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69/70 (2010/2011) - Recensio.net

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Rezensionen<br />

sogar wegen der „nationalen Erfüllung“ nach dem 1. Weltkrieg ein gefährliches nationales<br />

bzw. nationalistisches Vakuum, ein regelrechter Sog bildete, der schließlich eine der größten<br />

faschistischen Bewegungen Europas zeitigte (7−11). Bereits die Einführung, die letztendlich<br />

eine vorausgestellte Vig<strong>net</strong>te ist, zeigt, wo die Reise hingehen soll und was auf den restlichen<br />

knapp 350 Seiten erklärt werden muss. Sie beginnt mittendrin, als Antonescu 1941<br />

Sabin Manuilă ins damalige Hauptquartier der rumänischen Armee in Tighina beordert,<br />

um ihm seine Vision, sein „großes Ideal“ darzulegen: ein ethnisch gesäubertes Rumänien<br />

in den Grenzen von 1939, also vor den verschiedenen Gebietsabtretungen. Eine Vision,<br />

die getragen war vom Rausch der eigenen Macht und den militärischen Möglichkeiten<br />

einer siegreichen Armee an der Seite einer ebenfalls noch siegreichen deutschen Wehrmacht<br />

– gerade waren Bessarabien und die Bukowina zurückerobert worden. Manuilăs<br />

Memorandum zu diesem Gespräch zeigt dann den impliziten Größenwahn dieser „Vision“,<br />

der das „Loswerden“ von knapp dreieinhalb Millionen Menschen und die Einwanderung<br />

von anderthalb Millionen ethnischen Rumänen beinhaltete. „Loswerden“, denn es waren<br />

sowohl Bevölkerungsaustausche vorgesehen sowie „unilaterale Transfers“ von Menschen,<br />

die keine externe Schutznation hatten (also die Juden, Roma, u. U. auch die Gagausen).<br />

Diese euphemistische Missbildung gibt auf die direkteste Art und Weise dem Wahn der<br />

ethnischen Säuberung Ausdruck.<br />

Die Vorgeschichte und die Entwicklung dieses Wahns werden dann in den 18 Kapiteln<br />

des Buches nachvollzogen. Zwar steht dieser Aspekt im Mittelpunkt seiner Diskussionen,<br />

Solonari bietet aber streckenweise auch einfach eine gelungene politische Geschichte Rumäniens.<br />

Quasi im Vorübergehen diskutiert und entkräftet er den Mythos der jüdischen<br />

Übergriffe auf die rumänische Armee (162−164) und problematisiert die Rolle der ukrainischen<br />

Minderheit, die selbst teils zu Komplizen des Völkermords wurden, obwohl sie<br />

starker Diskriminierung ausgesetzt waren – man fühlt sich leicht an die Rolle der Kurden im<br />

Genozid an den Armeniern erinnert. Und ähnlich, wie dies auch Armin Heinen in seinem<br />

letzten Werk tut, nimmt er besonders Antonescus Rolle im Anschüren des Antisemitismus<br />

unter die Lupe und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Insbesondere mit Viorel Achim tritt<br />

er öfters in direkten akademischen Wettstreit und urteilt insgesamt immer vernichtender<br />

über die rumänische Rolle im Holocaust. Antonescu bewertet er so: Er habe die Verfolgung<br />

der Juden von der internationalen Situation und Stimmung abhängig gesehen und auf diese<br />

im Guten wie im Schlechten Rücksicht genommen. Der Autor betont hier auch, dass die<br />

rumänischen Offiziellen den deutschen Stellen zwar prinzipiell Bereitschaft signalisiert<br />

hatten, sich dem Wannsee-Programm zu unterwerfen, d. h. anfangs auch bereit waren, die<br />

Juden des Altreichs in die Vernichtungsaktionen mit einzubeziehen, doch dass eben die<br />

rumänische antijüdische Politik anderen Paradigmen unterworfen war als die deutsche.<br />

Zentral und besonders interessant sind die Diskussionen der Rolle der zivilen Eliten<br />

und besonders der Demographen wie Sabin Manuilă und Vasile Stoica. So stellen sich in<br />

Solonaris Abhandlung neben die mittlerweile schon in weiteren Kreisen diskutierten Pläne<br />

Manuilăs zahlreiche weitere und ähnliche Vorhaben. Neben den verschiedenen konkreten<br />

Plänen zur ethnischen Säuberung Rumäniens diskutiert Solonari breit deren Hintergründe,<br />

auch auf ideengeschichtlicher und institutionsgeschichtlicher Ebene. Er geht dabei auf die<br />

Entwicklung der Eugenik in Rumänien, die Vorstellungen, eine Modellprovinz in Transnis-<br />

Südost-Forschungen <strong>69</strong>/<strong>70</strong> (<strong>2010</strong>/<strong>2011</strong>) 627

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