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Die Hauptvorlage "Familien heute" - Evangelische Kirche von ...

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<strong>Hauptvorlage</strong> für die Landessynode 2012<strong>Familien</strong> heuteImpulse zu Fragen der Familie


EINLEITUNGWarum eine <strong>Hauptvorlage</strong> zu ,,<strong>Familien</strong> heute ,, ?02Impressum:Herausgegeben <strong>von</strong> der <strong>Kirche</strong>nleitungder <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong> WestfalenAltstädter Kirchplatz 533602 BielefeldFon: 0521/594-0Fax: 0521/594-129landeskirchenamt@lka.ekvw.dewww.evangelisch-in-westfalen.deGeschäftsführung und Redaktion:Albert Henz, BielefeldAnnette Muhr-Nelson, Unna<strong>Die</strong>ter Rothardt, SchwerteDr. Remi Stork, MünsterChrista Thiel, DortmundJürgen Traphöner, BielefeldGestaltung und ProduktionBeckdesign GmbHwww.beckdesign.deFamilie ist etwas Wunderbares. In <strong>Kirche</strong>ngemeindentreffen sich Menschen, die auf ganz unterschiedlicheWeise Familie leben. <strong>Die</strong> Eltern mit ihren Kindern; diejunge Mutter, die ihr Kind allein erzieht; der verwitweteältere Mann; die gleichgeschlechtlichen Paare; dieGroßfamilie mit vielen Kindern; die pflegebedürftigenEltern.<strong>Familien</strong> verdienen Anerkennung und Unterstützung.Sie stehen dauerhaft und generationenübergreifendfüreinander ein. Sie brauchen Orte und Zeiten derEntlastung: Sie gehören zu unserer <strong>Kirche</strong>.<strong>Die</strong> <strong>Hauptvorlage</strong> ist ein Impulspapier. Sie beleuchtetsoziale und sozialpolitische Zusammenhänge undstellt Zahlen und Fakten zusammen. Sie zeigt auf, wiesich Familie seit biblischen Zeiten verändert hat. Sieschildert, wie sich Familie als beständige Form desZusammenlebens schon immer den gesellschaftlichenVeränderungen angepasst hat.Anstöße, wie sich kirchliches Leben und Handeln aufdie unterschiedlichen <strong>Familien</strong>wirklichkeiten einstellenkann. Es ermutigt, <strong>Familien</strong> in ihrem Alltag zustärken und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichenDiskussion.Zum Umgang mit der <strong>Hauptvorlage</strong><strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong>nleitung der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong>Westfalen richtet an die Gemeinden und <strong>Kirche</strong>nkreise,an die Einrichtungen und Werke der Landeskirche dieBitte, zu dieser <strong>Hauptvorlage</strong> Stellung zu nehmen. <strong>Die</strong>Stellungnahmen werden bis zum 1. Juli 2013 an dasLandeskirchenamt der EKvW erbeten.<strong>Die</strong> <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong> Westfalen und die LippischeLandeskirche, ihre Gemeinden und Einrichtungenverpflichten sich, die eigene Arbeit auf <strong>Familien</strong>freundlichkeithin zu überprüfen, <strong>Familien</strong> stärker in den Blickzu nehmen und Vernetzungen herzustellen. Erfahrungsberichtedarüber sind sehr erwünscht.03Herstellungsleitung und VertriebÖffentlichkeitsarbeit der EKvW,Uwe-C. Moggert-SeilsStellungnahmen an das Landeskirchenamt der EKvW,Jürgen Traphöner. E-Mail: stellungnahme@ekvw.de<strong>Die</strong> Erfahrungsberichte, Gestaltungsideen, Projektbeschreibungenund Veranstaltungen bitte schickenan Christa A. Thiel. E-Mail: familien-heute@ekvw.deDas Impulspapier zeigt Leitlinien unter der Fragestellungauf: Was ist zeitbedingt? Was hat Bestand überdie Jahrhunderte?Insgesamt geht es darum, Gemeindegruppen, <strong>Kirche</strong>ngemeindenund Einrichtungen einzuladen, miteinanderins Gespräch zu kommen. Das Impulspapier gibt<strong>Die</strong> <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong> Westfalen und die LippischeLandeskirche bitten, für das Jahr 2013 Gestaltungsideenzu entwickeln, Erfahrungen mit Projektenzu beschreiben und diese in den Prozess einzubringen.<strong>Die</strong>ser Prozess wird mit Beginn des Jahres 2013 auf derInternetseite www.familien-heute.de begleitet.


INHALTSVERZEICHNIS04EinleitungWarum eine <strong>Hauptvorlage</strong> zu <strong>Familien</strong> heute?Zum Umgang mit der <strong>Hauptvorlage</strong> ...............................................................................................................................................03VorwortFünf Fragen an Präses Annette Kurschus und Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann .................................08<strong>Familien</strong> in den Veränderungen wahrnehmenAnnäherungenWas macht eine Familie zur Familie? ..............................................................................................................................................10Themen der öffentlichen Debatte .....................................................................................................................................................11Zahlen und Fakten<strong>Familien</strong>formen ändern sich ...............................................................................................................................................................13Herausforderung: Mobil und multilokal ........................................................................................................................................13Trend: Vereinbarkeit <strong>von</strong> Familie und Beruf .................................................................................................................................14Rechtliche Grundlagen und Einflüsse .............................................................................................................................................16Rahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussenZeit ................................................................................................................................................................................................................17<strong>Familien</strong>bilder im Fernsehen ...............................................................................................................................................................21<strong>Familien</strong> stärken in <strong>Kirche</strong> und GesellschaftMit Kindern neu anfangen .......................................................................................................................................................................45<strong>Die</strong> Kunst der Vernetzung .........................................................................................................................................................................48Netzwerke knüpfen .......................................................................................................................................................................................50Mit <strong>Familien</strong> neu anfangenFamilie als primärer Ort religiöser Sozialisation .........................................................................................................................53Familie als System wahrnehmen .......................................................................................................................................................54Menschen im Lebenslauf begleiten ..................................................................................................................................................54<strong>Familien</strong> Räume geben ..........................................................................................................................................................................58Was bedeutet <strong>Familien</strong>freundlichkeit? Impulse zur Weiterarbeit<strong>Familien</strong>freundliche <strong>Kirche</strong><strong>Familien</strong>freundliche Gemeinde ..........................................................................................................................................................59<strong>Familien</strong>orientierung als diakonische Aufgabe ...........................................................................................................................60<strong>Kirche</strong> als Arbeitgeberin ........................................................................................................................................................................63<strong>Familien</strong>freundliche GesellschaftZeit für <strong>Familien</strong> .......................................................................................................................................................................................64<strong>Familien</strong>freundliche Unternehmen ..................................................................................................................................................6605Armut und Gesundheit .........................................................................................................................................................................22Erschöpfung und Gewalterfahrungen ............................................................................................................................................24Vereinbarkeit <strong>von</strong> Pflege und Beruf .................................................................................................................................................26Zur DiskussionAktuelle Themen der <strong>Familien</strong>politik ...............................................................................................................................................68Familie in der Freiheit des Glaubens verantwortlich gestaltenDer Schutzraum der Familie im Alten Testament .......................................................................................................................29Verwandtschaft und die Gemeinde als Familie im Neuen Testament..............................................................................32AnhangLiteraturverzeichnis ......................................................................................................................................................................................76Verzeichnis der Mitwirkenden ................................................................................................................................................................80Systematisch-theologische Überlegungen .......................................................................................................................................33Herausforderungen für kirchliche Praxis und evangelisches <strong>Familien</strong>verständnis....................................................38Begleitung <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> durch die <strong>Kirche</strong>........................................................................................................................................42


