein geodätisches Dreieck ∆ ⊂ M (homöomorph zur Kreisscheibe) mit Winkeln α, β, γgibt (14) ∫ K dA + (π − α) + (π − β) + (π − γ) = 2π, also∆∫(15)K dA = α + β + γ − π.∆Gauß bewies 1827 diese Formel direkt (siehe Spivak II, p.123). Im euklidischen Dreieck istdie Winkelsumme also π; entsprechend giltα + β + γ = π ± area(∆);mit + für S 2 und − für H 2 . Z.B. in S 2 : α = β = γ = π 2 , area(∆) = 4π 8 .Im Falle variabler Krümmung gibt (15) mit einem Stetigkeitsargumentα + β + γ − πK(p) = lim.∆→p area(∆)Dabei schreiben wir ∆ → p wenn dist(p, ∆) → 0. Mit dieser Formel kann man wiederKrümmung vermessen.Ist g = 〈., .〉, so ist K ≡ 0 und der Satz von Gauß-Bonnet reduziert sich auf den HopfschenUmlaufsatz:Lemma 19. Ω ⊂ R 2 sei einfach zusammenhängend mit Standardmetrik, und sei linksberandet von einer einfach geschlossenen Kurve c.(i) Ist c diff.bar, so gilt ∫ κ c 〈.,.〉dt = 2π.(ii) Ist c stückweise diff.bar, so gilt ∫ κ c 〈.,.〉dt + ∑ δ i = 2π.Beweis. (i) Für eine ebene Kurve c : I = [0, L] → (R 2 , 〈., .〉) ist κ 〈.,.〉 die Krümmung κ. Essei n c die Umlaufszahl, d.h. ist α : I → R stetig mit c ′ (t) = ( cos α(t), sin α(t) ) , so gilt2πn c = α(L) − α(0) α′ =κ=Nach dem Hopfschen Umlaufsatz (siehe Vorlesung Differentialgeometrie) ist n c = ±1 füreine einfach geschlossene Kurve. Es ist n c = 1, wenn das Gebiet links liegt.(ii) Dies zeigt ein Approximationsargument: Man “rundet die Ecke ab”, so daß der HopfscheUmlaufsatz gültig bleibt. Dabei geht ∫ κ über die Abrundung gegen den Außenwinkel∫ L0κ dt.


iv 3.2 – Stand: 14. Mai 2013 185δ der Ecke. Also gilt im Grenzwert der Hopfsche Umlaufsatz mit stückweisen Integralenüber κ und der Summe der Außenwinkel.□Beweis des Satzes von Gauß-Bonnet. (i) Wir führen den Satz von Gauß-Bonnet auf denStandard-Integralsatz von Stokes zurück. Wir benötigen diesen Satz nur für das ebeneGebiet Ω ⊂ R 2 . Dessen Rand ∂Ω werde durch c : [0, L] → R 2 parametrisiert; um dieFormeln zu vereinfachen, nehmen wir an |c ′ | = 1.Wir werden eine 1-Form ω auf Ω so definieren, daß wir die Formel∫∫∫Lemmata 25,26(16) K dA = − dω StokesLemmata 21,22= − ω = 2π −ΩΩrechtfertigen können. In die Form ω geht dabei die Metrik g ein; der Stokessche Satz selbstist natürlich unabhängig von der Metrik.□Definition. Sei Z Einheitsvektorfeld, d.h. |Z| = 1. Dann sei ω(X) = ω Z (X) die 1-FormX ↦→ g(∇ X Z, JZ), die die Rotationsgeschwindigkeit von Z in Richtung X angibt.c=∂ΩBemerkungen. 1. κ g = g ( Ddt c′ , Jc ′ ) = ω c ′(c ′ ).2. Ist P parallel in Richtung X, also ∇ X P = 0, so verschwindet ω P (X).