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Methodik der Fallbearbeitung - Tappe-online.de

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dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=N<strong>Methodik</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Fallbearbeitung</strong>A. <strong>Methodik</strong>?I. Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Methodik</strong>:Arbeitsgemeinschaft Staatsrecht I (Grundrechte)Wintersemester 2006/07→ Gegenteil von <strong>Methodik</strong>: Besinnungsaufsatz→ vom Besinnungsaufsatz zum „Argumentieren auf Schienen“→ vom „Argumentieren auf Schienen dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu freier, wenn auch methodischstrukturierter Argumentation und ProblemlösungGutachten- und Subsumtionstechnik sind notwendiges Handwerkszeug eines je<strong>de</strong>nJuristen. Während Sie dogmatisches Wissen auch später noch erlernen können (undmüssen, weil es sich ohnehin än<strong><strong>de</strong>r</strong>t), müssen Sie sich dieses Handwerkszeug im Studiumerarbeiten. Fehler, die sich hier einschleichen, wer<strong>de</strong>n Sie so leicht nicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>los!Nicht sofort die gestellte Frage beantworten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zunächst „ergebnisoffen“ dieVoraussetzungen ermitteln, von <strong>de</strong>nen die Antwort abhängt. Aufgabe Ihrer <strong>Fallbearbeitung</strong>ist es, eine nachvollziehbare, argumentativ überzeugen<strong>de</strong> Lösung zu erarbeiten.Da es in aller Regel die richtige Lösung nicht gibt, ist dieses Instrumentarium nichtgeeignet, eine immer und von je<strong>de</strong>m reproduzierbare Lösung hervorzubringen. Es istaber geeignet, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Juristen von Ihrer Fall-Lösung zu überzeugen.II.4 Ebenen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Methodik</strong>:- Arbeitstechnik / Arbeitsstil- Klausurstrategie- (weitgehend zwingen<strong>de</strong>) technische Regeln (Subsumtionstechnik, Gutachtenaufbauund -stil)- Metho<strong>de</strong>nlehre als wissenschaftliche DisziplinHier soll es nur am Ran<strong>de</strong> um Arbeitstechnik und Metho<strong>de</strong>nlehre gehen. Klausurtechnik, Technik<strong>de</strong>s Fallaufbaus (Gutachtenstil, Gutachtenaufbau, Subsumtionstechnik) sollen dagegen hier einmal abstraktbesprochen und dann an <strong>de</strong>n Beispielsfällen eingeübt wer<strong>de</strong>n.


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=OIII.Klausurtechnik:- Fall 2 x unbefangen lesen, erst danach darüber nach<strong>de</strong>nken, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> faktische, nicht<strong><strong>de</strong>r</strong> dogmatische Problemschwerpunkt liegen kann. (Hier allenfalls stichpunkthaft ersteAssoziationen notieren!) Enthält <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachverhalt Zahlen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Daten? Sind Rechtsmeinungenaufgeführt? Die Annahme von Sachverhaltsfehlern o<strong><strong>de</strong>r</strong> -lücken ist meistunzutreffend.- Typischer Anfängerfehler: Sie sollten nicht versuchen, „das Problem <strong>de</strong>s Falles“ intuitivzu erkennen (schlimmstenfalls: einschließlich Lösung). (Ebenso: Suche nach <strong>de</strong>mschon bekannten, zumin<strong>de</strong>st vergleichbaren Fall, <strong>de</strong>ssen Lösung Sie schon kennen.)Die Suche nach <strong>de</strong>m intuitiven „Aha-Erlebnis“ (das so gut wie immer entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> ausbleibto<strong><strong>de</strong>r</strong> aber täuscht) ist <strong><strong>de</strong>r</strong> sichere Weg in eine misslungene Klausur. Statt<strong>de</strong>ssen:„Trieb-Retardierung“, <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg ist das Ziel.- Danach: Zeiteinteilung für die folgen<strong>de</strong>n Schritte planen. Faustformel: Lesen und Lösungsskizze1/3 bis maximal 2/5, dann schreiben!!!- Dann: Normsuche, Gesetz durchblättern.- Lösungsskizze erstellen und zunehmend verfeinern.- Kontrollüberlegung: Sind alle Sachverhaltsangaben (insbes. Daten, Rechtsmeinungen)verarbeitet?