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENZahlen und Fakten<strong>Familien</strong>formen ändern sich ...<strong>Familien</strong> haben sich in ihren Formen, Beziehungsstrukturenund Alltagsabläufen seit den1970er-Jahren erheblich verändert.<strong>Die</strong> Zahlen des Statistischen Bundesamtes Wiesbadenund des Datenreports 2011 zeigen, dass <strong>von</strong> den<strong>Familien</strong> mit Kindern die <strong>Familien</strong>form „Ehepaar mitKindern“ mit 72 Prozent nach wie vor die häufigste<strong>Familien</strong>form ist. Dazu gehören auch „Patchworkfamilien“.Weiter angestiegen sind vor allem die nichtehelichenLebensgemeinschaften, die sich in den letztenzwölf Jahren fast verdoppelt haben. Eine Zunahmeist auch bei Alleinerziehenden zu beobachten. 2010waren 19 Prozent alleinerziehend, zwölf Jahre zuvorwaren es 14 Prozent.Das Alleinerziehen ist offenbar „Frauensache“: In neun<strong>von</strong> zehn Fällen war der alleinerziehende Elternteil imJahr 2009 die Mutter 3 .<strong>Familien</strong>formen wie Alleinerziehende, nichtehelicheund gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nehmenzu, ebenso Wochenend-Ehen, getrennte Haushalteund Pendelbeziehungen.Der Anteil der Ein-Personen-Haushalte wächst amstärksten und lag 2009 bundesweit bei 39,5 Prozent 4 .Bei älteren Frauen steigt der Anteil der Alleinlebendenmit zunehmendem Alter rasch und stark an. Allein zuleben bedeutet allerdings nicht automatisch einsamund ohne soziale Netzwerke zu sein.Herausforderung: Mobil und multilokal<strong>Die</strong> Erwartung an eine hohe Mobilität in der Arbeitsweltführt <strong>Familien</strong> an Belastungsgrenzen. Manchesehen seit Längerem die Gefahr einer „voll-mobilenSinglegesellschaft“. 5In der Soziologie ist inzwischen die „Multilokalität“ <strong>von</strong><strong>Familien</strong> Thema geworden. Familie lebt in verschiedenenStädten oder auch Staaten. <strong>Die</strong> Entfernungen veränderndas Kommunikationsverhalten untereinander.13Deine rechte Hand hält mich. Psalm 63, 93) Weitere Informationen finden sich im <strong>Familien</strong>report 2011 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ab Seite 22.4) Pressemitteilung GfK Marketing, Februar 2010 (http://www.gfk-geomarketing.de/fileadmin/newsletter/pressemitteilung/BVSD_2009.html)5) Burkart, Günter (1992): Auf dem Weg zur vollmobilen Single-Gesellschaft? Kommentar zum Artikel <strong>von</strong> Schofer/Bender/Utz (ZfBW 4/1991),in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, 18, 3, S. 355-360.


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENFAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENZahlen und FaktenRechtliche Grundlagen und EinflüsseRahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussenZeit16 Seit den Änderungen im Kindschaftsrecht 1998<strong>Die</strong> Rahmenbedingungen für <strong>Familien</strong> haben sich Alle <strong>Familien</strong>mitglieder brauchen Zeit für sich selbst.17sind auch in Deutschland nichteheliche Kinderehelichen Kindern gleichgestellt. Zugleich stärktdas <strong>Familien</strong>recht die „soziale Familie“, indembeispielsweise nichteheliche Väter Sorge- undUmgangsrecht haben. Außerdem ist die gemeinsameSorge nach der Scheidung die Regel. <strong>Die</strong>s führtauch dazu, dass mehr und mehr Kinder nicht nuran einem Lebensmittelpunkt aufwachsen, sondernmobiler werden müssen und zwischen nichtmehr zusammenlebenden Elternteilen hin und herpendeln.Im <strong>Familien</strong>recht <strong>von</strong> heute gibt es verfassungsrechtlicheVorgaben und Leitbilder <strong>von</strong> Ehe und Familie. DasGrundgesetz stellt in Artikel 6 Ehe und Familie unterden besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.Das Bundesverfassungsgericht gibt Leitlinien zurAuslegung der Begriffe „Ehe“ und „Familie“ an dieHand, die im <strong>Familien</strong>recht des Bürgerlichen Gesetzbuchesaufgenommen und weiter konkretisiert werden.Artikel 6 des Grundgesetzes ist ein Schutz- und Abwehrrechtgegen staatliche Eingriffe und zugleich einestaatliche Garantie für Ehe und Familie.Artikel 6 Grundgesetz(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderenSchutze der staatlichen Ordnung.(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürlicheRecht der Eltern und die zuvörderst ihnenobliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht diestaatliche Gemeinschaft.(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigtendürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes <strong>von</strong>der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigtenversagen oder wenn die Kinder ausanderen Gründen zu verwahrlosen drohen.(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz unddie Fürsorge der Gemeinschaft.(5) Den unehelichen Kindern sind durch dieGesetzgebung die gleichen Bedingungen fürihre leibliche und seelische Entwicklung und ihreStellung in der Gesellschaft zu schaffen wie denehelichen Kindern.verändert. Unverändert ist die Tatsache, dass<strong>Familien</strong> viel leisten. Jede Familie bildet ihrenRahmen, in dem sie Verantwortung, Vertrauen undVerlässlichkeit leben will. <strong>Familien</strong> tragen Sorgefür die nachwachsende Generation. Sie übernehmenVerantwortung für die älter werdendeGeneration. Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigenwerden zu Hause gepflegt. <strong>Die</strong> verändertengesellschaftlichen Bedingungen erfordern unterschiedlicheFormen der Anpassung, um weiterhinverlässlich füreinander Sorge zu tragen. Ob dasgelingt, hängt <strong>von</strong> vielen Faktoren ab. Fünf grundlegendesind nachfolgend in ihrer Bedeutung für<strong>Familien</strong> beschrieben.Jede <strong>Familien</strong>konstellation muss ihren Weg finden, umGemeinschaft herzustellen. Dabei spielt der Faktor Zeiteine Rolle. So brauchen Kinder verlässliche Zeiten mitihren Eltern. Wichtig ist Kindern nicht unbedingt, dasssie besonders viel Zeit mit den Eltern verbringen, sondernvielmehr die verlässliche, regelmäßige Anwesenheitder Eltern, vor allem abends und am Wochenende.Das belegt die World Vision Kinderstudie <strong>von</strong> 2007. 7Und schließlich brauchen <strong>Familien</strong> auch Zeit fürandere soziale Netzwerke. 8 <strong>Die</strong>sen Bedürfnissen stehenunterschiedliche Arbeits-, Schul- und Freizeittermineentgegen.Der aktuelle <strong>Familien</strong>bericht des Bundesministeriumsfür <strong>Familien</strong>, Senioren, Frauen und Jugend trägt denTitel „Zeit für Familie. <strong>Familien</strong>zeitpolitik als Chanceeiner nachhaltigen <strong>Familien</strong>politik“.Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröderzum 8. <strong>Familien</strong>bericht„Zeit ist die Leitwährung unserer <strong>Familien</strong>politik.Eltern brauchen Zeit, um ihre Kinder ins Leben zubegleiten und sie brauchen Zeit, wenn AngehörigeUnterstützung benötigen oder pflegebedürftigwerden. Aus Studien wissen wir: Der Wunschnach mehr Zeit für Familie rangiert weit vor demWunsch nach mehr Geld oder nach bessererKinderbetreuung. Ob <strong>Familien</strong> zusammenhalten, obEltern und Kinder füreinander da sein können, istin erster Linie eine Frage der Zeit.“Das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) regelt dasZusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare. Es stellthomosexuelle Paare in Bezug auf Rechte und Pflichten– wie Unterhaltsrechte – Ehepaaren gesetzlich gleich.Aktuell wird daher das verfassungsrechtliche Verhältnisder Lebenspartnerschaft zur Ehe diskutiert.7) http://www.worldvision-institut.de/_downloads/allgemein/zusammenfassung-kinderstudie2007.pdf8) Siehe auch Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Siebter <strong>Familien</strong>bericht, Berlin. Ebenso der Achte<strong>Familien</strong>bericht.


