Pokern als BerufVon Hannah BakkerTsubasa Manabe, 24, hat letztesJahr seinen Bachelor Abschlussin Wirtschaftsingenieurwesenam KIT gemacht. Doch im Gegensatzzu anderen Studenten hat er danacheine Karriere als Pokerprofi begonnen,einen Job, durch den er bereitssein Studium finanzieren konnte…Wi²: Zunächst ein<strong>mal</strong>, wo und in welchemAlter hast du Poker spielen gelernt?TSUBASA: Angefangen mit dem Pokernhabe ich mit 19 während meinesAbiturs. <strong>Ich</strong> habe im Fernseheneine Werbung von einer Online-Pokerschulegesehen. Die haben damitgeworben, dass es ein Strategiespielist. <strong>Ich</strong> war zwar zunächst eherskeptisch, aber es hat <strong>dann</strong> funktioniert.Man bekommt dort Strategieartikelund -videos. Über diese Seitehabe ich gelernt und war <strong>dann</strong> auchnach kurzer Zeit überzeugt, dass esein Strategiespiel ist. Ist es ja auch,sonst gäbe es schließlich keine Profispieler,die damit nachhaltig Geldverdienen.Wi²: War die Schule gebührenpflichtig?TSUBASA: Die Schule ist zunächstkostenfrei. Allerdings zahlt man dasin Form von Gebühren zurück, dieman für die Pokerschule erspielt.Man bekommt dort ein Startguthabenvon 50 $, die man natürlich nochnicht sofort auszahlen kann. Mit denenkann man erst ein<strong>mal</strong> ein bisschenrumprobieren. Unterm Strichkostet es also nichts und ich für meinenTeil habe auch nie wieder etwaseingezahlt.Wi²: Und für alle, die jetzt auch Interessehaben: Wie heißt diese Seite?TSUBASA: Pokerstrategy.com. Sieist in der Pokerscene auch relativ bekannt.Wi²: Das war ja <strong>dann</strong> kurz nachdem2006 Casino Royal in die Kinos kam.Hat Daniel Craig dich mit seinemeleganten Pokerspiel eventuell in derEntscheidung mit dem Pokern zu beginnen,beeinflusst?TSUBASA: Eigentlich eher weniger.<strong>Ich</strong> hatte das Spiel an sich früherals Gambling (Glücksspiel, Anm. d.Red.) abgestempelt und daran habeich überhaupt kein Interesse. <strong>Ich</strong>wurde so erzogen, dass Gambling perse als schlecht angesehen wird. DieTatsache, dass es ein Strategiespielsein soll, hat mich gereizt. Das hatmich zum Pokerspielen gebracht undnichts anderes.Wi²: Du sagst also, dass dich derstrategische Aspekt des Spiels überzeugthat. Hast du früher auch schonStrategiespiele gespielt?TSUBASA: Ja, ich habe, wenn gleichnicht extensiv, auch früher schon immergerne Strategiespiele gespielt.Zum Beispiel gibt es in Japan eineForm von Schach, bei der man geschlageneFiguren wieder einsetzendarf. Das habe ich immer gerne gespielt.Auch mein Vater hat früheranscheinend schon gerne semi-professionellspielbare Strategiespielegespielt.Wi²: Pokert Daniel Craig in CasinoRoyal gut?TSUBASA: <strong>Ich</strong> habe den Film nichtmehr so genau in Erinnerung, aberdie Pokerszene war wahrscheinlichso, dass gute Hände aufeinandertreffen. So etwas passiert sehr seltenund in diesen Situationen kann manmeist nicht anders spielen. Deshalbkann ich da keine Aussagen treffen,ob die Leute, die involviert waren,gut gespielt haben.Wi²: Spielst du auch live am Tischoder eher online?TSUBASA: Mittlerweile spiele ichwieder primär online Poker. In denletzten sechs Monaten nach meinemAbschluss habe ich nur live gespielt.