- Beim Schreiben: auf äußere Form achten, Lesbarkeit, auch hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Formulierungen.Keine Substantivierungen, keine langen Sätze. Komplizierte Gedankengängeso erklären, als sei das ganze für einen Nicht-Juristen bestimmt. Sie sollten nicht unterstellen,dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Leser (=Prüfer) das ja sowieso schon kennt. Der will nämlich wissen,ob sie es wirklich verstan<strong>de</strong>n haben.IV.Metho<strong>de</strong>nlehreWenn eine Metho<strong>de</strong>nlehre inhaltliche „Richtigkeit <strong>de</strong>s Ergebnisses“ verspricht, dann täuschtsie! - die gibt es nicht. Es gibt nur vertretbare, begründbare und konsensfähige Lösungen. Esgibt zwar „falsch“ (= nicht vertretbar), es gibt aber nicht „Richtig“ (im Sinne von ausschließlichrichtig).Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Metho<strong>de</strong>nlehre stellt sehr hohe intellektuelle Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, bringt aber nur selten auch einen adäquatenErtrag. Wenn Sie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> methodischen Diskussion argumentieren, dann müssen sie damit rechnen, dass einDurchschnittsjurist Sie nicht mehr versteht. Besser: „Klassische“ <strong>Methodik</strong> (z.B. LARENZ) anwen<strong>de</strong>n, aber darüber reflektieren,was man da tut. Allerdings darf auch LARENZ nicht zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme verführen, man erkenne so (quasi naturwissenschaftlichverifizierbares) „richtiges Recht“: RÜTHERS nennt das eine „Anleitung zu historischem und politischemBlindflug“.Bitte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Klausur nicht versuchen, eine neue Dogmatik zu entwerfen. Mit <strong>de</strong>m „klassischen“ Handwerkszeug könnenSie je<strong>de</strong>nfalls auf Verständnis beim Korrekturassistenten hoffen.→ lesenW=Derle<strong><strong>de</strong>r</strong>, NJW 2005, 2834 ff.


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=PNach <strong><strong>de</strong>r</strong> (ganz überw. angewen<strong>de</strong>ten) klassisch-hermeneutischen Metho<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n Gesetzegrundsätzlich nach vier Auslegungsregeln interpretiert:1. Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm, Grammatische Interpretation(„Stelle <strong>de</strong>n Wortsinn <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen Ausdrücke fest!“)Problem (): Markiert die Grenze <strong>de</strong>s noch möglichen Wortsinns (<strong><strong>de</strong>r</strong> Umgangssprache?<strong><strong>de</strong>r</strong> Fachsprache?) auch die Grenze für alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegungskriterien?2. Zusammenhang, in <strong>de</strong>m die Norm steht, systematische Interpretation(„Beachte <strong>de</strong>n gesetzlichen Kontext, in <strong>de</strong>m die auszulegen<strong>de</strong> Vorschrift steht!“)Kann - extensiv gehandhabt - ein sehr ergiebiges und relativ sicheres Auslegungskriteriumsein! Beispiel: „Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung“ als Topos systematischer Auslegung.3. Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm, teleologische Interpretation(„Lege das Gesetz so aus, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweck <strong>de</strong>s Gesetzes erreicht wer<strong>de</strong>n kann!“)Dieses Kriterium ist oft das nur scheinbar ergiebigste. Der Interpret steht hier immer in <strong><strong>de</strong>r</strong>Gefahr, <strong>de</strong>m Gesetz die eigenen Ziele zu unterstellen. Objektive Teleologie ist <strong>de</strong>shalb sobeliebt, weil sie auf diesem Wege hilft, das gewünschte Ergebnis scheinbar zu begrün<strong>de</strong>n.Allerdings kommt man in aller Regel auch nicht ohne aus, weil die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kriterien oftnicht ergiebig sind. Und: Rechtsnormen haben in <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Situation, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie funktionieren,immer objektiv irgen<strong>de</strong>ine Funktion. Objektive Teleologie sollte dann be<strong>de</strong>uten,über diese Funktion nachzu<strong>de</strong>nken und sie zu diskutieren, also zu fragen, ob diese Funktion(noch) angemessen ist, ob die Regel extensiv o<strong><strong>de</strong>r</strong> restriktiv gehandhabt wer<strong>de</strong>n sollte usw.4. Entstehungsgeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm, historische bzw. genetische Interpretation(„Lege das Gesetz so aus, dass die Regelungsabsicht <strong>de</strong>s Gesetzgebers erreicht wer<strong>de</strong>n kann!)