beHANDELN STATT VERWALTEN - REFUGIO München
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An Ausflügen zum Fotografieren an der Isar, in der Innenstadt und<br />
im Englischen Garten nahmen die Jungen mit großem Interesse teil.<br />
der zu erwartenden Bilder – ebenso führt es dazu, dass sich<br />
die Jugendlichen bewegen und außerhalb der EAE aufhalten.<br />
Andererseits entstanden viele Aufnahmen im direkten Umfeld<br />
der Teilnehmer. Auch diese Motive tragen einen ganz besonderen<br />
Wert in sich. Sie erzählen vom Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung,<br />
der Schule und den Menschen, die die Jugendlichen<br />
treffen – und zwar in einer authentischen und unmittelbaren<br />
Bildsprache, die nur entwickeln kann, wer Teil dieser<br />
hermetischen Welt ist und auch nicht zu viel über Fotografie<br />
nachdenkt, sondern sie intuitiv und skizzenhaft nutzt. Die Kamera<br />
ist auch zugleich der Grund, die neue Stadt kennen zu<br />
lernen und anhand der Bilder das Gesehene zu reflektieren.<br />
Eine kontinuierliche ‘Arbeit mit Bildern’ gelingt nicht zuletzt<br />
auch deswegen, weil die Jugendlichen eine erstaunliche Disziplin<br />
an den Tag legen und echtes Interesse an dem Angebot<br />
zeigen. Außerdem erfuhren wir, wie sich die Teilnehmer untereinander<br />
organisierten, Kameras austauschten und sich gegenseitig<br />
entwickelte Filme mitbrachten. An den Aktionen nahmen die<br />
Jungen mit großem Interesse teil, wie beispielsweise dem Besuch<br />
von Fotoausstellungen in der Villa Stuck und im Haus der<br />
Kunst, oder Ausflügen zum Fotografieren an der Isar, in der<br />
Innenstadt und im Englischen Garten. Während der Aktionen<br />
fand auch intensive Beziehungsarbeit statt, die Jungen fassten<br />
Vertrauen, erzählten ihre Geschichten, Ängste, Erfahrungen<br />
und Wünsche. Unsere Arbeit setzt den Schwerpunkt einerseits<br />
auf das Medium Fotografie, andererseits auf einen kreativen<br />
Hilfsansatz, durch vertrauensbildende Gespräche und Vernetzung<br />
mit anderen Projekten. Bemerkenswert ist die Freude, die<br />
die Jugendlichen während des Kurses zeigen. Auch wenn gelegentlich<br />
traumatische Erfahrungen die Stimmung beeinträchtigen,<br />
herrscht oft eine befreiende Leichtigkeit.<br />
Die jungen Flüchtlinge durchlaufen einen schwierigen Prozess<br />
der Ankunft in Deutschland. Ihrer Integration werden<br />
große Hürden in den Weg gestellt. Trotzdem gelingt es vielen<br />
Jugendlichen mit großer Motivation an dieser Gesellschaft teilzuhaben,<br />
ihre Träume und Ziele zu verwirklichen. Eine Begleitung<br />
und Unterstützung durch Mitarbeiter von <strong>REFUGIO</strong> im<br />
kreativen, pädagogischen und therapeutischen Rahmen bedeutet<br />
für sie eine große Bereicherung bei ihrer Identitäts- und<br />
Orientierungssuche in Deutschland.<br />
8<br />
REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />
BAYERISCHE POLITIK BLEIBT BEI<br />
Kaum Verbesserungen für<br />
Am 15. Juli wurde im Landtag mit den Stimmen von CSU<br />
und FDP beschlossen:<br />
Die Residenzpflicht wird gelockert. Flüchtlinge dürfen sich nun in<br />
ihrem Regierungsbezirk und angrenzenden Landkreisen frei bewegen.<br />
