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Sportgeschichte in Bildern - Sport Geschichte Jena

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<strong>Jena</strong>er <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong> <strong>in</strong> Fotos<br />

TLZ-Serie: <strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>historie <strong>in</strong> Wort und Bild<br />

Fechten seit 1550<br />

<strong>Jena</strong> ist e<strong>in</strong>e <strong>Sport</strong>stadt - und das schon seit vielen Jahrzehnten. Der USV <strong>Jena</strong> hat für die TLZ<br />

se<strong>in</strong> großes Bilderarchiv geöffnet. Jeden Mittwoch veröffentlichen wir nun an dieser Stelle e<strong>in</strong><br />

historisches Bild und se<strong>in</strong>e <strong>Geschichte</strong>.<br />

Den Start macht das Fechten:<br />

Die <strong>Jena</strong>er Universität zählte von Beg<strong>in</strong>n an als Hochburg des studentischen Fechtens. Bereits<br />

1550, also noch vor offizieller Gründung der Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, ist e<strong>in</strong> Fechtmeister an der<br />

Hohen Schule (Christoph) nachgewiesen.<br />

„Nach Studenten aussagen berichteten die Professoren an den Herzog, daß der Stadtknecht<br />

und der Kohlenträger mit dem Fechter Christoph anlässlich e<strong>in</strong>es Hochzeitstanzes auf dem<br />

Rathaus Zank gehabt hätten, weil dieser es mit den Studenten halte."<br />

Wilhelm Kreußler, Mitglied der kaiserlich privilegierten St. Marcus-Fechtbruderschaft, kam<br />

aus Hessen als Fechtmeister an die Universität und gründete e<strong>in</strong>e Fechtschule, die über<br />

mehrere Generationen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> bestimmend war. Se<strong>in</strong> <strong>in</strong> Regeln gebrachtes Stoßfechten wurde<br />

zum Vorbild für andere Universitäten und galt als Grundlage für e<strong>in</strong> sauberes Fechten bis der<br />

Fechtmeister Friedrich August Roux um 1850 das Fechten modernisierte. Se<strong>in</strong> Nachfolger<br />

wurde Christian Seemann-Kahne, der schon um 1910 Student<strong>in</strong>nen im Fechten unterrichtete.<br />

Dies war e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Die älteste Abbildung von Fechtern <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stammt aus e<strong>in</strong>em Studentenstammbuch des<br />

17.Jahrhunderts und zeigt im Vordergrund e<strong>in</strong>e typische Duellszene vor den Toren der Stadt.<br />

L<strong>in</strong>ks erkennt man noch das alte Schloss vor dem Umbau, im H<strong>in</strong>tergrund die Leuchtenburg.<br />

1619 <strong>Jena</strong> wurde Hochburg der Fechterei<br />

<strong>Sport</strong>liche Aktivitäten gehören zur <strong>Geschichte</strong> e<strong>in</strong>er Universität genauso, wie sie <strong>in</strong> der<br />

jeweiligen Epoche für die Jugend generell e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben. In der Gründungszeit der<br />

<strong>Jena</strong>er Universität, e<strong>in</strong>er Zeit der Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwischen den Kräften der<br />

1


Reformation und dem Katholizismus, sollte <strong>Jena</strong> als Ersatzgründung für Wittenberg vor allem<br />

dazu dienen, die Eliten, die am Hof des abgesetzten Kurfürsten <strong>in</strong> der Residenz Weimar und<br />

dem Restterritorium benötigt wurden, auszubilden. Gegenstand dieses Beitrages ist es nicht,<br />

auf die Universitätsgründung oder die Rolle sportlicher Betätigung der Studierenden<br />

<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>zugehen. Wir wollen uns auf das studentische Fechten beschränken. Dies war<br />

sicher e<strong>in</strong>e der wichtigsten „<strong>Sport</strong>arten“, die von den Studenten bis weit <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert<br />

die Freizeitgestaltung geprägt hat. Dabei spielten e<strong>in</strong>erseits der hohe Brauchwert im täglichen<br />

Überleben e<strong>in</strong>e nicht unwesentliche Rolle, anderseits waren Standes- und Modefragen für die<br />

Entwicklung des Fechtens von Bedeutung. Vielleicht gerade, weil die protestantisch<br />

orientierte Neugründung <strong>Jena</strong> vielen jungen Männern, aus gesellschaftlichen Schichten, die<br />

bisher nicht zum klassischen akademischen Nachwuchs gehörten, Zugang zu e<strong>in</strong>er Universität<br />

verschaffte, wurde <strong>Jena</strong> sehr schnell e<strong>in</strong>e Hochburg der studentischen „Fechterei“. Dazu kam<br />

sicher auch, dass die kle<strong>in</strong>e We<strong>in</strong>bauernstadt <strong>Jena</strong> <strong>in</strong> ihren städtischen Strukturen noch<br />

ke<strong>in</strong>erlei Erfahrungen mit dem studentischen Fechten und ihrer sichtbarsten Ersche<strong>in</strong>ung, dem<br />

Fechtduell hatte. Die akademische Gerichtsbarkeit, die e<strong>in</strong>em ausufernden Duellwesen<br />

entgegenwirken sollte, war erst im Aufbau und die wenigen Lehrkräfte mussten sich fachlich<br />

profilieren und sie waren auch f<strong>in</strong>anziell von der Gunst der Studenten, die an sie Kolleggelder<br />

zahlten, abhängig. Deshalb schritt wiederholt der Landesherr <strong>in</strong> Weimar e<strong>in</strong>. Bereits 1587<br />

kam es wegen verschiedener Tumulte zu e<strong>in</strong>em ersten Verbot der Fechtschule <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Nach<br />

mehreren namentlich bekannten Fechtlehrern an der Universität, wie z. B. Johann Könighofer<br />

und Johann Kiesenhöder tauchte 1619, also e<strong>in</strong> Jahr nach Ausbruch dreißigjährigen Krieges,<br />

e<strong>in</strong> Wilhelm Kreussler als „Studentenfechter“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auf. 1597 im nassauischen<br />

Niederhadamar geboren, entstammte er e<strong>in</strong>er Schultheissenfamilie. Als 22jähriger war er<br />

nicht viel älter als die Studenten und offensichtlich auf der Suche nach e<strong>in</strong>er<br />

Erwerbsmöglichkeit durch die Erteilung von Fechtunterricht. Er wird <strong>in</strong> der Literatur als<br />

Mitglied der kaiserlich privilegierten St. Marcus-Fechtbruderschaft, e<strong>in</strong>e Art Zunft für die<br />

Fechtmeister, bezeichnet. Über diesen Wilhelm Kreussler ist quellenmäßig bisher sehr wenig<br />

gefunden worden. Er ist aber auf jeden Fall der Stammvater e<strong>in</strong>er Fechtmeisterdynastie <strong>in</strong><br />

<strong>Jena</strong>, die für 160 Jahre <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> den Fechtunterricht organisierte und aus der m<strong>in</strong>destens 12<br />

Fechtmeister, die im ganzen Deutschen Reich tätig waren, hervorg<strong>in</strong>gen.<br />

Fotos gibt es von den Kreusslers natürlich nicht. Im Besitz der Universität s<strong>in</strong>d aber zwei<br />

zeitgenössische Portraitgemälde, hier das im Universitätsarchiv hängende Bild vom<br />

Stammvater Wilhelm Kreusslers.<br />

2


1707 Die Kreusslers erhalten Fechtmeisterprivileg<br />

Das erste bisher nachgewiesene Dokument über Wilhelm Kreussler stammt aus dem Jahre<br />

1669, also 50 Jahre nach se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>treffen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. In ihm beantragt er beim Weimarer<br />

Herzog Johann Ernst für sich und se<strong>in</strong>e beiden Söhne Gottfried und Friedrich „allseits<br />

fechtern zu jena“ das Privileg e<strong>in</strong>es Fechtmeisters. Bereits 14 Tage nach diesem Antrag wird<br />

Kreussler das Privileg erteilt. Damit hat der 72jährige Wilhelm Kreussler für sich und se<strong>in</strong>e<br />

Erben sozusagen e<strong>in</strong>en Gebietsschutz für die Universität und die Stadt <strong>Jena</strong> bei der Erteilung<br />

von Fechtunterricht erhalten und gleichzeitig auch se<strong>in</strong>e Nachfolge geregelt. Der älteste Sohn,<br />

Gottfried hatte e<strong>in</strong>en eigenen Fechtboden, während der jüngere Bruder Friedrich beim Vater<br />

mit unterrichtete. Wilhelm Kreusslers Fechtboden soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufbau auf e<strong>in</strong>em<br />

Stadtmauerturm, heute als „Roter Turm“ bekannt, gewesen se<strong>in</strong>. Dieser Fechtboden wurde<br />

von Friedrich Kreussler noch bis zu se<strong>in</strong>em Tode 1707 weiter genutzt. Friedrich stand <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

<strong>in</strong> hohem Ansehen, was an der Tatsache ersichtlich wird, dass er als Marschall der Studenten<br />

bei Festlichkeiten, wie z. B. bei der feierlichen Amtse<strong>in</strong>führung des Weimarer Pr<strong>in</strong>zen Johann<br />

Wilhelm als Rektor der Universität, im Jahre 1688, den Zug der Studentenschaft anführte.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>em Bruder führte er außerdem den Titel e<strong>in</strong>es „Stadthauptmanns“. Damit<br />

war er für Teile der städtischen „Ordnungskräfte“ und für die Organisation der Verteidigung<br />

der Stadtmauern zuständig. E<strong>in</strong> positiver Nebeneffekt, der sicher auch gewünscht war, dass<br />

die Funktion des Stadthauptmanns mit e<strong>in</strong>er festen jährlichen Besoldung und e<strong>in</strong>iger Deputate<br />

verbunden war. So erhielt He<strong>in</strong>rich Wilhelm, der Urenkel von Wilhelm Kreussler 1741 als<br />

Stadthauptmann 127 Rauhtaler und 6 Groschen als Jahresbesoldung, 30 Eimer Bier und 2<br />

Eimer We<strong>in</strong> steuerfrei und dazu kostenlos Brennholz. Damit war e<strong>in</strong> wirtschaftliches<br />

Überleben der „Universitätsfechtmeister“ auch <strong>in</strong> Zeiten mit ger<strong>in</strong>gen Studentenzahlen<br />

möglich.<br />

E<strong>in</strong> Sohn von Friedrich aus erster Ehe, Wilhelm, der mit auf dem väterlichen Fechtboden als<br />

Assistent tätig war, starb bereits vor dem Vater im Jahre 1701. E<strong>in</strong> Sohn aus zweiter Ehe, der<br />

den Namen des Vaters, Friedrich trug, war Fechtmeister <strong>in</strong> Wittenberg geworden. Er hatte<br />

1706, noch zu Lebzeiten se<strong>in</strong>es Vaters um die Übertragung des Fechtmeisterprivilegs<br />

nachgesucht. Dieses Gesuch wurde ansche<strong>in</strong>end nicht beantwortet. Da zu dieser Zeit von der<br />

Landesherrschaft gerade wieder e<strong>in</strong>mal verstärkt gegen das studentische Duellunwesen<br />

vorgegangen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass am dauerhaften Vorhandense<strong>in</strong><br />

von zwei Fechtböden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> ke<strong>in</strong> Interesse bestand. 1701 hatte der Weimarer Herzog 13<br />

Deutsche Herrschaften, auf deren Territorien sich Universitäten befanden, zu e<strong>in</strong>er Konferenz<br />

nach Ilmenau e<strong>in</strong>geladen: „(…) mit dem Zwecke, zu beschließen, e<strong>in</strong>en Vorschlag zum<br />

Unterb<strong>in</strong>den des Überhandnehmens der Raufereien der Studierenden(…)“ So wurde der<br />

Fechtboden auf dem Stadtmauerturm nach dem Tode von Friedrich Kreussler aufgegeben.<br />

3


Das Grabmal von Friedrich Kreussler hier aufgenommen um 1910 bef<strong>in</strong>det sich heute an der<br />

Westseite der Friedenskirche und ist allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr schlechten Zustand und nur<br />

noch vom Kenner zu identifizieren.<br />

1712 Kreussler bei August dem Starken<br />

„Entweder seid ihr der Beelzebub selber, oder . . . der Kreussler von <strong>Jena</strong>!" Mit diesen Worten<br />

gab sich August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen e<strong>in</strong>em ihm bis dah<strong>in</strong><br />

völlig unbekannten Fechter auf se<strong>in</strong>em Fechtboden <strong>in</strong> Dresden geschlagen, so berichtet es auf<br />

jeden Fall die Legende. Verkürzt wiedergegeben lautet die ganze <strong>Geschichte</strong> so: Der Ruhm<br />

der Kreusslers aus <strong>Jena</strong> war auch bis nach Sachsen vorgedrungen. August der Starke, der<br />

selber gerne mit den Kavalieren se<strong>in</strong>es Hofes auf dem Fechtboden die Kl<strong>in</strong>ge kreuzte, wollte<br />

diesen vielgerühmten Fechtlehrer persönlich kennenlernen und begab sich 1712 <strong>in</strong>kognito<br />

nach <strong>Jena</strong>. Da an diesem Tage Kreussler nicht zu Hause war, besichtigte er die Umgebung<br />

von <strong>Jena</strong> und kehrte <strong>in</strong> der Rasenmühle, e<strong>in</strong>er beliebten studentischen Ausflugsgaststätte, e<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> rauflustiger Student provozierte August, der als biederer Bürger gekleidet war, bis es zu<br />

e<strong>in</strong>em Duell kam. August gewann dieses ohne Probleme. Beim abschließenden versöhnlichen<br />

Händedruck, nutzte er se<strong>in</strong>e Kraft, die er oft beim Aufbiegen von Hufeisen demonstriert hatte,<br />

und brach dem Studenten die F<strong>in</strong>ger und die Mittelhandknochen. Dann gab er sich zu<br />

erkennen, schenkte dem ohnmächtigen Studenten 100 Dukaten und verließ, ohne Kreussler<br />

noch e<strong>in</strong>mal aufzusuchen, <strong>Jena</strong>. Kreussler erfuhr diese <strong>Geschichte</strong> nach se<strong>in</strong>er Rückkehr und<br />

wollte die Ehre se<strong>in</strong>er Fechtschule wiederherstellen. Er reiste umgehend nach Dresden und es<br />

gelang ihm, verkleidet als Schulmeister, bis zum kurfürstlichen Fechtboden vorzudr<strong>in</strong>gen. Als<br />

ansche<strong>in</strong>end unkundiger Zuschauer reizte er die Fechter, dass sie ihn zum Spaße zu e<strong>in</strong>em<br />

Gang aufforderten. Dieser endete sehr zu Erstaunen aller Anwesenden mit e<strong>in</strong>em Sieg des<br />

„Schulmeisterle<strong>in</strong>s“, was August den Starken veranlasste, ebenfalls die Kl<strong>in</strong>ge mit dem sich<br />

immer noch sehr l<strong>in</strong>kisch gebenden Kreussler zu kreuzen. Dieser zeigte aber auf e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong><br />

ganzes Können. Die Angriffe von August wurden immer wütender. E<strong>in</strong>e Unbedachtsamkeit<br />

nutzend gelang es Kreussler, ihm die Kl<strong>in</strong>ge aus der Hand zu schlagen, was den Kurfürsten zu<br />

e<strong>in</strong>gangs zitierten Satz veranlasst haben soll. Nachdem Kreussler se<strong>in</strong> Inkognito gelüftet hatte,<br />

wurde er zu Tische geladen und durfte fürstlich belohnt Dresden wieder verlassen.<br />

Dass diese <strong>Geschichte</strong> von verschiedenen Autoren <strong>in</strong> ähnlicher Weise wiedergegeben wird,<br />

erhöht nicht unbed<strong>in</strong>gt die Glaubwürdigkeit. Zwei D<strong>in</strong>ge ersche<strong>in</strong>en bei genauerer<br />

Betrachtung zum<strong>in</strong>dest bedenkenswert. Ersten gibt es ke<strong>in</strong>erlei Unterlagen für e<strong>in</strong>en<br />

Aufenthalt von „August dem Starken“ <strong>in</strong>kognito <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, was sicher zum<strong>in</strong>dest im Nachgang<br />

den verwandten Herzog am Weimarer Hofe zu Ohren gekommen wäre. Zweitens ist die<br />

4


Datierung des Ereignisses zu h<strong>in</strong>terfragen. 1712 würde bedeuten, dass es sich um Johann<br />

Wilhelm Kreussler (1664 – 1722) gehandelt haben musste, der zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre<br />

alt war. Se<strong>in</strong> Kotrahend August der Starke (1670 - 1733) war 42 Jahre alt. Beide also ke<strong>in</strong>e<br />

jugendlichen Helden mehr. Lassen wir aber die <strong>Geschichte</strong> e<strong>in</strong>fach als schöne Legende im<br />

Raum stehen.<br />

Von Johann Wilhelm Kreusslers existierte bis 1945 dieses Gemälde <strong>in</strong> der Bild <strong>in</strong> der<br />

Universitätsbibliothek. Durch e<strong>in</strong>en Bombentreffer auf das Hauptgebäude der Bibliothek ist<br />

das Bild verbrannt. Se<strong>in</strong> Grabste<strong>in</strong>, der auf dem Johannisfriedhof an der südlichen<br />

Außenwand der Friedenskirche steht, ist leider <strong>in</strong> den letzten 50 Jahren soweit zerstört, dass er<br />

nur noch von Experten erkannt wird.<br />

1817 Goethe als Hallenverh<strong>in</strong>derer<br />

Die im Ergebnis der ant<strong>in</strong>apoleonischen Kriege entstandenen Burschenschaften, derer<br />

Keimzelle an der <strong>Jena</strong>er Universität liegt, entwickelten das von Friedrich Ludwig Jahn<br />

begründete Turnen weiter. 1814, <strong>in</strong> Vorbereitung des Befreiungskrieges gegen Napoleon,<br />

begannen <strong>Jena</strong>er Studenten im Rahmen der <strong>Jena</strong>er „Wehrschaft“ mit dem regelmäßigen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g militärischer Übungen unter der Bezeichnung „Turnen“. 1817 trug der <strong>Jena</strong>er<br />

Burschenschafter und Turner Karl Ludwig Sand dem „Geheimen Rat“ Goethe die Bitte vor,<br />

sich für den Ankauf des Ballhauses, welches sich im privaten Besitz befand, e<strong>in</strong>zusetzen um<br />

dieses für das W<strong>in</strong>terturnen der Wehrschaft nutzen zu können. Sand selber sorgte dann dafür,<br />

dass dieses Projekt nicht weiter verfolgt wurde, da er mit se<strong>in</strong>em Attentat auf den russischen<br />

Gesandten Kotzebue den Auslöser für die Karlsbader Beschlüsse lieferte, durch die sowohl<br />

die Burschenschaften als auch das Turnen <strong>in</strong> ganz Deutschland verboten wurden. Goethe hätte<br />

aber auch noch e<strong>in</strong>en weiteren Grund gehabt, die „Umnutzung" des Ballhauses zu verh<strong>in</strong>dern,<br />

da er e<strong>in</strong>e Zeit lang mit dem Gedanken spielte, das Ballhaus <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zum Theater umbauen zu<br />

lassen. Diesen Gedanken sche<strong>in</strong>t er aber wieder verworfen zu haben, da ihm die <strong>Jena</strong>er<br />

Studenten als regelmäßige Zuschauer <strong>in</strong> Weimar vielleicht lieber waren.<br />

Das Ballhaus, nach dem die „Ballhausgasse“ benannt wurde, ist 1670 errichtet und Johann<br />

Christian Usswald ist als erster fürstlicher Ballmeister für Ballschlagen und Billard<br />

privilegiert worden. Zum Ballspiel, e<strong>in</strong>em Vorläufer des heutigen Tennis, zogen bis dah<strong>in</strong> die<br />

Studenten gewöhnlich auch auf die nahe gelegenen Saalewiesen. Als Material für das<br />

Ballhaus wurden die Ste<strong>in</strong>e des abgebrochenen Erfurter Tores verwendet. Dieses Ballhaus<br />

5


wurde <strong>in</strong> der kurzen Regierungszeit des Herzogs Bernhard von Sachsen-<strong>Jena</strong> errichtet (1662 –<br />

1678). Sowohl der Herzog, der Senat der Universität als auch die damalige „Stadtverwaltung“<br />

waren vor allem aus wirtschaftlichen Gründen am Bau des Ballhauses <strong>in</strong>teressiert. In e<strong>in</strong>em<br />

Schreiben des Senats an die Erhalterstaaten der Universität kann man lesen „...zumal, da die<br />

von Adel und andere bemittelte Studiosi öfters nicht sowohl des studierens halber, als der<br />

Exerzitien wegen die Universität besuchen“. Zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts war das<br />

„Ballschlagen“ aus der Mode gekommen und die Gebäudenutzung durch freie<br />

Theatergruppen, Vere<strong>in</strong>e usw. wohl die Regel. Der 1859 von Prof. Stoy gegründete<br />

„Turnvere<strong>in</strong>“ hatte hier z. B. se<strong>in</strong> erstes Vere<strong>in</strong>slokal und für 1872 ist e<strong>in</strong>em Bericht der<br />

<strong>Jena</strong>ischen Zeitung zufolge das Ballhaus wegen e<strong>in</strong>es Umbaus nicht mehr für<br />

Theateraufführungen nutzbar. Das heute am Standort des Ballhauses bef<strong>in</strong>dliche Wohnhaus<br />

wurde zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts errichtet.<br />

Auf Kupferstich kann man das Ballhaus am Fürstengraben direkt neben dem „Schwarzen<br />

Bären“ sehen.<br />

Vom Ballhaus selbst wurde bisher noch ke<strong>in</strong> historisches Foto gefunden. Aus der Zeit<br />

zwischen 1750 und 1950 existieren aber verschiedene Abbildungen. Auf dieser Gouache aus<br />

e<strong>in</strong>em studentenstammbuch aus dieser zeit s<strong>in</strong>d sogar Tennisspieler <strong>in</strong> der Halle erkennbar<br />

(Bildnachweis Stadtmuseum).<br />

1859 <strong>Jena</strong>er Turnvere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der Vorläufer des USV <strong>Jena</strong> e. V.<br />

Der USV <strong>Jena</strong> e. V. sieht sich nicht nur <strong>in</strong> der Traditionsl<strong>in</strong>ie mit dem VfB <strong>Jena</strong> sondern<br />

auch als e<strong>in</strong> Nachfolger dem Turnvere<strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. 1859 gründeten <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Professoren der<br />

6


Universität e<strong>in</strong>en "Akademischen Turnvere<strong>in</strong>". 1. Vorsitzender war der Mediz<strong>in</strong>er Prof.<br />

Schleicher. Zu den Mitgliedern zählte u. a. Ernst Haeckel. Bereits nach kurzer Zeit hatte<br />

dieser Vere<strong>in</strong> 65 Mitglieder. Der Monatsbeitrag betrug 5 Silbergroschen. Wenige Monate<br />

später gründete Prof. Stoy mit e<strong>in</strong>igen Handwerkern e<strong>in</strong>en "Bürgerlichen Turnvere<strong>in</strong>". 1863<br />

schlossen sich diese beiden Vere<strong>in</strong>e zum <strong>Jena</strong>ischen Turnvere<strong>in</strong> zusammen. Dieser kauft 1890<br />

e<strong>in</strong>en Turnplatz an der Lutherstraße, wo er 1895 e<strong>in</strong>e Turnhalle und e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>shaus baut, die<br />

heute noch stehen. Die E<strong>in</strong>weihung erfolgte nach nur sieben Monaten Bauzeit. Der Fabrikant<br />

E. Netz stiftet e<strong>in</strong>en ansehnlichen Betrag zum Bau. Privatdozent Dr. Stoy stiftete im Namen<br />

der Altersriege der Akademiker e<strong>in</strong>e Büste von Kaiser Wilhelm I. und Herr Karl Bock stiftete<br />

e<strong>in</strong>e Jahn-Büste. Im Turnsaal verbreiten vier Siamesische Gasglühlampen "Tageshelle"<br />

schrieb damals die <strong>Jena</strong>ische Zeitung. Im Erdgeschoss des Vere<strong>in</strong>shauses befanden sich u. a.<br />

zwei Gasträume. Im ersten Stock e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>szimmer, e<strong>in</strong> Vorstandszimmer, e<strong>in</strong> Archiv, e<strong>in</strong><br />

Gastzimmer und der Orchesterraum. Im zweiten Geschoss wohnte der Wirt und die restlichen<br />

Räume wurden vermietet. Nach 1945 übernahm die Universität die Turnhalle. Das<br />

Vere<strong>in</strong>shaus und der Turnplatz g<strong>in</strong>gen an die Stadt, die hier die Kegelbahn bauten. Nur noch<br />

alten <strong>Jena</strong>er ist bekannt, dass der Turnvere<strong>in</strong> auf dem Forst, <strong>in</strong> der Nähe vom Stern e<strong>in</strong>en<br />

Waldturnplatz und e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>sgaststätte, hatte. Dies bauten die Turner <strong>in</strong> vielen Stunden<br />

Eigenleistung. Heute f<strong>in</strong>det man hiervon nur noch Fundamentreste. E<strong>in</strong> Versuch des<br />

Turnvere<strong>in</strong>smitglieds Harry Pippardt e<strong>in</strong>e Rückübertragung der Vere<strong>in</strong>sgrundstücke zu<br />

erreichen, scheiterte daran, dass sich nicht genügend ehemalige Turnvere<strong>in</strong>smitglieder fanden,<br />

die den Antrag unterstützten.<br />

7


1931 Arbeitse<strong>in</strong>satz beim Bau des Turnplatzes auf dem <strong>Jena</strong>er Forst. Der kle<strong>in</strong>e Junge (oberes<br />

Bild) mit Ball ist Harry Pippardt.<br />

1861 Ernst Haeckel wanderte auf der Kernberglaufstrecke<br />

Die Friedrich-Schiller-Universität ist der wichtigste Förderer des <strong>Jena</strong>er Kernberglaufs. Durch<br />

die Bereitstellung des Start- und Zielgeländes, der dazu nötigen Infrastruktur usw. macht sie<br />

die kostengünstige Organisation des Laufs überhaupt erst möglich. Seit 2005 hat die<br />

Universität ihre „Sponsorleistung“ um e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Detail erweitert. Jeder<br />

Kernberglaufteilnehmer erhielt e<strong>in</strong>e Freikarte für e<strong>in</strong> „Universitätsmuseum“. Im Schillerjahr<br />

2005 war es das Schillerhaus. In Jahr darauf war es das Haeckelhaus. Zu Ernst Haeckel hat<br />

der Kernberglauf e<strong>in</strong>en direkten Traditionsbezug. Himmelfahrt 1861 unternahm Haeckel e<strong>in</strong>e<br />

Wanderung über die große Horizontale, die er als se<strong>in</strong>en „schönsten Ausflug“ bezeichnete,<br />

den er bisher gemacht hätte. Die Streckenlänge des Kernberglaufs dürfte für ihn ke<strong>in</strong> Problem<br />

gewesen se<strong>in</strong>, so notierte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tagebuch am 23. Mai 1861: „Von Apolda g<strong>in</strong>g ich zu<br />

Fuß nach <strong>Jena</strong>, <strong>in</strong> drei Stunden.“<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zuge der Entwicklung der Wanderbewegung wurde mit dem<br />

Bau der Horizontalen um <strong>Jena</strong> begonnen. Die <strong>Jena</strong>er Turnvere<strong>in</strong>e nutzten diese Wanderwege<br />

sehr gerne für ihre Turnfahrten. Ernst Haeckel gehörte seit 1861 zu den Mitgliedern des<br />

Akademischen Turnvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, den man als Vorläufer des USV <strong>Jena</strong> ansehen kann.<br />

Haeckel blieb auch Mitglied, als sich 1863 der Akademische mit dem Bürgerlichen<br />

Turnvere<strong>in</strong> zum <strong>Jena</strong>ischen Turnvere<strong>in</strong> zusammenschloss. 1860 war Haeckel zum ersten Mal<br />

bei e<strong>in</strong>em Turnfest <strong>in</strong> Coburg dabei. 1863 g<strong>in</strong>g er für den <strong>Jena</strong>er Turnvere<strong>in</strong> beim III. Turnfest<br />

<strong>in</strong> Leipzig im Weitsprung an den Start und gewann e<strong>in</strong>en Preis für se<strong>in</strong>en 6 m-Sprung.<br />

Medaille von Haeckel<br />

8


Auf dem Foto, welches sich im Ernst-Haeckel-Archiv der Universität <strong>Jena</strong> bef<strong>in</strong>det, ist er<br />

(Ernst Haeckel) (zweiter von rechts) mit Mitgliedern des Monistenbundes auf der<br />

Schweizerhöhe, woh<strong>in</strong> sie gewandert waren, abgebildet.<br />

1882 Historisches Datum für <strong>Sport</strong>stadt <strong>Jena</strong><br />

Der heimliche Titel e<strong>in</strong>er „<strong>Sport</strong>stadt“ für <strong>Jena</strong> wird auch durch die „Leistung“ für die<br />

Entwicklung des <strong>Sport</strong>s <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen oder gar <strong>in</strong> Deutschland gemessen. Wenn am 6. Mai<br />

2008 sich früh um 9.30 Uhr Turner an der Schweizerhöhe treffen und e<strong>in</strong>en Staffellauf nach<br />

Marburg starten, dann wird an e<strong>in</strong> solches sporthistorisches Ereignis er<strong>in</strong>nert, welches<br />

zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der akademischen <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong> und den Traditionen des Turnerbundes e<strong>in</strong>e<br />

Rolle gespielt hat. Vor 125 Jahren wurde am 27. Juni 1883 von den Akademischen<br />

Turnvere<strong>in</strong>en <strong>Jena</strong>, München, Freiburg und Aachen <strong>in</strong> der Gaststätte Schweizerhöhe der<br />

Akademischen Turnbund (ATB) gegründet. H<strong>in</strong>tergrund der Gründung war die<br />

Nichtaufnahme von Freiburg und Aachen <strong>in</strong> den Akademischen Kartellverband und das<br />

Bestreben der jungen <strong>Jena</strong>er „Gothania“, e<strong>in</strong>en neuen Turnverband für nichtfarbetragende<br />

studentische Verb<strong>in</strong>dungen zu gründen.<br />

Die studentische Verb<strong>in</strong>dung „Gothania Jenensis“ wurde zwar schon 1858 als Akademische<br />

Gesellschaft, die auch das Turnen im Vere<strong>in</strong>sleben pflegt, <strong>in</strong>s Leben gerufen, sie spielte aber<br />

bis 1882 ke<strong>in</strong>e große Rolle. Erst mit der Wiederimmatrikulation des Gothaer Jurastudenten<br />

Albert Schreiber, der nach drei Semestern Studium <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> nach Berl<strong>in</strong> gegangen war und<br />

9


1882 nach <strong>Jena</strong> zurückkehrte, kam frischer W<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die „Gothania“. Er war <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> beim<br />

Akademischen Turnvere<strong>in</strong> aktiv gewesen und <strong>in</strong>itiierte mit den Berl<strong>in</strong>er Kommilitonen Fritz<br />

Lehmann und Georg Ruschhaupt und den „Gothanen“ Paul Regel die Umwandlung der<br />

Gothanen <strong>in</strong> den „Akademischen Turnvere<strong>in</strong> Gothania-Jenensis“. Nach se<strong>in</strong>er Satzung sahen<br />

sie es als Ziel „…ihre Mitglieder durch Ausbildung aller Kräfte des Geistes und des Körpers<br />

zu Persönlichkeiten heranzubilden, die zu wirksamen Dienst am deutschen Volke befähigt<br />

s<strong>in</strong>d.“ Als e<strong>in</strong> Mittel dafür sahen sie die Förderung und Betreibung von Leibesübungen ihrer<br />

Mitglieder. Zur Unterscheidung zu anderen Verb<strong>in</strong>dungen sahen sie sich als<br />

nichtfarbetragende sogenannte schwarze Verb<strong>in</strong>dung mit schweren Waffen an. Die gleichen<br />

handelnden Personen wie bei der Neuformierung der Gothanen wurden e<strong>in</strong> Jahr später, 1883,<br />

auch bei der Gründung des ATB Hauptaktöre. Der ATB existiert noch heute und hat über 40<br />

Mitgliedsvere<strong>in</strong>e an vielen deutschen und österreichischen Hochschulstandorten. Er ist<br />

Mitglied im Deutschen Turnerbund. Die Gothanen wurden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> neben der „Salia-Jenensis“<br />

e<strong>in</strong>er der erfolgreichsten Turnvere<strong>in</strong>e. Besonders <strong>in</strong> den Turnspielen wie Faustball, Schlagball<br />

aber auch im Rudern und der Leichtathletik belegten sie <strong>in</strong> den zwanziger Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts bei Universitätsmeisterschaften viele erste Plätze.<br />

1945, nach dem II. Weltkrieg im Osten dauerhaft verboten, gründeten sich die Gothanen 1952<br />

als Akademischer Turn- und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong> Gothania-Jenensis zu Frankfurt wieder neu. Ihr<br />

großes Verb<strong>in</strong>dungshaus <strong>in</strong> der Wöllnitzer Straße nutzt noch heute die Universität als<br />

Institutsgebäude.<br />

E<strong>in</strong>es der ältesten Fotos zu <strong>Jena</strong>s <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong> stammt aus dem Jahre 1882 und zeigt die<br />

Gründungsmitglieder der Gothania v. l. Paul Regel, Albert Schreiber, Georg Ruschhaupt und<br />

Fritz Lehmann.<br />

1892 <strong>Jena</strong>er Universität schrieb Fußballgeschichte<br />

In der Fußballgeschichte <strong>Jena</strong>s spielen e<strong>in</strong> Magister John J. F<strong>in</strong>dlay aus England und der<br />

Gymnasiallehrer Hermann Peter e<strong>in</strong>e Rolle. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sammelten sich<br />

im Paradies, damals noch vor den Toren der Stadt, Jugendliche und Studenten, um das <strong>in</strong><br />

Deutschland noch weitestgehend unbekannte Fußballspiel auszuprobieren. F<strong>in</strong>dlay kam aus<br />

Sheffield nach <strong>Jena</strong>, um hier bei Pädagogikprofessor Wilhelm Re<strong>in</strong> und bei dem<br />

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Philosophieprofessor Rudolf Eucken für zwei Semester (1892/93) Vorlesungen und Sem<strong>in</strong>are<br />

zu belegen. Er kam nicht alle<strong>in</strong>, sondern hatte aus Sheffield noch Robert Waterhouse<br />

mitgebracht, der sich für naturwissenschaftliche Vorlesungen e<strong>in</strong>trug. Außerdem hatten sie<br />

das Fußballspiel mitgebracht, welches damals im Deutschen Reich noch nicht sehr verbreitet<br />

war. Die Gründung des ersten <strong>Jena</strong>er Fußballvere<strong>in</strong>s hatte dann der Gymnasiallehrer Hermann<br />

Peter angeregt, der zur gleichen Zeit auch e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zur Schaffung von „Spielplätzen“ <strong>in</strong><br />

der Oberaue, das heutige Universitätssportzentrum, gründete. Für diesen ersten Thür<strong>in</strong>ger<br />

Fußballvere<strong>in</strong> hatte er u. a. fünf englische Studenten gewonnen. Insgesamt studierten damals<br />

sechs Engländer und vier Amerikaner an der Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Ob die sogenannte „<strong>Jena</strong>er Regel“ aus dem Jahre 1896 auf Hermann Peter zurückgeht, konnte<br />

noch nicht nachgewiesen werden. Nach dieser Regel dürfen auf dem Spielfeld ke<strong>in</strong>e Bäume<br />

und Sträucher stehen. Dies war damals absolut nicht selbstverständlich, da als Spielflächen<br />

e<strong>in</strong>fache Wiesen dienten und gerade <strong>in</strong> der <strong>Jena</strong>er Oberaue e<strong>in</strong>e Vielzahl von Bäumen<br />

standen. Noch 1920 beschwerten sich die drei auf den Universitätsplätzen spielenden<br />

Tennisvere<strong>in</strong>e, dass die L<strong>in</strong>ien der Felder nicht parallel verlaufen, da überall Bäume im Wege<br />

stehen.<br />

E<strong>in</strong> ähnlicher Fußballpionier <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> wie F<strong>in</strong>dlay war Hugo Weschenfelder. Als <strong>Sport</strong>lehrer<br />

an der Universität beschäftigt, rief er im Oktober 1972 <strong>in</strong> der Universitätszeitung<br />

Student<strong>in</strong>nen auf, sich für e<strong>in</strong>e Fußballgruppe zu melden, die sich jeden Montag um 17.00<br />

Uhr auf den Plätzen der <strong>Sport</strong>wissenschaft trafen. Diese Aktivität wurde damals genauso<br />

belächelt wie 1893 die Gründung des ersten Fußballvere<strong>in</strong>s. Heute ist der Frauenfußball aus<br />

<strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>geschehen nicht mehr wegzudenken. Die erste Mannschaft des FF USV <strong>Jena</strong> e. V.<br />

spielt unter <strong>Jena</strong>s Fußballern und Fußballer<strong>in</strong>nen mit der 2. Bundesliga <strong>in</strong> der höchsten<br />

Spielklasse, was sich allerd<strong>in</strong>gs noch nicht <strong>in</strong> entsprechenden Zuschauerzahlen bemerkbar<br />

macht. Hugo Weschenfelder zu Ehren, der vor zehn Jahren verstorben ist, organisiert der FF<br />

USV <strong>Jena</strong> am Januar das e<strong>in</strong> Gedenkturnier.<br />

Auf e<strong>in</strong>em Foto welches sich im Stadtmuseum bef<strong>in</strong>det sieht am die dicht mit Bäumen<br />

bestandenen Wöllnitzer Wiesen um 1900 aufgenommen von der Trüperschen<br />

Erziehungsanstalt.<br />

Abbe und Haeckel beim weißen <strong>Sport</strong><br />

Tennisspielen gehört neben dem Fechten zu den ältesten <strong>Sport</strong>arten, die die <strong>Jena</strong>er Studenten<br />

organisiert betrieben. Dafür wurde schon im 17. Jahrhundert e<strong>in</strong> fürstlicher Ballmeisters<br />

namens Johann Christian Usswald angestellt. Um 1670 erfolgte dann noch der Bau e<strong>in</strong>er<br />

11


speziellen „<strong>Sport</strong>halle“. Dieses Ballhaus leitet se<strong>in</strong>en Namen von Ballspielen ab und gab der<br />

heutigen Ballhausgasse den Namen. Zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts war das Tennisspiel<br />

etwas aus der Mode geraten, so dass der zuständige „M<strong>in</strong>ister“ Johann Wolfgang von Goethe<br />

überlegte, ob man aus dem Ballhaus e<strong>in</strong> Theater machen könnte. Bis 1872 s<strong>in</strong>d dann<br />

Theateraufführungen von freien Theatergruppen im Ballhaus belegt. Aufw<strong>in</strong>d bekam der<br />

Tennissport nach 1890 vor allem aus England, wo das Spielen auf Rasen- oder Sandplätzen<br />

zunehmend mehr Anhänger gewann. Der 1893 von Hermann Peter gegründete<br />

Spielplatzvere<strong>in</strong> kaufte systematisch <strong>in</strong> der Oberaue Wiesen auf und richtete hier auch die<br />

ersten Tennisplätze e<strong>in</strong>. 1898 bestanden bereits 12 Plätze. E<strong>in</strong>en privaten Tennisplatz und e<strong>in</strong>e<br />

Kegelbahn unterhielt noch der Chemiker Prof. Dr. Ludwig Knorr <strong>in</strong> der Kahlaischen Straße.<br />

Hier traf sich der berühmt gewordene „Referierabend“ mit dem Physiker Ernst Abbe´, dem<br />

Anatom Karl von Bardeleben, dem Physiologen Wilhelm Biedermann, dem<br />

Pflanzenphysiologen Wilhelm Detmer, dem Anatomen Max Fürbr<strong>in</strong>ger, dem Zoologen Ernst<br />

Haeckel, dem Anatomen Wilhelm Müller, dem Botaniker Ernst Stahl und dem Physiker Adolf<br />

W<strong>in</strong>kelmann, die auch geme<strong>in</strong>sam Tennis spielten und kegelten.<br />

Auf Grund der Beliebtheit des Tennisspiels unter den Studenten mietete die Universität für<br />

260, - Goldmark unter anderem zwei Tennisfelder <strong>in</strong> der Oberaue an. Daneben konnten sich<br />

die Studierenden auf der <strong>in</strong>zwischen auf 32 Plätzen angewachsenen Anlage auch selber<br />

e<strong>in</strong>mieten. 1903 wurde das noch heute existierende Tennishaus erbaut und 1914 kaufte die<br />

Universität die gesamte Anlage, da der Spielplatzvere<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziell nicht mehr <strong>in</strong> der Lage war<br />

das Objekt zu erhalten. Zum 1. Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>fest im Juli 1914 wurden<br />

erstmalig Universitätsmeisterschaften im Tennis ausgeschrieben.<br />

Plan der Spielweisen mit den 32 Tennisplätzen aus dem Jahre 1910.<br />

12


Auf e<strong>in</strong>em Plan von 1910, der e<strong>in</strong>er städtischen Werbebroschüre für die Universität<br />

entnommen ist, sieht man deutlich die 32 Tennisplätze und das noch heute erhaltene<br />

Tennishaus, welches hier mit a. gekennzeichnet ist. Auf dem Foto, ebenfalls aus der<br />

Broschüre sieht man den dichten Baumbestand um das Tennishaus.<br />

Das älteste Foto von Universitäts-Tennismeisterschaften stammt aus dem Jahre 1924.<br />

1910 Über 100 Jahre Tennis <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

Der Gymnasiallehrer Herrmann Peter, der bereits 1890 den Fußballvere<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> gegründet<br />

hatte, hatte ständig mit dem Mangel an Spielwiesen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zu kämpfen. Geme<strong>in</strong>sam mit<br />

weitsichtigen Stadtvätern, Professoren der Universität und Vertretern der <strong>Jena</strong>er Wirtschaft<br />

gründete er daraufh<strong>in</strong> 1893 den „Vere<strong>in</strong> zur Herstellung e<strong>in</strong>es Spielplatzes“. Dieser<br />

„Spielplatzvere<strong>in</strong>“ sammelte Geld für den Bau e<strong>in</strong>er Spielwise und organisierte die dafür<br />

notwendigen Arbeiten.<br />

In e<strong>in</strong>er Zeit stürmischen Aufschwungs des Turnens, des <strong>Sport</strong>s und der Ballspiele, so hatten<br />

es die Gründer des Vere<strong>in</strong>s erkannt, mußten <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> schnellsten die dafür materiellen<br />

Voraussetzungen geschaffen werden. Besonders wichtig war dies <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die<br />

studentische Jugend. E<strong>in</strong>e Universitätsturnhalle und Spielplätze, wie sie anderen<br />

Hochschulen, so bei der „Konkurrenz“ <strong>in</strong> Marburg, Gött<strong>in</strong>gen und Leipzig bereits bestanden,<br />

waren zu e<strong>in</strong>em Standortfaktor bei der Gew<strong>in</strong>nung von Studenten geworden. <strong>Jena</strong>s<br />

wirtschaftliche Entwicklung h<strong>in</strong>g maßgeblich von der Anzahl der Studierenden ab. Noch vor<br />

1900 gelang es dem Spielplatzvere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gelände <strong>in</strong> der Oberaue zu erwerben, welches sich<br />

anfangs etwa vom heutigen Tennishaus bis zur Tribüne des Stadions h<strong>in</strong>zog. Auf den<br />

Rasenplatzen wurden je nach Bedarf Spielfelder für Faustball, Fußball, Hockey oder Tennis<br />

13


abgesteckt. Bis zu 32 Tennisplätze konnten zeitweilig genutzt werden. 1903 wurde „mitten<br />

auf den Tennisplätzen e<strong>in</strong> Klubhaus mit Geräte- und Kleiderschränken, Umkleideräumen,<br />

Büfett, Wärterwohnung, großem Balkon und Masch<strong>in</strong>enräumen erbaut und <strong>in</strong> Gebrauch<br />

genommen“, heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Broschüre des Fremdenverkehrsvere<strong>in</strong>s der Stadt <strong>Jena</strong>. Diese<br />

Broschüre war speziell zur Werbung von Studenten herausgegeben worden. Nachdem noch<br />

Bootsschuppen und Umkleidemöglichkeiten <strong>in</strong> Form von alten Eisenbahnwaggons aufgestellt<br />

worden waren, konnten viele <strong>Jena</strong>er Vere<strong>in</strong>e und studentische Verb<strong>in</strong>dungen diese Anlagen<br />

regelmäßig nutzen. Das fast 3 Hektar große Gelände wurde 1914 für 55 693,- Goldmark von<br />

der Universität erworben, um e<strong>in</strong>e geordnete Pflege, Wartung und Nutzung zu garantieren.<br />

Der Gymnasiallehrer Herrmann Peter, der bis dah<strong>in</strong> die Aufgabe e<strong>in</strong>es Vorsitzenden des<br />

Spielplatzvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong>nehatte und die gesamte Koord<strong>in</strong>ierung des Betriebs- und Nutzersystem<br />

ehrenamtlich leitete, wurde bei der Universität nebenamtlich mit e<strong>in</strong>er jährlichen Besoldung<br />

von 800,- Goldmark e<strong>in</strong>gestellt. 1919 ließ die Universität zum Andenken an die Leistungen<br />

bei der Schaffung der <strong>Sport</strong>plätze am Tennishaus e<strong>in</strong>e Gedenkplakette mit dem Portrait von<br />

Hermann Peter anbr<strong>in</strong>gen, welche sich noch heute hier bef<strong>in</strong>det.<br />

Das älteste Tennisfoto stammt aus dem Jahre 1910 und zeigt die Tennisplätze und das neue<br />

Tennishaus.<br />

1911 100 Jahre Frauenstudium<br />

Über das <strong>Sport</strong>treiben der ersten 15 Student<strong>in</strong>nen, die 1908 ihr Studium an der <strong>Jena</strong>er<br />

Universität aufnahmen, wurden bisher noch ke<strong>in</strong>e verlässlichen Quellen gefunden. Da aber<br />

der nach heutigem Sprachgebrauch, „Hochschulsport“ für die Studenten vor allem <strong>in</strong> den<br />

Turn- und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>en und akademischen Verb<strong>in</strong>dungen stattfand, ist anzunehmen, dass die<br />

ersten studierenden Frauen ebenfalls diese Möglichkeiten nutzten. Aber schon zwei Jahre<br />

später, 1910, wurde <strong>in</strong> dem Buch „Turnen und <strong>Sport</strong> an deutschen Hochschulen“ über die<br />

sportliche Betätigungen der Student<strong>in</strong>nen geschrieben: „Sehr beliebt ist auch das Tennisspiel,<br />

das, wo es möglich ist, auf den Tennisplätzen der Universität betrieben wird [...] In <strong>Jena</strong> wird<br />

auf e<strong>in</strong>em Privattennisplatz gespielt.“ Hier s<strong>in</strong>d die Plätze des „Spielplatzvere<strong>in</strong>s“ <strong>in</strong> der<br />

Oberaue geme<strong>in</strong>t. Weiter heißt es:<br />

„Die Stellung des <strong>Jena</strong>er (Student<strong>in</strong>nen) Vere<strong>in</strong>s wird durch die Tatsache besonders deutlich<br />

gekennzeichnet, dass <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Statuten als Zweck auch die Pflege des <strong>Sport</strong>s aufgenommen<br />

ist. So betreibt er außer Tennis auch das Florettfechten.“<br />

14


<strong>Jena</strong> ist damit wohl die erste Hochschule <strong>in</strong> Deutschland, wo der Fechtsport für Frauen<br />

möglich war. Im Allgeme<strong>in</strong>en wurde das Fechten an den Hochschulen vom akademischen<br />

Fechten der Verb<strong>in</strong>dungen, dessen Ziel das Mensur- oder Duellfechten war, bestimmt. Die<br />

Ausbildung wurde vielfach von Universitätsfechtmeistern übernommen, die von den<br />

Hochschulen e<strong>in</strong> entsprechendes Privileg erwerben mussten. Seit 1903 war Christian<br />

Seemann-Kahne <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> tätig. Aus Hannover stammend, hatte er se<strong>in</strong>e Fechtmeisterprüfung<br />

an der Universität <strong>in</strong> Kiel abgelegt. Danach war er an verschiedenen Hochschulen Assistent<br />

von Fechtmeistern, u. a. <strong>in</strong> Heidelberg und bei se<strong>in</strong>em Bruder <strong>in</strong> Hannover. In <strong>Jena</strong> erhielt er<br />

anfangs von der Universität e<strong>in</strong>en Zuschuss von 300, - Reichsmark im Jahr. Ansonsten lebte<br />

er von den Kolleggeldern, die die Studenten bei ihm für den Unterricht bezahlen mussten.<br />

Erst 1913 wurde er offiziell privilegiert und bekam dann e<strong>in</strong> Jahresgehalt von 1000,-<br />

Reichsmark. Seemann-Kahne war sehr umtriebig und etablierte das Fechten auch <strong>in</strong><br />

nichtakademischen Vere<strong>in</strong>en, wie dem Turnvere<strong>in</strong> „Jahn“ <strong>Jena</strong> und dem Vere<strong>in</strong> für<br />

Bewegungsspiele (VfB) dem Vorläufer des heutigen USV <strong>Jena</strong> e. V. Diese beiden Vere<strong>in</strong>e<br />

hatten akademische Abteilungen und pflegten auch das <strong>Sport</strong>fechten, welches damals im<br />

Deutschen Reich Fuß zu fassen begann. Se<strong>in</strong> Versuch, nach dem I. Weltkrieg das<br />

<strong>Sport</strong>fechten statt des Mensurfechtens <strong>in</strong> den Studentischen Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>zuführen,<br />

scheiterte am Ende an der Frage, wie der Sieger e<strong>in</strong>es solchen Fechtduells e<strong>in</strong>deutig ermittelt<br />

werden könne.<br />

Zeitgenoss<strong>in</strong>nen wie Elisabeth Ditzen, die 1910 das Fechten der Student<strong>in</strong>nen beschrieb,<br />

merkten zum Fechtsport der Student<strong>in</strong>nen kritisch an: „Damit stand der <strong>Jena</strong>er Student<strong>in</strong>nen-<br />

Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>zig da. Vielleicht hält man das Fechten, auch wenn man es als re<strong>in</strong><br />

körperliche Übung ohne Nebenzweck betreibt, - und nur davon kann hier die Rede se<strong>in</strong> – für<br />

unweiblich – doch halte ich es für wahrsche<strong>in</strong>licher, dass man <strong>in</strong> allen Vere<strong>in</strong>en bestrebt war,<br />

fürs erste die gewöhnlichen turnerischen und sportlichen Veranstaltungen e<strong>in</strong>zubürgern und<br />

erst dann an die Pflege e<strong>in</strong>er speziell akademischen Leibesübung heranzugehen.“<br />

Aus dem Jahr 1911 stammt das Foto auf dem der Universitätsfechtmeister Christian<br />

Seemann-Kahne (rechts) mit Student<strong>in</strong>nen beim Fechttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu sehen ist.<br />

1908 <strong>Sport</strong>liche Aktivitäten zum Universitätsjubiläum<br />

Jubiläen werden an der <strong>Jena</strong>er Universität schon seit Jahrhunderten gefeiert. <strong>Sport</strong>liche<br />

Aktivitäten s<strong>in</strong>d dabei aber erst für 1908 belegt, als <strong>Jena</strong>s Studenten e<strong>in</strong> Schauturnen am<br />

Vorabend der E<strong>in</strong>weihung des neuen Universitätshauptgebäudes <strong>in</strong> der Turnhalle des<br />

15


Jahnturnvere<strong>in</strong>s organisierten. Treibende Kraft war dabei die Akademische Turnerschaft<br />

„Salia zu <strong>Jena</strong>“. Diese turnende Burschenschaft hatte allen Grund zum feiern, konnte sie doch<br />

am Tage nach der E<strong>in</strong>weihung des neuen Universitätshauptgebäudes ihr Verb<strong>in</strong>dungshaus am<br />

Fürstengraben e<strong>in</strong>weihen. Drei Jahre vorher hatte der Altherrenverband der Salia, mit dem<br />

Bau e<strong>in</strong>es Verb<strong>in</strong>dungshauses begonnen. Dem waren Jahre der Vorbereitung und des<br />

Geldsammelns vorausgegangen. Schon vor Baubeg<strong>in</strong>n und dann auch <strong>in</strong> der Ausführungszeit<br />

gab es e<strong>in</strong> ständiges zähes R<strong>in</strong>gen mit der Stadtverwaltung. Der Entwurf des Hamburger<br />

Architekten Ernst H<strong>in</strong>sch entsprach nicht den städtebaulichen Vorstellungen der Stadt. Diese<br />

wünschte e<strong>in</strong>e Fassade, die dem am Fürstengraben vorherrschenden spätklassischen Erbe<br />

verpflichtet war. Stattdessen wollten die „Salier“ e<strong>in</strong>en modernen Entwurf aus der Zeit von<br />

1900, als die Planungsphase begann, e<strong>in</strong>e Mischung aus Historismus und Jugendstil,<br />

durchsetzen. Die stark verzierte Fassade mit breiter Freitreppe und großem Balkon zum<br />

Fürstengraben h<strong>in</strong>, sollte besonders repräsentativ wirken und wurde von der Stadt nur mit<br />

vielen Änderungen genehmigt. So wurde u. a. statt des geplanten Flachdaches e<strong>in</strong> Spitzdach<br />

gebaut, was sich später durch zusätzliche Zimmer als günstig erwies. 1906 konnte dann der<br />

Grundste<strong>in</strong> gelegt werden. Mit dem Generalübernehmer, dem Baumeister Adolf Müller aus<br />

<strong>Jena</strong>, gab es ebenfalls immer wieder Verhandlungen über die Bauausführung und die Kosten.<br />

Insgesamt verlangte der Bauunternehmer nach Fertigstellung des Haues 44.034,65 Goldmark.<br />

Über die letzte Rate <strong>in</strong> Höhe von etwa 14.000 Mark wurde jahrelang gerichtlich gestritten, bis<br />

es zu e<strong>in</strong>em Vergleich kam. Berücksichtigt man die Rechtskosten blieb es im Wesentlichen<br />

bei Baukosten um 45.000,- Mark.<br />

Zur E<strong>in</strong>weihung stifteten viele alte Herren E<strong>in</strong>richtungsgegenstände, so e<strong>in</strong>e Standuhr, e<strong>in</strong><br />

Klavier, e<strong>in</strong>en Bücherständer aber auch Papierkörbe, Fahnen und Bilder für das Haus.<br />

Das Haus wurde weitestgehend <strong>in</strong> studentischer Selbstverwaltung betrieben. Dazu gab es e<strong>in</strong>e<br />

ausführliche Hausordnung, <strong>in</strong> der sicher aus den Erfahrungen heraus e<strong>in</strong>ige kuriose<br />

Festlegungen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. So: § 6 „Wer im Falle des Unwohlse<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>en anderen Ort als<br />

das im Toilettenbecken benutzt, zahlt 1 Mark Strafe und die Re<strong>in</strong>igungskosten.“ Oder § 8<br />

„Andauerndes Kippen mit Stühlen zieht e<strong>in</strong>e Strafe von 25 Pfg. nach sich.“<br />

In den folgenden Jahren entwickelte sich die „Salia“ neben der „Gothania“ zur stärksten<br />

turnenden Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, die e<strong>in</strong>e Vielzahl von Siegern bei Universitätssportfesten<br />

stellten.<br />

Mit Unterbrechungen wurde das Haus bis <strong>in</strong> die vierziger Jahre als Verb<strong>in</strong>dungshaus genutzt.<br />

Nach 1945 enteignet, ist es jetzt im Besitz der Universität.<br />

16


E<strong>in</strong>e Aufnahme von 1908 zeigt die stark gegliederte Fassade des Salierhauses, wo heute das<br />

Dezernat F<strong>in</strong>anzen der Universität sitzt.<br />

1908 Mit Flusskies von den Schleichers<br />

Die <strong>Sport</strong>art Leichtathletik wurde <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> seit Ende des 19. Jahrhunderts betrieben. Wichtigste<br />

<strong>Sport</strong>stätte war anfangs die Wiese <strong>in</strong> der Oberaue, dem heutigem Universitätssportzentrum,<br />

welches durch den „Vere<strong>in</strong>s zur Herstellung e<strong>in</strong>es Spielplatzes“ ab 1893 gebaut wurde. Der<br />

Gymnasiallehrer Herrmann Peter hatte diesen Vere<strong>in</strong> als geme<strong>in</strong>nützige Genossenschaft mit<br />

dem Ziel des Erwerbs von geeigneten Grundstücken für <strong>Sport</strong>- und Spielplätze <strong>in</strong>s Leben<br />

gerufen. Zum Vorstand gehörten neben Peter noch der bekannte Universitätsprofessor<br />

Ludwig Knorr, der als Chemiker als Entdecker des Aspir<strong>in</strong>s gilt und der Fabrikant Gustav<br />

Netz. Jedes der Genossenschaftsmitglieder konnte bis zu 20 Geschäftsanteilen a 100,-<br />

Goldmark erwerben. E<strong>in</strong> Jahr nach der Gründung hatte der Vere<strong>in</strong> bereits 2,5 ha<br />

Wiesenflächen gekauft. Neben dem Fußballspiel wurde vor allem Tennis auf den<br />

Rasenplätzen gespielt. Um 1908 existierten immerh<strong>in</strong> 32 Tennisplätze <strong>in</strong> der Oberaue, die<br />

dann schrittweise <strong>in</strong> Sandplätze umgewandelt wurden. Für die Leichtathletik wurden diese<br />

Sandplätze und die Spielwiese genutzt. Bei Laufwettbewerben mussten mit Bändern die<br />

Bahnen abgesteckt werden. Mit dem 1908 gegründeten Vere<strong>in</strong> für Bewegungsspiele (VfB),<br />

der als Mehrspartenvere<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er eigenen akademischen Abteilung der direkte Vorläufer<br />

des USV ist, begann der leichtathletische Wettkampfbetrieb <strong>in</strong> der Oberaue e<strong>in</strong>zuziehen. Für<br />

größere <strong>Sport</strong>veranstaltungen zog man dann allerd<strong>in</strong>gs meist auf das benachbarte<br />

<strong>Sport</strong>gelände des 1. SV <strong>Jena</strong>, das heutige Ernst-Abbe-Stadion, wo e<strong>in</strong>e Laufbahn existierte.<br />

Auf den Plätzen des Universitätssportzentrums, die Universität hatte 1914 die gesamte Anlage<br />

vom Spielplatzvere<strong>in</strong> abgekauft, gab es bis 1925 ke<strong>in</strong>e Laufbahn. Ähnlich, wie heute mit dem<br />

USV überließ 1925 die Universität dem VfB Teile des Geländes, mit der Verpflichtung e<strong>in</strong>e<br />

Laufbahn fertigzustellen. Die Anlage wurde von den Vere<strong>in</strong>smitgliedern <strong>in</strong> freiwilliger Arbeit<br />

gebaut. Insgesamt wurden dafür 12 000 Arbeitsstunden geleistet. Der Aufbau der Bahn<br />

bestand aus 30 cm Flusskies aus der benachbarten Kiesgrube der Firma Schleicher, 10 cm<br />

grober Schlacke und 10 cm Mischung von Sand, Ziegelmehl und fe<strong>in</strong>er Schlacke. Auf Grund<br />

der Größe des vorhandenen Geländes hatte die Bahn allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e 400m Bahn. Die Länge<br />

der Runde betrug etwas über 370 m. Trotzdem gab es hier <strong>in</strong> den zwanziger und dreißiger<br />

Jahren des vorigen Jahrhunderts e<strong>in</strong>e ganze Reihe nationaler und <strong>in</strong>ternationaler Wettkämpfe.<br />

Bis 1998 hatte diese Bahn Bestand, war aber auf Grund des schlechten Zustandes nicht mal<br />

mehr zum Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g geeignet. Erst 2000 konnte der USV den Bau e<strong>in</strong>er modernen<br />

Kunststofflaufbahn <strong>in</strong> Angriff nehmen. Auf Grund e<strong>in</strong>es Vetos des Thür<strong>in</strong>ger Leichtathletik<br />

Verbandes und anderer Bedenkenträger wurde aber nur e<strong>in</strong>e sogenannte C-Kampfbahn<br />

gebaut, die nicht für nationale Meisterschaften und <strong>in</strong>ternationale Wettkämpfe geeignet ist.<br />

Sie wurde 2002 <strong>in</strong> Betrieb genommen und dient heute neben den Vere<strong>in</strong>smitgliedern,<br />

Hochschulsportlern und <strong>Sport</strong>studenten auch vielen breitensportlichen Veranstaltungen, wie<br />

den Team-Lauf, der 100 km-Wanderung, dem Paarlauf-Cup und dem <strong>Jena</strong>er Kernberglauf als<br />

unverzichtbare <strong>Sport</strong>stätte.<br />

17


Bei e<strong>in</strong>em der ersten deutschlandweiten Leichtathletikwettkämpfe im heutigen<br />

Universitätssportzentrum 1912, unter dem Namen „Nationale Olympische Spiele“ wurde auf<br />

dem Rasen gelaufen. Deutlich sieht man die abgesteckten Bahnen bim 1500-m-Lauf.<br />

1908 Verschwundenes Kunstwerk<br />

Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltungen der USV-<strong>Sport</strong>halle an den Teufelslöchern ist<br />

auch e<strong>in</strong> Kunstprojekt des Diplomstudenten der Bauhausuniversität Weimar, Giorgie<br />

Kamushadse der <strong>in</strong>teressierten Öffentlichkeit übergeben wird. Im Vorfeld hatte der USV<br />

versucht, die Traditionsh<strong>in</strong>tergründe zum Thema „Kunst und <strong>Sport</strong>“ <strong>in</strong> der <strong>Geschichte</strong> des<br />

<strong>Jena</strong>er Universitätsports aufzuhellen. Für das wichtigste Kunstwerk, welches im Besitz des<br />

<strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts war, der Speerwerfer von Richard Engelmann, konnte sowohl die Ideenf<strong>in</strong>dung,<br />

Ausführung und als auch der Verbleib des Kunstwerkes geklärt werde. Es wurde 1940 im<br />

Zuge e<strong>in</strong>er Buntmetallsammlung für den Krieg e<strong>in</strong>geschmolzen und der Travert<strong>in</strong>-Sockel, der<br />

noch bis Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts vor der Muskelkirche stand,<br />

wurde bei Baumaßnahmen gestohlen.<br />

Im Zuge der Buntmetallsammlung verschwand auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> Meter hohe Plastikgruppe mit<br />

der Bezeichnung „Fußballspieler“ von Arno Zauche [1875 – 1941], die zuletzt ihren Platz <strong>in</strong><br />

der Bibliothek der Muskelkirche gefunden hatte. Der Orig<strong>in</strong>alstandort im Foyer der<br />

Muskelkirche, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er <strong>in</strong> die Wand e<strong>in</strong>gelassener Travert<strong>in</strong>podest, ist noch heute zu sehen.<br />

Da der Thür<strong>in</strong>gische Volksbildungsm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> den vorhandenen Akten 1940 handschriftlich<br />

vermerkt hatte, dass der Speerwerfer zum E<strong>in</strong>schmelzen abgeliefert und die Fußballspieler<br />

aber am Institut verbleiben sollten, ist unklar, was mit der Plastik geschah. Zeitzeugen haben<br />

sich an die Plastik nicht mehr er<strong>in</strong>nert und es konnte bis heute auch ke<strong>in</strong> Fotomaterial dazu<br />

gefunden werden.<br />

Der aus Weimar stammende Zauche war Schüler des bekannten Bildhauers Adolph v.<br />

Donndorf, der u. a. das <strong>Jena</strong>er Burschenschaftsdenkmal geschaffen hatte. Auf Wunsch des<br />

Architekten des <strong>Jena</strong>er Universitätshauptgebäudes Theodor Fischers war Zauche 1908 an der<br />

bauplastischen Gestaltung des Hauptgebäudes beteiligt. Beide stammten aus Stuttgart. Zauche<br />

schuf u. a. das wappenartige Relief im kle<strong>in</strong>en Innenhof und die Flussdarstellungen (Ilm,<br />

Saale, Werra) am Bismark-Brunnen im großen Innenhof. In Weimar blieben außer e<strong>in</strong>igen<br />

Grabmählern der „Froschbrunnen“ und die Holzplastik vom Gasthof „Weißer Schwan“ von<br />

ihm erhalten. Bekannt ist außerdem das Denkmal für Fürst Günther von Schwarzburg-<br />

Sondershausen auf dem „Langen Berg“ bei Gehren. Zauche wohnte seit 1905 im heute noch<br />

vorhandenen Atelierhaus <strong>in</strong> der Weimarer Hausknechtstrasse und gehörte wahrsche<strong>in</strong>lich dem<br />

dort ansässigen „Thür<strong>in</strong>gischen Ausstellungsvere<strong>in</strong> bildender Künstler“ an.<br />

18


Figürliche oder gar „sportliche“ Vollplastiken von ihm konnten bisher nicht nachgewiesen<br />

werden. Wie es zu der Figurengruppe Fußballspieler und dessen Aufstellung im heutigen<br />

<strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut kam, liegt im Dunkeln.<br />

Das Relief von Arno Zauche im kle<strong>in</strong>en Universitäts<strong>in</strong>nenhof zeigt unter anderem die Ansicht<br />

des alten <strong>Jena</strong>er Schlosses.<br />

1910 Faustball war e<strong>in</strong> weit verbreitetes Spiel<br />

Die <strong>Geschichte</strong> des Faustballs ist eng mit der Entwicklung der Turnvere<strong>in</strong>e verbunden. In<br />

<strong>Jena</strong> gab es um 1900 <strong>in</strong> allen fünf Turnvere<strong>in</strong>en Faustballmannschaften. Dazu kamen noch die<br />

Akademischen Turnvere<strong>in</strong>e, so der 1882 gegründete ATV Gothania Jenensis und der ATV<br />

Salia Jenensis. Aber auch <strong>in</strong> Spiel- und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>en wie dem 1. SV <strong>Jena</strong> und dem VfB <strong>Jena</strong><br />

(Vorläufer des USV) gab es Faustballabteilungen. In e<strong>in</strong>em Werbeprospekt für die Universität<br />

aus dem Jahre 1910 wurde das heutige Universitätssportzentrum wie folgt beschrieben:<br />

„Etwas oberhalb der Stadt, <strong>in</strong> den herrlichen, mit Weiden und Erlen bestandenen Wiesen an<br />

der Saale, ist e<strong>in</strong> Platz im Umfang von fünf Hektar für <strong>Sport</strong>zwecke e<strong>in</strong>gerichtet. Es wird<br />

daselbst Fußball, Croquet, Schlagball, Faustball, Hockey und Tennis gespielt.“ E<strong>in</strong> erstes<br />

quellenmäßig belegtes Faustballspiel mit <strong>Jena</strong>er Mannschaften ist das 22. Gauturnen<br />

