4 HINTERGRUND Wenn man von der Finanz markt - krise absieht, war wohl kaum ein Thema in den letzten Wochen in den Medien so präsent wie die diversen „Datenschutzskandale“ in unterschiedlichen Unternehmen. Und die Fälle sind tatsächlich spektakulär: Spätestens mit den kolportierten 17 Millionen der Telekom entwendeten Kundenstammdaten ist das Problem bei jedermann angekommen 1 . Und wenn man liest, dass für 45 Euro eine Festplatte, auf der sich Daten, darunter auch die Kreditkartennummern, von 1.000.000 Bankkunden befanden, per ebay-Versteigerung den Besitzer gewechselt haben sollen 2 , dann ist auch dem Dümmsten klar, dass derar tige Probleme nicht zuletzt auch hand feste Folgen für das eigene Portemonnaie haben können. Die Schlussfolgerungen, die aus den Problemen freilich gezogen werden, sind für Juristen altbekannt: Der Ruf nach dem Gesetzgeber erschallt allerorts und die unterschiedlichsten Fragen – insbesondere Probleme des Missbrauchs auf der einen und der Neugestaltung von Betroffenenrechte auf der anderen Seite – werden in einen Topf geworfen. So befi ndet sich auch eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes derzeit im parlamentarischen Prozess: Schon im August 2008 hatte die Bundesregierung einen Änderungsentwurf zum Bundesdaten schutzgesetz (BDSG) vorgestellt Die Diskussion um den Datenschutz Was ändert sich (BT-DS 548/08) 3 , seither hatten sich die Ereignisse jedoch überschlagen, so - dass im Oktober eine neue Fassung des Entwurfs präsentiert (BT-DS 16/10529) 4 wurde und die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates ankündigte (BT-DS 16/ 10581) 5 , dass über den derzeit ver handelten Gesetzesentwurf hinaus weitere Änderungen des BDSG bereits vereinbart seien 6 : Insbesondere soll „[...] das derzeit geltende ‚Listenprivileg‘, das eine grundsätzliche Erlaubnis zur Weitergabe bestimmter personenbezogener Daten zu Werbezwecken und zur Markt- und Meinungsforschung enthält, […] abgeschafft werden.“ Nach Vorstellung der Stadt Hamburg, die einen entsprechenden Antrag im Bundesrat gestellt hat 7 , soll die Abschaffung des Listenprivilegs auch dann gelten, wenn sich ein Unter nehmen bei Inkrafttreten der Ände rung bereits im Besitz derartiger Daten befi ndet. Sollte dieses Vorhaben umgesetzt werden (was die nächsten Monate zeigen werden), ist evident, dass dies fundamentale Auswirkungen auf den Adress- und (Geo)marketingmarkt in Deutschland haben wird und damit in einer ganzen Branche erhebliche „Kollateralschäden“ der aufgezeigten Missbrauchsfälle auch bei jenen auftreten werden, die sich um eine gesetzeskonforme Wirtschaftspraxis bemühen. Einer der Redner beim Kompetenz forum Geomarketing 2008 in Bonn: Prof. Dr. Nikolaus Forgó Im aktuell vorliegenden Entwurf ist von derart weit reichenden Konsequenzen freilich noch nicht die Rede: Hier sollen insbesondere die Rechte des Betroffenen gegenüber Auskunfteien (also z. B. Bo nitätsdatenbanken wie die SCHUFA) gestärkt werden: Durch einen neu zu schaffenden § 28a BDSG soll klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen (Negativ-)Infor - mationen durch Gläubiger an Auskunfteien übermittelt werden dürfen. Ein neu zu schaffender § 28b BDSG befasst sich mit den Modalitäten des so 1 http://www.heise.de/security/Alter-Raub-neuer-Skandal-17-Millionen-Telekom-Nummern-entwendet--/news/meldung/116913 2 http://www.heise.de/newsticker/Festplatten-mit-Kontodaten-auf-eBay-verscherbelt--/meldung/114905 3 Online zB unter http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2008/0548-08.pdf. 4 Online zB unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/105/1610529.pdf. 5 Online zB unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/105/1610581.pdf. 6 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/105/1610581.pdf, S. 9. 7 BR-DS 548/4/08 (neu2), online zB unter http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2008/0548-4-08(neu2).pdf. Geomarketing-Journal . Das Magazin für Markt und Raum . 04/2008
im BDSG? genannten Scoring (welches im Grundsatz zulässig bleibt) und regelt unter anderem, dass dann, wenn Adressdaten in die Ermittlung des Scorewerts einfl ießen, der Betroffene darüber zu informieren ist. Anlässlich einer Erweiterung der Auskunftsrechte insgesamt sollen auch die Auskunftsrechte des Betroffenen gegenüber den Erstellern von Scorings erheblich ausgeweitet werden, damit dieser „einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form“ (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 des Entwurfs) über das Zustandekommen des Werts unterrichtet ist. Der Betroffene ist auf Verlangen auch zu informieren über ihn betreffende Scoringwerte und deren Empfänger, die in den letzten 12 Monaten errechnet und übermittelt wurden (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 des Entwurfs). Die Auskunft hat (im Regelfall) unentgeltlich zu erfolgen (§ 34 Abs. 8 des Entwurfs). Vermutlich hat diese Novelle vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Geomarketingbranche. Da es jedoch, wie gezeigt, damit voraussichtlich nicht sein Bewenden haben wird, empfi ehlt sich eine zeitnahe und genaue Beobachtung der parlamentarischen Vorgänge. Prof. Dr. Nikolaus Forgó ist Professor für IT-Recht, Leiter des Instituts für Rechtsinformatik und Be auf tragter für den LL.M.-Studien - gang zum IT-Recht an der Leibniz Universi tät Hannover. Er gründete und leitet das Postgraduate-Programm für Informationsrecht an der Universität Wien und hat seit 2002 einen Lehrstuhl für IT-Recht/Rechtsinformatik an der Universität Hannover inne. Er enga - giert sich in der Lehre vor allem im Rahmen des Ergänzungsstudiengangs Rechts in for matik (www.eulisp.de). Prof. Dr. Nikolaus Forgó ist einer der wenigen Juristen, die sich bereits seit einiger Zeit mit dem Thema „Datenschutz und Geomarketing” beschäftigen - und der keine klaren Aussagen scheut. Zuletzt war er u. a. dazu beim Kompetenzforum Geo marketing zu hören mit seinem Vortrag „Der Datenschützer als Spaßbremse?” – vor voll besetzten Rängen im ehemaligen Deutschen Bundestag in Bonn. Geomarketing-Journal . Das Magazin für Markt und Raum . 04/2008 5