historische wege willisau – eine stadt im ost-west-verkehr
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MARTINO FROELICHER<br />
HISTORISCHE WEGE<br />
WILLISAU <strong>–</strong> EINE STADT IM OST-WEST-VERKEHR
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Willisau, ein Etappenort <strong>im</strong> Ost-West-Verkehr 5<br />
Die alte Landstrasse nach Bern, <strong>eine</strong> Fern<strong>verkehr</strong>sstrasse 7<br />
Willisau versucht, am Ost-West-Verkehr zu bleiben 13<br />
Eine kurze Geschichte des Luzerner Strassennetzes 17<br />
Das Landstrassennetz 17<br />
Der erste grosse Umbruch: Die Chaussee 18<br />
Der zweite grosse Umbruch: Die Kunststrasse des 19. Jh. 19<br />
Bedeutung der Brücken 21<br />
Sakrale Wegbegleiter 21<br />
Transport und Transportmittel 23<br />
Gerichtsbarkeit an der Landstrasse 23<br />
Zollwesen 24<br />
Anton Weingartner 25<br />
Kunststrassenbau 25<br />
Neuer Trend <strong>–</strong> Der Langsam<strong>verkehr</strong> 27<br />
ViaJacobi, der Jakobsweg, in Willisau 28<br />
Potenzial des neu entstehenden Langsam<strong>verkehr</strong>snetzes 28<br />
Bild Umschlag: Plan der Luzerner Landstrassen von Joseph Hess, Obrigkeitlicher Landvermesser, entstanden 1760/61. Der Plan zeigt das<br />
Landstrassennetz des Standes Luzern vor dem Bau der neuen Kantonsstrassen <strong>im</strong> 19. Jh. Die Ost-West-Verbindung von Luzern nach Bern<br />
verläuft mitten durch das Städtchen Willisau <strong>–</strong> mit ein Grund, weshalb der <strong>historische</strong> Stadtgrundriss von Willisau in Ost-West-Richtung<br />
verläuft. Trotz viermaliger Zerstörung blieb Willisau auf die Ost-West-Achse der alten Landstrasse nach Bern ausgerichtet.
VORWORT<br />
Die Stadtmühle Willisau zeigte in ihren Räumlichkeiten zusammen mit ViaStoria <strong>–</strong> Zentrum für Verkehrsgeschichte<br />
(Bern) von Mai bis September 2010 <strong>eine</strong> Ausstellung über <strong>historische</strong> Wege. Grundlage dafür<br />
war das 2003 abgeschlossene Inventar <strong>historische</strong>r Verkehrs<strong>wege</strong> der Schweiz (IVS). Thema waren die<br />
Geschichte der <strong>historische</strong>n Verkehrs<strong>wege</strong>, ihre Verläufe, ihre Bedeutung und ihre Bauart, gezeigt anhand<br />
von Beispielen aus der Region. Die Ausstellung stellte mit Texten, Bildern, Objekten, Ton- und Filmbeispielen<br />
die touristische Umsetzung der wissenschaftlichen Grundlagen über das Tourismusprogramm Kultur<strong>wege</strong><br />
Schweiz von ViaStoria vor und öffnete ein Fenster auf verschiedene Themen wie Willisaus Lage an<br />
der alten Landstrasse nach Bern, den Bau der Kantonsstrassen <strong>im</strong> 19. Jahrhundert und die Sanierungen<br />
von <strong>historische</strong>n Verkehrs<strong>wege</strong>n für neue Nutzungen heute. Zwei Exkursionen von Werthenstein nach<br />
Willisau und von Willisau nach Huttwil gaben unter anderem Aufschluss darüber, weshalb Willisau Etappe<br />
der ViaJacobi, des Jakobs<strong>wege</strong>s durch die Schweiz, wurde.<br />
Die vorliegende Broschüre gibt einige Aspekte der Ausstellung streiflichtartig wieder. Sie geht in <strong>eine</strong>m<br />
ersten Teil auf die spezifische Situation von Willisau ein, wie das Städtchen ein Etappenort an <strong>eine</strong>r Fernstrasse<br />
wurde und wie es diese Funktion wieder verlor. Ein zweiter Teil gibt <strong>eine</strong>n Einblick in die Strassenbaugeschichte<br />
des Kantons Luzern, und am Schluss steht ein Ausblick über die Neuentdeckung des<br />
Langsam<strong>verkehr</strong>s. Für vertiefende Informationen wird auf die Weblinks am Schluss dieser Publikation<br />
verwiesen.<br />
Stefan Zollinger, Leiter Stadtmühle Willisau<br />
3
4<br />
1<br />
1 Rekonstruktion des Stadtgrundrisses von Willisau um 1100. Die Siedlung war von Beginn an<br />
in Ost-West-Richtung angelegt, auch <strong>wege</strong>n der Verkehrsachse.<br />
2 Rekonstruktion der mittelalterlichen Stadtanlage, 14. / 15. Jahrhundert. Von Nord<strong>ost</strong>en gesehen.<br />
3 Rekonstruktion der Stadtanlage, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Von Nord<strong>ost</strong>en gesehen.<br />
Abbildungen: CAS, Chappuis Aregger Solèr, Willisau, Reto Kreienbühl<br />
2 3
WILLISAU, EIN ETAPPENORT IM OST-WEST-VERKEHR<br />
Wären Sie ein Erzbischof <strong>im</strong> Hochmittelalter (1000 <strong>–</strong> 1200), <strong>eine</strong> Pilgerin <strong>im</strong> Spätmittelalter (1200 <strong>–</strong> 1500)<br />
oder ein Handelsreisender in der frühen Neuzeit (1500 <strong>–</strong> 1800) und hätten den Weg zwischen Luzern und<br />
Bern und in die Westschweiz anzutreten, so würden Sie wie damals üblich über Werthenstein und Geiss<br />
oder aber über Ruswil nach Willisau gelangen. Willisau ist so ausgerichtet, wie es auch der das Städtchen<br />
durchquerende alte Verkehrsweg, die alte Landstrasse nach Bern, ist: in Ost-West-Richtung. Zwischen<br />
