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Migranten in der Schuldnerberatung - BAG-SB

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Johannes Gutenberg-Universität Ma<strong>in</strong>z<br />

Fachbereich Sozialwissenschaften, Medien und Sport<br />

Institut für Erziehungswissenschaft<br />

Diplomarbeit <strong>in</strong> Erziehungswissenschaft<br />

Studienschwerpunkt Sozialpädagogik<br />

N<strong>in</strong>a Hauth<br />

<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Erstgutachter<strong>in</strong>: Dr. Andrea Braun<br />

Abgabeterm<strong>in</strong>: 27.05.2010


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

0. E<strong>in</strong>leitung Seite 5<br />

A Theoretischer Teil<br />

1. Literaturgestützte E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das<br />

Forschungsthema<br />

1<br />

Seite 8<br />

1.1 <strong>Schuldnerberatung</strong> Seite 8<br />

1.1.1 Geschichte <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> Seite 8<br />

1.1.2 Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> Seite 9<br />

1.1.3 Konzeption von <strong>Schuldnerberatung</strong> Seite 10<br />

1.1.4 Exemplarischer Beratungsablauf Seite 12<br />

1.2 Türkische <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> Deutschland Seite 15<br />

1.2.1 Geschichte <strong>der</strong> türkischen Migration nach<br />

Deutschland und aktuelle Zahlen<br />

1.2.2 Aktuelle Lebenssituation türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland<br />

B Empirischer Teil<br />

2. Untersuchung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen, Wünsche und<br />

Bedürfnisse türkischer <strong>Migranten</strong> an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong><br />

2.1 Der Leitfaden – theoretischer H<strong>in</strong>tergrund und<br />

praktische Umsetzung<br />

2.2 Die Suche nach Interviewpartnern und<br />

Durchführung <strong>der</strong> Interviews<br />

Seite 16<br />

Seite 17<br />

Seite 23<br />

Seite 24<br />

Seite 25<br />

2.3 Auswertung <strong>der</strong> Interviews nach Meuser und Nagel Seite 27


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

3. Darstellung <strong>der</strong> Interviews Seite 29<br />

3.1 Interview 1 Seite 29<br />

3.2 Interview 2 Seite 31<br />

3.3 Interview 3 Seite 32<br />

3.4 Interview 4 Seite 36<br />

3.5 Interview 5 Seite 38<br />

3.6 Interview 6 Seite 39<br />

3.7 Interview 7 Seite 41<br />

4. Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung türkischer<br />

Ratsuchen<strong>der</strong><br />

2<br />

Seite 43<br />

4.1 Kenntnis <strong>der</strong> Beratungsstelle… Seite 43<br />

4.1.1 …durch an<strong>der</strong>e Institutionen Seite 43<br />

4.1.2 …durch Freunde o<strong>der</strong> Bekannte Seite 44<br />

4.2 Term<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>barung Seite 45<br />

4.3 Situation vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n Seite 46<br />

4.4 Erwartungen an die Beratung Seite 50<br />

4.5 Auswirkungen <strong>der</strong> Beratung auf die<br />

Verschuldungssituation<br />

Seite 51<br />

4.6 Auswirkungen <strong>der</strong> Beratung auf Ratsuchende Seite 53<br />

4.7 Berater Seite 55<br />

4.8 Eigene Mitarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung Seite 58<br />

4.9 Kritik/Wünsche Seite 59<br />

4.10 Unterstützung im privaten Umfeld Seite 61<br />

4.11 E<strong>in</strong>kommenssituation Seite 63<br />

4.12 Kostenlose Beratung – kostenpflichtige Beratung Seite 64<br />

4.13 Türkei Seite 65


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

5. Befragung von Schuldnerberatern zum Thema<br />

„Türkische <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>“<br />

3<br />

Seite 68<br />

5.1 Forschungsaufbau <strong>der</strong> Schuldnerberater-befragung Seite 68<br />

5.2 Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Fragebögen Seite 69<br />

5.3 Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung <strong>der</strong> Schuldnerberater Seite 70<br />

5.3.1 Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> Seite 70<br />

5.3.2 Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung Seite 71<br />

5.3.3 Unterstützung bei Gläubigerkorrespondenz Seite 72<br />

5.3.4 Methoden <strong>der</strong> Beratung Seite 73<br />

5.3.5 Sprachliche Barrieren Seite 74<br />

5.3.6 Gute Sprachkenntnisse Seite 76<br />

5.3.7 Eigene E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Rolle als Berater Seite 77<br />

5.3.8 Private Schulden Seite 79<br />

5.3.9 SCHUFA Seite 80<br />

5.3.10 Rolle <strong>der</strong> Kultur Seite 80<br />

5.3.11 Beson<strong>der</strong>e Angebote für türkische Ratsuchende Seite 82<br />

5.3.12 Sympathie für türkische <strong>Migranten</strong> Seite 83<br />

5.3.13 Gescheiterte Selbstständigkeit Seite 84<br />

5.3.14 Überschätzung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Leistungsfähigkeit Seite 85<br />

6. Zusammenführung <strong>der</strong> Ergebnisse und<br />

Beantwortung <strong>der</strong> Forschungsfrage<br />

Seite 86<br />

6.1 Sprachliche Barrieren – Dolmetscher Seite 87<br />

6.2 Offenheit – Intimität Seite 89<br />

6.3 Rechtlicher und gesellschaftlicher Umgang mit<br />

Schulden: Türkei – Deutschland<br />

Seite 91


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

7. Schlussbetrachtung Seite 94<br />

Literaturverzeichnis Seite 96<br />

Internetquellenverzeichnis Seite 99<br />

4


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

0. E<strong>in</strong>leitung<br />

Das Tätigkeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> unterliegt dem Wandel <strong>der</strong><br />

Gesellschaft. Da das Problem <strong>der</strong> Überschuldung <strong>in</strong> Deutschland immer<br />

mehr gesellschaftliche Gruppen durchdr<strong>in</strong>gt, wird auch das Klientel <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen, im Vergleich zu <strong>der</strong>en Anfängen <strong>in</strong> den<br />

1970er/1980er Jahren, immer heterogener (vgl. Schruth 2003, S. 19).<br />

Deswegen ist davon auszugehen, dass sich auch die Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

Schuldnerberater 1 im Laufe <strong>der</strong> Zeit geän<strong>der</strong>t haben. Dies zu klären ist e<strong>in</strong><br />

Anliegen dieser Arbeit.<br />

Dazu sollen türkische <strong>Migranten</strong>, als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Gruppe von<br />

Ratsuchenden <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>, untersucht werden. Die Wahl ist auf<br />

türkeistämmige <strong>Migranten</strong> gefallen, da diese zum e<strong>in</strong>en die größte Gruppe<br />

<strong>in</strong> Deutschland leben<strong>der</strong> <strong>Migranten</strong> bilden (vgl. Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge 2009, S.7) und somit e<strong>in</strong> guter Zugang zum Forschungsfeld<br />

angenommen wird.<br />

Zum an<strong>der</strong>en stammt das bearbeitete Thema direkt aus <strong>der</strong><br />

schuldnerberaterischen Praxis. Der Autor hat, unter an<strong>der</strong>em durch se<strong>in</strong>e<br />

eigene Tätigkeit als Schuldnerberater, beobachten können, dass <strong>in</strong><br />

Supervisionen und kollegialen Fallbesprechungen die teilweise immer wie<strong>der</strong><br />

als problematisch empfundene Beratung von türkischen <strong>Migranten</strong><br />

besprochen und nach Lösungswegen gesucht wird. Aktuell wird dieses<br />

Thema zudem vermehrt <strong>in</strong> Praktikerforen und Expertenzusammenkünften<br />

kontrovers diskutiert. Es herrscht Une<strong>in</strong>igkeit darüber, ob spezielle<br />

Angebote für türkische <strong>Migranten</strong> notwendig und s<strong>in</strong>nvoll s<strong>in</strong>d. Den<br />

Wünschen und Bedürfnisse <strong>der</strong> Ratsuchenden selber, sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> dieser<br />

Diskussion bisher noch ke<strong>in</strong> Raum gegeben worden zu se<strong>in</strong>. Diese zu<br />

ermitteln ist e<strong>in</strong> weiteres Bestreben des Forschungsvorhabens.<br />

1 Auf die Verwendung des „B<strong>in</strong>nen-I“ wird <strong>in</strong> dieser Arbeit verzichtet und <strong>der</strong> männliche Term<strong>in</strong>us<br />

verwendet, dieser schließt weibliche Personen mit e<strong>in</strong>.<br />

5


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Zur Erhebung von Daten für die <strong>der</strong> Forschung zu Grunde liegenden Fragen<br />

„Stellen türkische <strong>Migranten</strong> beson<strong>der</strong>e Ansprüche an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>?“ und „Welche Bedürfnisse und Wünsche haben sie?“,<br />

wurden leitfadengestützte Interviews mit türkischen Ratsuchenden<br />

durchgeführt. Um die so gewonnenen Informationen zu ergänzen und alle<br />

an <strong>der</strong> Beratung Beteiligten (Ratsuchen<strong>der</strong> und Berater) <strong>in</strong> die<br />

Untersuchung e<strong>in</strong>zubeziehen, wurde von den Schuldnerberatern e<strong>in</strong> offener<br />

Fragebogen beantwortet.<br />

Der Schwerpunkt wird bei <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit auf die Forschung gelegt,<br />

da das erhobene Datenmaterial 2 umfangreich und aussagekräftig ist. E<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>ordnung <strong>der</strong> gewonnenen Ergebnisse kann nicht vorgenommen werden,<br />

da aktuell ke<strong>in</strong>e Literatur vorliegt, die diese bewahrheiten o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage<br />

stellen könnte.<br />

Die Diplomarbeit glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> zwei Abschnitte, den theoretischen (A) und<br />

den empirischen (B) Teil.<br />

Im theoretischen Teil wird zunächst e<strong>in</strong>e literaturgestützte E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />

das Forschungsthema gegeben (Kapitel 1). Dazu werden die Themen<br />

„<strong>Schuldnerberatung</strong>“ (Kapitel 1.1) und „Türkische <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland“ (Kapitel 1.2) näher betrachtet.<br />

Der empirische Teil stellt zunächst die Herangehensweise und die<br />

Ausführung <strong>der</strong> Forschung dar (2. Kapitel). Hierzu wird die Erstellung e<strong>in</strong>es<br />

Leitfadens erläutert (Kapitel 2.1), die Suche nach Interviewpartnern und die<br />

Durchführung <strong>der</strong> Interviews beschrieben (Kapitel 2.2) sowie das<br />

Auswertungsverfahren nach Meuser und Nagel (2002) vorgestellt (Kapitel<br />

2.3).<br />

Das dritte Kapitel dient <strong>der</strong> kurzen Zusammenfassung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interviews.<br />

In Kapitel vier werden die Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung türkischer<br />

Ratsuchen<strong>der</strong> an Hand unterschiedlicher Themengebiete dargestellt.<br />

2 Das erhobene und bearbeitete Datenmaterial f<strong>in</strong>det sich im beiliegenden Anhang.<br />

6


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Der Aufbau, die zusammenfassende Wie<strong>der</strong>gabe und die Resultate <strong>der</strong><br />

Beraterbefragung werden <strong>in</strong> Kapitel fünf veranschaulicht.<br />

Darauf folgen die Zusammenführung <strong>der</strong> durch die Auswertung <strong>der</strong><br />

Forschung gewonnenen Erkenntnisse (Kapitel 6) und die Beantwortung <strong>der</strong><br />

Forschungsfrage (Kapitel 6.1). Zudem erfolgt e<strong>in</strong>e Darstellung von<br />

Möglichkeiten zur Umsetzung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> schuldnerberaterischen<br />

Praxis (Kapitel 6.1.1, 6.1.2 und 6.1.3).<br />

In <strong>der</strong> Schlussbetrachtung (Kapitel 7) werden H<strong>in</strong>weise für e<strong>in</strong>e<br />

weiterführende Untersuchung des Forschungsfeldes gegeben.<br />

7


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

A Theoretischer Teil<br />

1. Literaturgestützte E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Forschungsthema<br />

E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die theoretischen H<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Forschungsarbeit wird <strong>in</strong> diesem Kapitel gegeben. Dazu werden zunächst<br />

die Aufgabengebiete und die konzeptionelle Ausrichtung von<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> beschrieben. In e<strong>in</strong>em weiteren Teil wird auf die<br />

Geschichte <strong>der</strong> türkischen Migration nach Deutschland und die aktuelle<br />

Lebenssituation türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Insgesamt ist die E<strong>in</strong>führung kurz gehalten, da <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong><br />

Forschungsergebnisse, stets auf Literatur verwiesen wird, um die Gültigkeit<br />

<strong>der</strong> gewonnenen Erkenntnisse besser e<strong>in</strong>ordbar zu machen.<br />

1.1 <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Thema zunächst e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition von<br />

„<strong>Schuldnerberatung</strong>“:<br />

„<strong>Schuldnerberatung</strong> versteht sich als Hilfsangebot für hochverschuldete<br />

Familien und E<strong>in</strong>zelpersonen mit dem Ziel, die verschiedenartigen – gerade<br />

sozialen – Folgeprobleme von Überschuldung 3 zu beseitigen o<strong>der</strong> zu<br />

m<strong>in</strong>imieren.“ (Schruth 2003, S. 21).<br />

1.1.1 Geschichte <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> ist e<strong>in</strong> recht junger Tätigkeitsbereich <strong>der</strong> Sozialen Arbeit,<br />

<strong>der</strong> im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahre immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.<br />

Vermehrt existieren <strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen <strong>in</strong> Deutschland seit den<br />

1980er Jahren (vgl. Schruth 2003, S. 19).<br />

3 „E<strong>in</strong> Privathaushalt ist dann überschuldet, wenn E<strong>in</strong>kommen und Vermögen aller Haushaltsmitglie<strong>der</strong><br />

über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige<br />

For<strong>der</strong>ungen zu begleichen.“ (3. Armuts- und Reichtumsbericht <strong>der</strong> Bundesregierung 2008, S. 49).<br />

8


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Durch die Ende <strong>der</strong> 70er und Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre verstärkt aufkommende<br />

Arbeitslosigkeit, stieg die Zahl <strong>der</strong> von Überschuldung betroffenen<br />

Menschen immer weiter an. Die E<strong>in</strong>kommense<strong>in</strong>bußen konnten kurzfristig<br />

meist nicht überwunden werden. Vielen Haushalten war es nicht mehr<br />

möglich den e<strong>in</strong>gegangenen Verpflichtungen nachzukommen, so dass sich<br />

<strong>der</strong>en materielle und f<strong>in</strong>anzielle Situation langfristig verschlechterte (ebd.,<br />

S. 20).<br />

Derzeit ist <strong>Schuldnerberatung</strong> hauptsächlich bei öffentlichen Trägern und<br />

Trägern <strong>der</strong> freien Wohlfahrtspflege angesiedelt (vgl. Thomsen 2008, S.<br />

14).<br />

1.1.2 Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Im Wesentlichen erfüllt <strong>Schuldnerberatung</strong> folgende Aufgaben:<br />

F<strong>in</strong>anz- und Budgetberatung<br />

Neben dem Versuch die betreffende Person bei <strong>der</strong> Entschuldung und <strong>der</strong><br />

Erstellung e<strong>in</strong>er Gläubigerübersicht zu unterstützen ist auch das Erlernen<br />

e<strong>in</strong>es Ausgabeverhaltens, im Rahmen <strong>der</strong> jeweiligen f<strong>in</strong>anziellen<br />

Möglichkeiten, e<strong>in</strong> wichtiges Ziel von <strong>Schuldnerberatung</strong>, um e<strong>in</strong>e erneute<br />

Verschuldung zu vermeiden (vgl. Schruth 2003, S. 23).<br />

Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

Überschuldung geht oft e<strong>in</strong>her mit krisenhaften Lebensereignissen, wie<br />

Arbeitslosigkeit, Trennung o<strong>der</strong> unvorhergesehenen f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mehrbelastungen (vgl. Kunz/Scheuermann/Schürmann 2004, S. 48f).<br />

Dadurch werden die Anfor<strong>der</strong>ungen an die <strong>Schuldnerberatung</strong> gestellt, den<br />

Ratsuchenden kurzfristig zu helfen, darüber aufzuklären ob und <strong>in</strong>wieweit<br />

e<strong>in</strong> Anspruch auf Sozialleistungen besteht, den Wohnraum des Betroffenen<br />

zu sichern und gegebenenfalls Kontakt zu den Gläubigern aufzunehmen, um<br />

Vere<strong>in</strong>barungen zu treffen, die <strong>der</strong> aktuellen Situation des Schuldners<br />

angepasst s<strong>in</strong>d (ebd., S. 24).<br />

9


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Soziale Arbeit<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass Personen, die sich an e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> wenden, nicht ausschließlich f<strong>in</strong>anzielle Probleme haben,<br />

son<strong>der</strong>n auch persönliche, familiale und soziale Bereiche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notlage<br />

s<strong>in</strong>d. Deswegen fließen neben den wirtschaftlichen auch soziale Aspekte <strong>in</strong><br />

die Beratung e<strong>in</strong> und es ist erfor<strong>der</strong>lich, dass diese besprochen und<br />

bearbeitet werden (ebd., S. 24).<br />

Das Hilfsangebot umfasst e<strong>in</strong> weites Spektrum. Neben dem notwendigen<br />

fachlichen Wissen ist die (subjektive) Wirkung des Beraters auf den<br />

Ratsuchenden wichtig. Zur Entwicklung e<strong>in</strong>er Beratungsbeziehung spielen<br />

die empathischen Fähigkeiten des Beraters e<strong>in</strong>e zentrale Rolle, da sich so<br />

e<strong>in</strong> vertrauensvolles Verhältnis, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Ratsuchende bereit ist, se<strong>in</strong>e oft<br />

weitgefächerten Problemlagen gegenüber dem Berater offen zu legen,<br />

entwickeln kann (vgl. Kuntz 2003a, S. 44).<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Berufsqualifikation existiert für Schuldnerberater nicht. Die<br />

tätigen Berater können e<strong>in</strong>e kaufmännische, rechtliche o<strong>der</strong><br />

sozialarbeiterische Ausbildung haben (ebd., S. 42).<br />

Die Zahl <strong>der</strong> doppelt qualifizierten Berater (zum Beispiel kaufmännische<br />

Ausbildung mit anschließendem Studium <strong>der</strong> Sozialen Arbeit) gew<strong>in</strong>nt an<br />

Bedeutung (vgl. Thomsen 2008, S. 72).<br />

E<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliches Berufsbild für Schuldnerberater wurde, trotz verschiedener<br />

existieren<strong>der</strong> Entwürfe, bislang nicht entwickelt (vgl. Kuntz 2003a, S. 42).<br />

1.1.3 Konzeption von <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Konzeptionell ist <strong>Schuldnerberatung</strong>, als Teil <strong>der</strong> Sozialen Arbeit nach den<br />

Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Ganzheitlichkeit, Freiwilligkeit und <strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe<br />

ausgerichtet.<br />

10


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Ganzheitlichkeit<br />

Auf die unterschiedlichen Aspekte, die <strong>in</strong> die Beratung e<strong>in</strong>fließen können,<br />

wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen. Die Berücksichtigung dieser for<strong>der</strong>t vom<br />

Berater die ganzheitliche Betrachtung se<strong>in</strong>es Klienten.<br />

„Ohne Analyse <strong>der</strong> wirtschaftlichen und sozialen Problematik ist sachgerechte und<br />

adäquate Hilfe nicht möglich und bleibt <strong>in</strong> planlosen symptomorientierten<br />

Hilfeleistungen – mit mehr o<strong>der</strong> weniger zufälligen Erfolgen – stecken.“ (Kuntz<br />

2003a, S. 45).<br />

Es wird deutlich, dass für e<strong>in</strong>e nachhaltige Problembewältigung e<strong>in</strong>e<br />

punktuelle Bearbeitung <strong>der</strong> jeweiligen Schwierigkeiten des Ratsuchenden<br />

nicht s<strong>in</strong>nvoll ist, da unter diesen Umständen ke<strong>in</strong>e passende Unterstützung<br />

gefunden werden kann. Zum Beispiel ist e<strong>in</strong>e Entschuldungsstrategie<br />

langfristig erst dann von Nutzen, wenn <strong>der</strong> Ratsuchende gelernt hat, mit<br />

den vorhandenen f<strong>in</strong>anziellen Mitteln zu haushalten und sich nicht neu zu<br />

verschulden.<br />

Freiwilligkeit<br />

„Niemand darf zur <strong>Schuldnerberatung</strong> gezwungen werden.“ (Kuntz 2003a,<br />

S. 50).<br />

Auch wenn Ratsuchende teilweise von an<strong>der</strong>en Institutionen an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> weitervermittelt werden (können), muss dennoch <strong>der</strong><br />

Freiwilligkeitsgrundsatz für diesen gelten (ebd., S. 50).<br />

E<strong>in</strong>e Hilfe, die vom Betroffenen nicht gewünscht wird, hätte vermutlich<br />

ohneh<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e große Wirkung und würde dessen Persönlichkeitsrecht 4<br />

verletzen.<br />

Hilfe zur Selbsthilfe<br />

„Vom Grundsatz her gilt, dass <strong>der</strong> Ratsuchende, je nach Fähigkeit, Vorbildung und<br />

Informationsstand, soweit als möglich selbst aktiv werden soll. Ziel <strong>der</strong> Beratung ist<br />

es immer, dass <strong>der</strong> Betroffene, zum<strong>in</strong>dest langfristig <strong>in</strong> die Lage versetzt wird,<br />

se<strong>in</strong>e soziale und materielle Situation selbständig zu regeln.“ (Kuntz 2003a, S. 51).<br />

4 Vergleiche Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz<br />

11


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

In <strong>der</strong> Regel soll <strong>der</strong> Berater demnach nicht <strong>in</strong> Vollmacht für se<strong>in</strong>e Klienten 5<br />

tätig werden. Die Verhandlungen mit den Gläubigern gestalten sich <strong>in</strong><br />

manchen Fällen allerd<strong>in</strong>gs schwierig, wenn <strong>der</strong> Schuldner die Korrespondenz<br />

übernimmt, da <strong>der</strong>en Verhältnis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel gestört ist. E<strong>in</strong> Schreiben von<br />

<strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> kann dann aussichtsreicher se<strong>in</strong> (ebd., S. 51).<br />

Letztendlich muss <strong>der</strong> Berater im E<strong>in</strong>zelfall entscheiden, wie weit se<strong>in</strong>e Hilfe<br />

geht und <strong>in</strong> welchen Situationen es s<strong>in</strong>nvoll ist, Aufgaben <strong>in</strong> Vollmacht zu<br />

übernehmen (ebd., S.51).<br />

1.1.4 Exemplarischer Beratungsablauf<br />

Um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck vom Beratungsablauf <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> zu<br />

bekommen, wird dieser im Folgenden beispielhaft dargestellt. Dies kann nur<br />

stark vere<strong>in</strong>facht erfolgen, da die Beratung, wie bereits erläutert, auf die<br />

jeweiligen Bedürfnisse und Problemlagen des Ratsuchenden abgestimmt<br />

wird.<br />

Kontaktaufnahme<br />

Den Kontakt zur <strong>Schuldnerberatung</strong> stellt im Normalfall <strong>der</strong> Betroffene<br />

selbst her. Je früher er dies, nach E<strong>in</strong>treten <strong>der</strong> Überschuldungssituation,<br />

macht, desto größer ist die Wirkung <strong>der</strong> Arbeit des Schuldnerberaters (vgl.<br />

Kuntz 2003b, S. 92f).<br />

Oft liegen aber mehrere Jahre zwischen dem E<strong>in</strong>treten <strong>der</strong> Überschuldung<br />

und dem Aufsuchen e<strong>in</strong>er Beratungsstelle. E<strong>in</strong>e Untersuchung des <strong>in</strong>stituts<br />

für f<strong>in</strong>anzdienstleistungen e.V. hat ergeben, dass durchschnittlich vier Jahre<br />

vergehen, bis Kontakt zur <strong>Schuldnerberatung</strong> aufgenommen wird (vgl.<br />

Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 21).<br />

„Gründe hierfür liegen u.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unkenntnis über das Beratungsangebot, <strong>in</strong><br />

Verdrängungsmechanismen und Schamgefühlen. Häufig geht das Aufsuchen <strong>der</strong><br />

Beratungsstelle mit akutem Leidensdruck e<strong>in</strong>her, z. B. weil aktuell e<strong>in</strong> Besuch des<br />

Gerichtsvollziehers stattgefunden hat.“ (Walbrühl 2006, S. 37).<br />

5 Die Begriffe „Ratsuchen<strong>der</strong>“ und „Klient“ werden im Zusammenhang mit <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

gleichwertig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur verwendet. Es gibt ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Bezeichnung.<br />

12


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Erstes Beratungsgespräch und Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

Das Erstgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen von Berater und<br />

Klient. Ferner erfolgt die Absprache <strong>der</strong> Erwartungen an die Beratung und<br />

<strong>der</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen. Vertrauensaufbau und die ganzheitliche Betrachtung<br />

des Ratsuchenden spielen schon <strong>in</strong> dieser Phase e<strong>in</strong>e zentrale Rolle (vgl.<br />

Walbrühl 2006, S. 38).<br />

„Sofern dr<strong>in</strong>gende Aufgaben, bzw. Informationen nötig s<strong>in</strong>d, z. B. Wahrung von<br />

Wi<strong>der</strong>spruchs- und E<strong>in</strong>spruchsfristen, Beantragung sozialer Leistungen etc., wird<br />

die notwendige Informationen und Unterstützung durch die Beratungsstelle<br />

geleistet.“ (Kuntz 2003b, S. 93).<br />

Mit dem ersten Gespräch wird also die Basis für die weitere Beratung<br />

geschaffen. Der Ratsuchende bekommt erste Informationen über die<br />

Beratung an sich und Anregungen für das weitere Verhalten gegenüber den<br />

Gläubigern. Dem Gel<strong>in</strong>gen des ersten Kontakts wird offenbar vor allem<br />

seitens <strong>der</strong> Beratungsstelle e<strong>in</strong>e große Bedeutung zugeschrieben, da dem<br />

Ratsuchenden vermittelt werden soll, dass er sich auf se<strong>in</strong>en Berater<br />

verlassen kann und von diesem ernst genommen wird.<br />

Laufende Beratung<br />

Zwischen dem ersten Beratungsgespräch und <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> laufenden<br />

Beratung liegen, auf Grund <strong>der</strong> meist bestehenden Wartezeiten,<br />

durchschnittlich etwa drei Monate (vgl. Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S.<br />

21).<br />

Die laufende Beratung beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> Informationsphase. Durch Gespräche<br />

und die Sichtung <strong>der</strong> Unterlagen, gew<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> Berater e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von<br />

<strong>der</strong> gesamten wirtschaftlichen und persönlichen Situation des<br />

Ratsuchenden. Dabei ist es wichtig, dass <strong>der</strong> Berater empathisch ist und die<br />

Umstände des Klienten nicht bewertet, damit das gegenseitige Vertrauen<br />

weiter ausgebaut werden kann (vgl. Walbrühl 2006, S. 38).<br />

Nach Aufnahme aller wesentlichen Informationen, werden die möglichen<br />

Perspektiven des Ratsuchenden geme<strong>in</strong>sam besprochen. Bezogen auf die<br />

Schulden können diese se<strong>in</strong>: Ratenzahlungsvere<strong>in</strong>barungen und -vergleiche,<br />

das Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Leben mit den Schulden.<br />

13


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Art <strong>der</strong> Schuldenregulierung hängt von den vorhandenen f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mitteln des Schuldners ab. Unterschieden wird zwischen Mittellosigkeit und<br />

verfügbaren (meist begrenzten) Eigenmitteln (vgl. Kuntz 2003b, S. 99).<br />

Ratenzahlungsvere<strong>in</strong>barungen und -vergleiche s<strong>in</strong>d nur möglich, wenn<br />

f<strong>in</strong>anzielle Mittel verlässlich, für den vere<strong>in</strong>barten Abzahlungszeitraum, zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Ratenzahlungsvere<strong>in</strong>barung wird allen Gläubigern e<strong>in</strong><br />

Ratenzahlungsplan vorgeschlagen, mit dem die gesamten Verb<strong>in</strong>dlichkeiten<br />

durch den Schuldner nach und nach getilgt werden (vgl. Frietsch u.a. 2007,<br />

Teil 3 S. 46).<br />

E<strong>in</strong> Ratenzahlungsvergleich setzt e<strong>in</strong>en teilweisen For<strong>der</strong>ungsverzicht <strong>der</strong><br />

Gläubiger voraus. Sie erhalten e<strong>in</strong>en bestimmten, angemessenen Teil ihrer<br />

For<strong>der</strong>ung und verzichten auf den Rest (ebd., Teil 3 S. 46).<br />

Mittellosen Ratsuchenden und Menschen mit begrenzt verfügbarem<br />

E<strong>in</strong>kommen, bei denen die vorangegangenen Möglichkeiten gescheitert<br />

s<strong>in</strong>d, bleibt das Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren als Option zur<br />

Schuldenregulierung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Leben mit den Schulden.<br />

Die Verbraucher<strong>in</strong>solvenz ist e<strong>in</strong> Regulierungsverfahren,<br />

„das den „redlichen Schuldnern“ die Möglichkeit eröffnet, nach <strong>der</strong> Verwertung und<br />

Verteilung des Vermögens und <strong>der</strong> Verteilung des pfändbaren Anteils aus <strong>der</strong><br />

Erwerbstätigkeit für die Dauer von <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel sechs Jahren e<strong>in</strong>e<br />

Restschuldbefreiung zu erhalten. Damit würde <strong>der</strong> bis dah<strong>in</strong> nicht getilgte Teil <strong>der</strong><br />

Schulden wegfallen.“ (Müller 2003, S. 286).<br />

„Redlich“ ist e<strong>in</strong> Schuldner im S<strong>in</strong>ne des Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahrens,<br />

wenn er folgenden Obliegenheiten nachkommt: pfändbare<br />

E<strong>in</strong>kommensanteile abtreten; Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit, Bemühung<br />

um Arbeit, ke<strong>in</strong>e Ablehnung zumutbarer Arbeit; Wohnungs- und<br />

Arbeitsplatzwechsel anzeigen; Erbe zur Hälfte abführen; Auskunft- und<br />

Mitwirkungspflichten (ebd., S. 302).<br />

Dieser kurze Überblick über das Insolvenzverfahren soll hier ausreichend<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Klienten, die sich gegen e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren entscheiden o<strong>der</strong> Gründe<br />

vorliegen, dass sie dieses nicht beantragen können und Personen, die ke<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anziellen Mittel zur Verfügung haben, bleibt e<strong>in</strong> Leben mit den Schulden.<br />

14


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Bei e<strong>in</strong>er solchen Entscheidung ist es wichtig, dass <strong>der</strong> Berater den<br />

Ratsuchenden über se<strong>in</strong>e Rechte als Schuldner aufklärt, zum Beispiel bei<br />

Pfändungen und Klagen sowie bei <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung, die eidesstattliche<br />

