Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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hinsichtlich der Aktivitäten. Die Reflexion<br />
wird allerorten diskreditiert. Mit Argu‐<br />
menten, die keine mehr sein können, weil sie<br />
sich in der Gesamtschau aufheben. Aber das<br />
stört die Fraktionen nicht. Man reklamiert<br />
Verletzlichkeit. Man schafft originelle Tabus.<br />
Man verausgabt sich, um ein neuartiges<br />
Konzept von Parasitentum zu rechtfertigen.<br />
Literatur ohne Einmischung?<br />
Die Literatur hat den Status erlangt,<br />
legitim verausgabt sein zu dürfen. Man er‐<br />
wartet bestenfalls Innovationen, aber keine<br />
Einmischung mehr. Die Literatur multi‐<br />
pliziert sich zu sehr. Dadurch wird sie par‐<br />
zellierbar, isolierbar, angreifbar, beherrsch‐<br />
bar. Und so ist sie in kommunikations‐<br />
technischer Hinsicht unter das Niveau<br />
schlecht beleumundeter Geheim‐Diplomatie<br />
geraten. Die Objekti‐vierarbeit von irgend‐<br />
etwas, geschweige denn von Aussagen,<br />
wurde wegrationalisiert. Als unmodern und<br />
unzweckmäβig er‐ klärt. Das Subjektive ist<br />
mit postmoderner Endgültigkeit zum<br />
alleinigen und unversöhnlichen Maßstab<br />
erkoren. Jeder sein eigener Kosmos. Bis zur<br />
Realitätsverleugnung. Verständigung ist<br />
plötzlich nur noch dadurch möglich, dass<br />
man alles gelten lässt. Die Beliebigkeit wird<br />
zur neuen Orthodoxie. Dennoch stellt sich<br />
kein Gefühl der Freiheit ein. Man ist mit<br />
kalkulierter Freizügigkeit zufrieden. Das<br />
gesellschaftliche Leben wird in seiner<br />
Relevanz minimalisiert. Zusammenkünfte<br />
haben längst nur noch rituellen Charakter.<br />
Die Literatur erhält dort, wo sie toleriert<br />
wird, Weihefunktion. Der Autor ist für eine<br />
Stunde Charismatiker, bis man ihn am<br />
Kneipentisch wieder auf seine Banalität<br />
zurückstuft. Notwehr und ihr Vorwurf sind<br />
somit programmiert. Womit wir, wie so<br />
häufig, bei der Frage nach Beschäftigung<br />
und Sinn derselben, beim Schriftsteller<br />
wären. Er kann observieren und bedauern,<br />
kommentieren und fordern, stänkern oder<br />
ESSAY<br />
IGdA‐aktuell, Heft 1 (2009), Seite 23<br />
belobigen. Jedenfalls ist der Schriftsteller<br />
immer ein Zuspätgekommener. Er kann<br />
noch so früh aufstehen – immer findet er<br />
schon Ergebnisse vor. Der Schriftsteller<br />
dringt nicht bis zu den Verantwortlichkeiten<br />
vor. Aus diesem Grund ist wohl die<br />
Sublimationshypothese bezüglich der<br />
schriftstellerischen Betätigung in die Welt<br />
gesetzt worden. Bösartige oder naiv‐<br />
wohlmeinende Kritiker mögen sie kon‐<br />
struiert haben. Als Alibi für sich selbst, um<br />
das Tun eines Schriftstellers auf die ganz<br />
banale Art erklären und gegebenenfalls be‐<br />
lächeln zu können.<br />
Sublimieren beim Schreiben?<br />
Der Schriftsteller, dem Sublimation unter‐<br />
stellt wird, befindet sich in der Situation des‐<br />
jenigen, der verhaltensauffällig wurde und<br />
dem man verspricht, dass er gleich auf<br />
schonende Weise abgeholt werde. Und man<br />
werde ihn irgendwo verwahren, wo er vor<br />
sich selbst in Sicherheit sei. Musste denn die<br />
Demütigung so weit gedeihen? Bis die<br />
Schriftsteller bemerkten, dass man sie in die<br />
Mitleids‐Oase abgeschoben hatte, war es<br />
schon sehr spät. Nun galt es wirksame, aber<br />
auch unverdächtige Strategien zu ent‐<br />
wickeln. Nichts ist schwieriger, als sich von<br />
den Vorwürfen anderer zu befreien, ohne<br />
sich neuerlich zu belasten. Es galt, etwas<br />
Prinzipielles klarzukriegen: Etwas Be‐<br />
greifenswertes begreifen und etwas, was<br />
einem die Neider des Begreifens und der<br />
jeweiligen Problematik missgönnen – das<br />
wäre sowohl Thema als auch Triumph. Zu<br />
begreifen gilt es, dass man Schriftsteller<br />
nicht aus einem Defekt heraus wird. Die<br />
Frage ist, ob es eine Prophylaxe gegen über‐<br />
flüssige Unterstellungen gibt, damit man als<br />
Schriftsteller seine eigentliche Arbeit tun<br />
könne. Schließlich wird man nicht Schrift‐<br />
steller, um sich dann zu rechtfertigen, dass<br />
man einer ist. Wobei diese Rechtfertigung<br />
keinerlei Schwierigkeiten bereiten würde.