Mittelthür<strong>in</strong>gens 1912. Die Teilnehmer des Akademischen Turnvere<strong>in</strong>s Gothania <strong>Jena</strong><br />

verloren hier im Endspiel des Faustballwettbewerbes 104:93 gegen den MTV Erfurt. Seit<br />

1913 gehörte Faustball <strong>in</strong> das Programm des Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>festes. 1914 stellen<br />

die Akademischen Deutschen Turner <strong>Jena</strong>s den Gaumeister im Faustball. Den Wanderpokal<br />

für die beste Faustballmannschaft beim Universitätssportfest 1914 gewann die Gothania. Der<br />

Faustballplatz im Universitätssportzentrum lag etwa dort, wo heute der Parkplatz vor dem<br />

Hauptgebäude liegt. Er war bis Anfang der dreißiger Jahre an den VfB <strong>Jena</strong> verpachtet und<br />

wurde nach 1933 zunehmend zweckentfremdet für Aufmärsche der SA,<br />

Betriebsgefolgschaften und militärische Übungen sowie als Reitplatz und Spr<strong>in</strong>ggarten<br />

genutzt. Nach 1945 stellte die Universität der <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaft Otto Schott die<br />

Universitätssportplätze bestehend aus e<strong>in</strong>em Platz mit Aschenbahn, dem großen<br />

Universitätsplatz, dem alten Hockeyplatz, dem kle<strong>in</strong>en Universitätsplatz, e<strong>in</strong>em Faustballplatz<br />

und vier Tennisplätzen zur Mitnutzung zur Verfügung. Wie fest damals Faustball noch <strong>in</strong> den<br />

Fächerkanon der <strong>Sport</strong>lehrerausbildung gehörte, kann man daran erkennen, dass 1949 im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er sechssemestrigen Grundschullehrerausbildung u. a. für die Methodik der<br />

Leichtathletik fünf Stunden, für die Methodik des Schwimmens drei Stunden und für die<br />

19


Methodik des Faustballs zwei Stunden vorgesehen waren. Spartenleiter für Faustball und<br />

Tennis war bei der Gründung der HSG Re<strong>in</strong>hold Weider. Faustball verlor <strong>in</strong> dem Maße an der<br />

Universität an Bedeutung, wie Basketball und Volleyball an Anhängern gewann. Lediglich <strong>in</strong><br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften, wo alte Turner ihre Heimstadt gefunden hatten, wurde noch eifrig<br />

Faustball gespielt. Für 1958 ist im Rahmen der Feierlichkeiten zum Universitätsjubiläum e<strong>in</strong><br />

Vergleichswettkampf der <strong>Sport</strong>studenten gegen die BSG‘n Motor Schott und Chemie im<br />

Faustball überliefert. Im zunehmenden Maße spielten im Faustball nur noch ältere <strong>Sport</strong>ler.<br />

Typisch dafür war e<strong>in</strong>e Aussage des bekannten <strong>Jena</strong>er Turners Eduard Malcolm im Jahre<br />

1975, als er mit 81 Jahren sich beim Rennsteiglauf anmeldete: „Eigentlich spiele er ja aktiv<br />

Faustball, aber se<strong>in</strong>e Mannschaft bei der BSG Carl Zeiss hatte <strong>in</strong> der Altersklasse über 80<br />

ke<strong>in</strong>e Gegner mehr.“<br />

Das älteste Foto von Faustballern <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stammt aus dem Jahre 1910 und zeigt die<br />

Faustballmannschaft des ATV Gothania auf dem Faustballplatz <strong>in</strong> der Oberaue.<br />

1910 Im schmalen Kahne<br />

Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben Studenten <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> das Rudern als <strong>Sport</strong>art<br />

e<strong>in</strong>geführt. Anfangs wurde dies von den Ordnungshütern sehr kritisch beobachtet. 1844 heißt<br />

es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Polizeibericht: „Es ist zu unserer Kenntnis gekommen, daß häufig Studierende <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em von dem Fischer Münster ihnen überlassenen kle<strong>in</strong>en und schmalen Kahne und ohne<br />

Leitung des Fischers auf der Saale spazieren fahren und daß vor e<strong>in</strong>iger Zeit e<strong>in</strong> Student durch<br />

Umschlagen dieses Kahnes <strong>in</strong> Gefahr geraten ist. Wir können e<strong>in</strong>em solchen gefahrvollen<br />

Treiben nicht gleichgültig zusehen.“<br />

Nach dem Erwerb der Wiesen <strong>in</strong> der Oberaue durch den Spielplatzvere<strong>in</strong> entstand auch e<strong>in</strong><br />

Bootsschuppen, <strong>in</strong> dem sieben Boote gelagert werden konnten. Vor allem akademische<br />

Turnvere<strong>in</strong>e wie die Salia und die Gothania pflegten das Rudern und nutzten diesen<br />

Bootsschuppen. 1912 unternahmen die Ruderer von der Turnerschaft Salia ihre erste<br />

Bootstour bis nach Kahla. Nach dem ersten Weltkrieg fand der Rudersport weitere Anhänger,<br />

und der Bootsschuppen wurde zu eng. 1920 erhielt die Universität die Bauerlaubnis für e<strong>in</strong><br />

neues Bootshaus an den Spielplätzen auf den Wöllnitzer Wiesen. Damals wie heute war das<br />

Geld für die „Infrastruktur“ des <strong>Sport</strong>s <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> knapp, weswegen e<strong>in</strong>e abrissreife<br />

„Brikettfabrik“ <strong>in</strong> Göschwitz erworben und an der Saale als Universitätsbootshaus wieder<br />

aufgebaut wurde. Bis zu 80 Boote wurden zeitweilig hier e<strong>in</strong>gelagert und Anfang der<br />

dreißiger Jahre zog sogar noch die akademische Fliegergruppe mit ihrer Werkstatt e<strong>in</strong>. In<br />

20


dieser Zeit stand das Rudern <strong>in</strong> der Beliebtheitsskala beim Pflichtsport der Studierenden an<br />

vorderster Stelle. Von 835 Studierenden g<strong>in</strong>gen 170 zum Rudersport. Vier Übungsleiter,<br />

darunter der spätere Leiter des Haeckelhauses, Georg Uschmann, sorgten für die Ausbildung.<br />

Auch nach dem zweiten Weltkrieg gehörte das Rudern wieder zu den beliebtesten <strong>Sport</strong>arten<br />

<strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Beg<strong>in</strong>nend mit Wolfgang Gutewort, Hans Weckel, Willi Schröder bis h<strong>in</strong> zu Hans<br />

Dumke hatte die Universität e<strong>in</strong>e Reihe namhafter Ruderlehrer. Das Bootsmaterial wurde<br />

kont<strong>in</strong>uierlich verbessert aber das Bootshaus blieb bis auf kle<strong>in</strong>e Veränderungen bis heute <strong>in</strong><br />

dem Zustand wie 1920. Um e<strong>in</strong>en weiteren Rückgang der Ruderabteilung zu stoppen, sie hat<br />

heute nicht mal 50 Mitglieder, hat der USV e<strong>in</strong>e Projekt für e<strong>in</strong> neues Bootshaus erstellen<br />

lassen, welches nach Fertigstellung der Dreifelderhalle <strong>in</strong> Angriff genommen werden soll.<br />

E<strong>in</strong>es der ältesten bekannte <strong>Sport</strong>foto des USV stammt aus dem Jahre 1910 und zeigte die<br />

Ruderer des ATV Gothania nach der Bootsweihe e<strong>in</strong>es neuen Ruderbootes, etwa an der Stelle,<br />

wo heute das Universitäts-Ruderbootshaus steht.<br />

1911 Hugo Schlensog der erste „Turnlehrerausbilder“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

Für die <strong>Sport</strong>lehrerausbildung <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen war Dr. Hugo Schlensog e<strong>in</strong> sehr wichtiger<br />

Mann. Er erhielt 1911 von der großherzoglichen Regierung <strong>in</strong> Weimar den Auftrag mit der<br />

sofortigen Ausbildung von Turnlehrern an der <strong>Jena</strong>er Universität zu beg<strong>in</strong>nen. Die <strong>Jena</strong>er<br />

Universität gehörte damit zu den letzten im Kaiserreich, die für Turnlehrer e<strong>in</strong>e staatlich<br />

anerkannte Ausbildung anbot. Der erste Ausbildungslehrgang g<strong>in</strong>g über e<strong>in</strong> Semester. Dr.<br />

Schlensog hatte während des Lehrerstudiums <strong>in</strong> Greifswald e<strong>in</strong>en Lehrgang für königlich<br />

preußische Turnlehrer erfolgreich absolviert. Studiert hatte er aber vorrangig Sprachen und so<br />

kam er als Lehrer für Englisch und Französisch nach se<strong>in</strong>er Referendarzeit an das<br />

Realgymnasium <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> (heute Adolf Reichwe<strong>in</strong> Gymnasium). Als aktiver Burschenschafter<br />

wurde er angesprochen, ob er nicht den geplanten Lehrgang als Fachkraft übernehmen<br />

könnte, was er auch gerne tat. Über se<strong>in</strong>e sportliche Karriere ist wenig bekannt, lediglich, dass<br />

er e<strong>in</strong> sehr aktiver Fechter war.<br />

21


Auf dem Foto oben mit se<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungsstudenten sitzt er rechts vorn. Das e<strong>in</strong>zige Foto<br />

von sportlichen Aktivitäten stammt aus dem Urlaub, den er 1925 mit se<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong> Garmisch<br />

verbrachte. Als Sprachlehrer war er noch bis <strong>in</strong>s hohe Alter von 77 Jahren als Sprachlehrer<br />

tätig.<br />

<strong>Jena</strong>er Teilnehmer identifiziert<br />

Als 1912 der VfB <strong>Jena</strong> unter dem Namen „I. Nationale Olympia“ das erste große<br />

Leichtathletik-<strong>Sport</strong>fest Thür<strong>in</strong>gens organisierte, war dies auch der erste offizielle<br />

Leichtathletik-Wettkampf für Studenten und für Soldaten. Die Leichtathletik war damals im<br />

Deutschen Kaiserreich noch e<strong>in</strong>e sehr junge <strong>Sport</strong>art. Sie erhielt wichtige Impulse von den<br />

seit 1896 regelmäßig stattf<strong>in</strong>denden „Olympischen Spielen der Neuzeit“. Auch deshalb gab es<br />

bis zum Beg<strong>in</strong>n des I. Weltkrieges viele neue Leichtathletik Wettbewerbe, die die<br />

Bezeichnung Olympia verwendeten. Vielfach standen Universitäten, so auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> oder <strong>in</strong><br />

Leipzig, Breslau und Königsberg h<strong>in</strong>ter den Organisatoren. In <strong>Jena</strong> spielten außerdem<br />

22


Offiziere und Soldaten des unweit des Westbahnhofs stationierten 94. Regiments des<br />

kaiserlichen Heeres e<strong>in</strong>e nicht unwesentliche Rolle. Aus diesem Grunde gab es beim „I.<br />

Nationalen Olympia“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auch spezielle Wettbewerbe für Soldaten, so e<strong>in</strong>en 300 m-<br />

Militärlauf.<br />

Im Programmheft und <strong>in</strong> Zeitungsberichten s<strong>in</strong>d zwar mehr als 30 Namen von <strong>Jena</strong>er<br />

Teilnehmern überliefert, bis jetzt ist es aber noch nicht gelungen, e<strong>in</strong>en Starter biografisch<br />

und auf e<strong>in</strong>em Foto zu identifizieren. Dank e<strong>in</strong>es glücklichen Zufalls hat Frau Jahrmarkt aus<br />

<strong>Jena</strong> die Ausschreibung von 1912, von ihrem Vater über all die Jahre aufgehoben. In diesem<br />

Programmheft ist Paul Taubert, ihr Vater, als Teilnehmer des 300 m-Militärlaufs<br />

handschriftlich vermerkt.<br />

Paul Taubert (1887 – 1955) stammt aus Münchenbernsdorf. Durch den frühen Tod se<strong>in</strong>es<br />

Vaters musste er schon als junger Mann wirtschaftlich auf eigenen Be<strong>in</strong>en stehen. Er<br />

verpflichtete sich daher als Berufssoldat auf 12 Jahre und kam zu den 94.ern nach <strong>Jena</strong>. 1912<br />

war er Unteroffizier, der auch für die sportliche Ausbildung se<strong>in</strong>er Soldaten mit<br />

verantwortlich war. Als gutes Vorbild meldete er sich für den neuen Wettkampf <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Se<strong>in</strong>e<br />

Platzierung über 300 m konnte noch nicht ermittelt werden. Gewonnen hatte diesen Lauf der<br />

Weimarer „Musketier“ Helbig. Als weitere Ergebnisse bei den Wettkämpfen für Soldaten ist<br />

der Sieg der Naumburger „Jäger“ bei der 10x100 m Staffel überliefert. Sie gewannen den<br />

Wanderpreis des Herzogs von Sachsen Coburg-Gotha. Als besonderer Publikumshöhepunkt<br />

wird der Wettbewerb im Seilziehen benannt, den nach e<strong>in</strong>em Zeitungsbericht die „Riesen der<br />

Weimarer Kompanie“ gewannen.<br />

Paul Taubert blieb nach Beendigung se<strong>in</strong>es Militärdienstes <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und bekam e<strong>in</strong>e Stelle als<br />

Kanzleisekretär <strong>in</strong> der Verwaltung der Universitätskl<strong>in</strong>iken.<br />

23


Dieses seltene Foto von e<strong>in</strong>em Arbeitsplatz <strong>in</strong> der Verwaltung der Universitätsnervenkl<strong>in</strong>ik<br />

um 1925 mit dem Oberkanzleisekretär Taubert und se<strong>in</strong>en Mitarbeitern.<br />

1914 Silbermedaille zum Jubiläum<br />

Das Jahr 1914 war für den <strong>Sport</strong> an der Universität e<strong>in</strong> sehr wichtiges Jahr. Etwa um 1911<br />

begann an den Universitäten und Hochschulen im Deutschen Reich e<strong>in</strong>e Bewegung, die dem<br />

Turnen und dem <strong>Sport</strong> e<strong>in</strong>en höheren Stellenwert zuordnen wollte. Dies passt sich dem<br />

allgeme<strong>in</strong>en Aufwärtstrend von Turnen, <strong>Sport</strong> und Spiel <strong>in</strong>sgesamt an, der u. a. durch<br />

gesundheitliche Aspekte, Reformbewegungen im Schulsystem aber auch durch militärische<br />

Überlegungen geprägt wurde. Der deutsche Kaiser brauchte für se<strong>in</strong>e Expansionspläne<br />

gesunde und körperlich leistungsfähige Soldaten, was er mehrfach <strong>in</strong> offiziellen Reden<br />

„Schulmännern“ betonte. Schon1890 sagte Kaiser Wilhelm der II. auf der Dresdener<br />

Schulkonferenz: „Bedenken sie, was für e<strong>in</strong> Nachwuchs für die Landesverteidigung erwächst.<br />

Ich suche nach Soldaten, ich muss e<strong>in</strong>e kräftige Generation haben, die auch als geistige<br />

Führer und Beamte dem Staat dienen.“<br />

In <strong>Jena</strong> war es die „Senatskommission zur Verbreitung des <strong>Sport</strong>s unter der Studentenschaft“<br />

unter Leitung des Chemikers Prof. Dr. Ludwig Knorr, dem Entdecker des Aspir<strong>in</strong>s, der <strong>in</strong><br />

Geme<strong>in</strong>schaft mit der Mehrheit der studentischen Verb<strong>in</strong>dungen dafür sorgte, dass das Thema<br />

Turnen und <strong>Sport</strong> zielgerichtet im Senat und bei den Erhalterstaaten diskutierte wurde. Als<br />

1913 der Spielplatzvere<strong>in</strong> unter Leitung von Herrmann Peter, auch aus f<strong>in</strong>anziellen Gründen<br />

die von ihm erworbenen Tennis- und <strong>Sport</strong>plätze <strong>in</strong> der Oberaue loswerden wollte, kaufte die<br />

Universität zu Beg<strong>in</strong>n des Jahres 1914 das gesamte Areal für 55693,- Goldmark. In den<br />

folgenden Wochen wurde mit Herrmann Eitel der erste Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer<br />

e<strong>in</strong>gestellt, der auch gleich für Anfang Juli 1914 das erste Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>fest<br />

organisierte. Für die Auszeichnung der Sieger und Platzierten wurde e<strong>in</strong>e Medaille <strong>in</strong> Auftrag<br />

gegeben, die auf der Vorderseite das Siegel der Universität und auf der Rückseite die<br />

Beschriftung „Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>fest“ trug. Alle Medaillen wurden <strong>in</strong> Kupfer<br />

ausgeprägt und lediglich durch die Beschriftung die Plätze unterschieden. Diese Medaillen<br />

wurden bis 1932 verwendet und 1999 durch den USV nachgeprägt. Zum Universitätsjubiläum<br />

hat nun der USV e<strong>in</strong>e neue Medaille für alle Wettkämpfe des Jahres prägen lassen, die auf der<br />

Vorderseite das älteste bekannte Universitätssiegel und auf der Rückseite die neue USV-<br />

<strong>Sport</strong>halle trägt. 100 Stück davon wurden <strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>silber (999er) für besondere Auszeichnungen<br />

und Sammler mit aufgelegt.<br />

24


E<strong>in</strong>ige aus heutiger Sicht kuriose Wettkampfdiszipl<strong>in</strong>en gab es damals, wie zum Beispiel<br />

Ermunterungsseiteschwimmen. Der Schwimmstil seiteschwimmen wird heute nicht mehr<br />

praktiziert und Ermunterung heißt nichts anderes als das <strong>in</strong> diesem Wettkampf nur<br />

Schwimmer starten Durften, die noch nie an e<strong>in</strong>em Wettkampf teilgenommen hatten.<br />

E<strong>in</strong>ige aus heutiger Sicht kuriose Wettkampfdiszipl<strong>in</strong>en gab es damals, wie z. B.<br />

Ermunterungsseiteschwimmen. Der Schwimmstil Seiteschwimmen wird heute nicht mehr<br />

praktiziert und Ermunterung heiß nichts anderes als das <strong>in</strong> diesem Wettkampf nur Schwimmer<br />

starten durften, die noch nie an e<strong>in</strong>em Wettkampf teilgenommen hatten.<br />

1914 90 Jahre Hochschulsport an der <strong>Jena</strong>er Universität<br />

25


Am 1. April 1914 begann Hermann Eitel se<strong>in</strong>en Dienst an der <strong>Jena</strong>er Universität. Er war als<br />

Universitätsturnlehrer angestellt worden und verantwortlich für die Organisation und<br />

Durchführung der „Studentischen Leibesübungen“, wie der Hochschulsport damals hieß.<br />

Deutschlandweit war er der erste verbeamtete Turnlehrer an e<strong>in</strong>er Universität.<br />

Se<strong>in</strong>e Ausbildung hatte Hermann Eitel neben se<strong>in</strong>em Lehrerstudium an der Berl<strong>in</strong>er<br />

Universität und an der Preußischen Landesturnanstalt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> absolviert. Dazu hatte er noch<br />

e<strong>in</strong>ige Zusatzlehrgänge z. B. im „Orthopädischen Turnen“ abgeschlossen. Danach g<strong>in</strong>g er<br />

zurück <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Heimatstadt Gotha, wo er als Turnlehrer tätig war.<br />

Nachdem die <strong>Jena</strong>er Universität zu Beg<strong>in</strong>n des Jahres 1914 die Stelle e<strong>in</strong>es<br />

Universitätsturnlehrers ausgeschrieben hatte, bewarb er sich dafür. Drei Turnlehrer von <strong>Jena</strong>er<br />

Schulen, die sich ebenfalls beworben hatten, zogen ihre Bewerbung wieder zurück, nachdem<br />

sie erfahren hatten, dass die Stelle an der Universität zum Verwaltungsbereich gehörte und<br />

mit e<strong>in</strong>em Anfangsjahresgehalt von nur 2300, - M jährlich ausgestattet war.<br />

Hermann Eitel war passionierter W<strong>in</strong>tersportler. Ski- und Schlittschuhlaufen waren se<strong>in</strong>e<br />

Passion. Als W<strong>in</strong>tersportfunktionär war er <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen und im Deutschen Reich aktiv. So<br />

gehörte er 1936 zu den Organisatoren der Olympischen W<strong>in</strong>terspiele <strong>in</strong> Garmisch-<br />

Partenkirchen.<br />

E<strong>in</strong>e der ersten Aufgaben an der Universität war die Übernahme der Verwaltung der<br />

Universitätssportplätze <strong>in</strong> der Oberaue, die die Universität wenige Wochen später vom<br />

Spielplatzvere<strong>in</strong> für 55 693, - Goldmark gekauft hatte. Dazu kam die Vorbereitung des ersten<br />

großen Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>festes, welches am 3. Juli 1914 mit mehreren hundert<br />

Teilnehmern stattfand. Außerdem sollte er sich um die Vorbereitung des Baus e<strong>in</strong>er<br />

Universitätsturnhalle kümmern. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges verh<strong>in</strong>derte konkrete<br />

Schritte hierbei. Hermann Eitel g<strong>in</strong>g als Kriegsfreiwilliger an die Front, wo er u. a.<br />

Kampfflieger und Fluglehrer wurde.<br />

1918 kam er zurück nach <strong>Jena</strong> und nahm se<strong>in</strong>e Tätigkeit als Universitätsturnlehrer wieder auf.<br />

Bis 1934, als mit der Gründung des Instituts für Leibesübungen der Institutsdirektor e<strong>in</strong> Nazi<br />

und Blutordensträger, Hans Ebert se<strong>in</strong>e Versetzung an e<strong>in</strong> Gymnasium <strong>in</strong> Weimar<br />

durchsetzte, arbeitete Eitel sehr erfolgreich an der <strong>Jena</strong>er Universität.<br />

Zu se<strong>in</strong>en wichtigsten Verdiensten gehörte 1925 die E<strong>in</strong>führung des Pflichtsports für alle<br />

Studierenden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und die Mitwirkung an der Planung der Landesturnanstalt, welche 1929<br />

<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> den Betrieb aufnahm.<br />

26


Hermann Eitel hier rechts, mit den Teilnehmern der <strong>Jena</strong>er Uni bei den Deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften 1924 <strong>in</strong> Marburg.<br />

1917 Schneeschuhe für Studenten<br />

Schon an der Gründung der Sektion <strong>Jena</strong> des Deutsch-Österreichischen Alpenvere<strong>in</strong>s am 31.<br />

Januar 1882 waren mehrere Universitätsprofessoren beteiligt. So berichtet die <strong>Jena</strong>er Sektion<br />

1891, dass sie 51 Mitglieder habe, davon gehören 19 dem Lehrkörper der Universität<br />

angehören, wie die Professoren Abbe, Auerbach, Biedermann, Delbrück, Fürbr<strong>in</strong>ger, Gänge,<br />

Haeckel, Kalkowsky, Kniep, Knorr, Mathes, Müller, v. Riedel, Rosenthal, St<strong>in</strong>tz<strong>in</strong>g und<br />

Stoy. Trotzdem kam es am 17. Dezember 1917, also mitten im ersten Weltkrieg zur Gründung<br />

e<strong>in</strong>er zweiten Sektion <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> als Akademischer Alpenvere<strong>in</strong>. 1. Vorsitzender wurde Prof. Dr.<br />

Gustav v. Zahn von der Geographischen Anstalt der Universität. Die H<strong>in</strong>tergründe dafür<br />

konnten noch nicht aufgeklärt werden. Die Mitglieder, die meistens Studierende waren,<br />

beteiligten sich als eigenständige „<strong>Sport</strong>gruppe“. Beim Universitätssportfest 1926 traten sie z.<br />

B. mit e<strong>in</strong>er eigenen Mannschaft <strong>in</strong> der Leichtathletik an. Unmittelbar nach dem Ende des<br />

ersten Weltkrieges organisierte der Akademische Alpenvere<strong>in</strong> Trockenskikurse und<br />

beschaffte aus Heeresbeständen billige Schneeschuhe für die Studenten. Auch während se<strong>in</strong>er<br />

Rektoratszeit 1929 – 1930 blieb Gustav v. Zahn Vorsitzender der Akademischen Sektion. In<br />

dieser Zeit s<strong>in</strong>d auch mit 229 die meisten Mitglieder nachgewiesen. Im Zuge der<br />

Gleichschaltung aller <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e durch die Nazis und auf Grund der Emeritierung v. Zahns<br />

wurde die Sektion dann Ende der dreißiger Jahre aufgelöst. Dem Hochschulsportlehrer Dieter<br />

Lehmann ist es zu verdanken, dass es unmittelbar nach dem Fall der Mauer zu e<strong>in</strong>er<br />

Wiedergründung der <strong>Jena</strong>er Sektion des Alpenvere<strong>in</strong>s kam. Bereits am 18. Dezember 1989<br />

auf e<strong>in</strong>er Klausurberatung des Hochschulsports der Universität <strong>in</strong> Siegmundsburg gab es<br />

e<strong>in</strong>en Lichtbildervortrag über e<strong>in</strong>e Alpenwanderung zur Zugspitze und wurde über die<br />

Strukturen des Alpenvere<strong>in</strong>s diskutiert. Auf Initiative von Dieter Lehmann, der von Haus aus<br />

erfolgreicher Gewichtheben war, wurde dann bereits am 31. Januar 1990 unter Mitwirkung<br />

mehrerer Kollegen des Hochschulsports der <strong>Jena</strong>er Alpenvere<strong>in</strong> gegründet. Lehmann wurde<br />

erster Vorsitzender. Zum aktiven Kern gehörten damals vom Hochschulsport noch Dr. Bet<strong>in</strong>a<br />

Justus, Feo Gutewort, Dr. Hans-Georg Kremer, Harald Seime und Alfred Wehner. In e<strong>in</strong>em<br />

Rundschreiben an alle Alpenvere<strong>in</strong>s Sektionen der Bundesrepublik erbaten sie Unterstützung.<br />

In der Folge g<strong>in</strong>gen Hunderte von Bücher und Karten für die Bibliothek der<br />

Alpenvere<strong>in</strong>ssektion <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>. In der vorlesungsfreien Zeit vom 1. Juli bis 7. September 1990<br />

27


organisierte der Hochschulsport dann neun Hüttenwanderungen über je e<strong>in</strong>e Woche <strong>in</strong> den<br />

Alpen. Diese wurden von Mitarbeitern des Hochschulsports der Universität geführt.<br />

Gustav von Zahn, 1. Vorsitzender der Akademischen Sektion des Alpenvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> (Foto<br />

aus dem Universitätsarchiv)..<br />

Dieter Lehmann mit e<strong>in</strong>er Gruppe von Student<strong>in</strong>nen vor e<strong>in</strong>em Leichtathletikwettkampf auf<br />

dem <strong>Sport</strong>platz h<strong>in</strong>ter der Muskelkirche.<br />

1921 Als Turner noch Fußball spielten<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts entwickelte Friedrich Ludwig Jahn das Turnen. Er stützte sich<br />

dabei ganz wesentlich auf das von Johann Gottfried Friedrich GutsMuths entwickelte<br />

Gymnastiksystem, welches alle damals bekannten sportlichen Betätigungen bis h<strong>in</strong> zu<br />

leichtathletischen Übungen, Spielen, Tanz und Schwimmen umfasste. Während se<strong>in</strong>es<br />

Aufenthalts als Privatgelehrter <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> hatte Jahn auch die Salzmannsche Erziehungsanstalt <strong>in</strong><br />

Schnepfenthal besucht, wo GutsMuths tätig war. Im Zuge der Befreiungskriege gegen<br />

Napoleon entwickelte Jahn se<strong>in</strong> Turnen zu e<strong>in</strong>er Art vormilitärische Körperertüchtigung mit<br />

stark deutschtümelnden Ansatz, weswegen er auch nicht von Gymnastik (griechischer<br />

Wortstamm) sondern von Turnen sprach. Die besondere Herausstellung alles Deutschen blieb<br />

bei den nach 1850 entstehenden Turnvere<strong>in</strong>en viele Jahrzehnte erhalten. Sie beh<strong>in</strong>derten um<br />

1900 das Vordr<strong>in</strong>gen „fremdländischer“ <strong>Sport</strong>arten, wie des Fußballs und der Leichtathletik.<br />

28


Es bedurfte e<strong>in</strong>es Erlasses des preußischen Kultusm<strong>in</strong>isters Gustav von Goßler 1882, um<br />

wenigstens im Schulsport den <strong>in</strong>zwischen erstarrten Turnunterricht durch moderne Spiele und<br />

Leichtathletik zu beleben. In <strong>Jena</strong> existierten um 1900 m<strong>in</strong>destens sieben Turnvere<strong>in</strong>e aber<br />

erst mit dem 1. <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong> (1904) und dem Vere<strong>in</strong> für Bewegungsspiele (1911) entstanden<br />

den neuen <strong>Sport</strong>arten zugetane eigenständige Vere<strong>in</strong>e. Um ke<strong>in</strong>e Mitglieder zu verlieren,<br />

versuchten die Turnvere<strong>in</strong>e teilweise eigenständige Spiel- bzw. leichtathletische<br />

Übungsgruppen aufzubauen. Die Freien Turner <strong>Jena</strong> entwickelten z. B. nach dem 1.<br />

Weltkrieg mehrere Fußball- und Handballmannschaften. Die Freien Turner gehörten ebenso<br />

wie der SV Glaswerk dem Arbeitersportkartell an. Ihr Turnplatz lag auf der Höhe h<strong>in</strong>ter dem<br />

Landgrafenhaus und als Fußballplatz nutzten sie die Spielwiesen an den Teufelslöchern, wo<br />

heute die USV-<strong>Sport</strong>halle steht. Die Freien Turner entwickelten sich im Feldhandball zu<br />

e<strong>in</strong>em führenden Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen und wurden 1924 sogar Bundesmeister aller deutschen<br />

Arbeiter Turn- und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e. Die Turnvere<strong>in</strong>e konnten um diese Zeit auch an den<br />

Meisterschaften der Spielverbände teilnehmen. 1923 verkündete der Dachverband der Turner<br />

die Deutsche Turnschaft die sogenannte „re<strong>in</strong>liche Scheidung“, wonach sich ihre Vere<strong>in</strong>e<br />

entweder zur Mitgliedschaft bei den „Deutschen Turnern“ oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „<strong>Sport</strong>fachverband“<br />

bekennen mussten. Wieweit sich dies <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> ausgewirkt hat, ist noch nicht untersucht<br />

worden. Insgesamt verloren die Turner damals über 25.000 Mitglieder.<br />

Bildunterschaft: Die 4. Mannschaft der Freien Turner <strong>Jena</strong> im Jahr 1921 mit Georgi, Nowak,<br />

Wittkopf, Pippart, St<strong>in</strong>ckmann, Thielemann, Schwimmer, Hanemann, Jahrmarkt, Selzer,<br />

Fricke und Gläser (v. l.). Otto Pippardt stammt aus e<strong>in</strong>er „Turnerfamilie“. Se<strong>in</strong> Vater hatte als<br />

Maurer die „Jahnturnhalle“ mit gebaut und den Turnvere<strong>in</strong> 1859 unterstützt. Ottos Bruder<br />

Richardt war Gerätewart und Vorturner im Turnvere<strong>in</strong> 1859 und gehörte zu den Initiatoren<br />

des <strong>Sport</strong>s nach 1945 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Dessen Sohn Harry wurde Leistungsturner bei Motor <strong>Jena</strong> und<br />

später bekannter Turnlehrer an der K<strong>in</strong>der- und Jugendsportschule Bad Blankenburg und der<br />

Universität. Er ist heute e<strong>in</strong>er der letzten Zeitzeugen des <strong>Jena</strong>er Turnvere<strong>in</strong>s 1859. Von der<br />

Familie Jahrmarkt stammen mehrere Fotos von der Spielabteilung der Freien Turner, die<br />

heute im Bestand des USV-Fotoarchivs s<strong>in</strong>d.<br />

1929 Fritz Huhn: e<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>er, der hoch sprang<br />

Den Ruhm der <strong>Sport</strong>stadt <strong>Jena</strong> haben meist „Auswärtige“ erkämpft. Zu den wenigen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

Geborenen gehört Fritz Huhn. Er kam am 26. September 1900 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zur Welt. Bereits als<br />

Schüler war er sportlich sehr aktiv. Se<strong>in</strong> älterer Bruder Ernst nahm ihn mit zum VfB <strong>Jena</strong>, der<br />

auf den heutigen Universitätssportplatz se<strong>in</strong>e Heimstadt hatte. So wie se<strong>in</strong> Bruder, der<br />

Olympiakader für 1916 im Hochsprung war, entdeckte auch Fritz bald se<strong>in</strong> Hochsprungtalent.<br />

Als 13-jähriger schaffte er mit dem damals gerade e<strong>in</strong>geführten Schersprung 1,45m, zu e<strong>in</strong>er<br />

29


Zeit wo bei den Männern Höhen über 1,70m schon e<strong>in</strong>e Ausnahme waren. Nach dem<br />

Schulabschluss g<strong>in</strong>g Fritz Huhn 1915 nach Weimar ans Lehrersem<strong>in</strong>ar, was er aber nicht<br />

abschließen konnte, da er 1917 zum Kriegsdienst e<strong>in</strong>gezogen wurde. Nach dem 1. Weltkrieg<br />

beendete er se<strong>in</strong>e Ausbildung als Grundschullehrer und bekam e<strong>in</strong>e Stelle erst <strong>in</strong><br />

Wernshausen und dann <strong>in</strong> Dorndorf bei Dornburg. Unweit von <strong>Jena</strong> gelegen konnte er von<br />

hier neben der Arbeit e<strong>in</strong>en akademischen Turnlehrerkurs an der Universität besuchen, den er<br />

1927 abschloss. In dieser Zeit begann auch se<strong>in</strong>e Tätigkeit als nebenamtlich tätiger Assistent<br />

beim Universitätsturn- und <strong>Sport</strong>lehrer Hermann Eitel. Die ganze Zeit war er weiter<br />

erfolgreich als Hochspr<strong>in</strong>ger für den VfB <strong>Jena</strong> aktiv.<br />

Mit e<strong>in</strong>er Körpergröße von nur 1,68m wurde er 1923 mit 1,74m deutscher Meister. 1926<br />

schafft er bei den Deutschen Meisterschaften den Titel mit 1,80m. 1928 wird er mit se<strong>in</strong>er<br />

persönlichen Bestleitung (1,885m) Zweiter und 1929 Dritter im Hochsprung bei den<br />

Meisterschaften. Als 1928 Deutschland wieder e<strong>in</strong>e deutsche Mannschaft an den<br />

Olympischen Sommersportspielen teilnehmen durfte, gehörte Fritz Huhn dazu. Er kommt bis<br />

<strong>in</strong> den Endkampf und e<strong>in</strong> Infekt verh<strong>in</strong>dert e<strong>in</strong> optimales Wettkampfergebnis. Mit 1,70m wird<br />

er 17. Er ist aber der erste <strong>Jena</strong>er überhaupt, der an Olympischen Spielen teilnimmt.<br />

Se<strong>in</strong>e nebenamtliche Assistentenstelle an der Universität behält er bis 1934. Hauptamtlich ist<br />

er an der Westschule als Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer tätig. Als das Institut für Leibesübungen<br />

gegründet wird, überwirft er sich mit dem neuen Direktor Hans Ebert, e<strong>in</strong>em fanatischem<br />

NSdAP-Mitglied und gibt diese Tätigkeit auf. Viele Meriten hat er sich als<br />

Leichtathletikra<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und als Hochsprungtra<strong>in</strong>er des Leichtathletikverbandes erworben.<br />

Bekannte <strong>Sport</strong>ler<strong>in</strong>nen, wie Siegfriede Dempe und Luise Lockemann tra<strong>in</strong>ierten bei ihm.<br />

Viele namhafte Hochspr<strong>in</strong>ger wie Gustav We<strong>in</strong>kötz (Deutscher Meister 1935, 36, 37 und 38)<br />

und Hermann Nacke (Deutscher Meister 1940) hatten bei ihm den Hochsprung erlernt.<br />

Im 2. Weltkrieg wurde Fritz Huhn am Lehrerbildungssem<strong>in</strong>ar ans Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen als Dozent<br />

versetzt. Nach dem Krieg übernahm er die väterliche Glaserwerkstatt, bevor er 1952 <strong>in</strong> die<br />

Bundesrepublik flüchtete und wieder als Lehrer, zuletzt <strong>in</strong> Stuttgart am Gymnasium tätig<br />

werden konnte. Im Alter von fast 90 Jahren stirbt er <strong>in</strong> Stuttgart.<br />

Allez hop: Fritz Huhn beim Überspr<strong>in</strong>gen der Latte. Der <strong>Jena</strong>er war der erste aus der Stadt bei<br />

Olympischen Spielen.<br />

30


1929 <strong>Sport</strong>liche Rektoren an der Universität<br />

Der gegenwärtige Rektor Prof. Dr. Klaus Dicke beteiligt sich gelegentlich aktiv an den<br />

Fußballspielen der Professorenauswahl. Se<strong>in</strong> Vorgänger Prof. Dr. Karl-Ulrich Meyn,<br />

ebenfalls Fußballspieler, der als Torschütze von den gegnerischen Mannschaften gefürchtet<br />

wird, spielt zusätzlich bei den Senioren des USV <strong>in</strong> der Tennismannschaft. Dies war auch die<br />

Liebl<strong>in</strong>gssportart e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Vorgänger, Prof. Dr. Günter Drefahl. Zu den sportlichen<br />

Rektoren muß man auf jeden Fall Prof. Dr. Gustav von Zahn rechnen. Als Rektor war er von<br />

1929 – 1930 tätig. Politisch erzkonservativ hat er für den <strong>Sport</strong> an der Universität sehr viel<br />

geleistet. Bereits 1913 gehörte er dem akademischen Ausschuß für Leibesübungen an und<br />

unterstützte aktiv die Organisation des I. Akademische Olympia 1913 auf dem Zeiss-<br />

<strong>Sport</strong>platz. 1919 wurde er Vorsitzender des akademischen Ausschusses und blieb es, bis<br />

dieser Ausschuß auf Anweisung der Naziregierung 1935/36 aufgelöst wurden. Über se<strong>in</strong>e<br />

sportlichen Aktivitäten ist wenig bekannt. Als Geographieprofessor absolvierte er bei<br />

Exkursionen mit den Studenten aber weite Wanderstrecken. So nimmt es nicht Wunder, dass<br />

er 1917 die Akademische Sektion des Deutsch-Österreichischen Alpenvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

gründete und se<strong>in</strong> Vorsitzender wurde. Bei Universitätssportfesten war er regelmäßig als<br />

Kampfrichter e<strong>in</strong>gesetzt. Dass er die Eröffnung und die Siegerehrung bei solchen sportlichen<br />

Höhepunkten übernahm, war selbstverständlich. Da er nicht Mitglied der NSdAP wurde,<br />

konnte er 1945 trotz se<strong>in</strong>er 74 Jahre als stellvertretender Direktor für den Aufbau des Institut<br />

für Meteorologie gewonnen werden. Bei se<strong>in</strong>em Tode im Jahre 1946 vermachte er nach alter<br />

Tradition e<strong>in</strong> Gemälde von sich der Universität. Bereits zu se<strong>in</strong>er Amtszeit als Rektor hatte er<br />

der Universität den noch heute verwendeten Talar geschenkt.<br />

Gustav v. Zahn beim Unterschreiben der Siegerurkunden.<br />

31


1924 E<strong>in</strong> erfolgreicher <strong>Sport</strong>student<br />

Von Harry Pippardt, selber <strong>in</strong> den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts e<strong>in</strong>er der<br />

erfolgreichsten Turner bei der BSG Motor Carl Zeiss <strong>Jena</strong> und <strong>Sport</strong>student an der<br />

Universität, stammen die Informationen und das Bildmaterial zu e<strong>in</strong>em Studenten am Institut<br />

für Leibesübungen, der die Universität <strong>in</strong> den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

erfolgreich im Turnen vertreten hat. Er bekam aus Greiz Bild- und Textmaterial zu dem<br />

Greizer Spitzenturner Kurt Kanis. Dieser studierte von 1923 bis 1928 Philologie <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, nach<br />

heutigem Sprachgebrauch Lehramt-Gymnasium und belegte unter anderem das Fach<br />

Leibesübungen. Dies ist nicht verwunderlich, war er doch schon als Jugendlicher bei den<br />

Greizer Turnern aktiv. 1906 geboren, ist se<strong>in</strong> erster großer überregionaler Erfolg 1921 e<strong>in</strong><br />

zweiter Platz im Freiübungsturnen <strong>in</strong> Gera überliefert. 1924 g<strong>in</strong>g er als <strong>Sport</strong>student bei den<br />

„8. Deutsch-Akademischen Olympia“ <strong>in</strong> Königsberg an den Start und wurde 2. Sieger mit der<br />

Turnerschaft Greiz.<br />

1911 gab es die erste „Deutsch-Akademische Olympiade“, die man als Vorläufer der heutigen<br />

Deutschen Hochschulmeisterschaften ansehen kann, <strong>in</strong> Breslau. 1912 trafen sich <strong>in</strong> der Aula<br />

der Universität Berl<strong>in</strong> dann die Vertreter von 29 deutschen Hochschulen und gründeten den<br />

Verband der akademischen Ausschüsse zur Förderung der Leibesübungen an deutschen<br />

Hochschulen. Sie beschlossen auch die regelmäßige Abhaltung „akademischer Olympia“, die<br />

dann nach dem ersten Weltkrieg <strong>in</strong> deutsche Hochschulmeisterschaften umbenannt wurden.<br />

Bis zum Ende se<strong>in</strong>es Studiums war Kurt Kanis als Hilfsassistent für Turnen beim<br />

Universitätsturnlehrer Hermann Eitel tätig. Nach dem Studium zog er zu se<strong>in</strong>er Frau nach<br />

Königsberg, wo er Vere<strong>in</strong>sturnlehrer war und arbeitete später am Institut für Lehrerbildung <strong>in</strong><br />

Danzig. Nach dem 2. Weltkrieg kam er zurück nach Thür<strong>in</strong>gen, wo er im Oktober 1946 beim<br />

<strong>Sport</strong>amt <strong>in</strong> Greiz e<strong>in</strong>gestellt wurde. Er nahm se<strong>in</strong> Turntra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wieder auf und beteiligte sich<br />

an verschiedenen Wettkämpfen. Se<strong>in</strong> früher Tod im Jahre 1947 beendete se<strong>in</strong>e weitere<br />

sportliche und berufliche Entwicklung.<br />

Kurt Kanis (rechts oben) mit den Sieger <strong>in</strong> Königsberg.<br />

32


Das Foto zeigt Kurt Kanis am hohen Reck bei se<strong>in</strong>em Heimatvere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Greiz.<br />

1926 Für 250 Reichsmark pro Semester<br />

Im Sommersemester 1926 wurde erstmals e<strong>in</strong> spezieller Kurs für Turnlehrer<strong>in</strong>nen an die<br />

bereits seit 1911 bestehende Turnlehreraubildung der <strong>Jena</strong>er Universität angegliedert. Damit<br />

zusammenhängend wurde ab 3. Oktober 1926 die Turnlehrer<strong>in</strong> Else Schramm als<br />

Nebenamtler<strong>in</strong> mit 250,- RM pro Semester für die Erteilung des Unterrichts <strong>in</strong> den<br />

Leibesübungen der Student<strong>in</strong>nen an der Universität e<strong>in</strong>gestellt. 1928 wurde Else Schramm<br />

dann mit e<strong>in</strong>er ganzen Stelle übernommen, womit sie e<strong>in</strong>e der ersten hauptamtlichen<br />

Turnlehrer<strong>in</strong>nen an e<strong>in</strong>er Deutschen Hochschule se<strong>in</strong> dürfte. Else Schramm hatte ihre<br />

Turnlehrer<strong>in</strong>nenausbildung 1916 <strong>in</strong> Magdeburg absolviert und 1926 e<strong>in</strong>e<br />

Gymnastiklehrer<strong>in</strong>nen-Prüfung <strong>in</strong> Leipzig bestanden. Seit 1924 war sie <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> am<br />

Reformgymnasium angestellt. Ihre E<strong>in</strong>stellung 1928 erfolgte über e<strong>in</strong>en Umweg nicht direkt<br />

bei der Universität, sondern an der Landesturnanstalt, die dem Pädagogischen Institut<br />

zugerechnet wurde. 1930 erhielt Else Schramm auf Antrag des Senats den Titel e<strong>in</strong>er<br />

„Lehrer<strong>in</strong> der Freien Künste“. Der Rektor hatte dies beim M<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Weimar wie folgt<br />

begründet: „Fräule<strong>in</strong> Schramm leitet seit e<strong>in</strong>er Reihe von Jahren die Ausbildung der<br />

Student<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Leibesübungen. Der Betrieb hat seitdem e<strong>in</strong>en erfreulichen Aufschwung<br />

genommen. Fräule<strong>in</strong> Schramm hat aber nicht die Möglichkeit zu testieren, steht überhaupt <strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>em offiziellen Zusammenhang mit der Universität, obwohl sie für die Universität sehr<br />

viel leistet.“<br />

Bis zur Gründung des Instituts für Leibesübungen verblieb sie auf dieser Stelle. Bereits kurz<br />

nach Übernahme des Direktorensamts an diesen Institut durch Hans Ebert wurde Else<br />

Schramm von ihm entlassen. Obwohl Else Schramm im April 1933 Mitglied der NSdAP<br />

geworden war, hatte Ebert, der als fanatisches Parteimitglied galt, den Antrag auf Ablösung<br />

von Else Schramm gestellt. In se<strong>in</strong>er Begründung kann man lesen: „Else Schramm ist mit 39<br />

Jahren nicht mehr den Anforderungen e<strong>in</strong>er planmäßigen Lehrkraft e<strong>in</strong>es Hochschul<strong>in</strong>stituts<br />

für Leibesübungen körperlich gewachsen, da sie als e<strong>in</strong>zige planmäßige weibliche Lehrkraft<br />

ausschließlich im praktischen Außendienst Verwendung f<strong>in</strong>den muss. Bei der hohen<br />

körperlichen E<strong>in</strong>satznotwendigkeit steht zu befürchten, dass Frl. Schramm <strong>in</strong> kurzer Zeit als<br />

Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> aufgebraucht ist. Bei e<strong>in</strong>er jetzt erfolgten Verwendung im Höheren<br />

Schuldienst ist sie vielleicht e<strong>in</strong>e brauchbare Lehrkraft.“ Nach ihrer Kündigung wurde Else<br />

Schramm als Realoberlehrer<strong>in</strong> an das Lyzeum nach Gotha versetzt.<br />

33


Von Else Schramm ist bisher nur e<strong>in</strong> Passfoto aus der personalakte im Universitätsarchiv<br />

bekannt.<br />

1926 80 Jahre Judo an der Universität<br />

Seit 1926 ist Jiu-Jitsu als <strong>Sport</strong>art an der Universität nachgewiesen. Der damalige Vorsitzende<br />

des akademischen Ausschusses für Leibesübungen, der Geograph Prof. Dr. Gustav von Zahn<br />

schrieb, dass sich Jiu-Jitsu, wie damals allgeme<strong>in</strong> Judo bezeichnet wurde „ reger Nachfrage<br />

erfreute“. Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen waren aber nicht sehr günstig, da als Übungsraum e<strong>in</strong><br />

großer Hörsaal der Universität genutzt wurde, den man vor dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g immer erst<br />

ausräumen mußte. Beim 9. Turn- und <strong>Sport</strong>fest der Universität 1926 wurde Jiu-Jitsu erstmals<br />

als Demonstrationswettbewerb mit ausgeschrieben. Für das W<strong>in</strong>tersemester 1931/32 ist mit<br />

dem Studenten Stolberg, der vier Stunden Jiu-Jitsu unterrichtete, erstmalig e<strong>in</strong> Übungsleiter<br />

für diesen Kampfsport namentlich bekannt und für 1934 ist die Teilnahme von Student<strong>in</strong>nen,<br />

es waren <strong>in</strong>sgesamt vier, die am Jiu-Jitsu Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Archiv der Universität nachlesbar.<br />

Der erste Übungsleiter für die <strong>Sport</strong>art Judo nach dem II. Weltkrieg war der <strong>Sport</strong>lehrer<br />

Walter Wurzler. Er baute es bereits 1948 <strong>in</strong> die Ausbildung der Volksschullehrer e<strong>in</strong> und war<br />

auch <strong>in</strong> der 1949 gegründeten Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft im Judo tätig. Diese Judogruppe<br />

entwickelte sich relativ rasch zu e<strong>in</strong>er leistungsstarken Abteilung. 1953 konnten die Judokas<br />

bei der Meisterschaften der <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>igung Wissenschaft, dem Vorläufer der DDR-<br />

Studentenmeisterschaften, mit dem Studenten W<strong>in</strong>tzer im Leichtgewicht und Ditscherle<strong>in</strong> im<br />

Weltergewicht je e<strong>in</strong>e Silbermedaille erkämpfen. In der Mannschaftswertung kamen die<br />

<strong>Jena</strong>er auf Platz drei.<br />

Mit der E<strong>in</strong>stellung von Eberhard Täubert als <strong>Sport</strong>lehrer für studentische Körpererziehung<br />

entwickelte sich dann Judo zu e<strong>in</strong>er der erfolgreichsten <strong>Sport</strong>arten an der <strong>Jena</strong>er Universität.<br />

Insgesamt 73 Medaillen bei Meisterschaften im DDR-Maßstab konnte er bis 1990 mit se<strong>in</strong>en<br />

Judokas err<strong>in</strong>gen.<br />

34


1928: <strong>Jena</strong>er Studentengruppe beim Jiu-Jitsu Demonstrationswettkampf (oben)<br />

1951: Studenten im neu e<strong>in</strong>gerichteten Judoraum im Institut für Körpererziehung. H<strong>in</strong>ten<br />

Mitte Walter Wurzler als Übungsleiter und vorn rechts der spätere Judolehrer Eberhard<br />

Täubert.<br />

1929 Wie die Muskelkirche zu ihrem Namen kam?<br />

Wer die Bezeichnung Muskelkirche erfand, ist unbekannt. Zum ersten Mal verwendet wurde<br />

der Begriff am 2. November 1928 <strong>in</strong> der <strong>Jena</strong>ischen Zeitung als Überschrift über e<strong>in</strong> Gedicht:<br />

„Die Muskelkirche“<br />

Über den Wipfeln des Paradieses ist Ruh.<br />

Und über die Schützenbrücke kommst Du<br />

Und blickst nach rechts<br />

Es erfasst Dich Grausen,<br />

Denn zum Himmel Sausen<br />

Im H<strong>in</strong>tergrunde<br />

Zwiebelrunde,<br />

Eckig verbogene;<br />

Architektonisch verlogene,<br />

Neckisch sich duckende,<br />

Seitlich sich ruckende,<br />

Sowjethelmen gleichende,<br />

Konturen erweichende,<br />

Perspektive ertötende,<br />

Vor Scham selbst errötende<br />

L<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>es Neubaus.<br />

Ihr kennt ihn alle<br />

35


Die Landesturnhalle!<br />

Dieses Gedicht war Höhepunkt e<strong>in</strong>er ganzen Diskussionsreihe <strong>in</strong> den Medien aber auch auf<br />

Tagungen und Beratungen, bei denen immer wieder der Baustil der Landesturnanstalt <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

kritisiert wurde. Bereits vor Baubeg<strong>in</strong>n, nach Bekanntgabe der Baupläne hieß es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Zeitungsartikel: „Was die äußere Gestaltung des Turnhallenbaus betrifft,[...], sche<strong>in</strong>t er uns<br />

sehr verbesserungsbedürftig. Er lässt jede neue Idee vermissen und es wäre schon jetzt als<br />

äußerst bedauerlich zu bezeichnen, wenn dieser Entwurf zur Verwirklichung käme.“<br />

Wie kam es zu dieser äußeren Form?<br />

Der Regierungsbaurat Jakob Schrammen war 1912 von Berl<strong>in</strong> zum Großherzogtum Sachsen-<br />

Weimar-Eisenach fast strafversetzt worden, da es auf se<strong>in</strong>en Baustellen <strong>in</strong> Preußen immer<br />

wieder zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit Baufirmen gekommen war. Vom Baustil war der<br />

studierte Architekt <strong>in</strong> der Klassik verhaftet und wurde zunehmen e<strong>in</strong> Vertreter des<br />

konservativen „Heimatschutz“ Stils. Bereits 1917 beschäftigte er sich im Auftrage der<br />

großherzoglichen Regierung mit Plänen für den Ausbau der Universitätssportplätze <strong>in</strong> der<br />

Oberaue an. Dar<strong>in</strong> vorgesehen waren e<strong>in</strong>e 400 m Laufbahn, e<strong>in</strong> Fußballplatz, zwei<br />

Faustballplätze, je drei Fußball- und Faustballübungsplätze, E<strong>in</strong>richtungen für Turnübungen<br />

und Wehrturnen, und e<strong>in</strong>er Turnhalle. Teile der damaligen Entwürfe fanden sich <strong>in</strong> den<br />

Plänen wieder, die Schrammen 1926 vorlegte, als er den Auftrag zur Projektierung e<strong>in</strong>er<br />

Universitätsturnhalle mit Landesturnanstalt erhielt. Der erste Entwurf enthielt drei separate<br />

Baukörper für zwei Turnhallen, e<strong>in</strong>en Raum für Gymnastik, Umkleide-, Wasch-, Bade-,<br />

Verwaltungs-, Untersuchungs-, Lehr-, Verpflegungs- und Internatsräume. Es waren<br />

Kostengründe, die dafür sorgten, dass die e<strong>in</strong>zelnen Baukörper zusammenrückten und<br />

letztendlich e<strong>in</strong>en schlossähnlichen Charakter erhielten. Begründet wurde die Bauform damit<br />

dass sie: „[...] allen künstlerischen an ihn zu stellenden Bed<strong>in</strong>gungen gerecht werden wird. So<br />

ist der e<strong>in</strong>mal geäußerte Wunsch, dass die Turnhalle nicht das Aussehen e<strong>in</strong>er Kaserne oder<br />

e<strong>in</strong>er Reithalle haben dürfe, sondern den Übenden <strong>in</strong> ihrer Schönheit entgegentreten soll,<br />

glücklich erfüllt.“ Der häufig geäußerte Verdacht, dass Schrammen Bezüge zur Thür<strong>in</strong>ger<br />

Schlossarchitektur, <strong>in</strong> diesem Fall zum Schloss Belvedere bei Weimar hergestellt habe, ist<br />

also nicht ganz stichhaltig. Auf jeden Fall gab es schon vor der Fertigstellung e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Diskussionen darüber, dass die äußere Form und die <strong>in</strong>nere teilweise verw<strong>in</strong>kelte<br />

Raumorganisation sehr weit von dem Ende der zwanziger Jahre, zu e<strong>in</strong>er Zeit als das Bauhaus<br />

für die Moderne stand, bereits von den üblichen Standards für Schul- und <strong>Sport</strong>bauten<br />

abwich. Das beweisen die Süd-Schule an der Tatzendpromenade <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, die ebenfalls zu<br />

dieser Zeit gebaut wurde sowie das heutige Friedrich-Schiller-Gymnasium <strong>in</strong> Weimar. Neben<br />

der Muskelkirche zeichnete Jakob Schrammen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auch für den Bau der HN-Kl<strong>in</strong>ik am<br />

Steiger verantwortlich, wofür er ebenfalls auf Grund der Architektur kritisiert wurde.<br />

Bauzeichnung der Muskelkirche.<br />

36


1929 Hunderttausend von Zeiss<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung des Baus von <strong>Sport</strong>stätten war <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> schon immer e<strong>in</strong> Problem. Als im<br />

November 1929 die Landesturnanstalt, das heutige Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft <strong>in</strong> der<br />

Seidelstr. 20, auch bekannt unter der Bezeichnung Muskelkirche, fertiggestellt war, beliefen<br />

sich die Kosten auf 547 000,- RM. Haupttriebkräfte für den Bau waren die Studierenden. Ziel<br />

war es anfangs nur, e<strong>in</strong>e Universitätsturnhalle zu errichten. Dafür war 1922 bei Abmaßen von<br />

21 x 40 m und 8 m Höhe e<strong>in</strong>e Bausumme von 215 000,- RM errechnet worden. Da dieses<br />

Projekt nicht voran kam, entschloss man sich, das Ganze e<strong>in</strong>e Nummer größer zu planen und<br />

e<strong>in</strong>e Landesturnanstalt mit zwei Hallen, Internatsgebäuden und Lehrräumen <strong>in</strong> Angriff zu<br />

nehmen. Sowohl die Stadt, die Universität, der Thür<strong>in</strong>ger Turnlehrerverband und die Turn-<br />

und <strong>Sport</strong>verbände Thür<strong>in</strong>gens engagierten sich dafür. Die Aus- und Weiterbildung von Turn-<br />

und <strong>Sport</strong>lehrern, der obligatorische Studentensport und die Qualifizierung von<br />

Vere<strong>in</strong>sfunktionären und -übungsleitern des Landes Thür<strong>in</strong>gen sollte <strong>in</strong> der Landesturnanstalt<br />

stattf<strong>in</strong>den. Die Stadt stellte ohne Bed<strong>in</strong>gungen kostenlos das Grundstück zur Verfügung, das<br />

Land plante als Bausumme 500.000,- RM e<strong>in</strong>, wovon 100.000, - RM von der Zeiss-Stiftung<br />

zugeschossen wurden. In se<strong>in</strong>er legendären Rede zum 8. Turn- und <strong>Sport</strong>fest der Universität<br />

1925 hatte der Rektor Prof. Dr. Gerland mit Nachdruck die Errichtung e<strong>in</strong>er Universitätsturn-<br />

und -sporthalle gefordert. „Es gibt D<strong>in</strong>ge, bei denen man nicht bitten kann, bei denen man<br />

verlangen muss, und hierzu gehört eben die Universitätsturnhalle.“ Im Ergebnis dieser Rede<br />

wurde bei der Bank von Thür<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> „Turnkonto“ e<strong>in</strong>gerichtet und Gerland persönlich<br />

übernahm es mit Absolventen Verb<strong>in</strong>dung aufzunehmen, die auf Grund ihrer beruflichen<br />

Karriere als Sponsoren für die Halle <strong>in</strong> Frage kämen. In die Spenderliste trugen sich mit<br />

namhaften Beträgen u. a. der Weimarer Rechtsanwalt Mardersteig, Garbaty-Rosenthal aus<br />

Berl<strong>in</strong>, die Portlandzement und Kalkwerke Dornburg-Steudnitz, der Generaldirektor Dr.<br />

Fielmann aus Kahla, Geheimrat Dr. B<strong>in</strong>swanger aus Kreuzl<strong>in</strong>gen und der Rektor selbst e<strong>in</strong>.<br />

Insgesamt hatte das Konto, das von den Freunden und Förderern der Universität verwaltet<br />

wurde, e<strong>in</strong>en Endstand von 4908, 30 RM. Diese E<strong>in</strong>nahmen dienten dann dazu, e<strong>in</strong>en Teil der<br />

Entwurfskosten der Plastik e<strong>in</strong>es Speerwerfers, die vor der Landesturnanstalt aufgestellt<br />

wurde, abzudecken. Wie <strong>in</strong> im folgenden Beitrag berichtet, wurde die Plastik des Bildhauers<br />

Richard Engelmann 1940 e<strong>in</strong>geschmolzen. Der Travert<strong>in</strong>sockel, der bis um 2000 vor dem<br />

heutigen Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft stand, wurde bei Straßenbauarbeiten entfernt. Se<strong>in</strong><br />

Verbleib konnte noch nicht geklärt werden.<br />

37


Die Landesturnanstalt <strong>in</strong> der Seidelstraße unmittelbar vor der E<strong>in</strong>weihung im Jahre 1929.<br />

Damals waren noch nicht e<strong>in</strong>mal befestigte Straßen vorhanden.<br />

1930 – Der Speerwerfer von Richard Engelmann<br />

In e<strong>in</strong>er umfangreichen Forschungsarbeit von Silke Opitz von der Weimarer<br />

Bauhausuniversität kann man nachlesen, dass Richard Engelmann, der am 5. Dezember 1868<br />

<strong>in</strong> Bayreuth geboren wurde, <strong>in</strong> München studierte und nach Studienaufenthalten <strong>in</strong> Florenz<br />

und Paris <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenes Atelier hatte. Er wurde 1913 als Leiter der Bildhauerabteilung<br />

an die Hochschule für bildende Künste nach Weimar berufen. In se<strong>in</strong>er künstlerischen<br />

Auffassung kann man ihn dem Neoklassizismus zurechnen, der Anfang des Jahrhunderts für<br />

Umbruch und Modernität stand. Engelmann war nach anfänglicher Aufgeschlossenheit<br />

gegenüber Walter Gropius als Kandidaten für die Leitung der Weimarer Kunstschule<br />

zunehmend reservierter und er gehörte zu den Befürwortern e<strong>in</strong>er Teilung zwischen Bauhaus<br />

und Kunsthochschule, die dann auch erfolgte. Zu se<strong>in</strong>en bedeutendsten <strong>in</strong> Weimar noch<br />

erhaltenen Werken gehören die „Ruhende Frau“ und das „Sitzbild zweier Frauen“ am Van de<br />

Velde - Bau der Bauhaus-Universität, die bronzene Mädchenfigur (se<strong>in</strong>e Tochter Bärbel) an<br />

der Pestalozzischule und vor allem das Wildenbruch-Denkmal im Poseckschen Garten.<br />

Dass sich die Plastik des Speerwerfers bis 1940 auf dem Vorplatz des Instituts für<br />

Leibesübungen hielt, ist eigentlich e<strong>in</strong> Wunder, da Engelmann bereits 1930 unter<br />

Berufsverbot stand, als <strong>in</strong> Weimar die NSDAP zeitweilig an der Regierung beteiligt war. Die<br />

NSDAP stellte den für die Hochschulen zuständigen Volksbildungsm<strong>in</strong>ister, der se<strong>in</strong>erseits an<br />

der Hochschule als neuen Direktor Paul Schultze-Naumburg e<strong>in</strong>setzte. Dieser stand <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit der NS-Ideologie, wie u.a. se<strong>in</strong>e Veröffentlichung „Kunst und Rasse“<br />

belegt. Nach 1933 wurde er zum Fachberater <strong>in</strong> der Aktion „Entartete Kunst“. Außer se<strong>in</strong>en<br />

künstlerischen Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten mit Engelmann, der noch zu den Vertretern e<strong>in</strong>er<br />

klassizistischen Kunstauffassungen zählte und der enge Beziehung zu Van de Velde hatte,<br />

war sicher auch die jüdische Herkunft Engelmanns für se<strong>in</strong>e berufliche Degradierung<br />

ausschlaggebend. Nach weiteren beruflichen Beh<strong>in</strong>derungen durch die Nationalsozialisten<br />

übersiedelte Engelmann 1937 nach Kirchzarten, wo er bis zu se<strong>in</strong>em Tode 1966 künstlerisch<br />

tätig war.<br />

Die Plastik des Speerwerfers wurde im April 1940 abgerissen und e<strong>in</strong>geschmolzen. Der<br />

damalige amtierende Institutsdirektor Ernst Herberger hatte beim Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

<strong>in</strong> Weimar beantragt, dass die Plastik des Speerwerfers vor dem Institutsgebäude von Richard<br />

Engelmann und die kle<strong>in</strong>e Plastikgruppe der Fußballspieler von A. Zauche die <strong>in</strong> der<br />

Bibliothek stand, der Metallsammlung zur Geburtstagsspende des Führers bereitgestellt<br />

werden solle. Begründet wurde dies wie folgt: „Gegen die re<strong>in</strong> künstlerische Gestaltung der<br />

beiden Werke ist nichts e<strong>in</strong>zuwenden, aber vom sportlichen Gesichtspunkt aus s<strong>in</strong>d beide<br />

Figuren derart unglücklich dargestellt und zeigen e<strong>in</strong>e völlig irreführende Bewegung.“<br />

Am 18. April 1940 erhielt die Ortsgruppe <strong>Jena</strong>-Nord der NSDAP den Auftrag „ohne<br />

öffentliches Aufsehen“, die Figur des Speerwerfers als besondere Gabe für die<br />

Metallsammlung zum Geburtstag des Führers abzubauen. Wörtlich schrieb M<strong>in</strong>isterialrat<br />

Friedrich Stier: „Es ist mir nicht erwünscht, daß e<strong>in</strong>e öffentliche Bekanntgabe dieser Spende<br />

<strong>in</strong> den Zeitungen erfolgt.“ Die Ortsgruppe realisierte den Auftrag postwendend, <strong>in</strong>dem sie die<br />

Plastik vom Sockel stürzte und per LKW abtransportierte. Seitdem gibt es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise<br />

über den weiteren Verbleib. Ebenso wurde die Plastik der Fußballspieler bei der gleichen<br />

Aktion e<strong>in</strong>geschmolzen.<br />

38


Während es vom „Speerwerfer“ e<strong>in</strong>ige wenige Fotos gibt, ist die Plastikgruppe der<br />

Fußballspieler bisher nicht im Bild nachweisbar. Wir suchen daher Zeitzeugen, die eventuell<br />

noch über Bildmaterial verfügen.<br />

1931 Gretchen Herber war e<strong>in</strong>e der ersten Student<strong>in</strong>nen an der neuen<br />

Landesturnanstalt<br />

Erst kurz vor Inbetriebnahme der Landesturnanstalt e<strong>in</strong>igten sich das Land Thür<strong>in</strong>gen und die<br />

Universität über die Zuordnung dieser neuen E<strong>in</strong>richtung. Als Beauftragter wurde der Leiter<br />

des Lehrerbildungssem<strong>in</strong>ars Prof. Karl Schnobel e<strong>in</strong>gesetzt. Der Universitätsturnlehrer<br />

Hermann Eitel, der sich sehr für den Bau e<strong>in</strong>gesetzt hatte, kam bei der Vergabe des<br />

Direktorenpostens nicht zum Zuge. Er erhielt als kle<strong>in</strong>en Trost den Titel e<strong>in</strong>es<br />

Universitätsoberturnlehrers. Da Schnobel kurz vor der Pensionierung stand, wurde bereits im<br />

März 1930 dem Direktor des Pädagogischen Instituts, Prof. Dr. Georg Weiss, die Leitung der<br />

Landesturnanstalt nebenamtlich übertragen. Das Pädagogische Institut war als<br />

Lehrerbildungs<strong>in</strong>stitut zwar an die Universität angeschlossen, diszipl<strong>in</strong>arisch aber direkt dem<br />

Land unterstellt. Weiß war nicht nur zuständig für die Ausbildung der Grundschullehrer, er<br />

war auch mit e<strong>in</strong>er Vorlesung über die „<strong>Geschichte</strong> der Leibesübungen und der Jugendpflege“<br />

an der akademischen Turnlehrerausbildung beteiligt. Zu se<strong>in</strong>en Student<strong>in</strong>nen gehörte die<br />