Versicherung abzugeben (vgl. Walbrühl 2006, S. 41).<br />

Ende <strong>der</strong> Beratung<br />

In <strong>der</strong> Literatur wird ke<strong>in</strong> konkreter Moment für die Beendigung von<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> vorgegeben. Die Abschlussphase wird wahrsche<strong>in</strong>lich mit<br />

dem Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> jeweils gewählten Regulierungsform e<strong>in</strong>treten.<br />

Walbrühl (2006) erläutert hierzu, dass zum Abschluss <strong>der</strong> Beratung dem<br />

Klienten se<strong>in</strong>e zukünftigen Aufgaben dargelegt und noch offene Fragen<br />

geklärt werden sollen. Außerdem soll <strong>der</strong> Klient dar<strong>in</strong> bestärkt werden, se<strong>in</strong><br />

neu gewonnenes Wissen und Erfahrungen aus <strong>der</strong> Beratung umzusetzen.<br />

Dieser zusammenfassende Überblick über die Geschichte, die Aufgaben, die<br />

Konzeption und den Beratungsverlauf von <strong>Schuldnerberatung</strong> soll an dieser<br />

Stelle genügen. Im Folgenden wird die Geschichte <strong>der</strong> türkischen Migration<br />

nach Deutschland und die aktuelle Lebenssituation türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland dargelegt.<br />

1.2 Türkische <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />

Der Verlauf <strong>der</strong> türkischen Migration nach Deutschland und <strong>der</strong>en<br />

ursprünglichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen werden <strong>in</strong> diesem Kapitel näher<br />

betrachtet. Zudem erfolgt die Darstellung des aktuellen Integrationsstandes<br />

an Hand von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung türkischer <strong>Migranten</strong> 6 <strong>in</strong> die Schul- und<br />

Berufsausbildung, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft.<br />

6 In dieser Arbeit wird hauptsächlich die Bezeichnung „türkische <strong>Migranten</strong>“ verwendet, um die<br />

untersuchte Bevölkerungsgruppe zu umschreiben. Es wird nicht zwischen <strong>der</strong>en jeweiligem Status<br />

(Auslän<strong>der</strong>, e<strong>in</strong>gebürgerte <strong>Migranten</strong>, Angehörige <strong>der</strong> zweiten und dritten Generation) unterschieden.<br />

15


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

1.2.1 Geschichte <strong>der</strong> türkischen Migration nach Deutschland und<br />

aktuelle Zahlen<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>der</strong> Türkei und Deutschland geht zurück bis <strong>in</strong> die<br />

Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Damals arbeiteten die beiden Län<strong>der</strong><br />

wirtschaftlich und militärisch zusammen. In Berl<strong>in</strong> lebten 1912 etwa 1350<br />

Türken und 1916 wurde dort e<strong>in</strong>e Deutsch-Türkische Vere<strong>in</strong>igung gegründet<br />

(vgl. Königse<strong>der</strong>/Schulze 2005, o.S.).<br />

Wegen des auftretenden Arbeitskräftemangels <strong>in</strong> Folge des wirtschaftlichen<br />

Aufschwungs <strong>in</strong> den 1960er Jahren, schloss die deutsche Bundesregierung,<br />

unter an<strong>der</strong>em mit <strong>der</strong> Türkei 1961, Anwerbeabkommen. In diesem wurde<br />

e<strong>in</strong>e Aufenthaltsdauer für die türkischen Arbeiter von maximal zwei Jahren<br />

festgesetzt. E<strong>in</strong>e dauerhafte Ansiedlung o<strong>der</strong> Integration <strong>der</strong><br />

Zugewan<strong>der</strong>ten war zu dieser Zeit nicht geplant (ebd., o.S.).<br />

E<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> zu dieser Zeit e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ten Türken stammte aus<br />

ländlichen Gebieten. Sie hatten ke<strong>in</strong>erlei Ausbildung, lebten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />

meist als arme Bauernsöhne, waren zwischen zwanzig und vierzig Jahren alt<br />

und alle<strong>in</strong>stehend (vgl. Woellert u.a. 2009, S. 12f).<br />

In <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1960er Jahre wurde die maximale<br />

Aufenthaltsdauer von zwei Jahren gelockert, da sich <strong>der</strong> ständige Wechsel<br />

<strong>der</strong> Arbeiter für die Arbeitgeber als unwirtschaftlich erwiesen hat. Mit dem<br />

Anwerbestopp 1973 entschieden sich viele ausländische Arbeitnehmer<br />

(<strong>in</strong>sgesamt 2,6 Millionen) <strong>in</strong> Deutschland zu bleiben, weil sie befürchteten<br />

ke<strong>in</strong>e Rückkehrerlaubnis zu bekommen, wenn sie das Land verlassen (vgl.<br />

Königse<strong>der</strong>/Schulze 2005, o.S.)<br />

„Im Rahmen <strong>der</strong> Familienzusammenführung ab 1974 begannen die Arbeitskräfte<br />

verstärkt ihre Angehörigen nachzuholen. Damit stieg auch die Aufenthaltsdauer.<br />

[…] Oftmals wollten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Enkelk<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht zurück <strong>in</strong> die Türkei, und so<br />

blieben auch die Älteren bei den Familien <strong>in</strong> Deutschland.“ (Königse<strong>der</strong>/Schulze<br />

2005, o.S.).<br />

Aktuell (2009) leben <strong>in</strong> Deutschland etwa 6,69 Millionen ausländische<br />

Personen, davon stellt die Türkei mit 1.658.083 (24,8%) die größte<br />

ausländische Personengruppe dar. 86,8% <strong>der</strong> Türken leben seit zehn o<strong>der</strong><br />

16


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

mehr Jahren <strong>in</strong> Deutschland. Hierbei handelt es sich um die Menschen, die<br />

als ausländische Arbeitnehmer nach Deutschland gekommen s<strong>in</strong>d und <strong>der</strong>en<br />

Familienangehörige beziehungsweise um Personen, die <strong>in</strong> Deutschland<br />

geboren s<strong>in</strong>d. Vor allem türkische <strong>Migranten</strong> weisen e<strong>in</strong>en hohen Anteil an<br />

<strong>in</strong> Deutschland Geborenen auf (33,3%) (vgl. Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge 2009, S. 7ff).<br />

Die Zuzüge aus <strong>der</strong> Türkei s<strong>in</strong>d seit 2002 leicht zurückgegangen. 2008<br />

wurden 28.742 türkische E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er registriert, 34.843 Türken haben<br />

Deutschland verlassen. Etwa die Hälfte <strong>der</strong> türkischen Zuwan<strong>der</strong>er zieht aus<br />

familiären Gründen nach Deutschland und nur knapp 8% aus<br />

Beschäftigungsgründen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge 2010,<br />

S. 22ff).<br />

Diese Zahlen belegen, dass sich die Situation türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland maßgeblich verän<strong>der</strong>t hat. Aus den ursprünglich hauptsächlich<br />

männlichen türkischen Arbeitnehmern, <strong>der</strong>en Aufenthalt begrenzt war, s<strong>in</strong>d<br />

Familien geworden, <strong>der</strong>en dauerhafter Lebensmittelpunkt <strong>in</strong> Deutschland<br />

liegt. Im sich anschließenden Teil wird <strong>der</strong>en aktuelle Lebenssituation kurz<br />

dargestellt.<br />

1.2.2 Aktuelle Lebenssituation türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland<br />

„Türkischstämmige <strong>Migranten</strong> haben nicht nur e<strong>in</strong>e fast schon e<strong>in</strong> halbes<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t währende Geschichte im E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland Deutschland, sie stellen<br />

auch die zweitgrößte 7 Gruppe von <strong>Migranten</strong> dar. Umso bedenklicher ist es, dass sie<br />

im Integrationsvergleich mit Abstand am schlechtesten abschneiden.“ (Woellert u.a.<br />

2009, S. 36).<br />

Trotz <strong>der</strong> oft langen Aufenthaltsdauer <strong>in</strong> Deutschland, hat bisher nur e<strong>in</strong><br />

Drittel die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Der Entschluss für<br />

die endgültige E<strong>in</strong>bürgerung <strong>in</strong> Deutschland, sche<strong>in</strong>t vielen<br />

7 In dieser Studie stellen Spätaussiedler die größte <strong>Migranten</strong>gruppe dar, diese wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

vorangehend zugrundeliegenden Literatur nicht als <strong>Migranten</strong> gezählt.<br />

17


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Türkischstämmigen <strong>in</strong> Deutschland nicht leicht zu fallen. Diejenigen, die sich<br />

für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben, gelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

auch als besser <strong>in</strong>tegriert, was zu dem Schluss führt, dass e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Integration und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bürgerungswille stark zusammenhängen (ebd., S.<br />

36).<br />

Der aktuelle Integrationsstand türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> Deutschland wird im<br />

Folgenden an Hand <strong>der</strong> Teilhabe an <strong>der</strong> Schul- und Berufsausbildung, dem<br />

Arbeitsleben und <strong>der</strong> Gesellschaft näher betrachtet.<br />

Schul- und Berufsausbildung<br />

Die Schul- und Berufsausbildung bilden neben deutschen Sprachkenntnissen<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Basis für die Integration <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt. Zudem werden<br />

über die Schulbildung grundlegende Fertigkeiten für den Umgang mit <strong>der</strong><br />

Mehrheitsgesellschaft erworben. Diese bieten unter an<strong>der</strong>em e<strong>in</strong>e<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Identitätsbildung (vgl. Sauer 2009, S. 65f).<br />

„Bildung gilt daneben als e<strong>in</strong> zentraler Faktor für die mentale Disposition<br />

und für die mentale Offenheit und als wichtige E<strong>in</strong>flussgröße für die<br />

Herausbildung von Orientierungen, E<strong>in</strong>stellungen und Me<strong>in</strong>ungen.“ (ebd., S.<br />

66).<br />

E<strong>in</strong>e gute Schulbildung wirkt sich demnach auf viele Lebensbereiche e<strong>in</strong>es<br />

Menschen aus. Umso bedenklicher ist, dass türkische <strong>Migranten</strong>,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Frauen, im Vergleich zu an<strong>der</strong>en <strong>Migranten</strong> durchschnittlich<br />

schlechter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule abschneiden und <strong>in</strong>sgesamt knapp e<strong>in</strong> Drittel<br />

ke<strong>in</strong>en Bildungsabschluss hat. Mittlerweile verbessert sich zwar das<br />

Bildungsniveau, vergleicht man die erste und zweite Generation, trotzdem<br />

schneidet die zweite türkische Generation wesentlich schlechter ab als die <strong>in</strong><br />

Deutschland geborenen <strong>Migranten</strong> aller an<strong>der</strong>en Herkunftslän<strong>der</strong> (vgl.<br />

Woellert u. a. 2009, S. 36).<br />

Knapp die Hälfte <strong>der</strong> türkeistämmigen <strong>Migranten</strong> haben ihre<br />

Schulausbildung <strong>in</strong> Deutschland durchlaufen, 52% <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei. Die Zahl<br />

<strong>der</strong> Bildungsauslän<strong>der</strong> ist vor allem wegen des großen Anteils von<br />

18


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Heiratsmigranten recht hoch, die zu 97,3% e<strong>in</strong>e Schule <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />

besucht haben (vgl. Sauer 2009, S. 66f).<br />

In <strong>der</strong> Türkei und <strong>in</strong> Deutschland weisen die Schulsysteme Unterschiede<br />

auf. Um die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei erworbenen Abschlüsse e<strong>in</strong>ordnen zu können,<br />

erfolgt e<strong>in</strong>e kurze Darstellung <strong>der</strong> verschiedenen Schulen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, da<br />

e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland lebenden <strong>Migranten</strong> diese absolviert<br />

haben.<br />

Der Besuch e<strong>in</strong>er Ilkokul (Volksschule) ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei Pflicht und umfasst<br />

fünf Schuljahre. Schließt sich an die Beendigung dieser Schule ke<strong>in</strong> weiterer<br />

Schulbesuch an, wird dies <strong>in</strong> Deutschland nicht mit dem Erwerb e<strong>in</strong>es<br />

Schulabschlusses gleichgesetzt, da sie ke<strong>in</strong>e ausreichenden Qualifikationen<br />

für e<strong>in</strong>e anschließende Berufsausbildung mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

E<strong>in</strong> erfolgreiches Absolvieren <strong>der</strong> Ortaokul (Mittelschule), kann <strong>in</strong> etwa mit<br />

e<strong>in</strong>em Haupt- o<strong>der</strong> Realschulabschluss verglichen werden.<br />

Die Lise ist das türkische Gymnasium. Schließt man diese mit Erfolg ab,<br />

berechtigt dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei noch nicht zum Besuch e<strong>in</strong>er Universität.<br />

Hierzu müssen Aufnahmeprüfungen bestanden werden (ebd., S. 68f).<br />

Aktuell haben 25% <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland lebenden türkischen <strong>Migranten</strong><br />

ke<strong>in</strong>en Schulabschluss. Bei den Übrigen verteilen sich die Abschlüsse<br />

folgen<strong>der</strong>maßen: 13,3% Ortaokul, 18,5% Hauptschule, 11,7% Realschule,<br />

15,3% Lise, 4,7% Fachabitur, 7% Abitur (ebd., S. 69).<br />

Zwar weisen e<strong>in</strong>ige türkische <strong>Migranten</strong> e<strong>in</strong>e gute Schulbildung auf, <strong>der</strong><br />

hohe Anteil <strong>der</strong>er, die ke<strong>in</strong>en Schulabschluss haben ist dennoch<br />

besorgniserregend. Die Suche nach e<strong>in</strong>em Ausbildungsplatz dürfte mit dem<br />

defizitären Bildungsstand nahezu aussichtslos se<strong>in</strong>.<br />

Wie erwartet setzt sich die mangelnde Schulbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufsausbildung<br />

fort, beziehungsweise verschlechtert sich noch. Über die Hälfte (56%) <strong>der</strong><br />

türkischen <strong>Migranten</strong> hat ke<strong>in</strong>en beruflichen Ausbildungsabschluss. Knapp<br />

e<strong>in</strong> Viertel absolvierte e<strong>in</strong>e schulische o<strong>der</strong> betriebliche Ausbildung. E<strong>in</strong>e<br />

Techniker- o<strong>der</strong> Meisterschule haben 4% erfolgreich abgeschlossen, e<strong>in</strong><br />

Studium etwa 7% <strong>der</strong> türkischen <strong>Migranten</strong> (ebd., S. 72).<br />

19


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die erfolglose Suche nach e<strong>in</strong>er Lehrstelle, <strong>in</strong> Folge des oft<br />

unterdurchschnittlichen Schulabschlusses, ist nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Grund dafür,<br />

dass türkische <strong>Migranten</strong> ke<strong>in</strong>e Berufsausbildung aufnehmen. In <strong>der</strong> Türkei<br />

sei e<strong>in</strong>e berufliche Ausbildung nicht üblich und deswegen sehen viele auch<br />

<strong>in</strong> Deutschland ke<strong>in</strong>e Notwendigkeit dar<strong>in</strong>. Zudem will knapp die Hälfte <strong>der</strong><br />

türkischen Männer sofort Geld verdienen und spart daher an e<strong>in</strong>er<br />

Ausbildung (vgl. Babka von Gostomski 2010, S. 100ff).<br />

Teilhabe am Erwerbsleben<br />

„Auf dem Arbeitsmarkt schaffen es die türkischen <strong>Migranten</strong> kaum,<br />

<strong>der</strong>artige Bildungsdefizite auszugleichen. Auch hier ist bedenklich, wie wenig<br />

sich die <strong>in</strong> Deutschland Geborenen im Vergleich zu ihren Eltern verbessern.“<br />

(Woellert u. a. 2009, S. 37).<br />

Ungefähr die Hälfte <strong>der</strong> türkischen <strong>Migranten</strong> geht e<strong>in</strong>er Arbeit nach. Es<br />

können jedoch starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt<br />

werden. Männer haben zu knapp 58% e<strong>in</strong>e Vollzeitstelle, Frauen üben<br />

häufiger Tätigkeiten <strong>in</strong> Teilzeit (12,7%) und als ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigte aus<br />

(6,5%). Von ihnen s<strong>in</strong>d lediglich 23,5% vollzeiterwerbstätig (vgl. Sauer<br />

2009, S. 80f).<br />

Insgesamt überwiegen bei türkischen <strong>Migranten</strong> Berufe mit niedrigem<br />

Qualifikationsanspruch. Die berufliche Stellung als ungelernter o<strong>der</strong><br />

angelernter Arbeiter ist dom<strong>in</strong>ierend. Türkische Männer arbeiten<br />

überwiegend <strong>in</strong> Industrie- und Handwerksbranchen, Frauen im<br />

Dienstleistungssektor (vgl. Babka von Gostomski 2010, S. 124ff).<br />

Hier zeigen sich die Konsequenzen <strong>der</strong> defizitären Schul- und<br />

Berufsausbildung deutlich. Türkische <strong>Migranten</strong> haben hauptsächlich<br />

Arbeitsstellen, für die ke<strong>in</strong>e Ausbildung notwendig ist. Daraus resultiert<br />

oftmals e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Arbeitse<strong>in</strong>kommen.<br />

Das durchschnittliche Nettoarbeitse<strong>in</strong>kommen türkischer <strong>Migranten</strong> lag 2006<br />

bei 1384,- Euro. Verglichen mit dem e<strong>in</strong>es deutschen Arbeitnehmers, stehen<br />

Türken rund 140,- Euro monatlich weniger zur Verfügung. Es ist wichtig<br />

darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass e<strong>in</strong> deutlicher Anstieg von türkischen <strong>Migranten</strong><br />

20


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

im Hoche<strong>in</strong>kommensbereich zu verzeichnen ist, gleichzeitig <strong>der</strong> Anteil von<br />

Niedrige<strong>in</strong>kommensbeziehern bei 24% liegt. Der angenommene Mittelwert<br />

wird demnach <strong>in</strong> vielen Haushalten unterschritten (vgl. Tucci 2008, S. 205).<br />

Die Zahl <strong>der</strong> arbeitslosen türkischen Männer <strong>in</strong> Deutschland ist mit 43,2%<br />

recht hoch. Knapp 57% <strong>der</strong> türkischen Frauen gehen ke<strong>in</strong>er<br />

Erwerbstätigkeit nach, weil sie Hausfrauen s<strong>in</strong>d, 17% von ihnen s<strong>in</strong>d<br />

arbeitslos (vgl. Sauer 2009, S. 82).<br />

15,2% <strong>der</strong> türkischen Haushalte bezieht Arbeitslosengeld II, 5,6%<br />

Arbeitslosengeld I. Knapp 50% <strong>der</strong> Haushalte erhalten, wegen <strong>der</strong><br />

durchschnittlich höheren Anzahl <strong>der</strong> dort lebenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>, mehr K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld<br />

und sehen dieses als wichtige E<strong>in</strong>nahmequelle an. Ausschließlich von<br />

staatlichen Transferleistungen, wie Arbeitslosengeld I o<strong>der</strong> Arbeitslosengeld<br />

II, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld, Wohngeld und Sozialhilfe, leben 15,1% <strong>der</strong> türkischen<br />

Haushalte. Das führt dazu, dass e<strong>in</strong> großer Anteil <strong>der</strong> türkischen <strong>Migranten</strong><br />

f<strong>in</strong>anziell prekären Situationen ausgesetzt ist (vgl. Babka von Gostomski<br />

2010, S. 147ff).<br />

Durch die anhaltend schlechte wirtschaftliche Situation stellen türkische<br />

<strong>Migranten</strong> vermutlich e<strong>in</strong>e wichtige Gruppe potentieller Klienten <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> dar, wor<strong>in</strong> sich unter an<strong>der</strong>em das Forschungsvorhaben<br />

begründet.<br />

Integration <strong>in</strong> die Gesellschaft<br />

Um als gut <strong>in</strong> die Mehrheitsgesellschaft <strong>in</strong>tegriert zu gelten, s<strong>in</strong>d gute<br />

Deutschkenntnisse e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung. Diese s<strong>in</strong>d vor allem <strong>in</strong> den<br />

Bereichen Bildung, Chancen auf dem Arbeitsmarkt und gesellschaftliches<br />

Zusammenleben unumgänglich (vgl. Sauer 2009, S. 74f).<br />

„Bis <strong>in</strong> die 1980er Jahre und darüber h<strong>in</strong>aus wurde wegen <strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tlich kurzen<br />

Aufenthaltsdauer und dem niedrigen Beschäftigungsniveau als ungelernte Arbeiter<br />

we<strong>der</strong> von Seiten <strong>der</strong> <strong>Migranten</strong> noch von Seiten <strong>der</strong> Mehrheitsbevölkerung auf den<br />

Spracherwerb Wert gelegt.“ (ebd., S. 75).<br />

Diese Fehle<strong>in</strong>schätzung wirkt sich bis heute negativ auf die<br />

Sprachkompetenz türkischer <strong>Migranten</strong> aus.<br />

21


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Da es schwierig ist, die Sprachkompetenz zu überprüfen, kann nur auf<br />

Studien zurückgegriffen werden, <strong>in</strong> denen die subjektive E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong><br />

Befragten, bezogen auf die deutsche Sprache, untersucht wurde.<br />

Betrachtet man die Fähigkeit sich <strong>in</strong> Alltagssituationen (e<strong>in</strong>kaufen,<br />

Arztbesuch, Unterhaltung mit Deutschen) auf Deutsch zu verständigen,<br />

geben 80% <strong>der</strong> türkischen Männer an, ke<strong>in</strong>e Probleme zu haben. Bei den<br />

Frauen s<strong>in</strong>d es nur 60% (vgl. Babka von Gostomski 2010, S. 111f).<br />

Auf die Auswirkungen <strong>der</strong> teilweise fehlenden Sprachkompetenz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> wird <strong>in</strong> Kapitel 6.1.1 noch e<strong>in</strong>mal näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Der Erwerb <strong>der</strong> deutschen Sprache erfolgt bei den türkischen Männern<br />

vorrangig auf dem Arbeitsplatz o<strong>der</strong> durch den Besuch e<strong>in</strong>er deutschen<br />

Schule. Türkische Frauen lernen hauptsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie deutsch o<strong>der</strong><br />

ebenfalls durch den Schulbesuch <strong>in</strong> Deutschland (ebd., S. 114).<br />

Im täglichen Umgang mit Deutschen lassen sich gleichwohl Unterschiede<br />

zwischen türkischen Männern und Frauen feststellen.<br />

Männer pflegen ihre Kontakte zum größten Teil auf <strong>der</strong> Arbeit und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nachbarschaft. Unter ihnen gibt es aber auch e<strong>in</strong>ige (21,5%), die nie o<strong>der</strong><br />

nur selten mit Deutschen zusammenkommen. Da viele Türk<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong>er<br />

Arbeit nachgehen, haben sie auch seltener Kontakt zu deutschen Kollegen<br />

als ihre Männer. Ihr Umgang mit Deutschen beschränkt sich hauptsächlich<br />

auf nachbarschaftliche und freundschaftliche Beziehungen (ebd., S. 156ff).<br />

„H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kontakthäufigkeit […] weisen türkische Personen die wenigsten<br />

Kontakte zu Deutschen auf. Die größte vergleichsweise isolierte Teilgruppe s<strong>in</strong>d<br />

Türk<strong>in</strong>nen. Fast jede dritte Türk<strong>in</strong> hat spärliche Kontakte zu Deutschen.“ (ebd., S.<br />

160).<br />

Diese Betrachtung <strong>der</strong> Integration türkischer <strong>Migranten</strong> an Hand<br />

beispielhafter Bereiche soll an dieser Stelle genügen. Es wird deutlich, dass<br />

die E<strong>in</strong>beziehung türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> die deutsche Gesellschaft durchaus<br />

als verbesserungswürdig bezeichnet werden kann. E<strong>in</strong>e Diskussion dieses<br />

Umstandes ist allerd<strong>in</strong>gs nicht Thema dieser Arbeit und wird deswegen nicht<br />

vorgenommen.<br />

22


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

B Empirischer Teil<br />

2. Untersuchung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen, Wünsche und Bedürfnisse<br />

türkischer <strong>Migranten</strong> an die <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Wahl <strong>der</strong> Forschungsmethode des qualitativen leitfadengestützten<br />

Interviews wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Diplomarbeit getroffen, da neben den<br />

für den Forschungsgegenstand relevanten Fakten, die durch e<strong>in</strong>en<br />

quantitativen Fragebögen hätten erhoben werden können, auch die<br />

persönlichen Erfahrungen, Lebensumstände zur Zeit <strong>der</strong> Beratung und die<br />

Erwartungen an die Beratung ausführlicher mit <strong>in</strong> die Auswertung e<strong>in</strong>fließen<br />

können. So sollen die Anfor<strong>der</strong>ungen türkischer <strong>Migranten</strong> an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> und <strong>der</strong>en Wünsche und Bedürfnisse herausgearbeitet<br />

und durch den Vergleich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interviews verallgeme<strong>in</strong>ert werden.<br />

Das Leitfaden<strong>in</strong>terview birgt <strong>in</strong> diesem Fall mehrere Vorteile. Zum e<strong>in</strong>en<br />

werden die Interviewpersonen animiert über das forschungsrelevante<br />

Thema zu <strong>in</strong>formieren, wobei sie frei sprechen können, aber das<br />

Abschweifen vom vorgegebenen Gegenstand möglichst ger<strong>in</strong>g gehalten<br />

wird. Zum an<strong>der</strong>en werden die Interviews untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vergleichbar, da<br />

alle zu behandelnden Themengebiete mit allen Interviewpartnern<br />

besprochen werden. Außerdem soll die Strukturierung durch Fragen das<br />

Führen des Interviews erleichtern, da zu bedenken ist, dass e<strong>in</strong>ige<br />

Erzählpersonen das Gespräch nicht <strong>in</strong> ihrer Muttersprache halten können<br />

(vgl. Stigler/Felb<strong>in</strong>ger 2005, S. 129f).<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Interviews erfolgt nach den Richtl<strong>in</strong>ien von Meuser und<br />

Nagel (2002), wobei <strong>der</strong> Schritt <strong>der</strong> theoretischen Generalisierung nicht<br />

durchgeführt wird, da er den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auswertung teilweise Beson<strong>der</strong>heiten des<br />

Gesprochenen (Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stimmlage, Pausen etc.) e<strong>in</strong>fließen, wenn<br />

diese Aufschluss über den Forschungsgegenstand geben können, was nach<br />

Meuser und Nagel ke<strong>in</strong>e Beachtung f<strong>in</strong>det.<br />

23


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

2.1 Der Leitfaden – theoretischer H<strong>in</strong>tergrund und<br />

praktische Umsetzung<br />

In diesem Kapitel wird kurz auf die Beweggründe zur Verwendung e<strong>in</strong>es<br />

Leitfadens und auf die Vorgaben zu dessen Erstellung nach Helfferich<br />

(2005) e<strong>in</strong>gegangen, die <strong>der</strong> Entstehung des verwendeten Leitfadens zu<br />

Grunde liegen. Dies wird dann anhand <strong>der</strong> praktischen Umsetzung<br />

konkretisiert.<br />

Zum E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Leitfadens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur<br />

unterschiedliche Me<strong>in</strong>ungen. E<strong>in</strong>ige Autoren sehen dar<strong>in</strong> „e<strong>in</strong>en Bruch mit<br />

dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Offenheit“ (Stigler/Felb<strong>in</strong>ger 2005, S. 129), an<strong>der</strong>e sehen<br />

„im Leitfaden e<strong>in</strong>e Grun<strong>der</strong>for<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Interviewführung“ (ebd, S. 129).<br />

Die Vorteile für den E<strong>in</strong>satz dieser Technik für die vorliegende Arbeit werden<br />

bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung dieses Kapitels gegeben und dienen hier auch <strong>der</strong><br />

Begründung. Ziel <strong>der</strong> Datenerhebung war die Gew<strong>in</strong>nung von Informationen<br />

zu dem begrenzten Thema „eigene Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>“,<br />

weswegen gänzlich offene Interviewformen, wie das narrative Interview,<br />

eventuell nicht den gewünschten Aufschluss geliefert hätten.<br />

Der Leitfaden für diese Forschung wurde nach dem von Helfferich (2005)<br />

vorgeschlagenen SPSS-Pr<strong>in</strong>zip erstellt.<br />

Dazu werden zunächst Fragen gesammelt, die für den<br />

Forschungsgegenstand <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong> könnten, ohne darauf zu achten, ob<br />

die jeweiligen Formulierungen leitfadentauglich s<strong>in</strong>d (vgl. Helfferich 2005, S.<br />

162).<br />

Diese Auflistung umfasste ungefähr dreißig Fragen.<br />

Im nächsten Schritt werden die Fragen anhand unterschiedlicher Kriterien<br />

auf die Nutzbarkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitfaden geprüft. Re<strong>in</strong>e Informationsfragen<br />

und geschlossene Fragen, wie „Fühlen Sie sich wohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung?“<br />

werden gestrichen o<strong>der</strong> zu offenen Fragen umformuliert. Fragen, die<br />

Vorwissen des Forschers be<strong>in</strong>halten, wie zum Beispiel „Gibt es sprachliche<br />

Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung?“ werden aus <strong>der</strong> Liste entfernt und durch<br />

24


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>ere Formulierungen, wie „Wodurch könnte die Beratung verbessert<br />

werden?“ ersetzt (ebd., S. 162f).<br />

Außerdem werden die Fragen auf Beantwortbarkeit durch die<br />

Erzählpersonen geprüft, da nicht erwartet werden kann, dass diese die<br />

Forschungsfrage direkt beantworten können.<br />

„[…] die Antwort auf die Forschungsfrage zu f<strong>in</strong>den, ist Aufgabe <strong>der</strong> Forschenden,<br />

die das <strong>in</strong> den qualitativen Interviews erzeugte Textmaterials <strong>der</strong> Mühe e<strong>in</strong>er<br />

sorgfältigen Interpretation unterziehen müssen.“ (ebd., S. 164)<br />

Die verbliebenen Fragen werden im dritten Schritt so sortiert, dass die<br />

Erzählperson möglichst chronologisch von ihren persönlichen Erfahrungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> berichten konnte, beg<strong>in</strong>nend mit dem Zugang zur<br />

Beratungsstelle, über den Beratungsverlauf, zu den möglichen offenen<br />

Wünschen an die Beratung.<br />

Der letzte Arbeitsschritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstellung des Leitfadens ist die<br />

Subsumierung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Leitfaden <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e formale Glie<strong>der</strong>ung gebracht<br />

wurde. In vier Spalten wird erstens <strong>der</strong> Verlauf, von <strong>der</strong> Begrüßung zu den<br />

übergeordneten Themenblöcken, zweitens die Formulierungshilfen <strong>der</strong><br />

Forschungsfragen, drittens <strong>der</strong> H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fragen und<br />

viertens Stichworte, <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Checkliste, für mögliche Nachfragen<br />

festgehalten 8 (ebd., S. 165ff).<br />

2.2 Die Suche nach Interviewpartnern und Durchführung<br />

<strong>der</strong> Interviews<br />

Um Interviewpartner zu f<strong>in</strong>den, wurden mehrere <strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen<br />