<strong>Ich</strong> <strong>bin</strong> in Europa herumgereist undwar auch ein paar Mal in Las Vegasund habe Turniere besucht. Onlinespiele ich primär Pot Limit Omaha.Das ist eine Variante von TexasHold‘em, nur mit vier Karten, insgesamtein bisschen komplexer undweniger gelöst. Live spiele ich allerdingsHold’em.Wi²: Würdest du sagen, dass Online-Poker einfacher ist, weil die anderenMitspieler nicht in dein Gesicht sehenkönnen?TSUBASA: Das gleiche gilt ja auchfür den Gegner. Pauschal kann manwohl sagen, dass Online-Poker mittlerweiledeutlich härter ist. Dashängt mit vielen Faktoren zusammen.Zum einen gibt es online wenigeFreizeit- und mehr professionelleSpieler. Zudem spielt man im Online-Poker wahrscheinlich die sieben- bisachtfache Menge an Händen, dieman beim Live-Poker spielen würde.Dadurch kristallisiert sich ziemlichschnell heraus, wer verliert undwer gewinnt. Denn trotz der Tatsache,dass Poker auf kurze Sicht einGlücksspiel ist: Auf lange Sicht verlierendie schlechten Spieler. Undda man diese lange Sicht online vielschneller erreicht als live, hängenüber kurz oder lang nur noch die besserenSpieler online rum.Wi²: Auf welche Zeichen und Signaleachtest du beim Online-Poker?TSUBASA: Abgesehen vom Setzen?Wi²: Ja, siehst du dir z.B. an, wie langeder Gegner überlegt?3011. Januar: Vor 90 Jahren wurde erst<strong>mal</strong>sein Diabetes-Patient in Toronto mit Insulinbehandelt.15.Januar: Verleihung der 69. GoldenGlobe Awards findet statt.
TSUBASA: Das kann ein kleinerFaktor sein, ja. Allerdings werdendie nebensächlichen Aspekte des Pokers,wie den Gegner lesen, Emotionenzeigen oder eben auch nicht vonder großen Masse erst <strong>mal</strong> deutlichüberschätzt. <strong>Ich</strong> würde sagen, dassich solche Faktoren auch live vielleichtzu maxi<strong>mal</strong> 5% in Erwägungziehen würde. <strong>Ich</strong> sehe Online-Pokereher als die reine Form von Poker.Wi²: Hast du ein Pokerface? WelcheFähigkeiten machen dich zu einemerfolgreichen Pokerspieler? Setzt dudiese Fähigkeiten auch Im Alltagein?TSUBASA: Pokerface...ja, habe ichbestimmt. <strong>Ich</strong> reagiere einfach nurnicht am Tisch und versuche so wenigeInformationen wie möglichrauszugeben. Ansonsten habe ichseit meiner Kindheit immer auchleistungsmäßig Sport betrieben, wodurchich viel Ehrgeiz und Disziplinhabe, und weiß, dass man sich haltauch in den Arsch treten muss, umwas zu erreichen. Dies hilft mir beimPokern, aber natürlich auch im Alltag.Andersherum habe ich beim Pokerngelernt, relativ unabhängig vonmeinen Resultaten zu agieren. Es istso, dass du im Poker wegen der Varianznicht von den Resultaten aufdie Qualität deines Spiels schließenkannst. Und im Leben ist es jamanch<strong>mal</strong> auch sehr ähnlich – dugibst dein Bestes, mehr kannst dunicht tun, um die Resultate zu beeinflussen.Wenn ich irgendwo jetztmein Bestes gegeben habe und trotzdemirgendwas nicht klappt, <strong>dann</strong>nehme ich das wahrscheinlich lässigerhin als andere Menschen.Wi²: Wann hast du gemerkt, dass dumit dem Pokern genug Geld für deinStudium verdienen kannst?TSUBASA: Direkt Ende 2007 hatteich meinen Eltern gesagt, dass ichkein Geld mehr von ihnen brauche.Das war ca. sieben Monate nachdemich angefangen hatte, Poker zu spielen.Da haben meine Eltern aucherst<strong>mal</strong> ein bisschen geguckt.Wi²: Hast du deinen Eltern auch direktvom Pokern erzählt?TSUBASA: Ja klar.Wi²: Und das fanden die okay?TSUBASA: Ja, also solange ich dasStudium nicht vernachlässigt habe,fanden sie es voll in Ordnung. Obsie es begrüßen, dass ich jetzt Pokerprofigeworden <strong>bin</strong>, weiß ich nichtso genau. Aber meine Eltern hattenimmer die Politik, dass die Kinder,sobald sie 18 wurden, selbst für ihreTaten verantwortlich sind. Sie sinddem Poker gegenüber auf jeden Fallnicht negativ eingestellt.Wi²: Du hast gesagt, dass du mit demGeld der Pokerschule angefangenhast. Bist du irgendwann auch überden Kreis dieser Schule hinausgegangen?Hast du da <strong>dann</strong> eigenes Geldgesetzt? Oder für andere gespielt?TSUBASA: Ja, also das wird nuneher komplex. Eigenes Geld habe ichnie gesetzt. 