Unter- und Obertor führte die Strasse des Fern<strong>verkehr</strong>s über Huttwil und Burgdorf Richtung Westen<br />
weiter. Das mag aus heutiger Sicht sehr überraschen, doch sind die heute gängigen Verbindungs<strong>wege</strong><br />
via Entlebuch oder über Sursee <strong>–</strong> Zofingen als Verbindungen Richtung Bern wesentlich jünger. Es waren<br />
nicht ausschliesslich topografische Gründe, die günstige Geländekammerung zwischen Schlossrain und<br />
Gütsch, die Möglichkeiten zur Nutzung naher Wasserquellen und der Wasserkraft, die zur Stadtgründung<br />
und zur nachfolgenden Stadtentwicklung von Willisau führten. Aus <strong>verkehr</strong>sgeschichtlicher Sicht<br />
ist es denn auch nichts als folgerichtig, dass der Stadtgrundriss in Ost-West-Richtung zeigt, entlang der<br />
alten Land strasse zwischen Luzern und Bern. Es hätte auch anders kommen können. Wäre die Gegend<br />
von Willisau je für den Nord-Süd-Verkehr von Bedeutung gewesen, hätte sich die Stadt, vergleichbar mit<br />
anderen Luzerner Landstädten wie Sursee oder Sempach, von Norden nach Süden ausgedehnt und läge<br />
somit heute irgendwo zwischen Grund- und Widenmatt. Die Lage Willisaus ist enger mit der Geschichte<br />
dieses Verkehrs<strong>wege</strong>s verknüpft als gemeinhin angenommen.<br />
5
DIE ALTE LANDSTRASSE NACH BERN, EINE FERNVERKEHRSSTRASSE<br />
Die Linienführung von Ostergau über Olisrüti, Oberwil, Ufhusen und Schwärtschwänden nach Huttwil ist<br />
auf ihrer ganzen Länge anhand früher Erwähnungen in schriftlichen Quellen und kartografischen Darstellungen<br />
bis ins Mittelalter zurückdatierbar. Im 15. Jahrhundert ist die Linienführung ausgangs Willisau als<br />
Hochstrasse belegt. Anschliessend wird sie als Strasse oder Landstrasse in ihren regionalen Bezügen<br />
nach Huttwil und in ihrer überregionalen Ausrichtung nach Bern und nach Solothurn bezeichnet. Von den<br />
Strassenausbaubemühungen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht erfasst, sind in einigen Abschnitten<br />
Teilstücke der Altstrasse erhalten geblieben. Eine Reihe sakraler und profaner Wegbegleiter n<strong>im</strong>mt Bezug<br />
auf diese Wegachse.<br />
Die Gründung <strong>eine</strong>s Sondersiechenhauses ausserhalb von Willisau in der Senti kann als ein rückwirkendes<br />
Indiz auf <strong>eine</strong> <strong>im</strong> 14. Jahrhundert schon bestehende Verkehrsbedeutung der Strecke betrachtet werden.<br />
Dessen Bestand wird schon <strong>im</strong> 14. Jahrhundert vermutet, in Jahrzeitstiftungen wird es 1418 erwähnt.<br />
Erste schriftliche Quellen für die Linienführung liegen aus dem 15. Jahrhundert vor und weisen auf die zu<br />
diesem Zeitpunkt schon bestehenden überregionalen Verkehrsbezüge der Strecke hin. Ein luzernischer<br />
Ratsbeschluss aus dem Jahre 1455 belegt neben der Verbindung gleichzeitig auch deren überregionale<br />
Ausrichtung. In <strong>eine</strong>m rein lokalen Zollkonflikt zwischen Sempach und Rothenburg werden <strong>eine</strong>rseits zwei<br />
mögliche Strassen ausdrücklich bestätigt, die damals als die normalen Verbindungen von Luzern Richtung<br />
Westen galten, nämlich die Landstrasse über Werthenstein <strong>–</strong> Geiss und jene über Ruswil. Gleichzeitig<br />
erfolgt <strong>im</strong> Ratsbeschluss die interessante Aussage, dass «wenn ein Rothenburger in Willisau oder <strong>west</strong>lich<br />
Plan von 1778. Die alte Bernstrasse verlässt das Obere Stadttor von Willisau und führt über Sagen und Rothkäppeli (Bildstock, bis ins 15. Jh.<br />
belegbar) Richtung Huttwil, Bern und die Westschweiz. Die gelb eingetragene Strassenkorrektur wurde nicht gebaut. 7
davon, nämlich z.B. <strong>im</strong> Burgundischen oder <strong>im</strong> Bernbiet etwas kaufe, er <strong>eine</strong> der beiden Landstrassen<br />
nach Willisau wählen könne».<br />
Die alte Bernstrasse, die die bedeutenderen Städte des <strong>west</strong>lichen Mittellandes an der Ost-West-Transversale,<br />
Freiburg, Bern und Burgdorf, aber auch Solothurn, mit der Stadt Luzern verband, war allerdings <strong>eine</strong><br />
Fernstrasse und nicht <strong>eine</strong> eigentliche Handelsstrasse. Unter den Gütern des Zolls, den die Willisauer seit<br />
dem Spätmittelalter einziehen durften, sind zwar Güter des Fernhandels wie Wein, Reis, Tuch, Salz und<br />
als Kaufleute Welsche, Berner und Solothurner auszumachen. Abgaben für Pferde, Ochsen, Kühe und<br />
Stiere wurden erhoben, «so uss dem landt verkaufft wirdt». Zur Hauptsache wurden jedoch die landwirtschaftlichen<br />
Produkte des lokalen, regionalen und überregionalen Austauschs transportiert und nicht die<br />
Güter des «internationalen» Transits, die <strong>eine</strong> eigentliche Handelsstrasse ausmachen (vgl. Zölle in Rothenburg<br />
und Reiden).<br />
