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Zur Brutbiologie und Brutphänologie von Stockenten Anas ...

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344 DIERSCHKE: <strong>Zur</strong> <strong>Brutbiologie</strong> <strong>von</strong> <strong>Stockenten</strong>Material <strong>und</strong> MethodenVon Mitte April bis Mitte Juli 1989 wurden bekannteBrut- <strong>und</strong> Aufzuchtgewässer der Stockenteteilweise nahezu täglich, teilweise in etwaeinwöchigen Abständen besucht. Im Stadtgebiet<strong>von</strong> Göttingen wurde besonders der Kiesseeam Südrand der Stadt kontrolliert (Detailszum Lebensraum s. HEITKAMP et al. 2001), aberauch die zwischen Göttingen <strong>und</strong> Rosdorf gelegeneTongrube Ascherberg, der Levinpark inGöttingen-Grone <strong>und</strong> das im gleichen Ortsteilbefindliche Flöte-Rückhaltebecken. Als siedlungsferneLebensräume wurden in erster Liniedie Schlammteiche der Zuckerfabrik Nörten-Hardenberg (s. RIEDEL 1978, SCHMIDT 1985;Mitte der 1990er Jahre eingeebnet) aufgesucht,ergänzende Daten stammen vom SeeburgerSee, dem benachbarten Lutteranger, den NortheimerKiesseen <strong>und</strong> dem HochwasserrückhaltebeckenSalzderhelden. Beobachtungen <strong>von</strong>der Leine wurden je nach Lage den städtischenoder ländlichen Lebensräumen zugeschlagen.Bei allen gesichteten <strong>Stockenten</strong>familien wurdedas Alter der Jungen geschätzt, um denSchlupftermin zurückrechnen zu können. Danur in wenigen Fällen Familien mit mehr alseine Woche alten Jungen neu entdeckt wurden,ist bei den Schätzungen des Schlupfterminseine Genauigkeit <strong>von</strong> 1-2 Tagen anzunehmen.Jungvögel im Alter <strong>von</strong> mehr als zwei Wochen(insgesamt zehn Familien) wurden für die phänologischeAuswertung nicht berücksichtigt.Neben dem Alter der Jungen wurde derenAnzahl <strong>und</strong> deren Phänotyp notiert, außerdemder Phänotyp des Weibchens. Letzteres erfolgte,um den Anteil <strong>von</strong> domestizierten Entenbzw. deren Nachkommen zu ermitteln. Als „normalgefärbt“ galten jeweils Vögel, die das artgemäßbraun-schwarz gemusterte Gefiederder Weibchen (z. B. BEAMAN & MADGE 1998)bzw. gelb-dunkelbraune Dunenkleid (z. B.HARRISON & CASTELL 2004) trugen. Unter den„anormal gefärbten“ Vögeln wurden Weibchenmit teilweise weißem oder dunkelbraunemGefieder sowie einfarbig gelbe oder dunkelbrauneKüken zusammengefasst.ErgebnisseNach dem Alter der Jungen bei ihrer erstenBeobachtung schlüpften <strong>Stockenten</strong> imFrühjahr 1989 vom 10.4.-10.7. (Stadt) bzw. vom27.4.-2.7. (Land). Mittelwerte <strong>und</strong> Mediane sowohlder Lebensraumtypen als auch der jeweilswichtigsten Gewässer unterschieden sich deutlich,wobei die Bruten in der Stadt deutlichfrüher stattfanden als in siedlungsfernen Gebieten(Tab. 1, Abb. 1).Die Familiengröße unterschied sich nicht zwischenstädtischen <strong>und</strong> siedlungsfernen Lebensräumen,allerdings verringerte sich in derStadt die Anzahl der Jungen mit späteremSchlupfdatum (Tab. 2). Im Gegensatz dazuwaren auf dem Land die spät geschlüpftenFamilien besonders groß.An den stadtnahen Gewässern waren <strong>von</strong> 29vollständig erkannten Familien 22 (76 %) normalgefärbt. Bei fünf Familien (17 %) trug zwardas Weibchen ein normales, aber mindestensein Küken ein zu