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"Hart wie Kruppstahl" - Lotta

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„<strong>Hart</strong> <strong>wie</strong> Kruppstahl“ | SchwerpunktNationalsozialistischer Männerbund: die SSVon Alexander Häusler»<strong>Hart</strong> <strong>wie</strong> Kruppstahl«Männlichkeit(skonstruktion) und Männerbünde im FaschismusZentrales Kennzeichen faschistischer Bewegungen ist die Inszenierungals soldatischer Männerbund. Die im Faschismus kulminierte antifeministischeMännerbündelei unter dem Banner der völkisch hergeleitetenNation war eine Reaktion auf Emanzipationsbestrebungen inder Entwicklung der bürgerlich-kapitalistischen Moderne.Die Entfaltung demokratischer Massenbewegungen,die Auflösung ständischerHierarchien und überkommenegesellschaftliche Ordnungen erfassteauch das Verhältnis der Geschlechterzueinander. Die Herausbildung vonMännerbünden war daher auch einreaktionärer Impuls auf demokratischeund feministische Bewegungen, umdie alte Geschlechterhierarchisierung<strong>wie</strong>der neu zu legitimieren. In demBestreben nach Ausweitung patriarchalerStrukturen auf die öffentlicheund staatliche Sphäre kam eine autoritärgeprägte Abwehr gegenüberneuen „Anrechtsgruppen“ auf demokratischeMitbestimmung zum Ausdruck.Dieses Bestreben spiegelte sichbeispielsweise in den Forderungen desSoziologen Max Weber nach einem„charismatischen Führer“ oder desStaatsrechtlers Carl Schmitt nach einem„totalen Staat“ nach dem Vorbildvon Benito Mussolinis faschistischemMännerbund. Hier kam das Bestrebennach Gleichsetzung von autoritäremStaat und Männerbund zum Ausdruck:Schmitts Unterscheidung von Freundund Feind als Kriterium des Politischenbeinhaltet zugleich die Forderungnach einem totalen Staat <strong>wie</strong> nach derHerrschaft des Männerbundes.Als angeblich wissenschaftliche Kategorisierungtaucht der Begriff desMännerbundes zum ersten Mal imJahr 1902 bei dem Bremer EthnologenHeinrich Schurtz auf. In dessenSchrift „Grundformen der Gesellschaft“vertritt der Völkerkundler dieThese, dass Männerbünde als Trägeraller höheren gesellschaftlichen Entwicklungden Prozess der „Kulturschaffung“in Gang gesetzt hätten.Nach Schurtz tendieren nur Männer zuGesellschaftsverbänden und könnendamit höherwertige Formen gesellschaftlichenLebens entwickeln. Diewissenschaftlich verklausulierte Vorstellungvon einer natürlichen Ordnungals Männerbund fand ihreöffentlichen Weihen allerdings zuerstnicht durch Schurtz, sondern durchden Wandervogel-HistoriographHans Blüher. Dieser sah in dem männerbündischenMann den neuen Leistungsträger,der durch die „homoerotischeTriebkraft“ im Männerbund zueinem „charismatischen Männerheld”geformt werde. In seinem Hauptwerk„Die Rolle der Erotik in der männlichenGesellschaft – Eine Theorie der Staatsbildungnach Wissen und Wert“ verherrlichteer den Männerbund als„tiefsten menschlichen Belang“ undverteufelte den Feminismus: „Wehedem Manne, der einer Frau verfiel!Wehe der Kultur, die sich den Frauenauslieferte!“Mann und VolkVölkische Intellektuellenkreise undDiskussionszirkel versuchten in denzwanziger Jahren, dem Ideal des völkischenMännerbundes einen wissenschaftlichenAnstrich zu verleihen. So<strong>Lotta</strong> #29 | Winter 2007/2008 | Seite 7