<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz per E-Mail angeschrieben. In diesem Anschreiben wurde<br />

das Forschungsvorhaben vorgestellt und die Kriterien für mögliche<br />

Erzählpersonen dargestellt. Zu den Voraussetzungen gehörten, dass die<br />

Ratsuchenden schon mehrere Beratungskontakte gehabt haben sollten o<strong>der</strong><br />

die Beratung kürzlich abgeschlossen wurde. Sie sollten entwe<strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Türkei emigriert se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en türkischen Migrationsh<strong>in</strong>tergrund haben.<br />

Außerdem sollten sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um<br />

8 Der Leitfaden f<strong>in</strong>det sich im Anhang S. 6ff<br />

25


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

e<strong>in</strong> Interview durchführen zu können. Dem Schreiben an die<br />

Beratungsstellen wurde e<strong>in</strong> Informationsschreiben für die potentiellen<br />

Interviewpartner, e<strong>in</strong>e „Erklärung zur Befreiung von <strong>der</strong> Schweigepflicht“<br />

und § 30 „Verarbeitung personenbezogener Daten durch<br />

Forschungse<strong>in</strong>richtungen“ aus dem Landesdatenschutzgesetz Rhe<strong>in</strong>land-<br />

Pfalz beigefügt (Anhang, S. 1ff).<br />

Der Kontakt zu den Personen, die bereit waren an e<strong>in</strong>em Interview<br />

teilzunehmen, wurde über die Beratungsstellen organisiert. Sie haben die<br />

möglichen Interviewpartner angesprochen und, nachdem sie von <strong>der</strong><br />

Schweigepflicht entbunden wurden, weitervermittelt.<br />

Die Interviewterm<strong>in</strong>e wurden telefonisch vere<strong>in</strong>bart, so dass noch offene<br />

Fragen geklärt und die def<strong>in</strong>itive Zusage von Seiten <strong>der</strong> Interviewpartner<br />

erteilt werden konnte. Die Term<strong>in</strong>wahrnehmungen selbst gestalteten sich<br />

teilweise schwierig, da e<strong>in</strong>ige Interviewpartner nicht erschienen, meist ohne<br />

sich vorher abzumelden. Nach Rückfrage waren alle weiterh<strong>in</strong> bereit e<strong>in</strong><br />

Interview zu geben, hatten den vere<strong>in</strong>barten Term<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gs vergessen,<br />

obwohl die Term<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>barung maximal e<strong>in</strong>e Woche zurücklag o<strong>der</strong> es kam<br />

spontan etwas dazwischen. Insgesamt hatten sich zehn Personen zu e<strong>in</strong>em<br />

Interview bereiterklärt, nur mit sieben kam es auch zustande.<br />

Von den sieben Befragten waren vier männlich und drei weiblich und<br />

zwischen fünfundzwanzig und achtundvierzig Jahren alt.<br />

Die Interviews wurden <strong>in</strong> Büros <strong>der</strong> jeweiligen Beratungsstellen <strong>der</strong><br />

Ratsuchenden durchgeführt, da ihnen dieser Ort vertraut, gleichzeitig aber<br />

auch für sie neutral war. So konnten alle Gespräche ohne Störungen von<br />

außen, beziehungsweise durch Dritte stattf<strong>in</strong>den.<br />

Vor Interviewbeg<strong>in</strong>n wurde noch e<strong>in</strong>mal kurz <strong>der</strong> Zweck des Interviews und<br />

dessen Verwendung besprochen. Alle Interviewpartner haben die<br />

E<strong>in</strong>verständniserklärung zur Nutzung des Interviews für diese<br />

Forschungsarbeit unterschrieben und e<strong>in</strong>e Erklärung zur zweckgebundenen<br />

und anonymisierten Verwendung erhalten.<br />

Die Interviews wurden mit e<strong>in</strong>em digitalen Aufnahmegerät aufgenommen,<br />

um später transkribiert werden zu können. Die Länge <strong>der</strong> Interviews fiel<br />

unterschiedlich aus (zwischen zehn und vierzig M<strong>in</strong>uten), da e<strong>in</strong>ige<br />

26


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Interviewpartner ausführlich ihre Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

schil<strong>der</strong>ten o<strong>der</strong> biographische Elemente <strong>in</strong> die Erzählung e<strong>in</strong>brachten.<br />

Hauptsächlich die weiblichen Interviewpartner haben sich auf die gefragten<br />

Themen beschränkt.<br />

2.3 Auswertung <strong>der</strong> Interviews nach Meuser und Nagel<br />

Das Auswertungsverfahren nach Meuser und Nagel (2002) glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong><br />

sechs Schritte: die Transkription, die Paraphrase, das Kodieren, den<br />

thematischen Vergleich, die soziologische Konzeptualisierung und die<br />

theoretische Generalisierung (wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung bereits erwähnt, wird<br />

dieser Auswertungsschritt nicht durchgeführt und ist nur <strong>der</strong> Vollständigkeit<br />

halber hier aufgeführt).<br />

Die Transkription wird nach diesem Konzept nicht vollständig<br />

vorgenommen, es werden nur die für das Forschungsthema relevanten<br />

Passagen verschriftlicht (vgl. Meuser/Nagel 2002, S. 83).<br />

Da <strong>in</strong> diese Arbeit aber teilweise auch Beson<strong>der</strong>heiten des Gesprochenen<br />

e<strong>in</strong>fließen sollen, wurden die Tonbandaufnahmen vollständig transkribiert.<br />

Der Schritt <strong>der</strong> Paraphrase wurde somit auf den gesamten Text angewendet<br />

und nicht schon während <strong>der</strong> Transkription durchgeführt.<br />

Beim Paraphrasieren wird <strong>der</strong> Text <strong>in</strong> thematische Sequenzen unterteilt,<br />

wobei während <strong>der</strong> Bearbeitung die Gesprächsstruktur <strong>der</strong> Erzählperson<br />

weitestgehend erhalten bleibt und <strong>in</strong>sgesamt wie<strong>der</strong>gibt, was <strong>der</strong><br />

Interviewte äußert. Die Paraphrase dient <strong>der</strong> ersten Verdichtung <strong>der</strong><br />

Interview<strong>in</strong>halte und protokolliert das Gesagte. Die Länge <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Paraphrasen richtet sich nach <strong>der</strong> Wichtigkeit <strong>der</strong> Inhalte für das<br />

Forschungsthema und nicht danach, wie viel Raum sie im gesamten<br />

Interview e<strong>in</strong>nimmt. Die Prioritäten <strong>der</strong> Erzählpersonen treten <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund (ebd., S. 83f).<br />

In <strong>der</strong> Phase des Kodierens werden die paraphrasierten Sequenzen mit<br />

Überschriften versehen, wobei weiterh<strong>in</strong> nah am Text gearbeitet wird.<br />

Thematisch gleiche Passagen werden unter e<strong>in</strong>er Hauptüberschrift<br />

27


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

zusammengestellt, die den Inhalt aller gesammelten Teilstücke wie<strong>der</strong>gibt<br />

(ebd., S. 85f).<br />

Beim thematischen Vergleich werden alle Interviews zur Bearbeitung<br />

herangezogen. Es wird nach thematisch ähnlichen Textstücken gesucht, die<br />

dann gebündelt und mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Überschrift versehen werden.<br />

Diese sollen möglichst Begriffe o<strong>der</strong> Redewendungen des Interviewten<br />

enthalten. In diesem Schritt <strong>der</strong> Auswertung werden Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

herausgefiltert, es können aber auch Unterschiede und Gegensätze ermittelt<br />

werden (ebd., S. 86f).<br />

In <strong>der</strong> soziologischen Konzeptualisierung wird sich vom Wortlaut <strong>der</strong><br />

Interviews gelöst und die getroffenen Aussagen werden verallgeme<strong>in</strong>ert, um<br />

diese <strong>in</strong>terpretieren zu können. Die Auswertung bleibt im erhobenen<br />

Material verhaftet (ebd., S. 88f).<br />

Die Kodierung wird <strong>in</strong> dieser Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Interviews dargestellt. Außerdem werden die Ergebnisse des<br />

thematischen Vergleichs festgehalten. Vorbereitende Arbeitsschritte, wie die<br />

Transkription und die Paraphrasierung f<strong>in</strong>den sich im Anhang. Die<br />

soziologische Konzeptualisierung fließt <strong>in</strong> die Beschreibung <strong>der</strong> Interviews<br />

und <strong>in</strong> die Interpretation mit e<strong>in</strong>.<br />

28


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

3. Darstellung <strong>der</strong> Interviews<br />

Dieser Abschnitt dient <strong>der</strong> kurzen Darstellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interviews und<br />

<strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Erzählpersonen. Er be<strong>in</strong>haltet die Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

Kodierung.<br />

3.1 Interview 1<br />

Das Interview wurde mit e<strong>in</strong>er männlichen Erzählperson geführt. Er ist 39<br />

Jahre alt, verheiratet und hat zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Von <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>e <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle aufzusuchen wusste er<br />

von e<strong>in</strong>em Freund, <strong>der</strong> ihm die Beratung empfohlen hat, um e<strong>in</strong>e Lösung für<br />

se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziellen Probleme zu f<strong>in</strong>den. Bis dah<strong>in</strong> habe er „geackert“ wie<br />

verrückt, um die Schulden selbst irgendwie <strong>in</strong> den Griff zu bekommen (vgl.<br />

Anhang, S. 119 Z. 184).<br />

Mit Freunden könne die Erzählperson oberflächlich über Schwierigkeiten<br />

sprechen, private D<strong>in</strong>ge würden <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie geklärt: „wenns <strong>in</strong>tim<br />

se<strong>in</strong> also wenns detailliert dann machen wir zu Hause so zum Beispiel mit<br />

me<strong>in</strong>er Frau o<strong>der</strong> (.) mit me<strong>in</strong>er Mutter“ (Anhang, S. 119 Z. 189ff).<br />

Die Familie spiele für den Befragten e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, wenn es darum<br />

g<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e Lösung für Probleme zu f<strong>in</strong>den, von denen Außenstehende nichts<br />

erfahren sollen.<br />

Beim ersten persönlichen Kontakt mit <strong>der</strong> Beratungsstelle wollte sich <strong>der</strong><br />

Befragte zunächst nur <strong>in</strong>formieren, wie die Beratung abläuft (vgl. Anhang,<br />

S. 115 Z. 28).<br />

Als Folge <strong>der</strong> Überschuldung beschreibt die Erzählperson ausführlich, dass<br />

sie sehr vergesslich geworden sei und sowohl alltägliche D<strong>in</strong>ge, als auch<br />

Informationen, die sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung bekomme, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notizbuch<br />

festhält. Er sagt, dass ihm ständig etwas durch den Kopf geht, was er noch<br />

erledigen müsse (vgl. Anhang, S. 117 Z. 91ff).<br />

29


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Beratung empf<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Befragte als sehr hilfreich. Er wie<strong>der</strong>holt<br />

mehrmals, dass es ihm „leichter“ geworden sei, seit er die Unterstützung<br />

angenommen habe (vgl. Anhang, S. 117 Z. 87 und 100).<br />

Das Insolvenzverfahren ist das Ziel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung des Befragten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sei dieses für ihn nur die e<strong>in</strong>zige realistische Lösung.<br />

„blieb mir nix an<strong>der</strong>es übrig wie ich dann arbeitslos war (.) dann doch zu machen<br />

also (.) falls ich dann halt weiter gearbeitet hätte wollt ich das nich machen und<br />

jetzt durch arbeitslos blieb mir ja nix an<strong>der</strong>es übrig und da hab ich gesagt (1)<br />

hun<strong>der</strong>t Prozent dann (1) muss ich da durch“ (Anhang, S. 115 Z. 13ff).<br />

Würde die Erzählperson wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Anstellung f<strong>in</strong>den, die ihm genügend<br />

E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt, um die Schulden abzuzahlen, würde sie diese<br />

Möglichkeit wahrnehmen. Da dies aber nicht <strong>in</strong> Aussicht zu se<strong>in</strong> schien,<br />

stehe sie mittlerweile h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Entscheidung e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren<br />

e<strong>in</strong>zuleiten, um so die Schulden zu regulieren. Der Weg zu diesem<br />

Entschluss sei nicht leicht gewesen. Die Arbeitslosigkeit sei <strong>der</strong><br />

Hauptauslöser für die Entscheidung e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren zu beantragen.<br />

Gegenseitiges Vertrauen sei für den Interviewten e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung,<br />

um das Beratungsangebot wahrzunehmen. Es spiele für ihn ke<strong>in</strong>e Rolle, ob<br />

er von e<strong>in</strong>em Mann o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Frau beraten werde. Se<strong>in</strong>e Berater<strong>in</strong><br />

empf<strong>in</strong>de er als „nett“, „höflich“ und „hilfsbereit“. Alle se<strong>in</strong>e Fragen seien<br />

bisher zu se<strong>in</strong>er Zufriedenheit beantwortet worden (vgl. Anhang, S. 115f Z.<br />

36ff).<br />

An <strong>der</strong> Beratung f<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Befragte gut, dass man sich Zeit für ihn nimmt.<br />

Alle Themen, die ihn gerade beschäftigen, könne er ansprechen und die<br />

Berater<strong>in</strong> gehe darauf e<strong>in</strong>.<br />

„ja also da wird (.) alles was auf dem Herzen kommt wird da beraten (.) gut<br />

beraten“ (Anhang, S. 118 Z. 147f).<br />

Neben den vielen positiven Aspekten <strong>der</strong> Beratung äußert die Erzählperson<br />

auch Kritik. Für Menschen, die Probleme mit <strong>der</strong> deutschen Sprache haben,<br />

solle e<strong>in</strong>e ausländische Beratungskraft o<strong>der</strong> Dolmetscher zur Verfügung<br />

stehen. Er selbst habe schon für e<strong>in</strong>en Bekannten gedolmetscht.<br />

30


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Außerdem solle die Wartesituation im Flur <strong>der</strong> Beratungsstelle verän<strong>der</strong>t<br />

werden, da es dort eng und oft überfüllt sei durch die vielen Ratsuchenden<br />

(vgl. Anhang, S. 117f Z. 111ff).<br />

In <strong>der</strong> Türkei gibt es laut dem Befragten ke<strong>in</strong>e Hilfsangebote für Menschen,<br />

die Schulden haben.<br />

„natürlich isses auch das Gleiche des die s<strong>in</strong>d halt verschuldet und das Harte is<br />

dabei es is nicht wie hier dass die Gerichtsvollzieher kommen und sagen okay das<br />

ist dann die nötigste wo du dann halt mehr kann ich von dir nix nehmen aber da is<br />

da <strong>der</strong> Fall nicht da wird alles gepfändet“ (Anhang, S. 118 Z. 130ff).<br />

Zwar existiere das Problem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei genau wie <strong>in</strong> Deutschland, es gebe<br />

aber ke<strong>in</strong>e rechtlichen Bestimmungen zum Existenzm<strong>in</strong>imum. Der Befragte<br />

beschreibt die Situation als hart und gnadenlos. Allerd<strong>in</strong>gs würde von Seiten<br />

<strong>der</strong> Politik wohl darüber nachgedacht das System zu mo<strong>der</strong>nisieren.<br />

3.2 Interview 2<br />

Die Erzählperson dieses Interviews ist männlich, 40 Jahre alt, verheiratet<br />

und hat zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Kennengelernt habe er das Beratungsangebot durch das Arbeitsamt, bei<br />

dem er selbst gearbeitet hatte. Die Kontaktaufnahme zur<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> sei telefonisch erfolgt (vgl. Anhang, S. 120 Z. 3ff).<br />

Er selbst habe die <strong>Schuldnerberatung</strong> und <strong>der</strong>en Angebot Bekannten<br />

empfohlen und ihnen die Angst genommen dorth<strong>in</strong> zu gehen (vgl. Anhang,<br />

S. 121 Z. 71ff).<br />

Seit <strong>der</strong> Interviewte beraten wird, fühle er sich „locker ganz locker (.) ganz<br />

locker“ (Anhang, S. 122 Z. 82). Durch die Unterstützung wäre e<strong>in</strong>e große<br />

Last von ihm genommen worden, sagt er. Die Gläubiger würden sich<br />

seitdem seltener bei ihm melden.<br />

Das Geschlecht des Beraters spiele für die Erzählperson ke<strong>in</strong>e Rolle, sie<br />

stellt das Fachwissen des Beraters <strong>in</strong> den Mittelpunkt (vgl. Anhang, S. 123<br />

Z. 148f).<br />

31


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Aufklärung des Beraters wird als sehr gut empfunden, alles was künftig<br />

auf ihn zukäme, sei dem Interviewten erklärt worden (vgl. Anhang, S. 121<br />

Z. 48ff).<br />

Der Befragte sei <strong>der</strong>zeit im Insolvenzverfahren und fühle sich erleichtert<br />

dadurch. Er sagt, dass se<strong>in</strong>e Schulden so hoch waren und ihn so belastet<br />

haben, dass für ihn von Anfang an klar war, dass er die Insolvenz<br />

beantragen wird (vgl. Anhang, S. 123 Z. 131ff).<br />

Kritisch sieht die Erzählperson, dass ke<strong>in</strong> Dolmetscher für ausländische<br />

Ratsuchende angeboten wird. Außerdem solle generell mehr<br />

Beratungspersonal zur Verfügung gestellt werden, da nach ihrer Me<strong>in</strong>ung<br />

künftig immer mehr Menschen f<strong>in</strong>anzielle Probleme haben werden (vgl.<br />

Anhang, S. 122 Z. 89ff).<br />

„<strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei (.) wie ich soweit weiß solche geme<strong>in</strong>nützige<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen existiert nich“ (Anhang, S. 122 Z. 108f).<br />

Der Befragte erzählt, dass es „ke<strong>in</strong>e Gnade“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei gibt, wenn <strong>der</strong><br />

Gerichtsvollzieher kommt. Man könne vielleicht durch „Gnadengesuche“, die<br />

an die Stadt gerichtet s<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziellen Probleme lösen (vgl. Anhang,<br />

S. 122 Z. 109ff).<br />

3.3 Interview 3<br />

Dieses Interview wurde mit e<strong>in</strong>er männlichen, 29-jährigen Erzählperson<br />

geführt, die verheiratet, aber getrennt lebend, ist und drei K<strong>in</strong><strong>der</strong> hat.<br />

Der Befragte sagt, dass er über Umwege zur kostenlosen Beratungsstelle<br />

gekommen ist. Er habe bereits e<strong>in</strong>en kostenpflichtigen Schuldnerberater<br />

aufgesucht, hätte sich dessen Honorar wegen se<strong>in</strong>er Arbeitslosigkeit aber<br />

nicht mehr leisten können (vgl. Anhang, S. 125 Z. 4ff).<br />

Empfohlen wurde ihm das kostenfreie Beratungsangebot durch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Institution. Der Interviewte habe persönlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle<br />

32


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

vorgesprochen, um sich zu <strong>in</strong>formieren, wie die Beratung ablaufe (vgl.<br />

Anhang, S. 125 Z. 17ff).<br />

Zu dieser Zeit sei es <strong>der</strong> Erzählperson f<strong>in</strong>anziell sehr schlecht gegangen, da<br />

ihr Arbeitslosengeld II sanktioniert wurde (vgl. Anhang, S. 125 Z. 29ff).<br />

„ich hatte fast ke<strong>in</strong>e Kraft mehr (.) also ich hab gedacht gehabt ich komm<br />

da (.) überhaupt nicht mehr raus das is vorbei du bist gesunken (.)<br />

Sackgasse du kommst nicht mehr raus (.) du bist verlorn (.)“ (Anhang, S.<br />

127 Z. 101ff).<br />

Er sagt auch, dass er anfangs dachte, dass ihm die Beratungsstelle nicht<br />

weiterhelfen könne, er Probleme hatte, sich se<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong> zu öffnen und<br />

kurz davor war wie<strong>der</strong> zu gehen. Hilfe anzunehmen sei für ihn e<strong>in</strong>e große<br />

Überw<strong>in</strong>dung gewesen, da er sich für die Situation, <strong>in</strong> die er geraten war,<br />

geschämt habe. Nachdem er über se<strong>in</strong>en eigenen Schatten gesprungen war,<br />

habe er die Beratung als positiv empfunden (vgl. Anhang, S. 126 Z. 43ff).<br />

Mit Bekannten o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Familie könne die Erzählperson nicht über ihre<br />

Schwierigkeiten sprechen, da sie diesen e<strong>in</strong>erseits nicht traue und<br />

an<strong>der</strong>erseits das Gefühl habe, dass es niemanden <strong>in</strong>teressiert (vgl. Anhang,<br />

S. 128 Z. 139ff).<br />

Zu se<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong> habe <strong>der</strong> Interviewte mittlerweile e<strong>in</strong> vertrauensvolles<br />

Verhältnis. Er sagt über sie: „mittlerweile ist mit me<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong> (.) s<strong>in</strong>d<br />

wir so nah dass ich eigentlich denke manchmal ich kenn me<strong>in</strong>e Berater<strong>in</strong><br />

schon seit über zwanzig Jahren ich könnt ihr (.) wirklich alles erzählen“<br />

(Anhang, S. 127 Z. 82ff).<br />

Bei se<strong>in</strong>em ersten Term<strong>in</strong> sei <strong>der</strong> Befragte bei e<strong>in</strong>em Berater gewesen. Er<br />

habe für die folgenden Gespräche um e<strong>in</strong>e Berater<strong>in</strong> gebeten, da er sich<br />

Männern generell nicht gut öffnen könne (vgl. Anhang, S. 125 Z. 20ff).<br />

Die Erzählperson sagt, dass sie durch die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Beratung<br />

viele Fortschritte gemacht habe, sowohl was ihre Schulden angehe, als auch<br />

ihre Persönlichkeit betreffend. Die Gläubiger würden sich seltener bei ihr<br />

melden und sie habe neuen Lebensmut gefasst (vgl. Anhang, S. 127 Z.<br />

108ff).<br />

33


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Trotz <strong>der</strong> Unterstützung fühle sich <strong>der</strong> Befragte weiterh<strong>in</strong> selbst zuständig<br />

für se<strong>in</strong>e Schulden und nimmt <strong>der</strong>en Regulierung als neue Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

für sich selbst an (vgl. Anhang, S. 131 Z. 265ff).<br />

Den Abstand zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Beratungsterm<strong>in</strong>en von vier bis sechs<br />

Wochen empf<strong>in</strong>det die Erzählperson als zu lang und würde sich mehr<br />

Term<strong>in</strong>e <strong>in</strong> kürzerer Zeit wünschen (vgl. Anhang, S. 129 Z. 164ff).<br />

Hilfsangebote <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei gibt es laut dem Interviewten nicht.<br />

„wenn du da Hilfe brauchst (1) es gibt ke<strong>in</strong>e Hilfe du bist verlorn (.) da is knallhart<br />

da gibt’s nit irgendwie (1) wo man auf Gesetze zurückgreifen kann auf Paragraphen<br />

o<strong>der</strong> so da gibt es sowas nicht (.) entwe<strong>der</strong> du hast Geld und du bezahlst es (1)<br />

o<strong>der</strong> du hast ke<strong>in</strong> Geld und die kommen nach Hause und nehmen dir alles was du<br />

hast“ (Anhang, S. 129 Z. 179ff).<br />

Er hebt hervor, dass ke<strong>in</strong>erlei gesetzliche Richtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Verschuldung vorhanden seien. Das System unterstütze nur den Gläubiger,<br />

<strong>der</strong> ansche<strong>in</strong>end mit jedem Mittel se<strong>in</strong>e Rechte durchsetzen kann.<br />

Außerdem beschreibt <strong>der</strong> Befragte die Situation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei so, dass wenn<br />

es Hilfsangebote geben würde, diese überrannt werden würden, da viele<br />

Menschen Probleme haben durch ihr ger<strong>in</strong>ges E<strong>in</strong>kommen (vgl. Anhang, S.<br />

129 Z. 190ff).<br />

Obwohl er selbst Türke sei, distanziere sich <strong>der</strong> Interviewte von <strong>der</strong> Türkei,<br />

auch wenn er dies selbst schade f<strong>in</strong>det. Solange es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen dort so<br />

unmenschlich zugehe und <strong>der</strong> Mensch an sich ke<strong>in</strong>en Wert habe, möchte er<br />

nichts mit se<strong>in</strong>em Heimatland zu tun haben (vgl. Anhang, S. 129 Z. 186ff).<br />

Durch die Beratung <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Institution, die ihn unterstützt, ist die Erzählperson zu dem Schluss<br />

gekommen, dass das Leben weitergehen müsse und hat neue Perspektiven<br />

gefunden, die sie jetzt Schritt für Schritt <strong>in</strong> Angriff nehmen möchte.<br />

Außerdem habe sie <strong>in</strong> beiden Beratungsstellen Menschen gefunden, die e<strong>in</strong><br />

offenes Ohr für sie haben und die sich ihrer annehmen (vgl. Anhang, S.<br />

130f Z. 214ff).<br />

Trotz <strong>der</strong> negativen Erfahrungen die <strong>der</strong> Interviewte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben<br />

gemacht hat, sagt er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schlussstatement, dass er nichts von dem<br />

34


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

bereut, da er erst jetzt das Leben zu schätzen weiß (vgl. Anhang, S. 131f Z.<br />

275ff).<br />

Abschließend zur Beschreibung dieses Interviews soll nun kurz auf das<br />

Gesprochene <strong>der</strong> Erzählperson e<strong>in</strong>gegangen werden. Der letzte<br />

beschriebene Abschnitt nimmt e<strong>in</strong>en großen Teil <strong>der</strong> Erzählung e<strong>in</strong>. Der<br />

Interviewte hat die Hilfe verschiedener sozialpädagogischer E<strong>in</strong>richtungen<br />

und e<strong>in</strong>es Psychologen angenommen. Die Institution, die ihm die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> empfohlen hat, war allem Ansche<strong>in</strong> nach für e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Zeit die e<strong>in</strong>zige Stelle, an die er sich mit se<strong>in</strong>en Problemen wenden<br />

konnte, nachdem er von se<strong>in</strong>er Familie und se<strong>in</strong>em Freundeskreis ke<strong>in</strong>e<br />

Unterstützung erwarten konnte.<br />

„diese Sozialpädagogen die s<strong>in</strong>d für jemanden da die haben e<strong>in</strong> offenes Ohr<br />

(.) die helfen dir hoch ja und zeigen dir den Weg und (1) man geht halt<br />

diesen Weg langsam langsam langsam (.) auch wenn man dann ke<strong>in</strong>e Kraft<br />

mehr hat man geht geht geht“ (Anhang, S. 130 Z. 225ff).<br />

Von den Sozialpädagogen wurde er ermutigt wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Zukunft zu<br />

schauen und haben ihm e<strong>in</strong>en Weg aufgezeigt. Dieser be<strong>in</strong>haltet den<br />

Besuch weiterer Institutionen, wie die <strong>Schuldnerberatung</strong> und e<strong>in</strong>en<br />

Psychologen. Der Befragte ist bereit, trotz anhalten<strong>der</strong> Kraftlosigkeit, die<br />

vorgegebenen Schritte zu gehen, was Vertrauen <strong>in</strong> die sozialpädagogische<br />

E<strong>in</strong>richtung voraussetzt. Die schon vorgenommenen Än<strong>der</strong>ungen sche<strong>in</strong>en<br />

demzufolge e<strong>in</strong>en positiven Effekt auf ihn gehabt zu haben.<br />

Mittlerweile hat er den Mut gefasst, dass alles besser wird, solange er sich<br />

an die Ratschläge <strong>der</strong> Institutionen hält. Er ist sehr <strong>in</strong> das soziale<br />

Hilfssystem e<strong>in</strong>gebunden und macht se<strong>in</strong>en Lebenss<strong>in</strong>n von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung<br />

des von <strong>der</strong> Beratungsstelle gezeichneten weiteren Lebensweges abhängig.<br />

Der Befragte hat das Vertrauen <strong>in</strong> sich selbst gefunden, dass er nie wie<strong>der</strong><br />

„fallen“ (Anhang, S. 131 Z. 248 und Z. 249) wird und irgendwann<br />

freigelassen werden wird, um wie<strong>der</strong> auf eigenen Be<strong>in</strong>en zu stehen (vgl.<br />

Anhang, S. 131 Z. 245).<br />

Diese letzte Aussage zeigt, dass er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong><br />

Beratungsstellen so sehr verankert ist, dass ihm se<strong>in</strong> Leben als<br />

35


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

unselbstständig und unfrei ersche<strong>in</strong>t, er dies aber gerne <strong>in</strong> Kauf nimmt, um<br />

irgendwann wie<strong>der</strong> eigene Entscheidungen treffen zu können. In dem Hilfe-<br />

Netzwerk sche<strong>in</strong>t sich <strong>der</strong> Interviewte wohl zu fühlen, möchte sich aber<br />

weiterentwickeln, damit er se<strong>in</strong> Leben selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen kann.<br />

3.4 Interview 4<br />

Die Erzählperson dieses Interviews ist weiblich, 25 Jahre alt, ledig und hat<br />

ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Die Interviewte hat durch e<strong>in</strong> Job Center von dem Angebot <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle erfahren und telefonisch e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>bart.<br />

Der erste persönliche Kontakt hat zwei Wochen nach dem Telefonat<br />

stattgefunden (vgl. Anhang, S. 133 Z. 4ff).<br />

Durch ihre Arbeitslosigkeit habe die Befragte ke<strong>in</strong> Geld, um die Schulden<br />

zurückzuzahlen. Nach e<strong>in</strong>er Kontenpfändung habe sie beschlossen, dass sie<br />

etwas wegen ihrer Schulden unternehmen muss (vgl. Anhang, S. 135 Z.<br />

92ff).<br />

Bis dah<strong>in</strong> habe sie ihre Verschuldungssituation immer verdrängt und die<br />

Briefe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schublade gesammelt, da diese ihr Angst gemacht hätten<br />

(vgl. Anhang, S. 134 Z.41).<br />

Ihre Erwartungen an die <strong>Schuldnerberatung</strong> vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Beratung seien<br />

gewesen, dass die For<strong>der</strong>ungen gestundet und die Gläubiger ihr etwas mehr<br />

Zeit geben würden. Das Insolvenzverfahren, das das geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong><br />

Berater<strong>in</strong> erarbeitete Ziel <strong>der</strong> Beratung sei, gehörte nicht zu den<br />

Erwartungen <strong>der</strong> Erzählperson. Sie habe nicht gewusst, dass Privatpersonen<br />

<strong>in</strong> die Insolvenz gehen können (vgl. Anhang, S. 134 Z. 31ff).<br />

Neben <strong>der</strong> Schuldenregulierung habe die Beratung bewirkt, dass die<br />

Befragte ke<strong>in</strong>e Angst mehr und e<strong>in</strong>en freieren Kopf hat (vgl. Anhang, S. 135<br />

Z. 68ff).<br />

36


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Über ihre Berater<strong>in</strong> berichtet die Interviewte: „freundlich sie is sehr<br />

hilfsbereit auch“ (Anhang, S. 134 Z. 50).<br />

Neben den schuldnerberaterischen Themen würden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung auch<br />

an<strong>der</strong>e D<strong>in</strong>ge besprochen und zum Beispiel Unterstützung bei <strong>der</strong><br />