Die Reitdistanz zwischen Huttwil und Willisau lässt sich aus dem Reisebüchlein des Handelskaufmanns<br />
Andreas Ryff ermitteln: in den Jahren 1571 <strong>–</strong> 1597 ritt er jährlich von Solothurn nach Huttwil (5 Stunden),<br />
von Huttwil nach Willisau (2,5 Stunden) und von Willisau über Ruswil nach Luzern (6,5 Stunden).<br />
Plan von 1806. Der sehr schöne, schematische Grundriss zeigt Willisau als Etappe <strong>im</strong> Ost-West-Verkehr. Die alte Bernstrasse tritt <strong>im</strong> Osten<br />
durch das Untere Tor ins Stadtinnere und verlässt dieses am Oberen Tor und der Heiligblut-Kapelle.<br />
9
Die alte Landstrasse nach Bern, <strong>eine</strong> Fern<strong>verkehr</strong>sstrasse<br />
- ab 14. / 15. Jahrhundert belegte Hauptverbindung, die alte Landstrasse von Luzern über Geiss<br />
oder Ruswil nach Willisau, Bern, Solthurn und in die Westschweiz<br />
- Noch 1806 wollten Willisau und Ruswil diese Strassenlinie ausgebaut haben (statt der grünen)<br />
Zwischen 1770 und 1850 entstandene neue Kunststrassenlinie, die zum fortschreitenden Verlust an<br />
Bedeutung von Willisau <strong>im</strong> Ost-West-Verkehr führte<br />
Zwischen 1820 und 1842 entstandene neue Kunststrassenlinie zwischen Wolhusen und Gettnau.<br />
Willisau wird links liegengelassen, der grosse Rank be<strong>im</strong> Mohren entsteht.<br />
1890 <strong>–</strong> Topographischer Atlas der Schweiz (TA) 1890: 1:25‘000, Blatt 184 Willisau.<br />
11
WILLISAU VERSUCHT, AM OST-WEST-VERKEHR ZU BLEIBEN<br />
Als der Staat Luzern Mitte des 18. Jahrhunderts daranging, die Baselstrasse als wichtigste Verkehrs achse<br />
neu als ingenieurmässig angelegte Chaussee zu projektieren und sie 1758 <strong>–</strong> 1761 baute, wurde dies von<br />
den Willisauern vorerst begrüsst. Doch 40 Jahre später änderten diese ihre Haltung, als sich auch der<br />
Ausbau der Strecke Ettiswil <strong>–</strong> Gettnau abzeichnete und sie damit ins Abseits zu geraten drohten. Vertreter<br />
der Gemeinde Willisau und des Fleckens Ruswil gelangten in der Folge mit <strong>eine</strong>r Bittschrift und Plänen<br />
an den Regierungsrat: Ihr Begehren war, die alte Bernstrasse über Olisrüti <strong>–</strong> Ufhusen anstelle der Talstrasse<br />
über Ettiswil <strong>–</strong> Gettnau <strong>–</strong> Zell auszubauen. Einerseits verweist diese Bittschrift, 1806 als Druckschrift<br />
herausgegeben, auf die grosse Bedeutung der Ost-West-Verbindung nach Bern, auf alle «Handelsleute<br />
und Fabrikanten, die stark zunähmen und gar mit Italien Handel betrieben», und andererseits führt sie vor,<br />
wie nach dem Ausbau der Strasse über Ettiswil jene Handelsleute für Reisen und Transporte nach Lenzburg<br />
ausweichen und von dort für den Gotthardhandel die Strasse von Zürich durch den Kanton Schwyz<br />
benutzen würden oder sich sogar völlig neu orientierten und ihren Weg über den S<strong>im</strong>plon oder den Mont<br />
Cenis nach Italien nähmen.<br />
Die Linienführung über Ettiswil, Gettnau und Zell entstand zwischen Ende der 1770er Jahre und 1850<br />
als Kunststrasse, allerdings in <strong>eine</strong>m länger dauernden Prozess. Über weite Teile wurde die bestehende<br />
Strasse ausgebaut, einige Teilstücke sind bewusste Neuanlagen. Der Ausbau geschah nicht zielstrebig.<br />
Noch <strong>im</strong> Jahre 1840 wurde über die Strasse geklagt, man warte schon seit Jahren auf die Korrektur <strong>eine</strong>r<br />
«... der bedeutendsten und am meisten frequentierten Strassen des Kantons; sie verbindet den grössten<br />
Plan von 1835. Da Willisau endgültig nicht mehr Etappenort <strong>im</strong> Ost-West-Verkehr ist, wird der Verkehr direkt an Willisaus Stadttor vorbeigeleitet.<br />
Der Plan der neuen Kunststrasse von Wolhusen nach Gettnau zeigt die Strassenkorrektur zwischen Mohren und Unterem Stadttor,<br />
die auch heute noch besteht. 13
14<br />
1<br />
2 3<br />
Theil desselben mit dem Kanton Bern, und wird täglich von dem P<strong>ost</strong>wagen befahren, der Reisende,<br />
Valoren und Correspondenzen von Luzern nach Bern und umgekehrt bringt».<br />
Im Nachhinein kann man sagen, dass der Verlust an Bedeutung von Willisau als Etappenort <strong>im</strong> Ost-West-<br />
Verkehr mit dem Bau der neuen Baselstrasse ab den 1760er Jahren einsetzte. Als der Versuch von 1806,<br />
den Luzernern den Ausbau der alten Bernstrasse als wesentlich kürzere Kunststrasse schmackhaft zu<br />
machen, fehlschlug, war der Prozess irreversibel abgeschlossen und Willisau kein Etappenort <strong>im</strong> Ost-<br />
West-Verkehr mehr.<br />
Ob Fluch oder Segen für Willisau und dessen Bevölkerung: Fahren Sie heute motorisiert als Geschäftsfrau,<br />
Freizeitsportler oder Lastwagenfahrerin von Luzern nach Bern und in die Westschweiz, so stehen<br />
Ihnen die Autobahn durchs Mittelland oder die Strasse durch das Entlebuch offen. Willisau bleibt links<br />
oder rechts liegen.