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENZeitAlles hat seine Zeit. Prediger 318 Im Zusammenhang mit diesem Bericht wurden <strong>von</strong>der Sachverständigenkommission Eckpunkte für einefamilienfreundliche Zeitpolitik entwickelt. Sie betreffenZeitkonflikte und Wünsche <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> in unterschiedlichenPhasen und Konstellationen. Einige dieserEckpunkte 9 , die auch kirchliches Leben betreffen, sindhier zitiert:• Mehr Zeitsouveränität <strong>von</strong> Eltern kann etwa durchden weiteren Ausbau der Betreuungseinrichtungenoder durch die Gestaltung <strong>von</strong> Arbeitszeit erreichtwerden. Dabei dürfen betriebliche Notwendigkeitennicht außer Acht gelassen werden.• Verschiedene Zeitstrukturen, wie Arbeitszeiten undÖffnungszeiten <strong>von</strong> Betreuungseinrichtungen, sindhäufig nicht aufeinander abgestimmt. Eine solcheAbstimmung kann in den meisten Fällen am bestenauf kommunaler Ebene erfolgen.• <strong>Die</strong> Mitverantwortung älterer Menschen sollhäufiger angesprochen werden, um diese für die<strong>Familien</strong>zeit zu gewinnen.• Der Bundesfreiwilligendienst kann in stärkeremMaße als Instrument zur Förderung des zivilgesellschaftlichenEngagements älterer Menschen genutztwerden.• <strong>Familien</strong>unterstützende <strong>Die</strong>nstleistungen können<strong>Familien</strong> entlasten und dazu beitragen, dass sieihren Alltag besser organisieren können. BestehendeInfrastruktureinrichtungen, wie zum Beispiel Mehrgenerationenhäuseroder Kindertageseinrichtungen,könnten als „Drehscheiben“ oder Vermittlungszentrenmit neuartigen Funktionen als <strong>Die</strong>nstleistungszentrengenutzt werden.• Kommunen sollten sich – wie die Gesellschaftinsgesamt – stärker am Gedanken einer fürsorgendenGemeinschaft (Caring Community) orientieren.Kommunale Plattformen, die zivilgesellschaftlichesEngagement fördern und koordinieren, können dieBasis für das Entstehen solcher Communities sein.9) Vorabinformationen Achter <strong>Familien</strong>bericht vom 28. Oktober 2011 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/familie,did=175150.html


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENRahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussen<strong>Familien</strong>bilder im FernsehenOb in <strong>Familien</strong>serien wie der „Lindenstraße“ oderim Help-TV wie der „Super-Nanny“ – <strong>Familien</strong>sind fester Bestandteil des Programms.Festzuhalten ist hier: Was im wirklichen Leben als besonderesEreignis – wie ein Unfall, Arbeitslosigkeit oderScheidung – stattfindet, ist für das Fernsehen lediglichder Einstieg in die Handlung oder das Filmende. Ofttransportieren Fernsehfilme <strong>Familien</strong>bilder vom Lebenin Reichtum und Luxus. Sie suggerieren, dass dies zumglücklichen <strong>Familien</strong>leben dazugehört.Im Help-TV werden schnelle Lösungen präsentiert,doch im wirklichen Leben sind die Problemlösungenlangwieriger, beispielsweise bei Erziehungsproblemenoder privater Insolvenz. Medial kommt es häufig zupersönlichen Schuldzuweisungen. Es findet also eineIndividualisierung des Problems statt, obwohl diestrukturellen Rahmenbedingungen oder eine Krankheit(z. B. Messie) die Ursache sind.Gegenüber den schnellen Lösungen im Fernsehenerscheinen die eigenen Probleme langwieriger. Gegenüberden schnellen und abwechslungsreichen Entwicklungenim Fernsehen erscheint das eigene Leben eher„langweilig“.„Doch dieses eigene Leben muss <strong>von</strong> den real existierenden<strong>Familien</strong> gelebt werden. Hier kann die <strong>Kirche</strong> mitihren Angeboten ermutigen, das persönliche Leben zuleben“, formulierte die Fernsehkritikerin Klaudia Wickihre Erwartungen an die <strong>Kirche</strong>. 1021Prüft aber alles und das Gute behaltet. 1. Brief an die Thessalonicher 5, 2110) Klaudia Wick referierte beim zweiten Workshop des Fachbeirats zur Erstellung der <strong>Hauptvorlage</strong> über medial vermittelte <strong>Familien</strong>bilder und ihre Auswirkungen auf real existierende<strong>Familien</strong>. Buchtipp: „Ein Herz und eine Seele“, Wie das Fernsehen Familie spielt (2007).


