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Drei Baustile vereint das alte Gemäuer.<br />
Das Familienwappen prangt über dem Haupteingang.<br />
ist“, berichtet Joachim von Levetzow.<br />
Der 67-jährige Mann mit<br />
dem schneeweißen Haarschopf<br />
trägt Jeans und Lodenjoppe.<br />
Während er die Wege seiner Vorfahren<br />
schildert, lehnt er sich<br />
genüsslich im Sessel zurück.<br />
Dann zuckt er kurz mit den<br />
Schultern und vermutet: „Einer<br />
aus der Familie muss gesagt<br />
haben, hier gehör ich nicht hin,<br />
ich will wieder zurück in den Norden.“<br />
Im Jahr 890 nämlich taucht<br />
in Bremen ein Bischof von Levetzow<br />
auf. Und als 1190 die ersten<br />
Kreuzritter aus dem Bistum<br />
Lübeck/Bremen nach Mecklenburg<br />
zogen, könnte einer seiner<br />
Söhne dabei gewesen sein. Joachim<br />
von Levetzow schmunzelt<br />
und kommentiert: „Das ist natürlich<br />
alles nur Spekulation und<br />
alles was noch davor war, ist bei<br />
der Sintflut verloren gegangen.“<br />
Fest steht: Im Schloss Lelkendorf<br />
hatte die Familie bereits 1225<br />
ihren Sitz. Im Keller sieht man<br />
<strong>ROSTOCK</strong> delüx 4/2010<br />
noch heute die Grundmauern<br />
und drei Tonnengewölbe aus<br />
jener Zeit. Alles übrige wurde<br />
1629 von Wallensteins Truppen<br />
niedergebrannt – die adeligen<br />
Bewohner hatten den Fehler,<br />
nicht katholisch, sondern evangelisch-lutherisch<br />
zu sein. Joachim<br />
von Levetzow steht aus<br />
dem Sessel auf, holt ein dickes<br />
Buch aus dem Regal und packt es<br />
auf den Tisch. Während er mit<br />
dem Finger auf einen Stammbaum<br />
zeigt, spottet er: „Das<br />
Kuriose war, dass Wallenstein mit<br />
einer Gräfin Harrach verheiratet<br />
war. Und hier sieht man, dass<br />
meine Großmütter mütterlicherseits<br />
und väterlicherseits auch<br />
aus diesem Geschlecht stammten.<br />
Hätte er gewusst, dass er da<br />
seine spätere Verwandtschaft<br />
brandschatzt, dann hätte er das<br />
Schloss vielleicht verschont.“<br />
Wenn von Levetzow an den<br />
30jährigen Krieg denkt, dann verfinstert<br />
sich seine Mine. Im<br />
benachbarten Neukalen, das<br />
damals schon Stadtrecht besaß,<br />
hätte es nach den Feldzügen nur<br />
noch acht lebende Menschen<br />
gegeben. Er schüttelt den Kopf<br />
und erklärt: „Die Truppen sind<br />
hier hin und her gezogen, raubten<br />
den Bauern alles, was sie hatten<br />
und nahmen die Mädchen<br />
gleich auch noch mit, weil sie ja<br />
unterwegs was für ihre sexuelle<br />
Lust brauchten. Das war ziemlich<br />
rüde. Aber alles passierte natürlich<br />
immer im Namen Christi.“<br />
Aus der Familie von Levetzow<br />
überlebte nur ein männlicher<br />
Nachfahre mit Namen Friedrich.<br />
Von dem stammen heute alle<br />
norddeutschen Levetzows ab.<br />
Und er war es auch, der das<br />
Schloss doppelt so groß wie<br />
zuvor im Renaissance-Stil neu<br />
errichtete. Doch Bauen ist<br />
Modesache. Spätere Generationen<br />
hatten andere Vorstellungen<br />
von einem repräsentativen Herrschaftssitz<br />
und wandelten 1889<br />
alles noch einmal im damals<br />
aktuellen Tudorstil um, verpass -<br />
ten dem Bauwerk einen Turm<br />
und erweiterten die Eingangshalle<br />
durch einen Vorbau im<br />
Sezessionsstil.<br />
Joachim von Levetzow selbst<br />
erblickte im Schloss 1943 das<br />
Licht der Welt. Für seine Eltern<br />
war das freudige Ereignis umso<br />
wichtiger, als es nach drei<br />
Mädchen nun endlich auch einen<br />
Stammhalter gab. Am liebsten<br />
hätten sie sofort die Familienfar-<br />
ADEL<br />
ben Rot und Weiß gehisst, sorgten<br />
sich aber, ob es Ärger geben<br />
könnte, wenn nicht zugleich<br />
auch die Hakenkreuzfahne am<br />
Giebel weht. So kam es, dass der<br />
Wimpel der von Levetzows nur<br />
ganz verstohlen über Nacht<br />
hochgezogen und am Morgen<br />
schnell wieder eingeholt wurde.<br />
Zwei Jahre später, als vom „Endsieg“<br />
der Nationalsozialisten niemand<br />
mehr sprach, wären die<br />
Lelkendorfer Schlossherren am<br />
liebsten frühzeitig geflohen,<br />
doch schon die Vorbereitung<br />
eines Trecks war damals unter<br />
Androhung der Todesstrafe verboten.<br />
Joachim von Levetzow<br />
blickt zurück: „Als am 8. Mai die<br />
Russen mit ihren Panzern kamen,<br />
ist meine Mutter ihnen mit der<br />
weißen Fahne in den Händen<br />
entgegengegangen.“ Im November<br />
dann kam der Ausreisebefehl,<br />
die Adeligen wurden in Malchin<br />
auf Viehwagen verladen und von<br />
dort nach Altenburg gebracht. 14<br />
Tage dauerte der Transport. Mit<br />
im Zug war unter anderem auch<br />
die Familie von Hahn aus Basedow.<br />
„Deren Haushälterin hatte<br />
einen Nachtstuhl mitgebracht<br />
und so hatten wir in unserem<br />
Waggon wenigstens so etwas<br />
wie eine Toilette.“<br />
Reichtümer konnte auf diese<br />
Reise niemand mitnehmen. Die<br />
Mutter war an Gelbsucht<br />
erkrankt, ihre Kinder waren eins,<br />
zwei, sieben und acht Jahre alt.<br />
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