4 5 6<br />
1 Die alte Landstrasse von Luzern nach Bern und Solothurn als Hohlweg <strong>im</strong> Abstieg von Oberwil an die Luthern. In schriftlichen Quellen wird<br />
diese Passage noch <strong>im</strong> Jahre 1860 <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>eine</strong>m Unglücksfall als lokale «Karren Strass» aktenkundig.<br />
2 Die alte Willisauer Landstrasse, oberhalb von Blochwil. Auf dieser für alle Nutzer «offenen Strasse» des Spätmittelalters und der frühen<br />
Neuzeit wurden die landwirtschaftlichen Güter des lokalen, regionalen und überregionalen Austauschs transportiert und nicht die Güter<br />
des internationalen Transits. Heute wird sie als ViaJacobi für Wandernde neu genutzt.<br />
3 Die alte Willisauer Landstrasse bei der Landgerichtskapelle Buholz. Von den Strassenaubaubemühungen des 19. und 20. Jahrhunderts<br />
nicht erfasst, bilden Weg und Sakralbau nach wie vor <strong>eine</strong> Einheit.<br />
4 Eine markante Eichenreihe zeichnet den Verlauf der alten Landstrasse Luzern <strong>–</strong> Bern zwischen Studenweid und Schwand nördlich von<br />
Menznau nach. Als Fussweg (ViaJacobi) ist der Weg reaktiviert worden.<br />
5 Während das jüngere, 1808/09 erbaute Zollhaus <strong>im</strong> Sonderbundskrieg von 1847 zerstört wurde, steht das ältere, an der alten Bernstrasse<br />
errichtete ehemalige Zollhaus von Ufhusen nach wie vor.<br />
6 Die alte Bernstrasse in ihrer Fortsetzung durch die «Leuenhohle» nach Burgdorf. Der Hohlweg ist <strong>im</strong> anstehenden Sandstein künstlich<br />
erweitert.<br />
15
EINE KURZE GESCHICHTE DES LUZERNER STRASSENNETZES<br />
Das heutige Strassennetz des Kantons Luzern ist historisch entstanden und wurde <strong>–</strong> grob gesagt <strong>–</strong> in drei<br />
Etappen erstellt. Im Netz der alten Landstrassen (ca. 1500 <strong>–</strong> 1818) war Willisau ein zentraler Knotenpunkt.<br />
Sowohl das Netz der Kunststrassen (ca. 1750 <strong>–</strong> 1860), weitgehend identisch mit dem der heutigen Kantonsstrassen,<br />
aber auch das der Nationalstrassen, der Autobahnen (1960 <strong>–</strong> 1980) liess Willisau links liegen.<br />
Als vierte Etappe entsteht aktuell ein Netz für den Langsam<strong>verkehr</strong>, und da hat Willisau <strong>eine</strong> gute Position.<br />
DAS LANDSTRASSENNETZ<br />
Die Luzerner Herrschaft definierte <strong>im</strong> Mittelalter ein Netz von Landstrassen, und so stand gegen Ende des<br />
Spätmittelalters (um 1500) in unserem Gebiet das Verkehrsnetz fest. Es blieb <strong>im</strong> Wesentlichen bis zu den<br />
grossen Umbrüchen <strong>im</strong> 18. und 19. Jahrhundert, in s<strong>eine</strong>n Linienführungen sogar noch länger bestehen.<br />
Die grösste Beschleunigung erfuhr dieser Wandel in der Zeit zwischen 1350 und 1415, <strong>im</strong> Rahmen der<br />
erfolgreichen Luzerner Bestrebungen, die territoriale Herrschaft über die Landschaft zu erringen. Das<br />
Hauptanliegen der Stadt Luzern war dabei die gesicherte Versorgung des Luzerner Marktes, vor allem<br />
des Getreidemarktes. Dies gelang bis Mitte des 15. Jahrhunderts über das Gebiet des heutigen Kantons<br />
hinaus. Verkehrsgeschichtlich besonders wichtig und von grossem Einfluss auf die Linienführungen war<br />
die Initiative Luzerns, mit neuen Brücken die Verkehrs<strong>wege</strong> aus dem neu gewonnenen Territorium besser<br />
auf Luzern zu beziehen. Das ganze Verkehrssystem wurde langsam umgebaut und auf das aufstrebende<br />
Zentrum Luzern hin ausgerichtet. Die teilweise schon bestehenden Wegverläufe wurden, eher in <strong>eine</strong>r<br />
Funktion als Fern<strong>verkehr</strong>sstrasse denn als eigentliche «internationale» Handelsstrasse, aufgewertet und<br />
«Altishoffer Kilchwäg» mit Wegkapelle Äsch. Der erste Teil der Verbindung von Altishofen über Äsch nach Ebersecken wird vom 16. Jh. an<br />
als solcher belegt. Die daran gelegene Wegkapelle («Chäppali Warlosen») ist in ihrer heutigen Ausführung 1822 erbaut und 1983 restauriert<br />
worden. 17
18<br />
zu «offenen Landstrassen» erklärt. Herzstück des Verkehrssystems bildeten in der Folge die sogenannten<br />
Landstrassen von Luzern hinaus in dessen Herrschaftsgebiet und in die entfernteren Regionen. Viele<br />
Land strassenlinien leben heute in Form von Hohl<strong>wege</strong>n, unscheinbaren Feld<strong>wege</strong>n mit Heckenverläufen,<br />
Schotterstrassen sowie ihren Brücken in der heutigen Wege- und Strassenlandschaft weiter.<br />
DER ERSTE GROSSE UMBRUCH: DIE CHAUSSEE<br />
In den Jahren 1758 <strong>–</strong> 1761 ging der Staat Luzern daran, die wichtigste Strasse s<strong>eine</strong>s Gebietes intensiv zu<br />