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENRahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussenArmut und Gesundheit22 Bundesweit ist etwa jedes fünfte Kind <strong>von</strong> Ar-In dem größten Teil der einkommensarmen Haus-Wer dauernd überlastet ist, wird erschöpft. Er läuft Vertreter der Diakonie betonen, dass Prävention zu för-23mut betroffen oder gilt als armutsgefährdet. InNordrhein-Westfalen leben 800.000 Kinder ineinem einkommensarmen Haushalt. Armut bedeutetnicht nur geringe materielle Ressourcen. Sozialbenachteiligte <strong>Familien</strong> leiden insgesamt unterzahlreichen Risiken: geringe Schul- und Berufsbildung,diskontinuierliche Erwerbsarbeit und hohe,generationsübergreifende Arbeitslosigkeit sowieüberdurchschnittliche Anzahl chronischer Erkrankungenund soziale Isolation.Mit zunehmender Zahl der minderjährigen Kinder, dieim Haushalt zu versorgen sind, steigt das Armutsrisiko.Denn zum einen wächst mit jedem Kind der finanzielleBedarf des Haushalts, zum anderen schwinden diezeitlichen Spielräume für die Erwerbsbeteiligung derEltern, weil mehr Kinder mehr Betreuung brauchen.Kinder <strong>von</strong> Alleinerziehenden haben ein überdurchschnittlichesArmutsrisiko. In NRW leben mehr als40 Prozent der Kinder <strong>von</strong> Alleinerziehenden in einemeinkommensarmen Haushalt. Allerdings ist Kinderarmutnicht nur ein Problem <strong>von</strong> Kindern Alleinerziehender.Fast drei Viertel aller <strong>von</strong> Einkommensarmutbetroffenen Kinder wachsen in einem Paarhaushaltauf. Das Armutsrisiko der Kinder hängt wesentlich<strong>von</strong> der Erwerbsbeteiligung der Eltern und derenQualifikation ab. <strong>Die</strong> Vollzeiterwerbstätigkeit nur einesElternteils reicht häufig nicht aus, um die Familie vorEinkommensarmut zu bewahren.halte mit Kindern unternehmen die Eltern erheblicheAnstrengungen, um den Kindern ein gutes Aufwachsenzu ermöglichen. <strong>Die</strong>se Leistung wird in der Regel in derÖffentlichkeit nicht wahrgenommen. Das verschärftdie ohnehin vorhandenen Belastungen und führt zuAusgrenzungen. Armut darf nicht mit Vernachlässigungverwechselt werden.Wer als Kind Resilienzkräfte (s. unten) entwickeln kann,kommt im Leben besser zurecht.Definition: ResilienzResilienz ist ein Fachausdruck für psychischeWiderstandskraft. Sie entscheidet maßgeblichdarüber, wie gut jemand mit kleinen oder großenKrisen umgehen kann. Eine wichtige Erkenntnisist, dass Resilienz sich stärken und verbessern, alsotrainieren lässt.<strong>Die</strong> Mutter der Resilienz<strong>Die</strong> amerikanische Entwicklungspsychologin EmmyE. Werner gilt als Mutter der Resilienztheorie.<strong>Die</strong> Wissenschaftlerin untersuchte 1955 auf derHawaii-Insel Kauai knapp 700 Kinder daraufhin,welche Risikofaktoren die Entwicklung einesKindes stören. Sie fand heraus, dass viele sich trotzschlechter familiärer oder körperlicher Voraussetzungensehr positiv entwickelten. Sie bezeichnetediese Kinder als resilient, da sie mit Rückschlägenbesser zurechtkamen als andere.Gefahr, seine Kinder zu vernachlässigen. <strong>Die</strong>se Gefahrwächst, wenn weitere Probleme hinzukommen,die Mütter und Väter nicht mehr aus eigener Kraftbewältigen können. Beispielsweise führt eine schwereKrankheit oder ein anderer Schicksalsschlag oft dazu,dass die Familie keine gegenseitige Fürsorge mehrleisten kann.Armut führt bei Kindern oft zu eingeschränktenEntwicklungschancen und zu einem erhöhten Krankheitsrisiko.Der Zusammenhang <strong>von</strong> sozialer Lage undGesundheit sei eindeutig, erklärt die ÄrztekammerWestfalen-Lippe:Sozial schlechter gestellte Kinder werden seltenerzu Früherkennungsuntersuchungen vorgestellt undseltener geimpft. Auch andere Präventionsangebote– beispielsweise zum Schutz vor Alkoholmissbrauch –erreichen schwerer ihr Ziel.Kinderschutz bedeutet auch, jegliche Benachteiligung<strong>von</strong> Kindern zu verhindern. Präventive Angebote müsstenso früh wie möglich greifen, um diesen Kindern eingesundes Aufwachsen zu ermöglichen. PräventiverKinderschutz ist besser als eine spätere Krisenintervention.1 1dern sei. Gleichzeitig dürfe aber mit den Investitionenin Prävention nicht an Mitteln zur Krisenbewältigunggespart werden.Fachkräfte berichten häufig <strong>von</strong> reduziertem Kommunikationsverhaltenin <strong>Familien</strong> in Risikolagen. DerUmgang mit Kindern sei eher reglementierend alslobend. Das bedeutet für Kinder und Erwachsene inprekären Lebenslagen auch: Sie erleben sich seltenselbstwirksam. Das führt zu Gefühlen <strong>von</strong> Wert- undSinnlosigkeit.11) Theodor Windhorst beim 3. Forum Kinderschutz 2010, (http://www.aekwl.de/index.php?id=123&tx_ttnews[tt_news]=532&tx_ttnews[backPid]=4564&cHash=3d4f54efcd)