- Historisch i.e.S.: Gibt es Vorläufernormen? (für das GG etwa die WRV)- Genetisch: Was hat sich <strong><strong>de</strong>r</strong> historische Gesetzgeber gedacht?Es kann zwischen einer auf <strong>de</strong>n geistesgeschichtlichen Hintergrund einer Norm (geistesgeschichtlicheI.) und einer auf <strong>de</strong>n subjektiven Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten(genetische I.) abstellen<strong>de</strong>n Variante <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Auslegung unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.Im Verfassungsrecht mit Vorsicht anzuwen<strong>de</strong>n: Das BVerfG misst diesem Kriterium nur eineHilfsfunktion zu, wen<strong>de</strong>t es aber doch uneingeschränkt an, wenn dieses Kriterium ergiebigist, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e aber nicht


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=QDiese vier Metho<strong>de</strong>n stehen nicht gleichrangig nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> (insoweit allerdingsnicht konsequenten) Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> historischenInterpretation nur eine Hilfsfunktion zu: Maßgeblich für die Auslegung sowohl eines Gesetzesals auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung ist danach <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> auszulegen<strong>de</strong>n Vorschrift zum Ausdruckkommen<strong>de</strong> objektivierte Wille <strong>de</strong>s Gesetzgebers, wie er sich aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzesbestimmungund <strong>de</strong>m Sinnzusammenhang ergibt. Der subjektive Wille einzelner am GesetzgebungsverfahrenBeteiligter ist dagegen nicht maßgeblich. Der Entstehungsgeschichte<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift kommt allenfalls eine Hilfsfunktion zu: sie kann die Auslegungsergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Metho<strong>de</strong>n ggf. bestätigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Auswahl zwischen dort begrün<strong>de</strong>ten Alternativensteuern.→ Beispiel: BVerfGE 32, 54 [77]: Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Wohnung“Weitere anerkannte Auslegungskriterien insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zur Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung sind:- die Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung: Verfassungsnormen sind so auszulegen, dass ein Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruchzu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung vermie<strong>de</strong>n wird (m.E. Spielart <strong><strong>de</strong>r</strong> systematischenInterpretation) und- <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> größtmöglichen Effektivität: Im Zweifelsfall ist diejenige Auslegungzu wählen, die die juristische Wirkungskraft <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm am stärksten entfaltet (m.E.Spielart <strong><strong>de</strong>r</strong> teleologischen I.).Auch nach Anwendung dieser Regeln bleiben allerdings noch erhebliche Zweifelsfälle. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>eim Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Text <strong>de</strong>s Grundgesetzes oft so knapp, dass ihmkonkrete Entscheidungen nicht allein mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> grammatischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> systematischenInterpretation entnommen wer<strong>de</strong>n können. Eine rein „textimmanente“ Interpretation <strong>de</strong>sGrundgesetzes müsste scheitern.Eine <strong>de</strong>n Text transzendieren<strong>de</strong> Auslegung steht aber immer im Verdacht, <strong>de</strong>m Text <strong>de</strong>sGrundgesetzes zunächst das eigene Vorverständnis, die eigene Entscheidung unterzulegenund diese dann durch Auslegung mit Verfassungsrang auszustatten. Um subjektive Beliebigkeitzu vermei<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n - meist