verbessern: Die alte Landstrassenlinie der Baselstrasse über Rothenburg und Sempach nach Zofingen<br />
wurde durch <strong>eine</strong> Neuanlage ersetzt. Diese neue Baselstrasse wurde über weite Teile neu projektiert und<br />
führte nun linksseitig dem Sempachersee entlang. Erstmals wurde <strong>eine</strong> Strasse grundlegend von Luzern<br />
bis an die Kantonsgrenze vor Zofingen ingenieurmässig geplant und mit <strong>eine</strong>m soliden Strassenkörper<br />
versehen. Die bauliche Konstruktion sah die Errichtung von Dammanlagen, die Anlage <strong>eine</strong>s Steinbettes,<br />
die Verfüllung mit gegen oben f<strong>eine</strong>r werdendem Schotter, die Verdichtung des Strassenmaterials und den<br />
Auftrag von Kies zu <strong>eine</strong>r gewölbten Fahrbahn von sieben Metern Breite mit seitlichen Entwässerungsgräben<br />
vor. Für den Bau der Chaussee waren die frondienstleistenden Gemeinden aus dem ganzen Kanton<br />
mit bis zu 8000 Menschen <strong>im</strong> Einsatz. Beinahe 6000 Zugtiere wurden für die Erdarbeiten, Steinlieferungen<br />
Querschnitt durch die Chaussee nach den damaligen Bauprinzipien in Pierre-Maire Trésaguets 1775 publiziertem Strassenbau-Lehrbuch.<br />
Steinbett, gegen oben f<strong>eine</strong>r werdender Kies und die leichte Wölbung geben dem Strassenkörper die grössere Festigkeit.
und Kiesfuhren rekrutiert. Mit dem Bau dieser Chaussee verlor nicht nur die Stadt Willisau zunehmend<br />
ihre seit dem Mittelalter bestehende Bedeutung <strong>im</strong> Ost-West-Fern<strong>verkehr</strong>, sondern beispielsweise auch<br />
Sempach wurde von der Hauptstrasse abgeschnitten. Die alte Landstrasse von Luzern nach Bern und in<br />
die Westschweiz wurde durch die distanzmässig längere, jedoch ungleich praktikablere, neuartige Chaussee<br />
über Zofingen kontinuierlich abgelöst. Teile der Chaussee werden heute noch befahren, andere sind<br />
als Relikte erhalten geblieben.<br />
DER ZWEITE GROSSE UMBRUCH: DIE KUNSTSTRASSE DES 19. JH.<br />
Angesichts des lamentablen Zustandes des bestehenden Landstrassennetzes, der wenig Wirkung<br />
erzielenden Strassenverordnungen und des gestiegenen Transport- und Verkehrsaufkommens wurde<br />
der Kunststrassenbau zu <strong>eine</strong>r zentralen Aufgabe der Staatsverwaltung erklärt. Nach dem Vorbild der<br />
Chausseen wurden zunächst die alten Landstrassen als Kunststrassen neu gebaut. In den 1820er Jahren<br />
konzipiert und zum Teil schon geplant, wurden sie <strong>im</strong> Wesentlichen zwischen 1818 und 1860 angelegt.<br />
Die Kunststrassen ersetzten die alten kurvenreichen Landstrassen, was sehr deutlich in den jeweiligen<br />
Strassenplänen zu sehen ist. Nach <strong>eine</strong>r Projektierung der ganzen Wegführung, bei der neu auch die<br />
Gemeinden und die Anstösser Einfluss geltend zu machen versuchten, wurde <strong>eine</strong> möglichst gerade Anlage<br />
mit geringen Steigungen gebaut. Für die Kunststrassen wurden Senken aufgefüllt und Geländekanten<br />
durchschnitten. Durch sumpfige Ebenen oder um Steigungsverluste auszugleichen, wurden aufwändige<br />
Dammanlagen gebaut. Ein weiteres Gestaltungsideal spiegelt sich in der Anlage strassenbegrenzender<br />
und böschungsstabilisierender Alleen wieder. Die Kunststrassen entsprechen in ihren Linienführungen unseren<br />
heutigen Kantonsstrassen. Sowohl bauliche Substanz als auch Brücken jener Zeit sind heute noch<br />
vorzufinden.<br />
19
BEDEUTUNG DER BRÜCKEN<br />
Besonders wichtig und von grossem Einfluss auf die Linienführungen der alten Landstrassen war die<br />
Initiative Luzerns, die Verkehrs<strong>wege</strong> aus dem neu gewonnenen Territorium mit Brücken besser auf Luzern<br />
zu beziehen. 1412 wurde die Emmenbrücke <strong>im</strong> Norden der Stadt neu gebaut. 1418 wurde der eingebrochene<br />
Steg bei Rothenburg durch <strong>eine</strong>n Neubau ersetzt. Es folgte 1428 der Bau der Wandelenbrücke bei<br />
Langnau (vor Werthenstein), die dem Ost-West-Verkehr über Willisau Richtung Bern diente. Und wenige<br />
Jahre später wurde die Gisiker Brücke erbaut, die den Verkehr aus dem Freiamt erleichterte, um nur einige<br />
Beispiele zu erwähnen.<br />
Neben diesen Holzbrücken, die auf Steinpfeilern standen, wurden auch mehrere Steinbogenbrücken<br />
errichtet, die ihres Aussehens <strong>wege</strong>n fälschlicherweise heute oft als «Römerbrücken» bezeichnet werden.<br />
SAKRALE WEGBEGLEITER<br />
Nachweise über Wegkreuze, Bildstöcke und Wegkapellen an den Strassen und Wegen finden sich vom<br />
13. Jahrhundert an. Diese wurden aus unterschiedlichen Gründen errichtet: zur Bezeichnung des Rechtsbezirkes<br />