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENRahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussenErschöpfung und Gewalterfahrungen24 <strong>Die</strong> Familie ist einerseits ein Ort der Zuflucht,ist aber andererseits auch ein Ort der Gewalt. 12Häufig sind Erschöpfung und Überforderung Anlassfür Konflikte. Wenn Konflikte in der Familieeskalieren, trifft es die Schwächeren. Es kommtzu Gewalt in der Partnerschaft, zu Gewalt gegenKinder und auch zur Gewalt gegen hilflose alteMenschen.Innerfamiliäre Gewalterfahrungen steigern nachweislichdas Risiko eines Kindes, später selbst gewalttätigzu werden. Neuere Studien bestätigen, dass immermehr Kinder gewaltfrei erzogen werden. Umstritten ist,ob die steigende Zahl der Trennungen und Scheidungenauch zur Gewaltfreiheit in <strong>Familien</strong> beiträgt:Einerseits ist es einfacher geworden, sich aus einergewalttätigen Beziehung zu lösen. Andererseits zeigendie Kriminalstatistiken keinen signifikanten Rückganghäuslicher Gewalt.Das Ausmaß elterlicher Gewalt gegenüber den Kindernist nach wie vor erheblich. Seit etwa 2005 sind deutlichmehr Kinder unter sechs Jahren in Obhut genommenund in Heimen oder Pflegefamilien untergebrachtworden. 2008 waren es in NRW 74 Prozent mehr alsnoch 2005. Allerdings sind die zunehmenden Eingriffeder Jugendhilfebehörden vermutlich vor allem auf einegestiegene Sensibilität und ein verändertes Meldeverhaltender Bevölkerung zurückzuführen.Kindeswohlgefährdung und KinderschutzDas Kindeswohl ist ein zentraler Begriff im Rahmendes <strong>Familien</strong>rechts im Bereich der „ElterlichenSorge“ und <strong>von</strong> Sorgerechtsmaßnahmen. Das Kindeswohlist in diesem Zusammenhang einerseitseine zentrale Rechtsnorm und gleichzeitig ein unbestimmterBegriff, der ausgehend vom Einzelfallstets konkretisiert werden muss. Er dient als Legitimationsgrundlagefür staatliche Eingriffe in dieFamilie. Es geht um die Gefährdungen <strong>von</strong> Kindernin <strong>Familien</strong> und im familiären Umfeld. Das könnenkörperliche, sexuelle und seelische Misshandlungenund Vernachlässigung sein. Es gibt immer wiederspektakuläre Fälle, die die Frage nahelegen: Warumwurde nicht früher eingegriffen?Er hat seinen Engeln befohlen,dass sie dich behütenauf allen deinen Wegen. Psalm 91, 1112) Hierzu ist eine Fotoausstellung <strong>von</strong> Frauen aus Frauenhäusern „Was hat Dir in der Kindheit gefehlt?“ in Arbeit.


FAMILIEN IN DEN VERÄNDERUNGEN WAHRNEHMENRahmenbedingungen, die das Leben <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> beeinflussenVereinbarkeit <strong>von</strong> Pflege und Beruf26 <strong>Die</strong> Erwerbstätigkeit <strong>von</strong> Männern und Frauen hat • Bei abnehmender Kinderzahl und zugleich größererAus der Praxis:27Auswirkungen auf die Pflege Angehöriger und aufdie Betreuung der Kinder. Oft sind die räumlichenEntfernungen zwischen den Generationen sehr groß.<strong>Die</strong> Generationen einer Familie leben „multilokal“ inverschiedenen Haushalten. Gegenwärtig gibt es die„Sandwich-Generation“ der 40- bis 65-Jährigen, diesich sowohl um Kinder als auch um pflegebedürftigeAngehörige kümmert.<strong>Die</strong> Soziologin Dr. Cornelia Kricheldorff beschreibtPflege als ein allgemeines Lebensrisiko.• Pflegebedürftigkeit im Alter ist bei über 80-Jährigenein erwartbares Lebensrisiko• <strong>Die</strong> Warscheinlichkeit wächst, dass in einem <strong>Familien</strong>verbandzwei Generationen parallel Pflege undUnterstützung brauchen.räumlicher Mobilität sind Probleme vorgezeichnet.Aus dieser Zukunftsperspektive ergeben sich Fragen:• Welche <strong>Familien</strong>ergänzungen lassen sich „einkaufen“?Das betrifft <strong>Die</strong>nstleistungen wie Putzen undEinkaufen oder Menschen und Beziehungen – etwaPflegekräfte aus Osteuropa, Tagesmütter oder Pflegebegleiter.• Wie kann die Vereinbarkeit <strong>von</strong> Pflege und Berufdurch betriebliche und außerbetriebliche Unterstützungbesser gelingen, etwa durch flexible Arbeitszeitenoder spezielle Angebote der Erwachsenenbildung?• <strong>Familien</strong> leisten hier viel. Sie brauchen persönlicheund gesellschaftliche Unterstützung, um nicht inErschöpfung zu fallen.Demenz-CaféDas Demenz-Café in Detmold ist ein offenerTreffpunkt speziell für Demenzerkrankte in Begleitungihrer Angehörigen. Pflegenden Angehörigenmöchten wir Anregungen und Hilfestellungen inder Begleitung demenziell erkrankter Menschengeben. Bei jedem Treffen gibt es einen Themenschwerpunkt.Manchmal ist dieser nur für dieAngehörigen gedacht, dann gibt es parallel dazuimmer eine Alternative für die demenziell erkranktenMenschen. Gerne werden auch Anregungenaufgenommen und umgesetzt. Alle Betroffenensind zu dem gemütlichen Kaffeetrinken herzlichwillkommen. Auf Wunsch gibt es bei jedem Treffendie Möglichkeit der individuellen Beratung. DasAngebot wird <strong>von</strong> erfahrenen Sozialpädagoginnengeleitet.<strong>Familien</strong> – in welcher <strong>Familien</strong>form auch immer –brauchen Orte, die ihnen ausreichend Respekt undSicherheit bieten, um sich auszutauschen und Netzwerkezu bilden. <strong>Kirche</strong>ngemeinden können solcheOrte sein. Politik und Gesellschaft erwarten viel <strong>von</strong>der <strong>Kirche</strong> und ihren Einrichtungen. Zu überlegen istdeshalb, ob die <strong>Familien</strong>bilder, die die kirchliche Praxisprägen, noch mit dem gegenwärtigen <strong>Familien</strong>lebenübereinstimmen. Welche theologischen Grundlegungenbestimmen das Bild <strong>von</strong> <strong>Familien</strong>?• <strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit Pflegebedürftigkeitinnerhalb des Lebenslaufs ist für den Einzelnenund die Gesellschaft unumgänglich.GENERATION 2GENERATION 4GENERATION 1GENERATION 3 GENERATION 50 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Jahre


