01.12.2012 Aufrufe

Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

hinsichtlich der Aktivitäten. Die Reflexion<br />

wird allerorten diskreditiert. Mit Argu‐<br />

menten, die keine mehr sein können, weil sie<br />

sich in der Gesamtschau aufheben. Aber das<br />

stört die Fraktionen nicht. Man reklamiert<br />

Verletzlichkeit. Man schafft originelle Tabus.<br />

Man verausgabt sich, um ein neuartiges<br />

Konzept von Parasitentum zu rechtfertigen.<br />

Literatur ohne Einmischung?<br />

Die Literatur hat den Status erlangt,<br />

legitim verausgabt sein zu dürfen. Man er‐<br />

wartet bestenfalls Innovationen, aber keine<br />

Einmischung mehr. Die Literatur multi‐<br />

pliziert sich zu sehr. Dadurch wird sie par‐<br />

zellierbar, isolierbar, angreifbar, beherrsch‐<br />

bar. Und so ist sie in kommunikations‐<br />

technischer Hinsicht unter das Niveau<br />

schlecht beleumundeter Geheim‐Diplomatie<br />

geraten. Die Objekti‐vierarbeit von irgend‐<br />

etwas, geschweige denn von Aussagen,<br />

wurde wegrationalisiert. Als unmodern und<br />

unzweckmäβig er‐ klärt. Das Subjektive ist<br />

mit postmoderner Endgültigkeit zum<br />

alleinigen und unversöhnlichen Maßstab<br />

erkoren. Jeder sein eigener Kosmos. Bis zur<br />

Realitätsverleugnung. Verständigung ist<br />

plötzlich nur noch dadurch möglich, dass<br />

man alles gelten lässt. Die Beliebigkeit wird<br />

zur neuen Orthodoxie. Dennoch stellt sich<br />

kein Gefühl der Freiheit ein. Man ist mit<br />

kalkulierter Freizügigkeit zufrieden. Das<br />

gesellschaftliche Leben wird in seiner<br />

Relevanz minimalisiert. Zusammenkünfte<br />

haben längst nur noch rituellen Charakter.<br />

Die Literatur erhält dort, wo sie toleriert<br />

wird, Weihefunktion. Der Autor ist für eine<br />

Stunde Charismatiker, bis man ihn am<br />

Kneipentisch wieder auf seine Banalität<br />

zurückstuft. Notwehr und ihr Vorwurf sind<br />

somit programmiert. Womit wir, wie so<br />

häufig, bei der Frage nach Beschäftigung<br />

und Sinn derselben, beim Schriftsteller<br />

wären. Er kann observieren und bedauern,<br />

kommentieren und fordern, stänkern oder<br />

ESSAY<br />

IGdA‐aktuell, Heft 1 (2009), Seite 23<br />

belobigen. Jedenfalls ist der Schriftsteller<br />

immer ein Zuspätgekommener. Er kann<br />

noch so früh aufstehen – immer findet er<br />

schon Ergebnisse vor. Der Schriftsteller<br />

dringt nicht bis zu den Verantwortlichkeiten<br />

vor. Aus diesem Grund ist wohl die<br />

Sublimationshypothese bezüglich der<br />

schriftstellerischen Betätigung in die Welt<br />

gesetzt worden. Bösartige oder naiv‐<br />

wohlmeinende Kritiker mögen sie kon‐<br />

struiert haben. Als Alibi für sich selbst, um<br />

das Tun eines Schriftstellers auf die ganz<br />

banale Art erklären und gegebenenfalls be‐<br />

lächeln zu können.<br />

Sublimieren beim Schreiben?<br />

Der Schriftsteller, dem Sublimation unter‐<br />

stellt wird, befindet sich in der Situation des‐<br />

jenigen, der verhaltensauffällig wurde und<br />

dem man verspricht, dass er gleich auf<br />

schonende Weise abgeholt werde. Und man<br />

werde ihn irgendwo verwahren, wo er vor<br />

sich selbst in Sicherheit sei. Musste denn die<br />

Demütigung so weit gedeihen? Bis die<br />

Schriftsteller bemerkten, dass man sie in die<br />

Mitleids‐Oase abgeschoben hatte, war es<br />

schon sehr spät. Nun galt es wirksame, aber<br />

auch unverdächtige Strategien zu ent‐<br />

wickeln. Nichts ist schwieriger, als sich von<br />

den Vorwürfen anderer zu befreien, ohne<br />

sich neuerlich zu belasten. Es galt, etwas<br />

Prinzipielles klarzukriegen: Etwas Be‐<br />

greifenswertes begreifen und etwas, was<br />

einem die Neider des Begreifens und der<br />

jeweiligen Problematik missgönnen – das<br />

wäre sowohl Thema als auch Triumph. Zu<br />

begreifen gilt es, dass man Schriftsteller<br />

nicht aus einem Defekt heraus wird. Die<br />

Frage ist, ob es eine Prophylaxe gegen über‐<br />

flüssige Unterstellungen gibt, damit man als<br />

Schriftsteller seine eigentliche Arbeit tun<br />

könne. Schließlich wird man nicht Schrift‐<br />

steller, um sich dann zu rechtfertigen, dass<br />

man einer ist. Wobei diese Rechtfertigung<br />

keinerlei Schwierigkeiten bereiten würde.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!