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Nr. 5 - Notarkammer

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Verdachts der Fahrerflucht gem. § 170<br />

Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt, die Sache<br />

zwecks Ahndung einer evtl. begangenen<br />

Ordnungswidrigkeit gem. § 43<br />

OWiG an die zuständige Verwaltungsbehörde<br />

abgegeben und der Einspruch<br />

gegen den Bußgeldbescheid<br />

zurückgenommen worden war.<br />

Nach Auffassung des Gerichts löst die<br />

anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des<br />

strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens<br />

eine volle Gebühr nach den §§ 84<br />

Abs. 2 <strong>Nr</strong>. 1, 83 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 3<br />

BRAGO aus. Die Einstellung eines<br />

staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens<br />

sei nicht nur eine vorläufige,<br />

sondern eine endgültige Verfahrenseinstellung<br />

i. S. v. § 84 Abs. 2<br />

<strong>Nr</strong>. 1 BRAGO, auch dann, wenn die<br />

Sache wegen möglicher Ordnungswidrigkeiten<br />

an die Bußgeldbehörde<br />

abgegeben wird. Die Regelung des<br />

§ 84 BRAGO stehe im 6. Abschnitt<br />

der BRAGO und damit in dem<br />

Abschnitt über die Gebühren in Strafsachen,<br />

sodass schon nach systematischen<br />

Gesichtspunkten das in § 84<br />

BRAGO erwähnte „Verfahren“, also<br />

das Strafverfahren bzw. das staatsanwaltschaftliche<br />

Ermittlungsverfahren,<br />

bezogen auf Straftaten, gemeint sei.<br />

Der Einwand, wegen der Abgabe der<br />

Sache an die zuständige Verwaltungsbehörde<br />

liege keine endgültige Einstellung<br />

vor, trage nicht. Bei dem staatsanwaltschaftlichen<br />

Ermittlungsverfahren<br />

und dem nachfolgenden Bußgeldverfahren<br />

handele es sich nicht um „dieselbe<br />

Angelegenheit“<br />

i. S. v. § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO. Von<br />

einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen<br />

Sinne könne nur ausgegangen<br />

werden, wenn ein einheitlicher Auftrag<br />

vorliegt, bei der Verfolgung mehrerer<br />

Ansprüche oder Vorwürfe der gleiche,<br />

einheitliche Rahmen eingehalten wird<br />

und zwischen den einzelnen Gegenständen<br />

ein innerer objektiver Zusammenhang<br />

besteht. An einem gleichen,<br />

einheitlichen Rahmen fehle es im vorliegenden<br />

Falle, denn dieser würde<br />

durch die Verfahrensordnungen, die<br />

beteiligten Behör-den und die ver-<br />

schieden zu qualifizierenden Unrechtsvorwürfe<br />

der in den Verfahren abzuhandelnden<br />

Tat vorgegeben. Strafverfahren<br />

und Bußgeldverfahren seien<br />

unterschiedliche Verfahrensarten vor<br />

zwei verschiedenen staatlichen Einrichtungen,<br />

denen auch unterschiedliche<br />

Verfahrensordnungen zugrunde<br />

liegen. Die BRAGO trage den<br />

getrennten Verfahrensordnungen<br />

dadurch Rechnung, dass sie die<br />

Gebühren für verschiedene Verfahren<br />

auch in verschiedenen Abschnitten des<br />

Gesetzes regelt. Für das Strafverfahren<br />

bestimme § 87 BRAGO, dass durch<br />

die Gebühren nach den §§ 83 ff.<br />

BRAGO die gesamte Tätigkeit des RA<br />

als Verteidiger abgegolten wird, damit<br />

konkretisiere aber § 87 BRAGO den<br />

Begriff „dieselbe Angelegenheit“ des<br />

§ 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO dahingehend,<br />

dass als solch eine Angelegenheit allein<br />

die Tätigkeit des RA als Verteidiger im<br />

Strafverfahren zu sehen ist. Die Tätigkeit<br />

des RA als Verteidiger im Bußgeldverfahren<br />

sei demgegenüber innerhalb<br />

der BRAGO in einem anderen,<br />