∫ L0κ g dt3.2. Erster Teil des Beweises. Wir beweisen nun die rechte Seite.Lemma 20. Sei c : I = [0, L] → (M, g) und Z, P Einheitsvektorfelder längs c, davon Pparallel. Ist α : I → R ein hochgehobener Winkel zwischen Z(t) und P (t), also Z(t) =cos α(t) P (t) + sin α(t) JP (t) mit α(t) stetig, so gilt(17) α(t) ∣ ∫L = ω0 Z .Die rechte Seite von (17) hängt nicht von α ab. D.h.: Während das Hochheben von Winkelnnach R willkürlich ist, sind Winkeldifferenzen ∠(Z, P )| L 0 := α(t)| L 0 ∈ R eindeutig hebbar.53. Vorlesung, Freitag 7.7.00Beweis. Es ist( D)ω Z (c ′ ) = gdt Z, JZc()= g −α ′ sin α P + α ′ cos α JP, cos α JP − sin α P = α ′ .Eine 1-Form η hat nach Definition als Kurvenintegral ∫ η := ∫ Lη c 0 c(t)(c ′ (t) ) dt und daher∫ ∫ Lω Z = α ′ (t)dt = α(L) − α(0).c0□


186 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieLemma 21. Es sei c nach Bogenlänge parametrisiert, und Z Einheitsvektorfeld auf c([0, L]) ⊂(R 2 , g). Ist c diff.bar geschlossen, und insbes. Z(0) = Z(L), so gibt es ein m(c, g, Z) ∈ Z,mit ∫ I κ g dt − ∫ c ω Z = 2πm(c, g, Z).Beweis. Es sei P parallel längs c (also i.a. P (0) ≠ P (L)) und α(t) Hochhebung des Winkelszwischen P und c ′ . Lemma 20 gibt(18) ∠(c ′ , P ) ∣ ∫∫L := 0 α(t)|L 0 = ω c ′ (t)(c ′ (t)) dt = κ g (t) dt.Es folgt∫ ∫κ g dt − ω Z = ∠(c ′ , P ) ∣ L −∠(Z, P )∣ ∣ L = ∠(c ′ , Z) ∣ L0 00Ic} {{ }∣+∠(P,Z) ∣ L 0IIc ′ (L)=c ′ (0),Z(L)=Z(0)= 2πm ∈ 2πZ.Wir haben also ∫ κ g − ∫ c ω Z als Rotationszahl von c ′ gegenüber Z erkannt.□Das folgende Lemma setzt den noch ausstehenden Beweis der linken Seite von (16) schonvoraus; wir geben den Beweis trotzdem schon jetzt.Lemma 22. Ist c einfach diff.bar geschlossen, und Z ein Einheitsvektorfeld auf ¯Ω, so istm(c, g, Z) = 1.Beweis. Wir betrachten die Metrik g s := sg +(1−s)〈., .〉. Sei Z konstantes Einheitsvektorfeldauf R 2 Z. Da Z ≠ 0 ist, ist auch Z (s) := √ EinheitsVF, und s ↦→ Z (s) stetig. Fernergs(Z,Z)zeigt der Beweis des letzten Lemmas s ↦→ m(c, g s , Z (s) ) = 1 ∠ 2π g s(c ′ , Z (s) )| Lgs (c)0 stetig. Dahersind die beiden Seiten von∫∫ L(19)K gs dA = 2πm(c, g s , Z s ) − κ gs dtstetige Funktionen von s.ΩAndererseits gibt Lemma 19 (also der Hopfschen Umlaufsatz) die Gleichung 0 = 2π −∫κ(t) dt. Weil κ(t) = κg0 (t) ist, erhalten wir also m(c, g 0 , Z 0 ) = 1.0Also ist s ↦→ m(c, g s , Z s ), eine stetige Funktion, deren Werte nach Lemma 21 in Z liegen;für s = 0 nimmt sie den Wert 1 an. Also nimmt sie auch in s = 1 den Wert1 = m(c, g 1 , Z 1 ) = m(c, g, Z) an. □3.3. Tensorkalkül für J und 1-Formen. Um ∫ Ω K dA = − ∫ Ωdω zu zeigen, müssen wirdω berechnen und mit der Riemannschen Struktur, genauer dem Krümmungstensor, inVerbindung bringen. Die nötigen Aussagen stellen wir in diesem Abschnitt zusammen.


