Neues: Berliner Charity identifiziert Bakterien als ... - ORTHOpress
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naChGEFraGt ... BEI Sarah KUttnEr naChGEFraGt ... BEI Sarah KUttnEr<br />
natürlich von mir, bestimmte Sachen, die Karo gerne mag, mag<br />
ich auch ... Doch das große Ganze hat nicht viel mit mir zu tun.<br />
Sollte man „Mängelexemplar“ lesen, wenn man sich selbst in<br />
einer psychischen Krise befi ndet?<br />
Ich tue mich schwer damit, zu sagen, wer das Buch lesen sollte<br />
und wer nicht. Ich glaube, dass es auch für leute interessant<br />
ist, die vom thema keine ahnung haben. Es ist ja nicht nur ein<br />
Psychobuch, es ist auch lustig und traurig und ein bisschen eine<br />
liebesgeschichte. Klar kann ich mir vorstellen, dass leute, die<br />
schon mal eine psychische Krise hatten, es besonders interessant<br />
fi nden, weil sie darin ihre Gefühle widergespiegelt sehen. Die<br />
Frage ist, ob man das unmittelbar in so einer Situation lesen<br />
möchte? Ich weiß es nicht. Vielleicht schon, weil ich ja auch anstöße<br />
gebe, wie man mit der Situation umgehen kann.<br />
Sie sagten, dass viele Leute in Ihrem Umfeld schon solche<br />
Krisen durchgemacht haben – ist Ihr Buch auch eine Bestandsaufnahme<br />
Ihrer Generation?<br />
Ich bin kein Fan davon, wenn leute etwas über eine Generation<br />
sagen wollen. Eine Generation sind doch immer hunderttausende<br />
Menschen. Die kann man nicht über einen Kamm scheren. Ich<br />
kann noch nicht mal meinen kleinen Freundeskreis über einen<br />
Kamm scheren: Einige haben schon mehrere Kinder oder Ehemänner<br />
und Ehefrauen und eigene häuser und eigene Wohnungen<br />
und ich zahle immer noch Miete und hab keine Kinder. Ich<br />
glaube, da sind wir alle sehr unterschiedlich.<br />
Aber betreffen psychische Krisen nicht vor allem Menschen<br />
zwischen Zwanzig und Dreißig?<br />
nein, Depressionen und angststörungen sind total generationsübergreifend.<br />
Es gibt so viele sehr junge und sehr alte Menschen,<br />
die darunter leiden. Ich glaube nicht daran, dass das ein Generations-<br />
oder neuzeitproblem ist.<br />
„Mängelexemplar“ ist <strong>als</strong>o kein Generationsbuch?<br />
Ich weiß nicht, ob sich 60-jährige Damen dafür interessieren,<br />
was einer Karo passiert, die auf Medienveranstaltungen rumturnt.<br />
lesen werden es wahrscheinlich schon Menschen, die irgendwie<br />
meiner Generation angehören. aber das hat nichts mit dem<br />
Inhalt des Buchs zu tun. Der ist durchaus generationsübergreifend.<br />
Der Roman ist in einer sehr rauen, direkten Sprache geschrieben.<br />
Passen sanfte, sensible Töne nicht zu heutigen Mittzwanzigern?<br />
<strong>als</strong>o, das stimmt nicht. Es gibt eine laute „Ihr könnt mir alle<br />
nichts“- Karostimme. aber wenn es ihr schlecht geht oder wenn<br />
sie mit jemandem im Bett ist, ist sie sehr leise und zart. nach<br />
außen ist Karo rau und direkt, aber wie jeder hat sie einen matschigen<br />
Kern. Emotionale Momente fi nden statt. Vielleicht auch<br />
oft zwischen den Zeilen. Ich hoffe, dass man <strong>als</strong> leser Karos<br />
Mauer durchschaut und sieht, was da für eine traurige arme Wurst<br />
hinter steckt.<br />
Ist das auch Ihr Weg, mit Emotionen umzugehen?<br />
nein, nicht so sehr. Bei Karo ist das schon recht überspitzt. Man<br />
muss unterscheiden zwischen meinem berufl ichem und dem privatem<br />
leben. In Interviews rede ich nicht sehr emotional über mein<br />
leben und meine Gefühle, privat bin ich hingegen relativ straight<br />
und verstecke meine Gefühle nicht. Ich fange auch relativ schnell<br />
an zu heulen, wenn es einen Grund gibt. Davon kriegt die Öffentlichkeit<br />
nichts mit, weil es sie eigentlich auch nichts angeht. Im<br />
Privaten kann ich durchaus ein bekennendes Weichei sein.<br />
Frauen stehen einer psychotherapeutischen Behandlung meist<br />
aufgeschlossener gegenüber <strong>als</strong> Männer. Warum ist das so?<br />
Ich weiß nicht, ob Männer tatsächlich vor einer Psychotherapie<br />
zurückschrecken. Ich kenne welche, die mal eine Zeitlang eine<br />
therapie gemacht oder antidepressiva genommen haben. natürlich<br />
kann man auf die klassischen Klischees zurückgreifen, dass<br />
Frauen generell mehr dazu bereit sind, sich mit ihren Emotionen<br />
auseinandersetzen und die zu teilen. Jungs reden untereinander<br />
schon eher weniger über Gefühle, das ist noch nicht mal ein<br />
Klischee. Vielleicht haben Männer weniger Interesse daran, sich<br />
mitzuteilen. aber wenn der leidensdruck hoch genug ist, geht<br />