helles oder zu dunkles (meistgelbes bzw. schwarzbraunes) Gefieder. ZweiWeibchen (7 %) waren ungewöhnlich gefärbt<strong>und</strong> führten mindestens einen anormalen Jungvogel.An den siedlungsfernen Gewässern warenalle 24 beobachteten Weibchen <strong>und</strong> sämtlicheKüken normal gefärbt. In Erweiterung die-Tab. 1: Mittelwerte <strong>und</strong> Mediane <strong>von</strong> Schlupfterminen Göttinger <strong>Stockenten</strong> in urbanen <strong>und</strong> ländlichen Lebensräumen(jeweils auch für die wichtigsten beiden Einzelgebiete). Die Mittelwerte <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Land bzw. <strong>von</strong>Kiessee <strong>und</strong> Schlammteichen unterscheiden sich signifikant (t = 2,108, p < 0,05 bzw. t = 30,94, p < 0,01). –Arithmetic mean and median of hatching dates of Mallards <strong>Anas</strong> platyrhynchos in urban and rural habitats inand near the town of Göttingen, Lower Saxony, Germany (data of the two most important sites are also shown).The differences between urban and rural sites as well as between the two major sites are significant.Stadt(alle Gebiete)Land(alle Gebiete)Kiessee Göttingen(Stadt)NörtenerSchlammteiche(Land)n (Familien) 45 20 35 14Mittelwert 22.05. 03.06. 25.05. 11.06.Standardabw. 23 Tage 16 Tage 23 Tage 13 TageMedian 22.05. 08.06. 27.05. 11.06.


Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 37 (2005) 345ser Ergebnisse kann für dieJahre 1988-1990 mitgeteiltwerden, dass am KiesseeGöttingen 78 % aller Familien(n = 54) <strong>und</strong> 93 % allerKüken (n = 349) normalesGefieder zeigten, ebensoalle 41 Familien <strong>und</strong> alle312 Küken an den NörtenerSchlammteichen. Vonden am Kiessee abweichendgefärbten Kükenwaren 11 zu hell <strong>und</strong> 12 zudunkel.Anzahl Familien109876543210Tab. 2: Mittlere Anzahl Küken pro Weibchen bei <strong>Stockenten</strong>-Familien in städtischen<strong>und</strong> ländlichen Lebensräumen in Abhängigkeit vom Schlupfzeitpunkt.Die Mittelwerte aller Familien basieren auf einer größeren Stichprobe als dieSumme der Monatsdrittel, weil bei einigen Küken der Schlupftermin nichtgeschätzt werden konnte. Der Stadt-/Land-Unterschied ist nicht signifikant(t = 0,289, p > 0,05). – Mean number of chicks per female Mallard <strong>Anas</strong> platyrhynchosin urban and rural habitats in relation to breeding time (differencenon-significant).StadtLandMonatsdrittel n Mittelwert n Mittelwert21.-30.04. 5 10,801.-10.05. 8 8,011.-20.05. 7 5,9 3 7,021.-31.05 9 6,2 4 6,801.-10.06. 6 6,0 5 6,611.-20.06. 3 5,7 4 10,001.-10.07. 4 4,8alle 48 6,58 ± 3,55 26 7,46 ± 3,04A4 M4 E4 A5 M5 E5 A6 M6 E6 A7 M7 E7Zeit (Monatsdekaden)DiskussionZwischen den Lebensräumeninnerhalb <strong>und</strong> außerhalbstädtischer Siedlun-21.-30.06.gen scheinen den Ergebnissenaus dem Jahr 1989zufolge deutliche Unterschiedehinsichtlich der Brutphänologie zubestehen. Unter Hinzunahme der in gleicherWeise, aber etwas weniger intensiv aufgenommenenDaten aus dem Jahr 1988 ergibtsich eine noch deutlichere Differenz derSchlupfmediane (Stadt: 14.5., n = 58; Land:17.6., n = 40). Es liegt zunächst nahe, dass essich um klimatische Effekte handeln könnte, daauch andere Vogelarten in wärmeren Stadtlebensräumenfrüher mit der Brut beginnen alsim kälteren Umland (BEZZEL 1982). Welche mittelbarenEffekte solcher Klimaunterschiede zuabweichender Brutphänologie führen könntenmuss jedoch offen bleiben. Denkbar ist, dassdie unterschiedlichen Brutzeiten auf das jeweiligeNahrungsangebot, vor allem während derKükenperiode, abgestimmt sind (vgl. PEHRSSON1984). Möglicherweise profitieren die <strong>Stockenten</strong>an städtischen Parkgewässern<strong>von</strong> der starken Zufütterungdurch SpaziergängerStadtLandAbb. 