Wohnungssuche geleistet (vgl. Anhang, S. 136 Z. 102ff).<br />

Die <strong>Schuldnerberatung</strong> sei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Ort, an dem die Befragte über ihre<br />

Schulden sprechen kann. Mit ihrer Familie o<strong>der</strong> Freunden gehe das nicht,<br />

weil Schulden für sie e<strong>in</strong> Tabuthema s<strong>in</strong>d und sie sich dafür schämt <strong>in</strong> dieser<br />

Situation zu se<strong>in</strong> (vgl. Anhang, S. 136 Z. 117ff).<br />

Bei <strong>der</strong> Erhebung dieses Interviews ist auffällig gewesen, dass die<br />

Interviewte die Fragen sehr knapp beantwortet hat und <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en<br />

Sprechfluss gefunden hat. In den Passagen, <strong>in</strong> denen sie auf das Thema<br />

Schulden und ihre Angst vor dem Gerichtsvollzieher zu sprechen kommt,<br />

lacht sie kurz auf.<br />

„als die (1) Briefe vom Amtsgericht kamen da hab ich schon Angst<br />

bekommen (lacht)“ (Anhang, S. 135 Z. 95f).<br />

„ja man schämt sich da und es ist nichts schönes (lacht)“ (Anhang, S. 136<br />

Z. 120f).<br />

Dies kann darauf h<strong>in</strong>deuten, dass es ihr unangenehm ist, über ihre Situation<br />

zu sprechen und sie dies mit e<strong>in</strong>em Lachen überspielt. Dafür sprechen auch<br />

die kurzen (aber dennoch präzisen) Antworten.<br />

Hervorstechend ist außerdem, dass die Befragte immer wie<strong>der</strong> sagt, dass<br />

sie die Schulden und ihre damit e<strong>in</strong>hergehende persönliche Situation<br />

verdrängt hat. Formulierungen wie „dauernd verdrängt“ o<strong>der</strong> „immer<br />

verdrängt“ wie<strong>der</strong>holen sich. Dazu passt ihre Aussage „die ganzen Briefe<br />

hab sie <strong>in</strong> die Schublade re<strong>in</strong> (lacht) und wollt nichts damit zu tun haben“<br />

(Anhang, S. 134 Z. 43f).<br />

37


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

3.5 Interview 5<br />

Das Interview wurde mit e<strong>in</strong>er männlichen Erzählperson geführt, die 48<br />

Jahre alt und verheiratet ist und drei K<strong>in</strong><strong>der</strong> hat.<br />

Empfohlen wurde die <strong>Schuldnerberatung</strong> dem Interviewten durch mehrere,<br />

hauptsächlich türkische, Freunde (vgl. Anhang, S. 137 Z. 4ff) und von<br />

se<strong>in</strong>em Familientherapeuten (vgl. Anhang, S. 137 Z. 17ff).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs habe es e<strong>in</strong>ige Zeit gedauert, bis er das Beratungsangebot<br />

angenommen hat. Nach eigener Aussage war <strong>der</strong> Befragte „zu faul“ dazu<br />

und habe das Problem nicht ernst genommen (vgl. Anhang, S. 139 Z.<br />

101ff).<br />

Die Entstehung und die Auswirkungen <strong>der</strong> Verschuldungssituation werden<br />

von <strong>der</strong> Erzählperson sehr ausführlich beschrieben. Als Hauptursachen<br />

werden hier Krankheit, Probleme mit den Arbeitskollegen, was<br />

Arbeitslosigkeit zur Folge hatte, <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Wohnung wegen<br />

Ruhestörung und die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notunterkunft für e<strong>in</strong> Jahr<br />

angeführt. Wegen dieser Umstände hätten die aufgenommenen<br />

Konsumkredite nicht mehr bedient werden können (vgl. Anhang, S. 137ff Z.<br />

17ff).<br />

Als seelische Folgen erwähnt <strong>der</strong> Interviewte gelegentliche Schlafstörungen<br />

und Depressionen. Er hebt beson<strong>der</strong>s hervor, dass er nicht geisteskrank sei,<br />

son<strong>der</strong>n nur deprimiert: „also ich b<strong>in</strong> nit geistig krank o<strong>der</strong> so was ich b<strong>in</strong> ja<br />

psychisch angeschlagen also es is psychomatisch sagen mir mal (.)<br />

deprimiert“ (Anhang, S. 139 Z. 94ff).<br />

Se<strong>in</strong>e Beziehung zu se<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong> beschreibt <strong>der</strong> Befragte als gut und<br />

familiär. Sie habe ihn gut aufgeklärt und ihm Ängste genommen (vgl.<br />

Anhang, S. 137 Z. 9ff), so dass es ihm jetzt seelisch besser gehe als vor <strong>der</strong><br />

Beratung. Auch die Gläubiger würden sich seltener melden als vorher (vgl.<br />

Anhang, S. 141 Z. 161).<br />

38


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Generell möchte die Erzählperson lieber von weiblichen Personen beraten<br />

werden, weil er diese als e<strong>in</strong>fühlsamer empf<strong>in</strong>det und deswegen besser<br />

Vertrauen fassen könne (vgl. Anhang, S. 142 Z. 211ff).<br />

Mit dem Angebot <strong>der</strong> Beratungsstelle sei <strong>der</strong> Interviewte zufrieden,<br />

beziehungsweise traue er sich nicht zu, Kritik zu äußern (vgl. Anhang, S.<br />

141 Z.183f).<br />

Die Erzählperson habe mit <strong>der</strong> Türkei abgeschlossen und macht dies mit<br />

folgen<strong>der</strong> Aussage deutlich: „die Türkei die ganze Land des s<strong>in</strong>d Gangster<br />

(.) das sag ich Ihnen ganz ehrlich (1) ich b<strong>in</strong> froh dass ich hier <strong>in</strong><br />

Deutschland lebe“ (Anhang, S. 142 Z. 198ff).<br />

Trotzdem geht sie kurz auf das soziale Hilfssystem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei e<strong>in</strong>. Sie<br />

sagt, dass es kaum soziale E<strong>in</strong>richtungen gebe und von staatlicher Seite<br />

nicht auf die privaten Belange <strong>der</strong> Menschen e<strong>in</strong>gegangen werde (vgl.<br />

Anhang, S. 142 Z. 200ff).<br />

3.6 Interview 6<br />

Die 31-jährige Erzählperson dieses Interviews ist weiblich, verheiratet und<br />

hat drei K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Kennengelernt habe sie die <strong>Schuldnerberatung</strong> über das Arbeitsamt, bei<br />

dem sie auf Grund ihrer Arbeitslosigkeit gemeldet sei (vgl. Anhang, S. 143<br />

Z. 4ff).<br />

Im Vorfeld habe sie sich schon e<strong>in</strong>mal überlegt e<strong>in</strong>en Schuldnerberater<br />

aufzusuchen, aber „nen normalen Schuldnerberater kann ich net bezahlen“<br />

(Anhang, S. 143 Z. 26f).<br />

Ihr seien bis zum Rat des Arbeitsamtes nur kostenpflichtige<br />

Beratungsangebote bekannt gewesen.<br />

Die Interviewte gibt an, dass sie vor <strong>der</strong> Beratung psychische Probleme<br />

gehabt habe. Sie habe sich ständig gefragt, warum ihr und ihrer Familie das<br />

alles passieren musste (vgl. Anhang, S. 145 Z. 103ff).<br />

39


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Der Besuch des Gerichtsvollziehers und die Schuldenhöhe von über 20.000<br />

Euro hätten letztlich den Anstoß gegeben, dass sie sich Hilfe gesucht habe<br />

(vgl. Anhang, S. 143 Z. 21ff).<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Erzählperson seien, dass sie mit dem<br />

Insolvenzverfahren e<strong>in</strong>e neue Lebensperspektive gefunden hat (vgl.<br />

Anhang, S. 143 Z. 32f) und dass sie gelernt hat mit dem ihr zur Verfügung<br />

stehenden Geld umzugehen, um nicht erneut <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verschuldung zu<br />

geraten (vgl. Anhang, S. 144 Z. 65ff).<br />

Den Berater beschreibt die Interviewte als hilfsbereit, nicht nur <strong>in</strong> Themen<br />

die zur <strong>Schuldnerberatung</strong> gehören, son<strong>der</strong>n auch im privaten Bereich.<br />

„also über private Sachen hab ich auch erzählt […] und da hat er mir auch<br />

sehr viel (.) geholfen“ (Anhang, S. 146 Z. 125ff).<br />

Bevor sie zu dem Berater gekommen sei, <strong>der</strong> sie sehr unterstützt hat, war<br />

sie bei e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Beratungskraft. Mit dieser sei sie unzufrieden<br />

gewesen, da sie, nach dem E<strong>in</strong>druck <strong>der</strong> Erzählperson, nicht ausreichend<br />

<strong>in</strong>formiert habe. Das Geschlecht des Beraters spiele für sie ke<strong>in</strong>e Rolle, die<br />

Kompetenz Informationen zu vermitteln und die Hilfsbereitschaft stünden<br />

für sie im Vor<strong>der</strong>grund (vgl. Anhang, S. 144 Z. 52ff).<br />

Im privaten Bereich habe sich die Arbeitslosigkeit <strong>der</strong> Interviewten negativ<br />

ausgewirkt. Von <strong>der</strong> Verschuldung hätten die Freunde allerd<strong>in</strong>gs wenig<br />

mitbekommen. Die Eltern und die Geschwister <strong>der</strong> Befragten würden<br />

h<strong>in</strong>gegen weiterh<strong>in</strong> zu ihr halten und sie unterstützen (vgl. Anhang, S. 145<br />

Z. 89ff).<br />

Zur Situation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei berichtet die Erzählperson, dass viele Menschen<br />

den Freitod wählen würden, als letzte Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Verschuldungssituation zu entkommen. Von staatlicher Seite werde die<br />

Schuldenregulierung nicht unterstützt. Es würden ohne Bonitätsprüfung<br />

Kreditkarten vergeben, was dazu führe, dass Schuldner immer tiefer <strong>in</strong> die<br />

Überschuldung geraten. Ihr Wissen darüber habe die Befragte aus dem<br />

Internet und dem Fernsehen (vgl. Anhang, S. 146f Z. 136ff).<br />

40


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

3.7 Interview 7<br />

Dieses Interview wurde mit e<strong>in</strong>er weiblichen, 28 Jahre alten und<br />

verheirateten Erzählperson geführt, die zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> hat.<br />

Der Interviewten wurde die <strong>Schuldnerberatung</strong> durch Freunde und den<br />

Arbeitgeber des Ehemannes empfohlen (vgl. Anhang, S. 148 Z. 4ff).<br />

Sie selbst habe nicht gewusst, dass es solche Institutionen <strong>in</strong> Deutschland<br />

gibt. Zum ersten Mal wahrgenommen habe sie dies durch e<strong>in</strong>e<br />

Fernsehsendung (vgl. Anhang, S. 151 Z. 125ff).<br />

Die Motivation, die Beratungsstelle aufzusuchen, seien für die Befragte das<br />

ständig überzogene Girokonto (vgl. Anhang, S. 148, Z. 26) und das<br />

Scheitern <strong>der</strong> Aufnahme e<strong>in</strong>es Arbeitgeberdarlehens gewesen (vgl. Anhang,<br />

S. 151 Z. 132).<br />

Nach dem ersten Beratungsgespräch habe sie weiter versucht die Raten zu<br />

zahlen, „aber irgendwann g<strong>in</strong>gs nicht mehr“ (Anhang, S. 150 Z. 67).<br />

Psychisch sei die Erzählperson vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n sehr belastet gewesen,<br />

habe sich geschämt und viel gewe<strong>in</strong>t.<br />

Als Perspektive sei das Insolvenzverfahren im Laufe <strong>der</strong> Beratung erarbeitet<br />

worden. Sie sagt, sie fühle sich dabei „komisch“ und „schuldig“, weil die<br />

Gläubiger nur e<strong>in</strong>en Teil des Geldes erhalten würden, sie aber nach Ablauf<br />

des Verfahrens trotzdem schuldenfrei se<strong>in</strong> werde (vgl. Anhang, S. 151f Z.<br />

134ff).<br />

Die Berater<strong>in</strong> nimmt die Interviewte als hilfsbereit wahr, die Angst habe sie<br />

ihr ebenfalls nehmen können (vgl. Anhang, S. 152 Z. 140f).<br />

Seit sie <strong>in</strong> Beratung ist, fühle sich die Befragte leichter. Den Begriff<br />

„leichter“ benutzt sie mehrmals im Laufe den Interviews im Zusammenhang<br />

mit den Depressionen, die sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit hatte. Ihre<br />

Lebensqualität habe sich erhöht (vgl. Anhang, S. 149 Z. 53ff).<br />

In ihrem sozialen Umfeld würden nur wenige von ihren Problemen wissen,<br />

weil sie nicht über solch private D<strong>in</strong>ge mit Freunden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie<br />

41


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

sprechen möchte. Die Interviewte geht davon aus, dass sie von dieser Seite<br />

ke<strong>in</strong>e Unterstützung erwarten könne (vgl. Anhang, S. 151 Z. 101ff).<br />

Die Erzählperson berichtet, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei ihres Wissens ke<strong>in</strong>e<br />

Hilfsangebote für Schuldner gebe. Als K<strong>in</strong>d habe sie miterlebt, dass e<strong>in</strong>em<br />

Nachbarn alle Möbel genommen wurden, nachdem er den Kredit, für den er<br />

gebürgt hatte, nicht zahlen konnte (vgl. Anhang, S. 151 Z.114ff).<br />

42


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

4. Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung türkischer Ratsuchen<strong>der</strong><br />

In diesem Kapitel werden die an Hand des thematischen Vergleichs<br />

gewonnenen Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung türkischer Ratsuchen<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> dargestellt. Der thematische Vergleich f<strong>in</strong>det sich im<br />

Anhang (S. 186ff). Auf den Verweis von s<strong>in</strong>ngemäßen Zitaten wird zur<br />

besseren Lesbarkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Ergebnisse verzichtet, lediglich<br />

auf wörtliche Zitate o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e genutzte Quellen wird verwiesen.<br />

4.1 Kenntnis <strong>der</strong> Beratungsstelle…<br />

Das Kennenlernen des Beratungsangebotes lässt sich <strong>in</strong> zwei Kategorien<br />

e<strong>in</strong>teilen. E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Befragten wurden durch an<strong>der</strong>e Institutionen auf die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> h<strong>in</strong>gewiesen o<strong>der</strong> weitervermittelt, an<strong>der</strong>en wurde sie<br />

von Menschen aus dem privaten Umfeld empfohlen.<br />

4.1.1 …durch an<strong>der</strong>e Institutionen<br />

Drei <strong>der</strong> <strong>in</strong>terviewten Personen nennen das Arbeitsamt, beziehungsweise<br />

das Job Center als vermittelnde Institution. Von ihnen haben zwei ihre<br />

Schuldenproblematik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit ihrem Fallmanager dort<br />

angesprochen und s<strong>in</strong>d daraufh<strong>in</strong> an die <strong>Schuldnerberatung</strong> verwiesen<br />

worden.<br />

„ich hab denen erzählt gehabt dass ich (1) Schulden habe und die haben<br />

mich dann dorth<strong>in</strong>“ (Anhang, S. 186 Z. 4f).<br />

Die Weitervermittlung durch die Job Center begründet sich auf § 16a<br />

Sozialgesetzbuch, Zweites Buch, „Kommunale E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsleistungen“.<br />

Dort heißt es, dass zur Umsetzung e<strong>in</strong>er ganzheitlichen und umfassenden<br />

Betreuung und Unterstützung bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Arbeit unter an<strong>der</strong>em<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> angeboten werden kann.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten hat selbst beim Arbeitsamt gearbeitet und habe die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> während se<strong>in</strong>er Tätigkeit dort kennenlernt.<br />

43


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Von e<strong>in</strong>er sozialpädagogischen E<strong>in</strong>richtung, die wohl selbst ke<strong>in</strong>e<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> anbietet, wurde e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Interviewten e<strong>in</strong>e<br />

Beratungsstelle empfohlen. In diesem Fall sei die Regulierung <strong>der</strong> Schulden<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>barten Schritte im Rahmen e<strong>in</strong>er Lebensberatung gewesen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Befragter habe den H<strong>in</strong>weis auf <strong>Schuldnerberatung</strong> durch se<strong>in</strong>e<br />

Familientherapeut<strong>in</strong> bekommen. Die Tatsache, dass <strong>der</strong> Interviewte se<strong>in</strong>e<br />

Schulden im Rahmen e<strong>in</strong>er Therapie anspricht, kann e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf<br />

se<strong>in</strong>, dass die Schulden zum e<strong>in</strong>en die ganze Familie belasten und zum<br />

an<strong>der</strong>en, dass sie zu e<strong>in</strong>em gesundheitlichen o<strong>der</strong> psychischen Problem<br />

geworden s<strong>in</strong>d. Darauf wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> folgenden Unterkapitel noch<br />

e<strong>in</strong>mal näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

4.1.2 …durch Freunde o<strong>der</strong> Bekannte<br />

Durch Freunde wurden drei <strong>der</strong> <strong>in</strong>terviewten Personen auf die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> aufmerksam. Ob diese selbst <strong>in</strong> Beratung s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong><br />

waren ist aus dem Gesagten nicht ersichtlich. Durch die zweimalige<br />

Verwendung des Ausdruckes „empfohlen“ könnte dies aber angenommen<br />

werden.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten geht näher darauf e<strong>in</strong> und sagt: „durch die Freunde<br />

(.) und ich hab mich dann auch beraten lassen (.) bei me<strong>in</strong>e Freunde (.) […]<br />

hauptsächlich so Auslän<strong>der</strong> und die haben mich dann empfohlen dass ich<br />

dann <strong>Schuldnerberatung</strong> gehe“ (Anhang, S. 186 Z. 30ff).<br />

Dadurch, dass man sich gegenseitig beraten hat, wird die Annahme, dass<br />

auch Freunde <strong>der</strong> Interviewten bereits <strong>Schuldnerberatung</strong> <strong>in</strong> Anspruch<br />

genommen haben, verstärkt. Die dort gesammelten Erfahrungen sche<strong>in</strong>en<br />

positiv gewesen zu se<strong>in</strong>, da die Beratung sonst eher nicht weiterempfohlen<br />

worden wäre.<br />

Alle Befragten geben an, dass sie durch Dritte von <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Inanspruchnahme von <strong>Schuldnerberatung</strong> erfahren haben. Dies deutet<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>Schuldnerberatung</strong> als sozialpädagogische E<strong>in</strong>richtung<br />

44


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

zum<strong>in</strong>dest im Umkreis <strong>der</strong> Befragten nicht ausreichend bekannt ist und es<br />

an dieser Stelle die Notwendigkeit für die Institutionen gibt, mehr <strong>in</strong> die<br />

Öffentlichkeit zu gehen, um Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund besser zu<br />

erreichen.<br />

4.2 Term<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>barung<br />

Die meisten Erzählpersonen geben an, die jeweilige Beratungsstelle<br />

persönlich aufgesucht zu haben, um e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> zu vere<strong>in</strong>baren. Bei zwei<br />

<strong>der</strong> Interviewten sei die erste Kontaktaufnahme über das Telefon erfolgt.<br />

Informationen über Beratungsverlauf und –angebot wollten nur zwei <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terviewten Personen vorab e<strong>in</strong>holen. Die an<strong>der</strong>en sprechen dies nicht an,<br />

obwohl ihr Wissen über <strong>Schuldnerberatung</strong> nicht beson<strong>der</strong>s weitreichend<br />

gewesen se<strong>in</strong> kann, da ihnen <strong>der</strong>en Existenz, bis kurz vor Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Beratung, nicht bekannt gewesen ist.<br />

Das kann entwe<strong>der</strong> daran liegen, dass die „Vermittler“ viele Informationen<br />

weitergegeben o<strong>der</strong> sie auf <strong>der</strong>en (wahrsche<strong>in</strong>lich positive) Me<strong>in</strong>ung über<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> vertraut haben. Vielleicht war die Hoffnung auf e<strong>in</strong>e<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebenssituation aber auch so groß, dass die Frage „Wie<br />

wird beraten?“ <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund und die Tatsache, dass überhaupt<br />

beraten und weitergeholfen wird, <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund getreten ist.<br />

Ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten berichtet von Wartezeiten bis zum Beratungsbeg<strong>in</strong>n,<br />

obwohl dies häufig so ist. Im Durchschnitt liegen zwischen <strong>der</strong> ersten<br />

Kontaktaufnahme mit <strong>der</strong> Beratungsstelle und dem Beratungsbeg<strong>in</strong>n etwas<br />

mehr als drei Monate (vgl. Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 21). Nur e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Erzählpersonen erwähnt, wie lange sie auf e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> gewartet hat.<br />

„<strong>in</strong>nerhalb zwei Wochen (.) hatt ich nen Term<strong>in</strong>“ (Anhang, S. 187 Z. 73f).<br />

Damit liegt sie deutlich unter dem Durchschnittswert.<br />

45


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

4.3 Situation vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n<br />

Die psychischen Auswirkungen <strong>der</strong> Schulden und die Situation <strong>der</strong><br />

Interviewten vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n stellen sich bei den meisten als sehr<br />

belastend dar. Es wird von Angst, Panik, Depressionen und dem Gefühl<br />

alle<strong>in</strong>e zu se<strong>in</strong> berichtet. Zwar drückt sich die Anspannung bei den<br />

Befragten zum Teil unterschiedlich aus, im Ergebnis deutet aber alles auf<br />

e<strong>in</strong>e angespannte psychische Verfassung h<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Erzählpersonen sagt, dass sie durch die Schulden sehr vergesslich<br />

geworden sei und Gesprächen nur noch schwer folgen kann. Der Kopf sei<br />

ständig voll von Gedanken zu D<strong>in</strong>gen, die noch erledigt werden müssen.<br />

Das Leben wird ansche<strong>in</strong>end ständig von <strong>der</strong> Verschuldung überschattet,<br />

was die Gestaltung des Alltags erschwert.<br />

Von Kraftlosigkeit und e<strong>in</strong>em ungeordneten Leben berichtet e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Befragter.<br />

„da wusst ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben noch nicht mal mehr was oben und unten is“<br />

(Anhang, S. 187 Z. 92f).<br />

Auch hier wirkt sich die Belastung durch die Schulden offenbar auf alle<br />

Lebensbereiche aus. Desweiteren sagt die Erzählperson, dass sie ke<strong>in</strong>e<br />

Perspektive mehr <strong>in</strong> ihrem Leben gesehen habe und das Gefühl hatte <strong>in</strong> den<br />

schlechten Umständen gefangen zu se<strong>in</strong>. Die Aussage „du bist gesunken“<br />

(Anhang, S. 187 Z. 95) macht deutlich, dass <strong>der</strong> Interviewte se<strong>in</strong>en<br />

ursprünglichen sozialen Status verloren und nun e<strong>in</strong> negatives Bild von sich<br />

selbst hat.<br />

Die Schulden werden als e<strong>in</strong>e „bergehohe“ psychische Last beschrieben. Mit<br />

dieser Metapher zeigt sich noch e<strong>in</strong>mal die ansche<strong>in</strong>ende Unüberw<strong>in</strong>dbarkeit<br />

des Problems für den Befragten.<br />

Unterstützung habe <strong>der</strong> Interviewte aus se<strong>in</strong>em privaten Umfeld nicht<br />

erwarten können. Er habe mit se<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>anziellen Situation alle<strong>in</strong>e<br />

zurechtkommen müssen. Die Tatsache, dass er niemanden hatte mit dem<br />

46


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

er sich austauschen o<strong>der</strong> um Rat fragen konnte, hat die psychische<br />

Belastung vermutlich noch erhöht.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten sagt, er habe Depressionen. Dazu kämen noch<br />

<strong>in</strong>nere Unruhe und gelegentliche Schlafstörungen. Man kann davon<br />

ausgehen, dass diese schlechte Auswirkungen auf das alltägliche Leben<br />

haben und die Depressionen verschlimmern. Der Befragte sche<strong>in</strong>t schlecht<br />

abschalten zu können, weswegen die Schulden zu e<strong>in</strong>em ständigen<br />

Begleiter werden.<br />

Von <strong>der</strong> Verdrängung <strong>der</strong> Schulden berichtet e<strong>in</strong>e weitere Erzählperson<br />

mehrmals <strong>in</strong> ihrem Interview. Die Gläubigerbriefe habe sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Schublade verbannt, um sich nicht näher damit beschäftigen zu müssen. Mit<br />

dieser Strategie hatte sie zunächst e<strong>in</strong>e akzeptable Lösung für sich selbst<br />

gefunden, da sie die For<strong>der</strong>ungen wegen Zahlungsunfähigkeit nicht habe<br />

begleichen können. Dies sei so lange gut gegangen, bis sie irgendwann<br />

Schreiben vom Amtsgericht erhalten und sie Angst vor weiteren<br />

Konsequenzen bekommen hat.<br />

Das Beispiel zeigt, dass es zwar für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit möglich ist die<br />

Verschuldungssituation auszublenden, man von dieser aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

e<strong>in</strong>geholt wird. In zwei Fällen dieser Forschung gaben Briefe vom<br />

Amtsgericht wegen e<strong>in</strong>er Kontopfändung, beziehungsweise <strong>der</strong> Besuch des<br />

Gerichtsvollziehers, den endgültigen Anstoß dazu Hilfe zu suchen und <strong>in</strong><br />

Anspruch zu nehmen. Die Betroffenen haben dem Druck offenbar relativ<br />

lange Stand gehalten, da sowohl bis zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />

Kontopfändung, als auch bis zum Besuch des Gerichtsvollziehers, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel e<strong>in</strong>ige Zeit verstreicht.<br />

Dass von Überschuldung betroffene Menschen das Aufsuchen e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle lange h<strong>in</strong>auszögern, ist auch e<strong>in</strong> Ergebnis des iff-<br />

Überschuldungsreports 2009. Dort wurde ermittelt, dass zwischen dem<br />

ersten, eigenen Feststellen, dass man überschuldet ist und <strong>der</strong><br />

Kontaktaufnahme zu e<strong>in</strong>er <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle, durchschnittlich knapp<br />

vier Jahre liegen. Die Angaben hierzu haben sehr geschwankt und <strong>der</strong><br />

47


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Maximalwert weist e<strong>in</strong>e Wartezeit von über zwölf Jahren auf (vgl.<br />

Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 21).<br />

Drei <strong>der</strong> sieben Interviewten sagen, <strong>der</strong> Schritt zum ersten<br />

Beratungsgespräch sei von Scham und Angst begleitet gewesen sei. Auch<br />

daraus lässt sich schließen, dass bis zur ersten Kontaktaufnahme e<strong>in</strong>ige Zeit<br />

verstrichen ist, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Befragten vielleicht schon realisiert haben, dass<br />

sie <strong>der</strong> Hilfe bedürfen. Beim Aufsuchen <strong>der</strong> Beratungsstelle empf<strong>in</strong>den diese<br />

Personen Scham Schulden zu haben und haben wahrsche<strong>in</strong>lich Angst vor<br />

den Konsequenzen des langen Aufschiebens. Denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

wären die Gläubiger eventuell noch verhandlungsbereit und e<strong>in</strong>e<br />

außergerichtliche E<strong>in</strong>igung vielleicht noch durchführbar war. Zum<strong>in</strong>dest aber<br />

hätten Kosten, die durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen entstehen, und<br />

auflaufende Z<strong>in</strong>sen e<strong>in</strong>gespart werden können. Es wird deutlich, dass e<strong>in</strong>e<br />

besserer Bekanntheitsgrad und die Transparenz <strong>der</strong><br />

Unterstützungsmöglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

nötig s<strong>in</strong>d, um diesen Menschen die Angst vor <strong>der</strong> ersten Kontaktaufnahme<br />

zu nehmen.<br />

Bis zum Äußersten habe e<strong>in</strong>e Erzählperson versucht, die Raten an die<br />

Gläubiger weiter zu zahlen, mit <strong>der</strong> Folge, dass das Girokonto immer weiter<br />

<strong>in</strong>s Soll gerutscht ist. Eigene Regulierungsversuche, wie das Verhandeln mit<br />

<strong>der</strong> Bank o<strong>der</strong> die Aufnahme e<strong>in</strong>es Arbeitgeberdarlehens, seien gescheitert.<br />

Das Aufsuchen <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle war auch <strong>in</strong> diesem Fall<br />

offenbar <strong>der</strong> letzte Ausweg.<br />

Nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten räumt e<strong>in</strong>, dass er selbst daran schuld ist, dass<br />

er die Beratungsstelle erst spät <strong>in</strong> Anspruch genommen hat: „ich hätt ja das<br />

schon längst h<strong>in</strong>ter mir haben mir waren ehrlich gesagt zu faul (1) wir<br />

haben das ja nit so ernst genommen (1) das h<strong>in</strong> und her diese Belastung<br />

und so weiter“ (Anhang, S. 188 Z. 113ff).<br />

Von familiären Problemen berichtet e<strong>in</strong>e Erzählperson. Diese seien durch<br />

ständigen Streit und gegenseitigen Vorwürfen zwischen ihr und ihrem Mann<br />

gekennzeichnet gewesen. Hier wird deutlich, dass nicht nur <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne<br />

Betroffene mit <strong>der</strong> Überschuldung zurechtkommen muss, son<strong>der</strong>n auch das<br />

48


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

nähere Umfeld, wie die Familie, zum<strong>in</strong>dest auf emotionaler Ebene <strong>in</strong>volviert<br />

ist. Meist kommt aber auch dazu, dass sich <strong>der</strong> gesamte Haushalt f<strong>in</strong>anziell<br />

e<strong>in</strong>schränken muss.<br />

„Auf Grund <strong>der</strong> Pfändungs- und <strong>der</strong> sonstigen Zwangsvollstreckungsversuche <strong>der</strong><br />

Gläubiger kommt es zu e<strong>in</strong>er erheblichen Belastung <strong>der</strong> Haushalte mit<br />

Auswirkungen nicht nur auf die wirtschaftliche Situation, son<strong>der</strong>n auch auf die<br />

Gesundheit, die Belastbarkeit und die Teilhabemöglichkeiten <strong>der</strong> zum Haushalt<br />

gehörenden Personen – und hier <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> – am sozialen Leben. Hier<br />

setzen eher sozialwissenschaftliche Def<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> Überschuldung an, wonach<br />

Überschuldung zu e<strong>in</strong>er ökonomischen und psychosozialen Destabilisierung von<br />

Schuldnern führt“ (Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 14f).<br />

Die Auswirkungen <strong>der</strong> Schulden s<strong>in</strong>d demnach sehr vielfältig. Die<br />

Ehe/Partnerschaft und die Erziehung o<strong>der</strong> das Verhältnis zu den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

können <strong>in</strong> Mitleidenschaft gezogen werden. Außerdem können negative<br />

