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Organspendepflicht

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Eveline Luutz<br />

<strong>Organspendepflicht</strong><br />

Kann es eine allgemeine moralische Pflicht<br />

zur post mortem Organspende geben?<br />

Ansichtsexemplar<br />

Inhalt<br />

1. Inhaltlicher Problemhorizont 2<br />

2. Weiterführende Literatur 2<br />

3. Didaktische Anregungen 3<br />

M 1: Organspende als moralisches Problem 6<br />

M 2: Wie kann die Kluft zwischen benötigten<br />

und gespendeten Organen geschlossen werden? 7<br />

M 3: <strong>Organspendepflicht</strong> für alle? 8<br />

M 4: <strong>Organspendepflicht</strong> und individuelle Selbstbestimmung 9<br />

M 5: Wer verpflichtet uns wozu? 10


Ethik/Philosophie-Online Eveline Luutz: <strong>Organspendepflicht</strong><br />

1. Inhaltlicher Problemhorizont<br />

Die letzten Dinge des Lebens, die lange Zeit dem menschlichen Willen nicht zugänglich waren, erfuhren längst<br />

eine Entzauberung. Das Sterben ist kein natürlicher Prozess mehr, allen menschlichen Zugriffen entzogen.<br />

Das Problem der Sterbehilfe wird gegenwärtig heftig und kontrovers diskutiert, auch weil die High-<br />

Tech-Medizin (z. B. mit PEG-Sonden zur künstlichen Ernährung, Herz-Kreislauf-Maschinen u. a.) imstande<br />

ist, früher unheilbare Krankheiten zu besiegen und gar das Leben zu verlängern.<br />

Starben die Menschen bei Ausfall eines lebenswichtigen Organs früher unweigerlich, so ist es heute<br />

mög lich, ausgefallene Organe durch die Transplantation von Fremdorganen zu ersetzen. Seit Mitte des<br />

20. Jahrhunderts hat die Transplantationsmedizin enorme Fortschritte gemacht. Allein in Deutschland<br />

wer den gegenwärtig täglich durchschnittlich sechs Nieren, eine Leber und ein Herz verpflanzt.<br />

Nahezu jeder, der auf ein Spenderorgan angewiesen ist, hofft dieses schnell und selbstverständlich zu<br />

bekommen, um ein Stück seiner früheren Lebensqualität zurück zu erlangen.<br />

Jedoch gerade in Deutschland, einem Land, in welchem die Transplantationsmedizin hoch entwickelt ist,<br />

ist die Bereitschaft der Bürger, Organe nach dem eignen Tod zu Transplantationszwecken zur Verfügung<br />

zu stellen, seit Jahren rückläufig.<br />

Perspektivisch, darüber herrscht Einigkeit, werden Gen- und Biotechnologien Spenderorgane ersetzen. Diese<br />

Aussicht hilft den Kranken von heute jedoch wenig. Sie benötigen rasch Hilfe. Die Wartezeit auf eine Spender-<br />

Ansichtsexemplar<br />

niere beträgt inzwischen im Durchschnitt mehr als vier Jahre, für viele erweist sich diese Frist als zu lang.<br />

Nachdrücklich stellt sich folglich die Frage, wie kann die Lücke zwischen dem Bedarf an Spende ror ga -<br />

nen und verfügbaren gespendeten Organen geschlossen werden?<br />

In diesem Zusammenhang wurden Überlegungen zu einer <strong>Organspendepflicht</strong> nach dem eigenen Tod<br />

in die öffentliche Debatte eingebracht. Sie verursachten einen Aufschrei der Entrüstung.<br />

Doch ist eine solche Pflicht tatsächlich so abwegig wie es den Verfechtern von Freiheit und Indi vi du a lis -<br />

mus erscheint? Schließlich gibt es andere Pflichten, denen man sich auch nicht freudiger beugt (etwa die<br />

im Grundgesetz festgeschriebene Wehr- und Dienstpflicht oder die Pflicht zur Hilfeleistung) und die den-<br />

noch weitgehend akzeptiert sind.<br />

Welche Argumente werden mobilisiert, um eine Pflicht zur post mortem Organspende abzuwenden? Sind<br />

diese zwingend oder lässt sich eine allgemeine Pflicht zur Organspende nach dem eigenen Tod moralisch<br />

begründen?<br />

2. Weiterführende Literatur<br />

Ach, Johann S.: Anmerkungen zur Ethik der Organtransplantation. In: Bioethik Hrsg. von M. Düwell/<br />

K. Steigleder. Suhrkamp, Frankfurt 2003. S.276–283<br />

Angstwurm, Heinz: Der Hirntod als sicheres Todeszeichen. In: Bioethik Hrsg. von M. Düwell/<br />