jeder hin. Es geht ja nicht darum, beim Käffchen ein bisschen zu<br />
quatschen, sondern ein Problem herauszufi nden und die lösung<br />
anzugehen.<br />
Der Roman ist zumindest zu Beginn sehr problembelastet.<br />
Gibt es Hoffnung auf bessere Zeiten?<br />
Es gibt hoffnung, kein klassisches happy End, weil es im leben<br />
auch kein happy End gibt, aber es gibt hoffnung. Ich wollte kein<br />
Märchen erzählen, sondern so realistisch wie möglich bleiben.<br />
Das Buch endet so happy, wie es unter den gegebenen Umständen<br />
eben kann.<br />
Wo haben Sie den Roman geschrieben? Zu Hause oder in<br />
einem Café?<br />
Ich habe nicht eine Seite im Café geschrieben. Ich habe bei mir<br />
zu hause, im Büro meines Managers und bei meinem Freund gearbeitet.<br />
So mit hinsetzen, Computeraufmachen und „Jetzt wird<br />
geschrieben egal ob du willst oder nicht“. Einmal habe ich im<br />
häuschen meines Papas in Brandenburg geschrieben. Zwei Seiten.<br />
Ich dachte, das würde ganz romantisch werden. Wir machen da<br />
Urlaub und ich nehme meinen Computer mit und ich würde wie<br />
Carrie in „Sex and the City“ mit ’ner Zigarette da rumsitzen und<br />
total gutaussehen beim Schreiben. Und das war alles total doof.<br />
Ich saß auf der Veranda und überall waren Mücken, mir war kalt<br />
und eigentlich wollte ich mit den anderen fernsehen. Das funktionierte<br />
nicht.<br />
Was macht Ihnen mehr Spaß: Die Arbeit fürs Fernsehen oder<br />
das Schreiben?<br />
Das sind zwei komplett unterschiedliche Sachen. Ich empfi nde<br />
mich mehr <strong>als</strong> Fernsehmädchen. Das ist mein Beruf, den mache<br />
ich schon länger und da kenne ich mich genau aus. Das Buch<br />
ist irgendwie passiert. Ich habe das gerne gemacht, aber jetzt,<br />
da das Projekt abgeschlossen ist, wundere ich mich schon:<br />
„Mein Gott, wie habe ich es geschafft ein ganzes Buch zu schreiben?“<br />
Ist das Fernsehgeschäft aber nicht mitunter frustrierend? Sie<br />
haben ja auch Sendungen (z. B. „Frag die Kuttner“) für die<br />
Schublade produziert.<br />
Das macht man so. Das ist der Sinn von Pilotsendungen. Man<br />
testet, ob eine Sendung funktioniert. Jeder Moderator macht<br />
vermutlich mindestens zwei Pilotsendungen im Jahr. Und ganz<br />
selten wird was draus. Insofern setze ich selber keine großen<br />
hoffnungen hinein und bin auch nicht frustriert, wenn es nicht<br />
klappt. Unangenehm ist es, wenn ein Idiot das nach draußen<br />
schreit, bevor man selbst irgendetwas unterschrieben hat, so wie<br />
es bei MtV passiert ist. Wenn der Sender protzen will und sagt:<br />
„hier, neue Show mit Sarah Kuttner. Wird richtig geil“ dann denken<br />
alle, eine neue Show kommt. Und dann läuft sie doch nicht,<br />
weil die keine Kohle haben. aber das ist halt immer das risiko.<br />
Wenn man Ihr Buch verfi lmen würde. Würden Sie selbst die<br />
Hauptrolle übernehmen?<br />
nein, ich kann ziemlich sicher nicht schauspielern. außerdem bin<br />
ich ja nicht die hauptfi gur. Das wär auch merkwürdig, würde ich<br />
mitspielen. Benjamin von Stuckrad-Barre hat ja auch nicht bei<br />
„Soloalbum“ mitgemacht.<br />
Wer wäre Ihre Wunschbesetzung?<br />
Vielleicht fände ich Julia hummer <strong>als</strong> hauptfi gur gut, obwohl sie<br />
ein bisschen zu abgerockt ist. aber eine adrette Julia hummer,<br />
das könnte passen. normalerweise spielt sie ja eher kaputte rollen<br />
und so kaputt ist Karo nicht. aber ich würde auch nicht so<br />
jemand Bezauberndes wie nora tschirner wollen, es muss schon<br />
jemand sein, der ein bisschen mehr Kaputtness ausstrahlt.<br />
Und welche Musik wäre der passende Soundtrack zu „Mängelexemplar“?<br />
Das weiß ich nicht. Es gibt ja ganz verschiedene Stimmungen im<br />
roman. Manchmal wird liebe gemacht, manchmal wird gefi ckt,<br />
manchmal ist es laut und lustig, manchmal hysterisch, manchmal<br />
furchtbar und manchmal kitschig. Da gibt es nicht einen Song,<br />
der alle Stimmungen gut treffen würde. Vielleicht könnte man<br />
die tolle, holperige „My Way“-Version der „Sex Pistols“ nehmen –<br />
aber die passt auch nicht auf alles.<br />
TV-Shows, jetzt ein Buch – von welchen verborgenen Talenten<br />
der Sarah Kuttner weiß die Öffentlichkeit noch nichts?<br />
Wahrscheinlich weiß die Öffentlichkeit zu recht nichts von<br />
ihnen. (kurze Denkpause) Ich kann gut Senfeier kochen. Und ich<br />
kann sehr gut Geschenke einpacken. Ich mache das sehr hübsch<br />
und dann fragen mich die leute immer, ob ich das habe einpakken<br />
lassen und ich antworte dann ganz stolz: „nein, das habe ich<br />
alles ganz allein gemacht.“<br />
Interview: Paulina henkel