30Engagementförderung in der Schule: Wie und warum?Stabilität und Qualität eines demokratischen Gemeinwesens hängen davon ab, ob Demokratievon innen heraus gelebt wird. Eine zukunftsfähige demokratische Gesellschaft benötigt somitBürgerinnen und Bürger, die um den hohen Stellenwert von Partizipation und zivilgesellschaftlichemEngagement für eine Gesellschaft wissen und sich entsprechend engagieren (können).Um dies zu erreichen, ist es seit der Verabschiedung des Grundgesetzes expliziter <strong>Bildung</strong>sauftragder Schule, Kinder und Jugendliche zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern heranzuziehen,die für die demokratische Gemeinschaft aktiv Verantwortung übernehmen. So ist es denn auchbundesweiter Konsens in der <strong>Bildung</strong>spolitik, dass Schulen ihre SchülerInnen die GestaltungsundMitwirkungsspielräume der Demokratie aufzeigen sollen (vgl. Koopmann 2007). Es gilt,demokratische Werthaltungen sowie die Bereitschaft, in zentralen Fragen Stellung zu beziehenund gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen, zu stärken.Hierbei ist eine möglichst früher Einstieg in die Engagementförderung zu empfehlen, da Engagementwährend der Jugendphase häufig mit späterer politischer Aktivität, gemeinnützigerBetätigung, und erhöhter Verantwortungsnahme einhergeht (vgl. z. B. Reinders 2009). DieSchule hat aufgrund der allgemeinen Schulpflicht die Chance, in dieser wichtigen Phase Kinderund Jugendliche aller Schichten zu erreichen und somit Zugangsgerechtigkeit sicherzustellen.Ferner spielt sie eine wichtige Rolle, da zivilgesellschaftliches Engagement Bürgerbewusstsein -verstanden als das Insgesamt der individuellen mentalen Vorstellungen über die politischgesellschaftlicheWirklichkeit (vgl. Lange 2008) - voraussetzt. Erst ein ausdifferenziertes Bürgerbewusstseinermöglicht dem Einzelnen, sich in der immer komplexer und unübersichtlicherwerdenden Gesellschaft zu orientieren, Sachverhalte reflektiert und kompetent zu beurteilenund Entwicklungen aktiv zu beeinflussen.Der diesen Annahmen zugrunde gelegte <strong>Bildung</strong>sauftrag der Schule geht somit über die reineWissensvermittlung hinaus. <strong>Bildung</strong> als „<strong>Bildung</strong> der Gesinnung und des Charakters“ imHumboldtschen Sinne hat auf den ganzen Menschen zu zielen und sollte die jungen Menschenunterstützen, ihre Potentiale zu verwirklichen und ihr Leben zu meistern. Um den oben genannten<strong>Bildung</strong>sauftrag zu erfüllen, gilt es zudem, die Kinder und Jugendlichen in der Auseinandersetzungmit gesellschaftlich relevanten Fragen sowie bei der Entfaltung politischdemokratischerund sozialer Handlungskompetenzen zu begleiten. Kompetenzen sind lautWeinert „die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten undFertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalenund sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um Problemlösungen in variablen Situationenerfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S.27 f.). Mit Blickauf die derzeitige Kompetenzorientierung vieler Lehrpläne und Kerncurricula spielen bei derEngagementförderung vor allem personelle und soziale Kompetenzen eine Rolle, die vongrundsätzlicher Bedeutung für die meisten Lebenssituationen sind. Während erstere unter anderemOffenheit und einen kritischen und konstruktiven Umgang mit den eigenen Potentialenund Meinungen beinhalten, befähigen soziale Kompetenzen vor allem zu einem auf Hilfsbereitschaftsowie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit basierenden, guten Miteinander. Weiterebenötigte Kompetenzen erstrecken sich auf die Bereiche Erkennen (z. B. Informationsbeschaffungund –verarbeitung, Analyse verschiedener Sachverhalte), Bewerten (z. B. kritische Reflexionund Stellungnahme zu zentralen Fragen) und Handeln (z. B. Konfliktlösung, Verantwortungsübernahme,Partizipation, Mitgestaltung).
31Um isoliertes Lernen zu vermeiden, ist es darüber hinaus erforderlich, den SchülerInnen konkreteund positive Erfahrungen mit eigenem Engagement zu ermöglichen und sie gleichzeitig beider Reflexion dieser Erfahrung zu unterstützen. Hierbei ist es nicht hinreichend, Kindern undJugendlichen nur im Rahmen des Schulalltags Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen (vgl.Biedermann 2006, S. 187). Der Einbezug der Kommune und der Blick auf Einwirkungsmöglichkeitenin der globalisierten Welt werden damit unerlässlich. Auch muss sich zugunsten projektorientierterVerfahren wie der Arbeitsgemeinschaft, des Wahlpflichtkurses, der Projektwocheoder des fachspezifischen oder interdisziplinären Unterrichtsprojektes vom traditionellen Lehrgangverabschiedet werden. Anzustreben ist letztlich, Engagement weitestreichend und mittelsdes Schulprogramms zu verankern, so dass Projekte zur Förderung von Engagement zu einemselbstverständlichen, wiederkehrenden Bestandteil des Unterrichts und des Schullebens werden.Schulen und Lehrkräfte sehen sich bei dieser <strong>durch</strong>aus anspruchsvollen und komplexen Aufgabemit einer relativen Armut an direkt einsetzbarem Material und Praxishilfen zur schulischenEngagementförderung konfrontiert. Die Mitmachhefte möchten dazu beitragen, diese Lücke zuschließen und wenden sich an Lehrkräfte der verschiedensten Fächer. Gefragt sind neben denGesellschaftswissenschaften (z. B. Politik, Geografie, Sozialkunde, Wirtschaft, Religion, Ethik)auch Sprachen (z. B. Deutsch, Englisch), Gestaltung und Medien (z. B. Kunst, Informatik, DarstellendesSpiel, Musik) sowie Naturwissenschaften (z. B. Biologie). Sie bieten den entsprechendenLehrkräften praktische Unterstützung, Engagementförderung in den Unterricht undSchulalltag zu integrieren, indem erstens für verschiedene Altersgruppen und verschiedenezivilgesellschaftliche Handlungsfelder Lehr- und Lernarrangements vorstrukturiert werden.Zweitens ermöglicht ein modularer Aufbau, den speziellen Bedürfnisse und Interessen derLerngruppe gerecht zu werden. Hieran schließt an, dass – drittens - die konkrete Umsetzung sooffen gehalten wird, dass diese unkompliziert an die besonderen (lokalen, personellen) Voraussetzungenangepasst werdenkönnen.Konzeptioneller Aufbauder MitmachhefteKonzeption der Mitmachhefte (Sek. 1 und Sek. 2)Eingeleitet werden dieMitmachhefte <strong>durch</strong> einewissenschaftlich fundierteAnnäherung an den Themenkomplex„Zivilgesellschaft,Schule und Engagement“,die sich an Lehrkräfteund interessierteSchülerInnen richtet. UnterEinbezug aktueller empirischerErgebnisse werdenGründe für Engagementförderung in der Schule angeführt, wie sie bereits im ersten Teil diesesBeitrags dargelegt wurden.Der hieran anschließende Materialteil ist vor dem Hintergrund didaktisch-methodischer Überlegungenfür die SchülerInnen der Sekundarstufe I und II dreigliedrig aufgebaut. Die Teile 1 und