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENSoll ich meines BrudersHüter sein? 1. Buch Mose 4, 9Der Schutzraum der Familie imAlten Testament<strong>Die</strong> beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungenfordern die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> heraus,<strong>Familien</strong> zu unterstützen und ihnen Orientierunganzubieten. Bei der Orientierung hilft der Blickauf die biblische Überlieferung. <strong>Die</strong> <strong>Familien</strong>verhältnisseder biblischen Schriften sind zwar andereals heute. Dennoch verbergen sich hinter dem, waszeitgeschichtlich bedingt ist, Themen des Lebens,die über die Jahrhunderte gleich geblieben sind.Im Alten Testament fällt zuerst der Wechsel verschiedener<strong>Familien</strong>formen auf. Das Wort „Familie“ findetsich im Alten Testament nicht, wohl aber spricht dieBibel vom „Vaterhaus“. Im Wechsel zwischen nomadischlebenden <strong>Familien</strong>verbänden zu den sesshaftgewordenen bäuerlichen Gruppen ist Familie nachheutigem Verständnis immer Großfamilie. Sie ist nichtnur die Familie <strong>von</strong> Müttern und Vätern mit ihrenKindern, sondern umfasst mehrere Generationen. Dazugehören neben den durch Ehe oder Verwandtschaftzusammengehörenden Menschen immer auch die weiterenAngehörigen des Hauses – auch die Sklavinnenund Sklaven und andere Abhängige.In der bäuerlichen Kultur leben und wirtschaften siein mehreren um einen Hof gruppierten Häusern. <strong>Die</strong>seGroßfamilie sichert das wirtschaftliche Überleben aller.Sie bietet Schutz gegen äußere Übergriffe.Deutlich wird der historische Abstand zwischen den<strong>Familien</strong>formen in der biblischen Zeit und der heutigenVorstellung <strong>von</strong> Familie. Insbesondere die persönlicheWahl des Partners und Freiheit in der Lebensgestaltungbleiben den meisten, die zum Haus gehören, versagt.Bei der Beschäftigung mit den <strong>Familien</strong>erzählungenaus dem 1. Buch Mose fällt auf, dass die geschildertenErfahrungen und Empfindungen trotzdem in manchemähnlich sind zu dem „Leben im Patchwork“ <strong>von</strong> heuteund den Herausforderungen, mit denen wir konfrontiertsind:• So berichtet die Josephserzählung <strong>von</strong> der ungleichenZuwendung des Vaters zu den Söhnen undder Konkurrenz unter Brüdern, die sich gewaltsamentlädt.• Theologisch bedeutsam sind die Erzählungen <strong>von</strong>den unerfüllten Kinderwünschen und der damitverbundenen Belastung im Miteinander <strong>von</strong> Frauund Mann. So wird es <strong>von</strong> Sara und Abraham und<strong>von</strong> Rachel und Jakob berichtet.• Zum Alltagsrealismus der Bibel gehört auch, dass sie<strong>von</strong> Gewalt in <strong>Familien</strong> erzählt: vom Zwist zwischenden Brüdern Kain und Abel, der mit dem Mord anAbel endet. David begeht einen Gattenmord, umeine begehrte Frau für sich zu gewinnen. Auch <strong>von</strong>Vergewaltigungen in der Familie wird berichtet. Kinderund Sklaven sind Unmündige, die auch verkauftwerden können.29


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENDer Schutzraum der Familie im Alten Testament30 Daneben entstehen im Alten Testament Vorstellungen, Familie in den Zehn Gebotendie über diese alltäglichen Erfahrungen hinausweisenund zu Hoffnungsbildern werden: Gott selbst wirdmit dem Bild der Mutter verbunden, die tröstet undernährt, und so in unbedingter Liebe und Treue für dasVolk als Gottes Kind einsteht.Witwen und Waisen, die nicht in der Familie leben,werden unter Gottes besonderen Schutz genommen.Das vierte und das sechste Gebot formulieren dieSchutzfunktion der Familie: Es gilt, dem „werdenden“und dem „vergehenden“ Leben einen verlässlichenRaum zur Entfaltung und zur Unterstützung zu geben.(<strong>Die</strong> hier verwendete Zählung der Gebote folgt der lutherischenTradition. Zu beachten ist, dass es sich nachreformierter Zählweise bei dem Elterngebot um dasfünfte und beim Verbot des Ehebruchs um das siebteGebot handelt.)Als Ausgangspunkt der Zehn Gebote erinnert Gottan die Befreiung seines Volkes aus der Knechtschaftund Unterdrückung in Ägypten. Mit denGeboten lässt sich die so geschenkte Freiheit gestaltenund bewahren. Der befreienden Tat Gottesstehen die Menschen mit ihrem Tun gegenüber.Sieht man das Tötungsverbot im Zentrum derGebote, so lässt sich auch feststellen, dass diebeiden am nächsten stehenden Gebote die Familiebetreffen. „Du sollst deinen Vater und deine Mutterehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, dasdir der HERR, dein Gott, geben wird.“ – und „Dusollst nicht ehebrechen.“<strong>Die</strong> Familie ist der zum menschlichen Lebennotwendige Raum. Ein Leben ohne Familie warfaktisch nicht möglich. Gefährdet waren damalsbesonders die alten Menschen, die Witwen undWaisen. Viele Texte lassen erkennen, dass die Elternes waren, die im innerfamiliären Verteilungskampfam ersten unterlagen. <strong>Die</strong> alten Eltern sollen geehrtwerden. Es geht darum, denen, die ihre Würdenicht mehr allein bewahren und durchsetzen können,ein entsprechendes Gewicht zu geben. BeimVerbot des Ehebruchs geht es um den möglichenBruch im Zusammenleben <strong>von</strong> Mann und Frau, damitum das Zerbrechen des Raumes, in dem Kinderaufwachsen können und geschützt sind.„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen,wo du bleibst, da bleibe ich auch.“(Rut 1, 16)<strong>Die</strong>ses Treueversprechen ist heute ein beliebterTrauspruch. Im Buch Rut gibt es Rut ihrer SchwiegermutterNoomi. Damals wie heute geht es umden Wunsch, Verbindlichkeit, Verlässlichkeit undVerantwortung zu leben.Rut und ihre Schwiegermutter Noomi findengemeinsam einen Weg aus einer ausweglosen sozialenLage. Noomi und ihr Mann sind wegen einerHungersnot nach Moab ausgewandert. Ihr Mannstirbt dort bald. Ihre Söhne heiraten moabitischeFrauen. Nachdem auch die Söhne Noomis gestorbensind, entschließt sich Rut, bei ihr zu bleibenund mit ihr nach Israel zurückzukehren, obwohl siedort als Fremde mit Diskriminierung zu rechnenhat. <strong>Die</strong> beiden finden in Boas jemanden, der ihrErbe auslöst, und Rut und Boas heiraten. Gemeinsamgehen sie einen Weg, auf dem Rut demVersprechen an Noomi treu bleiben kann und derNoomi mit in das Haus des neuen Ehemanns führt.Damit wird die einzig realistische Möglichkeit dersozialen Integration zweier kinderloser Witwen ineine Gesellschaft beschrieben, die lebensnotwendigematerielle Ressourcen an männlichen Erbbesitzbindet. Im Kern dieser Erzählung steht einVersprechen, das ausdrucksstark eine neue Sichtauf Familie ermöglicht: <strong>Die</strong> hinter den rechtlichenund traditionellen Formen zugesagte Treue wirdals Grundlage familiärer Gemeinschaft erkennbar.