<strong>Jena</strong>er<strong>in</strong> Gretchen Herber. Sie wurde 1910 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Ost geboren und gehörte zu den<br />

erfolgreichsten Nachwuchssportler<strong>in</strong>nen im Turnvere<strong>in</strong> Wenigenjena. Sowohl im<br />

Gerätturnen, als auch <strong>in</strong> der Leichtathletik und im Schwimmen war sie aktiv. Zu ihren ersten<br />

überregionalen Erfolgen zählte ihr 4. Platz bei den Deutschen Meisterschaften im Rahmen des<br />

Deutschen Turnfestes 1928 im leichtathletischen Vierkampf. Bei den Meisterschaften des<br />

Turngaus Thür<strong>in</strong>gen wurde sie Gaumeister<strong>in</strong> im Hochsprung, Dritte im Weitsprung und<br />

Zweite im Vierkampf. Diese sportliche Karriere, die sehr durch ihre Eltern unterstützt wurde,<br />

trug dazu bei, dass sie nach ihrer Ausbildung als Handarbeitslehrer<strong>in</strong> 1930 zu den ersten<br />

Student<strong>in</strong>nen des Turnlehrer<strong>in</strong>nen Sem<strong>in</strong>ars an der Landesturnanstalt <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> gehörte. Bis zu<br />

ihrer Heirat 1936 arbeitete sie dann Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Kahla und Ronneburg. 1939 verzog sie nach<br />

Weimar, wo sie nach dem Krieg aktiv Tischtennis spielte. 1951 wechselte sie zu E<strong>in</strong>heit Ost<br />

<strong>in</strong> Erfurt und wurde 1953 und 1954 DDR-Meister<strong>in</strong>, was besonders bemerkenswert ist, da sie<br />

als Kriegswitwe ihre vier Töchter alle<strong>in</strong> aufziehen musste. Bis 1977 war sie noch als<br />

<strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> an der Herderschule <strong>in</strong> Weimar im E<strong>in</strong>satz. Im Alter von 95 Jahren verstarb sie<br />

2005 <strong>in</strong> Halberstadt.<br />

Mehrfach war Gretchen Herber auch beim Jahnturnen <strong>in</strong> Freyburg/U. erfolgreich. Hier 1931<br />

(Bildmitte vorn) mit den übrigen Siegr<strong>in</strong>nen und den Organisatoren.<br />

39


1925 Die Universität übernahm den <strong>Sport</strong>platz der Turngeme<strong>in</strong>de <strong>Jena</strong><br />

Die <strong>Jena</strong>er Turngeme<strong>in</strong>de ist aus der Stoysche Turngeme<strong>in</strong>de hervorgegangen, die anfangs<br />

e<strong>in</strong> "Gymnasiasten Turnvere<strong>in</strong>" der Stoyschen Erziehungsanstalt gewesen ist. Überliefert ist,<br />

dass die Mitglieder der Turngeme<strong>in</strong>de unter Stoys Leitung 1860 zu Fuß zum Turnfest nach<br />

Coburg begaben. 1931/1932 baute sich die Turngeme<strong>in</strong>de <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>en Turnplatz parallel zur<br />

Wöllnitzer Straße, der dann später von der Universität Land gegen Entschädigung für den Bau<br />

der Landesturnanstalt (Muskelkirche) übernommen wurde. Mit dem erhaltenen Geld baute<br />

sich der Vere<strong>in</strong> fast zeitgleich mit dem Bau der Muskelkirche e<strong>in</strong>en neuen <strong>Sport</strong>platz und e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong>shaus. Dieses existiert noch heute als Haus der <strong>Jena</strong>er Tafel. In der Turngeme<strong>in</strong>de, die<br />

mit über 600 Mitgliedern, der viertgrößte <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> war, gab es die Abteilungen<br />

Gerätturnen, Gymnastik, Leichtathletik, Handball, Schwimmen, Schießen, Tennis,<br />

Tischtennis, Kanu, Bob und Schlitten, Billard, Bergsteigen und Wandern. Im III. Reich wurde<br />

der <strong>Sport</strong>platz der Turngeme<strong>in</strong>de, der auch e<strong>in</strong>e vollständige Leichtathletikanlage besaß<br />

zunehmend von der Universität für die Studentischen Leibesübungen und die<br />

<strong>Sport</strong>lehrerausbildung genutzt. Das Vere<strong>in</strong>shaus diente den Studierenden als Kant<strong>in</strong>e. Nach<br />

dem Krieg versuchte die BSG Konsum auf dem Gelände Fuß zu fassen. Das wieder eröffnete<br />

Institut für Körpererziehung belegte aber die Anlage ab 1951 mit se<strong>in</strong>en Ausbildungsgruppen<br />

und benannte sie <strong>in</strong> Max Reimann <strong>Sport</strong>platz, nach den <strong>in</strong> der BRD e<strong>in</strong>gesperrten KPD-<br />

Vorsitzenden, um. Mit dem Bau der Schnellstraße nach Neulobeda wurde der <strong>Sport</strong>platz<br />

vollständig liquidiert und die Universität erhielt e<strong>in</strong>en neuen <strong>Sport</strong>platz vor den<br />

Teufelslöchern.<br />

In den zwanziger Jahren hatte die Turngeme<strong>in</strong>de ihren Turnplatz und e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sheim noch<br />

am Ende der Jahnstraße.<br />

.<br />

40


1932 Die Turngeme<strong>in</strong>de <strong>Jena</strong> baut ihren <strong>Sport</strong>platz <strong>in</strong> der Oberaue neben dem Institut für<br />

Leibesübungen. Die Fotos stammen von der Familie Dumke.<br />

1926 Weltrekord im Diskus<br />

Die ersten Deutschen Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> s<strong>in</strong>d aus dem Jahre 1922 <strong>in</strong> der<br />

<strong>Sport</strong>art Fechten überliefert. 1926 folgten die Deutsche Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik, im Schwimmen und im deutschen Akademischen Mehrkampf <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Sämtliche reichsdeutschen Hochschulen und Wien, Brunn und Prag entsandten ihre<br />

Vertretungen. Im Stadion des l. <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>s mit der neuen Tribüne konnten 3000 Zuschauer<br />

sieben neue Hochschulrekorde erleben. 1928 gab es die Akademischen<br />

Turnbundmeisterschaften, die die akademischen Turnvere<strong>in</strong>e des Deutschen Reiches als<br />

hochrangigsten Wettkampf durchführten (siehe Foto). 1935 fanden im Stadion als<br />

zahlenmäßig stärkste Meisterschaft die Deutschen Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik, Tennis und Fußball <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und im Schwimmen <strong>in</strong> Weimar (von <strong>Jena</strong><br />

organisiert) mit über 1200 Teilnehmern statt. Das Institut für Leibesübungen war der<br />

Organisator. Die Wettkämpfe galten als Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele<br />

1936. Hochschulen aus Riga, Warschau, Upsala und Budapest nahmen an den Deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften als Gäste teil. <strong>Sport</strong>lich herausragende Ergebnisse waren, e<strong>in</strong><br />

Weltrekord und neun Hochschulbestleistungen. Gisela Mauermeyer (München) schaffte bei<br />

der Qualifikation im Diskuswurf 46,97 m. Dies bedeutete Weltrekord, der aber nicht<br />

anerkannt wurde, da der Wurf auf e<strong>in</strong>em Nebenplatz ausgeführt wurde. Beim eigentlichen<br />

Wettkampf schaffte sie nur 46,10 m, ebenfalls Weltrekord.<br />

Nach 1945 begann der Hochschulsport bereits 1947 mit der Organisation erster <strong>in</strong>offizieller<br />

Hochschulmeisterschaften im W<strong>in</strong>tersport. Danach folgten regelmäßig Meisterschaften<br />

besonders <strong>in</strong> der Leichtathletik, im Fechten, <strong>in</strong> der Gymnastik und im Hallenhandball. Mit<br />

den Weltmeisterschaften der Studierenden im Crosslauf 2000 wurde vorerst der letzte<br />

Höhepunkt <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s Hochschulsportgeschehen gesetzt. 2005 folgten dann die Deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften im Rugby und 2006 wurde diese Serie mit den Deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften im Fußball fortgesetzt.<br />

41


1933 E<strong>in</strong> Pionier an <strong>Jena</strong>s Universität<br />

1886 <strong>in</strong> Triptis als Sohn e<strong>in</strong>es Offiziers geboren g<strong>in</strong>g Hermann Eitel <strong>in</strong> Gotha zur Schule und<br />

legte se<strong>in</strong>e Lehrerprüfung 1909 an der Universität <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ab. Danach besuchte er e<strong>in</strong>en<br />

Kurs an der Preußischen Landesturnanstalt, den er 1910 als Turnlehrer erfolgreich beendete.<br />

Anschließend besuchte er noch e<strong>in</strong>en Kurs für orthopädisches Turnen an der Königlichen<br />

Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e erste Lehrerstelle hatte er an der Realschule <strong>in</strong> Gotha. Als im Februar<br />

1914 die Erhalterstaaten der <strong>Jena</strong>er Universität die Stelle e<strong>in</strong>es Universitätssportlehrers<br />

bewilligten, bewarb er sich neben den beiden <strong>Jena</strong>er Gymnasiallehrern Hamberger und<br />

Hasenkamp dafür. Eitel war <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> ke<strong>in</strong> Unbekannter. Er hatte beim ersten städtischen<br />

Eissportfest auf dem Schleichersee im Januar 1914 mit se<strong>in</strong>er Schlittschuhkür für Aufsehen<br />

gesorgt. „Von der Festleitung war der bekannte Kunstfahrer Herr Eitel vom W<strong>in</strong>tersportvere<strong>in</strong><br />

Gotha für den Abend gewonnen worden. Erstaunlich war es, mit welcher Eleganz und<br />

Sicherheit er die schwierigsten Bewegungen und Fahrten ausführte.“ Da den beiden<br />

Gymnasiallehrern das angebotene Jahresgehalt (2300, - Reichsmark) zu ger<strong>in</strong>g war, beschloss<br />

der Senat der Universität die Anstellung von Hermann Eitel. Eitel war damit e<strong>in</strong>er der ersten<br />

fest e<strong>in</strong>gestellten Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer an e<strong>in</strong>er Universität <strong>in</strong> Deutschland, wenn auch nicht<br />

als Lehrkraft sondern, heute würde man sagen „technischer Mitarbeiter mit Lehraufgaben“.<br />

Zu se<strong>in</strong>en ersten Aufgaben gehörte die Übernahme der <strong>Sport</strong>plätze <strong>in</strong> der Oberaue <strong>in</strong><br />

Universitätseigentum und die Organisation des 1. Turn- und <strong>Sport</strong>festes der Universität. Der<br />

Beg<strong>in</strong>n des 1. Weltkrieges stoppte die positive Entwicklung des <strong>Jena</strong>er Studentensports.<br />

Gleich zu Kriegsbeg<strong>in</strong>n wurde Eitel bei Langemark verwundet. Nach der Genesung kam er<br />

nach Gotha zur Fliegerausbildung und war nach der Feldpilotenprüfung Fluglehrer. Ab 1916<br />

g<strong>in</strong>g er mit dem Kampfgeschwader 3 wieder an die Front. Sofort nach Kriegsende nahm er<br />

se<strong>in</strong>e Tätigkeit an der Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> wieder auf. Inzwischen Lehrwart im Thür<strong>in</strong>ger<br />

W<strong>in</strong>tersportverband, qualifizierte er sich ständig weiter. Regelmäßig wurde er als<br />

Kampfrichter bei nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Skiwettkämpfen e<strong>in</strong>gesetzt. Ab 1921 war er<br />

für die „Turnphilologen-Ausbildung“ zuständig. Er hatte die Berechtigung zur Abhaltung von<br />

Vorlesungen und Sem<strong>in</strong>aren. Als 1925 die Universität <strong>Jena</strong> als erste <strong>in</strong> Deutschland den<br />

studentischen Pflichtsport für die ersten drei Semester e<strong>in</strong>geführte, war er für die Organisation<br />

zuständig. 1929 erhielt er vom Thür<strong>in</strong>gischen Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium den Titel e<strong>in</strong>es<br />

Universitätsoberturnlehrers verliehen. Vom Akademischen Ausschuss für Leibesübungen, der<br />

direkt dem Senat der Universität unterstand, wurde Eitel als Direktor des geplanten Instituts<br />

für Leibesübungen vorgeschlagen. Die <strong>Geschichte</strong> von Hans Ebert als den dann ernannten<br />

Direktor wurde <strong>in</strong> der letzten Folge beschrieben. Eitel wurde an das Weimarer<br />

Realgymnasium versetzt, wo er e<strong>in</strong> geachteter Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer war. Nach se<strong>in</strong>er<br />

42


Pensionierung Anfang der fünfziger Jahre zog er sich nach Gehlberg zurück, wo er <strong>in</strong> den<br />

sechziger Jahren verstarb.<br />

Hermann Eitel war 1933 mit e<strong>in</strong>er Uni-Männerstaffel bei der <strong>Sport</strong>platze<strong>in</strong>weihung <strong>in</strong> Bad<br />

Elster.<br />

1934 Auf Anordnung der Regierung<br />

Im März 1934, e<strong>in</strong> Jahr nach der Machtergreifung der Nazis <strong>in</strong> Deutschland wurde auf<br />

Anordnung der Thür<strong>in</strong>gischen Landesregierung an der Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong> Institut für<br />

Leibesübungen gegründet. Dieses übernahm alle Aufgaben des akademischen <strong>Sport</strong>s, das<br />

heißt den studentischen Pflichtsport, den von den Nazis e<strong>in</strong>geführten Wehrsport, die<br />

<strong>Sport</strong>lehrer-Aus- und Weiterbildung und den freiwilligen Wettkampfsport der<br />

Universitätsangehörigen. Als Gebäude wurden dafür die bisherige Landesturnanstalt, d. h. die<br />

Muskelkirche zur Verfügung gestellt. Die beiden bisher fest e<strong>in</strong>gestellten Lehrkräfte wurden<br />

zum Verlassen der Universität gedrängt. Der Universitätsoberturnlehrer Hermann Eitel wurde<br />

an das Realgymnasium <strong>in</strong> Weimar versetzt. Als offizielle Begründung wurde se<strong>in</strong> Alter (48)<br />

angegeben. „Er könne den Studenten nicht mehr als Vorbild dienen.“ Die Turn- und<br />

<strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> Elsa Schramm bat selber um Versetzung. Das neue Institut unterstand direkt der<br />

Landesregierung, die auch den neuen Direktor, Hans Ebert, e<strong>in</strong>setzte. Ebert war e<strong>in</strong> treuer<br />

Parteikader der NSdAP. Er gehörte schon 1923 zu den Teilnehmern am Hitlerputsch <strong>in</strong><br />

München, was ihm später den sogenannten „Blutorden“ e<strong>in</strong>brachte. Zuletzt war er als<br />

Stabsleiter für Leibesübungen beim Reichsarbeitsdienst für Thür<strong>in</strong>gen zuständig. Vorher war<br />

er durch viele Aktivitäten zu Gunsten der NSdAP an den Universitäten <strong>in</strong> Rostock und<br />

Breslau aktiv geworden. So gründete er <strong>in</strong> Breslau e<strong>in</strong>en Nazisportvere<strong>in</strong>, gehörte der SS an<br />

und nahm für die NSdAP an verschiedenen, teilweise geheimen Führungskader-Lehrgängen<br />

teil. Als akademisch ausgebildeter <strong>Sport</strong>lehrer erhielt er an der <strong>Jena</strong>er Universität die<br />

Funktion e<strong>in</strong>es Führers des NS-Dozentenbundes. Se<strong>in</strong>e Ausbildungsmethoden am Institut für<br />

Leibesübungen wurden durch militärische Härte und ideologische Phrasen gekennzeichnet.<br />

Auf ihn soll auch der Begriff der „Studentenrutsche“ <strong>in</strong> den <strong>Jena</strong>er Kernbergen zurückgehen.<br />

Nach den morgendlichen Appellen, schickte er die Studenten der Leibesübungen regelmäßig<br />

auf das Kernbergplateau. Er selber stand h<strong>in</strong>ter der Muskelkirche und die Studenten mussten,<br />

nachdem er se<strong>in</strong>e Pistole abgeschossen hatte, so schnell wie möglich wieder zum Institut<br />

43


kommen. Pfiffige Studenten nutzten die schmale Geröllhalde, die kurz h<strong>in</strong>ter der<br />

Kupferplatte, <strong>in</strong> Richtung Wöllnitz die Horizontale quert, um auf ihr <strong>in</strong>s Tal zu rutschen.<br />

Hans Ebert (zweiter von l<strong>in</strong>ks) mit zwei <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen und dem späteren<br />

Stellvertretenden Reichssportführer der NS-Studentenschaft He<strong>in</strong>z Hamberger.<br />

1935 Als Jurist Sunderdiek Silber holte<br />

In <strong>Jena</strong> war der Olympiateilnehmer von 1928, Fritz Huhn, als Übungsleiter beim VfB <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik tätig. Zu se<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgruppe gehörte um 1935 der Jurastudent Günther<br />

Sunderdiek. In Sonneberg 1911 geboren, kam er durch die Dienstversetzung se<strong>in</strong>es Vaters,<br />

der bei der Deutschen Post arbeitete, über Bad Salzungen nach Gotha. Hier begann se<strong>in</strong>e<br />

sportliche Laufbahn im Turnvere<strong>in</strong> des Gymnasiums. 1932 wurde er Jurastudent an der <strong>Jena</strong>er<br />

Universität. Fritz Huhn betreute als Übungsleiter auch nebenamtlich die Leichtathleten der<br />

Universität, zu denen damals auch Siegfriede Dempe gehörte.<br />

Günther Sunderdiek liebte besonders die Mittelstreckenläufe. Se<strong>in</strong>e größten Erfolge waren<br />

zwei Silber-Medaillen bei den deutschen Hochschulmeisterschaften 1935 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Über 800m<br />

kam er mit 2:02,8 ebenso zu e<strong>in</strong>er Silber-Medaille wie über 1500m mit 4:13,8. In e<strong>in</strong>em<br />

Zeitungsartikel hieß es damals dazu: „[...] die 1500 m [wurden] zu e<strong>in</strong>er Delikatesse.<br />

Nastansky (Köln) führte fast vom Start ab, wurde dann aber von Sunderdiek (<strong>Jena</strong>) und<br />

Engler (Greifswald) förmlich durch die letzte Runde gehetzt. Nur mit Brustbreite konnte er<br />

sich <strong>in</strong>s Ziel retten.“<br />

Sunderdiek blieb nach Beendigung des Studiums noch e<strong>in</strong>e Weile <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> um zu promovieren.<br />

Se<strong>in</strong>e Arbeit war e<strong>in</strong>e der ersten „<strong>Sport</strong>juristischen“ Promotionen an der <strong>Jena</strong>er Universität.<br />

Er promovierte 1937 erfolgreich zum Thema „Das Diszipl<strong>in</strong>arstrafrecht im <strong>Sport</strong>“. Es war<br />

<strong>in</strong>sgesamt die 25. Promotion <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zu e<strong>in</strong>em „sportlichen“ Thema. Die früheste bekannte<br />

Promotion zum <strong>Sport</strong> stammt aus dem Jahre 1681 und ist von Johann Friedrich Dürr. Sie<br />

wurde wie damals üblich <strong>in</strong> Late<strong>in</strong> geschrieben und hatte das Thema: Veterum gymnasium<br />

bellicum. Wie alle Arbeiten außerhalb der Theologie, der Mediz<strong>in</strong>, oder des Rechts wurde sie<br />

an der Philosophischen Fakultät abgelegt. Dies blieb bis 1961 so. Erst seit diesem Zeitpunkt<br />

erhielt das 1951 gegründete Institut für Körpererziehung das Recht eigene Promotionen<br />

zugelassen. Unter den Promoventen bis dah<strong>in</strong> gab es e<strong>in</strong>ige Prom<strong>in</strong>ente wie Georg von<br />

Brauchitsch aus dem Jahre 1910 der <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> über die „Die panathenischen Preisamphoren“<br />

promovierte. Zu den kuriosen Themen dürfte die 1936 vorgelegte Arbeit von Herbert Drewes<br />

zu „<strong>Sport</strong>ärztliche Beobachtungen über die Röstprodukte des Kaffeegetränkes“ gehört haben.<br />

44


Insgesamt wurden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> über 200 Dissertationen zu Themen des <strong>Sport</strong>s, des Turnens bzw.<br />

der Leibesübungen bis heute erfolgreich verteidigt. Zu den jüngsten gehört die 2006<br />

vorgelegte Untersuchung von Thomas Orth über „Empirische Untersuchungen zur<br />

Neugestaltung des <strong>Sport</strong>s an berufsbildenden Schulen <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen“.<br />

Günther Sunderdiek auf Platz zwei <strong>in</strong> der Zielkurve im Stadion beim 1500-m-Lauf der<br />

Deutschen Hochschulmeisterschaften 1935 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

1935 Siegfriede Weber-Dempe wird 90<br />

Am 29. März 1914 wurde Siegfriede als Tochter des Schneidermeisters und Mormonen-<br />

Priesters Dempe <strong>in</strong> Weimar geboren. Schon früh kam sie mit dem <strong>Sport</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung, waren<br />

doch ihre Eltern Mitglieder <strong>in</strong> der Turnerschaft Weimar. In diesem Vere<strong>in</strong> errang sie auch ihre<br />

ersten sportlichen Erfolge. Über die Grenzen Thür<strong>in</strong>gens h<strong>in</strong>aus bekannt wurde sie aber erst<br />

mit der Aufnahme des Philologiestudiums 1933 an der Universität <strong>Jena</strong>, wo sie u. a. das Fach<br />

Leibesübungen belegte. Beim Leichtathletiktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g beobachtete sie der „Hilfsassistent“<br />

Oskar Brunken und riet ihr, es doch mal mit dem Hürdenlaufen zu probieren.<br />

Mit dem ihr für das ganze Leben typischen Fleiß und sportlichem Talent wurde sie bereits<br />

1934 bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften Sieger<strong>in</strong> über 80 m Hürden <strong>in</strong> 13,5 sek.<br />

Bei ihrem ersten <strong>in</strong>ternationalen Start 1935 bei den Akademischen Weltspielen <strong>in</strong> Budapest<br />

holte sie sich die Silbermedaille über die gleiche Distanz mit e<strong>in</strong>er Zeit von 12,9 sek. Bis<br />

1939 steigerte sie sich auf ihre Liebl<strong>in</strong>gsstrecke Leistungen Jahr für Jahr. Mit 11,5 sec. stellte<br />

sie 1939 den deutschen Rekord auf und lag auf Platz zwei <strong>in</strong> der Weltrangliste. 1957, also mit<br />

43 Jahren startete sie letztmalig bei e<strong>in</strong>em Hürdenwettkampf und kam dabei immer noch auf<br />

beachtliche 12,3 sek. Mit e<strong>in</strong>er erfolgreichen Wettkampfserie über 23 Jahre im Hürdenlauf<br />

steht sie wohl e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> Deutschland da und wird deshalb von dem Leichtathletikstatistiker<br />

Klaus Amrhe<strong>in</strong> auch als Hürdenwunder von Weimar bezeichnet.<br />

45


Außer beim Hürdenlaufen errang sie viele gute Ergebnisse über 100 und 200 m und <strong>in</strong> der<br />

4x100 m Staffel. Zwei Titel e<strong>in</strong>er Studentenweltmeister<strong>in</strong> (1937 und 1939) und zwei<br />

Silbermedaillen (1935 und 1939) waren ihre größten Erfolge. Bis Anfang der vierziger Jahre<br />

startete sie <strong>in</strong> der deutschen Nationalmannschaft u. a. bei Landekämpfen <strong>in</strong> den Niederlanden<br />

und <strong>in</strong> Italien.<br />

Nach dem Krieg wechselte sie vom SC Weimar, dem sie 1934 beigetreten war, erst zur BSG<br />

Carl Zeiss <strong>Jena</strong>, dann HSG Wissenschaft <strong>Jena</strong> und blieb dann Aktive beim SC Motor <strong>Jena</strong>. Ihr<br />

letzter Start <strong>in</strong>sgesamt war 1962, mit 48 Jahren, als sie noch e<strong>in</strong>mal bei e<strong>in</strong>er 4x200m Staffel<br />

für die HSG Uni <strong>Jena</strong> gewann.<br />

Insgesamt zehn Deutsche- bzw. DDR-Meistertitel konnte sie <strong>in</strong> ihrer Laufbahn err<strong>in</strong>gen. Viele<br />

Jahre war sie als <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berufsschulen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und Weimar tätig und auch als<br />

Übungsleiter<strong>in</strong> erfolgreich. Als bekanntester Schützl<strong>in</strong>g von ihr wird der Mittelstreckler<br />

Manfred Matuschewski benannt. Später leitete sie dann bis hoch <strong>in</strong> die Achtziger Yogakurse,<br />

und noch heute kann man sie regelmäßig bei Spaziergängen im Goethepark antreffen.<br />

Foto<br />

1937 Mit der Leuchtenburg um die Leuchtenburg<br />

Nach dem 1. Weltkrieg gab es e<strong>in</strong>e rasante Entwicklung des Flugsports auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und<br />

Umgebung. Aus den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist bekannt, das<br />

<strong>in</strong> Zwätzen, am Cospoth, bei Rödigen, auf den Kernbergen und unterhalb der Lobdeburg z. T.<br />

regelmäßiger Flugbetrieb von Segelflugzeugen herrschte. Weniger bekannt ist der<br />

Segelflugplatz bei Rockau. Fast <strong>in</strong> Vergessenheit geraten s<strong>in</strong>d die Flugversuche im Raum<br />

Kahla, unterhalb der Leuchtenburg und bei Zwabitz im Re<strong>in</strong>städter Grund. E<strong>in</strong>er der<br />

Flugpioniere <strong>in</strong> Kahla war Kurt Knüppel. Dessen Initiative ist es zu verdanken, das Anfang<br />

der dreißiger Jahre zwei Segelflugzeuge <strong>in</strong> Eigenbau angefertigt wurden. Der Besitzer des<br />

Kahler Porzellanwerkes unterstützte die Kahlaer Segelfluggruppe mit Material und Geld.<br />

1937 verunglückte Kurt Knüppel tödlich bei e<strong>in</strong>em der ersten Flüge mit dem selbstgebauten<br />

Segelflieger „Leuchtenburg“. Die Unfallursache konnte nicht aufgeklärt werden.<br />

Auf dem Foto die beiden Segelflugzeuge der Kahler Fliegergruppe unterhalb der<br />

Leuchtenburg.<br />

46


Pünktlich zum 69. Todestag von Kurt Knüppel konnte se<strong>in</strong>e Tochter, Ursula Herbst, Blumen<br />

am neu aufgestellten Grabste<strong>in</strong> ihres Vaters niederlegen.<br />

Anfang der dreißiger Jahre entwickelte sich <strong>in</strong> Kahla e<strong>in</strong>e sehr aktive Segelfliegergruppe.<br />

F<strong>in</strong>anziell unterstützt vom Besitzer des Porzellanwerks konnten die Flieger <strong>in</strong> vielen Stunden<br />

ehrenamtlicher Arbeit erst e<strong>in</strong>en Übungsgleiter und dann e<strong>in</strong> Segelflugzeug mit dem Namen<br />

„Leuchtenburg“ selber bauen. Zu den Aktivsten <strong>in</strong> der Gruppe gehörte Kurt Knüppel, der als<br />

Leiter der Fliegergruppe auch e<strong>in</strong>er der besten Flieger war. In der Umgebung von Kahla gab<br />

es verschiedene Gelände, die von der Gruppe zum Segelflug genutzt wurden. So unterhalb der<br />

Leuchtenburg, bei Blankenha<strong>in</strong> und im Rhe<strong>in</strong>städter Grund. Auf Grund der günstigen<br />

thermischen Verhältnisse, die durch die Kalkhänge gesichert wurden, bevorzugten die<br />

Kahlaer Segelflieger die Wiesen oberhalb von Zwabitz. Hier schufen sie erst unterhalb des<br />

Steilhanges e<strong>in</strong>e Startpiste. Schon bald wollten sie höher h<strong>in</strong>aus und bauten sich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

Startplateau oberhalb der steilen Wand, <strong>in</strong>dem sie dort e<strong>in</strong>e Fläche planierten. Diese war<br />

gerade lang genug um mittels Gummiseilen e<strong>in</strong>e Art Katapultstart der Segelflugzeuge zu<br />

sichern. Gelandet wurde im Tal und die Segelflieger mußten dann manuell bzw. später mit<br />

e<strong>in</strong>em Seilzug wieder auf die Höhe geschafft werden.<br />

Im August 1937 passierte es dann. Kurt Knüppel, der schon viele Male mit der<br />

„Leuchtenburg“ gestartet und gelandet war, geriet plötzlich <strong>in</strong>s Trudeln und konnte das<br />

Segelflugzeug nicht mehr abfangen. Es zerschellte am Boden. Kurt Knüppel konnte sich<br />

selbst noch aus dem Trümmern befreien. E<strong>in</strong> Fliegerfreund bracht ihn mit dem Privat-PKW <strong>in</strong><br />

<strong>Jena</strong>er Universitätskl<strong>in</strong>ikum, wo er drei Tage später am 20. August 1937 im Alter von 31<br />

Jahren verstarb.<br />

Se<strong>in</strong> sehr <strong>in</strong>teressanter Grabste<strong>in</strong>, den e<strong>in</strong> Segelflugzeug ziert, stand bisher auf dem Kahlaer<br />

Friedhof. Auf Wunsch der Tochter sollte er erhalten bleiben. Mit Alexander Pill<strong>in</strong>g vom<br />

Vere<strong>in</strong> „Grund genug“ wurde e<strong>in</strong> Partner gefunden, der alle Hebel <strong>in</strong> Bewegung setzte, damit<br />

der schöne Grabste<strong>in</strong> unweit der Absturzstelle wieder aufgestellt werden konnte. Wenige<br />

Meter von der landschaftlich reizvollen Aussichtstelle „Mart<strong>in</strong>sruh“ oberhalb von Zwabitz,<br />

dort wo früher die Segelflugzeuge starteten, er<strong>in</strong>nert jetzt der Ste<strong>in</strong> an e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Stück<br />

Segelfluggeschichte Thür<strong>in</strong>gens. Die abwechslungsreiche Wanderregion „Rhe<strong>in</strong>städter<br />

Grund“ wurde damit um e<strong>in</strong>e Attraktion reicher.<br />

Ursula Herbst und Alexander Pill<strong>in</strong>g am Grabste<strong>in</strong>: Am 69 Todestag legte <strong>in</strong> aller Frühe<br />

Ursula Herbst, die Tochter von Karl Knüppel am umgesetzten Grabste<strong>in</strong> Blumen nieder.<br />

Alexander Pill<strong>in</strong>g hatte die Umsetzung auf den ehemaligen Startplatz der Kahlaer Segelflieger<br />

im Re<strong>in</strong>städter Grund organisiert.<br />

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Die „Leuchtenburg“ gerät <strong>in</strong>s Trudeln und stürzt wie e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> zur Erde.<br />

Kurt Knüppel beim E<strong>in</strong>fliegen <strong>in</strong> dem selbst gebauten Segelflugzeug „Leuchtenburg“<br />

1937 Fünf Stunden über den Kernbergen<br />

Durch e<strong>in</strong>en glücklichen Zufall konnte das Fotoarchiv des USV um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige Fotos zur<br />

<strong>Jena</strong>er Segelfluggeschichte aus der Zeit zwischen 1938 – 1940 ergänzt werden. In dieser Zeit<br />

war Ingeborg Steffens Assistent<strong>in</strong> am Institut für Leibesübungen der Friedrich-Schiller-<br />

Universität. Sie stammte eigentlich aus Breslau, wo sie auch studiert hatte. Bereits Anfang der<br />

dreißiger Jahre hatte sie sich für den Segelflug <strong>in</strong>teressiert und während ihres Studiums ist sie<br />

regelmäßig geflogen. Sie gehörte zur Breslauer Mannschaft, die im Mai 1937 geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den Mannschaften der Institute für Leibesübungen aus <strong>Jena</strong> und Halle auf den Kernbergen e<strong>in</strong><br />

Vergleichsfliegen durchführten. Insgesamt nahmen 15 Studenten an dem Lehrgang auf den<br />

Kernbergen teil. Der Fluglehrer Karl Treutner aus <strong>Jena</strong> schaffte dabei e<strong>in</strong>en Dreistundenflug,<br />

und Walter Höhne von <strong>Jena</strong> landete 10km von Leipzig entfernt und hatte e<strong>in</strong>e Flughöhe von<br />

1620m erreicht. Die Gesamtflugzeit betrug 58 Stunden und 42 M<strong>in</strong>uten. Breslau gewann den<br />

Vergleich mit 408,35 Punkten vor <strong>Jena</strong> (399,85) und Halle (91,24). 1938 wurde Ingeborg<br />

Steffens, die ihr <strong>Sport</strong>examen <strong>in</strong> Breslau geschafft hatte aber ansonsten mit dem Studium<br />

noch nicht fertig war, auf Grund ihrer guten Prüfungsergebnisse nach <strong>Jena</strong> als Assistent<strong>in</strong><br />

abgeordnet. Dies war e<strong>in</strong>e übliche Praxis, wurden doch alle Institute für Leibesübungen<br />

besonders <strong>in</strong> Personalfragen direkt vom Reichsm<strong>in</strong>isterium geleitet. Inge Steffens wurde <strong>in</strong><br />

fast allen <strong>Sport</strong>arten e<strong>in</strong>gesetzt und gehörte zu den ersten Frauen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Basketballmannschaft der Universität spielten. Ihre besondere Liebe galt aber weiter dem<br />

Segelflug, wo sie <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> über den Kernbergen e<strong>in</strong>en Fünfstundenflug absolvierte und bei<br />

Erfurt e<strong>in</strong>e Flughöhe von 1600m erreichte.<br />

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Ingeborg Steffens, Bildmitte, nach dem Fünfstundenflug und der glücklichen Landung auf<br />

den Saalewiesen. Rechts von ihr der Segelfluglehrer Walter Höhne und der Oberassistent des<br />

Instituts für Leibesübungen, Ernst Herberger.<br />

Das Segelflugzeug wird zum Rücktransport <strong>in</strong> Position gezogen.<br />

1939 Lockemann mit Gold<br />

Zu den erfolgreichsten <strong>Jena</strong>er Leichtathlet<strong>in</strong>nen vor 1945 gehörten Siegfriede Weber-Dempe<br />

und Luise Lockemann. Siegfriede Weber-Dempe war ursprünglich eigentlich Turner<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Weimar und begann mit dem Hürdenlaufen erst <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Sie begann 1933 mit dem<br />

<strong>Sport</strong>studium <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und ihr Leichtathletik-Übungsleiter Oskar Brunken empfahl ihr, es doch<br />

mal mit dem Hürdenlaufen zu probieren. Bereits 1934 startete sie über 80 m - Hürden bei den<br />

Deutschen Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> Frankfurt und gewann die Goldmedaille und bei den<br />

Studentenweltmeisterschaften 1935 <strong>in</strong> Budapest errang sie Silber. 1937 und 1939 wurde sie<br />

auf der gleichen Strecke Studentenweltmeister<strong>in</strong>. Mit e<strong>in</strong>er Zeit von 11,5 s über 80m Hürden<br />

stellte sie 1939 e<strong>in</strong>en Deutschen Rekord auf. Mit der Leichtathletik Luise Lockemann, der<br />

Tochter des 1945 beim Bombenangriff auf die Universitätsbibliothek umgekommenen<br />

Bibliotheksdirektors, verband sie seit 1933 e<strong>in</strong>e enge <strong>Sport</strong>freundschaft. Beide tra<strong>in</strong>ierten und<br />

starteten für den VfB <strong>Jena</strong> e. V., der auf den Universitätssportplätzen <strong>in</strong> der Oberaue se<strong>in</strong>e<br />

Heimstatt hatte. Luise Lockemann studierte ebenfalls <strong>Sport</strong> allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> Marburg, kam aber<br />

1937 wieder zurück nach <strong>Jena</strong> und begann als Assistent<strong>in</strong> am Hochschul<strong>in</strong>stitut für<br />

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Leibesübungen. Ihre Spezialdiszipl<strong>in</strong>en waren Weitsprung und Hochsprung, wo sie 1939 1,50<br />

m Höhe und 5,21 m Weite zwei Goldmedaillen bei den Studentenweltmeisterschaften<br />

gewann. Während Luise Lockemann nach 1945 nach Hannover g<strong>in</strong>g und dort noch bis zu<br />

Ihrem Tode mit über 80 Jahren aktiv als Orientierungsläufer<strong>in</strong> startete, wurde Siegfriede<br />

Weber-Dempe nach 1945 <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> an der Zeiss-Berufsschule und startete bis Mitte der<br />

fünfziger Jahre für den SC Motor <strong>Jena</strong>. Sie lebte die ganze Zeit <strong>in</strong> Weimar, wo sie bis weit<br />

über 80 war sie als Übungsleiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Yogagruppe tätig war. Ende März wird sie 92 Jahre.<br />

Zweifache Studentenweltmeister<strong>in</strong> wurde Luise Lockemann.<br />

Zwei Goldmädchen aus <strong>Jena</strong> hier l<strong>in</strong>ks Luise Lockemann und Siegfriede Dempe im<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager <strong>in</strong> der heutigen <strong>Sport</strong>schule Bad Blankenburg.<br />

1939 Basketballspuren <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong><br />

In Deutschland fasste der Basketball erst recht spät und zwar im Zusammenhang mit der<br />

Vorbereitung der Olympischen Sommersportspiele 1936 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> so richtig Fuß. Bis dah<strong>in</strong><br />

wurde vor allem <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en, die zum Turnerbund gehörten, Korbball gespielt. Ab 1935<br />

versuchte die deutsche <strong>Sport</strong>führung, Basketball-Mannschaften aufzubauen und Lehrkräfte<br />

auszubilden. So wurden an verschiedenen Instituten für Leibesübungen entsprechende Kurse<br />

angeboten. Für <strong>Jena</strong> ist dies zwar nicht nachgewiesen, da aber aus dem Jahre 1939 die<br />

Existenz e<strong>in</strong>es Basketball-Feldes <strong>in</strong> der großen Halle der „Muskelkirche“ belegt ist, muss man<br />

50


vermuten, dass diese junge <strong>Sport</strong>art auch im <strong>Jena</strong>er Universitätssportprogramm e<strong>in</strong>e Rolle<br />

gespielt hat. Bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften 1940 <strong>in</strong> Braunschweig beteiligte<br />

sich <strong>Jena</strong> mit e<strong>in</strong>er Männermannschaft im Basketball, die immerh<strong>in</strong> Platz sechs belegt.<br />

Mit der Wiederaufnahme des Lehrbetriebes nach dem Krieg konnte erst mal ke<strong>in</strong> Basketball<br />

gespielt werden, da die <strong>Sport</strong>hallen <strong>in</strong> der Muskelkirche durch die Rote Armee belegt waren.<br />

Die Basketballkörbe blieben aber erhalten und wurden bei der Renovierung der Hallen 1948<br />

<strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>e Halle umgesetzt. Ab Sommersemester 1950 unterrichtete Walter Wurzler hier<br />

zukünftige <strong>Sport</strong>lehrer im Basketball. E<strong>in</strong>er der ersten <strong>Sport</strong>studenten, Wolfgang Hercher,<br />

besuchte vom 16.-28. Oktober 1950 den ersten Übungsleiterlehrgang für Basketball <strong>in</strong> der<br />

DDR. Er war auch der Gründungsvater der Sektion Basketball der HSG, der<br />

Vorläuferorganisation des USV. Geme<strong>in</strong>sam mit Boris Deltow wurde er für die nächsten<br />

Jahre zum wesentlichsten Motor der Basketballentwicklung <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und <strong>in</strong> ganz Thür<strong>in</strong>gen.<br />

Beide wurden Mitglieder der DDR Auswahl der Studierenden und später Tra<strong>in</strong>er der<br />

Nationalmannschaft bzw. wichtige Funktionäre im Basketballverband und Lehrkräfte an der<br />

DHfK. Das von ihnen stammende große Basketball-Handbuch des <strong>Sport</strong>verlages ist noch <strong>in</strong><br />

vielen Passagen bis auf die heutige Zeit gültig.<br />

1939 Luise Lockemann<br />

In der <strong>Sport</strong>geschichtsschreibung der Stadt <strong>Jena</strong> spielte bis heute Luise Lockemann so gut wie<br />

ke<strong>in</strong>e Rolle. Erst mit der Herausgabe des Buches „Zur <strong>Geschichte</strong> des <strong>Sport</strong>s an der<br />

Universität <strong>Jena</strong>“ erhielt sie den ihr gebührenden Platz. Die Tochter des Direktors der<br />

Universitätsbibliothek, der 1945 bei e<strong>in</strong>em Bombenangriff unter den Trümmern der<br />

Bibliothek begraben wurde, begann schon als Schüler<strong>in</strong> beim Vere<strong>in</strong> für Bewegungsspiele<br />

(VfB) ihre sportliche Laufbahn. Auf dem Gelände des heutigen Universitätssportzentrums,<br />

wo sich der VfB e<strong>in</strong>gemietet hatte, tra<strong>in</strong>ierte sie bei dem bekannten Olympiateilnehmer von<br />

1928, Fritz Huhn. Sehr zeitig stellte sich heraus, dass sie e<strong>in</strong>e besondere Begabung für den<br />

Hoch- und Weitsprung hatte. In diesen Diszipl<strong>in</strong>en konnte sie viele Siege für den VfB<br />

err<strong>in</strong>gen. Durch ihre sportliche Tätigkeit angeregt, g<strong>in</strong>g sie 1934 zum Studium der<br />

Leibesübungen nach Marburg, wo sie bei Studentenmeisterschaften mehrere Medaillen<br />

errang. Ihre größten Erfolge hatte sie aber zwischen 1938 – 1940, wo sie für die Universität<br />

<strong>Jena</strong> startete. Sie errang drei Mal den Titel e<strong>in</strong>er Deutschen Hochschulmeister<strong>in</strong> bei den<br />

Student<strong>in</strong>nen 1938 und 1940 im Hochsprung (1,55 m) und Weitsprung (5,45 m). Bei den<br />

Studentenweltmeisterschaften 1939 <strong>in</strong> Wien wurde sie sogar <strong>in</strong> diesen beiden Diszipl<strong>in</strong>en<br />

Studentenweltmeister<strong>in</strong>.<br />

Bis zum Kriegsende arbeitete sie <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> am Hochschul<strong>in</strong>stitut für Leibesübungen als<br />

Assistent<strong>in</strong>. Nach dem Krieg g<strong>in</strong>g sie nach Hannover, wo sie unter anderem im<br />

Hochschulsport der dortigen Universität tätig war. Ihre sportliche Liebe galt ab den sechziger<br />

Jahren vor allem dem Orientierungslauf und dem Skilanglauf. Noch im hohem Alter von 85<br />

Jahren nahm sie als Wettkämpfer<strong>in</strong> an Orientierungslaufen teil. Im Herbst 2005 verstarb sie<br />

nach e<strong>in</strong>em tragischen Unfall <strong>in</strong> Hannover <strong>in</strong> ihrer Wohnung.<br />

1939 <strong>Jena</strong>er Studenten 1939 zu Gast bei Länderspiel Deutschland gegen Italien.<br />

Seitdem <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Fußball gespielt wird, jagen Studenten der Universität h<strong>in</strong>ter dem runden<br />

Leder her. Waren sie anfangs vor allem <strong>in</strong> den <strong>Jena</strong>er Vere<strong>in</strong>en, wie dem 1. SV und dem VfB<br />

tätig änderte sich dies nach 1925, als an der <strong>Jena</strong>er Uni der Pflichtsport e<strong>in</strong>geführt wurde.<br />

51


Fußball wurde Bestandteil des <strong>Sport</strong>angebots und der Universitätssportfeste. In der<br />

Fußballgeschichte der Universität gibt es auch besonders herausragende Ereignisse. E<strong>in</strong>es<br />

davon vollzog sich 1939 als die Uniauswahl im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em Länderspiel<br />

zwischen Deutschland und Italien geschlossen im Berl<strong>in</strong>er Olympiastadion war und auch am<br />

Presseterm<strong>in</strong> teilnehmen konnte. Organisiert hatte dies der <strong>Sport</strong>amtsleiter und <strong>Sport</strong>student<br />

Erw<strong>in</strong> Obermeier, der extra e<strong>in</strong> Freundschaftsspiel gegen die Uni Berl<strong>in</strong> organisierte, damit<br />

man nach Berl<strong>in</strong> fahren konnte. Die <strong>Jena</strong>er Studenten gewannen 3:1 und die Deutsche<br />

Nationalmannschaft 5:2. Die Brisanz beider Spiele ergibt sich aus heutiger Sicht vor allem<br />

aus dem Term<strong>in</strong>, den 26.11.1939, wenige Wochen nachdem Deutschland Polen überfallen<br />

hatte.<br />

Deutsche und italienische Fußballmannschaft beim Presseterm<strong>in</strong>, zu dem auch die <strong>Jena</strong>er<br />

Unifußballer anwesend waren.<br />

Die <strong>Jena</strong>er Studentenauswahl im November 1939 auf dem <strong>Sport</strong>platz vor dem Berl<strong>in</strong>er<br />

Funkturm.<br />

1940 - 65 Jahre Flugplatz Schöngle<strong>in</strong>a<br />

Vor 65 Jahren im Oktober 1940 trafen sich M<strong>in</strong>isterialrat Friedrich Stier vom<br />

Erziehungsm<strong>in</strong>isterium der Thür<strong>in</strong>gischen Landesregierung, der Rektor der Friedrich-<br />

Schiller-Universität Prof. Dr. Karl Astel, der Oberregierungsrat Helbig vom<br />

Reichsluftfahrtm<strong>in</strong>isterium und der Studienassessor Hennig von der Abt. Luftfahrt des<br />

Hochschul<strong>in</strong>stituts für Leibesübungen auf dem Gelände des späteren Flugplatz Schöngle<strong>in</strong>a,<br />

um über dessen Aufbau zu beraten. Im Ergebnis wurde für den Grund und Boden e<strong>in</strong>e<br />

Kaufsumme <strong>in</strong> Höhe von 75 000, - RM bestätigt. Sie wurden vom Land Thür<strong>in</strong>gen, der<br />

Universität und der Carl-Zeiss Stiftung aufgebracht. Auch der Bau von zwei Flugzeughallen<br />

wurde damals bereits beschlossen. Bereits e<strong>in</strong>en Monat später erhielt der zuständige Landrat<br />

den Auftrag mit den Bauarbeiten zu beg<strong>in</strong>nen. Pf<strong>in</strong>gsten 1941 begann der regelmäßige<br />

Ausbildungsbetrieb der Universitäten <strong>Jena</strong>, Halle und Leipzig im Segelflug <strong>in</strong> Schöngle<strong>in</strong>a. In<br />

der Folge entwickelte sich dieser Standort zum Hauptsegelflugplatz der Region. Neben der<br />

52


Universität <strong>Jena</strong> wurde er auch von Halle und Leipzig und der „Nationalpolitischen Schule<br />

Naumburg genutzt. Die bisher genutzten Gelände um <strong>Jena</strong> auf den Kernbergen, am Cospoth,<br />

an der Leuchtenburg bei Kahla und im Re<strong>in</strong>städter Grund wurden aufgegeben, oder wie bei<br />

Rödigen nur noch militärisch genutzt. Mit der konzentrierten Segelflugausbildung von<br />

Oberschülern und Studenten sollte vor allem militärischer Nachwuchs für die Luftwaffe des<br />

III. Reiches ausgebildet werden. Deshalb wurden auch <strong>in</strong> relativ großem Umfange Gelder,<br />

Baumaterial, Personal und Fluggerät zur Verfügung gestellt. Das <strong>Jena</strong>er Hochschul<strong>in</strong>stitut für<br />

Leibesübungen, welches die Hoheit über den Flugplatz Schöngle<strong>in</strong>a hatte, verfügte zeitweilig<br />

über 12 Ausbildungssegler, zwei Hochleistungssegler und zwei Motorflugzeuge. Für<br />

Bauarbeiten wurden bis zu 10 Kriegsgefangene, die anfangs aus Frankreich und ab 1944 aus<br />

Italien kamen, abgestellt.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Aufwertung bekam der Flugplatz durch die Militärforschung des<br />

Universitätsprofessors He<strong>in</strong>z Siedentopf, der unter anderem für die bei Zeiss gebauten<br />

militärischen Zielgeräte umfangreiche Untersuchungen anstellte. Für ihn wurde extra Karl<br />

Geisbe als Pilot aus dem Kriegse<strong>in</strong>satz geholt und die zweimotorige GO 80, hergestellt <strong>in</strong><br />

Gotha, zur Verfügung gestellt. Von ihm stammen auch die e<strong>in</strong>zigen Farbfotos von<br />

Schöngle<strong>in</strong>a, die im Sommer 1944 aufgenommen wurden.<br />

1940 Segelflug auf den Bergen r<strong>in</strong>gs um <strong>Jena</strong><br />

Nach dem I. Weltkrieg begann <strong>in</strong> ganz Deutschland e<strong>in</strong>e schnelle Entwicklung des<br />

Segelflugsports. In entsprechenden Vere<strong>in</strong>en bauten sich die Segelflieger oft ihre ersten<br />

Gleiter selber. So ist überliefert, dass Studenten der Akademischen Fliegergruppe der<br />

Universität Anfang der dreißiger Jahre ihr erstes Segelflugzeug im heute noch stehenden<br />

Ruderbootshaus an der Saale bauten. Ob und wo es geflogen wurde, ist nicht überliefert. Mit<br />

der Machtübernahme 1933 <strong>in</strong> Deutschland durch die NSdAP, bekam der Flugsport e<strong>in</strong>en<br />

völlig neuen, vor allem vormilitärischen Charakter. Neben dem Nationalsozialistichen<br />

Fliegerchor, welcher <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> am Cospoth se<strong>in</strong>en Flugplatz hatte, dort wo noch heute die alte<br />

Fliegerhalle steht, war es vor allem das 1934 gegründete Institut für Leibesübungen, welches<br />

sich um den Segelflug kümmerte. E<strong>in</strong>e eigene Abteilung Luftfahrt mit Personal und mehreren<br />

Segel- und Motorflugzeugen bildeten e<strong>in</strong>e gute Basis, nur e<strong>in</strong> eigenes Flugfeld fehlte.<br />

Anfangs fand die Ausbildung auf den Kernbergen und bei Hohenfelden statt. Vorwiegend<br />

musste man aber weite Anreisen unternehmen, um z. B. <strong>in</strong> Schwarza, Ballenstadt oder sogar<br />

Neustrelitz moderne Ausbildungsstätten nutzen zu können. Ende der 1930er gab es mehrere<br />

Fluglehrgänge bei Rockau und bei Rödigen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s Umgebung. Vor allem der Flugassistent<br />

Walter Höhne suchte im Auftrag des Instituts für Leibesübungen nach e<strong>in</strong>em geeigneten<br />

Gelände, welches bei Lobeda unterhalb der Lobdeburg gefunden wurde. Die Fläche gehörte<br />

Zeiss und da es zwischen der Universität und Zeiss über die Stiftung recht enge Verb<strong>in</strong>dungen<br />

gab, waren die Voraussetzungen zur Übernahme recht günstig. Zeiss wollte aber die Fläche<br />

nicht ersatzlos freigeben, sondern im Austausch dafür das Gut des Herzogs von Altenburg bei<br />

Schöngle<strong>in</strong>a erwerben. In e<strong>in</strong>em umfangreichen Gutachten schrieb der damalige<br />

Institutsdirektor, Dr. Karl Feige, im März 1939 an den Thür<strong>in</strong>gischen Volksbildungsm<strong>in</strong>ister,<br />

dass es bisher noch nicht gelungen sei, e<strong>in</strong> geeignetes Gelände für die Abteilung Luftfahrt zu<br />

f<strong>in</strong>den. Dem Gutachten konnte man entnehmen, dass <strong>Jena</strong> aus Reichsmitteln umfangreiche<br />

Unterstützung erhalten und e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsobjekt für die Hochschulen <strong>Jena</strong>, Halle,<br />

Leipzig, Berl<strong>in</strong> und die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten Naumburg und Schulpforta<br />

schaffen sollte. <strong>Jena</strong> besaß <strong>in</strong>zwischen 10 Motor- und Segelflugzeuge. Neben der<br />

flugpraktischen Ausbildung war es Aufgabe der Abteilung Luftfahrt der Universität,<br />

Untersuchung von flugwissenschaftlichen Themen anderer Institute zu unterstützen.<br />

53


Langwieriges Kompetenzgerangel zwischen dem Reichs<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister, als<br />

„<strong>Sport</strong>m<strong>in</strong>isterium“, dem Reichsm<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Volksbildung als<br />

vorgesetzte Behörde für die Universität, dem Reichsluftfahrtm<strong>in</strong>isterium als verantwortliche<br />

Institution für den vormilitärischen Flugsport und dem Reichsnährstand, der für<br />

landwirtschaftliche Flächen zuständig war, beh<strong>in</strong>derte die Fortentwicklung, so dass sogar der<br />

Gauleiter Fritz Sauckel e<strong>in</strong>geschaltet werden musste. Gegen Ende des Jahres 1940 löste sich<br />

dann das Problem des Flugplatzes mit dem Kauf des Geländes <strong>in</strong> Schöngle<strong>in</strong>a. Am Kauf<br />

beteiligte sich die Carl Zeiss-Stiftung mit 30 000,- RM für die 67 ha Land. Bis 1945 wurde<br />

dieser Segelflugplatz kont<strong>in</strong>uierlich ausgebaut. Gebäude und Fluggerät wurden im April 1945<br />

bei Kampfhandlungen der amerikanischen Truppen <strong>in</strong> Brand geschossen.<br />

Im Jahr 1940 entstand diese Aufnahme, die Studenten des Instituts für Leibesübungen der<br />

Universität bei e<strong>in</strong>em Segelfluglehrgang <strong>in</strong> der Nähe von Rockau zeigt.<br />

1940 <strong>Sport</strong> ohne Leistung – Nonsens!<br />

Willy Weyer ist e<strong>in</strong>er der bekanntesten „<strong>Sport</strong>funktionäre“ <strong>in</strong> der BRD vor 1990. Er hatte<br />

neben vielen anderen Ämtern von 1957 – 1987 die Präsidentschaft des Landessportbundes<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfahlen und war von 1974 bis 1986 Präsident des Deutschen <strong>Sport</strong>bundes.<br />

Geboren wurde er 1917 <strong>in</strong> Hagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er liberal ges<strong>in</strong>nten Familie. Nach Ablegung des<br />

Abiturs nahm er e<strong>in</strong> Jurastudium auf. Da mit Beg<strong>in</strong>n des II. Weltkrieges am 1. September<br />

1939 alle Hochschulen <strong>in</strong> Deutschland erst e<strong>in</strong>mal geschlossen worden waren und lediglich<br />

fünf Universitäten, darunter <strong>Jena</strong> als Kriegsuniversitäten den Studienbetrieb fortsetzen<br />

durften, kam er zum W<strong>in</strong>tersemester 1939 nach <strong>Jena</strong>. Er wohnte im sogenannten<br />

„Märkerhaus“ benannt nach der studentischen Verb<strong>in</strong>dung der Märker <strong>in</strong> der Seidelstr. 3.<br />

Dieses Haus gehört heute dem Studentenwerk Thür<strong>in</strong>gen und ist als „Kita“ gerade aufwändig<br />

saniert worden. Damals wohnte hier die Kameradschaft Egerland, der sich Willi Weyer<br />

angeschlossen hatte. Am 20. Mai 1940 wurden zeitgleich an allen Hochschulen <strong>in</strong><br />

Deutschland die Reichswettkämpfe der Studenten ausgetragen. Alle Studierenden der ersten<br />

drei Semester mussten daran teilnehmen. In <strong>Jena</strong> fanden diese Wettkämpfe auf dem<br />

Rasenplatz der Universität <strong>in</strong> der Oberaue statt, da der 1. <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> schon wie 1939 das<br />

Ernst-Abbe-Stadion für diese Wettkämpfe nicht bereitgestellt hatte. 12 Riegen mit je 15<br />

Wettkämpfern absolvierten 100m, Weitsprung, Kugelstoßen, Keulenweitwurf und e<strong>in</strong>en 3000<br />

m Lauf. Siegermannschaft wurde die Kameradschaft Egerland, der auch stud. jur. Willi<br />

Weyer angehörte. Nach eigenen Angaben war er damals sehr sportlich und wurde sogar<br />

Studentenvizeweltmeister im 200m – Brustschwimmen. Bei den anschließenden<br />

Hochschulkriegsmeisterschaften <strong>in</strong> Braunschweig soll er auch <strong>in</strong> der Basketballmannschaft<br />

der <strong>Jena</strong>er Universität mitgespielt haben.<br />

54


Nach dem Krieg machte der Jurist als FDP-Mitglied rasch politische Karriere. Von 1954 –<br />

1975 saß er auf verschiedenen M<strong>in</strong>isterposten <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfahlen, zuletzt als<br />

Innenm<strong>in</strong>ister und stellvertretender M<strong>in</strong>isterpräsident. Se<strong>in</strong>e Funktionen im <strong>Sport</strong> waren für<br />

ihn Herzenssache. Obwohl er zeitlebens <strong>Sport</strong> ohne Leistung als „Nonsens“ ansah, warnte er<br />

doch wiederholt davor <strong>Sport</strong> Versuchskan<strong>in</strong>chen nationaler „Frankenste<strong>in</strong>“ werden zu lassen,<br />

was gut zu den Dop<strong>in</strong>gdiskussionen heute passt. Im Alter von 70 Jahren verstorben, wurden<br />

ihm zu Ehren die Landessportschule <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong> Westfahlen, die <strong>Sport</strong>akademie des DSB <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, das Schwimmbad <strong>in</strong> Hagen und mehrere Straßen <strong>in</strong> verschiedenen Orten nach ihm<br />

benannt.<br />

Er wohnte im Märkerhaus: Willi Weyer (l<strong>in</strong>ks) mit Kommilitonen.<br />

Der USV sucht die Reste e<strong>in</strong>es Kunstwerkes<br />

1927 hatte der Bildhauer Prof. Engelmann, der Ord<strong>in</strong>arius für Plastik und Bildhauerkunst an<br />

der Staatlichen Hochschule für bildende Kunst Weimar war, sozusagen als Geschenk zu<br />

se<strong>in</strong>em 60. Geburtstag von der Thür<strong>in</strong>gischen Landesregierung den Auftrag erhalten, e<strong>in</strong>en<br />

Entwurf für e<strong>in</strong>er Figur zur Ausschmückung des freien Platzes vor der Landesturnanstalt<br />

(Muskelkirche) zu gestalten. Er entwarf daraufh<strong>in</strong> die Plastik e<strong>in</strong>es überlebensgroßen<br />

Speerwerfers, die 1932 als Bronzefigur gegossen und auf e<strong>in</strong>em Travert<strong>in</strong>sockel vor dem<br />

heutigem Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft <strong>in</strong> der Seidelstraße aufgestellt wurde. Die<br />

künstlerische Ausführung wurde von Beg<strong>in</strong>n an vor allem von den <strong>Sport</strong>lehrkräften und<br />

<strong>Sport</strong>studenten auf Grund der Wurftechnik, die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise der e<strong>in</strong>es Speerwerfers<br />

entsprach, kritisiert. Richard Engelmann, am 5. Dezember 1868 <strong>in</strong> Bayreuth geboren, hatte <strong>in</strong><br />

München studiert und nach Studienaufenthalten <strong>in</strong> Florenz und Paris <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenes<br />

Atelier unterhalten. Er wurde 1913 als Leiter der Bildhauerabteilung an die Hochschule für<br />

bildende Künste nach Weimar berufen. Mit se<strong>in</strong>er künstlerischen Auffassung kann man ihn<br />

dem Neoklassizismus zurechnen, der Anfang des Jahrhunderts für Umbruch und Modernität<br />

stand und den Übergang vom Historismus zum Bauhaus ermöglichte. Zu se<strong>in</strong>en<br />

bedeutendsten Werken, die noch <strong>in</strong> Weimar erhalten s<strong>in</strong>d, gehören „die Ruhende Frau“ und<br />

das „Sitzbild zweier Frauen“ am Van de Velde-Bau der Bauhaus-Universität, die bronzene<br />

Mädchenfigur an der Pestalozzischule und vor allem das Wildenbruch-Denkmal im<br />

Poseckschen Garten.<br />

Dass sich die Plastik des Speerwerfers bis 1940 auf dem Vorplatz der Muskelkirche hielt, ist<br />

eigentlich e<strong>in</strong> Wunder, da Engelmann bereits seit 1930 quasi unter Berufsverbot stand, als die<br />

NSDAP zeitweilig an der Landesregierung beteiligt war. Der neu e<strong>in</strong>gesetzte Direktor der<br />

Weimarer Kunsthochschule Schulze-Naumburg, der später die Aktion „Entartete Kunst“ der<br />

Nazis zur „Säuberung“ von Museen und Sammlungen leitete, war se<strong>in</strong> persönlicher Gegner.<br />

55


Dazu kam, dass er als „Halbjude“ beruflich degradiert wurde. Nach weiteren beruflichen<br />

Beh<strong>in</strong>derungen durch die Nationalsozialisten übersiedelte Engelmann 1937 nach Kirchzarten,<br />

wo er bis zu se<strong>in</strong>em Tode 1966 künstlerisch tätig war.<br />

Erst am 1. April 1940 beantragte der amtierende Institutsdirektor Ernst Herberger beim<br />

M<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Weimar, die Plastik des Speerwerfers vor dem Institutsgebäude, der<br />

Metallsammlung zur Geburtstagsspende des Führers bereitstellen zu dürfen. Am 18. April<br />

1940 erhielt die Ortsgruppe <strong>Jena</strong>-Nord der NSDAP vom M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung den<br />

Auftrag, „ohne öffentliches Aufsehen“ die Figur des Speerwerfers als besondere Gabe für die<br />

Metallsammlung zum Geburtstag des Führers abzubauen. Wörtlich schrieb M<strong>in</strong>isterialrat<br />

Stier: „Es ist mir nicht erwünscht, dass e<strong>in</strong>e öffentliche Bekanntgabe dieser Spende <strong>in</strong> den<br />

Zeitungen erfolgt.“ Die Ortsgruppe realisierte den Auftrag postwendend, <strong>in</strong>dem sie die Plastik<br />

vom Sockel stürzte und per LKW abtransportierte. Seitdem gibt es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise über den<br />

weiteren Verbleib. Ebenso wurde die Plastik der Fußballspieler von Arno Zauche, die im<br />

Foyer des Instituts stand, bei der gleichen Aktion e<strong>in</strong>geschmolzen.<br />

Ähnlich ohne öffentliches Aufsehen verschwand auch Mitte der neunziger Jahre der<br />

Travert<strong>in</strong>sockel des Speerwerfers, der bis dah<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Blumenschale getragen hatte. Der USV<br />

sucht jetzt e<strong>in</strong>en Nachweis über den Verbleib dieses wertvollen Quaders, der <strong>in</strong> die<br />

baukünstlerische Gestaltung der neuen Dreifelderhalle e<strong>in</strong>bezogen werden soll.<br />

Unmittelbar nach dem Sturz des Speerwerfers demonstriert e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>student die richtige<br />

Haltung beim Wurf.<br />

56


Kurz vor der Demontage des Speerwerfers klettern <strong>Sport</strong>studenten auf die Plastik.<br />

1943 Condor II <strong>in</strong> Damenhand<br />

Als Teil der Vorbereitung des II. Weltkrieges begann das faschistische Deutschland ab Mitte<br />

der dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts verstärkt die Ausbildung von Piloten für die<br />

Luftwaffe. E<strong>in</strong>e besondere Rolle sollten dabei die „<strong>Sport</strong>lehrer“ spielen, die ihre Schüler für<br />

den Segelflugsport als erste Stufe der Ausbildung motivieren sollten. Alle <strong>Sport</strong>studenten<br />

erhielten daher auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>e Grundausbildung im Segelflug. Anfangs fand diese<br />

Ausbildung an verschiedenen Standorten, u. a. auch auf den <strong>Jena</strong>er Kernbergen statt.<br />

Spätestens ab 1940 besaß die Universität <strong>in</strong> Schöngle<strong>in</strong>a e<strong>in</strong> eigenes Flugfeld. Zu den <strong>Jena</strong>er<br />

Besonderheiten, im Gegensatz zu vielen anderen Universitäten <strong>in</strong> Deutschland gehörte, dass<br />

schon vor Kriegsbeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auch Student<strong>in</strong>nen an der Flugausbildung teilnehmen<br />

konnten. Mit Rosemarie Schuler, die erst e<strong>in</strong>e Ausbildung als Ärzt<strong>in</strong> absolvierte und dann für<br />

ihren Facharzt <strong>in</strong> der <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong> auch die vollständige „<strong>Sport</strong>lehrerausbildung“ absolvieren<br />

musste, gab es Anfang der vierziger Jahre sogar e<strong>in</strong>e Segelflieger<strong>in</strong>, die als e<strong>in</strong>zige Frau den<br />

Hochleistungssegler „Condor II“ regelmäßig flog. Die „<strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>“ Hedwig Gre<strong>in</strong>er, die<br />

bei den Universitätsmeisterschaften 1940 gleich vier Meistertitel errang (100m, Hoch- und<br />

Weitsprung und Diskus), wurde 1944 sogar zur Segelfluglehrer<strong>in</strong> ausgebildet.<br />

57


Rosemarie Schuler 1944 im Hochleistungssegler der Friedrich-Schiller-Universität Condor II.<br />

Sie war die e<strong>in</strong>zige Frau, die dieses Flugzeug regelmäßig fliegen durfte.<br />

1945 <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut hatte eigene Motorflugzeuge<br />

Karl Geisbe ist der e<strong>in</strong>zige noch lebende Mitarbeiter des heutigen Instituts für<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft aus der Vorkriegszeit. 1911 <strong>in</strong> Soest geboren war der gelernte<br />

Autoschlosser ab 1936 als Fluglehrer beim Hochschul<strong>in</strong>stitut für Leibesübungen an der<br />

Universität <strong>in</strong> Münster tätig. Im Rahmen der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung im III. Reich<br />

mussten alle <strong>Sport</strong>studenten e<strong>in</strong>e Segelflugausbildung absolvieren. Damit sollten sie <strong>in</strong> die<br />

Lage versetzt werden, später als Lehrer ihre Schüler für den Flugsport und <strong>in</strong>direkt für e<strong>in</strong>e<br />

Pilotenlaufbahn <strong>in</strong> der Luftwaffe zu begeistern. Im September 1939 nach Kriegsbeg<strong>in</strong>n wurde<br />