(Stadtbann), aufgrund von Gelöbnissen, zur Orientierung, zur Stabilisierung des Glaubens in der<br />
Gegenreformation. Im ehemaligen Herrschaftsgebiet von Luzern sind heute noch über tausendeinhundert<br />
Wegbegleiter vorzufinden, die vielfach auf die alten Strassen und Wege des Spätmittelalters und der frühen<br />
Neuzeit Bezug nahmen und jetzt an unscheinbaren Feld- und Flur<strong>wege</strong>n stehen.<br />
Plan von 1828, verfasst von Anton Weingartner. Während die alte Landstrasse durch das Entlebuch in Ebnet noch unter der Bühneneinfahrt<br />
des Gehöftes durchführte, durchmass die 1830er Kunststrasse in direkter Linie das Gelände.<br />
21
TRANSPORT UND TRANSPORTMITTEL<br />
Um 1500 waren die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer Fussträgerinnen und Fussträger, Reiterinnen<br />
und Reiter, Saumpferde, Wagen, Karren.<br />
Was selber laufen konnte, wurde getrieben. So wurde die «fette Ware» (das Schlachtvieh) lebendig «usserts<br />
land» geführt, was den viel schwierigeren Transport vermeiden liess. Auf dem Rückweg wurde Ware eingeführt.<br />
Kleinhändler, mehr schlecht als recht geduldet, versuchten ihr Glück. Grempler transportierten zu<br />
Fuss ihre kargen Überschüsse, auf dem Rücken tragend, zum nächsten Marktort. Deichselgespanne mit<br />
zwei Pferden nebeneinander, Kutschen, Chaisen, Wagen wurden erst um 1800 mit den breiteren Strassen<br />
populär.<br />
GERICHTSBARKEIT AN DER LANDSTRASSE<br />
Das weithin sichtbare Galgendreieck stand in erster Linie als ein Mahnmahl für die zu erwartenden Strafen<br />
für Rechtsbrecher und für die uneingeschränkte Rechtsgewalt der Obrigkeit. Die Körper der gehängten,<br />
enthaupteten, geräderten oder erwürgten Frauen, Männer und Kinder wurden an den Landstrassen, «zum<br />
raub der vöglen und abschreckung und forcht der bosen Leuthen», hängen gelassen.<br />
So liess beispielsweise <strong>–</strong> nach der Niederlage der Untertanen <strong>im</strong> Aufstand der Bauern gegen ihre Herren<br />
<strong>im</strong> Bauernkrieg von 1653 <strong>–</strong> die obrigkeitliche Strafjustiz den Rebellen Uoli Dahinden vierteilen und «henkten<br />
ihn an die strass»: Je ein Viertel des hingerichteten Dahinden wurde in Buholz, Willisau, Rothenburg<br />
und Schüpfhe<strong>im</strong> an die an den Landstrassen stehenden Galgen aufgespiesst.<br />
Plan von 1842, verfasst von Anton Weingartner. Die alte Landstrasse über Gettnau <strong>–</strong> Zell und die Kunststrasse des 19. Jahrhunderts.<br />
Interessant am Plan des Strasseninspektors ist der gleichzeitige Beleg <strong>eine</strong>s sakralen Wegbegleiters (Wegkreuz) an der Altstrasse und<br />
<strong>eine</strong>s rein funktionalen Wegbegleiters (Stundenstein) an der Kunststrasse. 23
24<br />
ZOLLWESEN<br />
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm der Verkehr merklich zu. Immer mehr Kaufleute führten ihre<br />
Waren über das Untertanengebiet. Wurde die Ware bis anhin <strong>im</strong> Landesinnern bei den Stadttoren oder<br />
bei den Brücken vom Zoll erfasst, ging die Obrigkeit jetzt dazu über, Zollstätten an den Kantonsgrenzen<br />
zu errichten. Die Kaufleute versuchten, diese Eingangspforten durch Ausweichen auf andere Verkehrs<strong>wege</strong><br />
zu umgehen. Es wurden neue Grenzzollstätten nötig. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte<br />
Luzern volle sechsunddreissig Zollstellen. An der bernisch-luzernischen Grenze wurden beispielsweise<br />
Zölle erhoben in St. Urban, Ludligen, Altbüron, Grossdietwil, Hüswil, Ufhusen, Luthern und in Wissenbach,<br />
in Langenthal, Huttwil, Roggwil, Melchnau, Rohrbach, Madiswil, Trubschachen/Kröschenbrunnen und in<br />
Schangnau. Der neue Bundesstaat machte dem mühseligen Zollwesen ein Ende: Die Bundesverfassung<br />
von 1848 setzte die Aufhebung der Binnenzölle fest. Einige ehemalige Zollgebäude an der luzernischen<br />
Grenze stehen heute noch.<br />
Eine damalige Grenzzollstätte kann man sich folgendermassen vorstellen: Ein Tableau am Zollhaus mit<br />
der Aufschrift des Zollbureaus zeigt den fremden Fuhrleuten an, dass sich hier ein Grenzzoll befindet. Ein<br />
Schlagbaum versperrt den Durchlass. Eine Zolltafel führt die wichtigsten Zolltarife auf. Die Zollabgaben<br />
schliesslich gelangen in den Zollstock, der nur unter Aufsicht <strong>eine</strong>r Amtsperson geleert und eingezogen<br />
wird.<br />
Anton Weingartner, 1819, Depositum Kunstgesellschaft. Einziges bekanntes Portrait des Feldvermessers, Strasseninspektors und ersten<br />
Kantonsingenieurs Anton Weingartner. Er war Mitbegründer der Luzerner Kunstgesellschaft und leitete den gesamten Umbau des luzernischen<br />
Strassen- und Wasserbaus <strong>im</strong> 19. Jahrhundert.