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENFAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENVerwandtschaft und die Gemeinde alsFamilie im Neuen TestamentSystematisch-theologische Überlegungen32 Im Neuen Testament finden wir wiederum die In den paulinischen Briefen erfahren wir ebenfallsDer biblische Befund lässt mehrere grundsätzliche Paulus relativiert alle soziologischen Kategorien des33Vorstellung des Hauses als <strong>Familien</strong>form, zu demneben Verwandten und Verschwägerten auch alleAbhängigen gehören. <strong>Die</strong> Beziehung Jesu zu seinereigenen Familie wird in der älteren Tradition alssehr ambivalent beschrieben:• Seine Verwandten halten ihn für verrückt.(Markus 3,21)• Jesus selbst weist die Ansprüche seiner Familie ab.(Markus 3, 31 – 35; Matthäus 12, 46 - 50)• In den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukasfordert Jesus mehrfach dazu auf, Familie und Hauszu verlassen und ihm nachzufolgen. <strong>Die</strong> Gemeinschaftderer, die sich in der Nachfolge sammeln, wirdzur neuen Familie. Kindern und Witwen gilt dabeiJesu besondere Achtung und Fürsorge: Sie werden inAufnahme der alttestamentlichen Tradition nun zubesonderen Vorbildern des Gottesglaubens. Sie sindnicht mehr allein Schutzbedürftige, sondern selbstHandelnde.Auch der Galaterbrief geht kritisch mit vorhandenensozialen Strukturen um: So werden die sozialen Institutionenaufgelöst zu Gunsten der neuen Bindung inJesus Christus. (Galater 3,28)da<strong>von</strong>, dass Menschen, die familiär als Abhängigelebten (besonders Sklaven), als einzelne Person zurTaufe zugelassen wurden. <strong>Die</strong>se Freiheit zum Glaubenbegründet die Gemeinde als Gemeinschaft, in der dietrennenden Unterschiede aufgehoben werden.Besonders bedeutsam wurden in der christlichenTradition die Haustafeln in den Briefen (Kolosser 3,18-4,1; Epheser 5,22 – 6,9): Sie sprechen alle, die zumHaus gehören, auf ihre gegenseitige Verantwortlichkeitan, vor allem auch die Väter als Vorstand des Hauses.<strong>Die</strong> Haustafel-Tradition ist freilich aus dem Umfeld desChristentums übernommen und damit auch Zeicheneiner Anpassung an die geltende Ethik. Zugleich wehrensie die Anfragen danach ab, ob durch den Zugangzum Glauben und zur Gemeinde, den die Taufe jedemund jeder öffnet, nicht die tradierten <strong>Familien</strong>formenaufgelöst werden.So steht im Neuen Testament beides nebeneinander:der Ruf, sich aus den bindenden <strong>Familien</strong>verbändenzu lösen zugunsten der Nachfolge und der neuenGemeinschaft in der Gemeinde, und andererseits dieStärkung der tradierten <strong>Familien</strong>strukturen.Aussagen zur Funktion <strong>von</strong> Familie zu:1.Familie lässt sich verstehen als Einladung Gottes,Verantwortung, Verbindlichkeit und Verlässlichkeitzu leben und zu gestalten. <strong>Die</strong>se Funktionhat Familie in Ableitung zu den Begriffen Treue undVerlässlichkeit als Handeln Gottes an seiner Schöpfungund an seinem Volk. Gott ist es, der mitgeht mitseinem Volk und ihm Regeln gibt, um das Leben zubestehen. Seine Treue legt den Grund für menschlicheTreue.<strong>Die</strong> Lebensregeln der Gebote benennen genau dieseFunktionen. Menschliche Treue und Verlässlichkeitsollen dem „werdenden“ wie dem „vergehenden“ Lebeneinen Schutzraum bieten.Dabei gibt es keine vorgegebenen institutionellenFormen, schon gar keine sakramentale Definition.Vielmehr kommt es darauf an, in den unterschiedlichenFormen, die heute gelebt werden, diese Grundfunktionenzu erfüllen. Das Neue Testament weitetden soziologischen <strong>Familien</strong>begriff darüber hinausim Sinne der Glaubensgemeinschaft. Es steigert denWert des „schutzbedürftigen“ Lebens sogar, indem esKindern und Witwen und Waisen wie zum Beispiel inden Seligpreisungen im Matthäusevangelium besondereWürde und Kompetenz zuspricht.Zusammenlebens.„Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habtChristus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche,hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mannnoch Frau; denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.“(Galater 3, 27f.)Darin liegt die Vision einer neuen Gemeinschaft, dieDifferenzen überbrückt, Über- und Unterordnungenauflöst und neues Miteinander möglich macht. Es gilt,die inhaltlichen Funktionen in Freiheit und Verantwortungzu leben.2.Zur Gottebenbildlichkeit des Menschen gehörtes, dass er als „Mann und Frau“ geschaffen ist.„Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zumBilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann undFrau.“ (1. Mose 1,27).Als Frauen und Männer, die tätig die Schöpfung gestaltenund Ruhe genießen, wie Gott selbst es tat, sinddie Menschen Bild Gottes. Gottebenbildlichkeit wirdin der Beziehung der Menschen zueinander, in denKindern, mit denen neues Leben in die Welt kommt,und im Mitgestalten seiner Schöpfung sichtbar. Mit derGottebenbildlichkeit ist der Auftrag verbunden, Lebenweiterzugeben und in seiner Individualität zu schützen.