50 Dollar habe ich bekommen,die habe ich vermehrt undnur damit gespielt. Außerdem warich im gesponserten Team von Pokerstrategy.In der Regel funktioniertdas so, dass die Firma die Startgelderfür größere Turniere zahlt undsie dementsprechend einen großenAnteil meiner Gewinne bekommen.Nennt sich Staking Deal. Und ja,die größeren Live-Turniere habe ichfast alle über dieses Sponsoring gespielt.Hätte ich das Angebot nichtgehabt, hätte ich aber viele davonwahrscheinlich nur mit meinem Geldgespielt.Wi²: Also dein Risiko bei diesen Angebotenist einfach nur, dass du beimnächsten Mal kein Angebot mehr bekommenkönntest?TSUBASA: Genau. Also finanzielleRisiken habe ich nicht, allerdingsgewinne ich halt auch weniger, weilmein Share (Gewinnanteil, Anm. d.Red.) nicht so groß ist.Wi²: Bist du risikofreudig beim Pokerspielen?TSUBASA: Beim Pokerspielen versucheich mich möglichst risikoneutralzu verhalten und nur nach Erwartungswertzu gehen. Abseits desSpiels <strong>bin</strong> ich wahrscheinlich einziemlich risikoscheuer Mensch.Wi²: Du hast dein Studium bereitsdurch das Pokern finanziert. Wie vieleStunden am Tag hast du dafür imSchnitt pokern müssen?TSUBASA: Pokern müssen wahrscheinlichkaum. Gepokert habeich… keine Ahnung, du kennst ja dasStudentenleben. Drei Monate nichtsmachen, drei Monate nur in der Bibhocken und lernen. Und in den dreiMonaten, in denen ich gelebt habe,habe ich vielleicht im Schnitt dreiStunden am Tag gespielt. Um michüber Wasser zu halten, hätte ichwahrscheinlich nur so ein<strong>mal</strong> proWoche drei bis vier Stunden spielenmüssen.Wi²: Würdest du sagen, dass Pokerndeine Leidenschaft ist, oder ist esauf Grund deines Talents eher Mittelzum Zweck?TSUBASA: Am Anfang hat mir Pokernziemlich viel Spaß gemacht.Und um gut zu werden muss manglaube ich auch eine gewisse Leidenschaftmitbringen. Allerdings ist diebei mir mittlerweile ziemlich verflogen.Und es ist auf jeden Fall Mittelzum Zweck geworden, um meine Lebensziele– ich weiß noch nicht wasdie sind – zu erreichen. <strong>Ich</strong> könntedas Pokern aber nicht mein Lebenlang als Job betreiben, weil ich ebenprimär anderen Menschen das Geldaus der Tasche ziehe. <strong>Ich</strong> will schonirgendwann etwas Produktives undfür die Gesellschaft Sinnvolles machen.Wi²: Gab es auch <strong>mal</strong> Zeiten in denendas mit dem Pokern nicht so gut lief?Zum Beispiel auch während des Studiums?Wann? Warum?TSUBASA: Ob es die gab? Natürlichgab es die. Poker ist einfach ein Spielmit extrem großer Varianz. Wanngenau das war, weiß ich jetzt nichtmehr. Es ist eben in der Natur desSpiels, dass so viel Varianz dabei ist– plus, wenn es eben nicht gut läuft,<strong>dann</strong> spielt man tendenziell auchschlechter, was den Effekt noch verstärkt.Aber solange man nicht broke(pleite, Anm. d. Red.) geht – und dassollte man nicht, wenn man mit seinemKapital relativ gut umgeht – gehörtdas einfach dazu.Wi²: Warst du schon ein<strong>mal</strong> an demPunkt, an dem du mit dem Spielenaufhören wolltest?TSUBASA: Das ist eine gute Frage.Wenn ich jetzt finanziell ausgesorgthätte, <strong>dann</strong> würde ich sofort aufhören.Allerdings mit dem pokern aufhören,weil es schlecht lief, diesenDrang hatte ich noch nie. Mein Zielist jetzt erst <strong>mal</strong> so viel Geld zu machenwie möglich, in einer bestimmtenZeit, die ich mir gegeben habe.Und wenn das nicht klappt, ist auchokay.Wi²: Wie viel Zeit hast du dir gegeben?TSUBASA: Also ich hab mir jetzt einZeitfenster von einem Jahr gegeben16.-20. Januar: Wahlen zum <strong>Fachschaft</strong>svorstand19.Januar: Das <strong>WiWi</strong>Wi rockt die Stadt.31