im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> teleologischen Interpretation, also bei <strong><strong>de</strong>r</strong>Suche nach <strong>de</strong>m objektiven Zweck <strong>de</strong>s Gesetzes - folgen<strong>de</strong> Gesichtspunkte herangezogen:- freie Diskussion <strong>de</strong>s von <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm angesprochenen Problemkreises (topisch-problemorientierteMetho<strong>de</strong>) (m.E. mangels hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Rückbindung an <strong>de</strong>n Verfassungstextabzulehnen)- vom Primat <strong>de</strong>s Verfassungstextes ausgehen<strong>de</strong> rechtsschöpferische Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong>Verfassung (hermeneutisch-konkretisieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>)- auf die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s von <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm betroffenen Ausschnittes <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirklichkeit abstellen<strong>de</strong>Metho<strong>de</strong> (Konkretisierung durch Rückgriff auf <strong>de</strong>n Normbereich)Nicht je<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong> ist bei einer konkreten Auslegungsfrage ergiebig. Es kann darum nichtnur die eine, richtige Auslegungsmetho<strong>de</strong> geben. Je<strong>de</strong> Auslegung sollte sich aber darum bemühen,so weit wie möglich <strong>de</strong>n Primat <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm zu waren und die Wertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm(hier: <strong>de</strong>s Grundgesetzes) nur da durch die Wertung <strong>de</strong>s Interpreten zu ergänzen, wo dies zurLösung <strong>de</strong>s Falles unumgänglich ist.


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=RWeitere methodische Instrumente:Analogie (Lückenfüllung)Analogie = Übertragung <strong><strong>de</strong>r</strong> für einen Tatbestand (A) o<strong><strong>de</strong>r</strong> für mehrere, untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ähnlicheTatbestän<strong>de</strong> im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm„ähnlichen“ Tatbestand B.Voraussetzungen:1. „offene“ Regelungslücke (planwidrige Unvollständigkeit <strong>de</strong>s Gesetzes) (Evtl. auch:bewusste Gesetzeslücke, Auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zur Rechtfortbildung; aber nicht: sollte nichtgeregelt wer<strong>de</strong>n) (=Tatbestand A).2. Gesetzliche Regelung für Tatbestand B, die ein zu verallgemeinern<strong>de</strong>s Prinzip enthält;3. Tatbestand A und Tatbestand B sind wertungsmäßig vergleichbar, sollten gleichbehan<strong>de</strong>ltwer<strong>de</strong>n.Kurz: (planwidrige) Regelungslücke + Vergleichbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> InteressenlageArgumentum e contrarioVorsicht: Das kann daneben gehen: § 24 BGB sagt nichts über <strong>de</strong>n Sitz von Vereinen, § 7 IIBGB sagt, dass natürliche Personen mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben können. Was giltfür Vereine? Argumentum e contrario wäre: Da § 7 II für Vereine fehlt, können sie nur einenSitz haben. Die heute h.M. wen<strong>de</strong>t statt<strong>de</strong>ssen eine Analogie zu § 7 II BGB an. Maßgeblich:Ist eine gesetzliche Regel Ausdruck eines zu verallgemeinern<strong>de</strong>n Prinzips, o<strong><strong>de</strong>r</strong> ist sie Ausdruck<strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass ohne diese (Ausnahme-) Regelung etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es gelten muss?Argumentum a fortiori (a minore ad maius, a maiore ad minus, „Erst-Recht-Schluss“)Beispiel: Wenn es verboten ist, zu zweit auf <strong>de</strong>m Fahrrad zu fahren, dann ist es erst rechtverboten, zu dritt auf <strong>de</strong>m Fahrrad zu fahren.Sowie:- Verfassungskonforme Auslegung- Richtlinien- (Europarechts-) konforme Auslegung- Lex-specialis-Regel- iÉñ-posterior-Regel