iv 3.3 – Stand: 14. Mai 2013 187Nach Abschnitt III.2.1, Punkt 4., kann man (1, s)-Tensorfelder mit multilinearen AbbildungenV(M) s → V(M) identifizieren. Wir werden das in diesem Abschnitt stets tun, alsobeispielsweise J als ein (1, 1)-Tensorfeld ansehen.In III.(23) hatten wir die kovariante Ableitung ∇ X T eines (1, 1)-Tensorfeldes T angegeben,die man als Produktregel verstehen kann. Speziell für den (1, 1)-Tensor J lautet sieLemma 23. Für jedes (M 2 , g) gilt ∇J = 0.∇ X (JY ) = (∇ X J)(Y ) + J(∇ X Y ).Beweis. Wir müssen zeigen ∇ X (JY ) = J∇ X Y .1. Ist P paralleles Einheitsvektorfeld in Richtung X, z.B. in einem Punkt p, so folgt indiesem Punkt aus ∇ X P = 0 auch ∇ X (JP ) = 0. In der Tat, da (P, JP ) Orthonormalbasisvon T p M ist, zeigt diesg ( ∇ X (JP ), P ) = −g ( JP, ∇ X P ) = 0,2g ( ∇ X (JP ), JP ) = ∂ X 1 = 02. Ist nun Y = fP mit f ∈ D(M) und P parallel längs X in p, so gilt∇ X (JY ) = ∇ X (fJP )JP parallel= ∂ X f JP = J(∂ X fP ) P parallel= J∇ X (fP ) = J∇ X Y.3. Für ein allgemeines Y = f 1 P 1 + f 2 P 2 mit P i parallel gilt die gleiche Rechnung. □Lemma 24. Sei ω eine 1-Form auf M n und X, Y ∈ V(M).(i) dω(X, Y ) = ∂ X(ω(Y ))− ∂Y(ω(X))− ω([X, Y ]).(ii) Ist M Riemannsch, so gilt auch dω(X, Y ) = ( ∇ X ω ) (Y ) − ( ∇ Y ω ) (X).Beweis. Die Regel zum Ableiten des (1, 0)-Tensors ω gibt (∇ X ω)(Y ) = ∂ X (ω(Y ))−ω(∇ X Y )(für den Levi-Civita-Zusammenhang von egal welcher Metrik). Wegen ∇ X Y − ∇ Y X =[X, Y ] sind die rechten Seiten von (i) und (ii) gleich; (i) ist aber unabhängig von derMetrik.(ii) ist ein (2, 0)-Tensor in X, Y (und sicher schief). Daher reicht es, (i) für Koordinatenfeldernachzuprüfen:( ∂ ∂)dω , = ∂ (ω ( ∂ ) ) − ∂ (ω ( ∂ ) ) .∂x i ∂x j ∂x i ∂x j ∂x i ∂x j


188 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieWeil diese Formel R-linear in ω ist, reicht es, sie für ω = fdx k mit f ∈ D(M) nachzuprüfen.Aber( ∂d(fdx k ∂)) , = ∂f ( ∂dx l ∧ dx k ∂),∂x i ∂x j ∂x l ∂x i ∂x j= ∂ f dx k ( ∂ ) −∂ f dx k ( ∂ ),∂x i ∂x j ∂x j ∂x idenn nur für l = i oder l = j verschwinden die Terme nicht. (Das Ergebnis ist ∂f∂x ifüri ≠ k = j, − ∂f∂x jfür j ≠ k = i, bzw. 0 sonst.) □Bemerkung. In Do Carmo, Differential forms and applications, p.49, wird der Beweis ohneBenutzung der Tensoreigenschaft geführt – vergleichen Sie!54. Vorlesung, Mittwoch 10.7.003.4. Zweiter Teil des Beweises. In Dimension 2 können wir die Volumenform dA(X, Y ),die definiert ist durch dA(e 1 , e 2 ) = 1 für eine pos. or. ONB, auch schreiben als dA(X, Y ) =g(JX, Y ).Im folgenden sei der Definitionsbereich stets eine 2-dim. orientierbare Riem. Mfk. M.Lemma 25. Für jedes Einheitsvektorfeld Z gilt(20) K dA(X, Y ) = −g ( R(X, Y )Z, JZ )Beweis. 1. Falls X, Y pos. or. ONB und Z := Y , also JZ = −X, gilt nach dem theoremaegregium g ( R(X, Y )Z, JZ ) = g ( R(X, Y )Y, −X ) = −K.2. g(R(X, Y )Z, JZ) ist unabhängig vom EinheitsVF Z. Für jedes p mit X p = 0 ist dasklar. Sonst setze ˜X := X . Jedes Z können wir dann schreiben als Z = cos α ˜X + sin α J ˜X.|X|Also istg ( R(X, Y )Z, JZ ) (= g R(X, Y ) ( cos α ˜X + sin αJ ˜X ) , cos αJ ˜X − sin α ˜X)unabhängig von Z.= cos 2 α g ( R(X, Y ) ˜X, J ˜X ) − sin 2 α g ( R(X, Y )J ˜X, ˜X)= g ( R(X, Y ) ˜X, J ˜X )3. Beide Seiten von (20) sind schiefsymmetrisch und linear in X p , Y p . Also istg(R(X, Y )Z, JZ) = f(p, Z) dA(X, Y );nach 2. hängt f(p, Z) nur von p ab. Ist speziell Y Einheitsvektorfeld, so folgt für Z := Yaus 1. dann f(p, Z) = −K(p).□Lemma 26. Es gilt dω Z (X, Y ) = g ( R(X, Y )Z, JZ ) für Z Einheitsvektorfeld.