1: Schlupftermine Göttinger <strong>Stockenten</strong> in urbanen <strong>und</strong> ländlichenLebensräumen nach Monatsdekaden. - Hatching dates (monthly decades)of breeding Mallards <strong>Anas</strong> platyrhynchos in and near the town ofGöttingen in urban (black columns) and rural habitats (grey columns).<strong>und</strong> können deshalb früherbrüten. Auch die Nistplatzwahlmag den Zeitpunkt des Brutbeginnsbeeinflussen. Währenddie Vögel z. B. an den NörtenerSchlammteichen in dichter Vegetationam Boden bzw. aufDämmen nisteten <strong>und</strong> dahervielleicht einen gewissen Entwicklungsgradder Pflanzenabzuwarten hatten, wurdenaus der Stadt Bruten etwa aufBalkonen oder Dächern bekannt(DÖRRIE 2005). Indirektkönnte daher der Prädationsdruckim Hinblick auf dieDeckung der Nester eine Rollespielen, doch sind für die


346 DIERSCHKE: <strong>Zur</strong> <strong>Brutbiologie</strong> <strong>von</strong> <strong>Stockenten</strong>Stockente keine diesbezüglichen Fakten bekannt(LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005).Obwohl ein Einfluss auf die Brutphänologie <strong>und</strong>–biologie spekulativ bleiben muss, scheinenzwischen den städtischen <strong>und</strong> ländlichen<strong>Stockenten</strong> im Göttinger Raum genetische Unterschiedezu bestehen. Ein Indikator dafür istder Anteil anormal gefärbter Weibchen <strong>und</strong>Jungvögel. Ende der 1980er Jahre fehlten solcheIndividuen zumindest unter den Brutvögelnan den siedlungsfernen Gewässern, währendsie in der Stadt etwa jede vierte Familie betrafen.Dieser Unterschied scheint sich zu verstärken,denn gegenüber 7 % im Jahr 1989 waren2004 am Kiessee Göttingen ca. 40 % der Jungeführenden Weibchen fehlfarben, im Levinparksogar 50 %, während solche Individuen mitZuchtformeinfluss an siedlungsfernen Gewässern„nur in geringer Zahl“ auftraten (DÖRRIE2005). Von einer Stadt-Land-Diskrepanz imVorkommen fehlfarbener <strong>Stockenten</strong> wird auchaus anderen Regionen berichtet (z. B. BERNDTet al. 2002, RANDLER 2002). Da die städtischen<strong>Stockenten</strong> das Göttinger Stadtgebiet nur beiVereisung der Gewässer verlassen (DÖRRIE2005) <strong>und</strong> verschiedene Faktoren gegen eineAnsiedlung im Umland sprechen (RANDLER2002), ist offenbar nicht mit einer Besiedlungsiedlungsferner Brutgebiete durch fehlfarbeneStadtvögel zu rechnen.Summary - Breeding biology and phenologyof Mallards <strong>Anas</strong> platyrhynchosin urban and rural habitats of southernLower Saxony, GermanyIn a study on Mallards breeding in the town ofGöttingen (Lower Saxony) and at wetlands offthe town in 1989, a significantly earlier time ofbreeding was fo<strong>und</strong> in the urban habitats comparedto the rural habitats (median date of hatching22nd May and 8th June respectively).This could have been caused by the warmermicroclimate inside towns or by