12 Solarhaus Entspannt leben und arbeiten: Christian Stumpf und der Rest des Projektteams verbinden im Solarhaus ein pfi ffi ges Energiekonzept mit hohen ästhetischen Anforderungen.
Der Mensch steht im Mittelpunkt Mit ihrem Passivhaus gewannen Darmstädter Studenten den „Solar Decathlon“ der USA – und ein Höchstmaß an Selbstständigkeit und Verantwortung Nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt, von wo aus ein Land regiert wird, das zu den größten Energieverbrauchern der Welt zählt, stehen im Sommer 2007 zehn Tage lang 20 Energiesparhäuser. Sie nehmen am Architekturwettbewerb „Solar Decathlon USA 2007“ in Washington teil. Eine Jury sucht dabei nach dem Haus, das sich als besonders energieeffi zient erweist und die meisten Punkte in zehn Kategorien – wie zukunftsfähige Wohnformen oder Behaglichkeit – einheimst. Am Ende heißt es: „The winner is“ – das Solarhaus der Technischen Universität Darmstadt. Das Projektteam aus Stu denten des Fachgebiets „Entwerfen und Energieeffi zientes Bauen“ am Fachbereich Architektur setzt sich gegen Mitbewerber aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Spanien durch. Ihr Solarhaus sei „eine Klasse für sich“, so das Lob der Jury für das Gebäude mit den vielen Solarzellen und der eleganten Fassade aus Eichenholzlamellen. Hausenergie versorgt auch ein Auto Sichtbar beeindruckt sind auch die 160.000 Amerikaner, die sich das 75 qm2 große Energiespardomizil anschauen. Im Inneren staunen sie über den Komfort und das ästhetisch-funktionale Design der Räume und Möbel. In der Mitte sind Bad, Küche und die Haustechnik installiert. Im aufklappbaren Boden sind Bett und Sitzkuhle eingelassen. Bei Bedarf lassen sich dort auch alle Möbel verstauen. Die Kühltechnik steckt in der Decke, dort ist auch das Beleuchtungssystem integriert. Als Prototyp für zwei Bewohner gedacht, kann das Solarhaus durch Aufstocken oder Anbauen von Modulen erweitert werden. Mit seinem pfi ffi gen Stromgewinnungskonzept hat das Solarhaus die Wettbewerbskriterien sogar übererfüllt. Denn es erzeugt mit den Solarzellen auf dem Dach und an den Außenwänden deutlich mehr Energie, als es verbraucht – und kann damit noch ein Elektroauto mit Strom versorgen. Von Anfang an wollten die Nachwuchswissenschaftler den Energiebedarf des Hauses so gering wie möglich halten. So verbraucht das Darmstädter Modell dank hochmoderner Wärmedämmung und Technik nur 25 Prozent der Heizenergie eines normalen Neubaus. Feuer und Flamme für zündende Idee Begeistert hat die Jury das in zwei Jahren <strong>Arbeit</strong> entstandene Haus auch wegen seiner Kosten. In den nächsten Jahren könnte es zum Preisschlager für klimaschonende Immobilien werden, auch wenn der Prototyp derzeit mit einem Preis von rund 500.000 Euro wohl nur etwas für Besserverdienende ist. In Serienreife soll das Haus, das für seinen Entwurf auch den Wohnpreis der Ikea-Stiftung gewonnen hat und im Wettbewerb „Deutschland - Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde, im Jahr 2015 nicht mehr als rund 250.000 Euro kosten. Schon jetzt führt man Verhandlungen mit einem Fertighaus-Hersteller. Das erste Kapitel dieser Erfolgsgeschichte schrieben zwei Frauen: Die Architektur- Studentinnen Barbara Gehrung und Isabell Schäfer besuchen 2004 die USA, hören vom „Solar Decathlon“ und gewinnen nach der Rückkehr an die TU Professor Manfred Hegger für die Idee einer Teilnahme am Wettbewerb. Es folgen Monate mit Meetings, Plänen, Entwürfen und immer wieder Exkursionen in die Staaten, um sich dort für den Wettbewerb fi t zu machen. Im Sommer 2006 fordert dann ein Aushang an der TU Darmstadt die Studenten auf, sich für das Projekt „Solar Decathlon“ zu bewerben. Einer von ihnen ist Christian Solarhaus 13 Stumpf, der schon auf ein beachtliches Engagement zurückblicken kann: Er ist Vorsitzender seiner Studentenverbindung, im Fachbereich entwickelt er den Master- Studiengang mit. „Mich ehrenamtlich zu engagieren war stets die beste aller Möglichkeiten“, erzählt der heute 24-Jährige. Mit acht Jahren bekommt er den ersten Fischertechnik-Baukasten, seither lässt ihn die Liebe zum Konstruieren nicht mehr los. Doch Christian Stumpf interessiert noch mehr: die <strong>Kunst</strong> und das Extreme. Er spielt Theater, fotografi ert, baut Feuerwerkskörper, lernt Jonglieren mit brennenden Fackeln. Kein Wunder, dass so einer schnell Feuer und Flamme dafür ist, mit Gleichgesinnten an einem ungewöhnlichen Projekt zu arbeiten: „Mich reizte, im Team praktische Erfahrungen zu sammeln und mich zu beweisen.“ Mit ihm sind es 25 angehende Architekten und Ingenieure, die sich zum Projektteam formieren. Bedächtige, Pragmatiker und Hitzköpfe. Keine leichte Aufgabe für Professor Manfred Hegger und die Projektleiterinnen, Andrea Georgi-Tomas, Barbara Gehrung und Isabell Schäfer, daraus ein Team zu bilden und Organisationsprozesse festzulegen. Trotz aller Unterschiede, in einem sind sich die Projektteilnehmer einig: Sie wollen sich bewusst von den Weltverbesserungs-Ideen der Öko-Bewegung abgrenzen, die sich in den 1970er Jahren für Öko-Häuser stark<strong>macht</strong>e. „Wir denken ökologisch, sind aber pragmatische Realisten. Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt, und das Solarhaus soll ihm einen besseren Lebensstandard bieten, als es ein konventionelles Wohnhaus kann“, so Christian Stumpf. Das schließt aber zukunftsfähiges, klimaschonendes Bauen mit geringem Energieverbrauch nicht aus.