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Rundbrief 2/2004 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV ...

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Thema AusländerMancher Journalist lässt sich zum Thema Ausländer von einigenDeutschen einen Bären aufbinden. „Im Bus muss man nur maloben sitzen und durch die Soldiner fahren, da kann man wassehen. Da kann man von oben in die verhängten Fenster vonSpielhöllen sehen und wie da dicke Geldrollen auf den Tischenliegen.“, erzählt da etwa ein Aufschneider einem Schreiberling vonder Berliner Zeitung. Das kann schon deshalb nicht stimmen, weilin der Soldiner Straße nur ein Gelenkbus verkehrt, aber keine Doppelstöcker.Auch die Legenden vom ausländischen Bandenkriegverraten meist mehr über die ausländerfeindliche Gesinnungdes Sprechers als über die Ausländer im Soldiner Kiez. Wenn imSoldiner Kiez die Wellen hoch schlagen und die Nachbarschaftaufhorcht, dann meist wegen einem Familienstreit. Allerdingswünschen auch die meisten Ausländer nicht, dass noch mehrNicht-Deutsche in das Viertel ziehen. Die meisten träumen wie dieDeutschen von einer gesunden Mischung der Nationen, Berufeund Altersgruppen. Doch damit tut sich eine Großstadt wie Berlinschwer, denn der Wohnungsmarkt überträgt die Ungleichheit derwirtschaftlichen Verhältnisse in den Raum. Also gibt es ärmereund reichere Viertel. Und da Ausländer meist arm sind, konzentrierensie sich in den armen Vierteln. Und der normale Mittelschichtsdeutscheund seine Medien assoziieren Armut immer noch mitSchmutz, Gewalt und Verbrechen, bis es die Einheimischen selberglauben. Vor allem der Hundekot ist beliebter Aufreger. Den gibtes nur in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg genauso.Die „Kolonie-Boys“Am schlimmen Ruf des Soldiner Kiezes sind auch die „Kolonie-Boys“ mit Schuld. Das ist eine Jugendgang, die im letzten Jahrzehntvon sich Rede machte. Was man von ihnen hört, müssen sieunangenehme Burschen gewesen sein. Von Drogen und Gewaltist die Rede. Auch heute gibt es wieder eine Jugendgruppe, diesich nach den schlimmen Schlägern benennt. Als Spiegel-tv sieaber vorzuführen trachtete, konnten sie nicht verhindern, dasseinzelne ihrem Wunsch nach einer bürgerlichen Karriere Ausdruckgaben, weil sie aus dem Armenviertel raus wollten. Was sie nichtsagten, war, dass sie von einem Häuschen im Grünen träumen wieMillionen Deutsche auch. Drogen und Gewalt sind bei der Mehrzahlder Jugendlichen im Soldiner Kiez out. Die ehemals rebellischeJugend träumt von materiellem Konsum und bescheidenemWohlstand. Manchem sind sie eher zu brav. Selbst Drogenhandelfindet im Soldiner Kiez nur in kleinem Umfang statt. Der Polizei istdas bekannt und sie sagt, sie hätte die Szene unter Kontrolle.„Die Politiker haben doch eh keine Ahnungvon der Lage vor Ort.“Neben der Armut der Bewohner, die selbst auf die billigen Lädenund Dönerbuden abfärbt, die sich ständig im Preis unterbietenoder gebrauchten Ramsch verkaufen, ist das größte Problem dasschlechte Image des Kiezes. Das fängt damit an, dass viele Freundenicht in das verrufene Viertel kommen wollen. Ständig müssendie Soldiner in andere Viertel fahren, wenn sie ihre Freunde vonaußerhalb treffen wollen. Das ist aber nur eine Unbequemlichkeit.Ernster ist, dass der unberechtigt schlechte Ruf bereits dasUmzugsverhalten beeinflusst. Menschen aus der Mittelschichtbeginnen deswegen und wegen der schwierigen Lage der Schulewegzuziehen, und es kommen auch neu kaum Bessergestelltehinzu. Das Image, so die Feststellung der Forschergruppe, wird zueinem eigenständigen Faktor beim Auseinanderdividieren derSchichten im Raum. Durch die schlechte Propaganda, die Kiezewie der Soldiner haben, wird sowohl der Verelendung der rundums Stadtzentrum liegenden „Slums“ wie auch dem Ausweichender Wohlhabenderen in den Speckgürtel das Wort geredet.Deshalb waren manche auch enttäuscht, als sich im Herbst letztenJahres ausgerechnet der Bürgermeister von Mitte, Joachim Zeller(CDU), für diese Propaganda benutzen ließ. Aber die meistenwinkten schon damals ab. „Die Politiker haben doch eh keineAhnung von der Lage vor Ort.“Hinweis: Sämtliche Namen sind geändert.Thomas Kilian, AG Kiezforschung im Soldiner Kiez e.V.6

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