Effekte auf die Gesundheit und die Psyche festgestellt werden, was sich<br />

wie<strong>der</strong>um auf die Kontakte zu den Mitmenschen auswirkt.<br />

Das Verhältnis von Armut, Schulden und Gesundheit wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie<br />

belegt. Acht von zehn überschuldeten Personen geben dort an, dass sie<br />

krank seien, wobei psychische Erkrankungen mit ungefähr 40% am<br />

häufigsten genannt werden (vgl. 3. Armuts- und Reichtumsbericht <strong>der</strong><br />

Bundesregierung 2008, S. 53).<br />

Die psychische Belastung vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n wird immer wie<strong>der</strong> von den<br />

Befragten <strong>in</strong> die Erzählung aufgenommen. Trotz <strong>der</strong> mittlerweile <strong>in</strong><br />

Anspruch genommenen Hilfe, lässt sie dieses Thema nicht los. Der<br />

Leidensweg <strong>der</strong> Menschen könnte gegebenenfalls durch e<strong>in</strong>e umfassen<strong>der</strong>e<br />

Öffentlichkeitsarbeit und spezielle Präventionsveranstaltungen verkürzt<br />

werden, damit sie den Weg <strong>in</strong> die <strong>Schuldnerberatung</strong> schneller f<strong>in</strong>den.<br />

49


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

4.4 Erwartungen an die Beratung<br />

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Befragten sich kaum zu ihren<br />

Erwartungen an die Beratung äußern, trotz expliziter Nachfrage. Das kann<br />

daran liegen, dass die meisten im Vorfeld nichts von <strong>der</strong> Existenz von<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> wussten und, wie vorangehend schon dargestellt, sich<br />

bei Kontaktaufnahme nur wenige über das Angebot und die Vorgehensweise<br />

von <strong>Schuldnerberatung</strong> <strong>in</strong>formiert haben.<br />

Zwei Erzählpersonen sagen, sie hätten nicht viele Erwartungen an die<br />

Beratung gehabt. E<strong>in</strong>e von ihnen rechnete aber mit e<strong>in</strong>em großen<br />

Arbeitsaufwand, da sie viele Schulden hatte. In diesem Fall wird <strong>der</strong> Umfang<br />

<strong>der</strong> Beratung an Hand <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungshöhe und <strong>der</strong> Gläubigeranzahl<br />

festgemacht, an<strong>der</strong>e Aspekte, wie zum Beispiel ihre eigene Mitarbeit, fließen<br />

<strong>in</strong> die Vorstellung <strong>der</strong> befragten Person nicht mit e<strong>in</strong>.<br />

Durch die Beratung Zeit zu gew<strong>in</strong>nen, um die Schulden später abzahlen zu<br />

können, erhofften sich zwei <strong>der</strong> Interviewten:<br />

„sie mir den gewisse Zeit geben (.) wo ich mich dann erhole“ (Anhang, S.<br />

189 Z. 196).<br />

„ich (2) wollt dass es stillgelegt wird also dass nicht weitere Rechnungen<br />

und Mahngebühren und alles“ (Anhang, S. 189 Z. 199f).<br />

In diesen beiden Fällen erwarten die Befragten ke<strong>in</strong>e abschließende Lösung<br />

ihrer f<strong>in</strong>anziellen Probleme durch die Beratungsstelle, son<strong>der</strong>n wollten mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> Berater das Verständnis <strong>der</strong> Gläubiger gew<strong>in</strong>nen die For<strong>der</strong>ung zu<br />

stunden, bis sich ihre psychische und f<strong>in</strong>anzielle Lage wie<strong>der</strong> verbessert hat<br />

und die Ratenzahlungen wie<strong>der</strong> aufgenommen werden können. Außerdem<br />

sollte e<strong>in</strong> weiteres Auflaufen von Kosten durch wie<strong>der</strong>kehrende<br />

Gläubigeranschreiben und Mahngebühren verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden, damit die<br />

Schulden nicht anwachsen.<br />

50


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Kaum Hilfe von <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> erwartet hat e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten.<br />

Er sagt, dass er ganz an<strong>der</strong>e, negative Erwartungen gehabt habe, die sich<br />

nicht bewahrheitet haben.<br />

„ich hatte bei <strong>der</strong> Institution_1 (1) ke<strong>in</strong>e Zukunft gesehn ja also ich hab mir<br />

das wirklich praktisch n schwarzes Bild selber gemalt schon vorab bevor ich<br />

hier überhaupt angefangen habe“ (Anhang, S. 190 Z. 205ff).<br />

Es ist bemerkenswert, dass er trotz se<strong>in</strong>er schlechten Me<strong>in</strong>ung über die<br />

Beratung, dieser überhaupt e<strong>in</strong>e Chance gegeben hat. Da dieser Interviewte<br />

von Arbeitslosengeld II lebt, liegt die Vermutung nahe, dass die Teilnahme<br />

an e<strong>in</strong>er <strong>Schuldnerberatung</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsvere<strong>in</strong>barung mit dem<br />

Job Center aufgenommen wurde und er deswegen verpflichtend das<br />

Beratungsangebot angenommen hat. Die Missachtung <strong>der</strong> Inhalte <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsvere<strong>in</strong>barung hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong> Sanktionierung des<br />

Arbeitslosengelds II zur Folge (vgl. § 15 und § 16a Sozialgesetzbuch,<br />

Zweites Buch).<br />

Der Besuch <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> wird im Fall dieses Befragten, trotz des<br />

Gefühls, dass diese nicht helfen kann, wahrsche<strong>in</strong>lich als das kle<strong>in</strong>ere <strong>der</strong><br />

ihm drohenden Übel angesehen.<br />

4.5 Auswirkungen <strong>der</strong> Beratung auf die<br />

Verschuldungssituation<br />

Alle sieben Interviewten geben an, das Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren sei<br />

das Ziel ihrer Beratung, zwei von ihnen s<strong>in</strong>d schon im Verfahren. Froh über<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Chance zur Regulierung <strong>der</strong> Schulden s<strong>in</strong>d zwei <strong>der</strong><br />

Befragten.<br />

Die Beratung wird von den meisten als hilfreich angesehen, bezüglich <strong>der</strong><br />

Korrespondenz und den Verhandlungen mit den Gläubigern. Eigene<br />

Versuche mit diesen Kontakt aufzunehmen werden als weniger erfolgreich<br />

e<strong>in</strong>geschätzt, wie dieser Auszug aus e<strong>in</strong>em Interview zeigt: „wenn ich das<br />

selbst gemacht hätte (1) dann glaub ich nicht dass mir das die Zeit gelassen<br />

hätten“ (Anhang, S. 190 Z. 236f).<br />

51


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Mit Unterstützung <strong>der</strong> Berater wurden Schreiben aufgesetzt, <strong>in</strong> denen die<br />

Gläubiger auf die aktuelle Situation des Schuldners h<strong>in</strong>gewiesen worden<br />

seien, was zur Folge hatte, dass sie sich seltener meldeten. Bedenkt man<br />

die psychische Verfassung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interviewten, s<strong>in</strong>d weniger<br />

Gläubigerschreiben sicherlich die erste spürbare Entlastung <strong>der</strong> Beratung.<br />

Neben <strong>der</strong> Entschuldung durch das Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren als<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Beratung, geben drei <strong>der</strong> Befragten an, mit dem Geld, das<br />

ihnen zur Verfügung steht, besser zurecht zu kommen. E<strong>in</strong>e von ihnen<br />

beschreibt, ihr Berater habe Möglichkeiten für sie aufgezeigt, im Alltag Geld<br />

e<strong>in</strong>zusparen. Dazu hätten die Befreiung vom Entrichten <strong>der</strong> Rundfunkgebühr<br />

für Arbeitslosengeld II-Empfänger und die Beantragung e<strong>in</strong>es<br />

Sozialausweises, um vergünstigten E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> Museen, Schwimmbä<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />

ähnliches zu bekommen, gehört.<br />

Die <strong>Schuldnerberatung</strong> spielt demnach nicht nur e<strong>in</strong>e Rolle für die<br />

Entschuldung, son<strong>der</strong>n kann sich auch nachhaltig positiv auf e<strong>in</strong>e stabile<br />

f<strong>in</strong>anzielle Lage <strong>der</strong> Betroffenen auswirken. Durch die Weitergabe, von unter<br />

an<strong>der</strong>em den oben genannten Informationen, kann e<strong>in</strong>e erneute<br />

Verschuldung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t und e<strong>in</strong>e Teilhabe am kulturellen Leben kann auch<br />

mit wenigen f<strong>in</strong>anziellen Mitteln aufrecht erhalten werden, was wie<strong>der</strong>um<br />

e<strong>in</strong>en bedeutenden Effekt auf die Psyche <strong>der</strong> beratenen Personen hat.<br />

E<strong>in</strong>e Erzählperson sagt, sie habe erst durch die Beratung e<strong>in</strong>en Überblick<br />

über ihre Schulden bekommen. Vorher hätte sie we<strong>der</strong> gewusst wie hoch<br />

ihre Verschuldung ist, noch wo sie überall Schulden hat. Diese Gewissheit<br />

führt vermutlich zu e<strong>in</strong>er gewissen Beruhigung, da sie nicht ständig das<br />

Gefühl haben muss, dass noch irgende<strong>in</strong> weiterer Gläubiger auf sie<br />

zukommen kann.<br />

52


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

4.6 Auswirkungen <strong>der</strong> Beratung auf Ratsuchende<br />

Die Wirkung auf sich selbst bewerten alle Befragten sehr positiv, psychische<br />

Belastungen haben sich durchweg reduziert. Sowohl die jeweilige Wortwahl<br />

als auch die geschil<strong>der</strong>ten Emotionen ähneln sich <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interviews: die Befragten fühlen sich „lockerer“, „leichter“, „besser“ und die<br />

Depressionen s<strong>in</strong>d weniger geworden.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten empf<strong>in</strong>det, wie im vorherigen Kapitel angesprochen,<br />

Erleichterung dadurch, dass weniger Gläubigerschreiben e<strong>in</strong>treffen. Er<br />

wie<strong>der</strong>holt mehrmals, dass er sich „locker“ fühlt und er glücklich darüber<br />

ist, dass im Grunde genommen erst e<strong>in</strong>mal „Waffenstillstand“ zwischen ihm<br />

und se<strong>in</strong>en Gläubigern herrscht.<br />

„locker ganz locker (.) ganz locker und so viel Papierkrieg wie vorher is nich<br />

mehr und ich b<strong>in</strong> auch froh dafür (.) (leiser) /also ganz locker/“ (Anhang, S.<br />

191 Z. 291ff).<br />

In welchen Bereichen Verbesserungen e<strong>in</strong>getreten s<strong>in</strong>d, beschreibt e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terviewten Personen sehr umfassend: sie habe ihren Lebenss<strong>in</strong>n<br />

wie<strong>der</strong>gefunden, die Kraft zum Atmen sei wie<strong>der</strong> da, die Schlafstörungen<br />

seien weniger geworden, die psychische Verfassung habe sich verbessert,<br />

ihre Beziehung zu Menschen und die generelle Lebense<strong>in</strong>stellung hätten sich<br />

positiv verän<strong>der</strong>t. Der Befragte bestärkt sich selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wandlung,<br />

habe Respekt vor sich selbst und schätze se<strong>in</strong>e eigene Entwicklung als<br />

„Meisterleistung“ e<strong>in</strong>. An dieser Stelle wird deutlich, dass die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> e<strong>in</strong>en bedeutenden E<strong>in</strong>fluss auf das Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Ratsuchenden haben kann und verloren geglaubte Ressourcen<br />

reaktiviert werden können.<br />

Außerdem hat <strong>der</strong> Interviewte se<strong>in</strong>e sozialen Kontakte wie<strong>der</strong><br />

aufgenommen, was e<strong>in</strong> wichtiger Schritt für e<strong>in</strong>e andauernde, verbesserte<br />

psychische Verfassung se<strong>in</strong> kann, denn <strong>der</strong> Umgang mit an<strong>der</strong>en Menschen<br />

unterstützt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel gutes Lebensgefühl.<br />

53


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

An<strong>der</strong>e Befragte schil<strong>der</strong>n, dass die Beratung e<strong>in</strong>en positiven Effekt auf die<br />

ganze Familie hat: „dass es dann halt dann für uns ganze Familie gut tun<br />

würde“ (Anhang, S. 192 Z. 316f) und dass sich die Anspannungen zwischen<br />

den Eheleuten reduzieren: „also me<strong>in</strong> Mann und ich auch selber (2) viel viel<br />

besser geworden“ (Anhang, S. 192, Z. 339f).<br />

Bedenkt man, dass <strong>in</strong> überschuldeten Haushalten überdurchschnittlich oft<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> leben und diese <strong>in</strong> Zeiten des f<strong>in</strong>anziellen Missstandes belasteten<br />

Eltern ausgesetzt s<strong>in</strong>d, gew<strong>in</strong>nt diese erleichternde Auswirkung <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> e<strong>in</strong>e noch wichtigere Bedeutung (vgl.<br />

Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 22).<br />

Das Wissen um e<strong>in</strong>en festen Ansprechpartner <strong>in</strong> Sachen Schulden hat e<strong>in</strong>e<br />

beruhigende Wirkung auf e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> sieben Interviewten.<br />

E<strong>in</strong>er von ihnen berichtet, er wende sich nur noch an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>, wenn er zu diesem Thema Fragen hat und klammere<br />

dieses gänzlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em privaten Umfeld aus.<br />

Sie fühle sich leichter und weniger depressiv, berichtet e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Erzählperson und f<strong>in</strong>det es schön, dass sie e<strong>in</strong>e Unterstützung im Umgang<br />

mit den Gläubigern gefunden habe.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Interviewter sagt, dass se<strong>in</strong> Kopf wie<strong>der</strong> freier geworden sei.<br />

Der E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Schulden überschatte nicht mehr alle se<strong>in</strong>er<br />

Lebensbereiche, wodurch er lockerer mit ihnen umgehen könne.<br />

Abschließend lässt sich sagen, dass durch die Beratung die Ängste <strong>der</strong><br />

Befragten abgebaut werden konnten, die teilweise durch mangelndes<br />

Wissen entstanden s<strong>in</strong>d.<br />

54


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

4.7 Berater<br />

Die Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Befragten zu ihren Beratern ist durchweg positiv. Nur e<strong>in</strong>e<br />

Interviewte berichtet, dass sie mit e<strong>in</strong>em Berater unzufrieden war, weil<br />

dieser sie nach ihrem E<strong>in</strong>druck nicht ausreichend <strong>in</strong>formiert habe. Dies sei<br />

bei ihrem jetzigen Berater aber ganz an<strong>der</strong>s.<br />

Sechs <strong>der</strong> Befragten stellen die Hilfe und Unterstützung <strong>der</strong> Berater <strong>in</strong> den<br />

Vor<strong>der</strong>grund und gehen auch wie<strong>der</strong>holt im Laufe <strong>der</strong> Interviews darauf e<strong>in</strong>.<br />

Aussagen wie „er hat sehr sehr viel geholfen“ (Anhang, S. 193 Z. 364), „sie<br />

hat mir den Weg gezeigt“ (Anhang, S. 193 Z. 398), „sehr hilfsbereit“<br />

(Anhang, S. 194 Z. 428) und „die hat uns gezeigt (1) wie wir dann<br />

weitermachen sollen“ (Anhang, S. 195 Z. 477f) zeigen, dass die<br />

Unterstützung für die Beratenen sehr wichtig ist und dass sie diese <strong>in</strong> Form<br />

von Ratschlägen für die Zukunft auch gerne annehmen.<br />

Vertrauen spielt für die Befragten ebenfalls e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. E<strong>in</strong>ige gehen<br />

explizit auf dieses Thema e<strong>in</strong>, bei an<strong>der</strong>en lässt sich aus dem Kontext<br />

erschließen, dass zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Vertrauen vorhanden ist, da<br />

sie sich dem Berater öffnen und mit ihm über ihre f<strong>in</strong>anziellen Probleme<br />

sprechen konnten.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten sagt, er habe das Gefühl se<strong>in</strong>e Berater<strong>in</strong> schon lange<br />

Zeit zu kennen und ihr deswegen bl<strong>in</strong>d vertraue. Bedenkt man, dass sich<br />

dieses Vertrauen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>iger Beratungskontakte aufgebaut hat, kann<br />

man zu dem Schluss kommen, dass ihm die Unterstützung se<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong><br />

sehr geholfen und e<strong>in</strong>en positiven Effekt auf se<strong>in</strong> Leben hat. Er stellt heraus,<br />

dass er e<strong>in</strong> „sehr sehr gutes Verhältnis“ (Anhang, S. 193 Z. 391) zu se<strong>in</strong>er<br />

Berater<strong>in</strong> hat und dass dieses mit e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Person nur schwer möglich<br />

wäre. Die Beziehung zu dieser speziellen Berater<strong>in</strong> wird von ihm offenbar<br />

als so beson<strong>der</strong>s angesehen, dass sie für ihn nur schwer ersetzbar o<strong>der</strong><br />

austauschbar zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t.<br />

Gegenseitiges Vertrauen ist für e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erzählperson e<strong>in</strong>e<br />

Grundvoraussetzung <strong>der</strong> Beratung. Wenn dies nicht gegeben wäre, würde<br />

55


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

sie die Beratungsstelle nicht weiter aufsuchen, sagt sie. Außerdem sieht sie<br />

für sich selbst Nachteile, wenn sie ihren Berater belügen würde. Hier spielt<br />

auch das Vertrauen des Beraters <strong>in</strong> den Ratsuchenden e<strong>in</strong>e Rolle. Hätte <strong>der</strong><br />

Befragte das Gefühl, dass ihm dieses nicht entgegengebracht würde, würde<br />

er sich <strong>in</strong> den Beratungsgesprächen vermutlich nicht wohl und<br />

wertgeschätzt fühlen und diesen fern bleiben.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Interviewter berichtet: „ja es war für mich wie Familie (.) […]<br />

wie Schwester wie e<strong>in</strong>e Strohhalm (.) […] so fühl ich mich hier an e<strong>in</strong>e<br />

Sicherheit (.) wenn ich nicht mehr weiß“ (Anhang, S. 194 Z. 445ff).<br />

Das Vertrauen geht <strong>in</strong> diesem Fall so weit, dass die Berater<strong>in</strong> aus ihrem<br />

professionellen Rahmen herausgehoben wird und gefühlsmäßig eher wie e<strong>in</strong><br />

Familienmitglied angesehen wird. Sie ist e<strong>in</strong>e Retter<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Not, an die sich<br />

<strong>der</strong> Befragte wenden kann, wenn er Probleme hat. Es hat den Ansche<strong>in</strong>,<br />

dass es dem Befragten schwer fällt zwischen professioneller Unterstützung<br />

und gegenseitiger Hilfe <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie zu unterscheiden. Die<br />

Beratungsstelle sche<strong>in</strong>t für ihn e<strong>in</strong>e Art Schutzraum zu se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem er<br />

Lösungsangebote für se<strong>in</strong>e Probleme bekommt.<br />

Das Geschlecht des Beraters spielt für die meisten <strong>der</strong> Befragten ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle. Nur zwei männliche Erzählpersonen geben an, dass sie lieber von<br />

Frauen beraten werden, da diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>fühlsamer seien.<br />

Deswegen könnten sie sich e<strong>in</strong>er Berater<strong>in</strong> gegenüber leichter öffnen und<br />

Vertrauen fassen. Mit dieser Aussage wird das recht gängige Vorurteil<br />

wi<strong>der</strong>legt, dass türkische Männer wenig Respekt vor Frauen hätten und<br />

Probleme damit haben <strong>der</strong>en Ratschläge anzunehmen (vgl.<br />

Königse<strong>der</strong>/Schulze 2005, o.S.).<br />

Im Gegenteil, hier wird die Berater<strong>in</strong> dem Berater ganz klar vorgezogen.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Befragter sagt, dass für ihn nur das Fachwissen e<strong>in</strong>es Beraters<br />

ausschlaggebend sei.<br />

In vielen Beratungsbeziehungen wird nicht nur die f<strong>in</strong>anzielle Situation <strong>der</strong><br />

Ratsuchenden besprochen. Auch an<strong>der</strong>e Lebensbereiche werden zum<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Beratung.<br />

56


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Zwei Erzählpersonen berichten, dass sie private Probleme angesprochen<br />

haben und die Berater darauf unterstützend e<strong>in</strong>gegangen seien.<br />

Ihre generellen Ängste und Probleme könne e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Interviewten mit ihrer<br />

Berater<strong>in</strong> besprechen und sie nehme diese Möglichkeit gerne wahr.<br />

E<strong>in</strong> konkretes Beispiel für die weitreichen<strong>der</strong>e Hilfe ihrer Berater<strong>in</strong> gibt e<strong>in</strong>e<br />

weitere Befragte. Sie ist zum Zeitpunkt des Interviews auf Wohnungssuche<br />

und habe Informationsmaterial zu diesem Thema von ihrer Berater<strong>in</strong><br />

bekommen.<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erzählperson beschreibt recht ausführlich, wie ihre<br />

Beratungsgespräche ablaufen und was <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Rahmen thematisiert wird:<br />

„ja also da wird (.) alles was auf dem Herzen kommt wird da beraten (.) gut<br />

beraten wenn wir dann halt kommen da vergessen wir die Zeit da wird also richtig<br />

<strong>in</strong>s Thema und was ich auch schön f<strong>in</strong>de is so (.) zuerst (.) was ich persönlich erst<br />

mal auf dem Herzen hab weil die Berater<strong>in</strong> schon notiert hat was sie (.) für Fragen<br />

stellt und ich nicht das heißt was ich jetzt momentan was ich auf dem Herzen habe<br />

das br<strong>in</strong>g ich rüber ja (.) so und dann (.) kommt sie dann halt mit ihren Fragen an<br />

und dabei wo wir dann das Gespräch haben wenn mir dann wie<strong>der</strong> was e<strong>in</strong>fällt (.)<br />

dann bitt ich um Entschuldigung und dann sag ich ich hab da noch ne Frage die is<br />

mir e<strong>in</strong>gefallen und sofort ke<strong>in</strong> Problem (2) und dadurch (1) is sie dann halt sehr<br />

hilfsbereit ich b<strong>in</strong> sehr zufrieden muss ich sagen“ (Anhang, S. 194 Z. 416ff).<br />

Der Befragte hat den E<strong>in</strong>druck, dass ihm ausreichend Gelegenheit und vor<br />

allem Zeit gegeben werde, se<strong>in</strong>e Probleme zu thematisieren und dass se<strong>in</strong>e<br />

Berater<strong>in</strong> gut auf ihn e<strong>in</strong>geht. Es würden nicht nur die Fragen, die sich die<br />

Berater<strong>in</strong> schon im Vorfeld notiert hat und die vermutlich hauptsächlich für<br />

die Schuldenregulierung relevant s<strong>in</strong>d, abgearbeitet. Diese dürften von dem<br />

Interviewten unterbrochen werden, wenn ihm noch etwas e<strong>in</strong>fiele das er<br />

klären möchte. Für ihn sche<strong>in</strong>en diese Kriterien die gute Qualität <strong>der</strong><br />

Beratung auszumachen.<br />

Es wird deutlich, dass die Berater, trotz <strong>der</strong> <strong>in</strong> den meisten<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen existierenden Wartelisten, auf den Menschen,<br />

den sie gerade vor sich haben, umfassend e<strong>in</strong>gehen. Die Beratung<br />

beschränkt sich nicht auf die Überschuldungsproblematik <strong>der</strong> Ratsuchenden.<br />

57


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Gelegenheit über Belastungen, zum Beispiel im privaten Bereich, zu<br />

sprechen, ist gegeben.<br />

Informationen zu an<strong>der</strong>en Themengebieten werden an passen<strong>der</strong> Stelle an<br />

die Ratsuchenden weitergegeben, was voraussetzt, dass <strong>der</strong> Berater<br />

aufmerksam zuhört und se<strong>in</strong> Gegenüber ernst nimmt. Außerdem benötigen<br />

die Berater umfassende Kenntnis von weiteren Hilfsangeboten und<br />

Informationsmöglichkeiten, um <strong>in</strong> angemessener Weise auf ihre Klienten<br />

e<strong>in</strong>gehen zu können.<br />

Weitere Unterstützung wird von den Befragten gerne angenommen.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Interviewten ihre Berater<br />

hauptsächlich loben und „sehr sehr zufrieden“ (Anhang, S. 193 Z. 360),<br />

„voll und ganz zufrieden“ (Anhang, S. 195 Z. 501) o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />

„zufrieden größte Teil“ (Anhang, S. 194 Z. 439) s<strong>in</strong>d. Demnach gibt es<br />

kaum e<strong>in</strong>en Än<strong>der</strong>ungsbedarf <strong>der</strong> Berater im Umgang mit ihren Klienten<br />

o<strong>der</strong> dem Umfang ihrer Beratung. Die Interviewten fühlen sich gut<br />

aufgehoben und unterstützt.<br />

4.8 Eigene Mitarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />

Zur eigenen Mitarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung äußert sich nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten<br />

deutlich. Alle an<strong>der</strong>en gehen auf dieses Thema nicht e<strong>in</strong>. Aus e<strong>in</strong>igen<br />

Interviews lässt sich lediglich erschließen, dass sie die Beratungs<strong>in</strong>halte<br />

<strong>in</strong>teressant f<strong>in</strong>den.<br />

„also ich hab nicht e<strong>in</strong>fach gesagt gehabt (.) ich leg jetzt me<strong>in</strong>e Füße hoch<br />

und (1) Sie machen des jetzt alles hier denn (1) für die Sachen (1) b<strong>in</strong> ich<br />

ja zuständig für me<strong>in</strong>e Schulden“ (Anhang, S. 195f Z. 507ff).<br />

Trotz <strong>der</strong> Unterstützung durch die Beratungsstelle fühlt sich <strong>der</strong> Interviewte<br />

weiterh<strong>in</strong> verantwortlich für se<strong>in</strong>e Schulden und möchte bei <strong>der</strong>en<br />

Regulierung mitwirken. Die Arbeit se<strong>in</strong>es Beraters nimmt er ke<strong>in</strong>eswegs<br />

zum Anlass sich von se<strong>in</strong>er Verantwortung zu distanzieren.<br />

58


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Tatsache, dass nur e<strong>in</strong>er auf die eigene Rolle im Entschuldungsprozess<br />

e<strong>in</strong>geht lässt zwei Schlüsse zu: zum e<strong>in</strong>en kann es se<strong>in</strong>, dass die Befragten<br />

das Gefühl haben, dass sie die Verantwortung für die Schulden mit<br />

Beratungsbeg<strong>in</strong>n an den jeweiligen Berater abgegeben haben, zum an<strong>der</strong>en<br />

ist es möglich, dass <strong>der</strong> eigene Beitrag als so selbstverständlich angesehen<br />

wird, dass im Interview nicht darauf e<strong>in</strong>gegangen wird. Trifft letzteres zu,<br />

ist dies als positiv zu bewerten. Sollte sich die erste Annahme als richtig<br />

erweisen, wäre das kritisch zu betrachten. Ziel <strong>der</strong> Beratung ist <strong>in</strong> aller<br />

Regel nämlich nicht, dem Ratsuchenden die Verantwortung für se<strong>in</strong>e<br />

persönlichen Angelegenheiten abzunehmen, son<strong>der</strong>n ihn<br />

ressourcenorientiert dar<strong>in</strong> zu unterstützen, se<strong>in</strong>en Verpflichtungen wie<strong>der</strong><br />

selbst nachkommen zu können. Wird nun aber <strong>der</strong> Berater von den<br />

Ratsuchenden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht gesehen sich alle<strong>in</strong>e um die Regulierung <strong>der</strong><br />

Überschuldung zu kümmern, hätte die <strong>Schuldnerberatung</strong> ihr Ziel verfehlt<br />

und es kann ke<strong>in</strong> nachhaltiger Lerneffekt für die Klienten e<strong>in</strong>treten 9 .<br />

Auf Grund des mangelnden Datenmaterials kann hierzu ke<strong>in</strong>e abschließende<br />

E<strong>in</strong>schätzung erfolgen.<br />

4.9 Kritik/Wünsche<br />

Wie im vorangegangenen Kapitel „Berater“ bereits beschrieben, s<strong>in</strong>d die<br />

Befragten mit ihren Beratern weitestgehend zufrieden. Aber auch sonst<br />

bleiben kaum offene Wünsche. Zur Beratung an sich gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Verbesserungsvorschläge seitens <strong>der</strong> Interviewten.<br />

E<strong>in</strong>er von ihnen äußert sich wie folgt: „diese Recht habe zu sagen ich will<br />

das e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung (.) das würd ich mir nicht zutrauen“ (Anhang, S. 196<br />

Z. 519).<br />

Er sche<strong>in</strong>t so glücklich o<strong>der</strong> dankbar um das vorhandene Beratungsangebot<br />

zu se<strong>in</strong>, dass er es anmaßend fände Än<strong>der</strong>ungsvorschläge zu machen.<br />

9 Siehe hierzu auch Kapitel 1.1.3 unter „Hilfe zur Selbsthilfe“<br />

59


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Zwei <strong>der</strong> Befragten geben an, sie fänden den E<strong>in</strong>satz von Dolmetschern<br />

s<strong>in</strong>nvoll. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass <strong>der</strong> Interviewer das<br />

Thema „Dolmetscher“ <strong>in</strong> beiden Fällen angeschnitten hat und dieser<br />

Vorschlag somit nicht von den Erzählpersonen selbst kommt.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs haben beide die Idee e<strong>in</strong>en Dolmetscher <strong>in</strong> die Beratung<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den positiv aufgenommen. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden berichtet <strong>in</strong> dem<br />

Zusammenhang, er sei selbst schon als Übersetzer für e<strong>in</strong>en Bekannten mit<br />

zur Beratung gekommen.<br />

Wenn auch nicht für sich selbst, so sehen beide generell e<strong>in</strong>en Bedarf für<br />

Dolmetscher <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>.<br />

„es s<strong>in</strong>d viele ausländische Bürger (.) die dann halt sagen ich hab<br />

Sprachprobleme kannst du mir mal helfen?“ (Anhang, S. 196 Z. 542f).<br />

Daran sieht man, dass e<strong>in</strong>ige den Weg <strong>in</strong> die Beratungsstelle gar nicht erst<br />

auf sich nehmen, da sie davon ausgehen, dass ihre Deutschkenntnisse nicht<br />

ausreichen, um e<strong>in</strong>em Beratungsgespräch folgen zu können. Um diese<br />

Menschen zu erreichen, wäre es wichtig Informationsbroschüren auf<br />

Türkisch zur Verfügung zu stellen, kurzfristig e<strong>in</strong>en Dolmetscher<br />

h<strong>in</strong>zuziehen zu können und diese Möglichkeit auch bekannt zu machen, zum<br />

Beispiel auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> jeweiligen Institution o<strong>der</strong> durch Flyer.<br />

Die Räumlichkeiten <strong>der</strong> Institution, <strong>der</strong>en enger Flur als „Wartezimmer“<br />

genutzt wird, kritisiert e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten. Er wünsche sich e<strong>in</strong>e<br />

angenehmere Warteatmosphäre und weniger Menschen, die geme<strong>in</strong>sam auf<br />

engem Raum warten müssen. Hier lässt sich herauslesen, dass mehr<br />

Diskretion <strong>in</strong> den Räumen <strong>der</strong> Beratungsstelle notwendig ist, da <strong>der</strong>en<br />