K. Steigleder. Suhrkamp, Frankfurt 2003. S. 291–297<br />

Birnbacher, Dieter: Organtransplantation – Stand der ethischen Debatte. In: Ethik in der Medizin.<br />

Hrsg. von U. Wiesing. Reclam, Stuttgart 2000, S. 291.295<br />

Conrad, Thomas: Was kann, soll und darf ich tun? Militzke, Leipzig 2005<br />

Dräsel, Evelin/Rimasch, Iris/Neugebauer, Sylvia: Ist Helfen Pflicht? In. Ethik Online. Militzke, Leipzig 2009<br />

Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen.<br />

In: Ethik in der Medizin. Hrsg. von U. Wiesing. Reclam, Stuttgart 2000, S. 283–287<br />

Lebensfragen. Kontroversen zur Bioethik. Hrsg. von Aktion Mensch. Berlin 2007<br />

Luutz, Eveline: Werte und Leben. Lehrerbegleitbuch Klassen 9/10. Militzke, Leipzig 2008<br />

Wie ein zweites Leben. Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Berlin 2005<br />

© Militzke Verlag GmbH, Leipzig 2009 2


Ethik/Philosophie-Online Eveline Luutz: <strong>Organspendepflicht</strong><br />

3. Didaktische Anregungen<br />

Obgleich der Aufwand für den Lehrer sehr groß ist (Schwerpunkte müssen formuliert werden, Literatur<br />

und Arbeitsmaterialien sind aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, die Projektarbeit muss angeleitet,<br />

strukturiert und ausgewertet werden) und die erzielten Ergebnisse in der eigenen Unterrichtstätigkeit bis-<br />

lang meist unter den Erwartungen blieben, plädiere ich nachdrücklich dafür, die Thematik in einer<br />

Projektarbeit von den Schülerinnen und Schülern selbständig erarbeiten und präsentieren zu lassen. Die<br />

Schüler werden auf diese Art und Weise gezwungen, sich die Argumente selbst zu erschließen und sich<br />

inhaltlich damit auseinanderzusetzen. In der Gruppe selbst müssen dazu die Aufgaben verteilt und koordi-<br />

niert werden, es müssen Kompromisse bei divergierenden Positionen gesucht und erstritten werden, die<br />

nach außen als Gruppenkonsens zu vertreten sind. Darüber hinaus müssen die Schüler ihre Ergebnisse<br />

nachvollziehbar darstellen und in der Diskussion offensiv verteidigen.<br />

Für die Benotung der Leistung sollten daher zwei vom Stellenwert hoch gewichtete Noten, eine für die<br />

Inhalte und eine für die Präsentation und Moderation der Ergebnisdarstellung erteilt werden.<br />

Die Projektarbeit kann unterschiedlich in den Lehrplan eingebunden werden.<br />

In der Sekundarstufe I, bietet sich die Möglichkeit, die Thematik in den Klassenstufen 9/10 innerhalb<br />

des Stoffkomplexes „Moralische Fragen von Sterben und Tod“ unter der Überschrift „Im Tode noch nütz-<br />

Ansichtsexemplar<br />

lich sein“ zu behandeln.<br />

Hier können drei (oder bei Bedarf vier) Projektgruppen mit jeweils eigenständigen und relativ abge-<br />

schlossenen Arbeitsaufträgen gebildet werden.<br />

Erste Projektgruppe:<br />

Wie läuft eine post mortem Organspende ab?<br />

Inhaltliche Schwerpunkte:<br />

• Auseinandersetzung mit dem Hirntodkriterium<br />

• Was passiert nach dem Hirntod, wenn eine Organspende in Betracht kommt?<br />

• Welche Rolle spielt ein Organspenderausweis? Wo sollte er verwahrt werden?<br />

• Welche Rolle kommt den Angehörigen bei der Entscheidung über eine Organspende zu?<br />

• Wie kann man Angehörigen die Entscheidung, über Organe Verstorbener bestimmen zu müssen,<br />

erleichtern?<br />

Zweite Projektgruppe:<br />

Nach welchen Kriterien können und sollen gespendete Organe verteilt werden?<br />

Inhaltliche Schwerpunkte:<br />

• Thematisieren der Kluft zwischen Bedarf und verfügbaren Organen<br />

• Vorschläge, die Kluft zu schließen, unterbreiten und moralisch (Kriterium finden) bewerten<br />

• Problem der Verteilungsgerechtigkeit (unterschiedliche Auffassungen und deren Konsequenzen)<br />

deutlich benennen<br />

• Einen eigenen Vorschlag für eine gerechte Verteilung begründen<br />

• Inwiefern soll der Spender ein Mitspracherecht über die Organvergabe besitzen?<br />

• Die gegenwärtige Vergabepraxis und die Rolle von Eurotransplant vorstellen und beurteilen<br />

© Militzke Verlag GmbH, Leipzig 2009 3


Ethik/Philosophie-Online Eveline Luutz: <strong>Organspendepflicht</strong><br />