Klienten aus Germering können jetzt ohne Erlaubnisantrag<br />
bei ihrer Ausländerbehörde zur Therapie nach <strong>München</strong> fahren.<br />
Für andere unserer Klienten, die z.B. in Niederbayern untergebracht<br />
sind, müssen wir weiterhin für jede Therapiesitzung eine<br />
Genehmigung einholen. Die wird anfangs und zwischendurch in<br />
manchen Fällen verweigert und fordert dann viel Einsatz, um<br />
dem Klienten zu einer Behandlung zu verhelfen.<br />
Für Familien endet die Unterkunftspflicht nach Abschluss des<br />
Erstasylverfahrens unter bestimmten Bedingungen.<br />
Bei allen übrigen Fällen ist eine private Wohnsitznahme erst vier<br />
Jahre nach Ende des Asylverfahrens gestattet.<br />
Bei manchen Flüchtlingen und manchen Herkunftsländern dauern<br />
Asylverfahren sehr lange, oder es gibt einen Entscheidungsstopp.<br />
Als ein Beispiel sei von uns eine Familie erwähnt, die<br />
seit Oktober 2007 in der Unterkunft lebt und noch keine Antwort<br />
auf den Asylantrag hat.<br />
Hier müsste es eine Frist für die Dauer der Unterkunftspflicht<br />
geben, z.B. ein Jahr, ohne Bindung an das Asylverfahren.<br />
Jedoch gibt es eine Einschränkung für den Auszug aus der Unterkunft,<br />
die leider viele Flüchtlinge trifft.<br />
Nur die Flüchtlinge dürfen ausziehen, deren Identität geklärt<br />
ist, bzw. die hinreichend bei der Klärung mitgewirkt haben.<br />
Wer die Fluchtsituationen kennt, weiß, dass viele der schutzsuchenden<br />
Menschen Probleme mit dem Nachweis ihrer Identität<br />
haben. Kaum ein Flüchtling hat gültige Reisedokumente.<br />
Max Kratzer (linkes Bild, m. Kamera) und Verena Schmidt (rechtes<br />
Bild, Mitte) leiten den Fotoworkshop. Beide waren überrascht, wie<br />
gern die Jugendlichen das Angebot annahmen und wie sie mittlerweile<br />
selbstständig in den Werkstattraum ins Eine Welt Haus kommen.<br />
Max Kratzer fotografierte für uns das Titelbild des letzten Reports.<br />
Viele haben uns auf das ausdrucksstarke Foto angesprochen.<br />
Max Kratzer ist freiberuflicher Fotograf und unterstützt <strong>REFUGIO</strong>.<br />
Mehr zu seiner Person unter <br />
REPORT NR. 34 / AUGUST 2010<br />
DER AUFNAHME VON FLÜCHTLINGEN BEIM ABSCHRECKUNGSPRINZIP<br />
Text: Anni Kammerlander, Fotos: Max Kratzer<br />
traumatisierte Flüchtlinge<br />
Sie kommen aus Krisengebieten, in<br />
denen sie als Verfolgte oft keine Dokumente<br />
beschaffen können oder die Verwaltung<br />
funktioniert nicht mehr und es<br />
können keine Dokumente ausgestellt<br />
werden. Fast alle Flüchtlinge sind auf<br />
Schlepper angewiesen, diese behalten<br />
die Dokumente zur Wiederverwendung<br />
zurück. Manche der Flüchtlinge wollen<br />
sich aus Angst vor der Abschiebung oder<br />
Angst vor neuen Repressalien, auch gegenüber<br />
der Familie daheim, keine Papiere<br />
besorgen.<br />
Bei rigorosem Bestehen auf die Mitwirkungspflicht<br />
wird einfach die Realität<br />
des weltweiten Fluchtgeschehens außer<br />
Acht gelassen.<br />
Die Behörden haben auch einen Ermessensspielraum<br />
in ihren Entscheidungen,<br />
der sehr unterschiedlich gehandhabt<br />
wird. Hier sollte der Schutz von Flüchtlingen<br />