iv 3.5 – Stand: 14. Mai 2013 189Beweis. Zunächst: Aus |Z| = 1 folgt g(∇ X Z, Z) = 0, also ∇ X Z‖JZ bzw. J∇ X Z‖Z. Daherfür alle X, Y . Es folgtg ( ∇ Y Z, ∇ X (JZ) ) J parallel= g ( ∇ Y Z, J∇ X Z ) = 0∂ X(ω(Y ))= ∂X g ( ∇ Y Z, JZ ) = g ( ∇ X ∇ Y Z, JZ )unddω(X, Y ) Lemma= 24(i) ( ) ( ) ( )∂ X ω(Y ) − ∂Y ω(X) − ω [X, Y ]= g ( ∇ X ∇ Y Z − ∇ Y ∇ X Z − ∇ [X,Y ] Z, JZ )= g ( R(X, Y )Z, JZ ) .□3.5. Globale Version des Satzes von Gauß-Bonnet. Es sei M topologische 2-Mfk.Ein diff.bares Dreieck ∆ ⊂ M ist eine abgeschlossene Teilmenge, homöomorph zur KreisscheibeD und links berandet von ∂D ∼ S 1 , so daß ∂D bis auf die drei Ecken diff.barist. Die Kanten des Dreiecks sind die drei abgeschlossenen Randbögen von einer Ecke zuranderen.Eine Triangulierung einer kompakten 2-Mfk. M ist eine endliche Familie von Dreiecken(∆ i ) 1≤i≤K , so daß(i) ⋃ Ki=1 ∆ i = M und(ii) ∆ i ∩ ∆ j ist entweder eine Kante, eine Ecke, oder leer.Definition. Hat M eine Triangulierung mit E Ecken, K Kanten und F Flächen, so heißtχ := E − K + F die Euler-Charakteristik.Beispiele. χ für S 2 mit Tetraeder-, Oktaeder-, Ikosaeder-Triangulierung ist 2. Für den Torusist χ = 0.Die folgenden topologischen Fakten benutzen wir ohne Beweis für die globale Version desSatzes von Gauss-Bonnet:1. Jede 2-Mfk. M besitzt eine Triangulierung, so daß jedes ∆ i im Bild einer Karte liegt.2. Ist M orientierbar, so gibt es eine Triangulierung, bei der jede Kante von den anliegendenbeiden Dreiecken in unterschiedlichem Sinn durchlaufen wird.∫1Satz 27. Sei M eine kompakte orientierbare 2-Mfk. Dann ist K dA = χ(M). Insbesondere:2π M(i) Die Euler-Char. χ(M) = E − K + F ist unabhängig von der Triangulierung.(ii) ∫ K dA ist unabhängig von der Metrik, und stimmt für diffeomorphe Mfkn. übereinM(χ ist sogar topologische Invariante).