Dritte Projektgruppe:<br />

Wie lässt sich eine allgemeine moralische Pflicht zur post mortem Organspende begründen?<br />

Inhaltliche Schwerpunkte:<br />

• Pflichtbegriff vorstellen, Abgrenzung zu antonymen Begriffen<br />

• Einwände gegen eine <strong>Organspendepflicht</strong> vorstellen und kritisch hinterfragen<br />

• Mit welchen anderen moralischen Grundwerten kollidiert eine solche <strong>Organspendepflicht</strong><br />

• Individuelle Selbstbestimmung und ihre Grenzen<br />

• Selbstbestimmungsrecht und <strong>Organspendepflicht</strong> zueinander in Bezug setzen<br />

• Ist Helfen Pflicht? Was bedeutet das allgemein und hinsichtlich der Organspende?<br />

• Ist das von Kant formulierte Sittengesetz zur Begründung einer allgemeinen <strong>Organspendepflicht</strong><br />

geeignet?<br />

Vierte Projektgruppe:<br />

Moralischer Stellenwert und moralische Grundsätze einer Lebendorganspende<br />

Inhaltliche Schwerpunkte:<br />

• Welche Organe kommen für eine Lebendorganspende in Betracht?<br />

• Welche Besonderheiten weist sie gegenüber der post mortem Spende auf?<br />

• Welche Chancen und welche Risiken sind damit für beide Partner verbunden?<br />

Ansichtsexemplar<br />

• Wozu verpflichtet eine Lebendorganspende Empfänger und Spender?<br />

• Warum sollte eine Lebendorganspende nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen?<br />

• Inwiefern ist Helfen in Gestalt einer Lebendorganspende ebenfalls als Pflicht für jedermann mora -<br />

lisch begründbar?<br />

In der gymnasialen Oberstufe und in der beruflichen Bildung (etwa in medizinischen und pflegerischen<br />

Ausbildungen) lässt sich das Projekt, in einem anderen Kontext und weit komplexer angelegt, ebenfalls als<br />

Projektarbeit realisieren.<br />

Hier ist es in den Komplex Bioethik (Ist alles erlaubt, was machbar ist?) einbindbar und steht dann als<br />

viertes Projekt neben den Projekten:<br />

Was ist und was kann Bioethik?<br />

Unterthemen: Welche modernen Gen- und Biotechnologien gibt es? Welches sind ihre Merkmale?/<br />

Welche Chancen und Risiken bergen diese jeweils?/ Welchen Nutzen versprechen sie?/ Gegenwärtige Haup t -<br />

einsatzfelder und Zukunftsvisionen/Ersetzen Biotechnologien soziale und moralische Entscheidungen?/Rolle<br />

von Tier- und Menschenversuchen in diesen Technologien; ihre Bewertung und Kriterien<br />

Pränataldiagnostik (PÄD) und Präimplantationsdiagnostik (PID) in der Diskussion<br />

Was verbirgt sich im Einzelnen unter PID und PÄD?/Wozu braucht man PID?/Warum reicht PÄD nicht aus?/<br />

Welchen moralischen Status besitzen Embryonen?/Liegt unser Werden allein in den Genen?/Opti mierte<br />

Kinder – optimierte Eltern?/Bleibt dann noch Platz für Unvollkommenheit, Krankheit und Behinderung?/<br />

PID – ein Angriff auf den Lebensanspruch jetzt lebender Behinderter?<br />

© Militzke Verlag GmbH, Leipzig 2009 4


Ethik/Philosophie-Online Eveline Luutz: <strong>Organspendepflicht</strong><br />

Ethische Probleme des Schwangerschaftsabbruchs<br />

Exkurs in die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs, zwischen Illegalität und Legalität/Wie ist der<br />

Schwangerschaftsabbruch hierzulande gegenwärtig geregelt?/Welche moralischen Bedenken und Inkonse -<br />

quenzen sind damit verbunden?/Wann beginnt das menschliche Leben?/Der moralische Status des Föten/<br />

der Schwangeren/Welche unterschiedlichen Positionen werden im Abtreibungsdiskurs eingenommen?/<br />

Welche Konsequenzen sind damit jeweils verbunden?/sich im Disput mit Sachargumenten positionieren<br />

und diese verteidigen<br />

Die Materialien M1 bis M5 decken nicht die gesamte Breite der vorgeschlagenen Projektarbeit ab, son-<br />

dern regen lediglich zum Nachdenken über die im Titel ausgewiesene Problemstellung an. Sie sollen als<br />

Einstieg stehen, sich dem Thema zu nähern und sich mit Argumenten zu der aufgeworfenen Frage zu<br />

positionieren.<br />

Ansichtsexemplar<br />

© Militzke Verlag GmbH, Leipzig 2009 5

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