Leitlinie sein und nicht die Abschreckung<br />
im Vordergrund stehen.<br />
Für die unbegleiteten minderjährigen<br />
Flüchtlinge soll es bei der jetzigen Betreuung<br />
bleiben. Ob hier die Anerkennung<br />
der UN-Kinderrechtskonvention in<br />
Bayern Beachtung findet, ist aber noch<br />
fraglich.<br />
So wie die derzeitige Erstaufnahme<br />
dieser Jugendlichen<br />
läuft, ist es ein Skandal.<br />
Würde hier der Kinder-<br />
und Jugendschutz,<br />
der in Deutschland die<br />
Norm ist, beachtet, müssten<br />
alle Jugendlichen sofort<br />
aus der jetzigen Erstaufnahmeeinrichtungherausgenommen<br />
und in Jugendhilfeeinrichtungen<br />
untergebracht werden. Jugendliche<br />
sollten grundsätzlich<br />
nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft<br />
untergebracht werden.<br />
Für traumatisierte und psychisch<br />
schwer belastete Flüchtlinge ändert<br />
sich zur bisherigen Regelung nichts.<br />
Der Umzug in eine Privatwohnung bedarf<br />
einer amtsärztlichen Einzelfallprüfung,<br />
in der eine posttraumatische Belastungsstörung<br />
festgestellt oder bestätigt wird<br />
und die einen Auszug aus der Unterkunft<br />
unumgänglich macht. Hier sind Diagnosestellungen<br />
von <strong>REFUGIO</strong> oder einer<br />
psychiatrischen Klinik nicht ausreichend.<br />
Nicht alle Amtsärzte in Bayern sind mit<br />
dem Thema Traumatisierung und deren<br />
Folgen vertraut. Da werden auch dia-<br />
Sie können unseren <strong>REFUGIO</strong> Report regelmäßig beziehen. Anruf genügt: Tel. 089/982957-0.<br />
Zur Deckung unserer Portokosten bitten wir um Ihre Spende.<br />
BEITRITTSERKLÄRUNG • Förderverein <strong>REFUGIO</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />
Ich möchte den Verein zur Förderung des Beratungs-<br />
und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt und Folter<br />
durch meine Spende unterstützen als:<br />
❑ Vollmitglied<br />
durch aktive Mitarbeit und finanzielle Unterstützung mit Stimmrecht im Verein; Beitrag von 9 64,- jährlich<br />
❑ Fördermitglied<br />
nur finanzielle Unterstützung; (Beitragsnennung siehe Rückseite)<br />
Förderverein Refugio <strong>München</strong> e.V.<br />
Bankverbindung u. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft • Konto 88 27 800 • BLZ 700 205 00<br />
Mariahilfplatz 10 • 81541 <strong>München</strong> • Tel. 089/98 29 57-0 • Fax 089/98 29 57-57 • office@refugio-muenchen.de<br />
(Bitte füllen Sie auch die Rückseite dieses Abschnitts aus).<br />
Erstaufnahmeeinrichtung Baierbrunnerstraße:<br />
pro Zimmer sind 4 - 6 Jugendiche untergebracht.<br />
gnostizierte posttraumatische Erkrankungen<br />
verneint. Der Landkreis Neuburg<br />
z.B. schickt in diesen Fällen die betreffenden<br />
Klienten in den Landkreis<br />
Dachau zur Untersuchung, da dort der<br />
nächste Amtsarzt mit entsprechenden<br />
Fachkenntnissen ist.<br />
Hat ein traumatisierter Flüchtling die Erlaubnis<br />
zum Auszug, müssen weitere Hürden<br />
überwunden werden. Sind die Betroffenen<br />
noch im Asylverfahren, gelten für sie<br />
die verminderten Regelsätze (siehe auch<br />
➮➮➮➮➮➮➮➮➮➮<br />
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