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=SV. <strong>Methodik</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Fallbearbeitung</strong>:1. Ausgangspunkt: Fragestellung- Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen Rechtslage- Frage nach <strong>de</strong>n Erfolgsaussichten einer Klage o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>- Gutachten über ...- Ist das Gesetz verfassungsmäßig?- Was kann A tun?- Handlungsvorschlag, beraten<strong>de</strong> Tätigkeit2. Welches Aufbauschema greift ein?- Verwaltungsgerichtliche Klage (Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage, AllgemeineLeistungsklage)- Verfassungsgerichtliche Klage (Klagearten gemäß Art. 93 GG, § 13 BVerfGG)- rein materieller AufbauZur Gewichtung: Zulässigkeitsprobleme nicht zu breit behan<strong>de</strong>ln, Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kopflastigkeit“.Unproblematische Zulässigkeitsvoraussetzungen unbedingt weglassen! Sie dürfen hiernicht versuchen, zu zeigen, welches abstrakte Wissen zur Zulässigkeit sie angesammelt haben.Für erlernte Aufbauschemata gilt allgemein: Sie sind nur ein anpassungsbedürftiger Rahmen.Das Schema darf nicht abgespult, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n muss <strong>de</strong>m konkreten Fall angepasst wer<strong>de</strong>n. Innerhalb<strong>de</strong>s Schemas muss gewichtet wer<strong>de</strong>n: Überflüssiges weglassen, unwichtiges aber notwendigesso weit wie möglich kürzen. Probleme müssen gewichtet wer<strong>de</strong>n, bevor Sie mit<strong><strong>de</strong>r</strong> Formulierung beginnen: Nicht das bekannte, aber nebensächliche Problem extensiv bearbeiten,<strong>de</strong>nn dann haben Sie für die wichtigen Weichenstellungen <strong>de</strong>s Falles nicht mehrgenügend Zeit!3. Ausgangsnorm o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgangssatz ermitteln:Welche Norm ordnet die gesuchte Rechtsfolge an? Zur Normsuche evtl. das Gesetz durchblättern!Es gibt für die o.g. Aufbauschemata typische „Anfangssätze“.- „Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> hat (Aussicht auf) Erfolg, wenn sie zulässig undbegrün<strong>de</strong>t ist.“- „Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ist begrün<strong>de</strong>t, wenn (die angegriffene Maßnahme<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Gewalt) Grundrechte <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers verletzt. Dasist <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, wenn ein Eingriff in das Grundrecht <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers aus ...vorliegt und dieser Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n kann.“


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=T4. Norm aufarbeiten:Einzelne Tatbestandselemente isolieren, daraus das Prüfungsprogramm ableiten, das die weiterenGlie<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspunkte bestimmt. Einzelne Tatbestandselemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgangsnorm setzendann oft voraus, dass die Voraussetzungen einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en (Hilfs-) Norm gegeben o<strong><strong>de</strong>r</strong> dieVoraussetzungen einer Gegennorm nicht gegeben sind.Wenn auf diese Weise die Ausgangsnorm, diejenige also, die die gesuchte Rechtsfolge anordnet,in alle ihre Voraussetzungen und Unter-Voraussetzungen aufgelöst ist, liegt zugleichdie Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gutachtens vor. Es folgt:5. Subsumtion unter die einzelnen Elemente <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s:= das Gegenüberstellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Merkmale <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>n Elementen <strong>de</strong>s Sachverhaltesmit <strong>de</strong>m Ziel, festzustellen, ob das Sachverhaltselement die Kriterien <strong>de</strong>s Tatbestandselementeserfüllt.In je<strong>de</strong>m Zweifelsfall ist es erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, <strong>de</strong>n Obersatz, das Tatbestandselement mit Hilfeeiner Definition in seine Einzel-Elemente zu zerlegen und die einzelnen Definitionselementedann, wenn sie nicht ein<strong>de</strong>utig vorliegen, mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> oben genannten Auslegungsmetho<strong>de</strong>ndaraufhin zu befragen, ob sie das fragliche Sachverhaltselement noch erfassen o<strong><strong>de</strong>r</strong>nicht.Wichtig ist dabei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezug auf das fragliche Sachverhaltselement: ausführliche Subsumtionsschrittezu unzweifelhaft vorliegen<strong>de</strong>n, im zu behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Fall nicht fraglichen Sachverhaltselementensind überflüssig. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsumtion darf nie <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezug zum konkreten Fallverloren gehen. Es ist nicht abstrakt zu klären, welche Fälle unter dieses Tatbestandselementpassen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur, ob es das vorliegen<strong>de</strong> Sachverhaltselement tut.- Erst aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsumtion unter die einschlägigen Normen ergeben sich die rechtlichenProbleme <strong>de</strong>s Falles: nämlich dann, wenn die Subsumtion nicht ohne weiteres klappt.- Sie übersehen ein Problem, wenn Sie vorschnell Evi<strong>de</strong>nz annehmen, wo keine ist.- Sie behan<strong>de</strong>ln das Problem falsch, wenn Sie es nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> „Schiene“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsumtionerreichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es „intuitiv“ ansprechen, weil Sie meinen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall müsse etwasdamit zu tun haben.6. ErgebnisAm Schluss eines je<strong>de</strong>n Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspunktes, vor allem am Schluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Zulässigkeits- und Begrün<strong>de</strong>theitsprüfungmuss das Ergebnis dieser Prüfung ausdrücklich zusammengefasst undfestgestellt wer<strong>de</strong>n. Dieser Ergebnissatz muss die Antwort auf die eingangs gestellte Subsumtions-o<strong><strong>de</strong>r</strong> Fallfrage sein.


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=UB. SubsumtionstechnikI. Gutachtenstil4 Stufen→ (im ganzen Gutachten meistens mehrmals ineinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verschachtelt)1. Stufe: Ausgangspunkt/Obersatz→ (Fallfrage, Fragestellung)„Kevin könnte ein Kind sein“„Ist Sokrates sterblich?“2. Stufe: Obersatz/Norm→ (Normbenennung, -auslegung, Definition)„Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> sind Menschen, die noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t haben.“„Alle Menschen sind sterblich“3. Stufe: Untersatz/Subsum(p)tion→ (Anwendung auf <strong>de</strong>n Sachverhalt)„Kevin ist sieben Jahre alt.“„Sokrates ist ein Mensch“4. Stufe: Ergebnis/Schluss„Somit ist Kevin ein Kind.“„Sokrates ist sterblich“II. Verkürzter Gutachtenstil„K müsste ein Verwandter <strong>de</strong>s F sein.Verwandte sind Menschen, die von einer Person abstammen.Somit ist K als jüngerer Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> mit F verwandt.“


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=VIII. Stark verkürzter Gutachtenstil(K müsste ein Verwandter <strong>de</strong>s F sein.)„K ist als jüngerer Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Verwandter <strong>de</strong>s F.“→ Für offensichtliche Aussagen„Signalwörter“→ z.B.: also, folglich, mithin, somit, daher→ z.B. nicht: weil, da, <strong>de</strong>nn→ Falsch wäre also: „K ist ein Kind, weil er erst sieben Jahre alt ist.“→ Richtig: „K ist erst sieben Jahre, also ein Kind“z.B. in einem fiktiven Fall:Sachverhalt:Fallfrage:Norm:Kevin ist 7 Jahre alt und isst je<strong>de</strong>n Tag eine Tafel Schokola<strong>de</strong>.Ist Kevin verpflichtet zum Schulzahnarzt zu gehen?§ 2 SchulZahnG: „Süßigkeiten im Sinne dieses Gesetzes sind Speisen, die zumin<strong>de</strong>stens 20 % aus Zucker bestehen…§ 6 SchulZahnG: „Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die täglich mehr als 50g Süßigkeiten zu sich nehmenmüssen einmal jährlich zum Schulzahnarzt“Gutachten (Subsumtion/Syllogismus):Obersatz:Kevin könnte verpflichtet sein zum Schulzahnarzt zu gehen.Norm: Gem. § 6 SZG müssen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die … zum Schulzahnarzt.Obersatz:Kevin müsste zunächst ein Kind sein.Def./Norm: Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> sind junge Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollen<strong>de</strong>thaben.Untersatz:Ergebnis:Kevin ist 7 Jahre alt.Kevin ist somit ein Kind.