adjustments ofthe breeding time to seasonally variable availabilityof food supply or nest sites. The averagenumber of chicks guarded by urban and ruralfemales did not differ (6.58 and 7.46 respectively).Whereas in the town nearly a quarter ofall families showed influence of hybridizationwith domesticated Mallards, no such birds wererecorded in the rural habitats. As the exchangeof indviduals between urban and rural breedingpopulations seems to be low, it appears to bepossible that even genetic differences may beresponsible for the observed differences in thebreeding phenology.LiteraturBEAMAN, M., & S. MADGE (1998): Handbuch der Vogelbestimmung.Stuttgart.BERNDT, R. K., B. KOOP & B. STRUWE-JUHL (2002):Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Bd. 5. Brutvogelatlas.Neumünster.BEZZEL, E. (1982): Vögel in der Kulturlandschaft. Stuttgart.BRUNS, H. (1949): Die Vogelwelt Südniedersachsens.Ornithol. Abh. 3.DÖRRIE, H. H. (2002): Ein Beitrag zur Brutvogelfaunaim Stadtgebiet <strong>von</strong> Göttingen (Süd-Niedersachsen).Nat.kdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs.7: 104-177.DÖRRIE, H. H. (2005): Avifaunistischer Jahresbericht2004 für den Raum Göttingen <strong>und</strong> Northeim.Nat.kdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs. 10: 4-76.DÖRRIE, H. H., C. GRÜNEBERG, S. PAUL, A. SCHULDT, M.SIEBNER, A. STUMPNER, N. VAGT & H. WEITEMEIER(2006): Brutvögel im Göttinger Kerngebiet 1948 –1965 – 2005/2006. Nat.kdl. Ber. Fauna Flora Süd-Niedersachs. 11: 68-80.EICHLER, W. (1950): Avifauna Gottingensia II. Mitt.Mus. Naturk. Vorgesch. Naturwiss. Arbeitskr. 2:101-111.HARRISON, C., & P. CASTELL (2004): Jungvögel, Eier<strong>und</strong> Nester der Vögel Europas, Nordafrikas <strong>und</strong>des Mittleren Ostens. 2. Aufl. Wiebelsheim.HECKENROTH, H., & V. LASKE (1997): Atlas der BrutvögelNiedersachsens 1981-1995 <strong>und</strong> des LandesBremen. Nat.schutz Landsch.pfl. Niedersachs. 37.HEITKAMP, U., M. DINTER, H. H. DÖRRIE, D. W. GROBE &H. WEITEMEIER (2001): Die Siedlungsdichte derBrutvögel im Gebiet des Göttinger Kiessees imJahr 2000. Nat.kdl. Ber. Fauna Flora Südniedersachs.6: 160-178.HEITKAMP, U., & K. HINSCH (1969): Die Siedlungsdichteder Brutvögel in den Außenbezirken der StadtGöttingen 1966. Vogelwelt 90: 161-177.HINSCH, K., & H. WEITEMEIER (1978): Erfassung desBrutvogelbestandes am Göttinger Kiessee nachsingenden Männchen – ein Vergleich der Methoden.Faun. Mitt. Süd-Niedersachs. 1: 215-223.LANGGEMACH, T., & J. BELLEBAUM (2005): Prädation<strong>und</strong> Schutz bodenbrütender Vogelarten inDeutschland. Vogelwelt 126: 259-298.PEHRSSON, O. (1984): Relationships of food to spatialand temporal breeding strategies of mallards inSweden. J. Wildl. Manage. 48: 322-339.RANDLER, C. (2002): Bestandsveränderungen beiParkpopulationen der Stockente <strong>Anas</strong> platyrhynchos.Vogelwelt 123: 21-24.


Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 40 (2008) 347RIEDEL, B. (1978): Avifaunistischer Jahresbericht1976 für die Schlammteiche der Zuckerfabrik <strong>von</strong>Nörten-Hardenberg. Faun. Mitt. Süd-Niedersachs.1: 75-92.SCHMIDT, F.-U. (1985): The use of settling ponds ofsugar-factories by breeding and resting waders.Wader Study Group Bull. 43: 34-36.

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