Geisbe geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>em Chef Franz Henn<strong>in</strong>g an die <strong>Jena</strong>er Universität überstellt, die zu<br />

den fünf Kriegsuniversitäten gehörte, die den Lehrbetrieb aufrechterhalten durften. Mit<br />

Henn<strong>in</strong>g war er am Aufbau des Universitätsflugplates <strong>in</strong> Schöngle<strong>in</strong>a beteiligt, musste aber<br />

als guter Segelfluglehrer bald zu e<strong>in</strong>er Spezialausbildungse<strong>in</strong>heit der Luftwaffe. Hier gehörte<br />

er zu den Fluglehrern, die Piloten für den E<strong>in</strong>satz der Me 321, dem größten damals<br />

serienmäßig gefertigten Lastenflieger der Welt ausbilden. Die Me 321 hatte e<strong>in</strong>e Flügelspanne<br />

von fast 100 m, konnte durch e<strong>in</strong>e Bugladeklappe e<strong>in</strong>en ganzen LKW mit Mannschaft und<br />

Ausrüstung aufnehmen und war für die Invasion auf England entwickelt worden. Hier kam sie<br />

bekanntlicher Weise nicht zum E<strong>in</strong>satz, da die Invasion nicht stattfand. Später wurde das<br />

Flugzeug im sogenannten Russlandfeldzug e<strong>in</strong>gesetzt, um e<strong>in</strong>gekesselte Truppe zu versorgen.<br />

Mit sechs Motoren aufgerüstet gab es dann noch E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> Afrika. Im November 1943<br />

wurde Karl Geisbe vom Wehrmachtsdienst freigestellt um für Prof. Dr. He<strong>in</strong>rich Siedentopf<br />

von der <strong>Jena</strong>er Universität als Pilot <strong>in</strong> Schöngle<strong>in</strong>a tätig zu werden. Ende 1944 Anfang 1945<br />

erhielt er von Siedentopf, der fest an den Endsieg glaubte und vor allem für Zeiss zu Fragen<br />

der Nutzung von Objektiven für die Luftaufklärung forschte, den Auftrag e<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>dkanal zu<br />

bauen, was aber auf Grund des Vormarsches der Amerikaner nicht mehr zur Ausführung kam.<br />

Der Flugplatz und alle Flugzeuge gehörten zum Hochschul<strong>in</strong>stitut für Leibesübungen, dem<br />

heutigen Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft. Alle 12 Segelflugzeuge, darunter e<strong>in</strong><br />

Hochleistungssegler vom Typ Condor III verbrannten ebenso wie e<strong>in</strong>ige Motorflugzeuge,<br />

darunter die aus Gotha stammende zweimotorige GO 80 von Siedentopf, als die Amerikaner<br />

sich Schöngle<strong>in</strong>a näherten bei e<strong>in</strong>em Schusswechsel. Die Amerikaner zogen weiter <strong>in</strong><br />

Richtung Hermsdorf. Wenige Tage später floh Geisbe mit se<strong>in</strong>er Frau auf Fahrrädern zurück<br />

nach Soest <strong>in</strong> Westphalen, wo er noch heute lebt. Erst mit 90 Jahren war er noch e<strong>in</strong>mal nach<br />

Schöngle<strong>in</strong>a gekommen und zwar als Segelflieger.<br />

58


E<strong>in</strong>es der wenigen Farbfotos <strong>in</strong> der Sammlung des USV aus der Zeit vor 1945 stammt aus<br />

Schöngle<strong>in</strong>a. Es wurde mit Fotomaterial aufgenommen, welches Prof. Siedentopf für<br />

Kriegsforschung zur Verfügung hatte. Vor der GO 80 sieht man l<strong>in</strong>ks Karl Geisbe und im<br />

Flugzeug bef<strong>in</strong>det sich Prof. Siedentopf.<br />

1946 Vom Studenten zum Direktor<br />

Bereits e<strong>in</strong> halbes Jahr nach Wiedereröffnung der Universität erhielt im April 1946 Walter<br />

Wurzler vom Rektor den Auftrag, mit der Turnlehrerausbildung wieder zu beg<strong>in</strong>nen. Für<br />

Vorlesungen stand das Pestalozzi-Haus <strong>in</strong> der Knebel Straße 3 und für praktische Übungen<br />

die Turnhallen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>-Ost, <strong>in</strong> der Lutherstraße und <strong>in</strong> der Reichwe<strong>in</strong>-Schule zur Verfügung.<br />

Leichtathletische Übungen sollten auf dem Universitätssportplatz <strong>in</strong> der Oberaue durchgeführt<br />

werden. Bereits kurze Zeit danach wurde der Auftrag storniert, da nach den Direktiven des<br />

Kontrollrates der Alliierten die Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern <strong>in</strong> Deutschland verboten war.<br />

Dazu kam, dass Walter Wurzler auf Grund e<strong>in</strong>er Empfehlung der Re<strong>in</strong>igungsbehörde von der<br />

Universität gekündigt wurde. Wie sich nach mehreren Verhandlungen und E<strong>in</strong>gaben<br />

herausstellte, resultierte die ihm vorgeworfene Mitgliedschaft <strong>in</strong> der SA lediglich daraus, dass<br />

der SA <strong>in</strong> den dreißiger Jahren Teile des Vere<strong>in</strong>ssports unterstellte wurde. Walter Wurzler,<br />

der damals als Übungsleiter im Turnen tätig war, wurde daraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e SA-Funktion<br />

übernommen. Er konnte sogar nachweisen, dass er später selber aus der SA ausgetreten war<br />

und daraufh<strong>in</strong> als mitteloser <strong>Sport</strong>student <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> ke<strong>in</strong>erlei f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung erhielt.<br />

Da sich auch Prof. Dr. Peter Petersen, der Begründer der <strong>Jena</strong>planschule, für se<strong>in</strong>en<br />

ehemaligen Studenten Walter Wurzler sehr e<strong>in</strong>setzte, wurde dieser wieder e<strong>in</strong>gestellt und<br />

erhielt e<strong>in</strong>e Stelle als Hilfslehrer an der Universitätsübungsschule.<br />

Ende der vierziger Jahre begann Walter Wurzler dann am Pädagogischen Institut der<br />

Universität mit der Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern für die Unterstufe, wurde Dozent am 1951<br />

gegründeten Institut für Körpererziehung, wo er sogar drei Jahre als Institutsdirektor amtierte.<br />

Man kann daher Walter Wurzler als ersten <strong>Sport</strong>lehrerbildner nach dem Krieg <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen<br />

ansehen.<br />

Auf Grund des glücklichen Umstandes, dass das USV Fotoarchiv e<strong>in</strong>en umfangreichen<br />

Fotonachlass von Walter Wurzler übernehmen konnte, existiert e<strong>in</strong> Foto von der<br />

Übungsschule mit dem Lehrer Walter Wurzler. Der USV sucht auf diesem Wege Kontakt zu<br />

Schülern, die eventuell auf diesem Foto s<strong>in</strong>d, bzw. bei Walter Wurzler um 1946/47 an der<br />

Universitätsübungsschule Unterricht hatten.<br />

59


Walter Wurzler (4.v.l.) hier h<strong>in</strong>ter Prof. Peter Petersen, bei dessen 65. Geburtstag 1949 im<br />

Hof der Universitätsübungsschule.<br />

[ ..Foto.. ]1946 Universitätsübungsschule.<br />

[ ..Foto.. ]1948 Dienstausweis Wurzler<br />

1946 Vertrag mit den Glaswerkern<br />

Gegen Ende des II. Weltkrieges ab 1945 wurde der <strong>Sport</strong>betrieb auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> völlig<br />

e<strong>in</strong>gestellt. Ab Mai war aller <strong>Sport</strong>betrieb durch die Alliierten auf Grund se<strong>in</strong>er besonderen<br />

Nähe zum NS-Regime sogar verboten. Dazu kam, dass viele <strong>Sport</strong>anlagen im Krieg zerstört<br />

oder zweckentfremdet genutzt wurden. Trotzdem gab es bereits unter der Besatzung der<br />

Amerikaner bis Anfang Juli 1945 Nachrichten über tennisspielende Soldaten bzw. die<br />

Nutzung von Ruderbooten durch ehemalige Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des Hochschul<strong>in</strong>stituts für<br />

Leibesübungen. Die am 3. Juli e<strong>in</strong>rückende Rote Armee nutzte e<strong>in</strong>en Teil der <strong>Sport</strong>stätten,<br />

wie die Muskelkirche zur Unterbr<strong>in</strong>gung von Soldaten. Auf den <strong>Sport</strong>plätzen wurde vielfach<br />

Militärtechnik abgestellt. Im Herbst 1945, mit der Wiedereröffnung der Universität, g<strong>in</strong>gen<br />

Studenten auf die Suche nach nutzbaren <strong>Sport</strong>plätzen. Ab Frühjahr 1946 begannen sie dann <strong>in</strong><br />

freiwilligen Arbeitse<strong>in</strong>sätzen mit der Beseitigung von Kriegsschäden im<br />

60


Universitätssportzentrum <strong>in</strong> der Oberaue. In den letzten Kriegswochen waren hier mehr als 50<br />

Bomben niedergegangen. Da die Universität zwar über Arbeitskräfte aber nicht über<br />

Baumaterial verfügte, nahmen die <strong>Sport</strong>aktivisten Verb<strong>in</strong>dung mit den <strong>Sport</strong>lern von Schott<br />

auf, um geme<strong>in</strong>sam die Fußballplätze und die Laufbahn wieder herzurichten. Im Mai 1947<br />

schlossen dann der Kurator der Universität, der <strong>Sport</strong>referent des Studentenrates und e<strong>in</strong><br />

Vertreter der <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaft Schott e<strong>in</strong>en ersten Vertrag zur geme<strong>in</strong>samen Nutzung und<br />

Bewirtschaftung der Universitätssportplätze für fünf Jahre ab. Bereits seit Juni 1946, nachdem<br />

das <strong>Sport</strong>verbot für den lokalen <strong>Sport</strong>betrieb aufgehoben worden war, gab es <strong>in</strong> der Oberaue<br />

die ersten offiziellen Fußballspiele. Überliefert ist das erste <strong>Jena</strong>er Lokalderby zwischen der<br />

SG Ernst Abbe <strong>Jena</strong> und der SG Forst <strong>Jena</strong>. Auch Schülermannschaften nahmen ihren<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbetrieb auf. An mehreren <strong>Jena</strong>er Schulen hatten sich Schüler zu<br />

Fußballmannschaften zusammengeschlossen. E<strong>in</strong>e dieser Mannschaften trat geschlossen der<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaft Schott bei. Durch e<strong>in</strong>en glücklichen Umstand hat die Witwe des<br />

damaligen Mannschaftsführers Alfred Blumenste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Tagebuch der Mannschaft<br />

aufgehoben. Dieses wurde von ihm sehr ausführlich von allen Spielen und vom<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbetrieb zwischen Juni 1946 und August 1947 geführt und von der Betreuer<strong>in</strong> Ruth<br />

Scheuch illustriert. Diese Mannschaft brachte es dann 1947 zum Thür<strong>in</strong>ger Landesmeister.<br />

Das erste Spiel mit Schott-Trikot: Gegen Niederrossla wurde mit 4:0 gewonnen.<br />

Mannschaftsmitglieder waren: Werner Schneider, Günter Weise, Gerhard Ziese, Lothar<br />

Schramm, Helmut Döpel, Udo Bödrich, Gerhard Otto, Herbert Baumann und Walter<br />

Gerstenberger. In der Bildmitte ist der Mannschaftsführer Alfred Blumenste<strong>in</strong>.<br />

61


1947 Der Mediz<strong>in</strong>student Sigurd Griefahn war e<strong>in</strong> vielseitiger <strong>Sport</strong>ler<br />

Als sich nach der Wiedereröffnung der Universität 1946/47 die erste Studenten-<br />

Leichtathletikgruppe bildete, gehörte Sigurd Griefahn zu den Erfolgreichsten. Als Sohn des<br />

Lobedaer Arztehepaares Griefahn, nach se<strong>in</strong>er Mutter wurde e<strong>in</strong>e Straße <strong>in</strong> Lobeda und e<strong>in</strong>e<br />

Abteilung der Frauenkl<strong>in</strong>ik benannt, trat er schon als Schuljunge dem Turnvere<strong>in</strong> Lobeda bei.<br />

Er spielte aktiv <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fußballmannschaft, war Leichtathlet, spielte Tischtennis und Tennis.<br />

Mehrmals wöchentlich ritt er die Pferde se<strong>in</strong>es Vaters aus, die dieser als Landarzt benötigte,<br />

um mit e<strong>in</strong>er leichten Kutsche se<strong>in</strong>e Patienten auf den umliegenden Dörfern besuchen zu<br />

können. Besonders günstige Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen hatte er <strong>in</strong> der Leichtathletik, wo er beim<br />

Deutschen Meister und Olympiateilnehmer 1928 im Hochsprung, Fritz Huhn, auf den<br />

Universitätssportplätzen tra<strong>in</strong>ierte.<br />

Bei den ersten Universitätsmeisterschaften nach dem Kriege, im Sommer 1947, wurde<br />

Griefahn mit zwei Siegen geme<strong>in</strong>sam mit Erich Leitel erfolgreichster Teilnehmer. Im<br />

Weitsprung gewann Sigurd Griefahn mit 6,23m. Er gewann auch den Hochsprung. Im<br />

Stabhochsprung musste er wegen e<strong>in</strong>er Verletzung ausscheiden. Die Auszeichnung der Sieger<br />

wurde im Senatssaal der Universität vom Rektor Prof. Dr. Friedrich Zucker vorgenommen.<br />

Als Urkunden diente jeweils die erste Seite e<strong>in</strong>es Buches, welches der Rektor Prof. Dr.<br />

Friedrich Zucker unterschrieb und als Geschenk überreichte.<br />

In dieser Zeit spielte Griefahn auch erfolgreich <strong>in</strong> der Universitätsauswahl Handball. 1950<br />

vertrat er die Universität <strong>Jena</strong> bei Studentenwettkämpfen als Leichtathlet beim<br />

Deutschlandtreffen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Heute lebt er mit se<strong>in</strong>er Frau, den K<strong>in</strong>dern und Enkelk<strong>in</strong>dern im<br />

Berchtesgadener Land.<br />

Sigurd Griefan bei den ersten Universitätsmeisterschaften <strong>in</strong> der Leichtathletik nach dem<br />

Krieg im Stadion. Hier geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>er späteren Frau.<br />

1947 Handball auf dem Großfeld <strong>in</strong> der Oberaue<br />

Neben Fechten, Turnen, Leichtathletik, Rudern und Fußball ist Handball e<strong>in</strong>e der<br />

Traditionssportarten an der Universität. Gleich 1946, e<strong>in</strong> Jahr nach der Wiedereröffnung der<br />

Universität, begannen die Handballspieler auf den Universitätssportplätzen <strong>in</strong> der Oberaue mit<br />

62


dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Handball wurde damals auf dem Großfeld gespielt und <strong>in</strong> der Oberaue waren<br />

die Handballer der Universität, von Schott und später Chemie zu Hause. Am 22. Juni 1947 ist<br />

das erste offizielle Handballspiel der Studenten nachgewiesen. Gespielt wurde gegen den SC<br />

Otto Schott, der mit 7:4 besiegt wurde. Da sich e<strong>in</strong>ige Studenten auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> an Punktspielen<br />

beteiligen wollten, traten sie der Handballsparte von Carl Zeiss bei und stellten ab Sommer<br />

1947 die komplette zweite Mannschaft. Gleichzeitig vertraten sie die Universität bei<br />

studentischen Turnieren. So gab es 26. November 1947 e<strong>in</strong> Spiel als Mannschaft Abbe II/Uni<br />

gegen die Uni Halle, welches mit 8:3 Toren gewonnen wurde. Später organisierten die <strong>Jena</strong>er<br />

auch Studentenwettkämpfe gegen die Universität Leipzig, die Hochschule Weimar, die<br />

Universität Halle, und die Universität Rostock. Anfang der fünfziger Jahre wurden<br />

regelmäßig Vergleichsspiele gegen die Universitäten Gött<strong>in</strong>gen und Hannover durchgeführt<br />

und häufig wurde bei solchen Turnieren von den gleichen Studenten sowohl <strong>in</strong> der Fußball-<br />

als auch Handballmannschaft gespielt.<br />

Als Lehrbeauftragter wurde 1951 von der Direktor<strong>in</strong> des Instituts für Körpererziehung Georg<br />

Buschner für Fußball, Handball und Basketball e<strong>in</strong>gesetzt. Horst Korber, e<strong>in</strong> später bekannter<br />

Politiker im Senat von Berl<strong>in</strong> (West) spielte 1951 <strong>in</strong> der Uni-Handballmannschaft. Die ersten<br />

gesamtdeutschen Verhandlungen <strong>in</strong> den sechziger/siebziger Jahren (Passiersche<strong>in</strong>abkommen)<br />

wurden von ihm geführt. Auf der Gegenseite vertrat Dr. Michael Kohl die DDR. Dieser<br />

gehörte Anfang der fünfziger Jahre zu den Leichtathletik-Kampfrichtern der HSG Uni <strong>Jena</strong>.<br />

In den Vorrundenspielen zur 1. DDR-Studentenmeisterschaft 1950 wurde <strong>Jena</strong> Gruppensieger<br />

im Handball. Die Mannschaft besiegte die Studenten aus Gotha, Ilmenau und Weimar. In <strong>Jena</strong><br />

fand zwar die Endrunde statt, die <strong>Jena</strong>er konnten den Heimvorteil aber nicht mehr nutzen, da<br />

sie <strong>in</strong> den Zwischenrunden ausgeschieden waren. Ende der fünfziger Jahre beteiligten sich die<br />

Handballer der Universität dann erfolgreich an den Spartakiaden der <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitute <strong>in</strong><br />

Rostock.<br />

In den sechziger Jahren wurde es ruhig um den Unihandball, bis Elisabeth Ste<strong>in</strong>bach im<br />

Studentensport sich darum kümmerte. Unter ihrer Leitung konnten erstmals die <strong>Jena</strong>er<br />

Handballfrauen im studentischen Bereich auf vorderen Plätzen landen. 1974 wurden sie sogar<br />

Bronzemedaillengew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen bei den DDR-Studentenmeisterschaften. Diesen Erfolg<br />

konnten sie 1989 noch e<strong>in</strong>mal unter dem Übungsleiter Hartmut Piper überbieten, <strong>in</strong>dem sie<br />

jeweils den 3. Platz im Pokal und bei den Meisterschaften erreichten.<br />

Um 1985: Elisabeth Ste<strong>in</strong>bach (Bildmitte) nach e<strong>in</strong>em Spiel <strong>in</strong> der Dreifelderhalle <strong>in</strong><br />

Neulobeda. Mit Ste<strong>in</strong>bach holten die <strong>Jena</strong>er 1974 Bronze bei der DDR-<br />

Studentenmeisterschaft.<br />

1948 Forst <strong>Jena</strong> gegen Ernst Abbe<br />

63


Nach dem Ende des 2. Weltkrieges begann sich der <strong>Sport</strong>betrieb nur sehr langsam zu<br />

normalisieren. Abgesehen davon, dass die Alliierten Siegermächte alle <strong>Sport</strong>organisation<br />

wegen ihrer Systemnähe zum Naziregim verboten hatten, waren auch e<strong>in</strong> Großteil der<br />

<strong>Sport</strong>stätten zerstört oder anderweitig genutzt. So standen auf den <strong>Sport</strong>plätzen <strong>in</strong> der Oberaue<br />

Militärtechnik, die <strong>Sport</strong>hallen des Instituts für Leibesübungen (Muskelkirche) waren durch<br />

Soldaten belegt und <strong>in</strong> der Turnhalle <strong>in</strong> der Jahnstraße waren Pferde untergebracht.<br />

Erst Ende 1945 gab es mit e<strong>in</strong>em Aufruf <strong>in</strong> der Zeitung durch den <strong>Sport</strong>wart Robert Mailand<br />

und andere <strong>Sport</strong>organisatoren, so auch von Richardt Pippardt vom Turnvere<strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, den<br />

Versuch ehemalige <strong>Sport</strong>ler zu sammeln. An der Universität wurde Anfang 1946 unter der<br />

Leitung des Rektors Prof. Dr. Friedrich Zucker <strong>in</strong> dem Entwurf „Richtl<strong>in</strong>ien und Aufgaben<br />

der Studentenvertretung <strong>Jena</strong>“ auch die Schaffung e<strong>in</strong>es <strong>Sport</strong>referats angeführt. Dessen<br />

Aufgabe bestand <strong>in</strong> der Schaffung von <strong>Sport</strong>gruppen. Studenten der Universität <strong>in</strong>spizieren<br />

daraufh<strong>in</strong> alle Universitätssportstätten und untersuchen, <strong>in</strong>wieweit diese nutzbar s<strong>in</strong>d. Im<br />

Ergebnis wurden die ersten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstunden im Fußball auf den Universitätssportplätzen <strong>in</strong><br />

der Oberaue durchgeführt. Fußball und später Handball waren überhaupt die ersten offiziell<br />

mit Duldung der Militärverwaltung organisierten <strong>Sport</strong>arten. Am 16. Juni 1946 fand auf den<br />

Universitätssportplätzen das erste <strong>Jena</strong>er Lokalderby im Fußball statt. Es spielten die<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaft (SG) Ernst Abbe <strong>Jena</strong> gegen SG Forst <strong>Jena</strong>.<br />

Bis zu den ersten Leichtathletik-Kreismeisterschaften mussten noch zwei Jahre vergehen. Am<br />

11. Juli 1948 fanden dann nach Zustimmung der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die<br />

zeitweilig für den <strong>Sport</strong> zuständig war, die ersten Kreismeisterschaften <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> statt. An die<br />

150 <strong>Sport</strong>ler aus <strong>Jena</strong> und Kahla g<strong>in</strong>gen an den Start. Die <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften Ernst Abbe<br />

<strong>Jena</strong> (EAJ), Schott und Wenigenjena stellten die meisten Kreismeister und Platzierten. Die<br />

Studenten g<strong>in</strong>gen fast alle für Ernst Abbe an den Start. Doppel-Kreismeister wurden z. B.:<br />

über 100m und 200m Eichhorn, über 400m und 800m Große aus Kahla bei den Männern. Bei<br />

den Frauen wurde Kirchner sogar dreifache Kreismeister<strong>in</strong> 100m, 200m und Kugelstoßen.<br />

Schneemann (alle Vornamen s<strong>in</strong>d leider nicht überliefert) von Schott gewann bei den Frauen<br />

Platz 2 im 80m Hürdenlauf, im Speerwurf und im Hochsprung. Im Weitsprung wurde sie<br />

Dritte. So namhafte <strong>Sport</strong>ler wie Siegfriede Prater-Dempe (Sieger<strong>in</strong> über 80m Hürden, Artur<br />

Fleischhauer (2. im Hammerwurf und 3. im Diskus) und Gerhard Junghähnel (Sieger im<br />

Weitsprung) waren am Start.<br />

E<strong>in</strong> Bild von den ersten Kreismeisterschaften 1948 auf den Universitätssportplätzen, heute<br />

Universitätssportzentrum, mit mehreren hundert Zuschauern.<br />

64


1948 Handball <strong>in</strong> Rostock<br />

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges hatten die Alliierten den <strong>Sport</strong>betrieb anfangs vollständig<br />

verboten. Bald gab es aber mit Zustimmung der jeweiligen Besatzungstruppen, <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> war es<br />

die Sowjetische Armee, Genehmigungen für Wettkämpfe auf Stadt und Kreisebene. Neben<br />

den Fußballern waren es vor allem die Handballspieler unter den Studenten der Universität,<br />

die sich schon 1947 an Punktspielen beteiligten. Da die Uni ke<strong>in</strong>en eigenen <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong> hatte,<br />

spielten die Studenten als „Ernst Abbe“ II. Mannschaft. Die Punktespiele fanden allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur um Umkreis von 30 – 40 Kilometern statt. Diese Handballmannschaft war die erste<br />

Studentenauswahl, die gegen e<strong>in</strong>e Universitätsauswahl außerhalb Mitteldeutschlands antreten<br />

konnte. Anfang Juli 1948 fuhren sie zu e<strong>in</strong>em Vergleichskampf gegen die Universität<br />

Rostock. Die Rostocker Universitätshandballer waren damals amtierender Ostzonenmeister<br />

und den <strong>Jena</strong>er gelang mit e<strong>in</strong>em 4:2 e<strong>in</strong> unerwarteter Sieg. Noch heute er<strong>in</strong>nern sich die<br />

Beteiligten an diesen Vergleichskampf weniger wegen des sportlichen Ergebnisses, sondern<br />

wegen der abenteuerlichen Bed<strong>in</strong>gungen unter denen die Fahrt stattfand. Es war e<strong>in</strong>e<br />

Sondergenehmigung zur Nutzung der Reichbahn notwendig. Für die Versorgung unterwegs<br />

hatte das Studentenwerk der Mannschaft Kartoffeln und Mehl für die Fahrt mitgegeben. In<br />

Rostock wurden die <strong>Jena</strong>er dann überaus gut betreut. Es gab unbegrenzt Kartoffelsalat, für die<br />

Heimreise packten sich e<strong>in</strong>ige Spieler die Aktentaschen voller Kartoffelsalat und bei der<br />

Abschlussfeier konnte Jeder soviel Schnaps tr<strong>in</strong>ken wie er wollte. Für den <strong>Sport</strong>referenten<br />

Wolfgang Möhr<strong>in</strong>g, der diese Fahrt organisierte, hatte die Reise mit der Reichsbahn noch e<strong>in</strong><br />

unangenehmes Nachspiel. E<strong>in</strong> entwendetes Reichsbahnschild, welches im Zimmer des<br />

Studentenrates h<strong>in</strong>g, führte noch Monate später zu politischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit ihm,<br />

der damals als Vertreter der Liberalen Studentengruppe im Studentenrat saß.<br />

Handballmannschaft Ernst Abbe II im Stadion. Bildmitte Plotzki.<br />

65


<strong>Jena</strong>er Studentenmannschaft <strong>in</strong> Rostock.<br />

1949 Vom HSG-<strong>Sport</strong>ler zum Rektor<br />

Zu den ersten sehr erfolgreichen Leichtathleten an der Universität gehörte nach dem Krieg der<br />

Chemiestudent Gerhard Junghähnel. Erstmals schrieb er se<strong>in</strong>en Namen 1947 <strong>in</strong> die Siegerliste<br />

der 1. Universitätsmeisterschaften <strong>in</strong> der Leichtathletik e<strong>in</strong>, als er im Kugelstoßen den dritten<br />

Platz belegt. 1948 wird er Universitätsmeister im Weitsprung. Bereits drei Monate später, im<br />

September 1948 startet er bei den Ostzonenmeisterschaften <strong>in</strong> Chemnitz für <strong>Jena</strong> <strong>in</strong> der<br />

4x100m Staffel. Diese wurde überraschend Dritte <strong>in</strong> 45,3 Sekunden (Leitel, Stephan,<br />

Junghähnel, Lehmann). Bei den Ostzonenmeisterschaften 1949, die im Ernst Abbe Stadion<br />

und auf den Universitätssportplatz <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stattfanden, kann er über 4x100 m Männerstaffel<br />

mit Albert Senf, Gerhard Rasch und Erich Leitel sogar e<strong>in</strong>e Silbermedaille mit 45,2 Sekunden<br />

erlaufen. 1950 wurde er dreifacher Medaillengew<strong>in</strong>ner bei den DDR-<br />

Studentenmeisterschaften im Weitsprung mit 6,70 m (Gold), über 200 m <strong>in</strong> 23,8 (Silber) und<br />

mit der Staffel (Senf, Junghähnel, Leitel, Rasch) 4X100 m 45,4 (Bronze).<br />

Nach Abschluss se<strong>in</strong>es Chemiestudiums hatte er kurzzeitig überlegt, ob er Tra<strong>in</strong>er der<br />

Leichtathleten bei der HSG werden sollte. Er nahm dann aber e<strong>in</strong>e Assistentenstelle <strong>in</strong> der<br />

Chemie an. Hier geriet er als Mitglied e<strong>in</strong>er kritischen Gruppe junger Wissenschaftler 1956<br />

<strong>in</strong>s Visier der Partei und der Staatssicherheit. Im Zusammenhang mit den politischen<br />

Änderungen nach der Machtübernahme durch Chrustschow <strong>in</strong> der UdSSR wurde von<br />

Reformern <strong>in</strong> der DDR, über die Rolle Ulbrichts und des Stal<strong>in</strong>ismus diskutiert und<br />

Änderungen gefordert.<br />

Auf der politischen „Gegenseite“ stand sozusagen Junghähnels Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspartner bei der HSG<br />

Georg Frister. Er hatte an der Universität Jura studiert und war 1956 e<strong>in</strong>er der Staatsanwälte,<br />

die beim Bezirksgericht <strong>in</strong> Gera Untersuchungen und Prozesse gegen „Regimekritiker“ führte.<br />

Während Junghähnels Liebl<strong>in</strong>gsdiszipl<strong>in</strong> der Weitsprung war, machte sich Frister als e<strong>in</strong>er der<br />

besten Dreispr<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>en Namen. Wenn er nicht als Student an den Start g<strong>in</strong>g, startete er<br />

anfangs für die BSG Mechanik Gera und später für verschiedene Erfurter<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften. Insgesamt vier Mal war er DDR-Meister im Dreisprung. Mit 14,95m<br />

schaffte er 1954 <strong>in</strong> Budapest se<strong>in</strong>e persönliche Bestleitung.<br />

Junghähnel, der nach 1956 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> ke<strong>in</strong>e Entwicklungsperspektive mehr sah, g<strong>in</strong>g erst nach<br />

Zwickau und später an die PH Potsdam. Nach se<strong>in</strong>er Habilitation erhielt er e<strong>in</strong>en Lehrstuhl<br />

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und war viele Jahre Rektor. 1990 wurde er Gründungspräsident des Landessportbundes<br />

Brandenburg. Im Jahr 2006 ist er <strong>in</strong> Potsdam verstorben.<br />

17. Juli 1949: Das Silbermedaillen-Staffelteam der HSG bei den Ostzonenmeisterschaften<br />

1949 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Junghähnel ganz rechts daneben Erich Leitel.<br />

1951 Boxen, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>e fasst vergessene <strong>Sport</strong>art<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Boxen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> noch e<strong>in</strong> weit<br />

verbreiteter <strong>Sport</strong>. Mehre Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaften hatten Boxabteilungen, so auch die<br />

HSG <strong>Jena</strong>, der Vorläufer des USV. Bis zur Gründung der HSG im April 1949 wurde der<br />

<strong>Sport</strong> der Studenten vom <strong>Sport</strong>referat des Studentenrates organisiert. In <strong>in</strong>sgesamt 10 Sparten<br />

gab es e<strong>in</strong>en Übungs- und Wettkampfbetrieb. Die Sparte Boxen erlebte im W<strong>in</strong>tersemester<br />

1948 e<strong>in</strong>en großen Aufschwung, nach dem sie im November <strong>in</strong> der Mensa e<strong>in</strong>e gut besuchte<br />

Boxveranstaltung organisiert hatte. Spartenleiter war damals der Student Hans-Werner<br />

Saueracker. Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen waren allerd<strong>in</strong>gs sehr bescheiden. Da die Universität<br />

noch ke<strong>in</strong>e eigene <strong>Sport</strong>halle zur Verfügung hatte, musste die Boxer Schulsporthallen und die<br />

Mensa nutzen. Außerdem gab es nur fünf Paar Box-Handschuhe. Saueracker blieb<br />

Spartenleiter <strong>in</strong> der im April 1949 gegründeten HSG, die ab Herbst des gleichen Jahres den<br />

Diplom-Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer Oskar Fischer als Tra<strong>in</strong>er für die Fußballer, Leichtathleten und<br />

Boxer e<strong>in</strong>stellte. Bei den 1. DDR-Studentenmeisterschaften, die im November 1950 <strong>in</strong><br />

Freiberg stattfanden, wurde Hans-Werner Saueracker DDR-Studentenmeister im<br />

Schwergewicht. Hermann Franz im Mittelgewicht und Volker Götz im Weltergewicht holten<br />

sich je e<strong>in</strong>e Silbermedaille. Der 1922 <strong>in</strong> Arnstadt geborene Saueracker studierte anfangs<br />

Chemie und war <strong>in</strong> der HSG Stellvertretender Vorsitzender. Nachdem Ende 1950 die<br />

Wiedereröffnung e<strong>in</strong>es <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts bevorstand, beantragte die spätere Institutsdirektor<strong>in</strong><br />

Elly Tetschke für die Bildung von Leistungsgruppen der <strong>Sport</strong>studenten zur<br />

Wettkampfteilnahme die E<strong>in</strong>stellung mehrerer Hilfsassistenten, darunter Georg Buschner für<br />

Fußball, Handball, Basketball, Horst Götze für Leichtathletik, Ernst Tetzner für Gerätturnen<br />

und Hans-Werner Saueracker für Boxen und Rudern. Saueracker studierte <strong>in</strong>zwischen<br />

Pädagogik <strong>in</strong> den Fächern Körpererziehung und Geographie. Er übernahm es, die 2. DDR-<br />

Studentenmeisterschaften im Boxen 1951 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zu organisieren. Als <strong>Sport</strong>stätte nutzte er<br />

das <strong>Jena</strong>er Volkshaus, <strong>in</strong> dem damals regelmäßig größere <strong>Sport</strong>veranstaltungen stattfanden.<br />

Insgesamt kamen 1400 Zuschauer. Zwei <strong>Jena</strong>er Studenten Hans Garber (Bantam) und Lothar<br />

Roth (Welter) werden DDR-Studentenvizemeister. Saueracker hatte <strong>in</strong>zwischen als<br />

Funktionär im Vorläufer des DDR-Boxverbandes Karriere gemacht. Er war Mitglied des<br />

Präsidiums und Vorsitzender der Jugendkommission geworden und arbeitete an der<br />

Zeitschrift Boxr<strong>in</strong>g mit. An der Universität erhielt er den Auftrag, die „obligatorische<br />

Körpererziehung“ aller Studenten als Abteilungsleiter am <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut aufzubauen. Se<strong>in</strong><br />

67


Examen im Fach Körpererziehung schaffte er 1952. Nachdem er mit anderen jungen<br />

Assistenten gegen se<strong>in</strong>e Direktor<strong>in</strong> opponiert hatte und zum Nachfolger auf deren Posten<br />

vorgeschlagen worden war, musste er im September 1953 die Universität verlassen und g<strong>in</strong>g<br />

nach Berl<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> Nachfolger als Boxlehrer wurden erst Erich Leitel und dann He<strong>in</strong>tz Keitz.<br />

Dessen Examensarbeit beschäftigte sich mit der E<strong>in</strong>führung des Boxens <strong>in</strong> den<br />

Studentensport, die übrigens von Georg Buschner begutachtet wurde. Mit dem plötzlichen<br />

Tode von Keitz 1966 erlosch auch der Boxsport an der Universität, während <strong>in</strong> anderen<br />

Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> noch bis Ende der siebziger Jahre geboxt wurde.<br />

<strong>Jena</strong>s Boxvater Saueracker (rechts) wartet mit den <strong>Sport</strong>studenten Horst Götze und Wolfgang<br />

Gutewort an der Saale auf die Fähre.<br />

1949 E<strong>in</strong> politisches Fußballspiel<br />

Am 9. November 1949, wenige Wochen nach der Gründung der „DDR“, gab es <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> den<br />

ersten sportlichen Vergleich der Friedrich-Schiller-Universität mit e<strong>in</strong>er „Westuniversität“,<br />

Gött<strong>in</strong>gen. Zu dem Fußballspiel, welches im heutigen Universitätssportzentrum stattfand und<br />

welches Gött<strong>in</strong>gen mit 2:1 gewann, waren 2500 Zuschauer gekommen. In der Zeitung<br />

„Thür<strong>in</strong>ger Volk“, konnte man damals lesen: „Das Ersche<strong>in</strong>en der Gött<strong>in</strong>ger Fußballer, <strong>in</strong><br />

deren Reihen e<strong>in</strong>ige Spieler der Oberligaelf von Gött<strong>in</strong>gen 05 standen, ist nach der<br />

Konstituierung der DDR der Auftakt e<strong>in</strong>er fruchtbaren Epoche sportkameradschaftlicher<br />

Zusammenarbeit und damit e<strong>in</strong> spürbarer Schlag gegen die westdeutschen Spaltungspolitiker.<br />

Es ist aber hoffentlich auch e<strong>in</strong> Ansporn für unsere beiden <strong>Jena</strong>er Großbetriebs-<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften, dem Bespiel der Uni nachzueifern und ihre vieltausendköpfige<br />

Anhängerschar recht bald mit e<strong>in</strong>em ähnlichen Spiel zu überraschen.“<br />

Außer dem Fußballspiele wurde den Gästen noch mehr geboten. In e<strong>in</strong>em Bericht war zu<br />

lesen, dass sie: „Ausschnitte aus dem Leben <strong>in</strong> der Deutschen Demokratischen Republik, mit<br />

eigenen Augen sehen. Sie besichtigten mit großem Interesse den volkseigenen Betrieb Schott,<br />

<strong>in</strong> dem das bekannte <strong>Jena</strong>er Glas hergestellt wird, und sahen, dass Schott, ebenso wie das<br />

Zeisswerk, längst wieder <strong>in</strong> drei Schichten auf vollen Touren arbeitete. Abends fand e<strong>in</strong>e<br />

offizielle Begrüßung durch die Spitzen der Stadt- und Landkreisverwaltung, sowie e<strong>in</strong>em<br />

Vertreter des Thür<strong>in</strong>gischen Volksbildungsm<strong>in</strong>isteriums statt. Hierbei sprach der Direktor des<br />

Gött<strong>in</strong>ger Instituts für Leibesübungen, Herr Dr. Henze, <strong>in</strong> anerkennenden Worten über das<br />

Gesehene.“<br />

In den folgenden Monaten gab es weitere <strong>Sport</strong>vergleiche mit der Universität Gött<strong>in</strong>gen, an<br />

denen auch Handballer, Schwimmer und Leichtathleten teilnahmen. Mit den zunehmenden<br />

68


Spannungen im kalten Krieg zwischen Ost und West wurden diese Kontakte mit dem<br />

Mauerbau e<strong>in</strong>gestellt. Erst 1990 konnten die Schwimmer des USV <strong>Jena</strong> um Dr. Hans-Georg<br />

Weckel wieder Kontakte zur Uni Gött<strong>in</strong>gen aufnehmen.<br />

1949: Spiel gegen Gött<strong>in</strong>gen, Die <strong>Jena</strong>er Studenten l<strong>in</strong>ks mit (v. l.) Gör<strong>in</strong>g, Weber, Fischer, -,<br />

Michel, Thoms, Börner, Gessner, Janaschek, Trübner und Hüfner. Rechts die Gäste aus<br />

Gött<strong>in</strong>gen.<br />

1949 Gründung des USV <strong>Jena</strong> e. V.<br />

Am 13.4.1949 wurde <strong>in</strong> der Mensa der <strong>Jena</strong>er Universität die HSG als<br />

Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaft der Universität gegründet. Erster Vorsitzender wurde der Student<br />

Bernd Schwalbe. Etwa 100 Studierende und Universitätsangehörige waren zur<br />

Gründungversammlung gekommen. Bei der Gründung gab es die Sparten Boxen, Fußball,<br />

Gymnastik, Handball, Leichtathletik, Schach, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Turnen,<br />

Wassersport und W<strong>in</strong>tersport. Der USV <strong>Jena</strong> e. V. ist seit 1990 der Rechtsnachfolger der<br />

HSG.<br />

Bereits 1946 hatte der <strong>Sport</strong>betrieb nach dem Krieg an der Universität wieder begonnen. Er<br />

wurde vor allem von Studierenden <strong>in</strong>s Leben gerufen. Mit Hilfe von <strong>Sport</strong>lern der<br />

Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaft „Ernst Abbe“ und später „Schott“ gelang es, die<br />

Universitätssportstätten teilweise wieder nutzbar zu machen, so dass bereits im November<br />

1946 die ersten Universitätsmeisterschaften und zwar im Geländelauf stattf<strong>in</strong>den konnten. Die<br />

<strong>Sport</strong>referenten des Studentenrates (Karl-He<strong>in</strong>z Domdey, Hans-Walter Barton, Wolfgang<br />

Möhr<strong>in</strong>g, He<strong>in</strong>z-Peter Gebert) entwickelten dann bis Ende 1948 e<strong>in</strong> breites sportliches Leben<br />

vor allem <strong>in</strong> der Leichtathletik, im Handball, Fußball und W<strong>in</strong>tersport.<br />

Ende 1948 begannen sich <strong>in</strong> der Sowjetischen Besatzungszone unter dem Druck der SED<br />

neue <strong>Sport</strong>strukturen zu entwickeln. E<strong>in</strong> Zentraler <strong>Sport</strong>ausschuß wurde von der FDJ <strong>in</strong>s<br />

Leben gerufen und auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> wurden entsprechende Strukturen gebildet. Diesen Gremien<br />

setzten entsprechende gesetzliche Bestimmungen durch, von denen e<strong>in</strong>e besagte, dass der<br />

organisierte <strong>Sport</strong>betrieb an den Universitäten nur noch <strong>in</strong> Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaften<br />

möglich sei. Um den Studentensport weiter entwickeln zu können, wurde also die Gründung<br />

e<strong>in</strong>er Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaft an der Universität notwendig, die dann im April 1949<br />

vollzogen wurde.<br />

Innerhalb weniger Jahre war die HSG Uni e<strong>in</strong>e der größten <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften des<br />

ehemaligen Bezirkes Gera, die zur Wende fast 2500 Mitglieder hatte. In den fünfziger Jahren<br />

69


war sie e<strong>in</strong> Leistungszentrum <strong>in</strong> der DDR besonders <strong>in</strong> der Leichtathletik und im Kanusport.<br />

Für die <strong>Sport</strong>arten Volleyball und Basketball wurde sie Motor beim Aufbau dieser <strong>Sport</strong>arten<br />

<strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. Im K<strong>in</strong>der- und Jugendsport leistete Spitzenarbeit im Judo, <strong>in</strong> der<br />

Rhythmischen <strong>Sport</strong>gymnastik und im Basketball. Vor allem konzentrierte sie sich aber auf<br />

die Entwicklung e<strong>in</strong>es regelmäßigen Übungs- und Wettkampfbetriebes im Studentensport.<br />

476 Medaillen bei DDR-Studentenmeisterschaften und Pokalwettkämpfen zwischen 1950 und<br />

1990, die von Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität errungen wurden, sprechen e<strong>in</strong>e<br />

deutliche Sprache für die Leistungsfähigkeit des Studentensports <strong>in</strong> der HSG.<br />

1950 Im Sommer im Schleichersee<br />

Zum e<strong>in</strong>em der ersten Matrikel an der Universität <strong>Jena</strong> gehörte der Student für<br />

Volkswirtschaft Gerhard Giera, der 1950 se<strong>in</strong> Studium abschloss. Der gebürtige Erfurter<br />

gehörte dort zu den erfolgreichen Schwimmern <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. So wurde er 1948<br />

Ostzonenmeister und gewann bei den Thür<strong>in</strong>ger Hallenmeisterschaften 1949 <strong>in</strong> Erfurt die 100<br />

m Brust <strong>in</strong> 1:18,5 m<strong>in</strong>. Die später <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>studium absolvierende Jutta Großmann<br />

gewann bei diesen Thür<strong>in</strong>ger Titelkämpfen gleich fünf Goldmedaillen (100 m Rücken, 200 m<br />

Kraul, 100 m Kraul und <strong>in</strong> zwei Staffeln).<br />

Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen für die <strong>Jena</strong>er Schwimmer waren bescheiden. Im Sommer wurde<br />

im „Schleichersee“ tra<strong>in</strong>iert, wo mittels e<strong>in</strong>es Betonstegs und Holzbohlen e<strong>in</strong> 50 m-<br />

Schwimmbecken abgeteilt war. Im W<strong>in</strong>ter nutzte man das Volksbad, was damals noch ke<strong>in</strong>e<br />

wettkampfgerechte Strecke besaß. Außerdem war das Volksbad wiederholt geschlossen.<br />

Trotzdem konnten <strong>Jena</strong>s Studenten mit guten Schwimmergebnissen aufwarten.<br />

Bei den 1. DDR-Studentenmeisterschaften im Schwimmen, die im Weimarer Schwanseebad<br />

ausgetragen wurden, gewann Gerhard Giera gleich zwei Goldmedaillen und zwar über 100m<br />

Schmetterl<strong>in</strong>g (1:15,2) und 200m Brust (2:52,2). Für die <strong>Jena</strong>er Universität waren außerdem<br />

erfolgreich Karl Poller, der im Kunstspr<strong>in</strong>gen gewann und Edith Hüther die im Kunstspr<strong>in</strong>gen<br />

Zweite wurde. Drei Bronzemedaillen erreichten <strong>Jena</strong>s Schwimmer <strong>in</strong> den<br />

Staffelwettbewerben, woran Giera ebenfalls beteiligt war. In der Mannschaftswertung kam<br />

<strong>Jena</strong> auf Platz drei.<br />

Nach Abschluß des Studiums (1950) g<strong>in</strong>g Giera nach Magdeburg, wo er im gleichen Jahr<br />

DDR Meister über 200 m Brust wurde und 1953 noch e<strong>in</strong>mal mit der Staffel über 4x100m<br />

e<strong>in</strong>en DDR-Meistertitel errang. Da er 1953 <strong>in</strong>s Visier der Stasi geriet, siedelte er nach<br />

Karlsruhe über und schloß sich hier dem Karlsruher Schwimmklub, e<strong>in</strong>em der<br />

mitgliederstärksten Schwimmvere<strong>in</strong>e der BRD. Hier tra<strong>in</strong>iert er noch heute regelmäßig und<br />

beteiligt sich an Schwimmwettkämpfen. 2004 wurde er bei den Weltmeisterschaften der<br />

Masters Sieger über 100m Brust, zweiter über 50m Brust und dritter über 100m<br />

Schmetterl<strong>in</strong>g. 2005 wurde er Europameister <strong>in</strong> allen drei Lagen.<br />

70


Er war der 1. <strong>Jena</strong>er Studentenmeister nach dem Zweiten Weltkrieg im Schwimmen. Der<br />

gebürtige Erfurter Gerhard Giera bei den 1. DDR-Studentenmeisterschaften im Schwimmen<br />

1950 im Weimarer Schwanseebad.<br />

1950 <strong>Jena</strong>er Kühnert <strong>in</strong> Oberhof dabei<br />

Auf Grund se<strong>in</strong>er geographischen Lage kann man <strong>Jena</strong> nicht gerade als W<strong>in</strong>tersportzentrum<br />

bezeichnen. Trotzdem gab und gibt es immer wieder herausragende W<strong>in</strong>tersportler <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Vielfach s<strong>in</strong>d sie mit der Universität verbunden, da an dieser oft Studenten s<strong>in</strong>d, die zu Hause<br />

aktiv W<strong>in</strong>tersport betreiben. Zu den ersten über Thür<strong>in</strong>gen h<strong>in</strong>aus erfolgreichen alp<strong>in</strong>en<br />

Skisportlern zählten die Studenten Pauli und Miller. Der Österreicher Miller studierte <strong>in</strong> den<br />

1930er Jahren <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Physik. Er hatte bei den Mitteldeutschen Hochschulmeisterscharten<br />

1935 je e<strong>in</strong>en ersten Platz im Abfahrts-Komb<strong>in</strong>ation und bei den Deutsche<br />

Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> Garmisch Platz drei <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation belegt. Bereits seit<br />

Mitte der zwanziger Jahre organisierte der Universitäts-Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer Hermann Eitel<br />

Universitäts-Skimeisterschaften, die meist <strong>in</strong> Gehlberg stattfanden. 1935 konnte bei diesen<br />

Wettkämpfen der <strong>Sport</strong>student Pauli im Abfahrtslauf He<strong>in</strong>z Miller schlagen.<br />

Nach dem Krieg organisierten skilauf<strong>in</strong>teressierte Studierende bereits im Februar 1947 e<strong>in</strong>en<br />

Skilehrgang im Ferienheim der Uni <strong>in</strong> Georgenthal, der <strong>in</strong> der <strong>Sport</strong>geschichtsschreibung<br />

als erste Ski-Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der Sowjetischen Besatzungszone E<strong>in</strong>gang fand.<br />

Als Wettkämpfe wurden Torlauf, Abfahrtslauf, Langlauf und Spezialsprunglauf organisiert.<br />

Nach Archivunterlagen beteiligten sich an diesem Lehrgang und an den Wettkämpfen auch<br />

Studenten der Universitäten Berl<strong>in</strong>, Leipzig und Halle. Als 1950 die ersten offiziellen DDR-<br />

Studentenmeisterschaften im W<strong>in</strong>tersport <strong>in</strong> Oberhof stattfanden, g<strong>in</strong>gen auch <strong>Jena</strong>er an den<br />

Start, konnten allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Medaillen err<strong>in</strong>gen. Werner Kühnert startete sowohl im<br />

Spezialsprunglauf als auch im Abfahrtslauf.<br />

1953 machte dann Klaus Franke von sich reden, der die die DDR-Studentenmeisterschaften<br />

abgelöst hatten, sowohl im Torlauf als auch <strong>in</strong> der Alp<strong>in</strong>en Komb<strong>in</strong>ation gewann. Im<br />

folgenden Jahr reihte sich dann Werner<br />

71


Kühnert mit e<strong>in</strong>em Sieg <strong>in</strong> der Nordischen Komb<strong>in</strong>ation als auch Günther Scheidt mit dem<br />

ersten Platz im Torlauf <strong>in</strong> die Siegerlisten der alp<strong>in</strong>en Skisportler der <strong>Jena</strong>er Universität, e<strong>in</strong>.<br />

Zu dieser Zeit gehörte auch die junge<br />

Assistent<strong>in</strong> am Institut für Körpererziehung, Eleonore May zu den erfolgreichen alp<strong>in</strong>en<br />

Skiassen. Sie war vor allem bei den Bezirksmeisterschaften <strong>in</strong> Lobenste<strong>in</strong> mehrere Jahre im<br />

Torlauf und im Abfahrtslauf erfolgreich.<br />

1950: Werner Kühnert bei den 1. DDR-Studentenmeisterschaften beim Abfahrtslauf.<br />

1950 Als Schneider, Dern und Co. siegten<br />

Der Allgeme<strong>in</strong>e Deutsche Hochschulsportverband (ADH) brachte vor e<strong>in</strong>iger Zeit e<strong>in</strong>e<br />

Datensammlung unter dem Titel „Deutsche Hochschul- und Studentenmeisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik“ heraus. In jahrelanger Kle<strong>in</strong>arbeit hat Klaus Amrhe<strong>in</strong> alle Ergebnislisten von<br />

den Deutschen Hochschulmeisterschaften der Leichtathletik zusammengetragen. Auch die<br />

DDR-Ergebnisse hatte er erfasst. Bei der Bearbeitung dieser Daten fiel <strong>Jena</strong>er<br />

<strong>Sport</strong>historikern auf, dass das Zahlenmaterial zu den DDR-Studentenmeisterschaften erst<br />

1962 mit den DDR-Meisterschaften e<strong>in</strong>setzt. Damals fand <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> die II. DDR-<br />

Studentenspartakiade geme<strong>in</strong>sam mit den sogenannten 1. DDR-Studentenmeisterschaften <strong>in</strong><br />

der Leichtathletik statt. Auf Grund vorhandener Recherchen am Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft<br />

konnte jetzt ermittelt werden, dass bereits am 5./6. August 1950 Wettkämpfe unter der<br />

Bezeichnung „1.Hochschulmeisterschaften der Deutschen Demokratischen Republik <strong>in</strong><br />

Leichtathletik, Hand- und Fußball“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stattfanden. Mit Hilfe des damaligen<br />

<strong>Sport</strong>studenten Harry Themel aus Dresden, se<strong>in</strong>en persönlichen Aufzeichnungen im<br />

Programmheft der Meisterschaften und Zeitungsartikeln <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>er Zeitungen ist es gelungen,<br />

die Siegerliste von 1950 zu rekonstruieren. An den Leichtathletik-Wettkämpfen beteiligten<br />

sich Studenten aller Universitäten und vieler Hochschulen der DDR. Ursprünglich waren die<br />

Meisterschaften <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> geplant gewesen, wurden aber dann nach <strong>Jena</strong> verlegt. Mit der<br />

Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai und der DDR im Oktober 1949 gab es<br />

e<strong>in</strong>erseits verschiedene Meisterschaften <strong>in</strong> der DDR, die als „Deutsche Meisterschaften“<br />

ausgeschrieben waren und wo auch „westdeutsche“ <strong>Sport</strong>ler teilnehmen durften. Andererseits<br />

wollte die <strong>Sport</strong>führung der DDR mit der Organisation von „DDR-Meisterschaften“ ihre<br />

staatliche Eigenständigkeit demonstrieren. Die Studentensportler gerieten genau zwischen<br />

diese beiden Tendenzen. Sie wollten besonders „fortschrittlich“ se<strong>in</strong>, da sie wiederholt von<br />

führenden SED-Funktionären als „bürgerlich reaktionär“ apostrophiert worden waren. Daher<br />

wählten sie bewusst die Bezeichnung „Hochschulmeisterschaften der DDR“. Die SED hatte<br />

72


aber <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> das sogenannte Deutschlandtreffen geplant, wo auf die deutsche E<strong>in</strong>heit<br />

verwiesen werden sollte. Kurzerhand wurden die Wettkämpfe nach <strong>Jena</strong> verlegt. Die<br />

Gesamtleitung hatten der bekannte Erfurter <strong>Sport</strong>funktionär He<strong>in</strong>z Birkemeyer und der<br />

erfolgreiche Tra<strong>in</strong>er Artur L<strong>in</strong>ß übernommen.<br />

Sieger aus <strong>Jena</strong> bei den 1. Hochschulmeisterschaften wurden: über 200 m Schneider, über<br />

800 m Paul Dern, im Stabhochsprung Horst Götze, im Diskuswurf Lothar H<strong>in</strong>z und im<br />

Hammerwurf Karl-He<strong>in</strong>z Ludwig.<br />

Trotz <strong>in</strong>tensiver Bemühungen von Studentensportlern gelang es 1951 nicht, e<strong>in</strong>e<br />

Genehmigung für e<strong>in</strong>e 2. Hochschulmeisterschaft der DDR zu bekommen. Ab 1952<br />

übernahm die neu gebildete <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>igung Wissenschaft (SV) die Organisation von<br />

Hochschulmeisterschaften unter der Bezeichnung „Zentrale Spartakiade der SV<br />

Wissenschaft“. Erst 1962 gab es dann wieder DDR-Studentenmeisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik. Diese wurden unter Fälschung der <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong> als 1. DDR-<br />

Studentenmeisterschaft deklariert.<br />

Die 1. Hochschulmeisterschaften der DDR fanden auf den Universitätssportplätzen statt.<br />

Beim Staffellauf kamen die <strong>Jena</strong>er Studenten auf Platz 3. Hier der letzte Wechsel (l<strong>in</strong>ks) Erich<br />

Leitel stäter Prorektor <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auf Gerhard Junghähnel, später Rektor an der PH Potsdam.<br />

1950 Studenten der <strong>Jena</strong>er Universität schrieben Fußballgeschichte<br />

Seit 1893 spielten Studenten der <strong>Jena</strong>er Universität regelmäßig Fußball. Erst im "kle<strong>in</strong>en<br />

Paradies" und ab 1896 <strong>in</strong> der Oberaue, wo sie auch heute noch ihre Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstätte im<br />

Universitätssportzentrum haben. Am ersten offiziellen Fußballspiel <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen im Sommer<br />

1893 waren m<strong>in</strong>desten 5 Studierende mit am Ball, darunter der englische Student Joseph Joe<br />

F<strong>in</strong>dlay, der sich sehr um <strong>Jena</strong>s Fußball verdient gemacht hat. Für 1906 ist mit dem<br />

Mediz<strong>in</strong>student Born sogar e<strong>in</strong> Spieler <strong>in</strong> der 1. Fußballmannschaft des SV Carl Zeiss<br />

nachgewiesen. 1921 beteiligten sich <strong>Jena</strong>er Studentenfußballer erstmals an den deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften, verloren aber bereits <strong>in</strong> der Vorrunde gegen die Universität<br />

Erlangen. Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Studentenfußballer erfolgreicher. Bereits<br />

1950 waren die Studenten Georg Buschner, Georg Trübner und Günter Weber Mitglieder<br />

e<strong>in</strong>er Studentischen DDR-Fußballauswahl die gegen die DDR Nationalmannschaft 1:1 spielte.<br />

Im Rahmen des Deutschlandtreffens <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Ende Mai 1950 spielte diese Mannschaft gegen<br />

e<strong>in</strong>e komb<strong>in</strong>ierte Auswahl von Spitzenspielern der DDR Fußballmannschaften und im August<br />

73


1950 reiste die Studentenauswahl zum II. Weltkongresses der Studenten nach Prag. Wieder<br />

gehörten die <strong>Jena</strong>er Studentensportler, Trübner und Weber zum Team. Unmittelbar nach ihrer<br />

Rückkehr traten die <strong>Jena</strong>er im Endspiel der 1. DDR-Studentenmeisterschaften vor 3000<br />

Zuschauern auf die Mannschaft der Universität Halle. Nach der zweiten Verlängerung<br />

gewann Halle, nachdem der <strong>Jena</strong> Johannes Gessner wegen Verletzung ausschied und die<br />

Mannschaft mit 10 Spielern auskommen musste.<br />

Im Jahr 1950 war die DDR-Studentenauswahl mit den <strong>Jena</strong>er Georg Buschner, Georg Trübner<br />

und Günther Weber <strong>in</strong> Prag zu den II. Weltkongress der Studenten zu Gast. Nach ihrer<br />

Rückkehr verloren die <strong>Jena</strong>er das Endspiel um die DDR-Studentenmeisterschaft gegen die<br />

Uni Halle.<br />

1952 Als die „Russen“ h<strong>in</strong>ter dem Rathaus Volleyball spielten<br />

Das Volleyballspiel war bis 1945 <strong>in</strong> Deutschland fast unbekannt. Dafür war das<br />

Faustballspiel, vor allem <strong>in</strong> den Turnvere<strong>in</strong>en weit verbreitet. Nach dem Krieg begann<br />

Volleyball sich von Osteuropa kommend rasch auszubreiten. Im Herbst 1948 brachte der<br />

Student der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, Georg Buschner, von e<strong>in</strong>er Reise nach<br />

Prag, wo er als Fußballer und Vertreter des Deutschen <strong>Sport</strong>ausschusses weilte, das<br />

Volleyballspiel mit nach <strong>Jena</strong>. In den ersten Lehrgängen zur Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern an<br />

der Universität wurde dieses Spiel <strong>in</strong>s Programm aufgenommen und die Absolventen<br />

verbreiteten es <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit <strong>in</strong> ganz Thür<strong>in</strong>gen und darüber h<strong>in</strong>aus. Da es bei den<br />

<strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen stationierten Sowjetischen Streitkräften e<strong>in</strong>e der beliebtesten <strong>Sport</strong>arten war,<br />

verwundert es nicht, dass bei <strong>Sport</strong>vergleichen von deutschen und „russischen“ <strong>Sport</strong>lern<br />

auch oft Volleyball gespielt wurde. An dem zum 1. Januar 1951 offiziell gegründeten „Institut<br />

für Körpererziehung“ <strong>in</strong> der „Muskelkirche“ fand im schon im Dezember 1950 e<strong>in</strong> erstes<br />

Freundschaftssportfest mit e<strong>in</strong>er Mannschaft der <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stationierten „Roten Armee“ statt, bei<br />

der Turniere im Volleyball und im Basketball ausgetragen wurden. Diese Turniere wurden <strong>in</strong><br />

den nächsten Jahren regelmäßig wiederholt. In Vorbereitung auf den 1. Mai, sozusagen als<br />

öffentliches „politisches Bekenntnis“ zur Freundschaft mit Sowjetunion organisierten 1951<br />

<strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>studenten e<strong>in</strong> öffentliches Volleyballspiel gegen e<strong>in</strong>e Mannschaft der<br />

sowjetischen Garnison auf dem „Zentralen Platz“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zwischen Rathaus und dem heutigen<br />

Eichplatz.<br />

Heute ist Volleyball e<strong>in</strong>e der gefragtesten Spielsportarten im <strong>Jena</strong>er Hochschulsport. Über 40<br />

Gruppen tra<strong>in</strong>ieren heute pro Semester und viele Studenten können bei der E<strong>in</strong>schreibung<br />

74


ke<strong>in</strong>en Platz erhalten. Das jährlich im Juni organisierte Hanfriedturnier mit über 100<br />

Volleyballmannschaften gehört zu den größten Volleyballturnier <strong>in</strong> Mitteldeutschland.<br />

Auf dem Bild erkennt man die vielen Zuschauer und im H<strong>in</strong>tergrund den Neubau des<br />

Physiologischen Instituts, das auf dem Standort der zerbombten Universitätskirche gebaut<br />

wurde.<br />

In der Mannschaft spielten (von l<strong>in</strong>ks nach rechts): Danker, Feustel, Jungnickel, Schmidt,<br />

Schrön und Etzel.<br />

1950 25 Jahre Zuchthaus für Universitätssportlehrer Hans Beitz<br />

Am 1.11.1950, dem Tag des Beg<strong>in</strong>ns des ersten Kurzlehrganges für die Ausbildung von<br />

<strong>Sport</strong>lehrern an der Friedrich-Schiller-Universität, musste Walter Wurzler feststellen, dass<br />

se<strong>in</strong> Chef, Hans Beitz nicht gekommen war. Wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen war<br />

Beitz <strong>in</strong> der Nacht vorher verhaftet worden. Hans Beitz wurde 1912 <strong>in</strong> Breslau geboren. Da<br />

se<strong>in</strong> Vater, der Arzt war, 1917 im Krieg gefallen ist, wurde er von se<strong>in</strong>er Mutter alle<strong>in</strong><br />

aufgezogen. Sie war e<strong>in</strong>e gläubige Christ<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> Opposition zum Naziregime stand und<br />

wegen der Unterstützung von jüdischen Häftl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>s Gefängnis kam. Schon als Schuljunge<br />

wollte sich Hans Beitz, unterstützt durch se<strong>in</strong>e Mutter, nicht <strong>in</strong>doktr<strong>in</strong>ieren lassen. Er trat<br />

nach 1933 nicht der Hitlerjugend bei und musste deshalb das Gymnasium verlassen. Auf e<strong>in</strong>er<br />

Privatschule lernte er weiter. 1936 wurde er wegen unberechtigten Aufenthalts <strong>in</strong> Österreich<br />

und Besitz staatsfe<strong>in</strong>dlicher Schriften verhaftet, entg<strong>in</strong>g aber e<strong>in</strong>er Bestrafung. Da er sehr<br />

sportlich war, nahm er e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>lehrerstudium u. a. <strong>in</strong> Greifswald auf. Kurz vor Kriegsbeg<strong>in</strong>n<br />

konnte er se<strong>in</strong>e Turnlehrerprüfung erfolgreich ablegen. 1939 e<strong>in</strong>gezogen, wurde er Offizier<br />

und kam 1945 <strong>in</strong> amerikanische Gefangenschaft. Nach der Entlassung g<strong>in</strong>g er nach Erfurt, wo<br />

sich se<strong>in</strong>e Frau, die er im Krieg geheiratet hatte, als Flüchtl<strong>in</strong>g aufhielt. Bereits im September<br />

1945 trat er <strong>in</strong> die CDU e<strong>in</strong>. Diese befürwortete, dass er bei der Eröffnung der <strong>Jena</strong>er<br />

Universität immatrikuliert wurde. Er war damals der e<strong>in</strong>zige Student, der sich für das Fach<br />

Leibesübungen e<strong>in</strong>getragen hatte. Er wollte se<strong>in</strong> erstes und zweites Staatsexamen ablegen,<br />

was er bis 1948 auch schaffte. Er gehörte zu den Gründern e<strong>in</strong>er CDU Studentengruppe an<br />

der Universität und wurde deren Vorsitzender. Bereits 1947 beantragte der Rektor für Beitz<br />

e<strong>in</strong>e Stelle. Der Rektor bat den Kurator der Universität um e<strong>in</strong>en Ausweis für Beitz, der ihn<br />

ermächtigt sollte e<strong>in</strong> Institut für Leibesübungen aufzubauen. Dies wurde anfangs von der<br />

Sowjetischen Militäradm<strong>in</strong>istration abgelehnt, die generell <strong>in</strong> der Sowjetischen besetzten<br />

75


Zone die <strong>Sport</strong>lehrerausbildung verboten hatte. 1948 wurde Beitz Stadtverordneter der CDU<br />

und se<strong>in</strong>e Studentengruppe umfasste mehrere hundert Mitglieder. Ende der vierziger Jahre<br />

fuhr Beitz regelmäßig nach Berl<strong>in</strong>, wo se<strong>in</strong>e Frau herstammte und wo er viele politische<br />

Freunde hatte. Konspirativ nahm er Kontakte mit Redaktionen Westberl<strong>in</strong>er Zeitungen auf<br />

und belieferte diese mit Informationen aus der Hochschullandschaft im Osten. H<strong>in</strong> und wieder<br />

brachte er auch heimlich Westzeitungen mit. Mit Lehraufträgen bei der<br />

Grundschullehrerausbildung u.a. für <strong>Geschichte</strong> und Soziologie der Leibesübungen<br />

f<strong>in</strong>anzierte er den Lebensunterhalt für se<strong>in</strong>e Familie. Auf Grund mehrmaliger Anträge der<br />

Universität wurde Beitz dann zum Oktober 1950 als erster wissenschaftlicher Assistent am zu<br />

gründenden Institut für Körpererziehung e<strong>in</strong>gestellt. Die Denunziation e<strong>in</strong>er Mitarbeiter<strong>in</strong> der<br />

CDU-Geschäftsstelle führte e<strong>in</strong>en Tag vor Aufnahme der unmittelbaren Lehrtätigkeit zu<br />

se<strong>in</strong>er Verhaftung. Trotz mehrwöchiger Verhöre durch den sowjetischen Geheimdienst <strong>in</strong><br />

Weimar gelang es nicht, ihm e<strong>in</strong>e Straftat nachzuweisen. Lediglich die Weitergabe e<strong>in</strong>er<br />

politischen „Westzeitung“ konnte man ihm anlasten. Trotzdem wurde er im Januar 1951 von<br />

e<strong>in</strong>em Sowjetischen Militärtribunal, wegen illegaler Gruppenbildung, Antisowjethetze und als<br />

Anführer zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis 1956 musste er <strong>in</strong> Bautzen, Halle und Torgau<br />

e<strong>in</strong>sitzen, bevor er durch e<strong>in</strong>en Gnadenerlass zu se<strong>in</strong>er Familie nach Westberl<strong>in</strong> entlassen<br />

wurde. Se<strong>in</strong>e Frau, ebenfalls <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong>, war an der Universitätsübungsschule und später an<br />

der ABF angestellt und wurde 1952 bei e<strong>in</strong>er Säuberungswelle entlassen, worauf sie nach<br />