ANTON WEINGARTNER<br />
Für den Strassen- und Flussbau lag die umfassende Leitung der Umgestaltung in<br />
den Händen <strong>eine</strong>r einzigen Person: des Feldvermessers, Strasseninspektors und<br />
ersten Luzerner Kantonsingenieurs Anton Weingartner (1786 <strong>–</strong> 1871). Zwischen<br />
1818 und 1860 projektierte er praktisch das gesamte übergeordnete luzernische<br />
Strassennetz, wie es in s<strong>eine</strong>n Grundzügen heute noch besteht. Darunter fallen<br />
neben sämtlichen Kantonsstrassen auch <strong>eine</strong> Vielzahl weiterer Strassen, die in<br />
ihren Linienführungen noch heute dem Verkehr dienen. Die neuen Strassenlinien<br />
wurden von Anton Weingartner in grossformatigen Strassenplänen festgehalten,<br />
die als Referenz stets auch die alten Landstrassenverläufe wiedergaben. Kleinste<br />
Details wie Wegkreuze, Stundenst<strong>eine</strong>, aber auch Zollhäuser, Wirtschaften und Brücken wurden von ihm<br />
kartografisch festgehalten.<br />
KUNSTSTRASSENBAU<br />
Der Kunststrassenbau übernahm die Techniken des Chausseenbaus in <strong>eine</strong>r leicht vereinfachten Form,<br />
die sich jedoch besser in die Praxis umsetzen liess. Zuunterst wurden St<strong>eine</strong> solid verankert und der<br />
Höhe nach gestellt. Die an den oberen Enden entstandenen Zwischenräume wurden mit zertrümmerten,<br />
kl<strong>eine</strong>ren St<strong>eine</strong>n aufgefüllt. Dieser Strassenkörper wurde anschliessend mit <strong>eine</strong>m schweren Rammholz<br />
kompakt verdichtet, sodass auf diese Unterlage <strong>eine</strong> dicke Schicht gegen oben <strong>im</strong>mer f<strong>eine</strong>r werdendes<br />
Kies aufgetragen werden konnte. Laut Strassengesetz von 1832 mussten die Kantonsstrassen zweiter<br />
Klasse 6 bis 7 Meter Breite erreichen und <strong>eine</strong>n separaten Fussweg aufweisen.<br />
25
NEUER TREND <strong>–</strong> DER LANGSAMVERKEHR<br />
Die vielfältige Kulturlandschaft des Landes ist ein starker Trumpf für den Schweizer Tourismus. Immer<br />
mehr Feriengäste aus dem In- und Ausland entdecken die Vorzüge von aktiven, naturnahen Ferien in der<br />
historisch, kulturell und landschaftlich reichhaltigen Schweiz. Das Programm Kultur<strong>wege</strong> Schweiz eröffnet<br />
neue Möglichkeiten für <strong>eine</strong> nachhaltige und für alle Beteiligten vorteilhafte Nutzung dieses Potenzials.<br />
Es verfolgt vier Ziele: Es nutzt erstens die wissenschaftliche Grundlage des Bundesinventars <strong>historische</strong>r<br />
Verkehrs<strong>wege</strong> der Schweiz (IVS) zur Gestaltung neuer naturnaher Tourismusangebote. Zweitens bietet es<br />
ein neues Ferienerlebnis: sorglos wandern auf <strong>historische</strong>n Routen, gut essen und trinken, stilvoll übernachten<br />
und dabei die Schönheiten der Schweiz mit allen Sinnen erleben.<br />
Drittens vernetzt es regionale und lokale Tourismusinitiativen mit Angeboten von regionalen Produkten der<br />
Landwirtschaft und sorgt für <strong>eine</strong> höhere Wertschöpfung in den Regionen.<br />
Und viertens leistet es <strong>eine</strong>n wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Kulturlandschaft und<br />
trägt zur Erhaltung und Pflege <strong>historische</strong>r Verkehrs<strong>wege</strong> bei.<br />
Die alte Willisauer Landstrasse in ihrem Verlauf als heutige ViaJacobi, oberhalb von Blochwil. 27
28<br />
VIAJACOBI, DER JAKOBSWEG, IN WILLISAU<br />
Als <strong>eine</strong> der ersten Routen des Programms wurde die schweizerische Linienführung des Jakobswegs als<br />
Fernwanderweg festgelegt. Die Pilgerfahrt an das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Comp<strong>ost</strong>ela<br />
(Nordspanien) ist <strong>eine</strong> der wichtigsten spirituellen Traditionen Europas. Als Teil des europäischen Jakobswegs<br />
führt die ViaJacobi dem Alpenfuss entlang vom Bodensee nach Genf <strong>–</strong> quer durch die Schweiz.<br />
Der hügelig-voralpin geprägte «Luzernerweg» der ViaJacobi führt von Luzern zum Kl<strong>ost</strong>er Werthenstein.<br />
