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Marxismus_und_Tierbefreiung_Antidot

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02 ― 03EditorialHaben Sie sich schon einmal überlegt, wie Sie denAufbau der heutigen, kapitalistischen Gesellschaftim Querschnitt illustrieren würden? Max Horkheimerwählte einst den «Wolkenkratzer» als bildliche Darstellung– alle oberen Stockwerke sind besetzt durchdie (mit <strong>und</strong> ohne Waffengewalt) Herrschenden inWirtschaft <strong>und</strong> Politik. Unten haben die Ausgebeuteten<strong>und</strong> Marginalisierten ihren Platz. Den Keller be -schrieb der kritische Theoretiker als Schlachthof, indem «das unbeschreibliche, unausdenkliche Leidender Tiere» darzustellen wäre. Mit seiner Metapherverwies er nicht nur darauf, dass die Ausbeutungder Tiere zum F<strong>und</strong>ament des Kapitalismus gehört,sondern auch darauf, dass «der Schweiss, das Blut,die Verzweiflung der Tiere» unsichtbar gemacht –im Keller der Gesellschaft versteckt – wird.Zahlreiche linke Bewegungen haben bis heute dafürgekämpft, dass der Wolkenkratzer zusammenbricht,damit an seiner Stelle ein neues Haus entstehenkann, in dem um des Lebens willen gelebt<strong>und</strong> nicht für Profite, sondern nach Bedürfnissenproduziert wird. Dabei haben sie allerdings denKeller übersehen <strong>und</strong> das gesellschaftlich produzierteLeiden der Tiere <strong>und</strong> dessen Aufhebung oftmit ideologischen Argumenten von ihrer Agendaverbannt.Die Tierrechts- <strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong>sbewegung versuchthingegen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsans Tageslicht zu befördern, was in denUntiefen des Wolkenkratzers geschieht. Ihr Ziel istes, das Schlachten – sinnbildlich für das Leiden derTiere schlechthin – zu beenden. Das Problem istnur: In weiten Teilen ignoriert sie den Rest des Wolkenkratzers.Die historisch noch junge Bewegungmacht sich bis dato nicht bewusst, dass die Tierausbeutungihre Ursache in der kapitalistischen Klassengesellschafthat.Als revolutionäre Linke <strong>und</strong> TierbefreierInnen sitzenwir zwischen den Stühlen. Am Anfang dieser Zeitungsteht das Anliegen, die Kluft zwischen <strong>Marxismus</strong><strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong> zu verringern. Längst ist esan der Zeit, den ursächlichen Zusammenhängendes heutigen Wirtschaftssystems einerseits <strong>und</strong>der Ausbeutung von Menschen <strong>und</strong> Tieren andererseitsanalytisch <strong>und</strong> politisch zu begegnen. Wirwollen Denkanstösse geben, warum man sich fürdie Befreiung der Tiere <strong>und</strong> die Abschaffung desKapitalismus gleichermassen einsetzen sollte.Unsere AutorInnen argumentieren, warum die Befreiungvon Mensch <strong>und</strong> Tier ohne eine historischmaterialistischeAnalyse <strong>und</strong> Kritik des Kapitalismusnicht möglich ist <strong>und</strong> warum andersherum dasVerhältnis der gegenwärtigen Gesellschaft zurNatur <strong>und</strong> zu den Tieren in den Blick genommenwerden muss. Sie zeigen auf, wer in den oberenStockwerken des Wolkenkratzers von der Ausbeutungder Tiere profitiert <strong>und</strong> auf wessen Kosten dieProfitmacherei in den unteren Stockwerken geht.In ihren Beiträgen denken sie darüber nach, warumsowohl Mitgefühl <strong>und</strong> Moral als auch realpolitischeSchritte unverzichtbar sind auf dem Weg hin zuVerhältnissen, in denen weder Menschen nochTiere gesellschaftlich produziertes Leid ertragenmüssen. Gleichwohl machen sie deutlich: Soll dasmoralische Mitgefühl nicht anästhesiert <strong>und</strong> sollenpolitische Errungenschaften nicht etwa über Angebotefür einen «vegan-lifestyle» oder durch einen«Green New Deal» in die Profitlogik integriert werden,bedürfen sie einer revolutionären Ausrichtung.Auf der Suche nach Spuren historischer Vorbilderlegen sie Beispiele für eine umfassende Solidaritätmit allen leidensfähigen Wesen frei.Last but not least wenden sie sich der Frage zu,welche Rolle Kunst <strong>und</strong> Musik für gesellschaftlicheBefreiung (nicht) spielen können.Die Frage nach der richtigen politischen Praxis istnicht leicht zu beantworten – viele Fragen müssenindes erst noch gestellt werden. Mit unseren Beiträgenwollen wir deshalb zur Diskussion darüberanregen, wie die Tierrechts- <strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong>sbewegungkämpft, welche Veränderungen in ihrerpolitischen Ausrichtung notwendig wären – aberauch darüber, wie <strong>und</strong> warum ihr mit Repressionbegegnet wird, wenn sie es schafft, zugunsten derTiere die Gewinne in den oberen Etagen des Wolkenkratzeszu schmälern.Die Bef<strong>und</strong>e der AutorInnen sind aufschlussreichaber nicht nur erfreulich, wie Sie, liebe LeserInnen,bei der Lektüre der folgenden Seiten feststellenwerden. Die gute Nachricht ist: das Potenzial fürfruchtbare Debatten <strong>und</strong> die Perspektive für einegesellschaftsverändernde Praxis sind jedenfallsvorhanden.Tierrechtsgruppe ZürichIMPRESSUM

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