Westberl<strong>in</strong> floh. Hans Beitz absolvierte als fast Vierzigjähriger <strong>in</strong> Westberl<strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />

Referendariat und wurde Lehrer. Er engagierte sich wieder <strong>in</strong> der CDU und wurde<br />

Bezirksvorsitzender. Im Alter von 70 Jahren ist er verstorben.<br />

Von Hans Beitz ist bisher nur e<strong>in</strong> Foto aus se<strong>in</strong>er Personalakte im Universitätsarchiv bekannt.<br />

1951 An der <strong>Jena</strong>er Universität wurde Thür<strong>in</strong>ger Volleyballgeschichte geschrieben<br />

Wenig bekannt ist, dass der spätere bekannte Fußballtra<strong>in</strong>er, Georg Buschner, Anfang der<br />

fünfziger Jahre zu denen gehörte, die dass Volleyballspiel mit <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>führte. Schon<br />

1948 lernet er auf e<strong>in</strong>er FDJ-<strong>Sport</strong>reise nach Prag das Volleyballspiel kennen. In den ersten<br />

Lehrgängen zur Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern wurde dieses Spiel sofort <strong>in</strong>s Programm<br />

aufgenommen und die Absolventen verbreiteten es <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit über ganz<br />

Thür<strong>in</strong>gen und darüber h<strong>in</strong>aus. Als letzter Vorsitzender des Studentenrates an der Universität<br />

76


und als Absolvent der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät wurde er mit der Gründung<br />

des Instituts für Körpererziehung 1951 umgehend als Verantwortlicher für <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong><br />

und die Spielsportarten e<strong>in</strong>gestellt. Schon nach kurzer Dienstzeit wurde er zum<br />

Oberassistenten ernannt. Mit der Männermannschaft der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft, die für<br />

Thür<strong>in</strong>gen spielte, stand er im November 1951 bei den 1. DDR-Meisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Endrunde Diese Mannschaft erkämpfen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 5-Satz Spiel gegen die Mecklenburger<br />

e<strong>in</strong>en 3. Platz.<br />

Namen zum Foto von l<strong>in</strong>ks nach rechts stehend: Horst Baacke, Horst Götze, Wilfried<br />

Wesiger, Rolf Kunze kniend: Georg Buschner, Manfred Dressler<br />

1951 Der Wiederbeg<strong>in</strong>n des Fußballs<br />

Bereits kurz nach der Wiedereröffnung der Universität im Herbst 1945 <strong>in</strong>spizieren Studenten<br />

alle Universitätssportstätten und untersuchten, <strong>in</strong>wieweit diese nutzbar waren. Im Ergebnis<br />

wurden im Frühjahr 1946 die ersten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstunden im Fußball auf den<br />

Universitätssportplätzen <strong>in</strong> der Oberaue organisiert. Außer den Studenten waren es auch die<br />

Fußballer von Schott und der SG Ernst Abbé, die <strong>in</strong> der Oberaue das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g aufnahmen.<br />

Zum ersten offiziellen Fußballspiel kam es hier zwischen zwei <strong>Jena</strong>er Mannschaften am 16.<br />

Juni 1946. Es spielten die SG Ernst Abbé <strong>Jena</strong> gegen SG Forst <strong>Jena</strong>. In der SG Ernst Abbé<br />

hatte sich e<strong>in</strong> Großteil der Vorkriegsmannschaft des 1. SV <strong>Jena</strong> zusammengefunden. Wie <strong>in</strong><br />

anderen Mannschaftssportarten auch spielten die meisten Studenten bei Vere<strong>in</strong>en der Stadt.<br />

Erst 1949, mit der Gründung der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft (HSG), dem Vorgänger des<br />

heutigen USV, traten die Studentensportler mit e<strong>in</strong>er eigenen Mannschaft <strong>in</strong> den Spielbetrieb<br />

e<strong>in</strong>. Dafür wurde sogar e<strong>in</strong> eigener Fußballtra<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gestellt. Anfangs war es e<strong>in</strong> Herr Vogel,<br />

der gleichzeitig die Schottfußballer tra<strong>in</strong>ierte und der bei der HSG als besondere<br />

Vergünstigung täglich <strong>in</strong> der Mensa e<strong>in</strong> kostenloses Mittagessen bekam. Breits kurze Zeit<br />

später stellte die HSG Rudolf Fischer aus Rudolstadt als Fußballtra<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>. Er war vorher<br />

erfolgreicher Tra<strong>in</strong>er der 1. Mannschaft von Planitz, die 1948 Ostzonenmeister wurde. Der<br />

Diplom -Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer wurde auch <strong>in</strong> der Leichtathletik, im Boxen und bei<br />

Skilehrgängen der Studierenden tätig. Nach Anfangserfolgen der Studentenfußballer, u. a. mit<br />

e<strong>in</strong>em 2. Platz bei den DDR Studentenmeisterschaften 1951 wurde es wieder still um die HSG<br />

Mannschaft. Die besten Fußballer spielten bei anderen <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften, wo sie meist<br />

bessere Bed<strong>in</strong>gungen vorfanden und mit Sach- und Geldprämien ihr Stipendium aufbessern<br />

konnten. So waren die Studenten Buschner, Trübner und Weber Mitglieder der 1. Mannschaft<br />

von Motor <strong>Jena</strong>, wie der FC Carl Zeiss damals hieß. Erst mit Hugo Weschenfelder, der aus<br />

77


Lauscha als Spieler zu Motor nach <strong>Jena</strong> gekommen war, dann <strong>Sport</strong> <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> studierte und im<br />

Studentensport als Lehrer e<strong>in</strong>gesetzt wurde, g<strong>in</strong>g es mit dem Universitätsfußball wieder<br />

bergauf. Er gründete die Fußballabteilung <strong>in</strong> der HSG neu und bildete e<strong>in</strong>e schlagkräftige<br />

Universitätsfußballauswahl, die 1960 und 1962 jeweils die Bronzemedaille und 1966 bei den<br />

DDR-Studentenmeisterschaften den Titel errang.<br />

Zwei Legenden im Zweikampf. Georg Buschner (rechts), später DDR-Nationaltra<strong>in</strong>er, und<br />

Hugo Weschenfelder, „Vater“ des Frauenfußballs (2.v.r.).<br />

1951 Paul Dern <strong>in</strong> Ruhmeshalle<br />

Mit der Eröffnung der USV-<strong>Sport</strong>halle an den Teufelslöchern hat der USV begonnen, se<strong>in</strong>e<br />

„Hall of Fame“ zu vergegenständlichen. Bisher konnte man diese nur auf der Internetseite<br />

www.usvjena.de f<strong>in</strong>den. Mehr als 1200 Medaillenträger bei nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Meisterschaften s<strong>in</strong>d bereits aufgenommen. Für die Ehrentafel im Foyer der USV-<strong>Sport</strong>halle<br />

musste da selbstverständlich e<strong>in</strong>e Auswahl vorgenommen werden. So werden jetzt<br />

schrittwiese nur die Goldmedaillengew<strong>in</strong>ner der Erwachsenen-Altersklassen auf<br />

edelstahlsichtigen Material mit Laser graviert. Unter den ersten fünfzig Namen aus der Zeit<br />

bis 1955 bef<strong>in</strong>det sich auch Paul Dern mit se<strong>in</strong>em DDR-Studentenmeistertitel von 1950 über<br />

800m. Anfang der fünfziger Jahre gehörte er zu den besten Mittelstrecklern <strong>in</strong> der DDR. Aus<br />

Gera stammend g<strong>in</strong>g der <strong>Sport</strong>student aus <strong>Jena</strong> vor allem für die HSG<br />

(Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft) der Universität <strong>Jena</strong>, dem Vorläufer des USV, über Strecken<br />

von 400 m bis 3000 m an den Start. Bekannt und gefürchtet waren se<strong>in</strong>e schnellen Starts, wo<br />

es ihm sogar e<strong>in</strong>mal gelang, den berühmten Emil Zatopek e<strong>in</strong>e Runde h<strong>in</strong>ter sich zu halten.<br />

Ließen die Gegner sich auf diesen Tempolauf e<strong>in</strong>, dann konnte er, wie 1951 bei den<br />

Weltfestspielen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> über 800 m, alle Gegner h<strong>in</strong>ter sich lassen. Ihm selber ist noch heute<br />

se<strong>in</strong>e Teilnahme am ersten „800m-Harbig-Gedächtnislauf“ bestens <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung. 1951<br />

wurde <strong>in</strong> Dresden das wieder aufgebaute Stadion mit e<strong>in</strong>em großen Leichtathletik-<strong>Sport</strong>fest<br />

als „Rudolf-Harbig-Stadion“ e<strong>in</strong>geweiht. Der <strong>in</strong> Dresden 1913 geborene Harbig wurde erst<br />

1934 <strong>in</strong> Vorbereitung auf die Olympischen Spiele von 1936 als Mittelstrecken-Talent<br />

entdeckt. Auf Grund e<strong>in</strong>er Erkrankung konnte er dann bei den Spielen se<strong>in</strong>e<br />

Leistungsfähigkeit nicht ausspielen, schaffte aber mit der 4x400 m-Staffel die<br />

Bronzemedaille. In den folgenden Jahren wurde er im Dritten Reich als <strong>Sport</strong>idol aufgebaut,<br />

obwohl ihm se<strong>in</strong>e Biographen besche<strong>in</strong>igen, dass er eher unpolitisch war. 1941 lief er dann <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Heimatstadt Dresden <strong>in</strong> dem später nach ihm benannten Stadion se<strong>in</strong>en letzten<br />

Weltrekord. Insgesamt konnte er drei Weltrekorde erzielen: 400m <strong>in</strong> 46,0 im Jahr 1939; 800m<br />

<strong>in</strong> 1:46,6 ebenfalls 1939 und 1000m <strong>in</strong> 2:21,5 1941. Am 5. März 1944 fiel er als<br />

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Fallschirmjäger <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e. Se<strong>in</strong>er Frau, e<strong>in</strong>er guten Turner<strong>in</strong> und Mitarbeiter<strong>in</strong> im NOK<br />

der DDR, ist es ganz wesentlich zu verdanken, dass er als <strong>Sport</strong>ler <strong>in</strong> der DDR weitestgehend<br />

anerkannt war und e<strong>in</strong> Stadion, e<strong>in</strong> Lauf und <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Straße nach ihm benannt wurden.<br />

Zurück zu Paul Dern. Er wurde 1951 als e<strong>in</strong>er der besten vier DDR-800m-Läufer für den<br />

„Harbig-Gedächtnislauf“ nom<strong>in</strong>iert. Diesen Lauf gewann der D<strong>in</strong>slakener Rolf Lamers <strong>in</strong><br />

1:56,1, der mit e<strong>in</strong>er Gruppe „Westdeutscher Leichtathleten“ als Gast zur E<strong>in</strong>weihung des<br />

Stadions gekommen war. Frau Harbig überredete den Olympia-Teilnehmer von 1952 zum<br />

Start, was ihm <strong>in</strong> der damaligen BRD e<strong>in</strong>e Sperre e<strong>in</strong>brachte. Paul Dern wurde am Ende<br />

Vierter.<br />

Paul Dern an dritter Stelle h<strong>in</strong>ter dem späteren Sieger, dem Ungarn Garay und dem<br />

Laufkameraden von der Uni <strong>Jena</strong> Ittershagen.<br />

1951 Protest bis nach <strong>Jena</strong> geschwappt<br />

Als am 20. Dezember 1950 die zwei Heidelberger Studenten, Rene´ Leudesdorff und Georg<br />

von Hatzfeld die kle<strong>in</strong>e Nordsee<strong>in</strong>sel Helgoland besetzten, löste dies e<strong>in</strong>e breite Bewegung<br />

aus, die auch bis nach <strong>Jena</strong> schwappte. Helgoland war erst 1890 durch e<strong>in</strong>en Vertrag mit<br />

Großbritannien an Deutschland gekommen. Dass es gegen die Ostafrikanische Insel Sansibar<br />

getauscht wurde ist nur die halbe Wahrheit. In e<strong>in</strong>em Gesamtvertrag, <strong>in</strong> dem Flächen und<br />

Grenzen deutscher und britischer „Interessengebiete“ abgegrenzt wurden, wurde Sansibar von<br />

Deutschland an Großbritannien übergeben und Helgoland an Deutschland. Bereits kurze Zeit<br />

später gab Kaiser Wilhelm II. den Befehl, Helgoland zu e<strong>in</strong>em Mar<strong>in</strong>estützpunkt und e<strong>in</strong>er<br />

Seefestung ausbauen. Die Bevölkerung wurde zu Beg<strong>in</strong>n des I. Weltkrieges evakuiert und<br />

zwei Seegefechte fanden 1914 und 1917 vor Helgoland statt. Nach dem Krieg wieder<br />

besiedelt und zu e<strong>in</strong>em beliebten Ausflugsziel deutscher Nordseeurlauber entwickelt,<br />

begannen die Nazis nach 1935 die stillgelegten militärischen Anlagen wieder <strong>in</strong> Betrieb zu<br />

nehmen. Nach e<strong>in</strong>em Besuch von Adolf Hitler begann 1938 e<strong>in</strong> forcierter Ausbau mit<br />

umfangreichen Bunkeranlagen und e<strong>in</strong>em U-Bootbunker. Dazu kamen noch Stützpunkte der<br />

Mar<strong>in</strong>eartillerie und der Mar<strong>in</strong>eluftwaffe. Militärisch spielte die Seefestung Helgoland aber<br />

ke<strong>in</strong>e größere Rolle und erst wenige Tage vor Kriegsende, am 18. April 1945, wurde<br />

Helgoland durch die Alliierten mit mehr als 1000 Bombern angegriffen. Alle oberirdischen<br />

Bauten wurden dem Erdboden gleichgemacht, so dass e<strong>in</strong> weiterer Verbleib der Bevölkerung<br />

nicht mehr möglich war. Sie wurde evakuiert und <strong>in</strong> ganz Norddeutschland verteilt. Britische<br />

Truppen besetzten Helgoland und lagerten nicht mehr verwendungsfähige Munition und<br />

Sprengstoff <strong>in</strong> den unterirdischen Festungsanlagen e<strong>in</strong>. 1947 erfolgte dann die Sprengung von<br />

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6.700 Tonnen Sprengstoff, was nach damaligen Maßstäben die größte Sprengung<br />

konventioneller Art war. Der Rauchpilz stieg 9000 m <strong>in</strong> die Höhe.<br />

In den folgenden Monaten benutzten die Britten Helgoland als Übungsgelände für<br />

Bombenabwürfe. Seit 1948 bemühten sich die evakuierten Helgoländer um die Rückkehr auf<br />

die Insel. Mit der Aktion der beiden Studenten, die 1950 illegal die Insel besetzten und die<br />

deutsche und die Fahne der Europäischen Bewegung hissten, brachte dies e<strong>in</strong>e Bewegung <strong>in</strong>s<br />

Rollen, bei der immer mehr Aktivisten nach Helgoland übersetzten. Die Britten kamen kaum<br />

noch nach, die Besetzer wieder zurück zum Festland zu eskortieren.<br />

Spätestens mit der Gründung der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft (heute USV <strong>Jena</strong>), wurden<br />

<strong>Sport</strong>verb<strong>in</strong>dungen von <strong>Jena</strong> zu Universitäten im „Westen“ aufgebaut. So waren bereits im<br />

November 1949 Gött<strong>in</strong>ger Fußballer <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und anschließend <strong>Jena</strong>er Hochschulsportler <strong>in</strong><br />

Gött<strong>in</strong>gen. Wenn diese Aktionen auch unter den politischen Vorzeichen des zunehmenden<br />

„kalten Krieg“ ähnlich wie die Sympathie-Bekundungen für Helgoland von der SED<br />

<strong>in</strong>strumentalisiert wurden, berichten doch Zeitzeugen, dass die <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>studenten zum 1.<br />

Mai 1950 ganz bewusst und auch mit e<strong>in</strong>em gewissen Stolz ihr Transparent für Helgolands<br />

Freiheit mitgetragen haben.<br />

Freiheit für Helgoland: Das forderten die <strong>Sport</strong>studenten auf e<strong>in</strong>em Transparent beim<br />

Demonstrationszug zum 1. Mai 1950.<br />

1951 DDR-Meister im Schwimmen<br />

Nach 1945 entwickelte sich nur sehr langsam die <strong>Sport</strong>landschaft <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> wieder neu.<br />

Ursachen dafür waren u. a. das Verbot aller <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e durch die Alliierten<br />

Besatzungsmächte, die Zerstörung oder Fremdnutzung der <strong>Sport</strong>stätten und vor allem die<br />

Tatsache, dass die Menschen erst e<strong>in</strong>mal genug zu tun hatten, das alltägliche Überleben zu<br />

organisieren.<br />

Besonders schwer hatten es die <strong>Sport</strong>schwimmer, da sich <strong>Jena</strong> schon vor dem 2. Weltkrieg<br />

nicht gerade durch viele moderne Schwimmbäder oder Schwimmhallen auszeichnete. Es gab<br />

<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> außer dem Schwimmvere<strong>in</strong> auch <strong>in</strong> vielen anderen Turn- und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>en starke<br />

Schwimmabteilungen, die sowohl im Volksbad, <strong>in</strong> den Saalebadeanstalten im Nord- und um<br />

Südbad ihre Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs- und Wettkampfstätten hatten. So ist vom VfB, e<strong>in</strong>em Vorläufer des<br />

USV bekannt, dass er 1919 das 1. Deutschvölkische Schwimmfest organisierte, an dem 37<br />

Schwimmvere<strong>in</strong>e und 10 Damen-Schwimmvere<strong>in</strong>e aus ganz Deutschland teilnahmen. Die<br />

Leitung haben Dr. Oskar Leonhardt der 1. Vorsitzende des VfB und e<strong>in</strong> Paul Biehle.<br />

Leonhard (VfB) war viele Jahre gleichzeitig Vorsitzender des Gaus <strong>Jena</strong> des Thür<strong>in</strong>ger<br />

80


Schwimmverbandes. Bei größeren nationalen Schwimmwettkämpfen, wie 1935 die<br />

Deutschen Hochschulmeisterschaften, wich man allerd<strong>in</strong>gs nach Weimar <strong>in</strong>s Schwanseebad<br />

aus, wo es e<strong>in</strong>e 50m-Bahn gab.<br />

Umso verwunderlicher ist es, dass aus Anfang der 1950er mit Gerhard Giera, Dietmar Abicht<br />

und Jutta Großmann gleich drei DDR-Meister und <strong>in</strong>ternational erfolgreiche Schwimmer<br />

kamen. Jutta Großmann wurde sogar die erste Europameister<strong>in</strong> der DDR. Wie so häufig <strong>in</strong> der<br />

<strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong> der Stadt <strong>Jena</strong>, waren diese drei Aktiven durch ihr Studium an der Friedrich-<br />

Schiller-Universität nach <strong>Jena</strong> gekommen. Außerhalb studentischer Wettkämpfe starteten sie<br />

meist für ihre Heimatvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Erfurt und Magdeburg. Lediglich Dietmar Abicht bildete hier<br />

e<strong>in</strong>e Ausnahme, er g<strong>in</strong>g 1951 für Motor Zeiss <strong>Jena</strong> an den Start und wurde DDR-Meister über<br />

100m Rückenschwimmen.<br />

Ob mit diesen erfolgreichen Schwimmern das Projekt aus dem Jahre 1950 zusammenh<strong>in</strong>g, das<br />

Südbad umzubauen, kann nur vermutet werden. So wurde der erste Bauabschnitt am<br />

Schleichersee übergeben. Der E<strong>in</strong>tritt erfolgte beim Lichtenha<strong>in</strong>er Flußbad. Hier konnte man<br />

die Umkleidemöglichkeiten nutzen und dann über e<strong>in</strong>e Pontonbrücke zum Schleichersee<br />

gehen. Auf e<strong>in</strong>er Landzunge war im See e<strong>in</strong> Pavillon für die Schwimmmeister entstanden und<br />

zwei Toiletten waren neu gebaut worden. Die Fundamente für Umkleideräume und e<strong>in</strong>e<br />

Gaststätte waren schon gelegt. 1951 sollte dann e<strong>in</strong>e Insel im See angelegt werden, e<strong>in</strong>e<br />

Zuschauertribüne und e<strong>in</strong>e feste 50m-Schwimmbahn. E<strong>in</strong>e feste Brücke sollte e<strong>in</strong>en schnellen<br />

Zugang von Lichtenha<strong>in</strong> aus ermöglichen.<br />

Anfang der 1950er Jahre startete Dietmar Abicht auch mehrfach für die Nationalmannschaft.<br />

So g<strong>in</strong>g er <strong>in</strong> Prag und Budapest an bei Internationalen studentenwettkämpfen an den Start.<br />

Hier bei Wettkämpfen im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsanzug der DDR-Nationalmannschaft bei e<strong>in</strong>em<br />

Wettkampf <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

1951 Als noch im Freien geturnt wurde<br />

Das von Friedrich Ludwig Jahn um 1815 begründete Turnen fand anfangs immer <strong>in</strong> der freien<br />

Natur statt. Auf speziellen Plätzen bauten sich die Turner aus Baumstämmen ihre Turngeräte,<br />

wie Balken, Reck und Barren selber. Im W<strong>in</strong>ter und bei schlechtem Wetter musste daher das<br />

Turnen oft ausfallen. Deswegen begann bald die Suche nach witterungsunabhängigen<br />

Turnmöglichkeiten. E<strong>in</strong>fache Überdachungen oder Säle von Gaststätten genügten am Anfang.<br />

In <strong>Jena</strong> wurde 1858 beim Bau der Johann-Friedrich-Schule von Karl Stoy e<strong>in</strong>e eigene<br />

Turnhalle e<strong>in</strong>geplant und gebaut. Dies ist e<strong>in</strong>e der ersten Schulturnhallen <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Trotzdem wurde im Sommer gerne im Freien geturnt. E<strong>in</strong>er der letzten Turnplätze <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

entstand sogar erst Anfang der fünfziger Jahre h<strong>in</strong>ter dem heutigen Institut für<br />

81


<strong>Sport</strong>wissenschaft, im Volksmund auch als Muskelkirche bekannt. Unweit der Stelle, wo<br />

heute der USV se<strong>in</strong>e Dreifelderhalle baut, wurden damals Reck, Barren und vor allem<br />

Schaukelr<strong>in</strong>ge mit entsprechenden Sandgruben angelegt. Zu den Initiatoren gehörten<br />

Wolfgang Gutewort und Walter Wurzler. Walter Wurzler hatte bereits vor dem Krieg <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

se<strong>in</strong> „Turnlehrerexamen“ am damaligen Institut für Leibesübungen abgelegt. Wolfgang<br />

Gutewort kam als leistungsstarker Jugendturner aus Apolda an vielen Wochenenden nach<br />

<strong>Jena</strong>, wo e<strong>in</strong>e Thür<strong>in</strong>ger Turnauswahl die Turnhalle des Instituts für Leibesübungen zum<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nutzte.<br />

Nach dem Gutewort bereits 1948 erfolgreich die ersten Thür<strong>in</strong>ger Studentenmeisterschaften<br />

im Turnen im heutigen Stadion – ebenfalls natürlich im Freien – organisiert hatte, wurde er ab<br />

1949 als Hilfsassistent für das Turnen bei der Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit den übrigen Lehrkräften des Instituts und den <strong>Sport</strong>studenten baute er<br />

1950/51 den Turnplatz h<strong>in</strong>ter dem Institut.<br />

Thür<strong>in</strong>ger Hochschulmeisterschaften 1948 im Stadion. Wolfgang Gutewort am Barren.<br />

3. Übung an den Schaukelr<strong>in</strong>gen, als Sicherheitsstellung Manfred Dressler.<br />

1962 Baracke statt <strong>Sport</strong>halle<br />

1952 Tetschke – die erste Direktor<strong>in</strong><br />

Das ganze Gebäude des heutigen Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft wurde erst sechs Jahre nach<br />

der Wiedereröffnung der Universität nach dem Krieg 1951 wieder für den <strong>Sport</strong> genutzt. Elli<br />

Tetschke wurde im gleichen Jahr als erste Direktor<strong>in</strong> des Instituts für Körpererziehung (IfK)<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Sie war damit deutschlandweit die erste Frau, die e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut leitete.<br />

Geboren 1901 <strong>in</strong> Breslau wurde sie als Waisenk<strong>in</strong>d bei e<strong>in</strong>er Tante aufgezogen. <strong>Sport</strong>liche<br />

Interessen und der E<strong>in</strong>fluss ihres späteren Mannes, Max Tetschke, e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Saarbrücken<br />

bekannter <strong>Sport</strong>ler und Tra<strong>in</strong>er führten dazu, dass sie e<strong>in</strong>e Ausbildung als Schwimmlehrer<strong>in</strong><br />

aufnahm, welche sie 1930 erfolgreich abschloss. In diese Zeit fallen auch ihre größten<br />

sportlichen Erfolge. Jahre lang war sie schlesische Landesmeister<strong>in</strong> im Schwimmen,<br />

Kunstspr<strong>in</strong>gen und Tauchen. 1929 wurde sie doppelte Deutsche Meister<strong>in</strong> der „Deutschen<br />

Turnerschaft“ im Schwimm-Mehrkampf und im 40-Meter-Streckentauchen. Neben der<br />

Schwimmlehrerprüfung qualifizierte sich Elli Tetschke zusätzlich zur Lehrer<strong>in</strong> der<br />

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„vorbeugenden und ausgleichenden Leibesübung“. Von 1930-1934 war sie leitende<br />

Schwimmmeister<strong>in</strong> und <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wünschelburg/Schlesien. 1931 begleitete sie die<br />

erste deutsche Kanalschwimmer<strong>in</strong> Anni Weynell als Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> und Betreuer<strong>in</strong>.<br />

Auf Grund ihrer jüdischen Herkunft verlor sie 1934 ihre Anstellung und kam <strong>in</strong> den letzten<br />

Kriegsjahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitslager. 1945 gelang ihr auf e<strong>in</strong>em Transport <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Konzentrationslager die Flucht. In dieser Zeit begann auch ihre politische Kariere, die nach<br />

der Umsiedlung nach Thür<strong>in</strong>gen dazu führte, dass sie Gründungsmitglied e<strong>in</strong>er KPD-Gruppe<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lehrerbildungs<strong>in</strong>stitut <strong>in</strong> Erfurt wurde. Obwohl schon 45 Jahre alt g<strong>in</strong>g Tetschke<br />

1946 an die Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität <strong>Jena</strong>. Nach erfolgreichem Abitur<br />

konnte sie 1950 das Staatsexamen für das „Lehramt an Grundschulen“ ablegen. Politisch<br />

engagierte sie sich im Studentenrat der Universität und als VVN-Mitglied im Stadtrat von<br />

<strong>Jena</strong>. Auf Grund der politische begründeten Verhaftung von Hans Beitz (CDU), der eigentlich<br />

Ende 1950 die Leitung der beg<strong>in</strong>nenden Ausbildung von <strong>Sport</strong>lehrern an der Universität<br />

übernehmen sollte, wurde Elli Tetschke <strong>in</strong> diese Funktion e<strong>in</strong>gesetzt. Obwohl fachlich völlig<br />

überfordert, hielt sie sich bis 1956 als Institutsdirektor<strong>in</strong>, bevor sie von jungen Mitarbeitern<br />

„gestürzt“ wurde. E<strong>in</strong>e ihrer ersten Amtshandlungen mit jungen damaligen Mitarbeitern um<br />

Georg Buschner und Walter Wurzler war die Erarbeitung e<strong>in</strong>er Konzeption zur weiteren<br />

Entwicklung des IfK. Dar<strong>in</strong> wurde schon 1952 der Bau e<strong>in</strong>er 60m Spielhalle beantragt, was<br />

etwa e<strong>in</strong>er Dreifelderhalle entspricht, die jetzt nach 55 Jahren durch die Initiative des USV<br />

<strong>Jena</strong> e. V. Gestalt annahm.<br />

Gut zugehört haben die Studenten, wenn die diplomierte Schwimmmeister<strong>in</strong> Elli Tetschke,<br />

wie hier im Volksbad, im Schwimmsport lehrte.<br />

83


Vorteil, Tetschke! Die Schwimmer<strong>in</strong> war auch dem weißen <strong>Sport</strong>, Tennis, nicht abgeneigt.<br />

1954 Schwimmeuropameister<strong>in</strong> aus <strong>Jena</strong><br />

Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs- und Wettkampfbed<strong>in</strong>gungen für den Schwimmsport kann man auch heute<br />

nicht gerade als optimal bezeichnen. Bis zum Bau der „Volksschwimmhalle“ <strong>in</strong> Neulobeda<br />

war das beste Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbecken der Schleichersee, da das Volksbad nicht mal e<strong>in</strong>e<br />

normgerechte Länge hatte und zudem mit den abgerundeten Ecken nur Platz für drei bis vier<br />

Bahnen bot. Es ist daher nicht verwunderlich, dass erfolgreiche Schwimmer, die <strong>Jena</strong>s Namen<br />

weit über Thür<strong>in</strong>gens Grenzen h<strong>in</strong>aus trugen, meist nicht aus <strong>Jena</strong> kamen und oft<br />

Student<strong>in</strong>nen oder Studenten an der Universität waren. Bereits Ende der zwanziger Jahre des<br />

vorigen Jahrhunderts machte der Student Karl Hellwig mit se<strong>in</strong>en Siegen bei Deutschen<br />

Hochschulmeisterschaften 1928 über 1500m <strong>in</strong> 25:40,4 und 1929 über 400m Freistil <strong>in</strong><br />

15:45,0 auf <strong>Jena</strong> aufmerksam. Nach dem Krieg gab es dann Anfang der fünfziger Jahre <strong>in</strong><br />

<strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>e starke Schwimmabteilung bei der HSG Uni <strong>Jena</strong>. Sowohl Schwimmer als auch<br />

Spr<strong>in</strong>ger brachten es zu Meisterehren. Dies wurde sicher auch dadurch positiv bee<strong>in</strong>flusst,<br />

dass die Direktor<strong>in</strong> des Instituts für Körpererziehung als Lehrgegenstand vor allem<br />

Schwimmen und Kunstspr<strong>in</strong>gen pflegte.<br />

1950, bei den 1. DDR-Studentenmeisterschaften waren es Gerhard Giera über 100m<br />

Schmetterl<strong>in</strong>g und 200m Brust und Karl Poller im Turmspr<strong>in</strong>gen, die e<strong>in</strong>e Goldmedaille<br />

holten. Auf Grund der guten Leistungen konnten Gerhard Giera und Jutta Großmann dann zu<br />

Studenten-Weltmeisterschaften, dem Vorläufer der Universiade nach Prag fahren, wo Giere<br />

100m Brust <strong>in</strong> 1:15,5 gewann und Großmann Dritte über 100m Freistil <strong>in</strong> 1:11,2 ebenfalls<br />

Dritte über 1000m <strong>in</strong> 14:46,4 wurde. Schwimmer wie Wolfgang Timpel und Felix Rübsam<br />

konnten <strong>in</strong> dieser Zeit ebenfalls viele Siege bei Schwimmwettkämpfen nach <strong>Jena</strong> holen,<br />

waren aber vor allem als Übungsleiter tätig. Das beste Ergebnis erreichte Jutta Großmann,<br />

die <strong>in</strong>zwischen verheiratet unter Langenau startete bei den Europameisterschaften 1954 <strong>in</strong><br />

Tur<strong>in</strong>. Sie holte <strong>in</strong> ihrer Spezialdiszipl<strong>in</strong> über 100m Schmetterl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> 1:16,6 den ersten<br />

Europameistertitel für den DDR-Schwimmsport überhaupt. Jutta Langenau stammte ebenso<br />

wie Gerhard Giera und Wolfgang Timpel aus Erfurt, wo sie vorwiegend tra<strong>in</strong>ierten. Nach<br />

Beendigung ihres <strong>Sport</strong>lehrerstudiums <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> g<strong>in</strong>g sie wieder nach Erfurt zurück, wo sie als<br />

<strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> und Übungsleiter<strong>in</strong> im Schwimmen bis 1978 tätig war. Unter anderem tra<strong>in</strong>ierte<br />

der mehrfache Olympiasieger Roland Matthes als Jugendlicher bei ihr, der nach Beendigung<br />

se<strong>in</strong>er sportlichen Laufbahn auch e<strong>in</strong>ige Semester se<strong>in</strong>es Mediz<strong>in</strong>studiums an der <strong>Jena</strong>er<br />

Universität absolvierte. Die 1933 geborene Jutta Langenau verstarb 1982 <strong>in</strong> Erfurt.<br />

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Der Rektor der Universität, Prof. Dr. Josef Hämel, empf<strong>in</strong>g Jutta Langenau 1954 nach ihrem<br />

Europameistererfolg.<br />

1958 14 DDR-Meistertitel für <strong>Jena</strong><br />

Ab 1951 entwickelte sich die Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft der Universität, heute USV <strong>Jena</strong> e.<br />

V. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen <strong>Sport</strong>arten zu e<strong>in</strong>em Leistungssportzentrum der DDR. Neben der Leichtathletik,<br />

dem Volley- und dem Basketball gehörte dazu besonders der Kanu-Rennsport. Während<br />

Anfangs auch noch Kanuslalom tra<strong>in</strong>iert wurde und der <strong>Sport</strong>student und aktive Turner Harry<br />

Pippardt 1951 sogar e<strong>in</strong>en zweiten Platz bei den DDR-Meisterschaften für die Universität<br />

err<strong>in</strong>gen konnte, lag auf Grund der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen auf der Saale der Schwerpunkt bald<br />

bei den Spr<strong>in</strong>tstrecken (500m). Als größtes Talent entwickelte sich <strong>in</strong> kürzester Zeit Ingelore<br />

Plonka, die bereits unter ihren Mädchennamen S<strong>in</strong>t 1952 den ersten DDR-Meistertitel im K1<br />

über 500m nach <strong>Jena</strong> holte. Insgesamt 14 DDR-Meistertitel gehen auf ihr Konto, davon 6 im<br />

E<strong>in</strong>er, vier im Zweier jeweils zwei mal mit Helga Frohn und Edith Be<strong>in</strong> und vier im Vierer<br />

mit Helga Frohn, Greta Franz und Waltraud Schau. Übungsleiter und später Tra<strong>in</strong>er der Uni-<br />

Kanuten war Klaus Weigelt, der selber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aktiven Zeit zwei mal DDR-Meister über<br />

500m im K1 wurde. Klaus Weigelt wurde 1957 Cheftra<strong>in</strong>er des DDR-Kanuverbandes und<br />

Ingelore Plonka gehörte zum DDR-Auswahl. Der HSG-Vorsitzender Georg Pfeiffer konnte<br />

1958 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rechenschaftsbericht über e<strong>in</strong>en sehr guten der 4. Platz von Ingelore Plonka im<br />

Kanu bei den „Sommerspielen“ <strong>in</strong> Moskau berichten. Nachdem sie ihre sportliche Laufbahn<br />

beendet hatte, war sie noch jahrelang als Übungsleiter<strong>in</strong> bei der HSG tätig und auch heute<br />

verfolgt sie aus Hakenstedt, wo sie jetzt wohnt, die Entwicklung der Abteilung Kanu des USV<br />

mit großem Interesse.<br />

Die Kanuabteilung der HSG pflegte bis zum Mauerbau 1961 sehr <strong>in</strong>tensive Kontakte zu<br />

Kanuvere<strong>in</strong>en im Ausland und <strong>in</strong> Westdeutschland. Mit dem Frankfurter Kanuvere<strong>in</strong> 1913<br />

gab es wiederholt Vergleichskämpfe, bzw. Frankfurter kamen zur Spr<strong>in</strong>tregatta nach <strong>Jena</strong>.<br />

Die Uni-Kanuten starteten z. B. im Mai 1960 mit zwölf Kanuten, darunter fünf Deutsche<br />

Meister bei der Frankfurter Kanuregatta <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Dass der Delegationsleiter und<br />

damalige HSG Vorsitzende He<strong>in</strong>tz Keitz nach heutigem Sprachgebrauch e<strong>in</strong> IM des<br />

M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit war, war sicher ke<strong>in</strong> Zufall, ist aber e<strong>in</strong>e andere <strong>Geschichte</strong>.<br />

Ingelore Plonka <strong>in</strong> Führung bei der Spr<strong>in</strong>tregatta auf der Saale im Jahre 1958: Dieser<br />

hochkarätig besetzte Wettkampf fand im Rahmen der Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag der<br />

Universität statt und der Senat der Friedrich-Schiller-Universität stiftete die Siegerpokale.<br />

85


1953 Als aus Korbball der Basketball wurde<br />

In Deutschland fasste der Basketball erst recht spät und zwar im Zusammenhang mit der<br />

Vorbereitung der Olympischen Sommersportspiele 1936 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> so richtig Fuß. Bis dah<strong>in</strong><br />

wurde vor allem <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en, die zum Turnerbund gehörten, Korbball gespielt. Ab 1935<br />

versuchte die deutsche <strong>Sport</strong>führung, Basketball-Mannschaften aufzubauen und Lehrkräfte<br />

auszubilden. So wurden an verschiedenen Instituten für Leibesübungen entsprechende Kurse<br />

angeboten. Für <strong>Jena</strong> ist dies zwar nicht nachgewiesen, da aber aus dem Jahre 1939 die<br />

Existenz e<strong>in</strong>es Basketball-Feldes <strong>in</strong> der großen Halle der „Muskelkirche“ belegt ist, muss man<br />

vermuten, dass diese junge <strong>Sport</strong>art auch im <strong>Jena</strong>er Universitätssportprogramm e<strong>in</strong>e Rolle<br />

gespielt hat. Bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften 1940 <strong>in</strong> Braunschweig beteiligte<br />

sich <strong>Jena</strong> mit e<strong>in</strong>er Männermannschaft im Basketball, die immerh<strong>in</strong> Platz sechs belegt.<br />

Mit der Wiederaufnahme des Lehrbetriebes nach dem Krieg konnte erst mal ke<strong>in</strong> Basketball<br />

gespielt werden, da die <strong>Sport</strong>hallen <strong>in</strong> der Muskelkirche durch die Rote Armee belegt waren.<br />

Die Basketballkörbe blieben aber erhalten und wurden bei der Renovierung der Hallen 1948<br />

<strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>e Halle umgesetzt. Ab Sommersemester 1950 unterrichtete Walter Wurzler hier<br />

zukünftige <strong>Sport</strong>lehrer im Basketball. E<strong>in</strong>er der ersten <strong>Sport</strong>studenten, Wolfgang Hercher,<br />

besuchte vom 16.-28. Oktober 1950 den ersten Übungsleiterlehrgang für Basketball <strong>in</strong> der<br />

DDR. Er war auch der Gründungsvater der Sektion Basketball der HSG. Geme<strong>in</strong>sam mit<br />

Boris Deltow wurde er für die nächsten Jahre zum wesentlichsten Motor der<br />

Basketballentwicklung <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und <strong>in</strong> ganz Thür<strong>in</strong>gen. Beide wurden Mitglieder der DDR<br />

Auswahl der Studierenden und später Tra<strong>in</strong>er der Nationalmannschaft bzw. wichtige<br />

Funktionäre im Basketballverband und Lehrkräfte an der DHfK. Das von ihnen stammende<br />

große Basketball-Handbuch des <strong>Sport</strong>verlages ist noch <strong>in</strong> vielen Passagen bis auf die heutige<br />

Zeit gültig.<br />

1953: Die beiden <strong>Jena</strong>er Basketballpioniere Hercher und Deltow bei e<strong>in</strong>em Lehrgang der<br />

DDR-Nationalmannschaft.<br />

1955 E<strong>in</strong>fach die <strong>Sport</strong>art gewechselt<br />

86


Mit der Gründung der Abteilung Basketball bei der HSG Anfang der fünfziger Jahre stand<br />

auch die Frage nach e<strong>in</strong>er Frauenmannschaft. Wolfgang Hercher, der als Tra<strong>in</strong>erassistent bei<br />

den Nationalmannschaftsspielen im Basketball zu der Europameisterschaften 1952 <strong>in</strong> Rostock<br />

dabei war, sprach geme<strong>in</strong>sam mit Boris Deltow spielbegeisterte <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen an. Unter<br />

den etwa 100 <strong>Sport</strong>lehrerstudenten, die an dem 1951 neu eröffneten Institut für<br />

Körpererziehung studierten, waren damals etwa 25 Student<strong>in</strong>nen, von denen schon alle ihre<br />

<strong>Sport</strong>art gefunden hatten. E<strong>in</strong>ige Volleyballer<strong>in</strong>nen, die unter Manfred Dresslers Leitung sehr<br />

erfolgreich tra<strong>in</strong>ierten, entschlossen sich zusätzlich auch Basketball zu tra<strong>in</strong>ieren. Kar<strong>in</strong><br />

Hercher, Annemarie Hoffmann, Christa Kuhles, Helga Zimmermann und Helga Zumpf<br />

wurden zu Stammspieler<strong>in</strong>nen und brachten es bis zur Kernauswahlmannschaft der DDR, was<br />

etwa der heutigen Nationalmannschaft entspricht. Annemarie Hoffmann, obwohl fast die<br />

Kle<strong>in</strong>ste von der Mannschaft, war sogar zeitweilig Mannschaftsführer<strong>in</strong>. Wolfgang Hercher<br />

wurde 1954 bei der HSG Wissenschaft <strong>Jena</strong> als Basketball-Tra<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gestellt, und Annemarie<br />

Hoffmann wurde <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong> an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät der Universität. Die<br />

Basketballfrauen der HSG waren Anfangs fast so erfolgreich wie die Männermannschaft.<br />

1955 spielten sie genauso wie die Männer <strong>in</strong> der Oberliga. Viele der Spieler<strong>in</strong>nen waren auch<br />

als Übungsleiter<strong>in</strong>nen an <strong>Jena</strong>er Schulen tätig. Zu den erfolgreichsten zählte Helga Zumpf an<br />

der Angerschule. Durch berufliche Veränderungen und Wegzug von <strong>Jena</strong>, Heirat und vor<br />

allem, weil Wolfgang Hercher <strong>Jena</strong> verlassen hatte, verlor das Frauenteam zunehmend an<br />

Leistungsstärke auch weil erst die Uni Halle und später die DHfK <strong>in</strong> Leipzig als Zentren des<br />

studentischen Leistungssports stärker als die Uni <strong>Jena</strong> gefördert wurden. Erst Ende der<br />

siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts konnten die Basketballer<strong>in</strong>nen der HSG unter<br />

Leitung von Dr. Siegfried Stange mit mehreren Bronzemedaillen bei DDR-<br />

Studentenpokalwettbewerben wieder an die alten Erfolge anknüpfen.<br />

Vom HSG-Frauenvolleyballteam, hier 1952 mit Manfred Dressler <strong>in</strong> der heutigen<br />

Thür<strong>in</strong>genhalle, wechselten drei zum Basketball und wurden <strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren so<br />

erfolgreich, dass sie <strong>in</strong> die DDR-Auswahl berufen wurden.<br />

1958 Auch <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> gab es W<strong>in</strong>tersport<br />

<strong>Jena</strong> ist nicht gerade als W<strong>in</strong>tersporthochburg bekannt, was schon durch die geographische<br />

Lage bed<strong>in</strong>gt ist. Trotzdem f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong>e ganze Reihe erfolgreicher W<strong>in</strong>tersportler. Dass<br />

87


norwegische Studenten aus <strong>Jena</strong> Ende des 19. Jahrhunderts zur Verbreitung des Skilaufs <strong>in</strong><br />

Thür<strong>in</strong>gen beigetragen haben gehört wohl eher <strong>in</strong> das Reich der Legenden, da <strong>in</strong> dieser Zeit<br />

nur e<strong>in</strong>ige wenige Schweden an der Universität immatrikuliert waren. Nachgewiesen ist aber,<br />

dass am 5. Februar 1905 an der ersten Hauptversammlung des Thür<strong>in</strong>ger-W<strong>in</strong>tersport-<br />

Verbandes <strong>in</strong> Oberhof e<strong>in</strong> Herr Werkmeister für die <strong>Jena</strong>er Universität <strong>Jena</strong> teilgenommen<br />

hat. Mitte der zwanziger Jahre kaufte der Vorsitzende des akademischen Ausschusses für<br />

Leibesübungen Prof. Dr. Georg v. Zahn für die Universität e<strong>in</strong>e Fachwerkhütte auf dem<br />

Pfanntalskopf als Skihütte. In dieser Zeit machte sich der Universitätsturnlehrer Hermann<br />

Eitel um den Skisport verdient. Er war viele Jahre Lehrwart des Thür<strong>in</strong>ger<br />

W<strong>in</strong>tersportverbandes und als Kampfrichter bei Deutschen Meisterschaften und<br />

<strong>in</strong>ternationalen Wettkämpfen sehr gefragt. Für die Olympischen W<strong>in</strong>terspiele 1936 <strong>in</strong><br />

Garmisch Partenkirchen wurde er sogar als Hauptkampfrichter extra beim Thür<strong>in</strong>gischen<br />

Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium angefordert. Verschiedene <strong>Jena</strong>er Vere<strong>in</strong>e hatten Skiabteilungen.<br />

Nach 1945 waren es <strong>Jena</strong>er Studenten, die bereits im W<strong>in</strong>ter 1947 die ersten<br />

Skihochschulmeisterschaften der Sowjetischen Besatzungszone <strong>in</strong> Georgenthal und Oberhof<br />

organisierten. Als Wettkämpfe s<strong>in</strong>d Torlauf, Abfahrtslauf und Spezialsprunglauf benannt. Zu<br />

den „Ski-Pionieren“ gehörten z. B. He<strong>in</strong>z Unger, der dann zeitweilig Mannschaftsarzt der<br />

W<strong>in</strong>tersportnationalmannschaft wurde oder Lothar Köhler, der 1990 Gründungsvizepräsident<br />

des Thür<strong>in</strong>ger Skiverbands war und Lothar Eichhorn-Beyer, der erste Meister des <strong>Sport</strong>s der<br />

HSG Uni <strong>Jena</strong> und spätere erfolgreiche Tra<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Zella-Mehlis.<br />

Es gab auch e<strong>in</strong>ige erfolgreiche Skisportler <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, die zum<strong>in</strong>dest im nationalen Rahmen von<br />

sich reden machten. So wurde bei den deutschen Hochschulmeisterschaften 1935 He<strong>in</strong>z<br />

Miller zweiter <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation, dritter im Slalom. 1951 gewann Werner Kühnert bei den<br />

DDR-Studentenmeisterschaften die Silbermedaille im Spezialsprunglauf. Bei den DDR-<br />

Meisterschaften 1955 konnten Klaus Duphorn, Jochen Hederich, Ra<strong>in</strong>er Anders und Hans<br />

Weckel e<strong>in</strong>e Bronzemedaille im 15km Patrouillenlauf gew<strong>in</strong>nen. 1958 wurde Helga<br />

Hauptmann (Weckel) bei den DDR-Meisterschaften über 5km Zweite, was 1960 Inge Köhler<br />

(alle HSG Uni <strong>Jena</strong>) wiederholen konnte.<br />

1958 waren u. a. folgende Skiläufer der HSG beim Brockenabschlusslauf: Inge Köhler (vorn<br />

2.v.l.), Helga Weckel (vorn 5.v.l.), Werner Kühnert (h<strong>in</strong>ten, 2.v.l.) und Hans-Georg Weckel<br />

(h<strong>in</strong>ten Mitte mit Hut).<br />

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1956 Sprungschanze am Nordhang des Forstes<br />

Die W<strong>in</strong>tersportarten hatten es <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> immer sehr schwer. Ausschlaggebend dafür waren<br />

häufiger Schneemangel und vor allem die Konkurrenz anderer <strong>Sport</strong>arten wie Turnen,<br />

Leichtathletik und Fußball. Dass <strong>Jena</strong> sogar im Sprunglauf und <strong>in</strong> der Nordischen<br />

Komb<strong>in</strong>ation erfolgreiche W<strong>in</strong>tersportler hatte ist weitestgehend unbekannt. Bei den 1.<br />

Studenten-W<strong>in</strong>tersportmeisterschaften der DDR 1951 <strong>in</strong> Brotterode wurde Werner Kühnert<br />

von der HSG <strong>Jena</strong>, dem Vorgänger des USV; Silbermedaillengew<strong>in</strong>ner im Spezialsprunglauf.<br />

Ebenfalls Silber errang er 1953 bei der ersten Zentralen W<strong>in</strong>tersportmeisterschaft der<br />

<strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>igung Wissenschaft (SV) <strong>in</strong> Oberwiesenthal und 1954 holte er sich sogar Gold bei<br />

den SV Meisterschaften <strong>in</strong> Lauscha. In Lauscha war er sozusagen auf heimatlichem<br />

Territorium, da er aus dem nur wenige Kilometer entfernten Pisau stammt und häufig auf der<br />

Lauschaer Großschanze tra<strong>in</strong>iert hatte. Sprünge über 50m waren ke<strong>in</strong>e Seltenheit von Werner<br />

Kühnert.<br />

Er war Ende der vierziger Jahre als <strong>Sport</strong>student nach <strong>Jena</strong> gekommen und wurde nach<br />

Abschluss se<strong>in</strong>es Studiums 1952 als erster Hochschulsportlehrer für den „Allgeme<strong>in</strong>en<br />

Studentensport“ an der Universität e<strong>in</strong>gestellt. Außer dem Skisprung musste er als<br />

„Nordischer“ auch den Langlauf gut beherrschen. Viele Medaillen errang er hier<strong>in</strong> bis <strong>in</strong> die<br />

sechziger Jahre bei den Meisterschaften des Bezirkes Gera err<strong>in</strong>gen. Bei den den<br />

Studentenmeisterschaften der DDR 1957 <strong>in</strong> Lauscha kam er zu e<strong>in</strong>em Sieg über 10km <strong>in</strong> der<br />

akademischen Klasse (für Mitarbeiter von Hochschulen).<br />

Dies dürfte aber nicht dafür ausschlaggebend gewesen se<strong>in</strong>, dass 1956 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> von<br />

Mitgliedern der BSG Motor Schott im NAW mit dem Bau e<strong>in</strong>er Sprungschanze begonnen<br />

wurde. Mitte der fünfziger Jahre setzte auf Grund der hervorragenden <strong>in</strong>ternationalen Erfolge<br />

von Skispr<strong>in</strong>gern wie Harry Glass e<strong>in</strong>e gezielte Förderung dieser <strong>Sport</strong>art <strong>in</strong> der DDR e<strong>in</strong>.<br />

Besonders <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen hatte jeder Ort, der über e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>igermaßen geeigneten Berg<br />

verfügte, e<strong>in</strong>e Sprungschanze. In <strong>Jena</strong> begann man mit dem Bau e<strong>in</strong>er Schanze an e<strong>in</strong>em<br />

Nordosthanges des Forstes zwischen Waldschlösschen und oberen Mädertal. Initiator und<br />

Bauleiter des Projektes war der Skitra<strong>in</strong>er Willy Franke. Die Reste <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

Waldschneise f<strong>in</strong>den Ortskundige heute noch. Der Bau wurde aber nicht vollendet. Die<br />

Schanze geriet bald <strong>in</strong> Vergessenheit und die <strong>Jena</strong>er W<strong>in</strong>tersportler konzentrierten sich auf<br />

den Skilanglauf.<br />

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1956: <strong>Sport</strong>ler beim Arbeitse<strong>in</strong>satz beim Sprungschanzenbau <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Skispr<strong>in</strong>ger Werner Kühnert von der HSG <strong>Jena</strong>, dem Vorläufer des USV, bei e<strong>in</strong>em Sprung<br />

auf der Schanze <strong>in</strong> Oberwiesenthal. Er holte 1951 <strong>in</strong> Brotterode Silber bei den 1. DDR-<br />

Studentenmeisterschaften.<br />

1955 Verb<strong>in</strong>dung nach Frankfurt<br />

In der <strong>Geschichte</strong> des <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>s E<strong>in</strong>tracht Frankfurt, die 1861 als Turngeme<strong>in</strong>de beg<strong>in</strong>nt,<br />

spielt nach dem I. Weltkrieg der Turner Georg Pfeiffer e<strong>in</strong>e herausragende Rolle. Georg<br />

Pfeiffer wurde 1897 <strong>in</strong> Griesheim/Ma<strong>in</strong> geboren. Bereits als junger Mann wurde er Mitglied<br />

der Turngeme<strong>in</strong>de Frankfurt, aus der später der Fußball und Turnvere<strong>in</strong> „E<strong>in</strong>tracht“ wurde.<br />

1925 besuchte Pfeiffer e<strong>in</strong>en Ausbildungslehrgang für Turnlehrer an der Hochschule für<br />

Leibesübungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Als erfolgreicher Turner, der 1926 mit der Deutschlandriege <strong>in</strong> den<br />

USA weilte, wurde er hauptamtlich als Turnlehrer und Geschäftsführer bei der Turngeme<strong>in</strong>de<br />

e<strong>in</strong>gestellt. Die Jahn-Riege dieses Vere<strong>in</strong>s, von Georg Pfeiffer 1925 gegründet und dann auch<br />

tra<strong>in</strong>iert, begann ihren Siegeszug bei den Turnfesten 1923 <strong>in</strong> München und 1928 <strong>in</strong> Köln. Der<br />

Weltmeistertitel von Ernst W<strong>in</strong>ter 1934 <strong>in</strong> Budapest und bei den Olympischen Spielen 1936<br />

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<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d die herausragenden Ergebnisse Pfeiffers als Turntra<strong>in</strong>er. Nach Beg<strong>in</strong>n des II.<br />

Weltkrieges wurde Georg Pfeiffer 1941 Schulleiter der Reichsbundschule für Leibesübungen<br />

<strong>in</strong> Bad Blankenburg. Diese <strong>Sport</strong>schule wurde übrigens Mitte der zwanziger Jahre vor allem<br />

durch das Engagement der Akademischen Turnerschaft Salia Jenensis gegründet und<br />

ausgebaut. Nach dem Krieg war Pfeiffer Werkschutzleiter und Gewerkschaftsvorsitzender<br />

vom Rundfunkwerk Bad Blankenburg, bevor er 1953 als Turntra<strong>in</strong>er der <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>igung<br />

Wissenschaft an der Universität <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>gestellt wurde. Mit dem W<strong>in</strong>tersemester 1951 war die<br />

Abteilung „Studentische Körpererziehung“ beim Prorektor der Universität gebildet worden.<br />

Sie hatte die Aufgabe, den neu e<strong>in</strong>geführten Pflichtsport für alle Student<strong>in</strong>nen und Studenten<br />

zu organisieren. Der erste Leiter war der bekannte Boxer Hans-Werner Saueracker. Da dieser<br />

se<strong>in</strong> Staatsexamen nicht schaffte, wurde er gekündigt und der Turnlehrer Georg Pfeiffer 1953<br />

zum <strong>Sport</strong>leiter der Abteilung studentische Körpererziehung berufen. Von 1953 bis 1958 war<br />

er auch HSG-Geschäftsführer (Vorläufer des USV) und Vorsitzender. Zwischen 1953 - 1954<br />

war der Prorektor der Universität, Prof. Dr. Rudolf Neubert, nom<strong>in</strong>eller HSG-Vorsitzender.<br />

Dieser wurde später e<strong>in</strong>er der bekanntesten Sexualpädagogen <strong>in</strong> der DDR. Se<strong>in</strong> „Neues<br />

Ehebuch“ war die bekannteste populärwissenschaftliche Veröffentlichung auf diesem Gebiet.<br />

Im September 1958 musste Georg Pfeiffer se<strong>in</strong>e Tätigkeit an der Universität wegen e<strong>in</strong>er<br />

Kehlkopfoperation aufgeben, die dann von He<strong>in</strong>tz Keitz übernommen wurde. 1960 wurde<br />

Pfeiffer <strong>in</strong>validisiert und wenige Monate später verstarb er <strong>in</strong> Bad Blankenburg.<br />

Georg Pfeiffer (hier im dunklen Anzug vorn) bei der Auszeichnung der Siegermannschaften<br />

des Handballturniers im Rahmen des Universitätssportfestes 1955. H<strong>in</strong>ter ihm steht der<br />

<strong>Sport</strong>lehrer Walter Wurzler.<br />

1957 Basketballspuren <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong><br />

Die Sektion Basketball des USV wurde zu Beg<strong>in</strong>n des Sommersemesters 1951 gegründet. Die<br />

Sektionsleitung übernahmen die <strong>Sport</strong>studenten Wolfgang Hercher und Boris Deltow.<br />

Vorausgegangen war e<strong>in</strong> Lehrgang für Volleyball, zu dem Hercher nach Leipzig gefahren<br />

war. Statt des angekündigten russischen Offiziers, der Volleyball vermitteln sollte war aber<br />

e<strong>in</strong> Offizier gekommen, der Basketballspezialist war, und alle Lehrgangsteilnehmer wurden<br />

als Basketballer geschult. Dieser Lehrgang war so anregend, dass Hercher nach se<strong>in</strong>er<br />

Rückkehr sofort das neue Spiel mit e<strong>in</strong>igen Studenten und Student<strong>in</strong>nen ausprobierte und<br />

anschließend die Sektion gründete. Anfangs gab es kaum Gegner und das erste offizielle<br />

Turnier besuchten die <strong>Jena</strong>er Basketballer im Dezember 1951 <strong>in</strong> Wurzen. In der Zeitung<br />

konnte man anschließend lesen:<br />

„In diesem auserlesenen Feld von Mannschaften, die zum Teil schon auf e<strong>in</strong> 1 1/2 jähriges<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zurückblicken, war der 5. Platz der jungen Vertretung der HSG Uni <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Überraschung. Durch die schlechten Hallenverhältnisse – <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> herrscht e<strong>in</strong> erschreckender<br />

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Mangel an geeigneten <strong>Sport</strong>hallen – konnten die <strong>Jena</strong>er Studentensportler nur sechs Mal<br />

„tra<strong>in</strong>ieren“. Dass sie sich trotzdem verhältnismäßig gut behaupteten, verdanken sie <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie ihrem vorbildlichen Kampfgeist und ihrer E<strong>in</strong>satzfreudigkeit.“<br />

Neben der Männermannschaft wurden auch e<strong>in</strong>e Frauen- und e<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong>nenmannschaft<br />

gegründet und bereits im April 1953 wurden die Basketballmädchen DDR-Jugendmeister. Es<br />

war damals Ehrensache, dass alle Lehrkräfte und Studenten des <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts aktiv <strong>in</strong> der<br />

HSG, dem Vorläufer des USV mitarbeiteten. Viele <strong>Sport</strong>studenten nutzten die HSG, um als<br />

Übungsleiter praktische Lehrerfahrungen mit Schülern zu sammeln. Dazu g<strong>in</strong>gen sie an die<br />

<strong>Jena</strong>er Schulen und warben für die HSG. Die Basketballer waren dabei besonders erfolgreich.<br />

Begünstigt dadurch, dass sich diese <strong>Sport</strong>art erst im Aufbau befand, stellten sich schnell<br />

Erfolge e<strong>in</strong>. So wurden nach dem Jugendmeistertitel 1953 im Jahr darauf die Jungen und<br />

Mädchen der HSG DDR-Jugendmeister, was sie 1955 wiederholen konnten. 1956 folgte der<br />

vierte Titelgew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> Folge durch die Mädchen, die zudem DDR-Pokalsieger wurden. E<strong>in</strong>en<br />

wesentlichen Anteil an den Erfolgen im Mädchenbasketball hatte die Übungsleiter<strong>in</strong><br />

Annemarie Hofmann, die selber als Spieler<strong>in</strong> bis zur Mannschaftsführer<strong>in</strong> der DDR-<br />

Nationalmannschaft aufrückte. Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts übernahm<br />

diese erfolgreiche Basketball-Nachwuchsarbeit Manfred Rosemann, unter dessen Leitung<br />

1972 erstmals die DDR-Jugend und Schülermeisterschaften im Basketball <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> organisiert<br />

wurden.<br />

Übungsleiter<strong>in</strong> Annemarie Hofmann mit den Basketballmädchen Mitte der fünfziger Jahre auf<br />

e<strong>in</strong>en Basketballplatz. Im Sommer wurde damals meist auf Sandplätzen tra<strong>in</strong>iert.<br />

1957 <strong>Sport</strong>vergleiche der Mitteldeutschen Hochschulen haben lange Tradition<br />

Am 3. Juli 2008 treffen sich zum zehnten Mal Professoren der Universitäten Halle, <strong>Jena</strong> und<br />

Leipzig, diesmal im Universitätssportzentrum zu e<strong>in</strong>em Fußball-Turnier. Diese Turniere<br />

gehören zu den regelmäßig stattf<strong>in</strong>den Arbeitstreffen im Universitätsverbund der drei<br />

mitteldeutschen Hochschulen. Dass damit e<strong>in</strong>e mehr als hundertjährige Tradition gepflegt<br />

wird, dürfte weitestgehend unbekannt se<strong>in</strong>. Schon beim ersten Fußballspiel <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> überhaupt,<br />

am 30. Juli 1893, also vor 115 Jahren, spielten weitgehend akademische Mannschaften im<br />

<strong>Jena</strong>er Paradies gegene<strong>in</strong>ander. Nachdem <strong>Jena</strong>er Studenten Mitte Juli 1983 bei e<strong>in</strong>em<br />

Fußballspiel des Akademischen Turnvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Leipzig als Gäste zugeschaut hatten,<br />

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vere<strong>in</strong>barten sie spontan e<strong>in</strong>e Art „Demonstrationsspiel“ <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. In der <strong>Jena</strong>er Mannschaft<br />

spielten fünf Engländer und e<strong>in</strong> Deutsch-Österreicher und weitere Studenten. Unter den<br />

Spielern waren auch der Magister Joseph Joe F<strong>in</strong>dlay, der an der Universität bei den<br />

Pädagogen Wilhelm Re<strong>in</strong> Vorlesungen hörte und der Gymnasialturnlehrer Herrmann Peter.<br />

Beide gelten als Mitbegründer des <strong>Jena</strong>er Fußballs. Es waren etwa 500 Zuschauer zugegen<br />

und <strong>in</strong> der <strong>Jena</strong>ischen Zeitung konnte man damals lesen: „Den Leipzigern sei an dieser Stelle<br />

dafür gedankt, daß sie bereitwillig die Gegnerschaft annahmen und dazu beitrugen, den<br />

Jenensern e<strong>in</strong>en eigenartigen Genuß zu bereiten, gleichzeitig auch der Spielbewegung hier e<strong>in</strong><br />

weiteres Interesse zu verschaffen.“<br />

Später wurden regelmäßig vor allem Leipziger Studenten zu Universitätssportfesten<br />

e<strong>in</strong>geladen. 1920 gab es <strong>in</strong> Halle e<strong>in</strong>en sächsisch-thür<strong>in</strong>gischen Hochschulwettkampf. 1934<br />

wurde zu Mannschaftsvergleichskämpfen der Universitäten Halle, <strong>Jena</strong> und Leipzig nach <strong>Jena</strong><br />

e<strong>in</strong>geladen.<br />

Zwischen 1948 und den 1960er Jahren wurden dann vor allem Vergleichskämpfe <strong>in</strong> den<br />

verschiedensten <strong>Sport</strong>arten gegen die Universität Halle organisiert. Die <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitute <strong>Jena</strong><br />

und Halle und der Studentensport mit der jeweiligen Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft nahmen<br />

e<strong>in</strong>e Spitzenposition im damaligen DDR-Studentensport e<strong>in</strong>. Die Verb<strong>in</strong>dungen zu Leipzig<br />

wurden dabei vernachlässigt, da sich hier der studentische <strong>Sport</strong> zunehmend an der DHfK<br />

konzentrierte. Hier wurde vor allem der Leistungssport gefördert und es waren deutlich<br />

bessere Studien- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen als <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und Halle, weswegen die sportlichen<br />

Vergleiche gegen Leipziger Studentensportler zu DDR-Zeiten eher selten waren.<br />

Heute pflegen fast nur die Professorenfußballer regelmäßige Turniere zwischen den<br />

mitteldeutschen Universitäten.<br />

Das Foto stammt vom Schwimmvergleich gegen Halle im Volksbad im Jahre 1957. Aufs<br />

Geländer aufgestützt Elmar Anthony, heute <strong>in</strong> Ottensheim <strong>in</strong> Österreich zu Hause und später<br />

erfolgreicher Rudertra<strong>in</strong>er und l<strong>in</strong>ks daneben der bekannte <strong>Jena</strong>er Pantomime Harald Seime.<br />

1958 Die Saale als <strong>Sport</strong>platz<br />

Der Rudersport ist seit Ende des 19. Jahrhunderts auf der Saale zu Hause. Viele Vere<strong>in</strong>e und<br />

akademische Verb<strong>in</strong>dungen verfügten über eigene Boote, die großteils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Bootsschuppen auf dem Gelände des „Spielplatzvere<strong>in</strong>s“ etwa dort, wo heute das<br />

Ruderbootshaus der Universität steht, untergebracht waren.<br />

Bei der Gründung der HSG im Jahre 1949 gab es bereits e<strong>in</strong>e Abteilung Rudern, zu der<br />

Anfangs auch die Kanuten gehörten. 1950 nahmen die <strong>Sport</strong>ler dieser Abteilung erstmals an<br />

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den <strong>Jena</strong>er Kreismeisterschaften teil. Für das folgende Jahr s<strong>in</strong>d bereits 81 Ruderer und<br />

Kanuten Mitglieder der HSG, die sich zum Saisonende am HSG-Abrudern auf der Saale<br />

beteiligten. Es gab <strong>in</strong>sgesamt neun Rennen, darunter e<strong>in</strong> Staffelrennen. Als erfolgreichster<br />

Ruderer wurde Lothar Schumacher erwähnt, der auch DDR-Studentenmeister im Rudern war.<br />

Die Kanuten gründeten sich dann bis 1954 als eigene Abteilung <strong>in</strong>nerhalb der HSG aus, und<br />

erster Sektionsleiter wurde Karl-He<strong>in</strong>z Sonntag. Zur Leitung gehörten außerdem Walter<br />

Wurzler, Klaus Weigelt, Manfred Selter und Prof. Helmut Kiesewetter. Die HSG-Kanuten<br />

konzentrierten sich vor allem auf den Kanu-Rennsport, während die anderen<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften vielfach Kanuslalom und Wildwasser bevorzugten. Da die HSG<br />

Kanuten über e<strong>in</strong>ige sehr erfolgreiche <strong>Sport</strong>ler verfügten, so wurde Ingelore S<strong>in</strong>t bereits 1952<br />

im KI über 500m Deutsche Meister<strong>in</strong> und holte <strong>in</strong> den nächsten Jahren <strong>in</strong>sgesamt 14<br />