Durch <strong>eine</strong> attraktive Sakrallandschaft mit Bildstöcken, Wegkapellen und Wegkreuzen gelangt man auf<br />
den reaktivierten Teil der alten Landstrasse bis Willisau, wo in der Heiligblutkapelle bildhaft dargestellt ist,<br />
mit welchen Risiken das Kartenspiel verbunden ist. Auf der alten Berner Landstrasse wandert man nach<br />
Burgdorf. Das Burgdorfer Ensemble mit Siechenkapelle und Siechenhaus ist in der Schweiz einzigartig.<br />
Weiter führt der Weg über Krauchthal ins Aaretal bei Muri und zum ehemaligen Kl<strong>ost</strong>er Rüeggisberg.<br />
Die ViaJacobi ist auch Teil von SchweizMobil, dem nationalen Netzwerk für nachhaltige Mobilität in Freizeit,<br />
Tourismus und Alltag. Sie ist durchgängig als Wanderland-Route 4 ausgeschildert.<br />
POTENZIAL DES NEU ENTSTEHENDEN LANGSAMVERKEHRSNETZES<br />
Mit den Programmen von Kultur<strong>wege</strong> Schweiz (Projekt ViaRegio) und SchweizMobil (realisiert: Herzroute)<br />
werden die Voraussetzungen für Willisau wieder günstig, sich <strong>eine</strong> gute Stellung <strong>im</strong> entstehenden Netz<br />
des Langsam<strong>verkehr</strong>s zu sichern. Dieses wird, als jüngstes Netz der verschiedenen Verkehrsnetze <strong>im</strong><br />
21. Jahrhundert, verfestigt und teilweise neu aufgebaut. Im Sinne des nachhaltigen Tourismus könnte sich<br />
Willisau <strong>eine</strong>n Teil s<strong>eine</strong>r verloren gegangenen Stellung <strong>im</strong> Ost-West-Verkehr wieder sichern und damit<br />
wieder an s<strong>eine</strong> Geschichte anknüpfen.
Die ViaJacobi, als Schweiz-europäische<br />
Kulturwegroute speziell signalisiert<br />
Halbplastik <strong>eine</strong>s Jakobs-Pilgers,<br />
entstanden um 1600,<br />
Historisches Museum Uri
30<br />
Von Mai bis September 2010 gab die Stadtmühle den <strong>historische</strong>n Wegen Gastrecht. Unter dem Titel<br />
«Historische Wege <strong>–</strong> Ein vergessenes Kulturgut stellt sich vor» wurde das Thema an Stellwänden und Exkursionen präsentiert.<br />
Nachweis Strassenpläne (Ausschnitte)<br />
Umschlag: Staatsarchiv (StALU), AKT 27/158C<br />
Seite 6: StALU, AKT 110/121<br />
Seite 8: StALU, PLA 6/9<br />
Seite 12: StALU, PL 3750<br />
Seite 20: StALU, PL 3704<br />
Seite 22: StALU, PL 3735
Die Stadtmühle Willisau ist ein Kulturhaus auf der Landschaft. Sie bietet ein breit angelegtes Kulturan-<br />
gebot für die Region an. Sie versteht sich als interdisziplinärer Denkort zum Thema «Kultur und regionale<br />
Identität». Zu diesem Themenkreis finden v.a. in den Bereichen visuelle Kunst und Zeitgeschichte / Regionalentwicklung<br />
regelmässig Veranstaltungen statt (Ausstellungen, Podien, Workshops etc.). Die Stadtmühle<br />
Willisau arbeitet dazu mit verschiedenen geeigneten Partnern zusammen.<br />
www.<strong>stadt</strong>muehle.ch<br />
ViaStoria: Die Fachorganisation ViaStoria, das Zentrum für Verkehrsgeschichte, setzt sich seit mehr als<br />
25 Jahren für die Erforschung, die Erhaltung und die sachgerechte Nutzung <strong>historische</strong>r Verkehrs<strong>wege</strong><br />
ein. Im Auftrag des Bundes hat die Organisation in den Jahren 1984 bis 2003 das Inventar <strong>historische</strong>r<br />
Verkehrs<strong>wege</strong> der Schweiz IVS erarbeitet. Forschung, Tourismus, Beratung und Information sind heute die<br />
vier wichtigsten Wirkungsbereiche von ViaStoria. Ausserdem erarbeitet ViaStoria begleitende Lehrmittel zu<br />
diesen Tätigkeitsfeldern und pflegt ein eigenes Exkursionsangebot. Im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten<br />
gibt ViaStoria verschiedene Publikationen heraus.<br />
www.viastoria.ch<br />
www.kultur<strong>wege</strong>-schweiz.ch<br />
www.ivs.admin.ch<br />
IMPRESSUM<br />
Autor: Martino Froelicher, wissenschaftlicher Mitarbeiter, ViaStoria <strong>–</strong> Zentrum für Verkehrsgeschichte · Fotos: ViaStoria<br />
Grafik: Thomas Küng, Luzern · Druck: SWS Medien AG Print, Willisau · Herausgeber / Copyright: © 2012 Stadtmühle Willisau 31
www.<strong>stadt</strong>muehle.ch www.viastoria.ch