Aufsuchen bei e<strong>in</strong>igen <strong>der</strong> Interviewten ohneh<strong>in</strong> schon schambelastet ist.<br />

E<strong>in</strong>e Erzählperson sieht den Bedarf nach mehr Personal <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>, weil nach ihrer E<strong>in</strong>schätzung immer mehr Personen<br />

f<strong>in</strong>anzielle Probleme haben und somit die Nachfrage an Beratung weiter<br />

anwachsen werde. Das Existieren von Wartezeiten bis zum Beratungsbeg<strong>in</strong>n<br />

untermauert die For<strong>der</strong>ung des Interviewten.<br />

60


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Den Wunsch nach mehr Beratungsterm<strong>in</strong>en, beziehungsweise nach<br />

Term<strong>in</strong>en <strong>in</strong> kürzeren Zeitabständen, äußern zwei <strong>der</strong> sieben Befragten.<br />

E<strong>in</strong>er von ihnen berichtet, dass es drei bis vier Wochen dauert bis zum<br />

Stattf<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es Folgeterm<strong>in</strong>s, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gibt e<strong>in</strong>e Wartezeit von vier bis<br />

sechs Wochen an. Warum sie zeitnähere Term<strong>in</strong>e benötigen, sagen sie<br />

nicht. Es sche<strong>in</strong>t dem Anliegen ke<strong>in</strong>e fachliche Notwendigkeit, dass sie sich<br />

beispielsweise mit ihrer Schuldensituation zu lange alle<strong>in</strong>e gelassen fühlen<br />

o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d, zu Grunde zu liegen. E<strong>in</strong> mögliches Motiv für den<br />

Wunsch könnte das Bedürfnis se<strong>in</strong>, regelmäßiger jemanden zum Reden zu<br />

haben.<br />

4.10 Unterstützung im privaten Umfeld<br />

Zum Thema Unterstützung im privaten Umfeld s<strong>in</strong>d die Erfahrungen und<br />

<strong>der</strong>en Inanspruchnahme geteilt. E<strong>in</strong>ige können mit <strong>der</strong> Familie und auch mit<br />

Freunden über ihre f<strong>in</strong>anzielle Situation und an<strong>der</strong>e Probleme sprechen,<br />

an<strong>der</strong>e haben diese Möglichkeiten überhaupt nicht.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten sagt, er spreche mit se<strong>in</strong>en Freunden zwar über se<strong>in</strong>e<br />

Schwierigkeiten und man gebe sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> Ratschläge, „aber nicht<br />

natürlich (.) <strong>in</strong>tensiv sagt gewisse Sachen wenns <strong>in</strong>tim se<strong>in</strong> also wenns<br />

detailliert dann machen wir zu Hause so zum Beispiel mit me<strong>in</strong>er Frau o<strong>der</strong><br />

(.) mit me<strong>in</strong>er Mutter“ (Anhang, S. 197 Z. 587ff).<br />

Bei ihm spielen se<strong>in</strong>e Frau und se<strong>in</strong>e Mutter e<strong>in</strong>e wichtige unterstützende<br />

Rolle. Ihnen sche<strong>in</strong>t er vieles anvertrauen zu können und nimmt <strong>der</strong>en Rat<br />

an.<br />

Dass ihre Familie <strong>in</strong> dieser für sie belastenden Situation zu ihr stehe und ihr<br />

helfe, gibt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erzählperson an.<br />

Für e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Interviewten sei die Mutter e<strong>in</strong>e bedeutsame<br />

Vertrauensperson.<br />

In diesen Beispielen existiert e<strong>in</strong> starkes familiäres Netzwerk, <strong>in</strong> dem man<br />

sich gegenseitig vertraut und man auf dessen Unterstützung baut.<br />

61


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Den Freundeskreis stellt e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten <strong>in</strong> den Mittelpunkt. Hier<br />

gebe es Menschen, denen er sich anvertrauen und von denen er<br />

Informationen e<strong>in</strong>holen kann, „weil je<strong>der</strong> verbesserte Vorschlag br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en<br />

immer n Schritt weiter“ (Anhang, S. 197 Z. 601f).<br />

Es zeigt sich, dass auch Freunde e<strong>in</strong> wichtiges Netzwerk für die<br />

Problembewältigung se<strong>in</strong> können.<br />

Vier <strong>der</strong> Befragten sagen, mit Freunden könnten und wollten sie eher nicht<br />

über ihre Probleme sprechen, bei drei von ihnen sei auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Familie ke<strong>in</strong> Gespräch möglich.<br />

„Bekannte konnt ich nicht darüber reden (.) und Familie (.) g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Ohr re<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>e Ohr wie<strong>der</strong> raus ich habe (1) wirklich niemanden gehabt wo man (1) sich<br />

mal mit dem man reden kann […] das is nit so wo ich sagen kann mit Familie und<br />

so das Verhältnis ist nicht so wo ich da jeden h<strong>in</strong>renne und sage (1) das und das<br />

hab ich“ (Anhang, S. 197f Z. 606ff).<br />

Dieser Interviewte stand vor Beratungsbeg<strong>in</strong>n mit se<strong>in</strong>en Problemen ganz<br />

alle<strong>in</strong> da. Wenn er versucht habe mit jemandem aus se<strong>in</strong>em näheren<br />

Umfeld zu sprechen, habe er nicht die gewünschte Unterstützung erhalten.<br />

Die Beziehung zu se<strong>in</strong>er Familie sei nicht gut genug, um sich ihr<br />

anvertrauen zu können.<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erzählperson habe die Erfahrungen machen müssen, dass sich<br />

e<strong>in</strong>ige Freunde <strong>in</strong> schlechten Zeiten von ihr abgewendet haben, obwohl sie<br />

ihnen gegenüber ihre Probleme nur ansatzweise thematisiert hat.<br />

„viele Bekannte o<strong>der</strong> viele (1) wissen gar net dass wir <strong>in</strong> Beratung s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong><br />

dass wir so <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schwierigkeit Situation s<strong>in</strong>d (.) aber viele Freunde<br />

haben sich irgendwie abgew<strong>in</strong>kelt von uns“ (Anhang, S. 198 Z. 618ff).<br />

Die daraus resultierende soziale Isolation hat bei beiden die<br />

Verschlechterung <strong>der</strong> eigenen psychischen Verfassung bewirkt, wie man im<br />

Verlauf <strong>der</strong> Interviews sehen kann.<br />

Eher für sich selbst entschieden, ihre Probleme nicht mit Freunden o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Familie zu teilen, haben zwei <strong>der</strong> Befragten. E<strong>in</strong>e von ihnen sagt: „wir<br />

wollen nicht so viel privat erzählen“ (Anhang, S. 198 Z. 632).<br />

62


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Nur e<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> habe sie sich anvertraut. Ihr Mann sei von <strong>der</strong><br />

Überschuldung auch betroffen. Vermutlich kann sie sich zum<strong>in</strong>dest mit ihm<br />

austauschen.<br />

Die an<strong>der</strong>e Erzählperson gibt an, sie schäme sich dafür <strong>in</strong> die f<strong>in</strong>anzielle<br />

Notlage geraten zu se<strong>in</strong> und möchte deswegen we<strong>der</strong> mit ihren Freunden,<br />

noch mit ihrer Familie darüber sprechen. Sie geht noch weiter und erklärt:<br />

„dass is denk ich n Tabuthema was man halt (.) nicht jedem“ (Anhang, S.<br />

198 Z. 644f).<br />

Das Verhältnis zu den Freunden und <strong>der</strong> Familie wird vermutlich belastet<br />

se<strong>in</strong>, wenn die f<strong>in</strong>anziellen Probleme verheimlicht werden. Mit<br />

e<strong>in</strong>geschränkten f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten kann nur schwer am<br />

gesellschaftlichen Leben teilgenommen werden. Dies lässt die Vermutung<br />

zu, dass diese Erzählpersonen sich nach und nach isolieren werden o<strong>der</strong> es<br />

schon getan haben. Deswegen ist es s<strong>in</strong>nvoll die Ratsuchenden dar<strong>in</strong> zu<br />

unterstützen offen mit ihrer Situation umzugehen und damit die<br />

Enttabuisierung <strong>der</strong> Themen „Geld“ und „Schulden“ zu begünstigen.<br />

4.11 E<strong>in</strong>kommenssituation<br />

Von den Interviewten geben fünf an, dass sie arbeitslos s<strong>in</strong>d und<br />

Arbeitslosengeld II beziehen. Dadurch s<strong>in</strong>d bei ihnen <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e<br />

Ratenzahlungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Regulierungsmaßnahmen möglich.<br />

„weil ich auch zur Zeit arbeitslos b<strong>in</strong> und ke<strong>in</strong> Geld hab (1) die Schulden<br />

abzuzahlen“ (Anhang, S. 198 Z. 654f).<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten gibt an, das Arbeitslosengeld II würde ihm wegen e<strong>in</strong>er<br />

Sanktion um fünfzig Prozent gekürzt. Somit dürfte ihm kaum ausreichend<br />

Geld verbleiben, um se<strong>in</strong>e Existenz zu sichern.<br />

„das Hartz IV bekomm ich nur fünfzig Prozent f<strong>in</strong>anziell wirklich sehr sehr<br />

schlecht geht“ (Anhang, S. 199 Z. 666f).<br />

Sanktionen des Arbeitslosengelds II kommen laut <strong>der</strong> vom<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und Soziales <strong>in</strong> Auftrag gegebenen Studie<br />

„Wirkungen des SGB II auf Personen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund“ bei<br />

63


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

türkischen <strong>Migranten</strong> deutlich häufiger vor als bei Menschen ohne o<strong>der</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund (vgl. Knuth u.a. 2009, S. 23).<br />

Gründe dafür werden nicht benannt. Von Arbeitslosigkeit betroffen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Deutschland 27,3% <strong>der</strong> Menschen mit türkischem Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

(vgl. Sauer 2009, S. 82).<br />

Ihr Mann arbeite und habe versucht durch Überstunden, das E<strong>in</strong>kommen zu<br />

erhöhen, berichtet e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Interviewten. Sie selbst habe auch noch etwas<br />

Geld dazu verdient. Obwohl beide bemüht waren, die Schulden aus eigener<br />

Kraft zu regulieren, hat das E<strong>in</strong>kommen offensichtlich nicht ausgereicht, um<br />

alle Gläubiger mit Raten zufriedenzustellen.<br />

4.12 Kostenlose Beratung – kostenpflichtige Beratung<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten berichtet, dass er, bevor er das kostenlose<br />

Beratungsangebot <strong>in</strong> Anspruch genommen hat, bei e<strong>in</strong>em kostenpflichtigen<br />

Schuldnerberater Hilfe gesucht habe. Diesen konnte er, auf Grund se<strong>in</strong>er<br />

schlechten f<strong>in</strong>anziellen Lage, nach kurzer Zeit nicht mehr bezahlen. Auf das<br />

kostenlose Beratungsangebot sei er „gestoßen“ (Anhang, S. 199 Z. 679).<br />

Er hat sich also nicht aktiv um e<strong>in</strong>e Alternative bemüht, beziehungsweise<br />

wusste er vielleicht gar nicht, dass es auch kostenlose<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sangebote gibt.<br />

„wenn es da sowas (1) wirklich ohne Kosten gibt (.) b<strong>in</strong> ich bereit des auch<br />

<strong>in</strong> Anspruch zu nehmen“ (Anhang, S. 199 Z. 682f).<br />

Die Tatsache, dass er ke<strong>in</strong> Geld für die Beratung zahlen muss, sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong><br />

wichtiger Beweggrund für die erneute Beratungsaufnahme gewesen zu se<strong>in</strong>.<br />

Über die Leistungen des kostenpflichtigen Schuldnerberaters o<strong>der</strong> ob es<br />

Unterschiede zur jetzigen Beratung gibt, sagt er nichts. Die Vermutung liegt<br />

somit nahe, dass das kostenlose Beratungsangebot qualitativ zum<strong>in</strong>dest<br />

nicht schlechter ist als das kostenpflichtige.<br />

E<strong>in</strong>en „normalen Schuldnerberater“ (Anhang, S. 199 Z. 693) könne sie sich<br />

nicht leisten, sagt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erzählperson. Wenn sie ihre jetzige<br />

64


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Beratungsstelle besucht, übernimmt das Job Center ihrer Me<strong>in</strong>ung nach, die<br />

entstehenden Kosten.<br />

Dazu muss angemerkt werden, dass <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, nach dessen<br />

Landesgesetz zur Ausführung <strong>der</strong> Insolvenzordnung § 3 Abs.1, nur solche<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen vom Landesamt für Soziales, Jugend und<br />

Versorgung als geeignete Stellen anerkannt werden, die ihre Leistungen <strong>in</strong><br />

allen Fällen unentgeltlich anbieten und erbr<strong>in</strong>gen. Da <strong>in</strong> dieser Forschung<br />

ausschließlich Ratsuchende aus Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz befragt wurden, trifft dies<br />

auf alle von ihnen <strong>in</strong> Anspruch genommenen Beratungsstellen zu. Es<br />

entstehen <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz bei ke<strong>in</strong>er seriösen, das heißt anerkannten,<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle Kosten für den Ratsuchenden.<br />

Die Aussage „nen normalen Schuldnerberater kann ich net bezahlen“<br />

(Anhang, S. 199 Z. 693f) impliziert, dass nach Auffassung dieser Befragten,<br />

das Angebot e<strong>in</strong>es Schuldnerberaters kostenpflichtig se<strong>in</strong> muss. Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong>er kostenlosen <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle sche<strong>in</strong>en ke<strong>in</strong>e<br />

„Schuldnerberater“ zu se<strong>in</strong>.<br />

Das wirft die Frage auf, wie das öffentliche Bild e<strong>in</strong>es Schuldnerberaters ist<br />

und ob Bedarf besteht, <strong>der</strong>en Leistungen und Qualifikation besser zu<br />

präsentieren.<br />

So wie es hier von den beiden Interviewten dargestellt wird, ist es zwar <strong>in</strong><br />

Ordnung, die kostenlose Beratung <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, aber nur solange<br />

man sich nichts an<strong>der</strong>es leisten kann.<br />

4.13 Türkei<br />

Drei Erzählpersonen distanzieren sich von <strong>der</strong> Türkei. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Interviewten<br />

gibt an, sie sei <strong>in</strong> Deutschland geboren und aufgewachsen und könne<br />

deswegen ke<strong>in</strong>e Angaben zur Situation Überschuldeter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />

machen. Die Türkei sche<strong>in</strong>t für sie generell ke<strong>in</strong>e Rolle zu spielen.<br />

Die beiden an<strong>der</strong>en Befragten äußern sich negativ, als sie auf die Türkei<br />

angesprochen werden.<br />

E<strong>in</strong>er von ihnen kritisiert den Wert des Menschen:<br />

65


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

„wissen Sie Türkei is für mich (1) n gutes Land (.) erst dann wenn <strong>der</strong> Mensch was<br />

bedeutet und wenn du als Mensch da (.) ke<strong>in</strong>e Bedeutung hast (.) dann hat das<br />

Land für mich auch ke<strong>in</strong>e Bedeutung und das sag ich als (.) Türke ja also es is es is<br />

traurig“ (Anhang, S. 199 Z. 704ff).<br />

Die Türkei werde für diese Erzählperson erst wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>teressant, wenn dort<br />

e<strong>in</strong> menschliches Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> herrscht. Se<strong>in</strong>e Distanz zum Heimatland<br />

bedauere er, sieht sich selbst aber trotzdem als Türke.<br />

Der an<strong>der</strong>e Interviewte drückt se<strong>in</strong>e Ablehnung <strong>der</strong> Türkei gegenüber noch<br />

wesentlich härter aus: „och ich will mal was sagen (.) die Türkei die ganze<br />

Land des s<strong>in</strong>d Gangster (.) das sag ich Ihnen ganz ehrlich (1) ich b<strong>in</strong> froh<br />

dass ich hier <strong>in</strong> Deutschland lebe“ (Anhang, S. 199 Z. 710ff).<br />

Von den <strong>in</strong>terviewten Personen können sechs etwas über die Situation<br />

überschuldeter Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei berichten. Ihr Wissen beziehen sie<br />

teilweise aus dem Internet und aus Erzählungen von an<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> haben<br />

selbst Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei gemacht. Die getroffenen Aussagen ähneln<br />

sich. Zusammenfassend lässt sich, bezogen auf die Angaben <strong>der</strong> Befragten<br />

festhalten, dass es ke<strong>in</strong>e Hilfe von staatlicher Seite gibt, wie zum Beispiel<br />

e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren o<strong>der</strong> das Bereitstellen von Beratungsangeboten.<br />

Gläubiger und Gerichtsvollzieher dürfen, ohne Berücksichtigung von<br />

Pfändungsgrenzen, alles mitnehmen, was <strong>der</strong> Schuldner besitzt. Bei<br />

Nichtzahlung <strong>der</strong> Miete wird die Wohnung geräumt und <strong>der</strong> Mieter auf die<br />

Straße gesetzt.<br />

In <strong>der</strong> Türkei gibt es offenbar ke<strong>in</strong> festgelegtes Existenzm<strong>in</strong>imum. Die<br />

Befragten berichten zu diesem Thema:<br />

„da is knallhart […] nehmen dir alles was du hast“ (Anhang, S. 200 Z.<br />

715ff)<br />

„da gibt’s ke<strong>in</strong>e Gnade“ (Anhang, S. 200 Z. 745)<br />

„dann bekommen sie ne Haftstrafe durch die Schulden“ (Anhang, S. 200 Z.<br />

761)<br />

„bis letzte Hemd so also nehmen wirklich […] (.) und die haben ganze Möbel<br />

dann mitgenommen (1) alles“ (Anhang, S. 200f Z. 764ff)<br />

„ganze Wohnung blitz und blank da gibt’s ke<strong>in</strong>e Gnade“ (Anhang, S. 201 Z.<br />

778f).<br />

66


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Den Umgang mit Schuldnern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei sche<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>ige Interviewte auf<br />

Deutschland übertragen zu haben. So lassen sich die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong><br />

vorangegangenen Kapitel beschriebenen psychischen Belastungen und<br />

Ängste besser nachvollziehen. Dort wurde von <strong>der</strong> Ungewissheit <strong>der</strong><br />

Konsequenzen, die durch das Nichtbezahlen von Schulden getragen werden<br />

müssen und von <strong>der</strong> Angst vor e<strong>in</strong>er Haftstrafe berichtet.<br />

In Folge <strong>der</strong> Aussichtslosigkeit auf e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Überschuldungssituation, berichtet e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Erzählpersonen, würden sich<br />

viele Menschen aus Verzweiflung umbr<strong>in</strong>gen.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Interviewten sagt, <strong>der</strong> Bedarf an sozialen E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Türkei sei so hoch, dass, würden e<strong>in</strong>ige eröffnet werden, diese vom<br />

Ansturm <strong>der</strong> Hilfesuchenden überrannt würden.<br />

Abschließend kann festgehalten werden, dass nach den Angaben <strong>der</strong><br />

Interviewten, türkische <strong>Migranten</strong> aus ihrem Heimatland ke<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Unterstützung bei Überschuldung kennen. Deswegen kommen sie vielleicht<br />

von sich aus nicht auf die Idee, dass so etwas <strong>in</strong> Deutschland existieren<br />

könnte. Das ist e<strong>in</strong> weiteres Argument dafür, dass <strong>Schuldnerberatung</strong> für<br />

diesen Personenkreis besser zugänglich gemacht werden muss.<br />

67


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

5. Befragung von Schuldnerberatern zum Thema „Türkische<br />

<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>“<br />

Um die Ergebnisse <strong>der</strong> Ratsuchendenbefragung besser e<strong>in</strong>ordnen zu können<br />

und e<strong>in</strong> vollständigeres Bild von <strong>der</strong> Beratungssituation türkischer <strong>Migranten</strong><br />

zu bekommen, wurde zusätzlich e<strong>in</strong>e Beraterbefragung durchgeführt.<br />

5.1 Forschungsaufbau <strong>der</strong> Schuldnerberaterbefragung<br />

Die Schuldnerberaterbefragung wurde leitfadengestützt geführt. Der<br />

Leitfaden wurde nach demselben Pr<strong>in</strong>zip erstellt wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ratsuchendenbefragung und umfasst drei Themengebiete.<br />

Die Berater wurden gebeten ihre Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> zu<br />

beschreiben. So soll festgestellt werden, ob es Unterschiede zur Beratung<br />

an<strong>der</strong>er Ratsuchen<strong>der</strong> gibt und wie diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel abläuft.<br />

Die zweite Frage lautete: „Was empf<strong>in</strong>den Sie bei <strong>der</strong> Beratung türkischer<br />

<strong>Migranten</strong>?“. Hier wird die subjektive Ebene <strong>der</strong> Berater angesprochen. Sie<br />

können ihre persönlichen positiven und negativen Erfahrungen schil<strong>der</strong>n<br />

und ihre eigene Arbeit e<strong>in</strong>schätzen.<br />

Abschließend wurden die Berater aufgefor<strong>der</strong>t zu schil<strong>der</strong>n, welche<br />

beson<strong>der</strong>en Beratungsangebote sie für türkische <strong>Migranten</strong> bereitstellen,<br />

beziehungsweise ob überhaupt welche vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Der Leitfaden wurde <strong>in</strong>klusive Begleitschreiben (Anhang S. 202f) per E-Mail<br />

an mehrere rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Beratungsstellen gesandt, mit <strong>der</strong> Bitte den<br />

Fragebogen auszufüllen und diesen wie<strong>der</strong> zurückzuschicken. Die<br />

Beteiligung an <strong>der</strong> Befragung war relativ ger<strong>in</strong>g, von circa fünfundzwanzig<br />

angeschriebenen Beratern haben acht geantwortet.<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Antworten wurde, so wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ratsuchendenbefragung, nach den Vorgaben von Meuser und Nagel (2002)<br />

vorgenommen. Lediglich auf den Schritt <strong>der</strong> Kodierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interviews wurde wegen <strong>der</strong> überschaubaren Datenmenge verzichtet, so<br />

68


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

dass sich an das Paraphrasieren direkt <strong>der</strong> thematische Vergleich<br />

anschließt. Die e<strong>in</strong>zelnen Bearbeitungsschritte s<strong>in</strong>d im Anhang (S. 204ff) zu<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

5.2 Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Fragebögen<br />

Da die Antworten auf die e<strong>in</strong>zelnen Fragen relativ ähnlich ausfallen, wird an<br />

dieser Stelle auf e<strong>in</strong>e kurze Darstellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fragebögen<br />

verzichtet.<br />

An <strong>der</strong> Befragung haben sich sechs weibliche und zwei männliche<br />

Schuldnerberater beteiligt. Es wurden ke<strong>in</strong>e weiteren Informationen, wie<br />

zum Beispiel Alter o<strong>der</strong> Berufserfahrung, über die Berater e<strong>in</strong>geholt, da<br />

diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auswertung ke<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

Generell unterscheidet sich die Beratung türkischer <strong>Migranten</strong>, nach den<br />

Angaben <strong>der</strong> Befragten, nicht von <strong>der</strong> Beratung an<strong>der</strong>er Menschen. Die<br />

Herkunft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> kulturelle H<strong>in</strong>tergrund des Ratsuchenden habe ke<strong>in</strong>en<br />

vorrangigen E<strong>in</strong>fluss auf diese.<br />

Sprachliche Barrieren werden von allen befragten Beratern als Schwierigkeit<br />

angesehen. Das Problem werde <strong>in</strong> den meisten Fällen durch e<strong>in</strong>en vom<br />

Ratsuchenden organisierten Übersetzer gelöst. Allerd<strong>in</strong>gs werden die<br />

Beratungsgespräche, an denen e<strong>in</strong> Dolmetscher teilnimmt, von vielen<br />

Beratern als anstrengen<strong>der</strong> empfunden und es bleibe die Ungewissheit, ob<br />

die Übersetzung fachlich richtig und ohne subjektive Färbung des<br />

Dolmetschers sei.<br />

Die Befragten haben <strong>in</strong> vielen Fällen das Gefühl, e<strong>in</strong>e wichtigere Rolle für<br />

den Klienten zu spielen als <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Beratungsbeziehungen. Es wird zum<br />

Beispiel mit <strong>der</strong> Erwartungshaltung an den Berater herangetreten, dieser<br />

treffe nun alle Entscheidungen, die die Überschuldung betreffen, für den<br />

Ratsuchenden.<br />

In fast allen <strong>der</strong> teilnehmenden Beratungsstellen seien<br />

Informationsmaterialien <strong>in</strong> türkischer Sprache vorhanden. In e<strong>in</strong>igen Fällen<br />

sei die Möglichkeit gegeben e<strong>in</strong>en Dolmetscher zur Verfügung zu stellen.<br />

69


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Auffallend ist, dass nur <strong>in</strong> zwei Fragebögen hauptsächlich positive Aspekte<br />

<strong>der</strong> Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> dargestellt werden und wertschätzend<br />

von den Ratsuchenden berichtet wird. Die an<strong>der</strong>en Befragten legen den<br />

Fokus eher auf die Probleme, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung ergeben.<br />

5.3 Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung <strong>der</strong> Schuldnerberater<br />

Hier werden die durch den thematischen Vergleich gewonnenen Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Befragung <strong>der</strong> Schuldnerberater dargestellt.<br />

Auf den Verweis s<strong>in</strong>ngemäßer Zitate wird an dieser Stelle wie<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong><br />

besseren Lesbarkeit verzichtet, da sich <strong>der</strong> thematische Vergleich im<br />

Anhang f<strong>in</strong>det. Wörtliche Zitate und Zitate aus an<strong>der</strong>en Quellen werden<br />

angegeben.<br />

5.3.1 Beratung türkischer <strong>Migranten</strong><br />

Die Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> unterscheide sich nicht von <strong>der</strong> Beratung<br />

an<strong>der</strong>er Ratsuchen<strong>der</strong>, geben fünf <strong>der</strong> acht befragten Personen an.<br />

We<strong>der</strong> zwischen den Menschen, die die Beratungsstelle aufsuchen werde e<strong>in</strong><br />

Unterschied gemacht, noch weiche die Art <strong>der</strong> Beratung, sowohl <strong>in</strong>haltlich<br />

als auch methodisch, von den an<strong>der</strong>en ab.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten 10 geht auf den generellen Ablauf des Beratungsbeg<strong>in</strong>ns<br />

e<strong>in</strong>. Er gibt an, e<strong>in</strong> erstes Beratungsgespräch f<strong>in</strong>de <strong>in</strong>nerhalb von zwei bis<br />

vier Wochen statt und die laufende Beratung könne <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nach<br />

sieben Monaten aufgenommen werden. Es existiert e<strong>in</strong>e Wartezeit, die<br />

allerd<strong>in</strong>gs ungefähr doppelt so lang ist, wie die im iff-Überschuldungsreport<br />

angegebene durchschnittliche Wartezeit von 3,4 Monaten (vgl.<br />

Knobloch/Reifner/Laatz 2009, S. 21). Die Möglichkeit kurzfristige (<strong>in</strong>nerhalb<br />

von zwei bis vier Wochen) Beratungsgespräche <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, ist<br />

10 Wenn aus dem beschriebenen o<strong>der</strong> zitierten Text nicht klar hervorgeht, ob die Aussage von e<strong>in</strong>em<br />

weiblichen o<strong>der</strong> männlichen Berater getroffen wurde, wird, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> restlichen Arbeit auch, die<br />

männliche Form verwendet.<br />

70


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

gegeben. Dies ersche<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>nvoll und wichtig, bedenkt man den psychischen<br />

Druck und die Ängste, die <strong>in</strong> den Ergebnissen <strong>der</strong> Ratsuchendenbefragung<br />

dargestellt wurden. Wahrsche<strong>in</strong>lich kann den Ratsuchenden die erste Last<br />

mit <strong>der</strong> zeitnahen Beratung genommen werden.<br />

Der Ratsuchende bestimme das Tempo <strong>der</strong> Beratung, sagt e<strong>in</strong> Berater.<br />

Offenbar wird die Beratung <strong>in</strong>dividuell auf den Klienten abgestimmt, um<br />

se<strong>in</strong>en Bedürfnissen gerecht zu werden.<br />

„Die Beratung gestaltet sich <strong>in</strong> Abhängigkeit von den Sprachkenntnissen.“<br />

(Anhang, S. 229 Z. 31f).<br />

In diesem Fall sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Schuldnerberater die Beratung, je nach<br />

Sprachkompetenz des Ratsuchenden, <strong>in</strong>dividuell gestalten zu können.<br />

Inwiefern und welche unterschiedlichen Beratungsmethoden er e<strong>in</strong>setzt,<br />

sagt er an dieser Stelle nicht.<br />

5.3.2 Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />

Schwierigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> haben fünf <strong>der</strong> acht<br />

Befragten. Teilweise spielen sich die Probleme auf unterschiedlichen Ebenen<br />

ab:<br />

� die Beratung sei schwierig und anstrengend,<br />

� man habe das Gefühl aufmerksamer se<strong>in</strong> zu müssen,<br />

� h<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong> sei es unmöglich dem Anspruch <strong>der</strong> Ratsuchenden<br />

gerecht zu werden,<br />

� wesentliche E<strong>in</strong>zelheiten würden vom Klienten verschwiegen<br />

� es könne nicht angemessen geholfen werden, weil die Unsicherheit<br />

besteht, ob die Verständigung gelungen sei.<br />

Diese ganz <strong>in</strong>dividuellen Aussagen zeigen, dass zum Teil nur <strong>der</strong> Berater<br />

von den Schwierigkeiten betroffen ist o<strong>der</strong>, wenn zum Beispiel etwas<br />

verheimlicht wird, dies Konsequenzen sowohl für den Berater als auch für<br />

den Ratsuchenden haben kann, da die Beratung dann <strong>der</strong> wirklichen<br />

Situation des Klienten nicht gerecht wird.<br />

71


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Es sche<strong>in</strong>t wichtig zu se<strong>in</strong>, die bestehenden Unsicherheiten zu klären, damit<br />

sich <strong>der</strong> Berater <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rolle kompetent fühlen kann, um die<br />

Ratsuchenden weiterh<strong>in</strong> gut unterstützen zu können.<br />

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die meisten Befragten nur<br />

ungern Aussagen über e<strong>in</strong>e spezifische Ratsuchendengruppe getroffen<br />

haben und immer wie<strong>der</strong> darauf h<strong>in</strong>gewiesen wird, dass viele Angaben<br />

genauso auf deutsche Klienten o<strong>der</strong> Klienten an<strong>der</strong>er Nationalität zutreffen.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Berater gibt an, viele Türken hätten e<strong>in</strong> Problem mit dem<br />

E<strong>in</strong>halten von Fristen. Sie würden <strong>in</strong> ihnen ke<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dlichkeit sehen. Dies<br />

dürfte auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> problematisch se<strong>in</strong>, da hier <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel Term<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehalten werden müssen.<br />

Nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten sagt, die türkischen Ratsuchenden seien „meistens<br />

ganz offen und ehrlich“ (Anhang, S. 230 Z. 74). Diese positive Äußerung<br />

zeigt, dass es auch Schuldnerberater gibt, die durchweg eher gute<br />

Erfahrungen mit <strong>der</strong> Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> gemacht haben.<br />

5.3.3 Unterstützung bei Gläubigerkorrespondenz<br />

Von <strong>der</strong> Übernahme e<strong>in</strong>es großen Teils des Schriftverkehrs bei nichts<br />

ausreichen<strong>der</strong> sprachlicher Kompetenz, berichten drei Berater.<br />

„[…] verstärkte Übernahme/Vorbereitung von Schriftverkehr durch mich.<br />

Dies dürfte aber nichts ausschließlich Spezifisches für die Zielgruppe se<strong>in</strong>“<br />

(Anhang, S. 231 Z. 83ff).<br />

Diese weitreichen<strong>der</strong>e Unterstützung kommt demnach auch an<strong>der</strong>en<br />

Ratsuchenden, die beispielsweise Probleme mit dem Lesen und Schreiben<br />

haben, zuteil. Es kann wahrsche<strong>in</strong>lich davon ausgegangen werden, dass die<br />

Schreiben, die e<strong>in</strong> Berater, <strong>der</strong> durch se<strong>in</strong>e Berufserfahrung wohl e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Rout<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Korrespondenz mit Gläubigern entwickelt, formuliert<br />

hat, e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Wirkung auf die Gläubiger hat, als Briefe, die e<strong>in</strong> Schuldner<br />

erstellt, <strong>der</strong> mangelnde Deutschkenntnisse aufweist. Außerdem ist denkbar,<br />

72


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

dass <strong>der</strong> Gläubiger erst durch die <strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle Kenntnis von<br />

<strong>der</strong> aktuellen f<strong>in</strong>anziellen Situation des Schuldners erlangt, wenn dieser im<br />

Vorfeld alle<strong>in</strong>e nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage war sich dem Gläubiger mitzuteilen.<br />

Durch die Unterstützung <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> wird möglicherweise die<br />

Kommunikation zwischen den beiden Parteien verbessert, wodurch die<br />

Chance e<strong>in</strong>e Lösung zu f<strong>in</strong>den, die für alle tragbar ist, erhöht wird.<br />

Trotz <strong>der</strong> Übernahme des Schriftverkehrs werde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht <strong>in</strong><br />

Vollmacht für den Ratsuchenden gearbeitet, gibt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Berater an. Das impliziert, dass die Entscheidungen im Prozess <strong>der</strong><br />

Schuldenregulierung weiterh<strong>in</strong> dem Betroffenen selbst obliegen und er <strong>in</strong><br />

den Ablauf <strong>der</strong> Korrespondenz mit den Gläubigern e<strong>in</strong>gebunden bleibt.<br />

So kann <strong>der</strong> Klient auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite umfassend unterstützt werden, auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird dem Konzept <strong>der</strong> „Hilfe zur Selbsthilfe“, nach dem<br />

viele <strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen arbeiten, treu geblieben.<br />

5.3.4 Methoden <strong>der</strong> Beratung<br />

Von beson<strong>der</strong>en Methoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung berichten zwei <strong>der</strong> acht<br />

befragten Personen. Ihnen ist es sehr wichtig, dass, trotz sprachlicher<br />

Schwierigkeiten, die Informationen richtig beim Ratsuchenden ankommen.<br />

Dazu setzen sie auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache und bildhafte Darstellung <strong>der</strong> Fakten.<br />

„Sofern e<strong>in</strong>e Beratung ohne Übersetzungshilfe stattf<strong>in</strong>det, ist es nötig alle<br />

rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz e<strong>in</strong>fachen<br />

Sprache zu übermitteln, ohne den S<strong>in</strong>n zu verfälschen.“ (Anhang, S. 231 Z.<br />

99ff).<br />

„[…] eher bildhafte/plakative Darstellung von Zusammenhängen“ (Anhang,<br />

S. 231 Z. 95f).<br />

Dies setzt e<strong>in</strong>e gewisse sprachliche Kreativität und fachliche Kompetenz des<br />

Beraters voraus, die vermutlich nur durch e<strong>in</strong>ige Beratungserfahrung<br />

gewonnen werden kann. Wahrsche<strong>in</strong>lich ist es schwierig, rechtliche<br />

Bestimmungen e<strong>in</strong>fach und verständlich darzustellen, ohne dass dabei<br />

Missverständnisse entstehen und Unklarheiten zurückbleiben. E<strong>in</strong>e<br />

73


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Überprüfung <strong>der</strong> transportierten Inhalte kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel wohl nicht durch<br />

den Berater vorgenommen werden.<br />

5.3.5 Sprachliche Barrieren<br />

Bis auf e<strong>in</strong>en Berater berichten alle von sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beratung, die diese meist erschweren.<br />

Zwei von ihnen geben an, Sachverhalte müssten wie<strong>der</strong>holt erklärt werden,<br />

was den Beratungsverlauf vermutlich <strong>in</strong> die Länge zieht. Das mehrmalige<br />

Behandeln e<strong>in</strong>es Themas empf<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten als anstrengend.<br />

Der an<strong>der</strong>e schreibt, türkische Ratsuchende würden es selten zugeben,<br />

wenn sie etwas nicht verstanden haben. Deswegen sei es notwendig immer<br />

wie<strong>der</strong> nachzuhaken. Wenn die Klienten nicht offen sagen, dass ihnen noch<br />

Sachverhalte unklar s<strong>in</strong>d, kann sich <strong>der</strong> Berater nie sicher se<strong>in</strong>, dass das<br />

Gesagte richtig und vollständig beim Ratsuchenden angekommen ist. Dies<br />

kann die weitere Beratung unter Umständen negativ bee<strong>in</strong>flussen, da so<br />

leicht Missverständnisse entstehen können.<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Berater<strong>in</strong> führt aus: „Entscheidend ist, dass e<strong>in</strong>e Verständigung<br />

<strong>in</strong> deutscher Sprache möglich ist und die Berater<strong>in</strong>nen den E<strong>in</strong>druck haben,<br />

dass sie verstanden werden“ (Anhang, S. 232 Z. 164ff).<br />

Hier wird deutlich, dass das subjektive Empf<strong>in</strong>den, ob sie verstanden wurde<br />

o<strong>der</strong> nicht, maßgeblich bei <strong>der</strong> Verständigung ist. Die Berater<strong>in</strong> hat ke<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit ihren E<strong>in</strong>druck verlässlich zu bewahrheiten und muss mit dem<br />

Risiko, nicht verstanden worden zu se<strong>in</strong>, leben, wenn <strong>der</strong> Ratsuchende<br />

beispielsweise Kompetenzen entwickelt hat, se<strong>in</strong>e sprachlichen Defizite gut<br />

zu verbergen.<br />

Kommunikation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung unterscheide sich von <strong>der</strong> Alltäglichen, da<br />

die Zusammenhänge oft sehr umfassend und die Fachausdrücke nicht<br />

immer <strong>in</strong> die türkische Sprache zu übersetzen seien, schil<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Befragten. Dies lässt die Annahme zu, dass e<strong>in</strong> Ratsuchen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich dem<br />

ersten E<strong>in</strong>druck nach recht gut verständigen kann, nicht unbed<strong>in</strong>gt die<br />

74


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

schuldnerberaterischen Sachverhalte auf Anhieb versteht, zumal, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ratsuchendenbefragung festgestellt, kaum Vorwissen vorhanden ist.<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit die sprachlichen H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse zu überw<strong>in</strong>den, ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz<br />

von Übersetzern aus dem privaten Umfeld des Ratsuchenden. Dies wird von<br />

e<strong>in</strong>igen Beratern aus unterschiedlichen Gründen kritisch gesehen.<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass zwei Befragte angeben, sie würden auf<br />

e<strong>in</strong>en Übersetzer bestehen, wenn sie das Gefühl haben (es also nicht sicher<br />

wissen), es gebe Verständigungsprobleme. Die Initiative geht nicht von den<br />

türkischen Ratsuchenden aus. Entwe<strong>der</strong> kann dies daran liegen, dass <strong>der</strong><br />

Ratsuchende ke<strong>in</strong>en Bedarf sieht e<strong>in</strong>en Dolmetscher am Gespräch zu<br />

beteiligen, weil er davon ausgeht, dass er ausreichend viel versteht o<strong>der</strong> er<br />

ke<strong>in</strong>e Möglichkeit hat jemanden mitzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Übersetzer am Beratungsgespräch teilnimmt, werden die<br />

ständigen Unterbrechungen und die dadurch erfor<strong>der</strong>liche hohe<br />

Konzentration als anstrengend von e<strong>in</strong>em Berater empfunden.<br />

Zweimal wird die Wahl (vorausgesetzt er hatte diese) des Übersetzers durch<br />

den Ratsuchenden kritisiert: „Hoffentlich muss nicht wie<strong>der</strong> das kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d<br />

übersetzen!“ (Anhang, S. 231 Z. 123).<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Befragten sagt dazu, ihm sei dies beson<strong>der</strong>s unangenehm, da er<br />

<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung ist, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Ratsuchenden nicht auf diese Art mit<br />

den Problemen <strong>der</strong> Eltern konfrontiert werden sollten. Außerdem ist<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich fraglich, ob e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d die für die <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

relevanten Themen schon richtig verstehen und vor allem fehlerfrei<br />

übermitteln kann.<br />

Bei Dolmetschern aus dem familiären Umkreis ergebe sich zudem das<br />

Problem, wie zwei <strong>der</strong> Berater schil<strong>der</strong>n, dass auf Grund <strong>der</strong> persönlichen<br />

B<strong>in</strong>dung die Übersetzung von <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung des Dolmetschers verfälscht<br />

würde. Dies könnte zum Beispiel dann <strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>, wenn sowohl<br />

Ratsuchen<strong>der</strong> als auch Übersetzer <strong>in</strong> die Überschuldung <strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d und<br />

sich <strong>der</strong> Dolmetscher e<strong>in</strong>en Vorteil gegenüber dem verschaffen will, <strong>der</strong><br />

nicht alles versteht.<br />

75


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

E<strong>in</strong> weiterer Kritikpunkt an Gesprächen mit Übersetzern, den drei <strong>der</strong> acht<br />

Befragten ansprechen, ist, <strong>der</strong> Berater könne sich nie ganz sicher se<strong>in</strong>, ob<br />

die Inhalte dem Ratsuchenden richtig vermittelt werden o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Dolmetscher eigenes Wissen <strong>in</strong> die Übersetzung e<strong>in</strong>fließen lässt. Beides<br />

könnte die Beratung bee<strong>in</strong>flussen, da dem Ratsuchenden eventuell fachlich<br />

falsche Informationen zugetragen werden, auf Grund <strong>der</strong>er er e<strong>in</strong>e<br />

Entscheidung treffen muss.<br />

Für e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Berater ist es angenehm, wenn e<strong>in</strong>e neutrale Person das<br />

Übersetzen übernimmt. Hierzu muss allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratungsstelle die<br />

Möglichkeit gegeben se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Dolmetscher zur Verfügung stellen zu<br />

können.<br />

„Dann erlebe ich die Klienten/Klient<strong>in</strong> auch an<strong>der</strong>s, sehr viel aktiver und es<br />

entsteht auch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck als sei e<strong>in</strong> „Des<strong>in</strong>teresse“ (?) von vorher<br />

verschwunden.“ (Anhang, S. 233 Z. 188ff).<br />

Diese Beobachtung des Beraters erweckt den E<strong>in</strong>druck, dass die<br />

Ratsuchenden froh s<strong>in</strong>d, wenn sie sich dem Berater leichter mitteilen<br />

können. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>teressierter an <strong>der</strong> Beratung. Die Motivation zur Mitarbeit<br />

sche<strong>in</strong>t sich durch e<strong>in</strong>e gute Kommunikation wesentlich zu verbessern, was<br />

zu dem Schluss führt, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von neutralen Dolmetschern sowohl<br />

für den Berater als auch für den Ratsuchenden e<strong>in</strong>e Bereicherung und für<br />

den Beratungsablauf e<strong>in</strong>e Entlastung se<strong>in</strong> kann.<br />

5.3.6 Gute Sprachkenntnisse<br />

Die Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> ist nicht immer erschwert durch<br />

mangelnde Sprachkompetenz.<br />

„Glücklicherweise gibt es viele <strong>Migranten</strong>, die deutsch verstehen und auch<br />

selbst sprechen“ (Anhang, S. 233 Z. 196f).<br />

Offensichtlich ist <strong>in</strong> vielen Fällen e<strong>in</strong> Übersetzer nicht notwendig. Wenn die<br />

Kommunikation reibungslos funktioniert, ist dies, wie im Fall dieses<br />

Beraters, e<strong>in</strong>e gute Basis für die Beratung.<br />

76


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e befragte Person beschreibt, bei guten Sprachkenntnissen seien<br />

die türkischen Ratsuchenden <strong>in</strong>teressiert daran, warum <strong>der</strong> Gläubiger<br />

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen e<strong>in</strong>leitet o<strong>der</strong> weitere Mahnschreiben<br />

versendet, obwohl er von <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit des betroffenen<br />

Schuldners weiß. Außerdem hätten diese Ratsuchende zwar kreative, aber<br />

nicht <strong>in</strong>s deutsche Rechtssystem passende, Lösungsvorschläge. Dieses<br />

Beispiel veranschaulicht, dass sich die Ratsuchenden eigene Gedanken zur<br />

Regulierung ihrer Schulden machen und Eigen<strong>in</strong>itiative zeigen.<br />

„Bei Klienten mit guten Sprachkenntnissen b<strong>in</strong> ich oft überrascht von <strong>der</strong>en großem<br />

Interesse. Die Klienten haben häufig großen „Wissensdurst“, viele kreative Ideen<br />

und ich erlebe sie als sehr motiviert, zielstrebig und zuverlässig.“ (Anhang, S. 233<br />

Z. 209ff).<br />

An dieser Aussage lässt sich ablesen, dass das Interesse an <strong>der</strong> Beratung<br />

positiv von diesem Berater wahrgenommen wird, ebenso die eigene<br />

Mitarbeit <strong>der</strong> türkischen Ratsuchenden und ihre Verlässlichkeit. Verglichen<br />

mit den vorangegangenen, eher negativ gefärbten Aussagen zur Beratung<br />

türkischer <strong>Migranten</strong> gibt es offensichtlich auch äußerst gute<br />

Beratungsverläufe, <strong>in</strong> denen Berater und Ratsuchen<strong>der</strong> konstruktiv<br />

zusammenarbeiten.<br />

Die Sprachkompetenz sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

(empfundene) Qualität <strong>der</strong> Beratung zu haben.<br />

5.3.7 Eigene E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Rolle als Berater<br />

Vier <strong>der</strong> acht Befragten äußern sich dazu, wie sie ihre Rolle als Berater <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> sehen. Sie haben das Gefühl, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beratungsbeziehung den Verantwortung übernehmenden Part<br />

zugeschrieben bekommen zu haben. Ihre Empfehlungen würden von den<br />

Ratsuchenden als maßgeblich angesehen werden, auch wenn es weitere<br />

Optionen gebe. Es komme auch vor, dass sich die Ratsuchenden wünschen,<br />

die Entscheidungen, bezüglich ihrer Schulden, würden ihnen abgenommen<br />

werden.<br />

Dieser Umstand erschwere die Beratung, gibt e<strong>in</strong> Berater an.<br />

77


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Zwei Befragte schil<strong>der</strong>n, die Notwendigkeit beziehungsweise das Bedürfnis<br />

sich klar abzugrenzen und auf die Zuständigkeitsbereiche h<strong>in</strong>weisen zu<br />

müssen, „da ich sonst das Gefühl habe, dass mich die Erwartungshaltung<br />

des Ratsuchenden erdrückt.“ (Anhang, S. 234 Z. 244f).<br />

Diese Aussage lässt den Schluss zu, dass türkische Ratsuchende sich nicht<br />

immer über das begrenzte Aufgabengebiet von Schuldnerberatern bewusst<br />

s<strong>in</strong>d und unter Umständen mit Anliegen <strong>in</strong> die Beratung kommen, die nicht<br />

erfüllt werden können. Dies wie<strong>der</strong>um kann von den Beratern als belastend<br />

empfunden werden, da sie zwar Kenntnis von weiteren Problemlagen<br />

haben, aber nicht umfassend helfen können.<br />

Den E<strong>in</strong>druck, bl<strong>in</strong>des Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, haben<br />

zwei <strong>der</strong> Befragten. In e<strong>in</strong>em Fall äußert sich dies wie<strong>der</strong>um dar<strong>in</strong>, dass die<br />

Klienten darum bitten, Entscheidungen abgenommen zu bekommen. Der<br />

an<strong>der</strong>e Berater schreibt: „Das Vertrauen ist oftmals so groß, dass sie sich<br />

nicht Bemühen alles zu verstehen“ (Anhang, S. 234 Z. 252f).<br />

Sollte dieser E<strong>in</strong>druck sich bewahrheiten, wäre dies für die Beratung negativ<br />

zu bewerten, da so <strong>der</strong> Berater ganz klar die Beratung führen und die<br />

Entscheidungen für den Klienten treffen müsste. Allerd<strong>in</strong>gs wird diese<br />

Vermutung durch die <strong>in</strong> Kapitel 4.3.5 gewonnene Erkenntnis gestützt: trotz<br />

sprachlicher Schwierigkeiten halten es die Ratsuchenden selbst nicht für<br />

notwendig e<strong>in</strong>en Dolmetscher mit zur Beratung zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Es sche<strong>in</strong>t sehr wichtig zu se<strong>in</strong> den türkischen Ratsuchenden zu vermitteln,<br />

dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen sollen, da sie später mit den<br />

Konsequenzen leben müssen.<br />

E<strong>in</strong> Schuldnerberater gibt an, e<strong>in</strong>ige Kontakte hätten langjährigen Bestand,<br />

da die türkischen Klienten, bei aufkommenden Fragen, gerne wie<strong>der</strong> den<br />

bereits bekannten Berater <strong>in</strong> Anspruch nehmen würden. Die Erfahrungen<br />

<strong>der</strong> Ratsuchenden sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> diesen Fällen positiv gewesen zu se<strong>in</strong>, denn<br />

sie möchten sich weiterh<strong>in</strong> ihrem Berater anvertrauen und s<strong>in</strong>d dort auch im<br />

Anschluss an die eigentliche Beratung willkommen. Die Unterstützung geht<br />

78


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

über die eigentliche Schuldenregulierung h<strong>in</strong>aus, was für e<strong>in</strong>ige ehemalige<br />

Klienten offenbar wichtig ist.<br />

Dass türkische Klienten oft beson<strong>der</strong>s dankbar seien für die Beratung und<br />

diese nicht als selbstverständlich ansehen, schreibt e<strong>in</strong> Befragter.<br />

5.3.8 Private Schulden<br />

Das Thema „private Schulden“ greifen fünf <strong>der</strong> acht Befragten auf. Offenbar<br />

spielt dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e zentrale Rolle.<br />

E<strong>in</strong> Berater beschreibt die mehrere Ebenen umfassende Problematik<br />

privater Schulden wie folgt:<br />

„Private Schulden spielen meist e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Zum e<strong>in</strong>en, weil es immer<br />

wie<strong>der</strong> vorkommt, dass diese zum Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Beratung verheimlicht werden und<br />

zum an<strong>der</strong>en, weil es schwierig ist, diese <strong>in</strong> den Entschuldungsprozess des<br />

Insolvenzverfahrens e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den, da dies soziale Konsequenzen für den Betroffenen<br />

haben kann.“ (Anhang, S. 235 Z. 274ff).<br />

E<strong>in</strong>e Schwierigkeit ergibt sich demnach im gegenseitigen Vertrauen<br />

zwischen Berater und Ratsuchendem, wenn <strong>der</strong> Klient die privaten<br />

Verpflichtungen zunächst verschweigt und <strong>der</strong> Berater erst im späteren<br />

Beratungsverlauf Kenntnis von diesen erlangt. Außerdem sche<strong>in</strong>t es<br />

problematisch zu se<strong>in</strong>, die privaten Schulden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche<br />

Regulierungsstrategie, wie zum Beispiel e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren,<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den.<br />

„Kulturelle Unterschiede wie beispielsweise Umgang mit Schulden bei<br />

Verwandten werden bei Türken berücksichtigt, auch wenn die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Schuldenbewältigung e<strong>in</strong>geschränkt s<strong>in</strong>d“ (Anhang, S. 235 Z. 281ff).<br />

Dieser Berater gibt an, dass zum<strong>in</strong>dest versucht wird, auf die Beson<strong>der</strong>heit<br />

<strong>der</strong> häufig vorkommenden privaten Schulden e<strong>in</strong>zugehen, dies aber nicht<br />

immer e<strong>in</strong>fach ist.<br />

Um sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> privaten Verpflichtungen <strong>in</strong><br />

angemessener Weise zu nähern, wäre es sicherlich s<strong>in</strong>nvoll zu erfragen,<br />

welche realistischen Konsequenzen sich aus dem nicht zurückzahlen für den<br />

jeweiligen Ratsuchenden ergeben würden. So könnten eventuelle Ängste<br />

79


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

vielleicht abgebaut und die Familie <strong>in</strong> das Entschuldungsverfahren<br />

e<strong>in</strong>gebunden werden. Dadurch könnte auch <strong>der</strong> Berater besser e<strong>in</strong>schätzen,<br />

ob die geme<strong>in</strong>sam erarbeitete Strategie Erfolg versprechend ist o<strong>der</strong> nicht.<br />

5.3.9 SCHUFA<br />

Vor e<strong>in</strong>em negativen SCHUFA 11 -E<strong>in</strong>trag haben türkische Ratsuchende<br />

überdurchschnittlich Angst, schreiben zwei Befragte, „auch wenn die<br />

aktuelle f<strong>in</strong>anzielle Situation sich so darstellt, dass e<strong>in</strong>e Kreditaufnahme<br />

o<strong>der</strong> ähnliches <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Zeit unmöglich ist.“ (Anhang, S. 235 Z.<br />

297ff).<br />

Warum diese Furcht vorhanden ist, wird nicht näher erläutert. Die Tatsache,<br />

dass ke<strong>in</strong>e Kredite o<strong>der</strong> ähnliches mehr von den Ratsuchenden<br />

aufgenommen werden sollten, für die e<strong>in</strong>e SCHUFA-Auskunft notwendig<br />

wäre, lässt die Vermutung zu, dass e<strong>in</strong>igen Klienten <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

nicht ganz klar ist, was es bedeutet e<strong>in</strong>en negativen E<strong>in</strong>trag zu haben und<br />

welche realen Konsequenzen sich daraus ergeben. Vielleicht werden<br />

Negativmerkmale <strong>in</strong> <strong>der</strong> SCHUFA mit e<strong>in</strong>em sozialen Abstieg gleichgesetzt,<br />

da es e<strong>in</strong>em kaum mehr möglich ist, Verpflichtungen e<strong>in</strong>zugehen und so das<br />

gesellschaftliche Leben e<strong>in</strong>geschränkt wird.<br />

5.3.10 Rolle <strong>der</strong> Kultur<br />

Kulturelle Unterschiede würden, wenn vorhanden, beachtet, schreibt e<strong>in</strong><br />

Berater. E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e befragte Person fühle sich manchmal unsicher, weil sie<br />

kulturelle H<strong>in</strong>tergründe, die das Handeln e<strong>in</strong>iger Ratsuchen<strong>der</strong><br />

mitbestimmen, zum Teil nicht kenne.<br />

Beispiele für kulturelle Beson<strong>der</strong>heiten werden nicht gegeben, weswegen<br />

ke<strong>in</strong>e weitere Interpretation an dieser Stelle möglich ist. Als positiver<br />

11 SCHUFA (= Schutzgeme<strong>in</strong>schaft für allgeme<strong>in</strong>e Kreditsicherung): Die SCHUFA stellt Banken,<br />

Sparkassen, dem Handel und weiteren Branchen kreditrelevante Informationen über mögliche Kunden<br />

zur Verfügung, auf <strong>der</strong>en Grundlage e<strong>in</strong>e sichere Kreditvergabe gewährleistet werden soll (vgl.<br />

www.schufa.de (Stand 03.05.2010)).<br />

80


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Aspekt bleibt festzuhalten, dass auf die <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse und<br />

E<strong>in</strong>stellungen <strong>der</strong> Ratsuchenden e<strong>in</strong>gegangen wird und diesen Raum <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beratung gegeben wird.<br />

E<strong>in</strong> Befragter schil<strong>der</strong>t, türkische Ratsuchende würden gerne über ihr Land<br />

und ihre Kultur sprechen. In vielen Fällen sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Verbundenheit mit<br />

dem Heimatland, <strong>der</strong> Türkei, zu existieren. Die Mehrthemenbefragung zur<br />

Lebenssituation und zum Integrationsstand türkeistämmiger <strong>Migranten</strong> hat<br />

ergeben, dass 39,1% <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland lebenden Türken die Türkei<br />

weiterh<strong>in</strong> als ihr Heimatland ansehen, 31,1% fühlen sich sowohl <strong>in</strong><br />

Deutschland als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei heimisch (vgl. Sauer 2009, S. 109).<br />

„Die Option zur Rückkehr und die Verbundenheit mit <strong>der</strong> Türkei waren und s<strong>in</strong>d<br />

wichtige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> gesamten Lebense<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong><br />

türkeistämmigen <strong>Migranten</strong> und resultieren aus <strong>der</strong> spezifischen<br />

Migrationsgeschichte <strong>der</strong> ehemaligen Gastarbeiternationalitäten, die sich auf die<br />

Nachfolgegenerationen übertragen haben.“ (ebd., S. 108).<br />

Nicht nur für die Menschen, die direkt aus <strong>der</strong> Türkei emigriert s<strong>in</strong>d, spielt<br />

demnach das Heimatland e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, son<strong>der</strong>n auch für <strong>der</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Die Rückkehrabsichten hängen mit den subjektiv wahrgenommenen<br />

Lebensumständen <strong>in</strong> Deutschland zusammen: je zufriedener die Menschen<br />

mit den aktuellen Gegebenheiten s<strong>in</strong>d, desto weniger denken sie darüber<br />

nach zurück <strong>in</strong> die Türkei zu gehen (ebd., S. 112f).<br />

Da die befragten Schuldnerberater hauptsächlich von türkischen <strong>Migranten</strong><br />

aufgesucht werden, <strong>der</strong>en wirtschaftliche Situation schlecht ist und die oft<br />

auch ke<strong>in</strong>e Arbeitsstelle haben, berichten diese vermutlich<br />

überdurchschnittlich oft positiv über ihr Heimatland und drücken so ihre<br />

nationale und kulturelle Verbundenheit aus.<br />

81


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

5.3.11 Beson<strong>der</strong>e Angebote für türkische Ratsuchende<br />

Im Wesentlichen werden zwei unterschiedliche spezielle Angebote für<br />

türkische Ratsuchende von den Beratern benannt: zum e<strong>in</strong>en gebe es <strong>in</strong><br />

den Beratungsstellen Flyer und Informationsmaterialien <strong>in</strong> türkischer<br />

Sprache (wurde fünf Mal genannt) und zum an<strong>der</strong>en bestehe <strong>in</strong> drei Fällen<br />

die Möglichkeit e<strong>in</strong>en von <strong>der</strong> Institution zur Verfügung gestellten<br />

(ehrenamtlichen) Dolmetscher zu Beratungsgesprächen h<strong>in</strong>zuzuziehen. Fünf<br />

<strong>der</strong> acht Befragten geben an, sonst würden ke<strong>in</strong>e speziellen<br />

Unterstützungsmöglichkeiten existieren, e<strong>in</strong>er von ihnen halte dies zudem<br />

für nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die benannten beratungsunterstützenden Angebote zielen auf die<br />

vorhandenen sprachlichen Barrieren <strong>in</strong> den Beratungsgesprächen ab, die <strong>in</strong><br />

Kapitel 5.3.5 bereits ausführlich beschrieben wurden. Hilfsmittel, wie<br />

Informationsmaterialien auf Türkisch, können möglicherweise e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Ergänzung <strong>der</strong> Beratung se<strong>in</strong>, wenn dort zum Beispiel rechtliche<br />

Gegebenheiten <strong>in</strong> Deutschland erklärt werden. Die<br />

Landesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Schuldnerberatung</strong> Hessen hat sich, <strong>in</strong><br />

Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Initiative <strong>Schuldnerberatung</strong> Hessen, diesem<br />

Thema angenommen und auf ihrer Homepage 12 Informationsblätter <strong>in</strong> acht<br />

verschiedenen Sprachen (deutsch, türkisch, russisch, arabisch, englisch,<br />

spanisch, italienisch und französisch) zur Verfügung gestellt. Über folgende<br />

Themen wird <strong>in</strong>formiert: Wohnungs- und Energiesicherung, Konto-, Sach-<br />

und E<strong>in</strong>kommenspfändung, Recht auf e<strong>in</strong> Girokonto und das<br />

Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren. Damit s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige, für die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> fachlich relevanten, Themengebiete abgedeckt, so dass<br />

die von den Beratern beschriebenen Unsicherheiten, durch Nutzung dieser<br />

Materialien, zum<strong>in</strong>dest teilweise beseitigt werden könnten.<br />

Auch Flyer <strong>in</strong> türkischer Sprache, die das Beratungsangebot <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Institutionen vorstellen, könnten e<strong>in</strong> Weg se<strong>in</strong>, den Zugang für türkische<br />

12 http://www.schuldnerberatung-hessen.de/<strong>in</strong>dex.php/<strong>in</strong>formationsblaetter (Stand 03.05.2010)<br />

82


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Klienten niedrigschwellig zu gestalten. Für e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> befragten<br />

Ratsuchenden war die Kontaktaufnahme zunächst von Scham und Angst<br />

begleitet, was durch e<strong>in</strong>e solche Niedrigschwelligkeit gegebenenfalls<br />

verr<strong>in</strong>gert werden und zu e<strong>in</strong>er schnelleren Inanspruchnahme <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>sstelle führen könnte.<br />

E<strong>in</strong> Befragter berichtet von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>stitutionellen Netzwerk zwischen<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>, Sozial- und Lebensberatung und e<strong>in</strong>em Fachdienst für<br />

Migration, die alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gebäude ansässig seien. Diese Zusammenarbeit<br />

und die kurzen Wege ermöglichen wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e umfassende<br />

Hilfestellung, wenn <strong>der</strong> jeweilige Ratsuchende dies wünscht.<br />

5.3.12 Sympathie für türkische <strong>Migranten</strong><br />

„Ich empf<strong>in</strong>de Sympathie für türkische <strong>Migranten</strong>, beson<strong>der</strong>s für die Frauen, die<br />

nach me<strong>in</strong>er Erfahrung oftmals die deutsche Gesellschaft und Kultur besser<br />

verstehen als ihre Ehemänner. […] Die große Bedeutung <strong>der</strong> Familie ist<br />

bemerkenswert.“ (Anhang, S. 237 Z. 360ff).<br />

Die nordrhe<strong>in</strong>westfälische Mehrthemenbefragung zeigt, dass Männer und<br />