Meistertitel, wurde schon bald die Idee geboren, auf der Saale größere Regatten zu<br />

organisieren. Die Strecke lag etwa vor dem Paradieskaffee und reichte bis unter die<br />

Paradiesbrücke, da das Wehr damals noch weiter flussabwärts lag.<br />

Im Herbst 1957, sozusagen <strong>in</strong> Vorbereitung des 400. jährigen Universitätsjubiläums,<br />

organisierte die HSG die erste „Spr<strong>in</strong>tregatta um den Senatspreis der Universität“. Es gewann<br />

die Mannschaft des Frankfurter/M. Kanuverbandes. 1958, zur zweiten Spr<strong>in</strong>tregatta, gewann<br />

die Mannschaftswertung um den Pokal des Senats der Universität die DHfK Leipzig. In den<br />

Folgejahren waren sogar <strong>in</strong>ternationale Gäste am Start. 1961 waren die Olympiasieger<br />

Bonfalvi, Fabian und Sagi aus Ungarn am Start. 1962 fand die Spr<strong>in</strong>tregatta zum letzten Mal<br />

statt.<br />

E<strong>in</strong> Wettkampffoto von 1958 vom Spr<strong>in</strong>t der Vierer, hier kurz vor der <strong>Jena</strong>er Paradiesbrücke.<br />

1958 Internationales Tennisturnier <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

Zu den vielen <strong>Sport</strong>veranstaltungen, die es 1958 anlässlich der 400. Jahrfeier der Universität<br />

gab, gehörte auch e<strong>in</strong> Internationales Tennisturnier. Die Berichterstattung <strong>in</strong> den Zeitungen<br />

dazu ist spärlich. Lediglich e<strong>in</strong> kurzer Vorbericht <strong>in</strong> der „Volkswacht“ (Vorgänger der OTZ)<br />

und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ergebnisbericht <strong>in</strong> der Thür<strong>in</strong>gischen Landeszeitung waren zu f<strong>in</strong>den. Das<br />

h<strong>in</strong>g sicher mit der Vielzahl von <strong>Sport</strong>veranstaltungen am folgenden Wochenende, als auch<br />

mit der Tatsache zusammen, dass Tennis als <strong>Sport</strong>art der „Intelligenzschicht“ nicht auf der<br />

Förderagenda des DDR-<strong>Sport</strong>s stand. Das Turnier, zu dem DDR-Spitzenspieler aus Berl<strong>in</strong><br />

und Gäste aus Polen angereist waren, fand <strong>in</strong> der Woche an e<strong>in</strong>em Donnerstag statt. Es bildete<br />

sozusagen den Auftakt der Feierlichkeiten zum Universitätsjubiläum am 30. und 31. August<br />

1958. Die sportlichen Wettkämpfe an diesem Wochenende reichten von e<strong>in</strong>em<br />

Fußballspitzenspiel des SC Motor <strong>Jena</strong> gegen den DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt, wo<br />

als Vorspiel im Stadion vor 15.000 Zuschauern die Studentenauswahl der Uni <strong>Jena</strong> gegen die<br />

die Uni Leipzig spielten, bis zu Volleyball- und Basketballvergleichskämpfen.<br />

Auf der <strong>Jena</strong>er Tennisanlage spielten damals die <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften Chemie und HSG. Die<br />

Schirmherrschaft zu dem Turnier hatte der spätere Rektor Prof. Dr. Günther Drefahl<br />

94


übernommen, der selber bei der HSG aktiver Tennisspieler war. Während die<br />

Universitätsangehörigen schon seit 1900 auf den Plätzen <strong>in</strong> der Oberaue Tennis spielten, kam<br />

<strong>Sport</strong>ler von Chemie erst Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf die<br />

damalige 11-Platzanlage. Diese war im 2. Weltkrieg zu Kle<strong>in</strong>gärten für den Kartoffelanbau<br />

umgewandelt worden und ab 1946 <strong>in</strong> freiwilliger Arbeit, erst von Studenten der Universität<br />

und später auch von <strong>Sport</strong>lern der <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften Schott und Chemie wieder<br />

hergerichtet worden. Da Chemie, dessen f<strong>in</strong>anzieller „Träger“ u. a. <strong>Jena</strong>pharm war, Mitte der<br />

Fünfziger das heutige Universitätssportzentrum zu e<strong>in</strong>em „Chemiesportpark“ umwandeln<br />

wollte, gab es auch umfangreiche Umbauten auf der Tennisanlage, zu denen zwei<br />

Meisterplätze und großzügige Zuschauertraversen gehörten. Nach Fertigstellung der<br />

Meisterplätze gab es 1954 erstmals DDR-Tennismeisterschaften und 1955 DDR-<br />

Jugendmeisterschaften <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Das Tennisturnier 1958 war aber das erste <strong>in</strong>ternationale Turnier. Außer Gästen aus Polen<br />

sollten auch Spieler aus Ägypten und Schweden anreisen, die aber nicht antraten. Mit den<br />

beiden Polen Piatek und Gasiorek waren sogar zwei Daviscupspieler vertreten. Für die DDR-<br />

Auswahl waren Stahlberg, Zanger, Fährmann, Sturm, Schulze und Fritzsche nom<strong>in</strong>iert. Die<br />

beiden Polen Piatek und Gasiorek gewannen im Doppel gegen Stahlberg/Zanger (Berl<strong>in</strong>).<br />

Gasiorek wurde E<strong>in</strong>zelsieger und Eva Johannes aus Halle wurde Turniersieger<strong>in</strong>. Sie siegte<br />

auch im Doppel zusammen mit L<strong>in</strong>dner. Im Mix gewann sie ebenfalls, hier zusammen mit<br />

Stahlberg. An die 1000 Zuschauer sahen die spannenden Spiele.<br />

Der Sieger des Turniers hieß Wieslaw Gasiorek und war polnischer Davis-Cup-Spieler.<br />

Gew<strong>in</strong>ner: Eva Johannes bei der Siegerehrung.<br />

95


1958 Nationalteam <strong>in</strong> der Muskelkirche<br />

Zum Universitätsjubiläum 1958 (400 Jahre) gab es e<strong>in</strong>e Vielzahl von sportlichen<br />

Höhepunkten, die von der Universität, der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft (HSG) und von<br />

anderen <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften der Stadt organisiert wurden. Bereits Anfang März fand e<strong>in</strong><br />

Turnier der Frauen-Nationalmannschaften der DDR und der CSR im Volleyball statt. Die<br />

Spiele wurden <strong>in</strong> der damals größten <strong>Sport</strong>halle <strong>Jena</strong>s <strong>in</strong> der Muskelkirche durchgeführt.<br />

Organisator war die Sektion Volleyball der HSG, die auch e<strong>in</strong> Vorspiel gegen die DHfK<br />

Leipzig bestritt.<br />

Der Tra<strong>in</strong>er der Nationalmannschaft, Horst Baake, e<strong>in</strong> Absolvent des <strong>Jena</strong>er Instituts für<br />

Körpererziehung hatte für dieses hochkarätige Spiel gesorgt. Horst Baake gehörte zum ersten<br />

Matrikel der <strong>Sport</strong>lehrerausbildung nach dem Krieg <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Er legte 1952 se<strong>in</strong> Staatsexamen<br />

ab.<br />

Der Legende nach wurde das Volleyballspiel, was Anfang der fünfziger Jahre <strong>in</strong> der DDR<br />

noch ziemlich unbekannt war, von Georg Buschner nach <strong>Jena</strong> gebracht. Der talentierte<br />

Fußballer studierte an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität. Diese<br />

nach sowjetischem Vorbild eröffnete Kaderschmiede der SED existierte bis Anfang der<br />

fünfziger Jahre. Viele Studenten und Absolventen traf man <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong> hohen Partei und<br />

Staatsämtern wieder. Buschner wurde Mitglied der zentralen Leitung des Deutschen<br />

<strong>Sport</strong>ausschusses, e<strong>in</strong>em Vorläufer des DTSB. Er besuchte mit <strong>Sport</strong>lerdelegationen u. a. die<br />

Sowjetunion und die CSR, wo Volleyball sehr populär war. Nach se<strong>in</strong>em Examen als<br />

„Gesellschaftswissenschaftler“ wurde Buschner als Assistent am neugegründeten <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut<br />

angestellt und avancierte hier <strong>in</strong> kürzester Zeit zum Oberassistenten. In der <strong>Sport</strong>praxis war er<br />

für die Spielsportarten, darunter auch Volleyball, zuständig. Selber spielte er <strong>in</strong> der HSG-<br />

Volleyballauswahl, die 1951 den dritten Platz bei den DDR-Meisterschaften belegt hatte.<br />

Das Volleyballspiel der Frauen Nationalmannschaft 1958 fand passend am 8. März, dem<br />

Internationalen Frauentag statt und galt als Eröffnung der <strong>Sport</strong>wettkämpfe im Jubiläumsjahr<br />

der Universität. Die A-Auswahl konnte gegen die CSR 3:1 gew<strong>in</strong>nen, während die B-<br />

Auswahl mit 2:3 verlor. Wie das Vorspiel der <strong>Jena</strong>er Mädchen ausg<strong>in</strong>g, ist nicht überliefert.<br />

Bis <strong>in</strong> die sechziger Jahre gab es dann noch mehrere Auftritte der DDR-Volleyballer<strong>in</strong>nen im<br />

<strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut.<br />

Viele Zuschauer <strong>in</strong> der Muskelkirche sehen e<strong>in</strong>e Spielszene des Spiels der DDR-<br />

Nationalmannschaft gegen die CSR.<br />

1958 Studenten kickten als Vorspiel<br />

96


Spätestens mit der Fertigstellung der Tribüne des heutigen „Ernst-Abbe-Stadions“ gehörte es<br />

zum guten Ton, dass wichtige <strong>Sport</strong>ereignisse der Universität und der ihre nahestehenden<br />

<strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e im Stadion stattfanden. Für die E<strong>in</strong>weihungsfeierlichkeiten der Tribüne holten<br />

die akademischen Turnerschaften ihre Deutschen Turnbunds-Meisterschaften 1924 <strong>in</strong>s<br />

Stadion, 1926 gab es die ersten Deutschen Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der Leichtathletik im<br />

<strong>Jena</strong>er Stadion und 1935 beteiligten sich über 1000 Studierende aus allen Deutschen<br />

Universitäten ebenfalls an den Deutschen Hochschulmeisterschaften im <strong>Jena</strong>er Stadion.<br />

Nicht nur, dass das Stadion die qualitativ hochwertigste <strong>Sport</strong>stätte <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> war, auch die<br />

f<strong>in</strong>anzielle Förderung sportlicher Veranstaltungen durch die „Zeiss-Stiftung“ dürfte dafür e<strong>in</strong><br />

Grund gewesen se<strong>in</strong>. Zudem sah man studentische Wettkämpfe auch von der Stadt gerne als<br />

Werbefaktor um Studierende, deren Anzahl zwischen 1918 und 1939 zeitweilig stark<br />

rückläufig war.<br />

Teile der Tribüne und des Stadionvorplatzes bef<strong>in</strong>den sich auf dem Gelände des<br />

Spielplatzvere<strong>in</strong>s, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts Wiesen <strong>in</strong> der Oberaue aufkaufte, um<br />

daraus Spielplätze für die <strong>Jena</strong>er Jugend und Studenten zu machen. Der Vorläufer des<br />

heutigen FC Carl Zeiss war bei se<strong>in</strong>er Gründung 1903 Gast auf diesen Plätzen, bevor die<br />

Stiftung eigene Flächen erwarb. Die Universität kaufte 1914 dem Spielplatzvere<strong>in</strong> die Plätze<br />

ab und trat nach 1920 e<strong>in</strong>en Teil an Zeiss zum Bau der Tribüne und als Zugangsstraße ab.<br />

Ab den fünfziger Jahren gab es dann außer den Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik, die alle fünf Jahre von der Universität <strong>Jena</strong> organisiert wurden, auch<br />

regelmäßig andere studentische oder akademische Wettbewerbe im Stadion vom Fußballspiel<br />

bis h<strong>in</strong> zu Stundenläufen mit Musik.<br />

E<strong>in</strong> besonderer Höhepunkt war immer, wenn zu besonderen Anlässen Universitätsfußball-<br />

Auswahlmannschaften gegen Gastmannschaften oder Auswahlmannschaften des „FC Carl-<br />

Zeiss“ im Stadion spielen konnten. Da diese Spiele meist als „Vorspiel“ vor e<strong>in</strong>em Punkt-<br />

oder Pokalspiel stattfanden, hatten die Studentensportler e<strong>in</strong>e grandiose Zuschauerkulisse.<br />

1958, anlässlich der <strong>Sport</strong>veranstaltungen zum 400. Geburtstag der Universität, gewann die<br />

<strong>Jena</strong>er-Universitätsauswahl 1:0 gegen die Uni-Mannschaft aus Leipzig vor über 15.000<br />

Zuschauern. Anschließend gewann Motor <strong>Jena</strong>, wie der Vorläufer von Carl-Zeiss hieß, 1:0<br />

gegen den damaligen DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt.<br />

Die <strong>Jena</strong>er Uni-Fußballer 1958 im hellen Trikot, l<strong>in</strong>ks Hugo Weschenfelder, kurz vor dem<br />

Anstoß. Im H<strong>in</strong>tergrund die volle Osttribüne.<br />

1957 Uni betrieb Fähre über die Saale<br />

97


Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es starke Bemühungen, den Vorläufer<br />

des heutigen USV <strong>Jena</strong>, die HSG Wissenschaft <strong>Jena</strong> zu e<strong>in</strong>em Leistungssportzentrum der<br />

DDR aufzubauen. Dies h<strong>in</strong>g unter anderem damit zusammen, dass bis Anfang der sechziger<br />

Jahre für die <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften DDR-weit die Fachgewerkschaften zuständig waren. Jede<br />

Fachgewerkschaft hatte ihre eigenen <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>igungen (SV). Die<br />

Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaften gehörten zur Gewerkschaft Wissenschaft. Neben der HSG<br />

Halle war die HSG <strong>Jena</strong> <strong>in</strong> vielen <strong>Sport</strong>arten e<strong>in</strong>e der leistungsstärksten. Sie besaß dafür sogar<br />

zeitweilig hauptamtliche Tra<strong>in</strong>er. Auf Grund ihres rasanten Leistungsanstieges wurden die<br />

Kanuten ausersehen e<strong>in</strong>en Olympiastützpunkt zu errichten. Das bisher mit den Ruderern<br />

genutzte Bootshaus, welches 1925 errichtet wurde, platzte aus allen Nähten, so dass 1958 die<br />

Universität von der Stadt die frühere Gaststätte „Fährhaus“ übernahm und nach<br />

Renovierungs- und Umbauarbeiten den Kanuten zur Verfügung stellte.<br />

Dieses „Fährhaus“ war Anfang des 20. Jahrhunderts <strong>in</strong> der Nähe des „Rasenmühlenwehrs“<br />

erbaut worden und befand sich tatsächlich neben e<strong>in</strong>er Fähre. Sie stellte Anfangs den e<strong>in</strong>zigen<br />

Zugang von der Stadt zu den Spielplätzen <strong>in</strong> der Oberaue dar. Um 1900 gab es nur e<strong>in</strong>e<br />

Brücke über die Saale, die Brücke nach Wenigenjena. Später kam dann zwar die<br />

Paradiesbrücke h<strong>in</strong>zu aber trotzdem war die Fähre vom Stadtzentrum aus gesehen e<strong>in</strong>e<br />

Abkürzung und wurde besonders im Sommer täglich von vielen <strong>Sport</strong>lern und auch<br />

Zuschauern genutzt. Da die Spielplätze, wo die rechtsseitige Anlegestelle der Fähre lag, 1914<br />

von der Universität gekauft worden waren, gehörte auch die Fähre zur Universität, die sie<br />

aber an den Spielplatzwart verpachtete. 1927 betrug die jährlich Pacht 180, - RM,<br />

vergleichsweise zahlte die Stadt 500, - RM Zuschuss an die Universität für die Nutzung der<br />

<strong>Sport</strong>plätze durch <strong>Jena</strong>er Schulen. 1929 gab es Überlegungen die Fähre zu verkaufen, was<br />

aber unterblieb, da der Platzwart mit den E<strong>in</strong>nahmen (0,10 RM pro Person) se<strong>in</strong> Gehalt<br />

aufbessern konnte. Der Fährmann und Platzwart Friedrich Stöhr, hatte se<strong>in</strong>e Funktion auch<br />

noch nach dem Krieg <strong>in</strong>ne. Wie aus Archivmaterialien hervorgeht versteckte er 1946<br />

erfolgreich das Bootsmaterial der Universität gegen plündernde sowjetische Soldaten und<br />

sorgte dafür, dass die vorhandenen Boote erst e<strong>in</strong>mal im Universitätshauptgebäude<br />

untergebracht wurden. Die Fähre wurde dann noch bis Ende der fünfziger Jahre betrieben.<br />

Auf dem Foto von 1957 erkennt man das „Fährhaus“ und rechts davon die Fähre. Im<br />

Vordergrund <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen bei der Ausbildung im Faltboot.<br />

1958 Das <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut hat eigene Fahne<br />

Nach bisherigem Kenntnisstand ist das Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft der Friedrich-Schiller-<br />

Universität <strong>Jena</strong> das e<strong>in</strong>zige an der „alma mater jenensis“, welches e<strong>in</strong>e Institutsfahne besitzt.<br />

98


Fahnen s<strong>in</strong>d im <strong>Sport</strong> nichts Ungewöhnliches. In <strong>Jena</strong> geht dies zurück bis zu den<br />

Urburschenschaften, die im Ergebnis des ant<strong>in</strong>apoleonischen Kampfes 12. Juni 1815<br />

gegründet worden waren. Diese erhielten von den „Jungfrauen der Stadt <strong>Jena</strong>“ e<strong>in</strong>e Fahne<br />

gestiftet, die mit den Farben schwarz und rot und mit goldener Stickerei zur Vorlage der<br />

heutigen Nationalflagge Deutschlands (schwarz, rot, gold) wurde. Die Urburschenschaft war<br />

gleichzeitig auch der erste Turnvere<strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s. Bereits <strong>in</strong> Vorbereitung des nationalen<br />

Befreiungskrieges gegen Napoleon begannen die Studenten mit dem regelmäßigen Üben<br />

militärischer Übungen als Bestandteil des Turnens im Rahmen der <strong>Jena</strong>er „Wehrschaft“ auf<br />

e<strong>in</strong>er Wiese im Paradies. Nach der Satzung der Burschenschaft war das regelmäßige Turnen<br />

für alle Burschenschafter festgelegt. Friedrich Ludwig Jahn, der an dieser ganzen<br />

Entwicklung maßgeblich beteiligt war, förderte <strong>in</strong> ganz Deutschland die Gründung von<br />

Turnerschaften, die stark militärisch ausgerichtet waren und meist über e<strong>in</strong>e eigene Fahne<br />

verfügten, die bei Aufmärschen und Festlichkeiten mitgeführt wurde. Nach dem Attentat des<br />

ehemaligen <strong>Jena</strong>er Studenten Karl Ludwig Sand auf den russischen Gesandten und bekannten<br />

Schriftsteller August Friedrich von Kotzebue wurden die Burschenschaften und die<br />

Turnbewegung <strong>in</strong> ganz Deutschland verboten, (Karlsbader Beschlüsse) und es dauerte fast 40<br />

Jahre, bis die Turnbewegung wieder legalisiert wurde. Ab den sechziger Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts schossen dann die Turnvere<strong>in</strong>e wie Pilze aus dem Boden und fast jeder Vere<strong>in</strong><br />

führte bei offiziellen Veranstaltungen se<strong>in</strong>e eigene Fahne mit. Auch die erst Ende des 19.<br />

Jahrhunderts e<strong>in</strong>setzende Spiel- und <strong>Sport</strong>bewegung konnte sich dieser Symbolik nicht ganz<br />

verschließen. Auch die Arbeiter- Turn- und <strong>Sport</strong> Vere<strong>in</strong>e waren vor 1933 im Besitz eigener<br />

Vere<strong>in</strong>sfahnen. Dies war auch e<strong>in</strong> Begründungsmuster, warum man nach den schlechten<br />

Erfahrungen, die man mit der Rolle und Funktion von „Fahnen“ im Dritten Reich gemacht<br />

hatte, bereits <strong>in</strong> den fünfziger Jahren <strong>in</strong> der DDR wieder dazu überg<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften Fahnen zu erwerben. So existiert dank e<strong>in</strong>es Kollegen, der sie zur<br />

Wende mit nach Hause nahm, die Fahne der HSG Wissenschaft <strong>Jena</strong>, dem Vorläufer des USV<br />

aus dieser Zeit (1953) noch. Genau vor diesem H<strong>in</strong>tergrund entstand 1956 die Fahne des<br />

Instituts für Körpererziehung. Federführend unter Mitwirkung von Wolfgang Gutewort,<br />

dessen Eltern <strong>in</strong> Apolda e<strong>in</strong>e Strickerei besaßen, gelang es <strong>in</strong> Vorbereitung auf das Deutsche<br />

Turn- und <strong>Sport</strong>fest, für den Übungsverband der <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>studenten e<strong>in</strong>e Fahne anfertigen<br />

zu lassen. Seitdem bildete diese Fahne bis 1989 immer den H<strong>in</strong>tergrund bei feierlichen<br />

Absolventen-Verabschiedungen und wurde zu Aufmärschen wie beim 1. Mai mitgetragen.<br />

99


Die Fahne während des E<strong>in</strong>marsches der <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>studenten beim Turn- und <strong>Sport</strong>fest <strong>in</strong><br />

Leipzig.<br />

1958 Talente immatrikuliert<br />

Der Oberassistent am Institut für Körpererziehung (IfK) der Universität, Georg Buschner,<br />

wurde 1958 gleichzeitig Fußballcheftra<strong>in</strong>er des SC Motor <strong>Jena</strong>. Er holte sich e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Kollegen des IfK als Honorarkräfte zur Betreuung der Fußball Oberligamannschaft. Manfred<br />

Dressler, Paul Dern, W<strong>in</strong>fried Wesiger und Lothar Köhler unterstützten das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und<br />

entwickelten viele neue Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden. Nachwuchsspieler des SC Motor wurden als<br />

<strong>Sport</strong>studenten immatrikuliert. Die ersten waren 1962 Jürgen Werner, Klaus Hoffmann und<br />

Werner Stapelfeld. Später kam Hans Meier, der heutige Bundesligatra<strong>in</strong>er von Nürnberg als<br />

Student an die Universität und Anfang der siebziger Jahre war e<strong>in</strong>e ganze Sem<strong>in</strong>argruppe mit<br />

Fußballern wie Peter Ducke, Harald Irmscher, Ra<strong>in</strong>er Schlutter, Helmut Ste<strong>in</strong> und Gerd<br />

Struppert am <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut, die gleichzeitig der Oberligamannschaft des FC Carl Zeiss<br />

angehörten. In diese Zeit fallen auch e<strong>in</strong>e Vielzahl von Freundschaftsspielen zwischen den<br />

Oberligaspielern von Carl-Zeiss, der Studentenauswahl der Universität oder<br />

Lehrkräftemannschaften. Im Rahmen von Universitätsfeierlichkeiten, wie zur 400. Jahrfeier<br />

spielte die Universitätsauswahl als Vorspiel zu e<strong>in</strong>em Punktspiel von Motor <strong>Jena</strong> gegen e<strong>in</strong>e<br />

Studentenauswahl aus Leipzig. Zur 425. Jahrfeier wurde e<strong>in</strong>e Begegnung von<br />

„Altrepräsentativen“ von Carl Zeiss, darunter Hans Meier und Peter Ducke gegen e<strong>in</strong>e<br />

Lehrkräftemannschaft der Universität organisiert. Spieler der ersten Mannschaft des Klubs<br />

nahmen regelmäßig an den legendären Hallenfußballturnieren der Universität <strong>in</strong> der<br />

Muskelkirche teil. Dadurch gelang es über Jahrzehnte e<strong>in</strong>en engen Kontakt zwischen den<br />

Universitätsangehörigen und <strong>Jena</strong>s Spitzenfußballern zu erhalten.<br />

100


Anlässlich des 400. Geburtstages der Universität 1958 spielte die <strong>Jena</strong>er Studentenauswahl<br />

gegen e<strong>in</strong>e Auswahl aus Leipzig (l<strong>in</strong>ks Hugo Weschenfelder). Zu beachten ist die<br />

Zuschauerkulisse. Das Spiel war e<strong>in</strong> Vorspiel zu e<strong>in</strong>em Punktspiel von Motor <strong>Jena</strong>.<br />

1960 Willi Schröder wird Direktor<br />

Prof. Dr. Willi Schröder wurde am 15. 7. 1927 <strong>in</strong> Schönebeck/Elbe geboren. Se<strong>in</strong> Vater war<br />

Ste<strong>in</strong>setzer und Turner. Willis Eltern erzogen ihn zu Bescheidenheit und Leistungsstreben.<br />

Von der Schulbank weg musste er im letzten Kriegsjahr noch zur Wehrmacht. Nach dem<br />

Kriegsende arbeitete er als Landarbeiter, bevor er 1947 se<strong>in</strong>e Reifeprüfung nachholen konnte.<br />

Danach bewarb er sich zum Studium an der Philosophischen Fakultät <strong>in</strong> Halle. Germanistik<br />

und <strong>Geschichte</strong> wählte er als Haupt- und <strong>Sport</strong> als Nebenfach. Mit dem regelmäßigen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Rudern und anderen <strong>Sport</strong>arten konzentrierte er sich immer stärker auf den <strong>Sport</strong>,<br />

wurde nach dem Studium 1952 Lektor am Institut für Körpererziehung (IfK) <strong>in</strong> Halle und<br />

schrieb e<strong>in</strong>e Dissertation über Friedrich Ludwig Jahn, die aber nicht angenommen wurde.<br />

Nachdem er e<strong>in</strong>en Lehrauftrag an der Universität Leipzig erhalten hatte, konzentrierte er sich<br />

auf <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong>. 1958, als nach e<strong>in</strong>er politischen Säuberungswelle <strong>in</strong> Halle auch der<br />

Direktor des <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts abtreten musste, wurde Willi Schröder hier kommissarischer<br />

Direktor. Zu dieser Zeit hatte er schon mit dem <strong>Jena</strong>er Rektor, Prof. Dr. Josef Hämel über die<br />

Berufung zum Direktor des IfK verhandelt. Mit dem Thema „Das Jahnbild <strong>in</strong> der deutschen<br />

Turn- und <strong>Sport</strong>bewegung“ promovierte er 1958 <strong>in</strong> Leipzig und wurde 1959 nach <strong>Jena</strong> ans<br />

IfK erst für e<strong>in</strong>en Lehrauftrag und dann als Direktor berufen. Anfangs stieß er hier auf starke<br />

Ablehnung, da e<strong>in</strong> Großteil des Kollegiums lieber e<strong>in</strong>en der ihren auf diesem Posten gesehen<br />

hätten. Im Gegensatz zu Schröder hatte aber ke<strong>in</strong> Mitarbeiter des IfK e<strong>in</strong>e Promotion<br />

vorzuweisen. Willi Schröder gelang es <strong>in</strong> kürzester Zeit, das Institut zu profilieren und viele<br />

junge Assistenten für die wissenschaftliche Arbeit zu gew<strong>in</strong>nen. Er selber konzentrierte sich<br />

nach dem Abschluss der Neugestaltung der Jahngedenkstätte <strong>in</strong> Freiburg, die er<br />

wissenschaftlich betreut hatte, stärker auf die Urburschenschaften, was auch zum Gegenstand<br />

se<strong>in</strong>er Habilitation „ Burschenturner im Kampf um E<strong>in</strong>heit und Freiheit“ wurde. 1966 erhielt<br />

er e<strong>in</strong>e ordentliche Professur. Danach widmete er e<strong>in</strong>en Großteil se<strong>in</strong>er Forschungskapazität<br />

dem Leben und Wirken von Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Der Aufbau e<strong>in</strong>es<br />

Museums u. a. für GutsMuths <strong>in</strong> Schnepfenthal und die Verb<strong>in</strong>dung des Rennsteiglaufs mit<br />

dem Namen des Begründers des modernen <strong>Sport</strong>unterrichts, krönten Schröders Lebenswerk.<br />

101


Daneben betreute er 25 Promotionen und sieben Habilitationen. Am Institut und an der<br />

Universität übte er bis zum Prorektor die verschiedensten Funktionen aus. Als<br />

Stadtverordneter gehörte er zu e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe, die mit e<strong>in</strong>em „<strong>Jena</strong>er Programm“ den<br />

Bau neuer <strong>Sport</strong>stätten planten. Trotz entsprechender Stadtratsbeschlüsse wurde nur e<strong>in</strong> Teil<br />

davon fertiggestellt. Die Mittel für e<strong>in</strong>e Schwimmhalle und e<strong>in</strong>e große Universitätssporthalle<br />

wurden <strong>in</strong> die damalige Bezirkshauptstadt Gera abgezogen und <strong>in</strong> der Panndorfhalle und dem<br />

jetzigen Hofwiesenbad verbaut. Zur Wende hatte er am sogenannten „Runden Tisch zum<br />

<strong>Sport</strong>“ zur Erhaltung und Öffnung des <strong>Sport</strong>forums für <strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e beigetragen.<br />

1992 emeritiert, hat Prof. Dr. Willi Schröder die wissenschaftliche Arbeit, vor allem zu<br />

GutsMuths, fortgesetzt.<br />

1960 Absolvententreffen als Tradition<br />

Seit 1911 werden an der <strong>Jena</strong>er Universität Turn- und <strong>Sport</strong>lehrer ausgebildet. Dass überhaupt<br />

<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> diese Ausbildung begann, geht vor allem auf Forderungen von turnenden Studenten<br />

zurück. In e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Petition von 16 studentischen Verb<strong>in</strong>dungen von der<br />

Turnerschaften Salia und Normania, den Burschenschaften Germania, Teutonia, Arm<strong>in</strong>ia, den<br />

Landsmannschaften Suevia, Herzynia, Rhenania, den ATV Gothania und Markomania, dem<br />

Akademischen Vere<strong>in</strong> Frisia, dem Akademischen Mathematischen, dem Theologischen, dem<br />

Philosophisch-historischen Vere<strong>in</strong> bis zum Vere<strong>in</strong> Deutscher Studenten und dem<br />

Studentenbund Alemania fordern sie die Bereitstellung e<strong>in</strong>er Universitätsturnhalle vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund, dass die Zahl der turn<strong>in</strong>teressierten Studierenden ständig wachsen und die Halle<br />

des Turnvere<strong>in</strong>s und die genutzten Schulturnhallen ke<strong>in</strong>en weiteren Platz mehr bieten würden.<br />

Außerdem forderten sie die Ablegungsmöglichkeit des Turnlehrerexamens <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>.<br />

Tatsächlich wurde daraufh<strong>in</strong> 1910 e<strong>in</strong> Vorbereitungskurs zur „E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Volks- und<br />

Jugendspiele und volkstümliche Übungen“ über drei Monate ausgeschrieben, den 31<br />

Studenten besuchten. 1911 konnten sie dann nach e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>jährigen Ausbildung e<strong>in</strong> Examen<br />

ablegen. Seitdem werden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> <strong>Sport</strong>lehrer ausgebildet. Auch nach Gründung e<strong>in</strong>es eigenen<br />

Instituts für Leibesübungen im Jahre 1934 blieb die Zahl <strong>in</strong> der „Turnfakultas“ ger<strong>in</strong>g und<br />

betrug pro Jahrgang kam mehr als 20. Erst nach der Wiedereröffnung des Nachfolge<strong>in</strong>stituts<br />

als Institut für Körpererziehung 1951 stieg die Zahl der Studenten und Student<strong>in</strong>nen<br />

kont<strong>in</strong>uierlich an. In den 1980er Jahren waren es dann pro Jahrgang etwa 100 Haupt- und<br />

Nebenfach-Studenten. Nach der politischen Wende kamen mit dem Magister und dem<br />

Diplom neue Studiengänge h<strong>in</strong>zu und die Studierendenzahl überschritt nach 2000 die 1000er<br />

Marke.<br />

Die ersten größeren Absolvententreffen gab es Anfang der 1960er Jahre. Der neue<br />

Institutsdirektor Dr. Willi Schröder hatte mit se<strong>in</strong>em jungen Mitarbeiterteam die Idee geboren,<br />

alle Absolventen des Instituts 1960 über Pf<strong>in</strong>gsten nach <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>zuladen. Mit e<strong>in</strong>er ganze<br />

Serie von wissenschaftlichen Vorträgen über die Entwicklung der <strong>Sport</strong>lehrerausbildung<br />

wurde mit den Schulpraktikern diskutiert und natürlich ausgiebig gefeiert. Leider gab es nur<br />

vier Auflagen dieses Treffens und erst seit 2001 und dem 90.jährigem Jubiläum der<br />

Turnlehrerausbildung werden wieder zentrale Absolvententreffen organisiert. Besonders die<br />

„50“- und „25“jährigen Absolventen werden gezielt e<strong>in</strong>geladen und mit e<strong>in</strong>er Gold- bzw.<br />

Silbermedaille geehrt. 2008 f<strong>in</strong>det das Absolvententreffen am 28. Juni ab 14.00 Uhr <strong>in</strong> der<br />

Muskelkirche statt.<br />

102


Traditionell gibt es zu den Absolvententreffen auch heute noch e<strong>in</strong> Gruppenfoto. 1960 wurde<br />

es h<strong>in</strong>ter der kle<strong>in</strong>en Halle der Muskelkirche aufgenommen. Das wäre heute nicht möglich, da<br />

die neue USV-<strong>Sport</strong>halle am Standort des Fotografen steht. Die Lehrkräfte e<strong>in</strong>schließlich Dr.<br />

Schröder stehen alle <strong>in</strong> der zweiten Reihe 5. V. rechts Georg Buschner, ganz <strong>in</strong> der Mitte Paul<br />

Dern.<br />

1962 Baracke statt Dreifelderhalle<br />

Der Bau e<strong>in</strong>er großen <strong>Sport</strong>halle beschäftigte seit 1951 alle Direktoren des Instituts für<br />

Körpererziehung, heute <strong>Sport</strong>wissenschaft der Universität. 1959 wurde Dr. Willi Schröder als<br />

Direktor des Instituts für Körpererziehung nach <strong>Jena</strong> berufen. Er kam aus Halle, hatte <strong>in</strong><br />

Leipzig zu „Friedrich-Ludwig-Jahn“ promoviert und war der erste „Promovierte“ des Instituts<br />

nach dem Krieg. Schon wie se<strong>in</strong>e Vorgänger musste er sich mit Raummangel, besonders bei<br />

<strong>Sport</strong>hallen ause<strong>in</strong>andersetzen. Als ersten Erfolg konnte er verzeichnen, dass 1961 gegenüber<br />

dem Institut auf e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>sportfeld e<strong>in</strong>e Baracke als Wohnheim gebaut wurde. Unter<br />

E<strong>in</strong>satz von freiwilligen Helfern aus den Reihen der Lehrkräfte, Platzarbeitern und<br />

Studierenden konnte <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es halben Jahres die Baracke bezugsfertig gemacht werden.<br />

Als im Mai 1962 <strong>Jena</strong> Etappenort der Friedensfahrt war, verbrachten die Radsportler ihre<br />

Pause zwischen zwei Halbetappen (E<strong>in</strong>zelzeitfahren und Kurzetappe) im neuen<br />

Studentenwohnheim „GutsMuths“. Anschließend nahm das Wohnheim offiziell se<strong>in</strong>en<br />

Betrieb auf. Die Erstbelegung umfasste 130 <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen und -studenten, die <strong>in</strong> 6- und<br />

8-Bett-Zimmern untergebracht waren. Für heute Verhältnisse waren die Wohnbed<strong>in</strong>gungen<br />

sehr spartanisch: Doppelstockbetten, pro Zimmerbewohner e<strong>in</strong> schmaler Sp<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> Stuhl,<br />

e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz an e<strong>in</strong>em Tisch und e<strong>in</strong> Fach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bücherregal. Der Vorteil dieses<br />

Wohnheimes war allerd<strong>in</strong>gs, dass die Studierenden im Institutsgebäude über e<strong>in</strong>e Mensa zum<br />

Frühstück, mittags und zum Abendessen versorgt wurden. In den achtziger Jahren, als die<br />

Wohnheimqualität auch noch durch defekte Heizungsanlagen immer stärker sank, wurde die<br />

Baracke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Bürokomplex für den Studentensport umgewandelt. Diese Baracke bestand<br />

bis Ende der neunziger Jahre, bevor sie e<strong>in</strong>em neuen Wohnheimkomplex Platz machen<br />

musste.<br />

Als <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Ende der sechziger Jahre der „Zeiss-Boom“, der zum Ausbau von Neulobeda,<br />

zum Bau der Schnellstraße, zu neunen Zeiss-Gebäuden usw. führte, ausbrach, wurde auch e<strong>in</strong><br />

Ausschuss für e<strong>in</strong> „<strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>-Modell“ bei der Stadt gegründet, dem Prof. Dr. Willi<br />

Schröder federführend angehörte. Die langfristige Entwicklungskonzeption sah e<strong>in</strong>en<br />

103


umfangreichen <strong>Sport</strong>komplex mit <strong>Sport</strong>hallen, 50 m-Schwimmbad, Internaten, <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong><br />

usw. h<strong>in</strong>ter der „Muskelkirche“ vor, der sowohl der Universität als auch dem Leistungssport<br />

dienen sollte. E<strong>in</strong> Teil von diesem Konzept wurde auch realisiert aber vorwiegend für den<br />

Leistungssport zur Verfügung gestellt. Die Universität konnte <strong>in</strong> den siebziger Jahren als<br />

e<strong>in</strong>zigen Zugew<strong>in</strong>n von <strong>Sport</strong>hallenflächen für den Studentensport e<strong>in</strong>e „<strong>Sport</strong>baracke“ auf<br />

den Universitätssportplätzen <strong>in</strong> der Oberaue verzeichnen, <strong>in</strong> der bei schlechtem Wetter und im<br />

W<strong>in</strong>ter Fußball gespielt werden konnte. Dieser Bau, der vorher <strong>in</strong> Mecklenburg als<br />

R<strong>in</strong>deroffenstall gedient hatte, war als Provisorium gedacht. Nach 1990 wurde er kurzeitig als<br />

Schuhverkaufsstelle genutzt, um dann <strong>in</strong> Eigenleistung von den Judokas des USV als<br />

Kampfsporthalle umgebaut zu werden. 2002/2003 nach über 30jähriger Nutzung wurde dann<br />

dafür als Ersatzbau für diese Baracke e<strong>in</strong>e neue Halle vom Vere<strong>in</strong> im<br />

Universitätssportzentrum gebaut.<br />

Fußball vor Baracke: Die <strong>Sport</strong>baracke im Universitätssportzentrum war so gut wie nicht<br />

beheizbar und hatte anfangs auch nur e<strong>in</strong>en normalen Schlackeboden, der entsprechend<br />

staubte.<br />

1962 Turn-Erfolge von Gutewort bis zu Rolf Ziegler<br />

Bis <strong>in</strong> die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war das Gerätturnen im<br />

Wettkampfsport der Universität e<strong>in</strong>e Domäne der Männer. Nach dem Krieg bestand das<br />

Problem erst mal <strong>in</strong> fehlenden Turnhallen. Das ehemalige Institut für Leibesübungen war erst<br />

durch Truppen der „Roten Armee“ belegt und nach Räumung zog die<br />

„Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät“ e<strong>in</strong>. Die Turnhalle wurde zum Hörsaal umgebaut.<br />

Erst 1948/49 konnte die sogenannte „kle<strong>in</strong>e Halle“ für die <strong>Sport</strong>ausbildung genutzt werden.<br />

Hier mussten im W<strong>in</strong>ter alle <strong>Sport</strong>arten tra<strong>in</strong>ieren. Sogar Basketballkörbe waren angebracht.<br />

Die Turngeräte waren teilweise verschwunden, kaputt oder zweckentfremdet. So konnten<br />

Studenten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nahegelegenen Gartenanlage das Reck als Teppichstange ausf<strong>in</strong>dig<br />

machen. Aber schon zum ersten „<strong>Sport</strong> dies“ am 18. Juni 1948 an der Universität, an dem<br />

sich auch Student<strong>in</strong>nen und Studenten aus Halle, Weimar, Leipzig und Dresden beteiligten,<br />

gab es neben Vergleichskämpfe <strong>in</strong> der Leichtathletik, Faltbootregatten, Tennis, Schwimmen,<br />

Tischtennis, Schach, Handball und Fußball auch e<strong>in</strong>en Turnwettkampf, der <strong>in</strong> der<br />

<strong>Sport</strong>geschichtsschreibung als die ersten Hochschulmeisterschaften der Ostzone im Turnen<br />

bezeichnet werden. Dieser Wettkampf fand allerd<strong>in</strong>gs im Freien und zwar im Ernst Abbe<br />

<strong>Sport</strong>feld statt. Verantwortlich war der Spartenleiter Wolfgang Gutewort, der bis Ende der<br />

fünfziger Jahre das Turnen am Institut für Körpererziehung (heute <strong>Sport</strong>wissenschaft) und <strong>in</strong><br />

104


der HSG (heute USV) leitete. Er organisierte im November 1950 die 1. DDR-<br />

Hochschulmeisterschaften im Gerätturnen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>, zu denen e<strong>in</strong> Großteil der Teilnehmer des<br />

II. Kurzlehrganges für <strong>Sport</strong>lehrer Thür<strong>in</strong>gens an die Geräte g<strong>in</strong>g. Hier tauchen erstmals die<br />

Namen von <strong>Jena</strong>er Student<strong>in</strong>nen auf, die sich <strong>in</strong> Siegerlisten bei e<strong>in</strong>em überregionalen<br />

Turnwettkampf e<strong>in</strong>tragen konnten. Waltraut Pohl wurde Hochschulmeister<strong>in</strong> am Barren.<br />

Gisela Rath, Christ<strong>in</strong>e Heldmann und Waltraut Seifert platzierten sich unter den ersten sieben.<br />

In der Mannschaftswertung belegte <strong>Jena</strong> bei den Männern und Frauen Platz drei. Wolfgang<br />

Gutewort, selber noch Physikstudent, wurde Dritter am Seitpferd. In den folgenden Jahren<br />

bildete sich um die <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong> Feo Weibel, Guteworts spätere Frau, e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Frauenriege. Sie selber wurde 1952 Turnfestsieger<strong>in</strong> im Geräte-Achtkampf beim I.<br />

Deutschen Turn- und <strong>Sport</strong>fest <strong>in</strong> Leipzig. Ihr Kommilitone Harry Pippardt gewann beim<br />

gleichen Wettkampf die Silbermedaille im Mannschaftsturnen (drei leichtathletische und drei<br />

turnerische Diszipl<strong>in</strong>en).<br />

Anfang der sechziger Jahre war es vor allem Irene B<strong>in</strong>der, die als Gymnast<strong>in</strong> und Turner<strong>in</strong><br />

sportliche Erfolge für die Universität erkämpfte. Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g hatten <strong>in</strong>zwischen die<br />

<strong>Sport</strong>lehrer Alfred Wehner und Rolf Ziegler übernommen. Höhepunkt war die <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

organisierte 2. DDR-Studentenspartakiade, <strong>in</strong> deren Rahmen auch die Deutschen<br />

Studentenmeisterschaften <strong>in</strong> der Leichtathletik, Gymnastik, Gerätturnen, Basketball,<br />

Handball, Fechten, Judo, Fußball, Tischtennis und Volleyball durchgeführt wurden.<br />

Irene B<strong>in</strong>der wurde DDR-Studentenmeister<strong>in</strong> am Schwebebalken. In der<br />

Mannschaftswertung gewannen sowohl die Männer als auch die Frauen. In der<br />

Gruppenwertung der Künstlerischen Gymnastik konnte <strong>Jena</strong> ebenfalls gew<strong>in</strong>nen.<br />

Fototext: Von der erfolgreichen Frauenmannschaft ist e<strong>in</strong> Foto erhalten geblieben. L<strong>in</strong>ks Rolf<br />

Ziegler, dann die Student<strong>in</strong>nen Doris Pantzenhagen, Waltraut Reiber, Cornelia Schoele, Ute<br />

Lisso, Brigitte Bohn, Gabriele Dokter und rechts Alfred Wehner.<br />

1962 Absolventen werden Lehrkräfte<br />

Mit der Wiedereröffnung des Instituts für Körpererziehung (IfK) <strong>in</strong> der Muskelkirche im<br />

Januar 1951 stand die Frage, woher kommen die notwendigen Lehrkräfte. Außer der späteren<br />

Direktor<strong>in</strong> Elly Tetschke gab es für das Fach <strong>Sport</strong> der Grundschullehrerausbildung nur den<br />

Lektor Walter Wurzler und die Gymnastik- und Tanzlehrer<strong>in</strong> Hildegard Nußbaumer. Dazu<br />

kamen die drei Hilfsassistenten Georg Buschner, Horst Götze und Wolfgang Gutewort. Um<br />

die <strong>Sport</strong>lehrerausbildung möglichst schnell aufzubauen, bestand die erste Aufgabe dar<strong>in</strong>,<br />

105


möglichst schnell neue Lehrkräfte zu gew<strong>in</strong>nen. Man muss es Elly Tetschke als besonderen<br />

Verdienst anrechnen, dass sie zuerst unter den Studierenden der ersten Matrikel nach<br />

potentiellen Mitarbeitern suchte. Der erste Jahrgang umfasste 25 Absolventen, von denen 12<br />

am neuen Institut e<strong>in</strong>gestellt wurden. Auch <strong>in</strong> den folgenden Jahren wurden immer wieder<br />

talentierte Student<strong>in</strong>nen und Studenten direkt durch das IfK oder die Abteilung studentische<br />

Körpererziehung (Studentensport) übernommen. Zu ihnen gehörten auch Alfred Wehner und<br />

Rolf Ziegler, die beide im Oktober ihren 75. Geburtstag haben.<br />

Alfred Wehner stammt aus Vacha <strong>in</strong> der Rhön. Schon als Schuljunge war er aktiver Fußballer<br />

und Turner. Nach dem Krieg, als er zur Oberschule g<strong>in</strong>g, musste er häufig den Turnlehrer<br />

vertreten und spürte dabei, dass ihm der Beruf e<strong>in</strong>es <strong>Sport</strong>lehrers sehr zusagt. Er g<strong>in</strong>g<br />

folgerichtig zum <strong>Sport</strong>studium nach <strong>Jena</strong> und kam <strong>in</strong> engen Kontakt zu Georg Pfeiffer, der<br />

Leiter des Studentensports war. Sie turnten häufig geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> der HSG Mannschaft. 1954<br />

unmittelbar nach se<strong>in</strong>em Studium wurde Alfred Wehner von Georg Pfeiffer für den<br />

Studentensport e<strong>in</strong>gestellt. Er blieb bis Anfang der neunziger Jahre Hochschulsportlehrer.<br />

Außer im Turnen war er anfangs <strong>in</strong> fast allen <strong>Sport</strong>arten e<strong>in</strong>gesetzt. Ab Ende der siebziger<br />

Jahre des vorigen Jahrhunderts übernahm er zusätzlich zum Turnen und Schwimmen noch<br />

e<strong>in</strong>ige Ausdauerlaufgruppen. Statt großer Feier stiftete er 500,- € für die USV-<strong>Sport</strong>halle als<br />

kle<strong>in</strong>es Dankeschön für die schöne Zeit als Lehrkraft und damit spätere Generationen von<br />

Studentensportlern bessere Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbed<strong>in</strong>gungen erhalten.<br />

Die Anfangsbiografie von Rolf Ziegler sieht ähnlich aus wie bei Alfred Wehner. In Bielen bei<br />

Nordhausen groß geworden, war er schon als Oberschüler <strong>in</strong> Nordhausen aktiver Turner und<br />

nahm erfolgreich an Wettkämpfen <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen teil und war als Übungsleiter tätig. Beim<br />

Besuch e<strong>in</strong>es Übungsleiterlehrganges lernte er die <strong>Sport</strong>art Volleyball und e<strong>in</strong>ige Lehrkräfte<br />

des neu geründeten <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts kennen. Da <strong>in</strong> den Schulen starker Lehrermangel herrschte,<br />

wurde er nach dem Abitur und kurzer Lehre als Masch<strong>in</strong>enbauer 1952 Neulehrer. Bereits im<br />

Herbst 1952 bewarb er sich zum <strong>Sport</strong>studium <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Ab 1953 spielte er <strong>in</strong> der erfolgreichen<br />

HSG Volleyballmannschaft mit. Nach erfolgreichem Examen wurde er 1955 Lehrer an der<br />

K<strong>in</strong>der- und Jugendsportschule <strong>in</strong> Nordhausen. 1961 holte ihn der neue IfK-Direktor Dr. Willi<br />

Schröder als Fachbereichsleiter Turnen nach <strong>Jena</strong>. Hier war er bis zu se<strong>in</strong>em Ausscheiden<br />

1993 für die Turnausbildung der <strong>Sport</strong>studenten zuständig. Daneben betreute er jahrelang mit<br />

Alfred Wehner die HSG-Turnabteilung und war geme<strong>in</strong>sam mit diesem bei vielen Turn-und<br />

<strong>Sport</strong>festen <strong>in</strong> Leipzig an der Vorbereitung der <strong>Sport</strong>schau der <strong>Sport</strong>studenten beteiligt.<br />

Leider konnte er se<strong>in</strong>en Ruhestand durch se<strong>in</strong>en frühen Tod (1999) nicht mehr genießen.<br />

Mit der Turnriege hatten Rolf Ziegler (l<strong>in</strong>ks) und Alfred Wehner (rechts) Erfolge. Dieses Bild<br />

zeigt sie 1962 mit den Mannschaftmeister<strong>in</strong>nen im Turnen.<br />

106


1967 E<strong>in</strong>e eigene Sem<strong>in</strong>argruppe für Fußballer<br />

Seit etwa 1900 gibt es viele Beispiele, dass erfolgreiche <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>ler auch erfolgreiche<br />

Studenten an der Universität waren. So ist bekannt, dass e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>student namens Born um<br />

1906 <strong>in</strong> der 1. Fußballmannschaft vom Vorgängervere<strong>in</strong> des FC Carl Zeiss <strong>Jena</strong> spielte. An<br />

der 1911 erfolgten Gründung des Vere<strong>in</strong>s für Bewegungsspiele [VfB] waren Studenten<br />

maßgeblich beteiligt. Als Mehrspartenvere<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er eigenen akademischen Abteilung kann<br />

der VfB <strong>Jena</strong> als Vorläufer des Universitätssportvere<strong>in</strong>s betrachtet werden. In diesem Vere<strong>in</strong>,<br />

der bis 1945 bestand, tra<strong>in</strong>ierten vor allem erfolgreiche Leichtathleten, Hockeyspieler und<br />

Fechter, von denen viele an der Universität studierten. Beg<strong>in</strong>nend beim Olympiateilnehmer<br />

im Hochsprung von 1928 Fritz Huhn, bis zu Siegfriede Dempe und Luise Lockemann, die bei<br />

Weltmeister<strong>in</strong>nen der Studenten wurden, um hier nur die <strong>in</strong>ternational Erfolgreichsten zu<br />

nennen. Nach dem Krieg waren unter den Studenten der Universität auf nationaler Ebene<br />

neben den Fußballern wie Weber, Georg Buschner und Trübner oder Hugo Weschenfelder<br />

auch Leichtathleten wie Manfred Dressler, Paul Dern, Erich Leitel , Gerhard Junghähnel ,<br />

Georg Frister, Waldemar Schütz oder bei den Frauen Rita Placzek, vor allem Basketball und<br />

Volleyball spielende Student<strong>in</strong>nen und Studenten, die <strong>in</strong> der DDR die sportliche<br />

Leistungsspitze mitbestimmten. Waren dies alles mehr oder weniger zufällige<br />

Konstellationen, dass talentierte <strong>Sport</strong>ler <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zum Studium kamen, begann sich unter<br />

Mitwirkung von Wolfgang Gutewort im Turnen und Georg Buschner im Fußball e<strong>in</strong>e<br />

systematische Zusammenarbeit zwischen dem zunehmend erstarkenden Motor Zeiss <strong>Jena</strong>, der<br />

sich später <strong>in</strong> SC Motor und FC Carl Zeiss aufspaltete, zu entwickeln. Während sich diese<br />

erfolgreiche Arbeit im Fußball bis zur Wende hielt, setzten dann Anfang der sechziger mit<br />

solchen Namen wie Dirk Enke, Wolf-Rüdiger Demme, Wolfgang Nordwig, Heilwig<br />

W<strong>in</strong>kler, Renate Stecher, Bärbel Struppert und Ruth Fuchs Universitätsangehörige vor allem<br />

<strong>in</strong> der Leichtathletik <strong>in</strong>ternational deutliche Zeichen. Viele von Ihnen waren an der<br />

Universität immatrikuliert und konnten neben der sportlichen Karriere ihr Studium erfolgreich<br />

abschließen.<br />

Bevor ab Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts für diese Leistungssportler an der<br />

Sektion <strong>Sport</strong>wissenschaft der Universität e<strong>in</strong>e eigenen Sem<strong>in</strong>argruppe e<strong>in</strong>gerichtet wurde,<br />

der u. a. Harald Irmscher, Peter Ducke, Lothar Kurbjuweit, Eberhard Vogel, Helmut Ste<strong>in</strong> und<br />

andere angehörten, waren die Leistungssportler meist <strong>in</strong> normale Sem<strong>in</strong>argruppen <strong>in</strong>tegriert.<br />

Sie mussten damit den <strong>in</strong> der DDR üblichen, stark verschulten Studienalltag durchlaufen.<br />

Neben Vorlesungen, Sem<strong>in</strong>aren und Übungen gehörten dazu auch Erntee<strong>in</strong>sätze,<br />

Skilehrgänge und andere Praktika. Hans Meyer ist e<strong>in</strong>er der Studenten, der diese<br />

Möglichkeiten der Ausbildung nutzte um die Grundlagen für se<strong>in</strong>e spätere Karriere als<br />

Fußballer zu legen.<br />

107


Hans-Joachim Meyer (l<strong>in</strong>ks) als <strong>Sport</strong>student am Start zum Testatwettkampf im Skilanglauf<br />

<strong>in</strong> den Wäldern bei Lauscha/Südthür<strong>in</strong>gen.<br />

1968 <strong>Jena</strong> - e<strong>in</strong>e Leichtathletik-Hochburg<br />

Mit der Gründung des Vere<strong>in</strong>s für Bewegungsspiele (VfB) <strong>Jena</strong> im Jahre 1911 hatte die<br />

<strong>Sport</strong>art Leichtathletik e<strong>in</strong>e eigene Heimstatt, bestand doch anfangs dieser Vere<strong>in</strong> vor allem<br />

aus der Sparte Leichtathletik. Später kamen weitere Abteilungen wie Hockey, Fußball<br />

und Fechten h<strong>in</strong>zu. Als akademisch orientierter Vere<strong>in</strong>, der seit 1914 vertraglich eng mit der<br />

Universität zusammenarbeitete und der se<strong>in</strong>e Heimstadt auf den Universitätssportplätzen hat-<br />

te, kann man den VfB als Vorläufer des USV ansehen. Die Akademische Abteilung des VfB<br />

<strong>Jena</strong> organisierte das erste nationale Leichtathletik-<strong>Sport</strong>fest als „l. Nationale Olympische<br />

Spiele" im Jahre 1912. Zu diesem waren die besten <strong>Sport</strong>ler Deutschlands gekommen. Die<br />

Wettkämpfe fanden auf dem <strong>Sport</strong>gelände der Wöllnitzer Wiesen statt. Die Ehrenpreise<br />

wurden u. a. vom Weimarer Großherzog Wilhelm Ernst, den Herzögen von Coburg-Gotha,<br />

Carl Eduard, Sachsen Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen, Georg II., Altenburg, Ernst II., und dem Fürsten von<br />

Schwarzburg, Günther gestiftet. Seitdem fanden <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> regelmäßig bedeutende<br />

Leichtathletik-Wettkampfe statt. Höhepunkte waren dabei immer Hochschulmeisterschaften.<br />

1926 wurden die ersten deutschen Hochschulmeisterschaften <strong>in</strong> der Leichtathletik <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

organisiert. Alle deutschen Hochschulen und die Universitäten von Wien, Brunn und Prag<br />

hatten Mannschaften geschickt. Die nächsten Deutschen Hochschulmeisterschaften fanden<br />

1935 mit über 1000 Teilnehmern <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> statt. Der damalige Direktor des Instituts für<br />

Leibesübungen, Hans Ebert, e<strong>in</strong> strammer Nazi, wollte damit se<strong>in</strong>e organisatorischen<br />

Fähigkeiten nachweisen. Wichtiger war aber, dass die Wettkämpfe als Qualifikation für die<br />

Olympischen Spiel 19p6 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gewertet wurden, e<strong>in</strong>e herausragende Leistung vollbrachte<br />

Gisela Mauermeyer mit ihrem Diskus über 46,10 m, was Weltrekord bedeutete.<br />

Nach dem II. Weltkrieg wurden die für Berl<strong>in</strong> geplanten l. Studentenmeisterschaften der DDR<br />

<strong>in</strong> der Leichtathletik 1950 <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> organisiert. Ab 1962 wurden dann alle fünf Jahre die<br />

Meisterschaften der Studenten durchgeführt. Zu den Organisatoren zählte seit damals bis zur<br />

Wende immer Dr. Kar<strong>in</strong> Berkes. Selbst erfolgreiche Leichtathlet<strong>in</strong>, wurde sie nach dem<br />

Studium Lehrkraft am Institut für Körpererziehung, war zeitweilig Abteilungsleiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

Leichtathletik der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Jena</strong> und hatte zu „Untersuchungen über die<br />

Auswirkungen e<strong>in</strong>er akzentuierten Leichtathletikausbildung im <strong>Sport</strong>unterricht bei Mädchen"<br />

promoviert. In den Thür<strong>in</strong>ger Bestenlisten steht sie unter ihrem Mädchennamen Paulo mit;<br />

108


1958 Über 100 m <strong>in</strong> 13,0 Sek. über 200 m <strong>in</strong> 27,8 Sek. und über 80 m Hürden <strong>in</strong> 13,9 Sek.;<br />

1960 im Kugelstoßen mit 9,60 m, Weitsprung mit 4,99 m und 1962 als Kar<strong>in</strong> Berkes im<br />

Speerwerfen mit 29,70 m.<br />

Neben Inge Riebel, die heute noch die Abteilung Rhythmische <strong>Sport</strong>gymnastik leitet, ist Dr.<br />

Kar<strong>in</strong> Berkes die e<strong>in</strong>zige weibliche Lehrkraft des <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts aus „DDR-Zeiten“, die noch<br />

als Übungsleiter<strong>in</strong> im USV tätig ist. Heute ist ihr Spezialgebiet allerd<strong>in</strong>gs Tai Ji, wo sie bei<br />

der Seniorenabteilung und im Hochschulsport Gruppen betreut.<br />

Dr. Kar<strong>in</strong> Berkes (Bildmitte) mit erfolgreichen Leichtathlet<strong>in</strong>nen der HSG <strong>Jena</strong> Anfang der<br />

siebziger Jahre.<br />

1970 Im Wandel der Zeit<br />

Die <strong>Geschichte</strong> der Universitätssportfeste geht bis auf die I. Akademische Olympia im Jahre<br />

1913 zurück. Anfangs hatten diese <strong>Sport</strong>feste, die seit 1914 Universitäts- Turn- und <strong>Sport</strong>feste<br />

hießen, nicht mehr als 100 – 150 Teilnehmer. Im „III. Reich“ wurden die <strong>Sport</strong>feste zu<br />

Pflichtveranstaltungen, zum<strong>in</strong>dest der ersten Studienjahre und militärische Diszipl<strong>in</strong>en wie<br />

der Mannschafts-Fünfkampf bestehend aus e<strong>in</strong>em Gepäckmarsch über 15 km mit 25kg<br />

Gepäck, anschließendem Schießen, H<strong>in</strong>dernislauf, Kleiderschwimmen und<br />

Handgranatenzielwurf waren wichtige Teile der <strong>Sport</strong>feste.<br />

Zu DDR-Zeiten fand ab Mitte der fünfziger Jahre jährlich e<strong>in</strong> Universitätssportfest als<br />

Höhepunkt des Ausbildungsjahres im Pflichtstudentensport statt. Alle Unterrichtsgruppen<br />

vom 1. – 3. Studienjahr beteiligten sich <strong>in</strong> ihrer Wahlsportart an den Wettkämpfen.<br />

Teilnehmerzahlen von bis zu 2000 Studierenden waren ke<strong>in</strong>e Seltenheit und fast alle im<br />

Studentensport angebotenen <strong>Sport</strong>arten von A wie Ausdauerlauf bis W wie Wehrsport waren<br />

Bestandteil der <strong>Sport</strong>feste. In den Spielsportarten wurden auf der Basis der „<strong>Sport</strong>gruppen“,<br />

die sich meist nach Fakultäten oder Instituten auf Studienjahresbasis zusammensetzten,<br />

Mannschaften gebildet. Daneben gab es teilweise noch Universitätsmeisterschaften, wo die<br />

leistungsorientierten Studentensportler jährlich an den Start g<strong>in</strong>gen.<br />

Heute nimmt das Hanfried-Turnier die Funktion des Universitätssportfestes e<strong>in</strong>. Von <strong>Sport</strong>art<br />

zu <strong>Sport</strong>art verschieden werden zusätzlich die Universitätsmeister ermittelt.<br />

109


Fotos 11<br />

Die Ausschreibung des 1. Universitätssportfestes 1913 ist erhalten geblieben ebenso wie e<strong>in</strong><br />

Foto vom Ziele<strong>in</strong>lauf über 100m. Der Sieger verwendet e<strong>in</strong>en damals üblichen Zielsprung.<br />

Fußballsportfest 1970: Diese Mannschaft nahm für die FSU teil; l<strong>in</strong>ks h<strong>in</strong>ten steht übrigens<br />

Peter Poser. Der konzentriert sich heute lieber mehr aufs Fotoschießen beim Fußballspielen.<br />

110


Gut gezielt haben Studenten auch beim <strong>Sport</strong>schießen anlässlich e<strong>in</strong>es Uni-<strong>Sport</strong>festes.<br />

Wie alles begann…<br />

Seit Mitte der sechziger Jahre hatte sich Weimar zu e<strong>in</strong>er Hochburg des Orientierungslaufs <strong>in</strong><br />

der damaligen DDR entwickelt. Unter Anleitung von Günter Simros bei der<br />

Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaft Lokomotive erreichten die Weimarer <strong>Sport</strong>ler im Jugend und<br />

Juniorenbereich e<strong>in</strong>e Vielzahl von Medaillen bei Meisterschaften. Da e<strong>in</strong>ige der jugendlichen<br />

Orientierungsläufer zum <strong>Sport</strong>studium an die Friedrich-Schiller-Universität nach <strong>Jena</strong> g<strong>in</strong>gen<br />

und dort auch e<strong>in</strong>e Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgruppe gründeten, war es logisch, dass die eigenen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden ständig mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verglichen<br />

wurden. E<strong>in</strong>e Diplomarbeit aus dem Jahre 1970 lieferte die Grundlage dafür, dass<br />

Ausdauerläufe mit Streckenlängen über 20 km zunehmend an Bedeutung gewannen. Bei<br />

e<strong>in</strong>em 25 km-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslauf - von Blankenha<strong>in</strong> über den Kötsch nach Weimar - entstand die<br />

Idee, e<strong>in</strong>en Etappenlau ähnlich der populären Friedensfahrt über den Rennsteig zu<br />

organisieren. Zu Beg<strong>in</strong>n der Sommerferien 1971 standen sechs junge Männer vor den<br />

Bahnhof <strong>in</strong> Eisenach, um ihren ersten Lauf auf den Rennsteig zu absolvieren. Geplant waren<br />

vier Etappen von Eisenach bis Neuhaus. Übernachtungen sollten auf den Inselberg, <strong>in</strong><br />

Oberhof und Masserberg erfolgen. Die Testmannschaft bestand aus Peter Baumann,<br />

Michael Brehme, Karl- Eberhardt Gerlach, Hans-Georg Kremer (HSG <strong>Jena</strong>), Gerhard<br />

Porsche (HSG <strong>Jena</strong>), Wolf- Dieter Wolfram (HSG <strong>Jena</strong>) und den<br />

Mediz<strong>in</strong>studenten Lothar Erbs als Betreuer, der mit se<strong>in</strong>em Moped Typ Schwalbe das<br />

gesamte Gepäck und ausgefallene Teilnehmer transportierte.<br />

Vom Start ab Bahnhof Eisenach wurde zügig gelaufen, und die 25 km bis zum Inselberg<br />

stellten für die Teilnehmer ke<strong>in</strong> Problem dar. Ungeeignetes Schuhwerk führte aber zum<br />

Ausfall von Gerhard Porsche am zweiten Tag. Ansonsten lief es auch am zweiten Tag bis<br />

Oberhof noch ganz gut. Hier gab es e<strong>in</strong>en Ruhetag. Da die Quartierbeschaffung <strong>in</strong> Masserberg<br />

Probleme bereitete, wurde beschlossen, die zweite Hälfte des Laufes (65 km) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stück<br />

zu bewältigen. Die ungewohnte Streckenlänge, e<strong>in</strong> Witterungsumsturz mit Regen,<br />

Temperaturen zwischen fünf und zehn<br />

Grad und zunehmende Orientierungsprobleme beim F<strong>in</strong>den der Rennsteigmarkierungen<br />

sorgten dafür, dass die letzte Etappe an die Grenze der Belastbarkeit aller Beteiligten führte.<br />

Zusätzlich erschwerend wirkte sich aus, dass die kle<strong>in</strong>e Gruppe, bed<strong>in</strong>gt durch<br />

unterschiedliche Leistungsfähigkeit, nicht zusammen blieb. Drei Läufer erreichten geme<strong>in</strong>sam<br />

das Ziel auf dem <strong>Sport</strong>platz <strong>in</strong> Neuhaus. E<strong>in</strong>er nutzte die letzten Kilometer den L<strong>in</strong>ienbus,<br />

und der Fünfte hatte sich so<br />

verlaufen, so dass er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ort etwa 5 km vom Rennsteig abgeholt werden musste.<br />

111


Trotzdem war die Euphorie über den Erfolg so groß, dass bereits wenige Tage später<br />

feststand, dass dieser Lauf e<strong>in</strong>e Neuauflage f<strong>in</strong>den sollte. Die nächsten Versuche zeigten, dass<br />

die logistischen<br />

Probleme wie die Beschaffung von geeigneter Landkarten und Quartiere und die Versorgung<br />

und Betreuung e<strong>in</strong>es Etappenlaufs die Möglichkeiten der Orientierungslaufgruppen <strong>in</strong><br />

Weimar und<br />

<strong>Jena</strong> überstieg. So reifte die Überlegung, den Rennsteig erst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stück als Ultra-<br />

