Mariella Mosler - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design
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HANNOVER<br />
Marionetten-<br />
Menschen<br />
Markus Schinwald choreographiert den<br />
„Orient“ im <strong>Kunst</strong>verein. Bezwängend schön<br />
TExT: HAJO ScHiFF<br />
Diese Ausstellung ist genauso schön <strong>und</strong> perfekt inszeniert, wie<br />
es der Wiener Künstler Markus Schinwald beim Pavillon Österreichs<br />
auf der diesjährigen Biennale zu Venedig gemacht<br />
hat. Hier wie dort geht es um bauliche interventionen <strong>und</strong> in die Vergangenheit<br />
projizierte Prothesen, um Skulpturen aus eingeklemmten<br />
hölzernen Tischbeinen <strong>und</strong> träumerisch-traumatische Situationen. in<br />
Hannover gibt es dazu in einem langen, dunkelrot gestrichenen Raum<br />
von exotischen Fischen bevölkerte Aquarien. Ob Fischreigen oder<br />
Raumlabyrinth, ob in harten Gegensätzen aufgebaute Skulptur oder<br />
zwanghaft tänzerische Bewegung: Schinwalds Ausstellungen sind stets<br />
choreographisch gedacht.<br />
Wenn ein falsch zugeschnittenes Hemd nur erlaubt, die Arme jubelnd<br />
oder klagend zu erheben, wenn in den überzeichneten alten<br />
Porträts der Gehrock den ganzen Kopf umhüllt <strong>und</strong> die Stola Frau<br />
Luise ganz <strong>und</strong> gar einwickelt – da hilft kein gesetzliches Verhüllungsverbot,<br />
da ist die Kleidung über das Statussymbol <strong>und</strong> den bergenden<br />
Schutz hinaus zu einer einzwängenden Prothese geworden.<br />
im auf zwei Leinwände aufgeteilten Film „Orient“ schwenkt <strong>und</strong><br />
zoomt die Kamera über Personen in einen überklaren Tagtraum<br />
voller stiller Panik <strong>und</strong> leerer Gesten. Elefantenrüsselfische erforschen<br />
das nasse Modell einer Budapester Ausstellungsarchitektur<br />
<strong>und</strong> Neonsalme flirren durch eine versenkte <strong>Architektur</strong>, die an<br />
den österreichischen Pavillon in Venedig erinnert. Dinge werden<br />
lebendig <strong>und</strong> Menschen werden zu Marionetten. Was <strong>für</strong> eine verlorene,<br />
freudianisch beklemmende Welt ist das, die Markus Schinwald<br />
da aufzeigt!<br />
Stepptanzen im Kabelsalat ist schwierig, aber der Tänzer kann es<br />
auch lassen <strong>und</strong> am Ende des Films einfach davongehen. Doch er<br />
wird, so wie die Besucher der Ausstellung, eine irritierende Erfahrung<br />
gemacht haben <strong>und</strong> Schinwalds edel verklemmte Welt mit<br />
einem wissenderen Blick verlassen.<br />
Markus Schinwald: „Orient“, <strong>Kunst</strong>verein Hannover. Bis 6. November.<br />
www.kunstverein-hannover.de<br />
Anz_SG_ot_1011 04.10.2011 12:59 Uhr Seite 1<br />
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