dêìåÇo=^d =eÉååáåÖ=q~ééÉ= = pK=NMObersatz:Bei Schokola<strong>de</strong> müsste es sich um eine Süßigkeit han<strong>de</strong>ln.Def./Norm: (Legal<strong>de</strong>f.) Gem. § 2 SZG sind Süßigkeiten Speisen, die zu mehr als 20%aus Zucker bestehen.Untersatz:Ergebnis:Schokola<strong>de</strong> enthält üblicherweise mehr als 20% Zucker.Somit han<strong>de</strong>lt es sich bei Schokola<strong>de</strong> um eine SüßigkeitUntersatz:Ergebnis:Kevin nimmt täglich mehr als 20g Süßigkeiten zu sich.Mithin muss Kevin zum Schulzahnarzt.Exkurs: sog. „Meinungsstreit“ (wenig elegante Anfängermetho<strong>de</strong>:)Kevin könnte ein Kind sein.aa)bb)Nach einer Ansicht han<strong>de</strong>lt es sich bei Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n um Menschen, die das achtzehnte Lebensjahrnoch nicht vollen<strong>de</strong>t haben.→ Nach dieser Ansicht ist K ein Kind.Eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ansicht weist <strong>de</strong>mgegenüber darauf hin, dass zwischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Jugendlichenzu differenzieren sei.→ K könnte somit auch ein Jugendlicher seinBei „Jugendlichen“ han<strong>de</strong>le es sich um ein „Zwischenstadium“ zwischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>nund Erwachsenen, die sich bereits durch eine gewisse sittliche Reife auszeichnen.Dieses wird i.d.R. ab ca. 12 - 15 Jahren angenommen.Kevin ist in<strong>de</strong>s erst 7 Jahre; <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit kann daher unentschie<strong>de</strong>n bleiben.Fast immer bietet es sich an, <strong>de</strong>n „Meinungsstreit“ nicht nach Ansichten zu glie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>nsachbezogen (d.h. v.a. mit <strong>de</strong>n gängigen Auslegungsmetho<strong>de</strong>n) zu argumentieren:Also etwa bezogen auf Chantal, 17 Jahre (elegante Profimetho<strong>de</strong>):Chantal müsste zu<strong>de</strong>m ein Kind sein. Unter „Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ könnte man allgemein Menschenverstehen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollen<strong>de</strong>t haben. Dies entspricht etwa<strong><strong>de</strong>r</strong> Regelung in § 2 BGB (Volljährigkeit). Vergegenwärtigt man sich in<strong>de</strong>s, dass vorliegendnicht die Geschäftsfähigkeit in Frage steht und die Schulpflicht gem. §§ 3, 5 SchpflG i.d.R.bereits nach Vollendung <strong>de</strong>s 16. Lebensjahres en<strong>de</strong>t, erscheint die Einbeziehung 17jähriger in<strong>de</strong>n Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>“ i.S.d. SchulZahnG fraglich. Zu<strong>de</strong>m ist für die Zwecke <strong>de</strong>s Schul-ZahnG maßgeblich auf die innere Reife abzustellen, d.h. danach zu fragen, ob die Zahnhygienein <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Altersstufe eigenverantwortlich betrieben wer<strong>de</strong>n kann.Daher ist im Rahmen <strong>de</strong>s § 6 SchulZahnG eine 17jährige nicht mehr als „Kind“ anzusehen.

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