„<strong>Hart</strong> <strong>wie</strong> Kruppstahl“ | Schwerpunktim brausenden Meer steht die Bewegung,stehen SA und SS in eherner,treuer Geschlossenheit, Mann nebenMann, Mann für Mann, zu einem einzigenBlock geschweißt. […] Kampf istder Vater aller Dinge, im Kampf wurdenwir groß und stark, Kampf istunsere Losung heute und immer.“ DieVerherrlichung der Gewalt paarte sichmit der Verachtung der Frau. WeiblicheSexualität und Lust wurden alsBedrohung für die faschistischeMännlichkeit gedeutet: Das Ideal derFrau im Faschismus war das derSchamhaftigkeit. Reichardt zitierthierbei eine faschistische Chronik überden ersten „Märtyrer“ der italienischenSquadristen, Arturo Breviglieri, diediesem nur nur drei Lieben zugestand:„Italien, seine Mutter und die faschistischenKameraden.“ Die faschistische„Manneskraft“ erschöpfte sich in denEigendarstellungen in Bezug auf dasweibliche Geschlecht in gewaltstrotzendemPotenzgehabe und schlichterTriebentladung an „Flittchen“ und„Huren“.Der bekannteste Bildhauer des NS,Arno Breker, sah in seinen Statuendes „neuen Mannes“ einen Ausdruckvon „göttlicher Schönheit“. Hitler prieszwei der Statuen von Breker als die„schönsten Beispiele künstlerischenSchaffens in Deutschland“. Es handeltesich dabei bezeichnenderweise umzwei Figuren nackter, muskulöserMänner, die „die Partei“ und „die Armee“symbolisieren sollten – eineoffenkundige Inszenierung des NS alserotisierte Männermacht.Homophobie und Furchtvor der FreiheitEine damals äußerst populäreVeröffentlichung homophober Gedankenwar Otto Weiningers Werk„Geschlecht und Charakter“ aus demJahr 1903. Weininger, selbst jüdischerAbstammung, verknüpfte darin einenextremen Frauenhass mit einem ebensoextremen Juden(selbst-)hass. Er sahin den Frauen Hysterie und sexuelle„Zügellosigkeit“, während der wahreMann im sexuellen Akt lediglich „einenschweinischen, animalischen Akt“sehe und im Unterschied zu Frauen,Homosexuellen und Juden tugendhaftund klar sei. Die Juden galten Weiningerals „feminine Wesen“, die „stetslüstern und geil“ seien. Zugleich galtfür Weininger der Jude als „der geboreneKommunist“. Der bekannteSchriftsteller jener Zeit nahm damitzentrale Elemente des faschistischenDenkens vorweg.Der Führer der SS, Heinrich Himmler,der mit seiner Nazi-Elite einen „neuenMännerstaat“ zu schaffen bestrebtwar, offenbarte zugleich eine extremeHomophobie: Körperliche Berührungenzwischen den SS-Männern wurdenunter Strafe gestellt, und in einerRede an die Gruppenführer in Tölz imJahr 1937 schwärmte Himmler von derangeblichen germanischen Praxis,Homosexuelle in den Sümpfen zu ertränkenund damit „die Fehler derNatur aus[zu]merzen“.In der zeitgenössischen Linken wurdendie faschistischen Männerbündeoftmals in diskreditierender Absichtmit Homosexualität in Verbindunggebracht. Propagandistisch ver<strong>wie</strong>sdie linke Presse in den dreißiger Jahrenoft auf eine angebliche Wesensverwandtschaftzwischen Homosexualitätund Faschismus: Unter der Schlagzeile„Warme Brüderschaft im BraunenHaus“ agitierte etwa die sozialdemokratischeParteizeitung MünchenerPost gegen die SA und ihren (homosexuellen)Führer Ernst Röhm. Nicht nurdie linke Presse sondern auch vieleIntellektuelle bestärkten diese Thesen.Erich Fromm etwa stufte 1936 den„autoritären Mann“ als „homosexuellenCharakter“ ein, und WilhelmReich griff gar zu solch schwulenfeindlichenParolen <strong>wie</strong>: „Rottet dieHomosexuellen aus und der Faschismusist verschwunden!“ Kurzum: Diehomophoben Anfeindungen einigerAntifaschisten gegen die Nazis erhieltenargumentativ selbst schon faschistoideZüge.Die Identifizierung von Faschismusmit Homosexualität pathologisiert homosexuelleNeigungen und geht andem Wesen des faschistischen Männerbundesvorbei: der Angst desInszenierung des NSals erotisierte Männermacht –Arno Brekers Statue „Kameradschaft“(männlichen) autoritären Charaktersvor der Homosexualität <strong>wie</strong> vor allemvor der (Frauen-)Emanzipation undder eigenen Freiheit.Die faschistische Utopie vom vollendetenStaat als Einheit von Nationund soldatischem (Männer-)Bund offenbartzugleich deren Paradoxien: Siewill Ausdrucksform männlicher Allmachtsein und stellt zugleich die radikalsteForm der Unterdrückung der(männlichen) Individualität dar. DieserAkt der Unterwerfung unter die staatlicheAllmacht – anstelle deren Aufhebungzu betreiben – ist es, was MaxHorkheimer und Theodor W. Adornoin ihrer Beschreibung des autoritärenfaschistischen Charakters in der„Dialektik der Aufklärung“ beschriebenhaben: „In der freien Sexualitätfürchtet der Mörder die verlorene Unmittelbarkeit,die ursprüngliche Einheit,in der er nicht mehr existierenkann [...] Das Opfer stellt für ihn dasLeben dar, das die Trennung überstand,es soll gebrochen werden unddas Universum nur Staub sein undabstrakte Macht.“<strong>Lotta</strong> #29 | Winter 2007/2008 | Seite 9

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