Marathon zu erkunden, was 1973 zum I. GutsMuths-Rennsteiglauf führte.<br />

Die Gründungsväter: Von l<strong>in</strong>ks Gerhard Porsche, Wolf-Dieter Wolfram, Michael Brehme,<br />

Hans-Georg Kremer und Karl-Eberhard Gerlach.<br />

1972 Universiadesieger aus <strong>Jena</strong><br />

Die Universiade ist nach den Olympischen Sommersportspielen die zweitgrößte<br />

<strong>Sport</strong>veranstaltung der Welt, aber <strong>in</strong> Mitteleuropa nur sehr Wenigen bekannt. Die <strong>Geschichte</strong><br />

der Universiade beg<strong>in</strong>nt erst 1959. Bei den Vorläufern der Universiade, den<br />

Studentenweltmeisterschaften waren bis 1945 Charlotte Freytag <strong>in</strong> den zwanziger und<br />

Siegfriede Dempe und Luise Lockemann <strong>in</strong> den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf<br />

Medaillenränge gelaufen oder gesprungen. Nach dem Krieg hießen die Universiadevorläufer<br />

erst mal „Akademische Weltspielen“. Aus <strong>Jena</strong> g<strong>in</strong>gen 1951, bei den Wettkämpfen <strong>in</strong> Prag,<br />

die Schwimmer Gerhard Giera, der Gold über 100m Brust gewann und Jutta Langenau, die<br />

zweimal Bronze über 100 und 1000m Freistil holte, an den Start.<br />

Wolfgang Nordwig im Stabhochsprung 1970, Renate Meißner (Stecher) über 100 und 200m<br />

1970 und 1973 und Bärbel Struppert 1970 <strong>in</strong> der 4x100m Staffel, waren dann die <strong>Jena</strong>er<br />

<strong>Sport</strong>ler bei e<strong>in</strong>er Universiade. Alle drei errangen <strong>in</strong> ihrer Diszipl<strong>in</strong> Gold, genauso wie<br />

Siegfried Schenke über 100m, der außerdem noch Silber über 200m erspurtete. Er ist heute<br />

noch Lehrkraft am Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft.<br />

Nach 1990 starteten u. a. der Skilangläufer Frank Thonfeld und mehrere Fußballer<strong>in</strong>nen bei<br />

Universiade-Wettbewerben.<br />

Mit der Bewerbung um die Ausrichtung der Universiade <strong>in</strong> Hamburg 2013 möchte der<br />

Allgeme<strong>in</strong>e deutsche Hochschulsportverband (adh) e<strong>in</strong>en Beitrag leisten, die Bedeutung des<br />

Hochschulsports stärker <strong>in</strong>s Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Ähnlich wie der<br />

Hochschulsport, wird die Universiade <strong>in</strong> ihrer Bedeutung vielfach unterschätzt. Hier trifft sich<br />

112


die akademische "<strong>Sport</strong>elite" der ganzen Welt. Anders als bei den Olympischen Spielen hat<br />

die Kommunikation zwischen den Athleten e<strong>in</strong>en viel höheren Stellenwert und da alle<br />

Teilnehmer sozusagen aus e<strong>in</strong>er Berufsgruppe kommen, gibt es e<strong>in</strong>en viel <strong>in</strong>tensiveren<br />

Austausch. Dieser wirkt sich dann häufig <strong>in</strong> der späteren Entwicklung der Universiade-<br />

Teilnehmer bei der Wahl der Studienorte, des wissenschaftlichen Austausches und <strong>in</strong> ihrem<br />

Berufsleben aus. So wie im Hochschulsport e<strong>in</strong>er Universität im Kle<strong>in</strong>en kann e<strong>in</strong>e<br />

Universiade im Großes e<strong>in</strong> Netzwerk schaffen, welches über Jahrzehnte positiv auf den<br />

Wissenschaftsstandort wirkt.<br />

In Thür<strong>in</strong>gen haben e<strong>in</strong>ige Hochschulstandorte den Stellenwert des Hochschulsports schon<br />

erkannt. So hat die kle<strong>in</strong>e Stadt Ilmenau beträchtliche Mittel (400.000,-) zum Bau e<strong>in</strong>er<br />

Dreifelderhalle, die vor allem die TU nutzt, lockergemacht. In der Stadt Erfurt gab es e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>stimmigen Beschluss aller Fraktionen der Stadt, dem USV Erfurt 200.000,- € für e<strong>in</strong>en<br />

Erweiterungsbau an e<strong>in</strong>er <strong>Sport</strong>halle zur Verfügung zu stellen.<br />

Für die Universität <strong>Jena</strong> und die Fachhochschule ergibt sich mit der Universiade im eigenen<br />

Lande die Möglichkeit, studierende Athlet<strong>in</strong>nen und Athleten systematische auf diesen<br />

Höhepunkt vorzubereiten. Beide <strong>Jena</strong>er Hochschulen s<strong>in</strong>d Partnerhochschulen des<br />

Spitzensports und mit den vielen Traditionssportarten, angefangen bei der Leichtathletik, über<br />

Badm<strong>in</strong>ton, R<strong>in</strong>gen, Fechten bis h<strong>in</strong> zum Frauenfußball, hat <strong>Jena</strong> die reale Möglichkeit,<br />

Universiadekader zu fördern.<br />

Nach den Olympischen Spielen 1972 fand <strong>in</strong> der Aula der Universität e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>lerforum statt.<br />

Bildmitte Wolfgang Nordwig, rechts daneben Roland Matthes.<br />

1972 Vier Mal Olympisches-Gold für <strong>Jena</strong><br />

Sprechen ältere <strong>Jena</strong>er über ihre <strong>Sport</strong>stadt fällt ihnen meist das Jahr 1972 wieder e<strong>in</strong>, als<br />

gleich vier Goldmedaillen von <strong>Sport</strong>lern aus <strong>Jena</strong> von den Olympischen Spielen <strong>in</strong> München<br />

mit nach Hause gebracht wurden. Drei Namen stehen hierfür <strong>in</strong> der „Hall of Fame“ des<br />

Universitätssports, Ruth Fuchs, Wolfgang Nordwig und Renate Stecher. Letztere holte gleich<br />

zwei Goldmedaillen (100 und 200m) und e<strong>in</strong>e Silbermedaille <strong>in</strong> der 4x100m Staffel.<br />

Renate Meißner, wie sie mit Mädchennamen hieß, stammt aus Süptitz bei Torgau. In Torgau<br />

besuchte sie die Schule und hier begann auch ihre sportliche Laufbahn, die sie an e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der-<br />

und Jugendsportschule führte. Nach dem Abitur nahm sie e<strong>in</strong> Pädagogik-Studium auf,<br />

welches sie an der Friedrich-Schiller-Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> als Diplom-Lehrer<strong>in</strong> für<br />

Körpererziehung erfolgreich abschloss. Danach wurde Renate Stecher Mitarbeiter<strong>in</strong> des<br />

113


Bereiches Studentensport an der Universität. Heute ist sie beim Studentenwerk Thür<strong>in</strong>gen<br />

tätig. Für den SC Motor <strong>Jena</strong> startete sie ab 1968.<br />

Sie gehört zu den erfolgreichsten Teilnehmer<strong>in</strong>nen aus <strong>Jena</strong> an Olympischen Spielen.<br />

1972 holte sie über:<br />

100m <strong>in</strong> 11,07 – Gold<br />

200m <strong>in</strong> 22,40 - Gold<br />

mit der 4x100m-Staffel <strong>in</strong> 42,95 – Silber<br />

1976 über :<br />

100m <strong>in</strong> 11,13 – Silber<br />

200m <strong>in</strong> 22,47 – Bronze<br />

mit 4x100m-Staffel <strong>in</strong> 42,55 – Gold.<br />

Dazu kommen noch viele Medaillen bei Europameisterschaften.<br />

Weltrekorde lief sie:<br />

über 50m <strong>in</strong> 6,0 sec. 1971<br />

über 60m <strong>in</strong> 7,1 sec. 1970<br />

über 100yard <strong>in</strong> 10,48 sec. 1974<br />

über 100m <strong>in</strong> 10,9 sec. 1973<br />

über 200m <strong>in</strong> 22,4 sec. 1972<br />

mit der 4x100m-Staffel <strong>in</strong> 42,50 sec. 1976<br />

und mit der 4x200m-Staffel <strong>in</strong> 1:32,4 sec. 1976.<br />

1972 Als die Frauen noch beim FCC kickten<br />

114


Spätestens mit dem Gew<strong>in</strong>n des Titels e<strong>in</strong>es „NOFV-Meisters“ im Spieljahr 1990/91 durch<br />

die Frauenfußballmannschaft des USV und den Aufstieg <strong>in</strong> die Bundesliga gehörte der<br />

Frauenfußball <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>landschaft zu den Leistungsträgern. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

waren 18 Jahre unermüdliche Arbeit des Hochschulsportlehrers Hugo Weschenfelder<br />

vorangegangen. Dabei nahm der Frauenfußball immer nur e<strong>in</strong>en Bruchteil se<strong>in</strong>er Arbeitszeit<br />

aber viele Stunden Freizeit <strong>in</strong> Anspruch. Erstmals für den Herbst 1972 warb Weschenfelder <strong>in</strong><br />

der Universitätszeitung für den Frauenfußball mit folgendem Satz: „Für <strong>in</strong>teressierte<br />

Student<strong>in</strong>nen besteht ab Herbstsemester 1972 die Möglichkeit, sich montags 17.00 Uhr, <strong>in</strong> der<br />

Sektion <strong>Sport</strong>wissenschaft zum Fußballunterricht e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den.“ Das Ergebnis war noch<br />

bescheiden und konzentrierte sich vor allem auf <strong>Sport</strong>lehrer-Student<strong>in</strong>nen. Spätestens seit<br />

Anfang der siebziger Jahre setzte auch beim <strong>Sport</strong>studium e<strong>in</strong> Trend e<strong>in</strong>, der für die<br />

Lehrerausbildung der DDR generell zutraf. Es studierten deutlich mehr Mädchen als Jungen.<br />

Da die zukünftigen <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong>nen voraussahen, dass sie auch Jungen unterrichten müssen,<br />

fiel das Fußball-Angebot von Hugo Weschenfelder auf fruchtbaren Boden.<br />

Es dauerte bis Juni 1984 bis Hugo Weschenfelder e<strong>in</strong> erstes Frauenfußballturnier organisierte<br />

an dem vier Ostthür<strong>in</strong>ger Mannschaften, von der Ingenieurschule Hermsdorf, dem Institut für<br />

Lehrerbildung Krossen, von <strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen aus <strong>Jena</strong> und von der HSG Uni <strong>Jena</strong><br />

teilnahmen. Vorher hatte es sogar den Versuch gegeben, die besten Fußballer<strong>in</strong>nen der<br />

Universität beim FC Carl-Zeiss anzusiedeln, was aber e<strong>in</strong>e Episode blieb und vielleicht noch<br />

heute zum reservierten Verhältnis von <strong>Jena</strong>s erstem Fußballvere<strong>in</strong> zum Frauenfußball beiträgt.<br />

Ab 1984 g<strong>in</strong>g es dann steil bergauf mit <strong>Jena</strong>s Frauenfußball. 1985 wurde die Mannschaft der<br />

<strong>Sport</strong>student<strong>in</strong>nen bei <strong>in</strong>offiziellen Bezirksmeisterschaften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Turnier mit acht<br />

Mannschaften Sieger. 1986 besiegen sie die Bezirksauswahl Gera mit 12: 0. 1987 wurden sie<br />

offiziell Bezirksmeister<strong>in</strong>nen. 1989 standen sie im DDR-Pokalf<strong>in</strong>ale und belegten Platz drei<br />

bei der DDR-Bestenermittlung.<br />

Ab 1990 gehört der USV <strong>Jena</strong> zu den Spitzenvere<strong>in</strong>en im Frauenfußball Deutschlands.<br />

Das erste Frauenfußballspiel von CZ <strong>Jena</strong> gegen Empor Dresden 1973 als Vorspiel zu e<strong>in</strong>em<br />

Oberligaspiel des FC Carl Zeiss.<br />

115


Das Student<strong>in</strong>nen-Team der FSU 1985 bei e<strong>in</strong>em Turnier auf dem Platz h<strong>in</strong>ter dem<br />

<strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut.<br />

1974 GutsMuths vor 34 Jahren erstmals beim Rennsteiglauf<br />

2007 war e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Jubiläum: 35 Jahre Rennsteiglauf. Obwohl der Lauf erst seit 1976 die<br />

Bezeichnung „GutsMuths-Rennsteiglauf“ führt, gehen die Wurzeln bis <strong>in</strong> das Jahr 1971<br />

zurück. Damals begannen Oberschüler aus Weimar und Studenten aus <strong>Jena</strong> mit ersten<br />

Testläufen für e<strong>in</strong>en Orientierungslauf auf dem Rennsteig. E<strong>in</strong> Unterfangen, welches sich als<br />

nicht realisierbar herausstellte, weil z. B. geeignetes Kartenmaterial vom Thür<strong>in</strong>ger Wald, der<br />

ja dicht an der „Westgrenze“ lag, e<strong>in</strong>fach nicht zu bekommen war. Stattdessen entwickelte<br />

sich aus dem Vorhaben e<strong>in</strong> Ultralauf über den damals zugängigen Rennsteig von etwa 100<br />

km. Zu Beg<strong>in</strong>n des Jahres 1974, also vor genau 25 Jahren, wurde dann erstmals der Name<br />

des Begründers des modernen <strong>Sport</strong>unterrichts - J. C. F. GutsMuths- mit dem Rennsteiglauf<br />

verbunden. E<strong>in</strong> Jahr vorher hatten drei <strong>Jena</strong>er Studenten und e<strong>in</strong> Assistent der Universität<br />

e<strong>in</strong>en Lauf über knapp 100 km auf dem Rennsteig absolviert. Dies war die Geburtsstunde des<br />

GutsMuths- Rennsteiglaufes. Der erste Lauf fand allerd<strong>in</strong>gs unter der Bezeichnung „50<br />

Meilen- Rennsteiglauf“ statt. Zum zweiten Lauf sollten weitere Interessenten e<strong>in</strong>geladen<br />

werden. E<strong>in</strong> neuer Start- und Zielort wurde gesucht. Der <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>historiker Prof. Dr. Willi<br />

Schröder schlug vor, den Start im Rahmen der GutsMuths- Gedenkspiele, e<strong>in</strong>em<br />

vormilitärischen Mehrkampf für die Oberschule des Bezirkes Erfurt, der <strong>in</strong> Schnepfenthal<br />

stattfand, vorzunehmen. Die Schnepfenthaler „Salzmannschule“ war die Wirkungsstätte von<br />

GutsMuths vor etwa 200 Jahren und Willi Schröder war nicht nur e<strong>in</strong> ausgewiesener Forscher<br />

zum Thema GutsMuths, sondern auch Schirmherr der Gedenkspiele. Als Namen schlug er<br />

vor: „50 Meilen- GutsMuths- Gedenklauf“. Die 50 Meilen sollten e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zur<br />

damals populären „Meilenlaufbewegung“ der <strong>Sport</strong>journalisten der DDR herstellen. Nach der<br />

Eröffnung <strong>in</strong> Schnepfenthal erfolgte der scharfe Start am Heuberghaus auf dem Rennsteig.<br />

Als Ziel war Neuhaus am Rennsteig ausgemacht worden. Zwölf Läufer aus <strong>Jena</strong>, Leipzig und<br />

Karl- Marx- Stadt nahmen daran teil. Von diesen erreichten acht das Ziel. Seitdem ist<br />

GutsMuths mit dem Rennsteig verbunden. Es gab dann mehrere Versuche, den Lauf<br />

umzubenennen. So 1976, als der Bezirk Suhl die Gesamtleitung von der HSG Uni <strong>Jena</strong><br />

übernahm. Damals waren Namen wie Werner Seelenb<strong>in</strong>der- Gedenklauf und Magnus- Poser-<br />

Rennsteiglauf im Gespräch. Diese Änderungsversuche konnten sich aber nicht durchsetzen.<br />

116


1974 Der Erf<strong>in</strong>der des Logos<br />

Thür<strong>in</strong>gens größte <strong>Sport</strong>veranstaltung, der GutsMuths-Rennsteiglauf, der sich noch mit dem<br />

Untertitel „Europas größter Cross“ schmückt, wurde von Studenten und Wissenschaftlern der<br />

Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong> zwischen 1971 und 1975 entwickelt und mit Hilfe vieler<br />

<strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e im Thür<strong>in</strong>ger Wald ab 1975 aufgebaut. Neben der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik,<br />

<strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong> und <strong>Sport</strong>organisation haben sich Universitätsangehörige besonders um die<br />

Öffentlichkeitarbeit und Traditionspflege verdient gemacht. Bis zur Wende unter der<br />

Bezeichnung „Agitation und Propaganda“ und ab 1990 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />

wurden wirksame Formen der Pressearbeit, der Werbung und Merchandis<strong>in</strong>gs ausprobiert und<br />

ständig vervollkommnet. Wichtige Grundlage dafür war neben dem Namen des Laufs e<strong>in</strong><br />

eigenes Symbol. Der Universitäts-Grafiker Klaus Hobrack aus <strong>Jena</strong> entwickelte im Dezember<br />

1974, <strong>in</strong> Vorbereitung auf den 3. GutsMuths-Rennsteiglauf das Logo des Rennsteiglaufs. Dies<br />

bestand damals aus e<strong>in</strong>em grünen „R“ mit e<strong>in</strong>em schwarzen nach rechts umlaufenden Pfeil,<br />

bestehend aus vier L<strong>in</strong>ien. Das R stammt von dem seit Ende des 19. Jahrhunderts üblichen<br />

Markierungssymbol auf dem Rennsteig, welches von den Mitgliedern des „Rennsteigvere<strong>in</strong>s“<br />

an Bäumen angebracht wurde. Der umlaufende Pfeil, der sozusagen aus drei Laufbahnen<br />

bestand, sollte das Laufen symbolisieren und gleichzeitig die Form e<strong>in</strong>es der alten<br />

Grenzste<strong>in</strong>e, die heute häufig als Rennsteigste<strong>in</strong>e bezeichnet werden, haben. Dass die<br />

Laufbahn nur <strong>in</strong> „e<strong>in</strong>em“ Pfeil endete, hatte e<strong>in</strong>mal die Funktion, dass es dem Logo e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Dynamik verlieh, außerdem hatte der Rennsteiglauf 1975 nur e<strong>in</strong>e Laufrichtung. Bei<br />

der ersten Planung war e<strong>in</strong>e Strecke von etwa 100 km vom Heuberghaus nach Neuhaus<br />

vorgesehen.<br />

Das Logo wurde dann mehrfach grafisch überarbeitet, so von der Weimarer Grafiker<strong>in</strong> Ilse<br />

Eulitz, von der bekannten Geraer Künstler<strong>in</strong> Angelika Schütt und zuletzt vom Schmiedefelder<br />

Werbefachmann Uwe Kusian.<br />

Klaus Hobrack, der selber auch am Rennsteiglauf als Aktiver an den Start g<strong>in</strong>g, blieb der<br />

<strong>Jena</strong>er Laufgruppe als „grafischer“ Berater und Helfer viele Jahre treu. Als Übungsleiter<br />

e<strong>in</strong>er Schülergruppe im Orientierungslauf hatte er zudem e<strong>in</strong>en Anteil an der Aufbauarbeit<br />

dieser schönen <strong>Sport</strong>art, aus der der GutsMuths-Rennsteiglauf <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> hervorgegangen war.<br />

117


Klaus Hobrack beim sportmediz<strong>in</strong>ischen Test <strong>in</strong> Vorbereitung auf den Rennsteiglauf 1975 an<br />

der Universität.<br />

1974 Von Buchenwald nach <strong>Jena</strong><br />

Dass <strong>in</strong> Vorbereitung auf die Olympischen Spiele das Feuer von Olympia <strong>in</strong> Griechenland<br />

zum jeweiligen Austragungsort getragen wird, ist e<strong>in</strong>e relativ neue Erf<strong>in</strong>dung. Zu den<br />

Olympischen Spielen 1936 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong>itiierte der Generalsekretär der Spiele, Carl Diem,<br />

e<strong>in</strong>en solchen Lauf. Über die umstrittenen Verstrickungen Diems <strong>in</strong> die Machtstrukturen des<br />

III. Reichs soll hier nicht berichtet werden, sonder über se<strong>in</strong>e Beziehungen zu <strong>Jena</strong>. Als im<br />

Juni 1912 die I. Nationalen Olympischen Spiele von der akademischen Abteilung des VfB<br />

organisiert wurden, tauchte unter den Kampfrichtern Carl Diem auf. Bereits vorher angereist,<br />

hielt er am Vorabend im Volkshaus e<strong>in</strong>en Vortrag zur Olympischen Bewegung. Tags drauf<br />

saß er dann im Kampfgericht e<strong>in</strong>es der bedeutendsten Leichtathletikwettkämpfe des Jahres<br />

1912 im Deutschen Reich. Aus dem 25 köpfigen Olympiakader für die Spiele <strong>in</strong> Stockholm<br />

waren ca. vier Wochen vorher acht nach <strong>Jena</strong> gekommen. 1600 Zuschauer waren zu den<br />

Wettkämpfen auf die Plätze des „Spielplatzvere<strong>in</strong>s“, dem späteren Universitätssportplätze<br />

gekommen.<br />

Der 1882 <strong>in</strong> Würzburg geborene Carl Diem war seit 1908 Vorsitzender der „Deutschen<br />

<strong>Sport</strong>behörde für Athletik“. 1913 erfand er das Deutsche <strong>Sport</strong>abzeichen und bis 1933 war er<br />

Generalsekretär des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen. Nach dem II.<br />

Weltkrieg übernimmt er die Leitung des Instituts für körperliche Erziehung und Schulhygiene<br />

an der Universität Berl<strong>in</strong>, geht aber 1947 <strong>in</strong> die britische Zone und wird Gründungsrektor der<br />

Deutschen <strong>Sport</strong>hochschule, was er bis zu se<strong>in</strong>em Tode 1962 bleibt.<br />

In <strong>Jena</strong> war Diem nach se<strong>in</strong>en Tagebüchern 1940 noch e<strong>in</strong>mal ohne, dass der Grund hierfür<br />

bis jetzt ermittelt werden konnte. Se<strong>in</strong>e Idee e<strong>in</strong>es symbolischen Fackelaufs kam Anfang der<br />

siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> noch e<strong>in</strong>mal zu Ehren. 1974 organisierten<br />

Ausdauerläufer der Abteilung Orientierungslauf den ersten Fackellauf. Die Flamme wurde<br />

vor dem Krematorium im Konzentrationslager Buchenwald entzündet und über e<strong>in</strong>e 30<br />

Kilometer lange Strecke bis zum damaligen Universitätshoch getragen. Hier wurde mit ihr<br />

e<strong>in</strong>e Flammenschale entzündet und damit das Universitätssportfest eröffnet. Im Gegensatz zu<br />

118


den Olympischen Fackelläufen wurde dieser Lauf nicht als Stafette organisiert, sondern fast<br />

alle Läufer<strong>in</strong>nen und Läufer liefen die gesamte Strecke mit. Sie wollten damit gleichzeitig für<br />

die Laufbewegung und den Rennsteiglauf werben. Der letzte Fackellauf von Buchenwald<br />

nach <strong>Jena</strong> fand 1977 statt.<br />

Der Mediz<strong>in</strong>student Ronald Berndt trägt als erster die Fackel, hier auf dem Gelände der<br />

Buchenwald-Gedenkstätte h<strong>in</strong>ter dem Denkmal von Fritz Cremer.<br />

1975 Warum der Rennsteiglauf ke<strong>in</strong>e Leichtathletik-Veranstaltung wurde?<br />

Nach den Testläufen von 1971 – 1973 organisierten die Orientierungsläufer der HSG Uni<br />

<strong>Jena</strong> 1974 e<strong>in</strong>en öffentlichen Lauf auf dem Rennsteig, der unter der Bezeichnung „50 Meilen<br />

GutsMuths-Gedenklauf“ publiziert wurde. Zwei kle<strong>in</strong>e Artikel <strong>in</strong> der Universitätszeitung <strong>in</strong><br />

<strong>Jena</strong> und der Fachzeitschrift „der Tourist“ trugen dazu bei, dass es etwa 20 Anmeldungen aus<br />

Leipzig und Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) gab. Letztendlich starteten dann 12 Läufer aus<br />

<strong>Jena</strong>, Leipzig und Karl-Marx-Stadt, von denen nach über 80 Kilometern acht das Ziel <strong>in</strong><br />

Neuhaus erreichten. Schon kurze Zeit darauf begannen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> Vorstellungen zu e<strong>in</strong>er<br />

größeren Auflage des Rennsteiglaufs zu reifen. Vorsichtige Anfragen bei dem für<br />

Straßenläufe zuständigen Fachverband, dem Deutschen Verband für Leichtathletik (DVfL)<br />

zeigten, dass dies nicht der geeignete Partner se<strong>in</strong> konnte. Zuerst wurde nach der genauen<br />

Vermessung der Strecke, dann nach e<strong>in</strong>er korrekten Zeitnahme und der E<strong>in</strong>haltung der<br />

Wettkampfregeln des Verbandes gefragt. Als dann auch noch die voraussichtliche Länge der<br />

Strecke von über 80 km bekannt wurde, kam die e<strong>in</strong>deutige Aussage, dass dieser Lauf nicht<br />

vom DVfL übernommen würde. Dabei g<strong>in</strong>g es gar nicht um die Organisation der<br />

Veranstaltung, sondern lediglich um die Aufnahme <strong>in</strong> den zentralen Term<strong>in</strong>kalender. Dies<br />

war zw<strong>in</strong>gend notwendig, um überhaupt e<strong>in</strong>e „DDR-offene“ Veranstaltung organisieren zu<br />

dürfen. E<strong>in</strong> weiterer nicht zu unterschätzender H<strong>in</strong>tergrund war, dass im Regelwerk des DVfL<br />

als Startgeld für Laufveranstaltungen 3, - Mark festgeschrieben waren womit der<br />

Rennsteiglauf aber nicht f<strong>in</strong>anzierbar war. Da die <strong>Jena</strong>er „Rennsteiglaufgründer“ alle<br />

Akademiker (Studenten und Mitarbeiter an der <strong>Jena</strong>er Uni) gewesen s<strong>in</strong>d, lag nichts näher, als<br />

beim eigenen Studentensportverband, dem „Präsidium für Hoch- und Fachschulsport der<br />

DDR“ nachzufragen. Um „dumme“ Rückfragen nach dem leichtathletischen Regelwerk zu<br />

vermeiden, bediente man sich der Fachgruppe Orientierungslauf <strong>in</strong> diesem Verband. Diese<br />

„Randsportart“ hatte <strong>in</strong> der DDR mit den Wanderern und Bergsteigern e<strong>in</strong>en eigenen<br />

Fachverband. In allen drei <strong>Sport</strong>arten gab es eigene Qualifizierungsnormen, zu denen beim<br />

Wandern auch „100 km–Leistungswanderungen“ gehörte. Dies ausnutzend, beantragte die<br />

Fachgruppe Orientierungslauf am 16. Juni 1974 beim Präsidium für Hoch- und<br />

Fachschulsport die Aufnahme e<strong>in</strong>er „100 km-Leistungswanderung“ für Studenten und<br />

Angehörige von Hoch- und Fachschulen der DDR <strong>in</strong> den zentralen Term<strong>in</strong>kalender. Der<br />

119


Antrag wurde genehmigt und im Herbst 1974 e<strong>in</strong>e erste Ausschreibung veröffentlicht. Über<br />

100 Anfragen g<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>, darunter viele von „Nichtakademikern“, was die Fachgruppe<br />

veranlasste, den Lauf e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „DDR-offene Lauf- und Wanderveranstaltung“<br />

umzuwidmen. Daraufh<strong>in</strong> stieg die Zahl der Meldungen, für den dann später zum 3.<br />

GutsMuths-Rennsteiglauf erklärten Lauf, auf über 1000, wovon 830 das Ziel <strong>in</strong> Neuhaus<br />

erreichten.<br />

1977 Kernberglauf war zweite Wahl<br />

Seit 1971 waren <strong>Jena</strong>er Orientierungsläufer an der Gründung des legendären GutsMuths-<br />

Rennsteiglaufs beteiligt. Nachdem diese Veranstaltung mit an die 1000 Teilnehmern die<br />

Organisationskapazitäten der HSG Uni gesprengt hatte, gab es <strong>in</strong> der neu gegründeten<br />

Laufgruppe Anfang Juli 1976 von den Ausdauerläufern e<strong>in</strong> Konzept zur Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

eigenen Massenlaufs. Anknüpfend an die guten Erfahrungen beim GutsMuths-Rennsteiglauf,<br />

dessen Leitung <strong>in</strong>zwischen an die SG Beerberg Goldlauter abgegeben worden war, wurde<br />

dar<strong>in</strong> vorgeschlagen, ab 1977 e<strong>in</strong>en Ausdauerlauf mit e<strong>in</strong>er Streckenlänge von ca. 50 km<br />

„Rund um die Hohenwartetalsperre“ zu organisieren. Das Terra<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>en weiteren DDRoffenen<br />

Langstreckenlauf sei bereits erschlossen, hieß es <strong>in</strong> dem Konzept.<br />

„Nach mehrjährigen Versuchen, bei denen sowohl die Streckenführung als auch die<br />

günstigsten Start- und Zielorte auf ihre Eignung überprüft wurden, wollten 14 Teilnehmer an<br />

e<strong>in</strong>em Lauf im Jahre 1976 weitere Erfahrungen sammeln, um im nächstes Jahr etwa 100<br />

Interessenten auf die Strecke vom Start und Ziel an der L<strong>in</strong>kenmühle um die<br />

Hohenwartetalsperre schicken zu können. Der kle<strong>in</strong>e Bruder des großen 85-km-<br />

Rennsteiglaufes sollte dann <strong>in</strong> den nächsten Jahren den Term<strong>in</strong>kalender volkssportlicher<br />

Läufer aufgenommen werden. Von den 14 angemeldeten Läufern g<strong>in</strong>g dann nur e<strong>in</strong>e<br />

Handvoll an den Start und lediglich vier hielten bis zum Ziel durch. Es zeigte sich, dass dieses<br />

Projekt auf Grund der sehr anspruchsvollen Strecke und der komplizierten Infrastruktur nicht<br />

realisierbar war. Deshalb begann schon im Herbst 1976 die Suche nach e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>teressanten<br />

Waldgebiet für e<strong>in</strong>en Langstreckenlauf <strong>in</strong> der Umgebung von <strong>Jena</strong>. Bei den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsläufen<br />

wurden verschiedene Strecken <strong>in</strong> den Kernbergen getestet, und Mitglieder der Laufgruppe<br />

diskutierten Ideen für e<strong>in</strong>e Ausschreibung. Mit damals bereits etwa 80 regelmäßig<br />

120


tra<strong>in</strong>ierenden Ausdauerläufern, von denen 50 Mitglieder der HSG waren, gab es günstige<br />

personelle Voraussetzungen zum Aufbau e<strong>in</strong>er eigenen Laufveranstaltung. Die Unterstützung<br />

durch <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong>er und <strong>Sport</strong>wissenschaftlern der Universität beförderte die Ideen. Zur<br />

Motivation der Teilnehmer äußerte sich e<strong>in</strong>e Woche nach dem 1. Kernberglauf im Oktober<br />

1977 Prof. Dr. Willi Schröder auf e<strong>in</strong>em Kolloquium:<br />

„Bekanntlich hat e<strong>in</strong> Ausdauertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ja nur S<strong>in</strong>n und führt zum gewünschten Erfolg, wenn<br />

es ganzjährig regelmäßig betrieben wird [...] Inzwischen wurde ja auch bekannt, dass es<br />

deswegen im Herbst e<strong>in</strong>en zweiten wettkampfartigen Höhepunkt für Mitglieder von<br />

Übungsgruppen von Ausdauerläufern geben muss. Aus diesem Grunde ist <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong><br />

„Kernberglauf“ über Strecken von 25 und 50 km aus der Taufe gehoben worden.“<br />

Fototext: Vom Lauf rund um die Talsperre gibt es nur e<strong>in</strong> Foto, welches unmittelbar vor dem<br />

Start aufgenommen wurde. Kurz vor dem Start an der L<strong>in</strong>kenmühle s<strong>in</strong>d vier Teilnehmer zu<br />

sehen, die teilweise stolz ihr Rennsteiglaufteilnahme durch das Tragen des entsprechenden T-<br />

Shirts zeigen. L<strong>in</strong>ks neben Dr. Hans-Georg Kremer steht Hilmar Dietze aus Zettweil, der<br />

dann auch 1977 ke<strong>in</strong>en Kernberglauf ausließ. Die Namen der beiden anderen <strong>Sport</strong>freunde<br />

konnten noch nicht ermittelt werden.<br />

1977 Wie alles begann: Kernberglauf<br />

Am 21. Oktober 2006 fand zum 30. Mal der <strong>Jena</strong>er Kernberglauf statt. Obwohl dies historisch<br />

gesehen ke<strong>in</strong>e lange Zeitspanne ist, s<strong>in</strong>d doch e<strong>in</strong>ige historische Zusammenhänge und<br />

Ereignisse, die zum 1. Kernberglauf führten, fast vergessen. Begründer und Organisatoren des<br />

ersten Kernberglaufs waren Mitglieder e<strong>in</strong>er Laufgruppe bei der HSG Uni <strong>Jena</strong>, die sich im<br />

Herbst 1975 gebildet hatte und die sich unter Anleitung e<strong>in</strong>es rennsteiglauferfahrenen<br />

Übungsleiters und von <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong>ern auf den 4. GutsMuths-Rennsteiglauf vorbereiteten.<br />

Die Initiative zur Gründung dieser Gruppe g<strong>in</strong>g von Studenten und Mitarbeitern der Sektion<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft aus, die bei der HSG <strong>in</strong> der <strong>Sport</strong>art Orientierungslauf aktiv waren. Diese<br />

Gruppe hatte schon den Rennsteiglauf entwickelt und im Sommer 1975 dessen Leitung an<br />

<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften entlang des Rennsteigs übertragen müssen.<br />

Der neu gebildeten Laufgruppe schlossen sich <strong>in</strong> kürzester Zeit über 50 Frauen und Männer<br />

an, die Streckenlängen vom Marathon und mehr nicht scheuten. Spätestens nach der<br />

Teilnahme am 4. GutsMuths-Rennsteiglauf 1976 setzten erste Überlegungen e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en<br />

eigenen Lauf nach dem Muster des Rennsteiglaufs im Herbst zu gründen.<br />

Laufveranstaltungen mit Streckenlängen über 20 km waren <strong>in</strong> der damaligen DDR noch sehr<br />

selten. Der Rennsteiglauf lag im Mai, und der neue Lauf im Herbst sollte Anreiz für e<strong>in</strong><br />

ganzjähriges Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g se<strong>in</strong>. Als Strecke wurde anfangs das Gelände der Saaletal-Sperren <strong>in</strong>s<br />

Auge gefasst, da hier die <strong>Sport</strong>studenten ihre Wasserwanderlager durchführten und sowohl<br />

121


geeignetes Gelände als auch Voraussetzungen für Start und Ziel vorhanden waren. Es zeigte<br />

sich aber nach zwei Testläufen, dass diese 50 km außerordentlich schwer und logistisch kaum<br />

zu beherrschen waren. Danach wurde das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgelände <strong>in</strong> den Kernbergen auf Eignung<br />

untersucht. Zielstellung blieb weiter e<strong>in</strong> Lauf über 50 - 100 km. Sozusagen als erster Test<br />

wurde die Ausschreibung für den 1. <strong>Jena</strong>er Kernberglauf 1977 entworfen. Die erfolgreiche<br />

Teilnahme sollte die Voraussetzung se<strong>in</strong>, dass man im Jahr darauf 75 km und noch e<strong>in</strong> Jahr<br />

später 100 km Laufen durfte. Diese Idee wurde nach massiver Kritik durch den DSTB wieder<br />

aufgegeben aber der 1. <strong>Jena</strong>er Kernberglauf hatte mit über 300 Meldungen alle Erwartungen<br />

der Organisatoren übertroffen, so dass der weiteren Entwicklung, wenn auch nur mit 50 km,<br />

nichts mehr im Wege stand.<br />

1. Prof. Dr. Willi Schröder, Vorsitzender der Universitätssportkommission, auf dessen<br />

Vorschlag der Kernberglauf die Unterzeile „zum Gedenken an Magnus Poser“ erhielt, begrüßt<br />

die Teilnehmer des 1. Kernberglaufs vor der Muskelkirche.<br />

2. Das Startband des 1. Kernberglaufs trug noch das vom Universitätsgrafiker Klaus Hobrack<br />

entworfene Rennsteiglauf-Logo und wurde <strong>in</strong> der Presse als kle<strong>in</strong>er Bruder des Rennsteiglaufs<br />

bezeichnet.<br />

1977 Pokal aus Obergneuser Eiche<br />

Beim kle<strong>in</strong>en Dörfchen Obergneus, unweit von Stadtroda schlug Mitte der sechziger Jahre e<strong>in</strong><br />

Blitz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e starke Eiche, die daraufh<strong>in</strong> gefällt werden musste. Jahrelang lag das Holz auf<br />

e<strong>in</strong>er Wiese und war schon von Brennnesseln überwachsen, als e<strong>in</strong> Hobbydrechsler den<br />

Auftrag erhielt, kurzfristig e<strong>in</strong>en Siegerpokal für den 1. <strong>Jena</strong>er Kernberglauf 1977 zu drechsel.<br />

Er konnte Stücke des gut gelagerten Holzes erwerben und fertigte den gewünschten Pokal,<br />

den Dieter Wiedemann aus Hasenthal bekam. Dieser war der erste Gesamtsieger des<br />

122


Kernberglaufs über die damalige Königsstrecke, die 50 km lange war. Sie führte über die<br />

Kernberge, die Lobdeburg, die Wöllmisse bis nach Z<strong>in</strong>na bei Schöngle<strong>in</strong>a und zurück.<br />

Die Organisatoren des Kernberglaufs, die Rennsteigläufergruppe der HSG Uni <strong>Jena</strong> (heute<br />

USV), hatten den Kernberglauf als herbstliches Gegenstück zum GutsMuths-Rennsteiglauf,<br />

der seit 1975 der größte Volkslauf <strong>in</strong> der DDR war, gegründet. Ziel war es <strong>in</strong> der sich gerade<br />

entwickelnden Laufszene, auch im Herbst e<strong>in</strong>en größeren Wettkampf als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmotivation<br />

zu haben. Dabei konnten die HSG Läufer selber gar nicht mitlaufen, da sie als Organisatoren<br />

benötigt wurden. Abhilfe schuf der Helferlauf, der als gleichwertige Veranstaltung noch heute<br />

e<strong>in</strong>e Woche vor- oder nach dem Kernberglauf gestartet wird und <strong>in</strong>s Ergebnisheft kommt.<br />

Diesen gab es <strong>in</strong>zwischen 30 Mal.<br />

Von den Organisatoren der ersten Stunde s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ununterbrochener Reihenfolge <strong>in</strong> diesem<br />

Jahr u. a. Prof. Dr. Karl-Dietrich Morgeneier, Dr. Peter und Irml<strong>in</strong>d Fuchs, Dr. Rüdiger und<br />

Helga Grunow und Eckehard Gläßer dabei. Tradition ist auch die Beteiligung anderer<br />

Abteilungen des USV <strong>Jena</strong>. Die Abteilung Orientierungslauf gehört seit 1977 dazu. Anfangs<br />

waren es die Handballer<strong>in</strong>nen um Elisabeth Ste<strong>in</strong>bach und die Leichtathleten um Erw<strong>in</strong><br />

Schwarz. Heute s<strong>in</strong>d es die Seniorensportler von Manfred Rosemann und die Kampfsportler<br />

um T<strong>in</strong>o Berg. Dazu kommt noch die SG Carl Zeiss <strong>Jena</strong> Süd, die mit Lothar Seifarth e<strong>in</strong>en<br />

der Gründungsväter <strong>in</strong> ihren Reihen hat.<br />

Während der erste Gesamtleiter Dr. Andreas Schmidt, der als Pathologe <strong>in</strong> Bad Berka tätig ist,<br />

eher selten nach se<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d, dem Kernberglauf, schaut, führt es den langjährigen<br />

Gesamtleiter He<strong>in</strong>rich Fricke und den ehemaligen Abteilungsleiter Dr. Rolf Schoder immer<br />

zum Kernberglaufterm<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Universitätssportzentrum. Während He<strong>in</strong>rich Fricke mit se<strong>in</strong>er<br />

Elektrofirma heute als Sachsponsor auftritt, hilft Dr. Rolf Schoder schon mal als Sprecher bei<br />

der Siegerehrung aus.<br />

Zu den Gründungsvätern gehört Prof. Dr. Karl-Dietrich Morgeneier, hier nach erfolgreichem<br />

Rennsteiglauf im Gründungsjahr des Kernberglaufs.<br />

123


Den Pokal schenkte Dieter Wiedemann zum 25. <strong>Jena</strong>er Kernberglauf den Organisatoren.<br />

1978 Der Leichte unter den Schwergewichten<br />

Das Boxen spielte <strong>in</strong> der „<strong>Sport</strong>stadt“ <strong>Jena</strong> nur e<strong>in</strong>e untergeordnete, zeitlich sehr begrenzte<br />

Rolle. Erst 1926 erwähnte Prof. Dr. Georg v. Zahn vom „Akademischen Ausschuss für<br />

Leibesübungen“, dass die Ausbildung im Boxen und im Jiu-Jitsu, „…sich reger Nachfrage<br />

erfreue“ und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hörsaal der Universität stattf<strong>in</strong>de. Aus der damaligen Turn- und<br />

<strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>slandschaft ist ke<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> überliefert, der Boxen als <strong>Sport</strong>art angeboten hat.<br />

Anders beim Universitätssport, wo 1926 sowohl wie oben erwähnt e<strong>in</strong> Kurs stattfand als auch<br />

beim 9. Turn- und <strong>Sport</strong>fest der Universität im Stadion neben turnerischen Mehrkämpfen,<br />

Leichtathletik, usw. auch Boxen ausgeschrieben waren. Für das W<strong>in</strong>tersemester 1930/31 wird<br />

als Übungsleiter für das Boxen an der Universität e<strong>in</strong> Student namens Gliech erwähnt. Mit der<br />

Machtübernahme <strong>in</strong> Deutschland durch die NSDAP erhielt der <strong>Sport</strong> e<strong>in</strong>en höheren<br />

Stellenwert und die Kampfsportarten wurden deutlich aufgewertet. 1934 waren 16 Studenten<br />

im Boxen e<strong>in</strong>geschrieben und 1936 beteiligte sich erstmals e<strong>in</strong> <strong>Jena</strong>er Student (Schmidt) an<br />

Deutschen Hochschulmeisterschaften im Boxen und kam immerh<strong>in</strong> bis <strong>in</strong> den Endkampf, den<br />

er aber verlor.<br />

Nach der Wiedereröffnung der Universität 1945 mussten die Studenten bis 1948 warten, bis<br />

vom Studentenrat e<strong>in</strong> umfangreicherer <strong>Sport</strong> organisiert werden konnte. Unter den zehn<br />

Spartenleitern des <strong>Sport</strong>referates gab es mit Hanns-Werner Saueracker auch e<strong>in</strong>en für den<br />

Boxsport. Er organisierte im November 1948 den ersten Boxwettkampf <strong>in</strong> der Mensa. Ob dies<br />

e<strong>in</strong>er der Auslöser für die Gründung von Boxmannschaften <strong>in</strong> anderen <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften<br />

<strong>Jena</strong>s war, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Auf jeden Fall häufen sich die Berichte<br />

über öffentliche Boxwettkämpfe <strong>in</strong> der Mensa und im Volkshaus. Bei der BSG Schott<br />

entwickelte sich e<strong>in</strong>e leistungsstarke Boxstaffel. Wichtiger Motor für das Boxen <strong>in</strong> <strong>Jena</strong><br />

sche<strong>in</strong>t Saueracker gewesen zu se<strong>in</strong>. Er organisierte u. a. die 2. DDR-<br />

Studentenmeisterschaften im Boxen 1951 im <strong>Jena</strong>er Volkshaus. 1400 Zuschauer sahen diese<br />

Wettkämpfe. Saueracker gehörte der Leitung des DDR-Boxverbandes an und war <strong>in</strong> der<br />

Schriftleitung der DDR-Boxerzeitschrift tätig.<br />

Die Boxstaffel von Schott existierte bis Ende der 1970er Jahre. Daneben gab es zum<strong>in</strong>dest bei<br />

Dynamo und bei der BSG Aufbau e<strong>in</strong>e Boxgruppe <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Hier boxte zuletzt auch Helmut<br />

Blöthner, der 1967 bei Schott als Boxer begann. Bis Anfang der 1980er bestritt er 41 Kämpfe,<br />

von denen er allerd<strong>in</strong>gs die meisten verlor, da er oft gerade so <strong>in</strong>s Schwergewicht kam und<br />

hier meist der „Leichteste“ war. Zweimal schaffte er es <strong>in</strong>s F<strong>in</strong>ale der Bezirksmeisterschaften.<br />

Ab 1982 wechselte Blöthner dann zum Ausdauerlauf, den er bis dah<strong>in</strong> als Ergänzung zu<br />

se<strong>in</strong>em Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g angesehen hatte und wo er heute noch aktiv ist.<br />

Bed<strong>in</strong>gt durch die sportpolitischen Entscheidungen der DDR, sich ganz auf medaillenträchtige<br />

<strong>Sport</strong>arten zu konzentrieren, um über den Leistungssport <strong>in</strong>ternational Anerkennung zu<br />

f<strong>in</strong>den, wurde Anfang der 1970er Jahre auch das Boxen aufgewertet. Als Schwerpunkt für<br />

diese <strong>Sport</strong>art wurde die <strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaft (SG) Wismut Gera bestimmt. Dadurch wurden<br />

talentierte Nachwuchskämpfer von <strong>Jena</strong> wegdelegiert und das Boxen verschwand zunehmend<br />

aus <strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>landschaft.<br />

124


Auf dem Bild sieht man die <strong>Jena</strong>er Boxer <strong>in</strong> der <strong>Sport</strong>halle <strong>in</strong> Lobeda-West vor e<strong>in</strong>em Kampf<br />

gegen e<strong>in</strong>e Mannschaft aus Berl<strong>in</strong> um 1975. Etwa <strong>in</strong> der Mitte mit blauem Auge ist Helmut<br />

Mangold.<br />

1979 Gute Langstreckenläufer waren <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> rar<br />

In der <strong>Jena</strong>er Leichtathletikgeschichte gibt es nur relativ wenige erfolgreiche<br />

Langstreckenläufer. E<strong>in</strong>er von ihnen war der 1924 geborene Wolfgang Ittershagen. Er gehörte<br />

zu den ersten <strong>Sport</strong>studenten <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> und startete, wie damals üblich, sowohl für Zeiss <strong>Jena</strong> als<br />

auch für die HSG Wissenschaft <strong>Jena</strong>. 1950 wurde er DDR-Waldlaufmeister über 7.500m,<br />

1951 Dritter bei den DDR-Meisterschaften im 3.000-m-H<strong>in</strong>dernislauf <strong>in</strong> 9:57,8 und e<strong>in</strong> Jahr<br />

später Vierter über 10.000 m <strong>in</strong> 33:40,0. Dazu kamen noch mehrere Siege als DDR-<br />

Studentenmeister. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Karriere war ihm allerd<strong>in</strong>gs nicht vergönnt.<br />

Anders Dietmar Knies, der <strong>in</strong> Asbach bei Schmalkalden geboren wurde und von 1971 bis<br />

1977 an der Uni <strong>Jena</strong> studierte. Er ist seit 1965 aktiver Läufer und legte bis heute rund<br />

200.000 Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskilometer zurück. Nachdem se<strong>in</strong> Talent als Schuljunge entdeckt worden<br />

war, g<strong>in</strong>g er zum SC Turb<strong>in</strong>e Erfurt, um nach Beendigung se<strong>in</strong>er leistungssportlichen<br />

Laufbahn noch für knapp zwei Jahre auch für die Uni <strong>Jena</strong> an den Start zu gehen. Se<strong>in</strong><br />

bedeutendster E<strong>in</strong>satz war sicher die Cross-WM 1974 über 12.000 m und später se<strong>in</strong>e<br />

Teilnahmen am 100-km-World-Cup 1991 (7:20:04 – Rang 10.) und 1992 (6:52:42 – Rang<br />

14.). Bei DDR-Meisterschaften und Studentenmeisterschaften konnte er zwischen 1972 und<br />

1978 zahlreiche Gold-, Silber und Bronzemedaillen auf den langen Strecken erlaufen. Se<strong>in</strong>e<br />

persönlichen Bestleistungen liegen über 5.000m bei 14:02,0 und über 10.000m bei 29:05,39.<br />

Im Marathon lief er 2:17:05 und über 100 km rangiert er <strong>in</strong> der ewigen deutschen Bestenliste<br />

mit 6:49:18 immerh<strong>in</strong> auf Platz 20. In Thür<strong>in</strong>gen ist er vor allem noch heute als vierfacher<br />

Rennsteiglaufsieger auf der langen Strecke bekannt. Eigentlich wäre er sogar fünfmal Sieger<br />

bei diesem legendären Lauf. Aber e<strong>in</strong>mal wurde er disqualifiziert, weil er, dem<br />

Führungsmotorrad folgend, sich verlief und anschließend das Angebot des schuldbewussten<br />

Motorradfahrers annahm und sich zur offiziellen Strecke zurückfahren ließ.<br />

Seit Mitte der 80er Jahre beteiligte sich Dietmar Knies außerdem als vehementer Verfechter<br />

bei der Popularisierung des Stiefk<strong>in</strong>des Ausdauerlauf. Als Mitglied der AG Laufbewegung im<br />

DVfL der DDR zeichnete er <strong>in</strong>sbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Dabei<br />

gelang es ihm auch, im Fachblatt „Der Leichtathlet“ regelmäßig über die stetig wachsende<br />

Laufszene außerhalb des staatlich geförderten Leistungssports zu berichten. In Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

gab er bis zur Wende zudem e<strong>in</strong> Informationsblatt unter dem Namen „Laufbewegung –<br />

Berichte, Ergebnisse, Term<strong>in</strong>e“ heraus. Dabei war es ihm gelungen, unter dem Deckmantel<br />

125


des Meilenkomitees der Stadt Leipzig die notwendige Druckgenehmigung und Papierfreigabe<br />

für diese regelmäßige Veröffentlichung zu erhalten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst<br />

an der DHfK <strong>in</strong> Leipzig als wissenschaftlicher Mitarbeiter, ehe er nach der Wende <strong>in</strong>s dortige<br />

<strong>Sport</strong>- und Bäderamt wechselte.<br />

Anfang des Jahres 2002 wurde er Pressewart der Deutschen Ultramarathonvere<strong>in</strong>igung, 2007<br />

übernahm er die gleiche Funktion beim Vere<strong>in</strong> zur Förderung des Ultramarathonlaufs <strong>in</strong><br />

Deutschland.<br />

Dietmar Knies 1979 als Rennsteiglaufsieger.<br />

1980 Als Frauen noch ke<strong>in</strong>en Marathon liefen<br />

Auf vielen Gebieten betraten die Begründer des GutsMuths-Rennsteiglaufs Neuland. 1971<br />

dachten die Studenten und Oberschüler aus <strong>Jena</strong> und Weimar noch an e<strong>in</strong>en Mehretappen-<br />

Orientierungslauf quer durch den Thür<strong>in</strong>ger Wald. Diese Idee scheiterte aber unter anderem<br />

am fehlenden Kartenmaterial. Nach dem dann 1973 vier Orientierungsläufer der HSG Uni<br />

<strong>Jena</strong> erstmals fast 100 km am Stück über den Rennsteig gelaufen waren, sollte es e<strong>in</strong><br />

Langstreckenlauf werden, der aber beim Leichtathletikverband der DDR auf Ablehnung stieß,<br />

da es u. a. ke<strong>in</strong>e genau vermessene Strecke gab. Über verschiedene Umwege konnte dann für<br />

1975 der Rennsteilauf öffentlich ausgeschrieben werden. E<strong>in</strong>igen höheren <strong>Sport</strong>funktionären<br />

der DDR gefiel nicht, dass das Startgeld von den sonst üblichen 3,- und 5,- Mark abwich. Es<br />

betrug anfangs 18,- und später 25,- Mark und be<strong>in</strong>haltete mehrere Verpflegungsstellen und<br />

e<strong>in</strong>e kostenlose Übernachtungsmöglichkeit <strong>in</strong> Schulen und Gepäcktransport und war damit<br />

<strong>in</strong>sgesamt sehr preiswert. Um Schwierigkeiten zu umgehen, stand statt Startgeld<br />

„Teilnehmerbeitrag“ <strong>in</strong> der Ausschreibung. Auch die Tatsache, dass Frauen bei e<strong>in</strong>em<br />

Langestreckenlauf gleichberechtigt teilnehmen durften, stieß auf Skepsis. International war es<br />

noch verboten, dass Frauen Marathon laufen durften. Auf der langen Strecke, die 1975 über<br />

fast 80km führte, gab es deshalb ke<strong>in</strong>e Frauenwertung. Die 12 Frauen auf dieser Ultradistanz<br />

wurden e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> die Männerwertung aufgenommen. Dafür gab es e<strong>in</strong>e 38km lange<br />

„Frauenstrecke“ vom Bahnhof Rennsteig bei Schmiedefeld bis nach Neuhaus. Der e<strong>in</strong>zige<br />

Mann, der hier <strong>in</strong>s Ziel kam, wurde disqualifiziert. 108 Frauen bewältigten diese Distanz,<br />

126


darunter mit Christa Mangold nur e<strong>in</strong>e Frau aus <strong>Jena</strong>. E<strong>in</strong> Jahr später durften dann die Männer<br />

offiziell auf die „Frauenstrecke“, auf der 170 Frauen und 95 Männer <strong>in</strong>s Ziel kamen. Erst<br />

1981 gab es dann beim Rennsteiglauf für die 55 Starter<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e eigene Wertung auf der 75<br />

km Strecke. Erst 1984 wurde der Frauen-Marathon olympische Diszipl<strong>in</strong>.<br />

Um diese Zeit begann auch Annette Schmidt mit dem Lauftra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Nach dem zweiten K<strong>in</strong>d,<br />

hatte die 1,53m kle<strong>in</strong>e Unterstufenlehrer<strong>in</strong> mit dem Rauchen aufgehört und mit dem Laufen<br />

über wenige 100 Meter begonnen. Als sie dann beim Lobdeburglauf die schnellste von vier<br />

Frauen wurde, war ihr Ehrgeiz angestachelt. Sie wollte zum Rennsteiglauf. 1982 startete sie<br />

erstmals für die WSG Neulobeda auf der 45km-Strecke und wurde gleich zehnte <strong>in</strong> ihrer<br />

Altersklasse. Auf der ehemaligen Frauenstrecke waren da schon 4107 Männer und 519<br />

Frauen <strong>in</strong>s Ziel gekommen. Seitdem war Annette Schmidt fast immer beim Rennsteiglauf am<br />

Start. Sie gehört bei Thür<strong>in</strong>gens Traditionslauf zu den erfolgreichsten Läufer<strong>in</strong>nen. Ihre<br />

schlechteste Platzierung war der 10. (1982). Insgesamt 11 Mal wurde sie<br />

Altersklassensieger<strong>in</strong>, davon 2 Mal auf der Marathonstrecke, der Rest beim Halbmarathon.<br />

Dazu kommen noch vier zweite Plätze und drei dritte Platzierungen.<br />

Annette Schmidt startet 2008 zum 25. Mal und gehört dann zu den wenigen Rennsteiglauf-<br />

Traditionsläufer<strong>in</strong>nen. Bisher gibt es über 500 Läufer, die den Rennsteiglauf 25 Mal<br />

erfolgreich absolvierten aber nur 12 Frauen. Sie alle wurden <strong>in</strong> das Buch „Who is who 2008 –<br />

Rennsteiglaufbiografien“, welches am 17. Mai ersche<strong>in</strong>t, aufgenommen.<br />

Wie Nachforschungen nach Ersche<strong>in</strong>en des Artikels ergaben (siehe Bild) war Annette (vorne<br />

2. v. r.) schon 1980 mit der Laufgruppe von der WSG Neulobeda beim Rennsteiglauf, damals<br />

auf Platz 54.<br />

So kennt man sie heute, hier 2006 <strong>in</strong> Schmiedefeld nach e<strong>in</strong>em erfolgreichen Halbmarathon<br />

(Platz 1).<br />

127


1983 25 Jahre Stundenläufe beim USV<br />

Wenn am 17. April 2008 um 16.00 Uhr der Paarlaufcup des Jahres 2008 im<br />

Universitätssportzentrum gestartet wird, blickt diese immer beliebtere Wettkampfform auf<br />

e<strong>in</strong>e 25-jährige <strong>Geschichte</strong> <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Spätestens seit 1975 kann man <strong>Jena</strong> als Zentrum der<br />

volkssportlichen Laufbewegung <strong>in</strong> der damaligen DDR bezeichnen. Ausgehend von der<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft an der Universität wurde seit 1971 der Aufbau des Rennsteiglaufs<br />

schrittweise vorangetrieben. 1975 erreichte diese <strong>in</strong>zwischen europaweit bekannte<br />

Laufveranstaltung mit an die 1000 Anmeldungen den Durchbruch und wurde zur<br />

bedeutendsten Laufveranstaltung im Osten Deutschlands. 1976 konstituierte sich die<br />

Laufgruppe bei der Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft, und 1977 wurde der Kernberglauf aus der<br />

Taufe gehoben. Als die Mitgliederzahlen bei der Laufgruppe Anfang der achtziger Jahre bei<br />

etwa 50 Läufer<strong>in</strong>nen und Läufern stagnierten, begannen der Abteilungsleiter der Laufgruppe<br />

Dr. Rolf Schoder u. a. mit Eckehard Gläßer und Jens Wötzel e<strong>in</strong>en Laufkurs für Anfänger zu<br />

organisieren. Nach e<strong>in</strong>em Programm, welches von der DHfK <strong>in</strong> Leipzig entwickelt wurde und<br />

bereits bei der BSG Wismut <strong>in</strong> Gera erfolgreich lief, wurde mit Hilfe von <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong>ern der<br />

Universität e<strong>in</strong> methodisch und mediz<strong>in</strong>isch durchdachter Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaufbau der<br />

Ausdauerfähigkeit für untra<strong>in</strong>ierte Erwachsene weiterentwickelt. Der Zulauf war enorm.<br />

Zeitweilig meldeten sich mehrere hundert Laufanfänger, und es mussten Wartelisten<br />

e<strong>in</strong>geführt werden. E<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskurs dauerte 12 Wochen und die Teilnehmer erreichten <strong>in</strong><br />

dieser Zeit e<strong>in</strong>e Ausdauerfähigkeit, die es erlaubte, m<strong>in</strong>destens fünf Kilometer am Stück zu<br />

laufen. Als Abschluss der Kurse wurden ab 1983 Halbstundenläufe organisiert. Da die<br />

Teilnehmerzahlen bis zu 200 Läufer<strong>in</strong>nen und Läufer erreichten, wurde im Ernst-Abbe-<br />

Stadion gelaufen. Seitdem gibt es Halb- und Stundenläufe mit und ohne Musik <strong>in</strong> <strong>Jena</strong>. Es ist<br />

dem <strong>Jena</strong>er Triathlonvere<strong>in</strong> zu verdanken, dass diese schöne Wettkampfform nicht ausstarb.<br />

Er übernahm 2001 die Organisation e<strong>in</strong>es Stundenpaarlaufs im Stadion. Nach der<br />

Fertigstellung der neuen Laufbahn im Universitätssportzentrum zogen die Organisatoren um<br />

Timo Jahn um. Der USV unter Leitung von Dr. Bet<strong>in</strong>a Justus stieg wieder <strong>in</strong> die Organisation<br />

e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Halbstundenpaarlauf ergänzte das Programm. Seitdem ist e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierliches<br />

Wachstum der Teilnehmerzahlen zu registrieren. Beim letzten Wettbewerb im Oktober 2007<br />

g<strong>in</strong>gen 142 Läufer<strong>in</strong>nen und Läufer an den Start. Als besonderer Magnet entwickelten sich<br />

dabei Sonderwertungen z. B. e<strong>in</strong> Eltern- bzw. Großelternteil und e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d. Die Mehrzahl der<br />

Teilnehmer s<strong>in</strong>d aber <strong>Sport</strong>ler von <strong>Sport</strong>arten, die nicht zur Abteilung Ausdauerlauf gehören.<br />

So starten außer den Triathleten auch Orientierungsläufer, Moderne Fünfkämpfer,<br />

Fußballer<strong>in</strong>nen, <strong>Sport</strong>gymnasiasten und Kanuten.<br />

1983 gab es den ersten halb- und Stundenlauf im Stadion: Die Läufer, die e<strong>in</strong>e Stunde laufen<br />

wollten hatten e<strong>in</strong>e Startnummer.<br />

128


1990 Von Yoga bis zur Alpenwanderung<br />

Im Dezember 1989, wenige Wochen nach der politischen Wende <strong>in</strong> der damaligen DDR,<br />

vollzogen sich auch im Hochschulsport der Friedrich-Schiller-Universität dramatische<br />

Veränderungen. Über e<strong>in</strong>e offene Befragung der Studentenschaft hatte der Studentenrat beim<br />

Rektor die Abschaffung des Pflichtsports für alle Student<strong>in</strong>nen und Studenten gefordert, was<br />

dieser auch umgehend anordnete. Bis dah<strong>in</strong> mussten alle Studenten, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den ersten<br />

Studienjahren, pro Woche zwei Stunden <strong>Sport</strong> treiben. Dafür gab es e<strong>in</strong> Teilnahmetestat,<br />

welches Voraussetzung für die Zulassung zu den Hauptprüfungen war. Um diesen<br />

Pflichtsport zu realisieren, waren an der Universität <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> 1989 24 <strong>Sport</strong>lehrer<strong>in</strong>nen und<br />

<strong>Sport</strong>lehrer angestellt. Diese standen mit der Aussetzung des Pflichtsports vor der Frage, wie<br />

es weitergeht. Wenige Tage später trafen sie sich im heutigen Tagungs- und Erholungshaus<br />

des Studentenwerks <strong>in</strong> Siegmundsburg am Rennsteig und berieten über ihre weitere Tätigkeit.<br />

Die Entwicklung e<strong>in</strong>er völlig neuen Organisationsstruktur auf absoluter freiwilliger Basis<br />

wurde beschlossen und die Aufnahme bis dah<strong>in</strong> im Studentensport unbekannter <strong>Sport</strong>arten<br />

und Angebotsformen diskutiert. Bereits im Januar 1990 erhielten alle Studenten der<br />

Universität die Möglichkeit angeboten, völlig freizügig <strong>in</strong> den noch existierenden<br />

Übungsgruppen sportlich tätig zu se<strong>in</strong>. Im Februar, nach Besuchen an den Universitäten <strong>in</strong><br />

Münster und Gött<strong>in</strong>gen, lag bereits e<strong>in</strong> gedrucktes <strong>Sport</strong>programm vor. Im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>schreibewoche vor der Mensa im Universitätshochhaus konnten mehr als 2000<br />

Studierende und Mitarbeiter für das neue Programm gewonnen werden. Außer den<br />

traditionellen <strong>Sport</strong>arten gab es e<strong>in</strong> breit gefächertes Angebot von Neuerungen, das von<br />

Karate bis Yoga reichte. In der vorlesungsfreien Zeit wurden Kurse für Ski-Alp<strong>in</strong>,<br />

Alpenwandern, Wasserwandern und anderes neu angeboten. Auch die bis dah<strong>in</strong> üblichen<br />

Wettkämpfe und Turniere erhielten neue Organisationsformen. Im Volleyball <strong>in</strong>itiierte der<br />

Hochschulsportlehrer Wolfgang Lecht e<strong>in</strong> Mitternachts-Volleyball-Mix-Turnier <strong>in</strong> der großen<br />

Halle der Muskelkirche. E<strong>in</strong>e Handvoll Mannschaften nahm daran teil und waren begeistert.<br />

Bereits unmittelbar danach stand die Frage, wie diese Turnierform weiterentwickelt werden<br />

kann. Als Hallenturnier wurde es im W<strong>in</strong>tersemester 1990/91 fortgesetzt. Da aber trotz<br />

Nutzung der beiden Dreifelderhallen im <strong>Sport</strong>forum die Spielflächen für alle <strong>in</strong>teressierten<br />

Mannschaften bald nicht mehr ausreichten, wurde im Sommer 1991 im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Universitätssportfestes, das erste Freiluftturnier im Mix-Volleyball auf Rasenplätzen<br />

129


organisiert, aus dem im Laufe der Jahre Thür<strong>in</strong>gens größtes Ballspiel-Turnier wurde.<br />

Nachdem der Abteilungsleiter Volleyball des USV, Frank Eberhardt, als Turnierleiter mit<br />

e<strong>in</strong>gestiegen war, konnte Wolfgang Lecht beg<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong> Freiluftturnier nach Bamberger-<br />

Modell, damals e<strong>in</strong>em der größten Volleyturniere deutschlandweit, ausschreiben. Daraus ist<br />

heute Thür<strong>in</strong>gens größtes „Ballspiel-Turnier“ geworden.<br />

Die Siegermannschaft des Mitternachtsturniers 1990: Leider s<strong>in</strong>d die Namen der Spieler nicht<br />

überliefert.<br />

1990 Von Diplomatische Verwicklungen<br />

Als 1973 drei <strong>Jena</strong>er Studenten und e<strong>in</strong> Assistent zu e<strong>in</strong>em Lauf auf dem Rennsteig<br />

aufbrachen, der dann kurz vor Masserberg nach fast 100km endete und später als 1.<br />

GutsMuths-Rennsteiglauf gezählt wurde, konnten sie nicht ahnen, was sich daraus ergeben<br />

würde. Volkssportliche Langstreckenläufe waren <strong>in</strong> der damaligen DDR noch fast unbekannt<br />

und bei den wenigen Straßenläufen kamen im Schnitt nur 100 bis 200 Teilnehmer zusammen.<br />

In der Spezialsportart der vier Rennsteiglaufgründer, dem Orientierungslauf lagen die<br />

Teilnehmerfelder ebenfalls eher unter 100. Ganz zu schweigen von der Streckenlänge, die<br />

höchsten vom Hörensagen bei Skilangläufen wie dem Wasalauf die Marathondistanz<br />

überschritten wurden. Mit dem Satz: „Die DDR braucht ke<strong>in</strong>en zweiten Wasalauf“ wird auch<br />

der DDR-<strong>Sport</strong>chef, Manfred Ewald immer wieder zitiert, als er nach dem 3. GutsMuths-<br />