190 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieEin Resultat der Differentialtopologie ist der Flächenklassifikationssatz: Die Eulerzahleiner kompakten orientierbaren 2-Mfk. nimmt nur die Werte 2 = χ(S 2 ), 0 = χ(T 2 ),−2 = χ(Fläche mit 2 Löchern), . . . an, d.h. χ(M) = −2g + 2 mit g ∈ N 0 dem Geschlecht(Löcherzahl) der Fläche. Ist weiter χ(M) = χ(M ′ ), so ist M diffeomorph zu M ′ . DieseAussagen beweist man mit Morse-Theorie.Beweis. Nach 1. gibt es eine Triangulierung, so daß jedes Dreieck in einer Karte x : U → Mliegt. Bezüglich der von x auf U induzierten Riem. Metrik benutzen wir die lokale Version(14) und summieren über alle Dreiecke:F∑∫F∑∫F∑ 3∑K dA +κ g + Außenwinkel} {{ } von ∆ i = 2πF.i=1 ∆ i i=1 ∂∆ i i=1 1 π−Innenwinkel} {{ } } {{ }∫} {{ }M K dA hebt sich wegen 2. in Paaren auf=3πF − ∑ F ∑ 3i=1 1 Innenwinkel von ∆ iWeil die Summe aller Innenwinkel 2πE ist, folgt 1 K dA = − 1 F + E. Da jedes Dreieck2π M 23 Kanten hat, und jede Kante in zwei Dreiecken liegt, ist 3F = 2K ⇐⇒ −∫F = F − K.2Daher 1 K dA = χ(M).□2πMNehmen wir den Flächenklassifikationssatz an, so erhalten wir:Korollar 28. Sei M eine kompakte orientierbare 2-Mfk. mit konstanter Gauß-KrümmungK.(i) Ist K > 0, so ist M diffeomorph zu S 2 (g = 0).(ii) Ist K = 0, so ist M diffeomorph zum Torus (g = 1).(iii) Ist K < 0, so ist M diffeomorph zu einer Fläche vom Geschlecht g > 1 vom Inhalt1|κ| 2π|χ(M)|.Für jedes zulässige Geschlecht haben wir Flächen wie in Teil (iii) in Satz II.49 konstruiert.∫


Überdeckung, 2, 23Überlagerung, 125Ableitung, kovariante, 36, 94Abzählbarkeitsaxiom, zweites, 1, 23Atlas, 2Bahn, 24Basisfelder, 42Bianchi-Identität, 96, 115Bogenlänge, 20Bonnet, Pierre Ossian (1819–1892), 120Christoffel, Elwin Bruno (1829-1900), 34Christoffel-Symbole, 34, 42Clifford-Torus, 164, 167Derivation, 7, 11Diffeomorphismus, 4Differential, 9differenzierbar, 4differenzierbare Struktur, 2Divergenz, 116Divergenz, Riemannsche, 112Durchmesser, 120Einbettung, 10, 85Einstein-Mannigfaltigkeit, 114, 116, 117Energie, 60Euklidischer Raum, 18Euler-Charakteristik, 84Exponentialabbildung, 54, 73Exponentialabbildung, Differential, 141Fixpunktmenge, 81Fläche, 18, 85flach, 94frei, 24frei homotop, 131Fundamentalform, zweite, 156Funktionskeime, 6Gauß-Gleichung, 93Gauß-Kronecker-Krümmung, 160Gaußsche Form (Metrik), 66IndexGauß-Lemma, 63geodätisch vollständig, 72Geodätische, 37, 52geodätische Krümmung, 52Gitter, 26Gradient, 110Gruppenoperation, 24Halbraum-Modell, 77Hauptachsentransformation, 56Hauptteil, 10Hauptteil (Tangentialvektor), 5Hausdorffsch, 1Hesse-Form, 113, 116Hilbert, David (1862–1943), 73, 77homogen, 80, 154Hopf, Heinz (1894–1971), 73, 105Hopf-Rinow, Satz von, 73, 121Horokreis, 66Horosphäre, 66, 161hyperbolischer Raum, 20, 77, 101Hyperboloid-Modell, 77, 158Hyperfläche, 159, 165Igel, 11Immersion, 9Index, 17Index heben/senken, 47, 110Indexform, 143Injektivitätsradius, 64Invarianten, 22Isometrie, 21, 155Isometriegruppe, 22isotrop, 80Isotropiegruppe, 24Jacobi-Gleichung, 133Jacobi-Identität, 13, 96Jacobifeld, 133Kürzeste, 62, 73Karte, 2Kartenwechsel, 2Killing, Wilhelm 1847–1923, 153191