Frauen türkischer Herkunft <strong>in</strong> den gesellschaftlichen Bereichen<br />

Nachbarschaft, Freundes- und Bekanntenkreis und Familie o<strong>der</strong><br />

Verwandtschaft <strong>in</strong> etwa gleiche Angaben zur eigenen Integration gemacht<br />

haben. Lediglich am Arbeitsplatz ist <strong>der</strong> Kontakt von Frauen ger<strong>in</strong>ger, was<br />

aber auch daran liegt, dass türkische Frauen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Erwerbsquote<br />

haben (vgl. Sauer 2009, S. 136f).<br />

Der E<strong>in</strong>druck des Beraters könnte vielleicht dar<strong>in</strong> begründet se<strong>in</strong>, dass die<br />

türkischen Frauen e<strong>in</strong> größeres Vertrauen zu ihm gefasst haben und<br />

deswegen offener waren als ihre Ehemänner.<br />

Die wichtige Rolle <strong>der</strong> Familie im Leben türkischer <strong>Migranten</strong> wird hier noch<br />

e<strong>in</strong>mal herausgestellt. Dies untermauert die Annahme aus dem Kapitel<br />

„Private Schulden“, dass das familiäre Netzwerk für die türkischen<br />

Ratsuchenden beson<strong>der</strong>s wichtig ist und e<strong>in</strong> Bruch mit den Verwandten<br />

83


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

wegen f<strong>in</strong>anzieller Schwierigkeiten untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wohl umso dramatischer<br />

wäre.<br />

5.3.13 Gescheiterte Selbstständigkeit<br />

Zu den Themen Selbstständigkeit türkischer <strong>Migranten</strong> und <strong>der</strong>en<br />

Erfahrungen mit dem Wirtschaftssystem äußert sich e<strong>in</strong> Berater. Nach<br />

se<strong>in</strong>er Auffassung ist die gescheiterte Selbstständigkeit e<strong>in</strong> vermehrt<br />

auftreten<strong>der</strong> Überschuldungsgrund bei türkischen Ratsuchenden.<br />

Insgesamt arbeiten <strong>der</strong>zeit 8% <strong>der</strong> erwerbstätigen türkischen <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland als Selbstständige (vgl. Sauer 2009, S. 83f).<br />

Generell lässt sich sagen, dass Türken oft dazu neigen e<strong>in</strong>e selbstständige<br />

Tätigkeit aufzunehmen und die Zahl <strong>der</strong> als Selbstständige arbeitenden<br />

weiter ansteigt (vgl. Hayen u.a. 2005, S. 188).<br />

Diese nehmen, im Vergleich zu den nicht selbstständig Tätigen,<br />

überproportional häufig Bankenkredite <strong>in</strong> Anspruch (ebd., S. 160).<br />

Somit dürfte <strong>der</strong> von dem Berater gewonnene E<strong>in</strong>druck richtig se<strong>in</strong>, da bei<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Selbstständigkeit eher seltener das familiäre Netzwerk<br />

<strong>in</strong>volviert wird, son<strong>der</strong>n Banken e<strong>in</strong>e große Rolle spielen. Im Falle des<br />

Scheiterns wird also professionelle Unterstützung zur Regulierung <strong>der</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeiten notwendig. Dies dürfte für e<strong>in</strong>ige türkische <strong>Migranten</strong><br />

dann e<strong>in</strong> Grund zur Kontaktaufnahme <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Inwiefern die Verschuldung die erste Erfahrung mit dem Wirtschaftssystem<br />

ist, kann an Hand <strong>der</strong> Aussage des Beraters nicht näher überprüft werden.<br />

Aber es könnte e<strong>in</strong> Rückschluss dah<strong>in</strong>gehend gezogen werden, dass die<br />

meisten befragten Ratsuchenden nicht wussten, welche rechtlichen<br />

Konsequenzen auf Grund ihrer f<strong>in</strong>anziellen Notsituation auf sie zukommen<br />

werden. Die von <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> durchgeführte Aufklärung darüber,<br />

könnte als Erfahrungen mit dem Wirtschaftssystem angesehen werden.<br />

84


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

5.3.14 Überschätzung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Leistungsfähigkeit<br />

E<strong>in</strong> Berater hat die Auffassung, türkische Klienten könnten ihre f<strong>in</strong>anzielle<br />

Belastbarkeit oft nicht realistisch e<strong>in</strong>schätzen.<br />

Außerdem würden, laut dem Befragten, häufig außergerichtliche<br />

Regulierungsmöglichkeiten <strong>in</strong> Betracht gezogen, die e<strong>in</strong><br />

Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren vermeiden sollen.<br />

Diese Aussage wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ratsuchendenbefragung bestätigt. In Kapitel 3.3<br />

beschreibt e<strong>in</strong>e Erzählperson, dass sie weitere Zahlungen geleistet hat,<br />

obwohl dadurch neue Schulden entstanden s<strong>in</strong>d, da das Girokonto immer<br />

weiter überzogen wurde.<br />

Das Insolvenzverfahren sche<strong>in</strong>t für e<strong>in</strong>ige türkische Ratsuchende nur <strong>in</strong><br />

Frage zu kommen, wenn alle an<strong>der</strong>en Möglichkeiten die For<strong>der</strong>ungen<br />

zurückzuzahlen, ausgeschöpft worden s<strong>in</strong>d.<br />

85


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

6. Zusammenführung <strong>der</strong> Ergebnisse und Beantwortung <strong>der</strong><br />

Forschungsfrage<br />

Die <strong>der</strong> Untersuchung zu Grunde liegende Forschungsfrage nach den<br />

beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen, Wünschen und Bedürfnissen türkischer<br />

<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>, wird <strong>in</strong> diesem Kapitel beantwortet.<br />

Neben den Erkenntnissen <strong>der</strong> Forschung werden die daraus resultierenden<br />

Ideen und Vorschläge für die Praxis <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> dargestellt.<br />

Ziel <strong>der</strong> vorliegenden Forschungsarbeit ist es die beson<strong>der</strong>en<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen, Wünsche und Bedürfnisse türkischer <strong>Migranten</strong> an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> herauszuarbeiten.<br />

Nach <strong>der</strong> Bearbeitung <strong>der</strong> Interviews mit türkischen Ratsuchenden <strong>der</strong><br />

<strong>Schuldnerberatung</strong>, wurde erkennbar, dass diese kaum Wünsche haben und<br />

mit <strong>der</strong> erlebten Beratung weitestgehend zufrieden s<strong>in</strong>d. Seitens <strong>der</strong><br />

Befragten gibt es ke<strong>in</strong> Anliegen die Beratung zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Den E<strong>in</strong>satz von Dolmetschern f<strong>in</strong>den Interviewte s<strong>in</strong>nvoll, allerd<strong>in</strong>gs sehen<br />

sie für sich selbst ke<strong>in</strong>en Bedarf, da sie ihre eigenen Deutschkenntnisse für<br />

die Beratung als ausreichend ansehen.<br />

Term<strong>in</strong>e <strong>in</strong> kürzeren Zeitabständen wünschen sich manche Erzählpersonen,<br />

nennen hierfür aber ke<strong>in</strong>en Grund. Deswegen ist nicht ersichtlich, ob sich<br />

<strong>der</strong> Wunsch konkret auf das Handlungsfeld <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> bezieht<br />

o<strong>der</strong> ob sie gerne e<strong>in</strong>en festen Ansprechpartner für alltägliche Belange<br />

hätten.<br />

Die Anfor<strong>der</strong>ungen und Bedürfnisse türkischer <strong>Migranten</strong> an die<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> erschließen sich <strong>in</strong>direkt aus <strong>der</strong><br />

Ratsuchendenbefragung, mehr Aufschluss darüber bietet aber die<br />

Beraterbefragung.<br />

Dazu stellen sich im Wesentlichen drei Themengebiete dar:<br />

� Sprachliche Barrieren – Dolmetscher<br />

� Offenheit – Intimität<br />

86


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

� Rechtlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Schulden: Türkei –<br />

Deutschland<br />

Diese werden im Folgenden näher erläutert.<br />

6.1 Sprachliche Barrieren – Dolmetscher<br />

Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> beiden durchgeführten Befragungen, stellt man<br />

fest, dass die meisten Berater die Sprachkompetenz <strong>der</strong> türkischen<br />

<strong>Migranten</strong> oft als nicht ausreichend erachten. Die Ratsuchenden selbst<br />

gehen nicht weiter auf persönliche sprachliche Schwierigkeiten e<strong>in</strong>, geben<br />

aber teilweise an, dass sie e<strong>in</strong>en Dolmetscher für an<strong>der</strong>e hilfreich fänden<br />

o<strong>der</strong> selbst schon für Bekannte übersetzt haben.<br />

E<strong>in</strong> Grund für das Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>laufen <strong>der</strong> Ergebnisse dürfte se<strong>in</strong>, dass die<br />

Interviewpartner im Vorfeld von den Beratungsstellen selektiert worden<br />

s<strong>in</strong>d, da e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> zu erfüllenden Kriterien möglicher Interviewpartner gute<br />

Deutschkenntnisse war. Somit stellt die Kommunikation für die Befragten<br />

offenbar eher ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung dar, dies gilt nach Aussage <strong>der</strong><br />

Berater aber nicht für alle türkische Ratsuchenden.<br />

Die Befragung nach <strong>der</strong> subjektiven Sprachkompetenz <strong>der</strong> neunten<br />

nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen Mehrthemenbefragung hat ergeben, dass <strong>in</strong><br />

Deutschland ungefähr 50% <strong>der</strong> türkeistämmigen <strong>Migranten</strong> gut bis sehr gut<br />

deutsch verstehen und sprechen, knapp 35% schätzen diese Fähigkeiten<br />

selbst als mittelmäßig e<strong>in</strong>, etwa 14% als eher schlecht bis sehr schlecht<br />

(vgl. Sauer 2009, S. 76).<br />

Zum<strong>in</strong>dest für die Gruppe, die ihre Sprachkompetenz als eher schlecht bis<br />

sehr schlecht beurteilt, wäre e<strong>in</strong> Dolmetscher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung notwendig,<br />

um die beratungsrelevanten Inhalte vermitteln zu können. Wegen <strong>der</strong> oft<br />

komplexen Sachverhalte, die die befragten Berater umschreiben, wäre dies<br />

vermutlich auch für die türkischen <strong>Migranten</strong> s<strong>in</strong>nvoll, die ihre Fähigkeiten<br />

deutsch zu verstehen und zu sprechen als mittelmäßig e<strong>in</strong>stufen. Somit<br />

ergibt sich bei ungefähr <strong>der</strong> Hälfte aller türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>der</strong> Bedarf<br />

e<strong>in</strong>es Übersetzers <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>.<br />

87


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Als Ergebnis <strong>der</strong> Beraterbefragung kann festgehalten werden, dass <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es neutralen Dolmetschers sich als s<strong>in</strong>nvoll und empfehlenswert<br />

herausgestellt hat, da e<strong>in</strong>ige Berater bereits positive Erfahrungen<br />

diesbezüglich gemacht haben. Hier bleibt allerd<strong>in</strong>gs die Frage offen, wer<br />

entscheidet (Ratsuchen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Berater), ob e<strong>in</strong> Dolmetscher e<strong>in</strong>gesetzt<br />

wird o<strong>der</strong> nicht.<br />

Wenn die Me<strong>in</strong>ung des Ratsuchenden und des Beraters ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>laufen,<br />

weil die jeweils subjektive Wahrnehmung und Bewertung <strong>der</strong><br />

Beratungssituation unterschiedlich ist, muss e<strong>in</strong>e sensible<br />

E<strong>in</strong>zelfallentscheidung durch den Berater getroffen werden. Hierbei ist die<br />

Freiwilligkeit <strong>der</strong> Beratung zu beachten, wonach im Zweifel immer <strong>der</strong><br />

Ratsuchende über se<strong>in</strong>e Belange entscheidet. An<strong>der</strong>erseits muss <strong>der</strong> Berater<br />

für sich selbst festlegen, wann <strong>der</strong> Punkt gekommen ist, an dem er alles<br />

ihm Mögliche getan hat, um den Klienten fachlich richtig und umfassend zu<br />

beraten und er den weiteren Beratungsverlauf nach dessen Wunsch<br />

verantworten kann.<br />

Der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Dolmetschers <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung kann <strong>in</strong> diesem Fall<br />

kontrovers diskutiert werden: auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite ist es möglich, dass die<br />

Motivation selbst Deutsch zu lernen steigt, um künftig selbst <strong>in</strong> Gesprächen<br />

aktiv werden zu können. An<strong>der</strong>erseits ist denkbar, dass durch das Angebot<br />

e<strong>in</strong>es Übersetzers <strong>der</strong> Antrieb die deutsche Sprachkompetenz zu<br />

verbessern, gehemmt wird. Wenn es möglich ist die sprachlichen Defizite<br />

durch die Hilfe an<strong>der</strong>er zu kompensieren, existiert ke<strong>in</strong>e Notwendigkeit die<br />

deutschen Sprachkenntnisse auszubauen.<br />

Neben den Verständigungsschwierigkeiten im Beratungsgespräch geben<br />

e<strong>in</strong>ige Berater an, dass sie e<strong>in</strong>en großen Teil des Schriftverkehrs für ihre<br />

türkischen Klienten übernehmen.<br />

Ihre Kompetenz auf Deutsch zu schreiben, schätzen rund 47% <strong>der</strong><br />

türkischen <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> Deutschland als gut bis sehr gut e<strong>in</strong>, 27% als<br />

88


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

mittelmäßig und etwa 26% als eher schlecht bis sehr schlecht (vgl. Sauer<br />

2009, S. 76).<br />

Für über die Hälfte <strong>der</strong> türkischen Ratsuchenden ist es demnach eher nicht<br />

möglich, schriftliche Verhandlungen mit dem Gläubiger selbstständig zu<br />

führen, da hierzu die, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en geläufige,<br />

formale Fachsprache und auch das Wissen um rechtliche Gegebenheiten<br />

notwendig s<strong>in</strong>d.<br />

Deswegen ist es nicht nur zweckmäßig, son<strong>der</strong>n fast unumgänglich, dass<br />

die Berater den Schriftverkehr mit den Gläubigern <strong>in</strong>tensiv unterstützen.<br />

Aus den dargestellten Erkenntnissen ergeben sich folgende Ideen für die<br />

schuldnerberaterische Praxis: Der Bedarf an Beratern o<strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitern mit türkischen Sprachkenntnissen ist vorhanden, so dass im<br />

Bedarfsfall die Beratung auf Türkisch erfolgen kann.<br />

Informationsanschreiben, Anschreiben wegen Term<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>barungen o<strong>der</strong><br />

ähnliches werden ebenfalls als s<strong>in</strong>nvoll erachtet, um e<strong>in</strong>en reibungslosen<br />

Beratungsablauf zu gewährleisten.<br />

6.2 Offenheit – Intimität<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Beratungsbeziehung entwickelt sich <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>e<br />

Vertrauensbasis zwischen dem Berater und dem Ratsuchenden. Deren<br />

Ausprägung kann unterschiedlich se<strong>in</strong> und von den Beteiligten subjektiv<br />

an<strong>der</strong>s wahrgenommen werden.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Beratung steht das gegenseitige Kennenlernen. Den meisten<br />

befragten Ratsuchenden ist es nicht schwer gefallen Vertrauen zu ihrem<br />

Berater zu fassen und dieses zu bewahren.<br />

Seitens <strong>der</strong> Berater fällt dies oft schwerer, da e<strong>in</strong>ige den Verdacht haben,<br />

dass ihnen etwas verschwiegen wird und sie daran zweifeln, dass <strong>der</strong> Klient<br />

alles Gesagte versteht.<br />

Vor allem die sprachliche Barriere sche<strong>in</strong>t den Beratungsablauf stark zu<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Wegen <strong>der</strong> Befürchtung nicht richtig verstanden worden zu<br />

se<strong>in</strong>, haben manche Berater das Gefühl aufmerksamer se<strong>in</strong> zu müssen und<br />

89


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

empf<strong>in</strong>den die Beratung als anstrengend. E<strong>in</strong>ige Befragte haben angegeben,<br />

dass sie mehr erklären, sich klarer ausdrücken und den überwiegenden Teil<br />

des Schriftverkehrs übernehmen. Dies vermittelt dem Klienten den<br />

E<strong>in</strong>druck, dass <strong>der</strong> Berater sich sehr für ihn e<strong>in</strong>setzt und e<strong>in</strong>e große<br />

Unterstützung ist, was durch die Ratsuchendenbefragung im Kapitel 4.7<br />

(Berater) bestätigt wird.<br />

Die Dankbarkeit für die entgegengebrachte Hilfe durch den Berater und das<br />

bestätigte Vertrauen des Ratsuchenden <strong>in</strong> diesen drückt sich manchmal so<br />

aus, dass <strong>der</strong> Berater emotional e<strong>in</strong>em Familienmitglied gleichgestellt wird,<br />

was wie<strong>der</strong>um zu e<strong>in</strong>er größeren Offenheit des Ratsuchenden führt.<br />

Probleme, die im Grunde nichts mit <strong>Schuldnerberatung</strong> im eigentlichen<br />

S<strong>in</strong>ne zu tun haben, werden angesprochen und <strong>der</strong> Berater gibt diesen<br />

meist auch Raum.<br />

Das Zulassen weiterer Themen hat e<strong>in</strong>e unterschiedliche Wirkung auf die<br />

Berater: manche entscheiden sich für e<strong>in</strong>e weiterreichende Unterstützung,<br />

an<strong>der</strong>e fühlen sich erdrückt von den Wünschen <strong>der</strong> Ratsuchenden und legen<br />

Wert auf e<strong>in</strong>e klare Abgrenzung. Wichtig ist dabei e<strong>in</strong>en Weg zu f<strong>in</strong>den, <strong>der</strong><br />

für alle Beteiligten tragbar ist und die Beratungsbeziehung aufrecht erhalten<br />

wird, die die Basis für die künftige Zusammenarbeit bildet. Zudem sollte<br />

sich <strong>der</strong> Berater stets um professionelle 13 Distanz bemühen, damit er<br />

arbeitsfähig bleibt.<br />

Von den Beratern wird die Beratung türkischer <strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> den meisten<br />

Fällen als schwierig beschrieben. Konkret wird dies nur an den sprachlichen<br />

Barrieren. Weitere Gründe für Unsicherheiten o<strong>der</strong> Unwohlse<strong>in</strong> bleiben eher<br />

diffus. Diese Tatsache und die Aussagen, dass je<strong>der</strong> Klient gleich behandelt<br />

wird, die von allen Beratern geäußert wurde, führt zu dem Schluss, dass es<br />

vielleicht die kulturellen Unterschiede s<strong>in</strong>d, die zu den nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

erklärbaren Problemen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung führen. An manchen Stellen gehen<br />

13 „Wird <strong>der</strong> Begriff „professionell“ im S<strong>in</strong>ne von „beruflich“ verwendet, können alle Aussagen, die e<strong>in</strong><br />

Berufstätiger zu se<strong>in</strong>er beruflichen Tätigkeit macht, als „professionell“ bezeichnet werden. Es geht also<br />

um die jeweilige Eigendef<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> Tätigen von Professionalität und damit um die jeweils eigenen<br />

Wertvorstellungen und Maßstäbe“ (Thomsen 2008, S. 48). „Professionelle Distanz“ wird demnach hier<br />

als berufliche Abgrenzung zum alltäglichen Umgang mit Menschen verstanden.<br />

90


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

die Berater <strong>in</strong> <strong>der</strong> Befragung darauf e<strong>in</strong>, dass kulturelle Unterschiede<br />

beachtet werden (welche das s<strong>in</strong>d, wird nicht erwähnt) o<strong>der</strong> sie sich nicht<br />

ganz sicher s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>wiefern die türkische Kultur e<strong>in</strong>e Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />

spielt.<br />

Deswegen sche<strong>in</strong>en schuldnerberaterspezifische Fortbildungen zum Thema<br />

<strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz s<strong>in</strong>nvoll zu se<strong>in</strong>, um eventuelle Vorbehalte<br />

abzubauen und den Umgang türkischer <strong>Migranten</strong> mit den Themen Geld und<br />

Schulden besser kennenzulernen.<br />

Vielleicht ist es aber auch schon ausreichend, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung offen mit<br />

eventuell bestehenden Unterschieden umzugehen. Wenn sichtbar ist, dass<br />

e<strong>in</strong> türkischer Klient Schwierigkeiten hat, sich den rechtlichen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Deutschland, bezogen auf Geld und Schulden,<br />

anzupassen, sollte dies vom Berater angesprochen werden. So zeigt er zum<br />

e<strong>in</strong>en, dass er se<strong>in</strong> Gegenüber mit dessen Ängsten und Vorbehalten ernst<br />

nimmt und zum an<strong>der</strong>en kann er nur unter diesen Umständen zusammen<br />

mit dem Ratsuchenden e<strong>in</strong>e passende Lösung erarbeiten.<br />

6.3 Rechtlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Schulden:<br />

Türkei – Deutschland<br />

Sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei als auch <strong>in</strong> Deutschland unterscheidet sich <strong>der</strong><br />

rechtliche und gesellschaftliche Umgang mit Schulden.<br />

Seit 1999 gibt es <strong>in</strong> Deutschland für überschuldete Privatpersonen die<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong> Verbraucher<strong>in</strong>solvenzverfahren zu beantragen, nach dessen<br />

Laufzeit von sechs Jahren, unter E<strong>in</strong>haltung gewisser Pflichten durch den<br />

Schuldner, die Restschuldbefreiung erteilt wird (vgl. Müller 2003, S. 286).<br />

Dadurch wird überschuldeten Menschen die Perspektive gegeben, nach<br />

Beendigung des Verfahrens, wirtschaftlich e<strong>in</strong> neues Leben zu beg<strong>in</strong>nen<br />

(ebd., S. 286).<br />

Laut den befragten türkischen <strong>Migranten</strong> gibt es e<strong>in</strong>e solche Möglichkeit <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Türkei nicht. Entwe<strong>der</strong> man zahlt se<strong>in</strong>e Schulden o<strong>der</strong> muss mit ihnen<br />

leben. Wenn man se<strong>in</strong>en Verpflichtungen nicht nachkommen kann, hat <strong>der</strong><br />

91


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Gläubiger, beziehungsweise <strong>der</strong> Gerichtsvollzieher das Recht dem Schuldner<br />

alles zu nehmen was er besitzt, so die Interviewten 14 .<br />

Im Gegensatz dazu, gelten <strong>in</strong> Deutschland Pfändungsfreigrenzen 15 , die<br />

gewährleisten, dass dem Schuldner ausreichend Geld verbleibt, um se<strong>in</strong>e<br />

Existenz zu sichern. Auch Möbel o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Hausrat dürfen nur nach den<br />

geltenden gesetzlichen Bestimmungen gepfändet werden. Gegenstände, die<br />

e<strong>in</strong>e bescheidene Lebens- und Haushaltsführung nicht übersteigen, müssen<br />

dem Schuldner verbleiben 16 .<br />

Diese Beispiele zeigen die grundlegenden Unterschiede zwischen<br />

Deutschland und <strong>der</strong> Türkei im rechtlichen Umgang mit Schulden. E<strong>in</strong>em<br />

türkischen Ratsuchenden, <strong>der</strong> sich mit den rechtlichen Gegebenheiten zum<br />

Thema Überschuldung <strong>in</strong> Deutschland nicht auskennt und aus Erzählungen<br />

o<strong>der</strong> eigenen Erfahrungen weiß, wie die Situation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei ist, werden<br />

die Möglichkeiten <strong>in</strong> Deutschland vermutlich befremdlich vorkommen.<br />

Deswegen ist es wichtig sensibel mit den möglichen Ängsten türkischer<br />

Ratsuchen<strong>der</strong> vor totaler Pfändung und Gefängnisstrafen umzugehen.<br />

Möglicherweise ersche<strong>in</strong>t die Perspektive durch e<strong>in</strong> Insolvenzverfahren<br />

entschuldet zu werden, als zu gut um wahr zu se<strong>in</strong>, was Zweifel an dem<br />

Verfahren hervorrufen könnte. Es ist also notwendig die Ratsuchenden<br />

umfassend über ihre Rechte und Pflichten als Schuldner aufzuklären.<br />

Für die Praxis <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong> ist an dieser Stelle noch e<strong>in</strong>mal<br />

beson<strong>der</strong>s hervorzuheben, dass türkische <strong>Migranten</strong> die Möglichkeiten<br />

<strong>Schuldnerberatung</strong> <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen und trotz Überschuldung e<strong>in</strong>e<br />

Perspektive auf e<strong>in</strong> schuldenfreies Leben zu haben, aus ihrer Heimat (o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Heimat ihrer Eltern) nicht kennen. Deswegen wäre e<strong>in</strong> offensives<br />

Bewerben <strong>der</strong> Angebote von <strong>Schuldnerberatung</strong>sstellen, die diese<br />

14 Die Recherche nach <strong>der</strong> Rechtsgrundlage zur Zwangsvollstreckung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, hat zu ke<strong>in</strong>em<br />

Ergebnis geführt. Deswegen stützen sich die Angaben alle<strong>in</strong> auf die Aussagen <strong>der</strong> befragten türkischen<br />

Ratsuchenden.<br />

15 Vergleiche hierzu § 850c Zivilprozessordnung „Pfändungsgrenzen für Arbeitse<strong>in</strong>kommen“<br />

16 Vergleiche hierzu § 811 Zivilprozessordnung „Unpfändbare Sachen“<br />

92


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Klientengruppe erreicht, s<strong>in</strong>nvoll. So könnten beispielsweise Kooperationen<br />

mit türkischen Kulturvere<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gegangen werden o<strong>der</strong> Anzeigen <strong>in</strong><br />

Zeitungen o<strong>der</strong> im Internet zweisprachig veröffentlicht werden. Außerdem<br />

wären Präventionsveranstaltungen, speziell für türkische <strong>Migranten</strong>, e<strong>in</strong>e<br />

gute Möglichkeit die Überschuldung betreffenden Unsicherheiten<br />

auszuräumen und über die wirklich existierenden Konsequenzen bei<br />

Überschuldung aufzuklären.<br />

93


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

7. Schlussbetrachtung<br />

Die Untersuchung <strong>der</strong> Wünsche, Bedürfnisse und Anfor<strong>der</strong>ungen türkischer<br />

<strong>Migranten</strong> an Hand von Ratsuchenden<strong>in</strong>terviews und <strong>der</strong> schriftlichen<br />

Befragung von Beratern hat ergeben, dass <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Berater <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Konflikt zwischen dem Wunsch nach Gleichbehandlung und den<br />

auftretenden Schwierigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung stehen. Dementgegen s<strong>in</strong>d<br />

die Ratsuchenden zufrieden mit <strong>der</strong> Unterstützung und dankbar dafür.<br />

Das Ergebnis erweckt den E<strong>in</strong>druck es bestehe e<strong>in</strong>seitiger Handlungsbedarf.<br />

Durch mehr H<strong>in</strong>tergrundwissen, zum Beispiel durch <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Fortbildungen, könnten die Berater <strong>in</strong> ihrer Arbeit gestärkt und die<br />

bestehenden Unsicherheiten reduziert werden.<br />

Die vorliegende Arbeit lässt aber unter an<strong>der</strong>em die Frage offen, welchen<br />

E<strong>in</strong>druck türkische Ratsuchende, <strong>der</strong>en sprachliche Kompetenzen nicht so<br />

hoch s<strong>in</strong>d wie die <strong>der</strong> Befragten, von <strong>der</strong> Beratung haben. In e<strong>in</strong>er<br />

weiterführenden Forschung könnten Ansätze zur Verän<strong>der</strong>ung gefunden<br />

werden. Hierzu wären Interviews auf Türkisch wahrsche<strong>in</strong>lich zweckmäßig.<br />

Somit kann diese Arbeit lediglich als e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das bislang<br />

unbearbeitete Forschungsfeld gesehen werden. Die Begrenzung <strong>der</strong><br />

ausgewählten Orte, an denen Interviews durchgeführt wurden, war wegen<br />

<strong>der</strong> praktischen Umsetzung notwendig. In an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Städten, <strong>in</strong> denen es Stadtteile gibt, die hauptsächlich von türkischen<br />

<strong>Migranten</strong> bewohnt werden, könnte das Resultat ganz an<strong>der</strong>s ausfallen.<br />

Zwar hat die Auswertung <strong>der</strong> erhobenen qualitativen Daten erste wertvolle<br />

Ergebnisse geliefert, diese könnten durch e<strong>in</strong>e quantitative Befragung, zum<br />

Beispiel mittels e<strong>in</strong>es deutsch-türkischen Fragebogens, überprüft und<br />

weitergeführt werden. E<strong>in</strong>e solche, gänzliche anonyme Umfrage, würde<br />

eventuell auch die Wünsche <strong>der</strong> türkischen Ratsuchenden ans Licht br<strong>in</strong>gen.<br />

Die eigenen Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis hat <strong>der</strong> Autor, soweit es möglich<br />

war, nicht <strong>in</strong> die Arbeit e<strong>in</strong>fließen lassen, um e<strong>in</strong> größtmögliches Maß an<br />

Objektivität zu gewährleisten.<br />

94


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Die Erwartung an den Ausgang <strong>der</strong> Forschung war zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n ist davon ausgegangen worden, dass türkische <strong>Migranten</strong> ganz<br />

spezielle Wünsche an die Beratung haben, wie zum Beispiel e<strong>in</strong>e schnelle<br />

Entschuldung, die Löschung des SCHUFA-E<strong>in</strong>trags o<strong>der</strong> die Ausklammerung<br />

<strong>der</strong> privaten Schulden. Auf diese Themen gehen die Ratsuchenden selbst<br />

nicht e<strong>in</strong>, die Berater h<strong>in</strong>gegen schon. Demnach läuft die Wahrnehmung des<br />

Beratungsauftrages weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse für Schuldnerberater hilfreich s<strong>in</strong>d<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis Berücksichtigung f<strong>in</strong>den.<br />

95


<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

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In: Schruth, Peter/Kuntz, Roger/Müller, Klaus/Stammler,<br />

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Stigler, Hubert/Felb<strong>in</strong>ger, Günter (2005): Der Interviewleitfaden im<br />

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Thomsen, Monika (2008): Professionalität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong>.<br />

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Tucci, Ingrid (2008): Lebenssituation von <strong>Migranten</strong> und <strong>der</strong>en<br />

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Walbrühl, Ulrich (2006): Wirksamkeit von <strong>Schuldnerberatung</strong>. Teil II.<br />

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<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

Woellert, Franziska/Kröhnert, Steffen/Sippel, Lilli/Kl<strong>in</strong>gholz, Re<strong>in</strong>er (2009):<br />

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<strong>Migranten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldnerberatung</strong><br />

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www.schufa.de (Stand 03.05.2010)<br />

www.schuldnerberatung-hessen.de/<strong>in</strong>dex.php/<strong>in</strong>formationsblaetter (Stand<br />

03.05.2010)<br />

99

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