Rennsteiglauf 1975, zu dem schon über 1000 Männer und Frauen gemeldet hatten, diesen<br />

nicht geplanten und <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>Sport</strong>struktur des Deutschen Turn- und <strong>Sport</strong>bundes (DTSB)<br />

e<strong>in</strong>zuordnenden Lauf den Todesstoß versetzen wollte. Vordergründig hatte er vor allem Angst<br />

um se<strong>in</strong> großes Ziel, die DDR über ihre olympischen Erfolge zur <strong>Sport</strong>nation Nr. 1 zu<br />

machen. Er hatte aber die Rechnung ohne die <strong>Sport</strong>ler gemacht. Sowohl die Organisatoren,<br />

aus <strong>Jena</strong> und dem Thür<strong>in</strong>ger Wald, ließen sich nicht so e<strong>in</strong>fach an die Le<strong>in</strong>e nehmen, als auch<br />

wichtige Funktionäre aus Wissenschaft, Wirtschaft und sogar der SED, hielten den<br />

Rennsteiglauf für e<strong>in</strong>e gute Sache oder g<strong>in</strong>gen sogar selber an den Start.<br />

So wunderten sich alle, als wenige Tage nach dem Rennsteiglauf 1977 e<strong>in</strong> ausgesprochen<br />

positiver Artikel <strong>in</strong> der politisch wichtigsten DDR-Zeitung, dem „Neuen Deutschland“ (ND)<br />

erschien. H<strong>in</strong>tergrund war, dass das mächtige SED ZK-Mitglied für Agitation und<br />

Propaganda zur Kur war und se<strong>in</strong> Kurarzt, der erfolgreich am Rennsteiglauf teilgenommen<br />

hatte, se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>flussreichen Patienten fragte, warum über die größte volkssportliche<br />

Laufveranstaltung der DDR nichts im ND steht. E<strong>in</strong> Anruf beim Chefredakteur genügte, um<br />

e<strong>in</strong>en Artikel unter dem Titel „Marathon am Rennsteig“ zu veröffentlichen.<br />

130


Es gab sogar mit Alfred Rode (Wismut) e<strong>in</strong> SED ZK-Mitglied, welches regelmäßig aber ohne<br />

großes Aufsehen selber auf dem Rennsteig mitlief, ebenso wie viele Professoren, Direktoren<br />

und Parteifunktionäre. Dazu gehörte auch Roland Wötzel aus Leipzig, der im Herbst 1989 als<br />

1. Sekretär der SED <strong>in</strong> Leipzig bekannt wurde, als er mit Kurt Masuhr e<strong>in</strong>en Aufruf zur<br />

Gewaltlosigkeit unterschrieb.<br />

Als Manfred Ewald 1988 se<strong>in</strong>en Posten an Klaus Eichler abgeben musste, gehörte es zu<br />

dessen ersten Amtshandlungen, dass er den Start des Rennsteiglaufs <strong>in</strong> Neuhaus vollzog. In<br />

dieser Zeit wurde von e<strong>in</strong>flussreichen Rennsteiglaufteilnehmern auch der Antrag auf den Weg<br />

gebracht, den Rennsteiglauf mit der „welthöchsten“ <strong>Sport</strong>medaille, dem UNESCO-<strong>Sport</strong>preis<br />

auszuzeichnen. 1990 wurde diesem Antrag stattgegeben und am 10. Oktober erfolgte die<br />

Auszeichnung im kanadischen Ottawa. Die angereisten Rennsteiglauforganisatoren Volker<br />

Kittel und Dr. Hans-Georg Kremer wurden 30 M<strong>in</strong>uten vor der Überreichung, der Festakt<br />

hatte schon begonnen, vom BRD-Botschafter <strong>in</strong>formiert, dass sie den Preis nicht entgegen<br />

nehmen dürften, da auf der Urkunde als Herkunftsland „République démocratique<br />

Allemande“ stand. Die DDR hatte am 3. Oktober aufgehört zu existieren. Selbstbewusst, wie<br />

so oft bei der Organisation des Laufs, g<strong>in</strong>gen beide nach Aufruf trotzdem, allerd<strong>in</strong>gs ohne<br />

„offizielle“ Begleitung, nach vorn und nahmen den verdienten Preis entgegen. Beim<br />

anschließenden Pressefoto war der Botschafter und alle übrigen anwesenden<br />

Botschaftsmitarbeiter dann wieder zur Stelle.<br />

Die Übergabe: Bildmitte der Botschafter, l<strong>in</strong>ks von ihm Volker Kittel, rechts Dr. Hans-Georg<br />

Kremer, die übrigen s<strong>in</strong>d weitere Botschaftsangehörige.<br />

1994 Ski schon <strong>in</strong> der Wiege<br />

Bereits 1994 gab es beim USV den ersten Versuch e<strong>in</strong>e Walk<strong>in</strong>ggruppe zu gründen. Zu den<br />

Initiatoren gehörte der Olympiasieger im 50 km Gehen Hartwig Gauder. Als Übungsleiter<strong>in</strong><br />

übernahm Jana Leidenfrost von ihm die Gruppe und führte sie bis Ende der neunziger Jahre,<br />

als sie mit Studienabschluss als Psycholog<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> verließ. Jana Leidenfrost ist e<strong>in</strong>e<br />

passionierte Skiläufer<strong>in</strong>. Als Neuhäuser (am Rennsteig) K<strong>in</strong>d wurde ihr das Skilaufen mit <strong>in</strong><br />

die Wiege gegeben, zumal ihre Eltern passionierte Skiläufer waren und noch s<strong>in</strong>d. Als<br />

sportliches Talent bekam sie e<strong>in</strong>en Platz an der K<strong>in</strong>der- und Jugendsportschule <strong>in</strong> Oberhof.<br />

Nach Abschluss des Abiturs kam sie 1991 nach <strong>Jena</strong> und wurde Mitglied der Abteilung Ski<br />

des USV. Ihre guten skiläuferischen Grundlagen kamen ihr als Hochschulsportler<strong>in</strong> 1992 zu<br />

131


Gute. Bei den Internationalen Deutschen Hochschulmeisterschaften 1992 kam sie <strong>in</strong> den<br />

E<strong>in</strong>zelwettbewerben gleich zweimal auf Platz vier und <strong>in</strong> der Staffel sorgte sie dafür, dass sie<br />

mit Astrid Naussed und Katr<strong>in</strong> Gre<strong>in</strong>er Internationale Deutsche Hochschulmeister<strong>in</strong> wurde.<br />

Da ihre Mutter zu DDR-Zeiten zu den wichtigsten Organisator<strong>in</strong>nen des Rennsteiglaufs <strong>in</strong><br />

Neuhaus gehörte, war es selbstverständlich, dass sie auch selber beim Halbmarathon auf dem<br />

Rennsteig mitlief. 1993 war sie laufende Betreuer<strong>in</strong> von Frank Seeber, Mediz<strong>in</strong>student aus<br />

<strong>Jena</strong> und erster Rollstuhlfahrer beim Rennsteiglauf. Hier machte sie auch die Bekanntschaft<br />

mit Hartwig Gauder, mit dem sie wie oben erwähnt die Walk<strong>in</strong>ggruppe des USV gründete. Im<br />

gleichen Jahr wurde sie zur Miss Rennsteiglauf gewählt.<br />

Heute arbeitet Dr. Jana Leidenfrost bei der Corporate Academy von Daimler AG <strong>in</strong> Stuttgart<br />

im Advanced Executive Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />

Ihre Eltern schenkten ihr jetzt als Er<strong>in</strong>nerung an ihre gute Ausbildung <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> e<strong>in</strong>e Stiftertafel<br />

für die Dreifelderhalle des USV <strong>Jena</strong>.<br />

Jana Leidenfrost (l<strong>in</strong>ks neben Hartwig Gauder) bei der ersten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstunde der<br />

Walk<strong>in</strong>ggruppe des USV 1994.<br />

Jana Leidenfrost (l<strong>in</strong>ks) bei der Staffelübergabe durch Astrid Naussed auf dem Wege zur<br />

Goldmedaille bei den Internationalen deutschen Hochschulmeisterschaften 1992.<br />

132


1995 Staffel zum Geburtstag<br />

Seit 1971 s<strong>in</strong>d das heutige <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stitut und der USV <strong>Jena</strong>, damals HSG Uni <strong>Jena</strong>, mit der<br />

Entwicklung des Rennsteiglaufs eng verbunden. Nach 1990 waren <strong>Sport</strong>wissenschaftler und<br />

Ausdauerläufer aus <strong>Jena</strong> nicht unwesentlich an der Umstrukturierung von Thür<strong>in</strong>gens größter<br />

<strong>Sport</strong>veranstaltung beteiligt und <strong>Jena</strong>er Ideen zu vielen organisatorischen Veränderungen, wie<br />

z. B. die E<strong>in</strong>führung des Halbmarathons prägen heute maßgeblich das Gesicht des<br />

GutsMuths-Rennsteiglaufs. Zu den Neuentwicklungen gehörten auch spezielle „Events“, die<br />

teilweise zur Pflege von Rennsteigtraditionen und sportwissenschaftlichen Untersuchungen<br />

dienten. Hauptschwerpunkt war es aber vor allem, immer im Vorfeld des Rennsteiglaufs die<br />

Medien auf dieses Ereignis aufmerksam zu machen.<br />

Zu DDR-Zeiten konnten weite Stücke des Rennsteigs durch se<strong>in</strong>e Grenznähe nicht belaufen<br />

oder bewandert werden. Nach dem Mauerfall konnte ab 1990 schrittweise der gesamte<br />

Rennsteig von ca. 170 km <strong>in</strong> die Veranstaltung e<strong>in</strong>bezogen werden. 1994 organisierten der<br />

USV, der Rennsteiglaufvere<strong>in</strong> und das Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft e<strong>in</strong>e<br />

Rennsteigrekordwanderung, bei der sechs Rennsteigläufer „am Stück“ den Rennsteig <strong>in</strong> 37<br />

Stunden 21 M<strong>in</strong>uten zusammen bewältigten. Für 1995 hatten sich die Ausdauerläufer des<br />

USV anlässlich des 20. Geburtstages ihrer Laufgruppe etwas anderes e<strong>in</strong>fallen lassen. Sie<br />

organisierten e<strong>in</strong>en Rennsteigstaffellauf über die gesamten 168,3 Rennsteig-Kilometer. Über<br />

50 Läufer<strong>in</strong>nen und Läufer der <strong>Jena</strong>er Laufgruppe und e<strong>in</strong>ige Gäste starteten am 6. Mai um<br />

4.00 Uhr morgens <strong>in</strong> Blankenste<strong>in</strong> an der Saale. Jeweils 3 bis 5 Starter wechselten sich nach<br />

Teilstrecken von 7-12 km ab, um am Abend, nach 15 Stunden und 45 M<strong>in</strong>uten Hörschel an<br />

der Werra zu erreichen. Nach alter Rennsteigtradition nahm jeder Starter e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong><br />

von der Selbitz mit, um ihn am Ziel <strong>in</strong> die Werra zu werfen.<br />

Re<strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong>. Dr. Rolf Schoder (Bildmitte), e<strong>in</strong>er der Initiatoren des Staffellaufes, will<br />

gerade den Ste<strong>in</strong> von der Selbitz <strong>in</strong> die Werra werfen.<br />

1997 E<strong>in</strong> Spektakulärer Lauf<br />

Vor 10 Jahren, kurz vor dem 25. GutsMuths-Rennsteiglauf organisierte der USV <strong>Jena</strong><br />

geme<strong>in</strong>sam mit dem Rennsteiglaufvere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en spektakulären Rekordlauf auf dem Rennsteig.<br />

Die Idee bestand dar<strong>in</strong>, so wie zur Gründung des GutsMuths-Rennsteiglaufs 1973, e<strong>in</strong>e<br />

Strecke von 100 km zu laufen. Das Ganze war als Rekordversuch für das Gu<strong>in</strong>ness-Buch<br />

geplant und 100 Läufer<strong>in</strong>nen und Läufer sollten die gesamte Strecke zusammen laufen.<br />

133


Umfangreiche Vorbereitungsarbeiten waren dafür notwendig und e<strong>in</strong> Team unter Leitung von<br />

Maik Masuhr und Prof. Dr. Johanna Hübscher sorgten dafür, dass die Logistik und Betreuung<br />

perfekt funktionierte.<br />

An e<strong>in</strong>em Freitagabend brachen 105 Ausdauersportler <strong>in</strong> Blankenste<strong>in</strong> an der Saale auf, um<br />

das 100 km entfernte Schmiedefeld über den legendären Rennsteig zu erreichen. Extreme<br />

Witterungsbed<strong>in</strong>gungen mit Regen, Hagel und Temperaturen um den Gefrierpunkt, sowie<br />

rund 1800 Höhenmeter <strong>in</strong> schwierigem Gelände verlangten nicht nur von den Aktiven,<br />

sondern auch vom Betreuerteam alles ab. Müllsäcke, die zu wetterfesten Überzügen<br />

umfunktioniert worden waren, schützten vor den gröbsten Wetterunbilden. Das Gelände ließ<br />

nachts trotz Taschenlampen das Laufen über weite Strecken kaum zu. An der Spitze sorgte<br />

Dr. Peter Fuchs vom USV <strong>Jena</strong> für e<strong>in</strong> konstantes Tempo. Ständig <strong>in</strong> Abstimmung mit den<br />

Schlussläufern sorgte er dafür, dass sich das Feld nicht mehr als 100 m ause<strong>in</strong>anderzog. An<br />

vielen Orten begrüßten die Bevölkerung und <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e die Aktiven mit zusätzlichen<br />

Versorgungspunkten. Unterstützung erhielt dieses Medienspektakel, welches von zwei<br />

Fernsehteams und mehreren Journalisten begleitet wurde, auch von vielen Sponsoren, die<br />

dafür sorgten, dass der Etat von über 25.000,-€ aufgebracht werden konnte. 19 Stunden und<br />

15 M<strong>in</strong>uten nach ihrem Start konnten sich 102 Männer und Frauen glücklich <strong>in</strong> die Arme<br />

fallen. Sie hatten e<strong>in</strong>en neuen Rennsteigrekord für das Gu<strong>in</strong>nessbuch geschafft. Neben Dr.<br />

Fuchs waren aus <strong>Jena</strong> noch mit dabei: Dr. Rüdiger Grunow, Josef Hausmann, Jan Kolleß, Dr.<br />

Hans-Georg Kremer, Re<strong>in</strong>er Möwald, He<strong>in</strong>z-Olaf Müller, Heidrun Pecker, Ulrich Schwab,<br />

Manfred Tettweiler, Franke Wendler und Andreas Wolf. Als Anerkennung erhielten alle<br />

Teilnehmer e<strong>in</strong>e speziell dafür angefertigte Medaille.<br />

In Auswertung der wissenschaftlichen Untersuchungen im Rahmen des Laufs wurde e<strong>in</strong><br />

Kolloquium organisiert und die Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Protokollband publiziert. Vier Jahre<br />

später erfolgte der E<strong>in</strong>trag <strong>in</strong>s „Gu<strong>in</strong>ness Buch der Rekorde.“<br />

Auf dem Weg <strong>in</strong>s Gu<strong>in</strong>ness-Buch der Rekorde: Die ersten 100-km-Läufer der <strong>Geschichte</strong>, die<br />

sich vor genau zahn Jahren auf die Socken machten. Hier nach der Zielankunft beim<br />

Kyffhäuserberglauf, der als Testlauf genutzt wurde.<br />

134


Hier fünf Kilometer nach dem Start, vor E<strong>in</strong>bruch der Dunkelheit.<br />

1992 Zitzmann auf dem Weg zum Wasalauf<br />

Der berühmte GutsMuths-Rennsteiglauf wurde zwischen 1971 und 1975 von Studenten und<br />

Wissenschaftlern der <strong>Jena</strong>er Universität entwickelt. 1975 trat er als „50 Meilen–GutsMuths-<br />

Gedenklauf“ erstmals <strong>in</strong> größerem Umfang ans Licht der Öffentlichkeit. 936 Teilnehmer<br />

wurden auf den zwei Strecken (82 km und 35 km) gezählt. Der Versuch der <strong>Jena</strong>er<br />

Organisatoren, die DDR-<strong>Sport</strong>führung für den Lauf zu gew<strong>in</strong>nen, wurde mit dem legendären<br />

Ausspruch des DTSB <strong>Sport</strong>chefs Manfred Ewald „Die DDR braucht ke<strong>in</strong>en zweiten<br />

Wasalauf“ abrupt beendet. Spätestens seit diesem Zeitpunkt träumten vor allem die<br />

W<strong>in</strong>tersportler der HSG von e<strong>in</strong>er Teilnahme am Wasalauf. Ersatzweise beteiligten sie sich an<br />

den Rennsteig-Skiläufen, den Kammläufen im Erzgebirge und dem 50 km – Skilauf von<br />

Liberec (Tschechei).<br />

Erst mit der politischen Wende 1989 wurde der Weg nach Schweden frei zum Wasalauf über<br />

90 km. Die Beschaffung von Startplätzen ist auch heute noch nicht so e<strong>in</strong>fach. In den<br />

Skand<strong>in</strong>avischen Ländern ist der Wasalauf e<strong>in</strong> „Muss“ für alle W<strong>in</strong>tersportler wodurch die<br />

limitierten Plätze jedes Jahr mehrfach überzeichnet s<strong>in</strong>d. Nur e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Kartenkont<strong>in</strong>gent steht Ausländern zur Verfügung. E<strong>in</strong>er der ersten Absolventen der<br />

Muskelkirche war Frank Zitzmann, dem es 1991 gelang, am Wasalauf teilzunehmen.<br />

Der <strong>Jena</strong>er Frank Zitzmann hatte von 1977 – 1981 an der Sektion <strong>Sport</strong>wissenschaft der<br />

Friedrich-Schiller-Universität <strong>Sport</strong> und Biologie studiert. In dieser Zeit wurde er auch aktiver<br />

Rennsteigläufer. Nach Beendigung des Studiums g<strong>in</strong>g er nach Oberhof, wo er <strong>in</strong>sgesamt 13mal<br />

für den dortigen W<strong>in</strong>tersportvere<strong>in</strong> beim Rennsteiglauf auf die lange Strecke g<strong>in</strong>g. Bei<br />

se<strong>in</strong>er zweiten Teilnahme am Wasalauf 1992 wurde er 164ster unter 12.000 Teilnehmern.<br />

Neben se<strong>in</strong>em Interesse am Ausdauer- und am Skilanglauf zog es ihn schon früh <strong>in</strong>s<br />

Hochgebirge. Zu DDR-Zeiten war er u. a. <strong>in</strong> der Mongolei, dem Kaukasus, im Fangebirge<br />

und im Pamir, wo er erfolgreich viele Gipfel bezwang. Se<strong>in</strong> letztes großes Unternehmen war<br />

1992 die Teilnahme an e<strong>in</strong>er Kolumbien-Expedition mit der Besteigung des 5775 m hohen<br />

Pico Christobal Colon, wo er am 24. Dezember tragisch ums Leben kam. Zur Er<strong>in</strong>nerung an<br />

ihren Bruder Frank Zitzmann, den Absolventen des <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts, erwarb Dr. Bet<strong>in</strong>a<br />

Justus (geb. Zitzmann) e<strong>in</strong>e Stiftertafel für die im Bau bef<strong>in</strong>dliche USV-Dreifelderhalle.<br />

135


Frank Zitzmann 1992 beim Rennsteiglauf – hier kurz vor dem Ziel <strong>in</strong> Schmiedefeld.<br />

1994 Rennsteigweltrekord ungebrochen<br />

Als am 29. April 1994 sechs Männer noch vor Sonnenaufgang <strong>in</strong> Hörschel bei Eisenach ihren<br />

Fuß auf den Rennsteig setzten, hatten sie nur e<strong>in</strong> Ziel: E<strong>in</strong>en Weltrekord auf dem Rennsteig<br />

aufzustellen. Die Idee vom USV <strong>Jena</strong> war geme<strong>in</strong>sam mit Sponsoren und Medienvertretern<br />

lange diskutiert worden. Die Idee bestand dar<strong>in</strong>, möglichst kurz vor dem traditionellen<br />

Rennsteiglaufterm<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e medienwirksame Aktion zu starten, die noch e<strong>in</strong>mal auf Thür<strong>in</strong>gens<br />

größtes <strong>Sport</strong>ereignis aufmerksam macht. Der Rennsteig mit se<strong>in</strong>er legendären 1638,3 km<br />

langen Strecke, die jährlich von tausenden Wanderern und Läufern begangen wird, bot sich<br />

dazu regelrecht an. Sowohl die sportliche Herausforderung, als auch der Bekanntheitsgrad<br />

dieses Höhenweges bot alles, was medial e<strong>in</strong>en Erfolg garantierte. Außer der Länge und der<br />

Höhenmeter bestand die Schwierigkeit des Rekordversuches dar<strong>in</strong>, dass sich die sechs<br />

Teilnehmer verpflichteten die gesamte Zeit geme<strong>in</strong>sam, d. h. nie weiter ause<strong>in</strong>ander als 100m,<br />

auf dem Rennsteig zu wandern oder zu walken. Jürgen Anhöck, Hartwig Gauder, Wolfgang<br />

136


Knaust, Dr. Hans-Georg Kremer, Dr. Matthias Schulze und Frank Zülke, alles erfahrene<br />

Ausdauersportler und vielfache Rennsteiglaufteilnehmer wurden für das Projekt gewonnen<br />

und bereiteten sich geme<strong>in</strong>sam darauf vor. Der USV <strong>Jena</strong> e. V., das Institut für<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft der <strong>Jena</strong>er Universität und vor allem der Rennsteiglaufvere<strong>in</strong> sorgten für<br />

die Organisation des Rekordmarsches. Nach e<strong>in</strong>er Gesamtzeit von 37 Stunden und 21<br />

M<strong>in</strong>uten erreichte das Team <strong>in</strong> Blankenste<strong>in</strong> an der Saale das Ende des Rennsteigs. Die re<strong>in</strong>e<br />

„Wanderzeit“ lag bei unter 30 Stunden. Die Differenz wurde für Wissenschaftliche<br />

Untersuchungen, Medienaktivitäten wie Interviews und Fernsehaufnahmen und<br />

Versorgungszeiten benötigt. Die mediz<strong>in</strong>ische Betreuung hatte der Bereich <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong> der<br />

Uni unter Leitung von Frau Prof. Dr. Johanna Hübscher übernommen, die auch die<br />

umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen vornahm, unterstützt durch den<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Alexander Thorhauer und den <strong>Sport</strong>psychologen<br />

Prof. Dr. Dieter Teipel. E<strong>in</strong>e ganze Mannschaft von Helfern des USV unter Leitung von Maik<br />

Masuhr hatte dafür gesorgt, dass etwa alle 10 Kilometer e<strong>in</strong>e Versorgungsstelle e<strong>in</strong>gerichtet<br />

wurde, die von den Vere<strong>in</strong>en des GutsMuths-Rennsteiglaufs betreut wurden. An vielen<br />

Stellen organisierten die Geme<strong>in</strong>den an der Strecke Begrüßungen, kle<strong>in</strong>e Volksfeste und<br />

Sonderaktionen. Streckenweise wanderten Wissenschaftler, Journalisten, Kamerateams und<br />

<strong>Sport</strong>ler der Region mit.<br />

Zwischen Kopfweitsprung und dem längsten Paar Laufski wurde der Rekord <strong>in</strong>s Gu<strong>in</strong>ness-<br />

Buch der Rekorde e<strong>in</strong>geschrieben. Es steht zu lesen: „Gruppenwandern: Das Sextett Matthias<br />

Schulze, Wolfgang Knaust, Hans-Georg Kremer, Jürgen Anhöck, Frank Zühlke und Hartwig<br />

Gauder haben am 29./30. April den 168,3 km langen Thür<strong>in</strong>ger Höhenweg Rennsteig <strong>in</strong> der<br />

Rekordzeit von 37:21 Stunden durchwandert.“ Start: 29. April 1994 um 10.00 Uhr <strong>in</strong><br />

Hörschel; Ziel: 30. April um 23.41 Uhr <strong>in</strong> Blankenste<strong>in</strong>. Witterung: tagsüber 20° C, nachts<br />

um 5° C, trocken; ab dem 30.04.94, 22.00 Uhr Regen.“<br />

Bisher gelang es nicht, diesen Rennsteig-Weltrekord zu brechen.<br />

Die Rekordwanderer und e<strong>in</strong> Teil des Betreuerteams am Startplatz an der Werra <strong>in</strong> Hörschel.<br />

1962 Fast vergessene erfolgreiche <strong>Jena</strong>er Leichtathlet<strong>in</strong> wird 80<br />

3. Februar 1927 wurde Rita Placzek <strong>in</strong> Loslau (Schlesien) geboren. Als Umsiedlerk<strong>in</strong>d kam<br />

sie 1946 nach <strong>Jena</strong> und arbeitete als Sprechstundenhilfe <strong>in</strong> der Privatkl<strong>in</strong>ik Schmidt. Im<br />

gleichen Jahr legte sie an der Vorstudienanstalt der Universität ihr Abitur ab und begann mit<br />

der <strong>Sport</strong>lehrerausbildung für die Unterstufe bei Walter Wurzler. Zu dieser Zeit hatte sie auch<br />

verstärkt mit dem leistungssportlichem Leichtathletiktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bei der BSG Carl Zeiß <strong>Jena</strong><br />

begonnen. Nach Beendigung des Studiums wurde sie 1951 als Hilfssportlehrer<strong>in</strong> für die<br />

137


studentische Körpererziehung e<strong>in</strong>gestellt. Als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspartner<strong>in</strong> von Siegfriede Weber-<br />

Dempe kam sie mit dieser auch zu ihren größten sportlichen Erfolgen.<br />

Beim Vorläufer der DDR-Meisterschaften, den sogenannten Ostzonenmeisterschaften wurde<br />

sie Meister<strong>in</strong> 1948 <strong>in</strong> 4x100 m Staffel von Zeiß <strong>Jena</strong> (Sander, Dempe, Placzek, Kirchner) <strong>in</strong><br />

52,4 s. was sie 1949 mit fast gleicher Staffelzusammensetzung (Placzek, Dempe, Anders,<br />

Kirchner) <strong>in</strong> 51,4 s wiederholen konnte. Im Weitsprung wurde sie damals Vierte mit 4,96 m.<br />

Ihre Bestleistung im Fünfkampf lag bei 232 Punkten was Platz 21 der ewigen DDR-<br />

Bestenliste 1950-1952 bedeutete. 1953 trat sie zur HSG Uni über und wurde bei den DDR-<br />

Meisterschaften 1954 im Weitsprung mit 5,13 m noch mal Vierte. In dieses Jahr fallen auch<br />

ihre persönlichen Bestleitungen im Weitsprung 5,43 m (Platz 7 der DDR-Bestenliste 1954),<br />

im Hochsprung 1,48 m (Platz 7 der DDR-Bestenliste 1954) und über 80-m-Hürden 13,3 s<br />

(Platz 31 der DDR-Bestenliste 1954). Im gleichen Jahr legte sie ihr Staatsexamen <strong>in</strong> der<br />

Körpererziehung ab. 1955 wurde Rita Placzek <strong>in</strong> der DDR-Nationalmannschaft e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Gegen Bulgarien g<strong>in</strong>g sie <strong>in</strong> Erfurt im Weitsprung an den Start. 1959 nahm Rita Placzek noch<br />

e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>studium <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> auf und schloss dieses mit dem Staatsexamen 1962 ab. Viele<br />

Jahre war sie als Ärzt<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Blankenha<strong>in</strong> bei Weimar tätig, bevor sie als Rentner<strong>in</strong><br />

nach Wetzlar übersiedelte, wo sie noch heute lebt.<br />

1973 Harald Seime brachte das Fechten zurück an die Universität<br />

Der 70. Geburtstag von Harald Seime ist Anlass für viele Würdigungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Tätigkeit als<br />

exzellenter Pantomime und wichtiger Theatermann <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. Zu kurz kommt dabei meist<br />

se<strong>in</strong>e berufliche Biografie. Nach erfolgreichem Studium am Institut für Körpererziehung der<br />

<strong>Jena</strong>er Universität wurde er <strong>in</strong> den sechziger Jahren als Hochschulsportlehrer für den<br />

allgeme<strong>in</strong>en Studentensport e<strong>in</strong>gestellt. Zu se<strong>in</strong>en ersten Aktivitäten, geme<strong>in</strong>sam mit der<br />

ebenfalls neu e<strong>in</strong>gestellten Kolleg<strong>in</strong> Inge Riebel, gehörte die Wiedere<strong>in</strong>führung der <strong>Sport</strong>art<br />

Fechten. Diese universitäre Traditionssportart, deren Wurzeln bis zur Gründungsgeschichte<br />

der Universität vor ca. 450 Jahren zurückreicht, war nach dem Krieg von den Alliierten als<br />

„Militärsport“ verboten worden. In den fünfziger Jahren wurde das Fechten auch unter dem<br />

„wehrpolitischen“ Aspekt der Gesellschaft für <strong>Sport</strong> und Technik (GST) zugeordnet. Erst <strong>in</strong><br />

den sechziger Jahren begann die sportliche Weiterentwicklung <strong>in</strong> den<br />

Betriebssportgeme<strong>in</strong>schaften. Schon bald konnten <strong>Jena</strong>s Universitätsfechter im DDR-<br />

Hochschulsport mitreden. Nachdem bereits 1962 bei der 2. DDR- Studentenspartakiade, die<br />

<strong>in</strong> <strong>Jena</strong> stattfand, Fechten erstmals auf dem Programm stand, die <strong>Jena</strong>er Student<strong>in</strong> Monika<br />

Brüllke gewann im Florett, beteiligten sich die <strong>Jena</strong>er Fechter ab 1968 regelmäßig an<br />

Fechtwettkämpfen. 1973 wurden die Herrenflorettmannschaft von Harald Seime DDR-<br />

Studentenmeister und 1975 organisierte die Universität <strong>Jena</strong> unter maßgeblicher Organisation<br />

von Harald Seime die DDR-Studentenmeisterschaften im Fechten. Insgesamt vier Mal holte<br />

er als Gesamtleiter diese Meisterschaften nach <strong>Jena</strong>. 1996 übernahmen es dann se<strong>in</strong>e<br />

„Schüler“, erstmals deutsche Hochschulmeisterschaften im Mannschaftsfechten <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zu<br />

organisieren und erstmalig wurde dabei die neu eröffnete Goethegalerie für die Endkämpfe<br />

genutzt.<br />

Foto<br />

Georg Buschners Leben zwischen Legende und Wirklichkeit<br />

138


Am 12. Februar 2007, kurz nach se<strong>in</strong>em 81. Geburtstag (26.12.1925), ist Georg Buschner <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Haus im <strong>Jena</strong>er Kernbergviertel ganz unerwartet verstorben. Damit hat sich e<strong>in</strong>e<br />

Tra<strong>in</strong>erlegende des DDR-Fußballs für immer verabschiedet, die bereits zu Lebzeiten für e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl von wahren und erfundenen <strong>Geschichte</strong>n gesorgt hat. Weniger se<strong>in</strong>e sportlichen<br />

Meriten sollen hier gewürdigt werden, sondern e<strong>in</strong>e biografische Entwicklung besonders aus<br />

dem Blickw<strong>in</strong>kel se<strong>in</strong>er Universitätszugehörigkeit.<br />

Als K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>es Eisenbahnsekretärs <strong>in</strong> Gera aufgewachsen kann man se<strong>in</strong>e<br />

Familienverhältnisse als kle<strong>in</strong>bürgerlich bezeichnen. Se<strong>in</strong>e Eltern ermöglichten ihm den<br />

Besuch e<strong>in</strong>er Wirtschaftsoberschule. Den erfolgreichen Abschluss mit e<strong>in</strong>em Abitur<br />

verh<strong>in</strong>derte der Beg<strong>in</strong>n des faschistischen II. Weltkrieges. 1943 wurde er von der Schulbank<br />

zum Reichsarbeitsdienst e<strong>in</strong>gezogen und kam danach zur Luftwaffe. Gegen Kriegsende 1945<br />

geriet er <strong>in</strong> englische Gefangenschaft und nach der Entlassung schlug er sich als Landarbeiter<br />

und Gerüstbauer durch. Damit war er sozusagen e<strong>in</strong> Vertreter der Arbeiterklasse, was se<strong>in</strong>e<br />

Bewerbung zu e<strong>in</strong>em Neulehrerstudium sicher positiv bee<strong>in</strong>flusst hat. An der Pädagogischen<br />

Fachschule <strong>in</strong> Gera hat er 1946 e<strong>in</strong>en Halbjahreslehrgang erfolgreich bestanden. In diese Zeit<br />

fällt auch se<strong>in</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die SED. Fast nahtlos g<strong>in</strong>g er Ende 1946 – 1947 zum Studium an die<br />

Pädagogische Fachschule für <strong>Geschichte</strong> <strong>in</strong> Dreißigacker bei Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen. Gleichzeitig war er<br />

schon als Dozent für <strong>Geschichte</strong>, Erdkunde und Unterrichtsmethodik an der Pädagogischen<br />

Fachschule <strong>in</strong> Gera tätig und blieb dies auch bis zum Sommer 1948. Er besuchte 1948 die<br />

Kreisparteischule, wo er zugleich Lehrer war. Ab W<strong>in</strong>tersemester 1948 wurde er <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> an<br />

der neu gegründeten Fakultät für Gesellschaftswissenschaften (Gewifak) der Friedrich-<br />

Schiller-Universität immatrikuliert. Mit Beg<strong>in</strong>n des Studiums bekam er e<strong>in</strong>e<br />

Hilfsassistentenstelle bei Prof. Dr. Anna L<strong>in</strong>demann, was für ihn vor allem e<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />

Verdienst mit sich brachte. Als erfolgreicher Fußballer <strong>in</strong> Gera wurde er von der FDJ, die um<br />

diese Zeit im Studentensport Fuß zu fassen suchte, mit verschiedenen Funktionen betraut. So<br />

besuchte er im Herbst 1948 mit e<strong>in</strong>er FDJ-<strong>Sport</strong>delegation Prag, von wo er das<br />

Volleyballspiel mit nach <strong>Jena</strong> brachte. In den ersten Lehrgängen zur Ausbildung von<br />

<strong>Sport</strong>lehrern wurde dieses Spiel sofort <strong>in</strong>s Programm aufgenommen, was Buschner 1950<br />

e<strong>in</strong>en Lehrauftrag e<strong>in</strong>brachte. Über die Gewifak wurde er im Frühjahr 1949 für die SED für<br />

den Studentenrat nom<strong>in</strong>iert und bei den Wahlen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahlkreis mit 155 von 179<br />

Stimmen gewählt.<br />

Da die SED <strong>in</strong>sgesamt die Stimmmehrheit im Studentenrat hatte, konnte sie den Vorsitzenden<br />

stellen. Buschner wurde <strong>in</strong> diese Funktion gewählt. Es war der letzte „demokratisch“<br />

gewählte Studentenrat, <strong>in</strong> dem es kurioser Weise ke<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>referat mehr gab. Dessen<br />

Aufgaben hatte die Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft übernommen, der Buschner aber nicht<br />

angehörte. Trotzdem vertrat er vor allem als <strong>Sport</strong>ler die FDJ mehrfach auf <strong>in</strong>ternationalen<br />

Kongressen und wurde auch Mitglied des Fachausschusses Fußball im Deutschen<br />

<strong>Sport</strong>ausschuss. 1950 wurde er an die Parteihochschule Karl-Marx Kle<strong>in</strong>machnow zu e<strong>in</strong>em<br />

viermonatigen Lehrgang für Dozenten der marxistisch len<strong>in</strong>istischen Pädagogik delegiert, wo<br />

er zeitweise als Sem<strong>in</strong>arlehrer tätig war. 1951 legte er se<strong>in</strong> Staatsexamen an der Gewifak mit<br />

„gut“ ab. Als erfolgreicher <strong>Sport</strong>ler kam er mehrfach zum E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der DDR-<br />

Studentenauswahl, so gehörte er zu der Studentischen Fußballmannschaft, die im Mai 1950<br />

gegen die junge DDR-Fußballauswahl 1:1 spielte.<br />

Mit der Gründung des Instituts für Körpererziehung <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> (1.1.1951) war Buschner, noch<br />

Student, als Hilfsassistent für Fußball, Handball und Basketball später auch Volleyball<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, was se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziellen E<strong>in</strong>künfte deutlich verbesserte. Zum 1. Oktober 1951 erhielt<br />

er dann e<strong>in</strong>en Lehrauftrag für allgeme<strong>in</strong>e und spezielle Methodik der Körpererziehung. E<strong>in</strong>e<br />

geplante Dozentur wurde wegen des fehlenden Staatsexamen <strong>in</strong> der Körpererziehung nicht<br />

beantragt. Dafür beantragte die Direktor<strong>in</strong> des Instituts für Körpererziehung, Elli Tetschke,<br />

139


e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stufung als Oberassistent. In der Begründung schrieb sie unter anderem s<strong>in</strong>ngemäß:<br />

Buschner habe<br />

- die <strong>Geschichte</strong> der Körperkultur selbstständig bearbeitet<br />

- leite die Kampfspiele, besonders Volleyball mit großem Erfolg (3. Platz bei DDR-<br />

Meisterschaften)<br />

- sei Spitzensportler bei Motor Gera<br />

- war acht Mal im E<strong>in</strong>satz bei der Fußball-Nationalmannschaft (gegen 4 x CSR, 1 x Polen, 2 x<br />

Ungarn, 1 x Frankreich).<br />

Der Dekan, Prof. Dr. Karl Schrader, der den Antrag weiterleitete und für Buschner, als<br />

nichtausgebildeten <strong>Sport</strong>pädagogen die E<strong>in</strong>satzfächer <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong>, Theorie,<br />

sportpolitisches Sem<strong>in</strong>ar, allgeme<strong>in</strong>e und spezielle Methodik und Kampfspiele benannte,<br />

schrieb: „Er versteht es, die Erkenntnisse der Sowjetwissenschaften auf dem Gebiet der<br />

Körperkultur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Vorlesungen und Übungen erfolgreich anzuwenden.“<br />

Diese schnelle Karriere verdankte Buschner neben se<strong>in</strong>em sportlichen Engagement vor allem<br />

se<strong>in</strong>em Abschluss an der Gewifak. In e<strong>in</strong>er späteren Bewertung der Rolle dieser, nach<br />

sowjetischen Vorbild geschaffenen, als hochschulpolitisch gewolltes Instrument der SED<br />

entwickelten Institution heißt es unter anderem: „Die <strong>Jena</strong>er Gesellschaftswissenschaftliche<br />

Fakultät hatte bis zu ihrer Auflösung (August 1951) viele Kader ausgebildet, denen wichtige<br />

Funktionen <strong>in</strong> der Gesellschaft übertragen wurden, wie z. B. [...] Georg Buschner, [...].“<br />

Bis dah<strong>in</strong> spielte Buschner weiter <strong>in</strong> Gera Fußball. Se<strong>in</strong>en Wechsel zu Motor <strong>Jena</strong> verdankt er<br />

auch der Universität, die im September 1952 se<strong>in</strong>e Versetzung nach <strong>Jena</strong> beantragt, „[...]damit<br />

er genügend Zeit für se<strong>in</strong>e anderen Aufgaben an der Universität habe“.<br />

Für se<strong>in</strong>e Direktor<strong>in</strong> Elli Tetschke, die ihre Funktion vor allem ihrer politischen Biografie als<br />

„Antifaschist<strong>in</strong>“ (sie war als Halbjüd<strong>in</strong> im Arbeitslager und gehörte 1945 zu den Gründern<br />

e<strong>in</strong>er politischen Zelle der KPD an der Pädagogischen Fachschule <strong>in</strong> Erfurt) zu verdanken<br />

hatte, war Buschner für das Institut fachlich und charakterlich unentbehrlich. Er wurde<br />

zeitweilig ihr wichtigster Berater und Vertrauensmann. So schreibt sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beurteilung:<br />

„ Se<strong>in</strong>e gesellschaftspolitische Zuverlässigkeit beweist er am Institut dadurch, dass er me<strong>in</strong>e<br />

größte Stütze <strong>in</strong> der verantwortlichen Arbeit, die ich zur Entwicklung des Instituts für<br />

Körpererziehung zu e<strong>in</strong>em demokratischen Erziehungsfaktor übernommen habe, ist.“<br />

Mehrere Versuche von Tetschke, Buschners Berufung zum Dozenten zu erreichen, scheitern<br />

immer wieder an se<strong>in</strong>er fehlenden fachlichen Qualifikation. Mehrfach wurde er aufgefordert,<br />

schnellstmöglich zu promovieren.<br />

Um diese Anforderung zu lösen, schlägt Tetschke im April 1952 die Anerkennung von<br />

Leistungen aus der bisherigen Ausbildung und der jetzigen Lehrtätigkeit von Georg Buschner<br />

als Abschlussprüfung für e<strong>in</strong> <strong>Sport</strong>lehrerstudium vor, damit dieser e<strong>in</strong>e außerplanmäßige<br />

Aspirantur erhalten kann. So sollten das Staatsexamen der Gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät, die Neulehrerprüfung und die Fachlehrerprüfung <strong>Geschichte</strong> anerkannt werden<br />

konnten. Als Abschlussbenotung für das Fach Körpererziehung schlägt sie die Note<br />

„ausgezeichnet“ vor, die damit begründet wurde, dass er die Vorlesung zur <strong>Geschichte</strong> der<br />

Körpererziehung, die Vorlesung Theorie und Methodik der Körpererziehung, das Sem<strong>in</strong>ar<br />

„Spezielle Methodik der Spiele“ und Praxisübungen <strong>in</strong> Fuß-, Basket- und Volleyball<br />

unterrichte.<br />

Diesem Antrag konnte der Dekan Prof. Dr. Karl Schrader nicht zustimmen, da die<br />

Fachschulprüfung nicht als akademische Prüfungen anerkannt werden können. Schrader<br />

schlug als Lösungsvariante vor: Buschner hätte aber an der Gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät e<strong>in</strong>ige Prüfungen abgelegt. Die Hausarbeit des Staatsexamens an der<br />

Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät könnte man anerkennen. Zusätzlich sei e<strong>in</strong>e<br />

pädagogische Prüfung bestehend aus e<strong>in</strong>er Klausurarbeit und e<strong>in</strong>er mündlichen Prüfung, bei<br />

der auf se<strong>in</strong>e „[...] verantwortungsvolle Tätigkeit [...] als Dozent Rücksicht genommen wird.<br />

Die Wahl des Prüfers unter den prüfberechtigten Dozenten steht ihm frei. Die<br />

140


Abschlussprüfung <strong>in</strong> Psychologie sieht e<strong>in</strong>e mündliche Prüfung von 20 bis 30 M<strong>in</strong>uten vor.<br />

Sowohl Frau Prof. Jucknat wie Herr Prof. W<strong>in</strong>nefeld s<strong>in</strong>d nach Rücksprache sicherlich bereit,<br />

gleichfalls den besonderen Belangen von Herrn Buschner Rechnung zu tragen. Gegen e<strong>in</strong>en<br />

Fortfall e<strong>in</strong>er besonderen Prüfung <strong>in</strong> Körpererziehung und die Festsetzung der Gesamtnote<br />

erhebe ich ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wendungen“ schrieb Prof. Dr. Schrader weiter. Warum Buschner dieses<br />

sehr kulante Angebot nicht annahm, konnte zu se<strong>in</strong>en Lebzeiten nicht geklärt werden. In diese<br />

Zeit fällt e<strong>in</strong>e größere Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen Buschner und Tetschke, die über die<br />

Fakultät h<strong>in</strong>aus sogar die Universitätsparteileitung (UPL) erreichte. Tetschke bezichtigte ihren<br />

bis dah<strong>in</strong> bevorzugten Oberassistenten der Manipulation e<strong>in</strong>er „Niederschrift über e<strong>in</strong>e<br />

mündliche Prüfung“. In mehreren Aussprachen stand Aussage gegen Aussage und am Ende<br />

der Versuch, Tetschke mit der Delegierung an e<strong>in</strong>e Parteischule kalt zu stellen. Tetschke<br />

bekundete aber mehrfach, dass e<strong>in</strong>e Unterschrift von ihr unter e<strong>in</strong>em Examenszeugnis von<br />

Buschner, <strong>in</strong> dem alle Fächer mit der Note „sehr gut“ e<strong>in</strong>geschätzt wurden, höchsten dadurch<br />

zu Stande gekommen se<strong>in</strong> könnte, dass sie wiederholt vorgelegte Blankoschreiben im<br />

Vertrauen auf e<strong>in</strong>e korrekte Ausfüllung unterschrieben hätte. Auf jedem Fall war damit die<br />

enge Zusammenarbeit zwischen ihr und Buschner gestört, was sich dann bis zum Sturz von<br />

Elli Tetschke als Institutsdirektor<strong>in</strong> im Juni 1956 auf das Arbeitsklima im Institut sehr negativ<br />

auswirkte. Buschner hatte zu diesem Zwecke e<strong>in</strong>en Großteil der Genossen und Mitarbeiter auf<br />

Grund se<strong>in</strong>es großen Engagements für die Ausbildung am Institut h<strong>in</strong>ter sich gesammelt, blieb<br />

aber <strong>in</strong>sgesamt im H<strong>in</strong>tergrunde und konnte sogar erwirken, dass er aus dem Kollegium als<br />

Kandidat für die Funktion des Direktors vorgeschlagen wurde. Dieser Antrag scheiterte bei<br />

der UPL. Auf Grund des Widerstandes der „Antifaschist<strong>in</strong>“ Elli Tetschke und sicher<br />

begünstigt durch die Konzentration aller Kräfte der SED, zwischen 1956 und 1958<br />

oppositionelle Strömungen an der Universität <strong>in</strong> den Griff zu bekommen, wurde der<br />

Direktorenposten erst 1959 mit Dr. Willi Schröder aus Halle neu besetzt. Als Institutsdirektor<br />

amtierte die dienstälteste Lehrkraft, Walter Wurzler, der als Mitglied e<strong>in</strong>er Blockpartei<br />

ke<strong>in</strong>erlei Durchsetzungsvermögen hatte, was von Buschner ausgenutzt wurde, se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss<br />

unter den Mitarbeitern noch zu stärken. 1957 legt Georg Buschner endlich se<strong>in</strong>e<br />

Prüfungsarbeit für das Lehramt an der Oberschule unter dem Thema: „Darstellungen und<br />

Deutungen e<strong>in</strong>iger Probleme der Olympischen Spiele des Altertums“ vor. Bei der <strong>in</strong>zwischen<br />

aufgefundenen Arbeit, sche<strong>in</strong>t es sich im Wesentlichen um se<strong>in</strong>e <strong>Sport</strong>geschichtsvorlesung zu<br />

handeln. Neben dem Bau se<strong>in</strong>es Hauses, welches ihm auf Grund verschiedener unkorrekter<br />

Praktiken bei der Beschaffung von Baumaterial und Arbeitskräften e<strong>in</strong> Parteiverfahren<br />

e<strong>in</strong>brachte, gehört <strong>in</strong> diesen Lebensabschnitt auch die Übernahme der Funktion des<br />

Cheftra<strong>in</strong>ers des SC Motor <strong>Jena</strong> im August 1958. Damit begann se<strong>in</strong>e eigentliche Karriere,<br />

der er se<strong>in</strong>en heutigen Ruhm verdankt. Typisch für Buschner ist die Tatsache, dass er anfangs<br />

die Funktion des Tra<strong>in</strong>ers als Nebentätigkeit neben se<strong>in</strong>er voll bezahlten Oberassistentenstelle<br />

durchsetzte. Der damalige Rektor, Prof. Dr. Otto Schwarz, stimmte dem ausdrücklich zu.<br />

Erst der neue Direktor Schröder stellte die Doppeltätigkeit <strong>in</strong> Frage, konnte aber auch nicht<br />

verh<strong>in</strong>dern, dass Buschner noch bis <strong>in</strong> die sechziger Jahre e<strong>in</strong>en Lehrauftrag über mehrere<br />

Stunden am Institut für Körpererziehung hatte.<br />

2007 Eugen Ha<strong>in</strong>le<strong>in</strong> wurde 80<br />

Am 26. April 2007 wird Eugen Ha<strong>in</strong>le<strong>in</strong> 80 Jahre alt. Eugen He<strong>in</strong>le<strong>in</strong> gehört zu den<br />

erfolgreichsten Ausdauerläufern <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. Die Zahl se<strong>in</strong>er Pokale und Urkunden kann er<br />

kaum noch zählen. Sicher verdankt er zum Teil diese Erfolge der Tatsache, dass er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Altersklasse kaum noch Konkurrenz hat. Erst 1983 hat Eugen mit dem Ausdauerlauf<br />

begonnen. Er war Teilnehmer bei e<strong>in</strong>em der ersten Anfängerlaufkurse des USV (damals noch<br />

141


HSG) <strong>Jena</strong> unter Leitung von Dr. Rolf Schoder, Jens Wötzel und Eckehard Gläßer. Der<br />

Diplomwirtschaftler Ha<strong>in</strong>le<strong>in</strong> war damals als Bankkaufmann tätig. Von Haus aus wurde er<br />

weniger zum <strong>Sport</strong> angehalten, obwohl se<strong>in</strong> Vater aktives Mitglied des Akademischen<br />

Turnbunds Gothania war. Das Gymnasium konnte Eugen nicht abschließen, da er <strong>in</strong> den<br />

letzten Kriegsmonaten noch e<strong>in</strong>gezogen wurde. Anfangs war er auf den Kernbergen bei der<br />

Flak e<strong>in</strong>gesetzt. Hier stiftete er <strong>in</strong> den letzten Jahren e<strong>in</strong>e Bank zur Er<strong>in</strong>nerung an se<strong>in</strong>e<br />

Kriegskameraden. Nach Gefangenschaft <strong>in</strong> Frankreich erlernte er den Beruf des<br />

Bankkaufmanns, holte se<strong>in</strong> Abitur an der Volkshochschule nach und besuchte als Fernstudent<br />

die Hochschule für Ökonomie, die er mit dem Diplom erfolgreich abschloss. Er hatte<br />

<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e Familie gegründet und e<strong>in</strong>e Tochter, mit der er gerne wanderte. Mit 56<br />

Jahren, als er merkte, dass er nicht mehr genug Luft bekam, wenn er zum Bus rannte, meldete<br />

er sich zum Anfängerlaufkurs an. Drei Jahre später startete er das erste Mal beim<br />

Rennsteiglauf. Am 19. Mai 2007 wird zum 21. Mal bei Europas größtem Cross auf dem<br />

Rennsteig dabei se<strong>in</strong>. Überhaupt wurden die regelmäßigen Wettkampfteilnahmen neben den<br />

gesundheitlichen Aspekten e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er wichtigsten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmotive, wobei das Siegen nicht<br />

das Wichtigste war. Eugen g<strong>in</strong>g es vor allem um die erfolgreiche Teilnahme und um die<br />

Kameradschaft mit anderen Läufern. Deshalb gehört er auch zu den regelmäßigen Helfern<br />

beim <strong>Jena</strong>er Kernberglauf und hat e<strong>in</strong>en festen Platz am Läuferstammtisch. Neben den<br />

Rennsteigläufen zählen die Starts beim New York Marathon und bei den Rotwe<strong>in</strong>-<br />

Marathonläufen von Medoc und Cahore zu se<strong>in</strong>en schönsten Lauferlebnissen. Laufen möchte<br />

er noch bis zu se<strong>in</strong>em 100. Lebensjahr, wenn auch nicht mehr so häufig als Wettkämpfer.<br />

1999<br />

Prof. Dr. Willi Schröder wurde am 15. 7. 1927 <strong>in</strong> Schönebeck/Elbe geboren. Se<strong>in</strong> Vater war<br />

Ste<strong>in</strong>setzer und Turner. Willis Eltern erzogen ihn zu Bescheidenheit und Leistungsstreben.<br />

Von der Schulbank weg musste er im letzten Kriegsjahr noch zur Wehrmacht. Nach dem<br />

Kriegsende arbeitete er als Landarbeiter, bevor er 1947 se<strong>in</strong>e Reifeprüfung nachholen konnte.<br />

Danach bewarb er sich zum Studium an der Philosophischen Fakultät <strong>in</strong> Halle. Germanistik<br />

und <strong>Geschichte</strong> wählte er als Haupt- und <strong>Sport</strong> als Nebenfach. Mit dem regelmäßigen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Rudern und anderen <strong>Sport</strong>arten konzentrierte er sich immer stärker auf den <strong>Sport</strong>,<br />

wurde nach dem Studium 1952 Lektor am Institut für Körpererziehung (IfK) <strong>in</strong> Halle und<br />

schrieb e<strong>in</strong>e Dissertation über Friedrich Ludwig Jahn, die aber nicht angenommen wurde.<br />

Nachdem er e<strong>in</strong>en Lehrauftrag an der Universität Leipzig erhalten hatte, konzentrierte er sich<br />

auf <strong><strong>Sport</strong>geschichte</strong>. 1958, als nach e<strong>in</strong>er politischen Säuberungswelle auch der Direktor des<br />

<strong>Sport</strong><strong>in</strong>stituts abtreten musste, wurde Willi Schröder hier kommissarischer Direktor. Zu dieser<br />

Zeit hatte er schon mit dem <strong>Jena</strong>er Rektor, Prof. Dr. Josef Hämel über die Berufung zum<br />

142


Direktor des IfK verhandelt. Mit dem Thema „Das Jahnbild <strong>in</strong> der deutschen Turn- und<br />

<strong>Sport</strong>bewegung“ promovierte er 1958 <strong>in</strong> Leipzig und wurde 1959 nach <strong>Jena</strong> ans IfK erst für<br />

e<strong>in</strong>en Lehrauftrag und dann als Direktor berufen. Anfangs stieß er hier auf starke Ablehnung,<br />

da e<strong>in</strong> Großteil des Kollegiums lieber e<strong>in</strong>en der ihren auf diesem Posten gesehen hätten. Im<br />

Gegensatz zu ihm hatte aber ke<strong>in</strong> Mitarbeiter des IfK e<strong>in</strong>e Promotion vorzuweisen. Willi<br />

Schröder gelang es <strong>in</strong> kürzester Zeit, das Institut wissenschaftlich zu profilieren und viele<br />

junge Assistenten für die wissenschaftliche Arbeit zu gew<strong>in</strong>nen. Er selber konzentrierte sich<br />

nach dem Abschluss der Neugestaltung der Jahngedenkstätte <strong>in</strong> Freiburg, die er<br />

wissenschaftlich betreut hatte, stärker auf die Urburschenschaften, was auch zum Gegenstand<br />

se<strong>in</strong>er Habilitation „ Burschenturner im Kampf um E<strong>in</strong>heit und Freiheit“ wurde. 1966 erhielt<br />

er e<strong>in</strong>e ordentliche Professur. Danach widmete er e<strong>in</strong>en Großteil se<strong>in</strong>er Forschungskapazität<br />

dem Leben und Wirken von Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Der Aufbau e<strong>in</strong>es<br />

Museums u. a. für GutsMuths <strong>in</strong> Schnepfenthal und die Verb<strong>in</strong>dung des Rennsteiglaufs mit<br />

dem Namen des Begründers des modernen <strong>Sport</strong>unterrichts, krönten Schröders Lebenswerk.<br />

Daneben betreute er 25 Promotionen und sieben Habilitationen. Am Institut und an der<br />

Universität übte er bis zum Prorektor die verschiedensten Funktionen aus. Als<br />

Stadtverordneter gehörte er zu e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe, die mit e<strong>in</strong>em „<strong>Jena</strong>er Programm“ den<br />

Bau neuer <strong>Sport</strong>stätten planten. Trotz entsprechender Stadtratsbeschlüsse wurde nur e<strong>in</strong> Teil<br />

davon fertiggestellt. Die Mittel für e<strong>in</strong>e Schwimmhalle und e<strong>in</strong>e große Universitätssporthalle<br />

wurden <strong>in</strong> die damalige Bezirkshauptstadt Gera abgezogen und <strong>in</strong> der Panndorfhalle und dem<br />

jetzigen Hofwiesenbad verbaut. Zur Wende hatte er am sogenannten „Runden Tisch zum<br />

<strong>Sport</strong>“ zur Erhaltung und Öffnung des <strong>Sport</strong>forums für <strong>Jena</strong>s <strong>Sport</strong>vere<strong>in</strong>e beigetragen.<br />

1992 emeritiert, hat Prof. Dr. Willi Schröder die wissenschaftliche Arbeit, vor allem zu<br />

GutsMuths, fortgesetzt. Geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>er Frau und den Töchtern freut er sich außerdem<br />

sehr über die sportlichen Erfolge se<strong>in</strong>er Enkel im Orientierungslauf<br />

2007 Prof. Dr. Wolfgang Gutewort wird 80<br />

Mit wissenschaftlichen Ergebnissen zu Olympiamedaillen im Rodeln und Bob<br />

Wolfgang Gutewort wurde am 19. 8. 1927 als Sohn e<strong>in</strong>es Fabrikanten <strong>in</strong> Apolda geboren.<br />

Schon als Schüler war er sportlich sehr aktiv und gehörte zur Turnauswahl Thür<strong>in</strong>gens, die<br />

regelmäßig <strong>in</strong> der <strong>Jena</strong>er „Muskelkirche“ Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager durchführte. Damals reifte se<strong>in</strong><br />

Wunsch, später als <strong>Sport</strong>lehrer an der Landesturnanstalt zu arbeiten. Se<strong>in</strong> Abitur konnte er<br />

nicht vollenden, da er vor Kriegsende noch zu e<strong>in</strong>em Panzerpionierbataillon e<strong>in</strong>gezogen<br />

wurde. Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft begann er <strong>in</strong> Apolda als Laborjungwerker<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er chemischen Fabrik. 1946 nutzte er e<strong>in</strong>en Sonderlehrgang für Kriegsteilnehmer, um<br />

das Abitur zu erwerben. Danach bewarb er sich <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> zum Studium. Aus bürgerlicher<br />

Familie kommend war dies ziemlich aussichtlos, da er aber damals kurzzeitig CDU-Mitglied<br />

war, bekam er e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> der Fachrichtung Naturphilosophie und Religionswissenschaft.<br />

1947 ließ er sich auf Chemie und Physik umschreiben. Ab Herbst 1948 wurde er<br />

Hilfsassistent für Gerätturnen beim ersten Ausbildungsjahrgang für Grundschullehrer. 1949<br />

gehörte er als Spartenleiter Turnen/Gymnastik zu den Gründungsmitgliedern der HSG <strong>Jena</strong>,<br />

dem Vorläufer des USV. In diese Zeit fallen weitere sportliche Erfolge. Bei Vorläufern der<br />

DDR-Studentenmeisterschaften konnte er Medaillen <strong>in</strong> der Leichtathletik, im Gerätturnen und<br />

im Leichtgewichtsrudern err<strong>in</strong>gen. Zeitweilig wurde er vom Studium beurlaubt, um als<br />

Lehrkraft bei der <strong>Sport</strong>lehrerausbildung tätig zu se<strong>in</strong>. 1951 legte er se<strong>in</strong>e 1. Lehrerprüfung <strong>in</strong><br />

Physik, Chemie und <strong>Sport</strong> ab und erhielt e<strong>in</strong>e Anstellung als Wissenschaftlicher Assistent im<br />

neu gegründeten Institut für Körpererziehung. 1953 wurde er Leiter der Fachschaft<br />

Gymnastik – Turnen. 1958 hielt er se<strong>in</strong>e erste Vorlesung zur Bewegungslehre. In diese Zeit<br />

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fällt auch se<strong>in</strong>e Diplomarbeit bei Prof. Dr. Kurt Me<strong>in</strong>el, an der DHFK Leipzig. 1962<br />

promovierte Wolfgang Gutewort mit dem Thema: Experimentelle Untersuchungen der<br />

Belastungsverhältnisse und der Erholungsmöglichkeiten an Schulvormittagen unter<br />

besonderer Berücksichtigung des Turnunterrichts und der Pausengymnastik. Se<strong>in</strong>e<br />

Habilitation erfolgte 1969 zum Thema „Digitale K<strong>in</strong>emetrie“. In der Zeit zwischen der<br />

Dissertation und der Habilitation gelang es ihm, die Biomechanik <strong>in</strong> <strong>Jena</strong> als<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong> zu etablieren. Weltweit erstmalig konnte die elektronische<br />

Datenverarbeitung zur numerischen Abbildung der K<strong>in</strong>ematik menschlicher Bewegungen mit<br />

Hilfe von „Zeiss-Technik“ zur Optimierung sportlicher Bewegungsabläufe genutzt werden.<br />

Bereits 1967 war er Mitglied des Präsidiums des Weltrates für Körperkultur und Gesundheit<br />

der UNESCO und des Präsidiums der „International Society on Biomechanics“ geworden.<br />

1972 erhielt er die Berufung zum ordentlichen Professor für „Naturwissenschaftliche<br />

Grundlagen des <strong>Sport</strong>s“. Anfang der siebziger Jahre begann Gutewort e<strong>in</strong>e Forschungsgruppe<br />

aufzubauen, welche sich dem Rennrodeln und später auch dem Bobsport widmete. Zwischen<br />

1972 und 1988 hatte dieses Team Anteil an 13 olympischen Gold-, neun Silber- und acht<br />

Bronzemedaillen. 1980 erhielt Prof. Dr. Wolfgang Gutewort für se<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Forschungsarbeit den Nationalpreis für Wissenschaft und Technik. Mit der Wende wurde er<br />

1990 wissenschaftlich und politisch positiv evaluiert, so dass er se<strong>in</strong>e Lehrtätigkeit bis zur<br />

Emeritierung im August 1992 fortsetzen konnte. Mit über 280 Publikationen und<br />

Forschungsberichten, mit der Betreuung von ungezählten Examens- und Diplomarbeiten,<br />

mehr als 30 Doktoranden und 10 Habilitationsgutachten hat er e<strong>in</strong> Stück<br />

Wissenschaftsgeschichte des heutigen Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft geschrieben. Heute<br />

gehört er im USV zur Nordic Walk<strong>in</strong>ggruppe des Seniorensports und zum Förderkreis<br />

Universitätssport.<br />

2008 Die Fechter<strong>in</strong> kehrt endlich zurück<br />

E<strong>in</strong> besonderer Schatz der Universität ist die Sammlung der Professoren-Bildnisse. Mit über<br />

400 Gemälden ist es wohl die geschlossenste Sammlung dieser Art <strong>in</strong> ganz Deutschland.<br />

Anfangs alle Professoren und später die Rektoren waren verpflichtet, der Universität e<strong>in</strong><br />

Portrait zu schenken. Als letzter machte Gustav v. Zahn davon Gebrauch. Er vermachte<br />

testamentarisch se<strong>in</strong> Rektorengemälde der Universität. Als Rektor (1929-1930) fiel er als<br />

Mitglied der „Alldeutschen“ eher durch se<strong>in</strong>e rechts konservative politische Haltung auf.<br />

Se<strong>in</strong>e wissenschaftlichen Meriten als Geograf wurden bisher nicht erforscht. Als Vorsitzender<br />

des akademischen Ausschusses für Leibesübungen (1919-1935) war er maßgeblich an der<br />

E<strong>in</strong>führung des Pflichtsports, dem Bau der Landesturnanstalt (Muskelkirche) und der<br />

Gründung des Instituts für Leibesübungen beteiligt. Da er nicht Mitglied der NSdAP<br />

geworden war, wurde ihm 1945 bei der Wiedereröffnung der Universität die Gründung des<br />

meteorologischen Instituts übertragen. Er starb 1946 im Alter von 75 Jahren. Se<strong>in</strong><br />

Rektorengemälde zeigt ihn im roten Talar, den er ebenfalls der Universität gestiftet hatte und<br />

der noch heute vom Rektor getragen wird.<br />

In der Professoren-Gemäldesammlung gibt es auch e<strong>in</strong>ige von „Nichtprofessoren“, darunter<br />

m<strong>in</strong>destens von vier „<strong>Sport</strong>lern“, womit der Bogen zu v. Zahn geschlagen werden kann. Von<br />

ehedem fünf Fechtmeisterbildnissen der berühmten Kreussler-Familie haben zwei den<br />

Bombenangriff auf die Universitätsbibliothek überstanden. Neu h<strong>in</strong>zugekommen ist <strong>in</strong> den<br />

1970er Jahren das Gemälde mit Harald Seime als Pantomime. Er hatte <strong>in</strong> den 1960er Jahren<br />

das <strong>Sport</strong>fechten an der Universität wieder e<strong>in</strong>geführt. Dieses Bild stammt von dem<br />

bekannten Lauschaer Kunstmaler Günter Dührkop. Ohne direkten Bezug gibt es im Bestand<br />

der Kustodie noch das Bildnis e<strong>in</strong>er Fechter<strong>in</strong>. Es wurde 1971 von Prof. Dr. He<strong>in</strong>z Wagner<br />

(Leipzig) geschaffen. Der künstlerische Wert ist umstritten, da es e<strong>in</strong>s von drei fast gleichen<br />

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Gemälden ist. Das aus se<strong>in</strong>er Sicht beste Bild hatte Wagner zur DDR-Kunstaustellung 1972<br />

e<strong>in</strong>gereicht, wo es auch angenommen wurde und anschließend auf vielen Ausstellungen zum<br />

Thema „Kunst und <strong>Sport</strong>“ gezeigt wurde. Die <strong>Jena</strong>er Fechter<strong>in</strong> kam als „Zugabe“ an die<br />

Universität. Wagner hatte <strong>in</strong> den 1970er Jahren den Auftrag erhalten, drei Rektorenbildnisse<br />

zu malen, darunter auch Prof. Dr. Günter Drefahl, der viele Jahre Vorsitzender der<br />

Hochschulsportgeme<strong>in</strong>schaft war. Da die Honorarordnung „Bildende Kunst“ <strong>in</strong> der DDR<br />

normalerweise den Preis aus dem Motiv und der Größe des Bildes berechnete, hat man wohl<br />

e<strong>in</strong>fach noch e<strong>in</strong> weiteres Bild gekauft, um so ohne bürokratische Hürden e<strong>in</strong>en etwas<br />

höheren Betrag an den Künstler überweisen zu können. Das Bild h<strong>in</strong>g bis 1994 <strong>in</strong> der<br />

Kaffeestube des Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft. Als das Institutsgebäude dann grundhaft<br />

saniert wurde, musste die Fechter<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Magaz<strong>in</strong>. Aus der ehemaligen Kaffestube wurde e<strong>in</strong><br />

Sem<strong>in</strong>arraum und so war nach Wiedereröffnung ke<strong>in</strong> Platz mehr <strong>in</strong> der <strong>Sport</strong>wissenschaft.<br />

Mit dem Neubau der USV-<strong>Sport</strong>halle bot sich die Chance, das Geschäftszimmer des USV mit<br />

der Fechter<strong>in</strong> zu zieren.<br />

Der Kustos der Gemäldesammlung Dr. Michael Platen (rechts) und der Geschäftsführer der<br />

USV-<strong>Sport</strong>halle beim Aufhängen der Fechter<strong>in</strong>.<br />

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