192 K. Grosse-Brauckmann: Riemannsche DifferentialgeometrieKilling-Vektorfeld, 153Ko-/Kontravarianz, 106, 108Kommutator, 13konform, 20, 103, 116konjugierte Ort, 142konjugierter Punkt, 141Kontraktion, 106, 110Koszul-Formel, 48kovariante Ableitung, 48Krümmung (Gauß), 92Krümmung, konstante, 99Krümmungsschranke, 121, 122, 151Krümmungstensor, 94, 99, 107, 119Länge, 20Laplace-Beltrami-Operator, 112, 116Lawson-Vermutung, 167Levi-Civita, Tullio (1873–1941), 48Levi-Civita-Zusammenhang, 48lichtartig, 18Lichtkegel, 19Lie, Sophus (1842–1899), 7, 11, 13Lie-Ableitung, 7, 11Lie-Algebra, 14Lie-Gruppe, 25Lie-Klammer, 13, 38, 45, 94, 156Lift, 126Linearisierung, 141Linienfeld, 23Linsenraum, 152lokal euklidisch, 2lokale Koordinaten, 2Lorentz, Hendrik Antoon (1853–1928), 19Lorentz-Raum, 19, 77Mannigfaltigkeit, 3, 17Mannigfaltigkeit konstanter Krümmung, 99Mannigfaltigkeit, differenzierbare, 3Mannigfaltigkeit, Riemannsche, 17Mannigfaltigkeit, semi-Riemannsche, 17Mannigfaltigkeit, topologische, 2Metrik, 17, 71Metrik, Riemannsche, 17, 23Metrik, semi-Riemannsche, 17, 107minimal, 160Minimalfolge, 132Minkowski-Raum, 18, 81mittlere Krümmung, 160multilinear, 105musikalischer Isomorphismus, 47, 110Myers, 120Nabelpunkt, 166Nash, John (geb. 1928), 22normaler Ball, 69Operation einer Gruppe, 24Orbifaltigkeit, 25Orbit, 24orthonormaler Rahmen, 111Paraboloid, 121parallel, 33, 43, 109Parallelenaxiom, 84Parallelverschiebung, 33, 102Poincaré, Henri (1854–1912), 21, 77Poincaré-Modell, 21, 77Poincaré-Vermutung, 117Pol, 149Produktmannigfaltigkeit, 29, 51, 104projektive Räume, 3, 99, 120pseudohyperbolische Raum, 81Pseudosphäre, 81, 89radiale Geodätische, 70raumartig, 18Raumform, 99, 150Ricci-Curbastro, Gregorio (1853–1925), 113Ricci-Fluss, 117Ricci-Gleichungen, 165Ricci-Krümmung, 113, 115Riemann, Georg Friedrich Bernhard(1826–1866), 17, 21Riemannschen Fläche, 86Rinow, Willi (1907–1979), 73Rotationsparaboloid, 75, 104, 122Schnittkrümmung, 98Schnittort, 67, 168Schur, Satz von, 115Sechseck, 85


iv 3.5 – Stand: 14. Mai 2013 193semi-Riemannscher Zusammenhang, 48Sphäre, 3, 100, 120, 158Sphärensatz, 117Spur, 110Standardbasis, 6stereographische Projektion, 78Strahl, 75symmetrische Räume, 154Synge-Lemma, 130, 151Winkel, 19zeitartig, 18Zerlegung der Eins, 23Zusammenhang, 41, 42, 165Zusammenhang, Levi-Civita, 48Zusammenhang, symmetrischer, 45Tangentialbündel, 8Tangentialraum, 5Tangentialvektor, 18Teichmüller-Raum, 86Tensor, 105Tensorfeld, 107Tensorprodukt, 106theorema egregium, 93topologischer Raum, 1, 71Toponogov, Satz von, 151Torsion, 45torsionsfrei, 45Torus, 67Torus, flacher, 62, 120total geodätisch, 81, 152, 158, 161, 166transitiv, 24Transvektion, 154Uniformisierungssätze, 151Untermannigfaltigkeit, 10Untermannigfaltigkeit, semi-Riemannsche, 155Variation, 58, 133Variation, erste, 58, 61Variation, gebrochene, 60Variation, zweite, 119, 122Vektorbündel, 165Vektorfeld, 10, 33Vektorfeld längs Kurve, 43vertraglich mit der Metrik, 45, 109vollständig, 72, 121Volumen, 20Weingarten-Abbildung, 93Weingartenabbildung, 159

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