dem 7. Abschnitt geregelt und insoweit<br />

von § 87 BRAGO nicht umfasst,<br />

sodass diese Tätigkeit nicht mit der<br />

Gebühr im Strafverfahren abgegolten<br />

sein soll.<br />

Der fehlende einheitliche Rahmen<br />

werde auch nicht dadurch überwunden,<br />

dass der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten<br />

möglicherweise ein<br />

einheitlicher Auftakt zugrunde liegt.<br />

Dieses Kriterium sei nicht geeignet,<br />

die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung,<br />

Ordnungswidrigkeiten<br />

bzw. Bußgeldverfahren und Strafverfahren<br />

zu trennen, zu übergehen.<br />

Liege bereits eine konkrete Wertung<br />

des Gesetzgebers im Rahmen eines<br />

Regelwerks vor, so sei diese auch und<br />

gerade bei der Auslegung einzelner<br />

Begriffe zugrunde zu legen. Dies<br />

zeige auch die anerkannte Handhabe<br />

der Abrechnung zivilrechtlicher<br />

Angelegenheiten, die sich aus einer<br />

Verkehrsstrafsache oder Ordnungswidrigkeit<br />

ergeben. Trotz in der Regel<br />

umfassender Bevollmächtigung seien<br />

die Gebühren für die Tätigkeit in solchen<br />

Angelegenheiten unstreitig von<br />

den in §§ 83 ff. BRAGO festgesetzten<br />

Gebühren nicht umfasst und unab-<br />

hängig von diesen gesondert geltend<br />

zu machen.<br />

Auch das mögliche Vorliegen eines<br />

einheitlichen Lebenssachverhalts reiche<br />

allein für die Annahme des Vorliegens<br />

„derselben Angelegenheit“ i. S. v.<br />

§ 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO nicht aus.<br />

Aus einer einheitlichen strafprozessualen<br />

Tat i. S. v. § 264 Abs. 1 StPO<br />

ergebe sich nicht zwingend „dieselbe<br />

Angelegenheit“ i. S. v. § 13 Abs. 2 S. 1<br />

BRAGO. Da die BRAGO erkennbar<br />

nach Verfahrensarten unterscheide, sei<br />

ein Begriff aus einer dieser Verfahrensarten<br />

gerade nicht geeignet, einen<br />

einheitlichen, unterschiedliche Verfahrensarten<br />

umfassenden Gebührentatbestand<br />

im Rahmen der BRAGO zu<br />

begründen. Es verbleibe vielmehr bei<br />

der vom Gesetzgeber getroffenen, insbesondere<br />

auch in § 87 BRAGO ausgedrückten<br />

Wertung als getrennt zu<br />

verfolgende und abzurechnende<br />

Angelegenheit.<br />

Da es sich also bei dem eingestellten<br />

staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren<br />

und dem nachfolgenden<br />

Bußgeldverfahren um zwei verschiedene<br />

Angelegenheiten handele, stehe<br />

den Prozessbevollmächtigten für<br />

deren Tätigkeit in dem nachfolgenden<br />

Bußgeldverfahren eine Gebühr nach<br />

den §§ 105 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 84<br />

Abs. 2 <strong>Nr</strong>. 3 BRAGO zu, denn<br />

danach könne im Bußgeldverfahren<br />

bei Rücknahme des Einspruchs die<br />

volle Gebühr i. S. v. § 83 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 3<br />

BRAGO berechnet werden. § 84 Abs.<br />

2 BRAGO gelte nach richtiger Ansicht<br />

schon ausweislich des Wortlauts<br />

von § 105 BRAGO auch im Verfahren<br />

vor der Verwaltungsbehörde.<br />

(Fundstelle: Anwaltsgebühren Spezial<br />

2002, S. 225 ff.) *<br />

*) Anm.: Die entschiedene Frage ist streitig.<br />

– Für „dieselbe Angelegenheit“ i. S. d. § 13<br />

Abs. 1 BRAGO: LG Kempten, JurBüro1991,<br />

68; AG St. Ingbert MDR 98, 373; AG Saarbrücken,<br />

RuS 93, 264; LG Aachen, JurBüro<br />

92, 28; LG St. Ingbert, JurBüro 2002, 471<br />

– Für mehrere Angelegenheiten: AG Hildesheim,<br />

AGS 1996, 140; LG Lörrach, AGS<br />

1999, 70; AG Iserlohn, JurBüro 1999, 413.<br />

KammerReport Hamm 5/2002<br />

Rechtsanwaltskammer<br />

Rechtsprechung<br />

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