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENSystematisch-theologische ÜberlegungenUnd Gott schuf den Menschenzu seinem Bilde. 1. Buch Mose1, 27<strong>Die</strong> Partnerschaft <strong>von</strong> Frau und Mann ist nicht aufbestimmte soziologische Formen festgelegt. Auch inihr sollen die inhaltlichen Funktionen erfüllt werden.Das „Scheidungsverbot“ ist nicht absolut zu setzen. Eskann, um die Grundfunktionen zu erfüllen, nachrangigwerden. Auch die Polarität <strong>von</strong> Mann und Frau kannin der Vielfalt der Individuen durch andere Gemeinschaftsformen„ersetzt“ werden.Das Scheidungsverbot ausevangelischer PerspektiveIn einem EKD-Gutachten zum Verhältnis zivilrechtlicherund kirchlicher Trauung ist eine hilfreicheInterpretation des jesuanischen Scheidungsverbotszu finden: „Nach reformatorischem Verständnissind die Aussagen der Bibel zum Zusammenlebender Menschen in ihrer Vielfalt zu beachten und ander Nähe zur Botschaft <strong>von</strong> der Versöhnung derWelt in Christus und der Rechtfertigung der Menschenbei Gott durch Jesus Christus zu messen.Von dieser Zentralbotschaft her, die in evangelischerPerspektive zugleich radikal und nüchternum die Grenzen menschlicher Lebens- undGemeinschaftsgestaltungen und den beständigenBedarf an Versöhnung und Neuanfang weiß, mussder Umgang mit den je besonderen biblischen Aussagenzu Ehe und Eheschließung und Scheidunggeleitet sein. Wo Übereinstimmungen wahrgenommenwerden, können sie aufgegriffen werden; woeinzelne Aussagen oder gar Vorschriften und Ermahnungendieser Zentralbotschaft nach heutigerAuffassung widersprechen, sind sie <strong>von</strong> dort herbehutsam zu korrigieren. Zu dieser Behutsamkeitgehört durchaus auch, die aus heutiger Sicht nichtzu leugnende Schärfe beispielsweise des Scheidungsverbotesbei Matthäus (Matthäus 19) alskritische Herausforderung gegenüber einer fast insindividuelle Belieben gestellten Auswahl unter denLebensformen und als Plädoyer für die auf Dauerund Verlässlichkeit zielende Gemeinschaft <strong>von</strong>Mann und Frau zu lesen. Umgekehrt darf, ja, mussauch dieses Verbot an der Botschaft der Liebe,Zuwendung und Verzeihensbereitschaft Gottesgegenüber den immer wieder sich verfehlendenMenschen seine Grenze finden.“(„Soll es künftig kirchlich geschlossene Ehen geben,die nicht zugleich Ehen im bürgerlich-rechtlichenSinne sind? – Zum evangelischen Verständnis <strong>von</strong>Ehe und Eheschließung, eine gutachterliche Äußerung“.Herausgegeben vom <strong>Kirche</strong>namt der EKD,EKD Texte 101, Seite 139)3.Partnerschaft und Familie sind auf „Nachkommen“angelegt. Nach der Erschaffung desMenschen als Bild Gottes heißt es im zweiten Schöpfungsberichtweiter:„Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen:„Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erdeund machet sie euch untertan.“ (1. Mose 1, 28)35


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENSystematisch-theologische Überlegungen36 Kinder zu bekommen ist ein Ausdruck des SegensGottes, der Glück und Lebenserfüllung bedeutenwill. Segen wird an die Nachkommen weitergegeben.Kinderfreundlichkeit bedeutet, gegenüber dem SegenGottes offen zu sein.4.<strong>Die</strong> Weitergabe der Glaubenserfahrung undGlaubenstradition ist eine wesentliche Funktionder Familie in biblischer Sicht.Ein zentraler Text der Bibel ist verbunden mit der Aufforderung,den Glauben an die Kinder weiterzugeben:<strong>Die</strong> Zukunft der Kinder ist die Zukunftder SchöpfungVor diesem Hintergrund wirft die demografischeEntwicklung in Deutschland und in Europa Fragenauf. Was sind die Gründe, warum weniger Kindergeboren werden? In der Diskussion wird genannt:• die wirtschaftlichen Belastungen, die Kinder fürdie Eltern mit sich bringen,• ein grundlegender Pessimismus,• befürchtete Einschränkungen im Lebensstil,• ein kinderunfreundliches gesellschaftliches Klima• und andere Gründe mehr.Welche Gründe man auch betrachtet, immergeht es um Mut zur Zukunft. Es geht um dieBereitschaft, Lebensmöglichkeiten für zukünftigeGenerationen offen zu halten und dafür jetzt Einschränkungenin Kauf zu nehmen. Mit der Zukunftder Kinder geht es immer auch um die Zukunft derSchöpfung.„Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Unddu sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben <strong>von</strong> ganzemHerzen, <strong>von</strong> ganzer Seele und mit all deiner Kraft.Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zuHerzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfenund da<strong>von</strong> reden, wenn du in deinem Hause sitztoder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oderaufstehst.“ (5. Mose 6,4f.)<strong>Die</strong> Weitergabe der Glaubensüberlieferung in derFamilie, insbesondere an Festtagen, ist ein zentralesElement des Glaubenslebens im Judentum. Leben wirdweitergegeben, wo Gottes Weisungen weitergegebenwerden.Weitergabe des Lebens und Weitergabe des Segensgeschieht in der Weitergabe des Glaubens. Das giltfür religiöse Alltagspraxis in der Familie, für religiöseErziehung und für die Gestaltung lebendiger Gemeindeund einladender <strong>Kirche</strong>. Ausgehend <strong>von</strong> der Idee derWeitergabe des Glaubens wird der Blick auf <strong>Familien</strong>geweitet. Familie ist auch dort, wo Gottes Wort weitergegebenund gelebt wird. Denn der Glaube stelltMenschen in eine neue Gemeinschaft, und die Gemeinschaftder Glaubenden gibt diesen Glauben weiter.Du sollst den Herrn, deinen Gott,lieb haben <strong>von</strong> ganzem Herzen. 5. Buch Mose 6, 4


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENHerausforderungen für kirchliche Praxis undevangelisches <strong>Familien</strong>verständnis38 <strong>Evangelische</strong>s <strong>Familien</strong>verständnis und die kirchli-Beobachtung:Zur Diskussion: Wer ist meine Familie?Auf der anderen Seite steht das Ziel, Verbindlich-39che Praxis mit <strong>Familien</strong> sind in Deutschland durchfolgende Faktoren herausgefordert.Zur Diskussion: Was heißt hier Familie?<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong>ngemeinde lädt zu einer einwöchigen <strong>Familien</strong>freizeitein. Vor allem Kindergarteneltern zeigenInteresse. Angemeldet haben sich:• zwei Ehepaare mit einen Kind• vier Ehepaare mit zwei Kindern• ein Ehepaar mit drei Kindern, die zehnjährige Miahat das Down-Syndrom• ein Ehepaar mit vier Kindern• Marlies und Petra, in deren Regenbogenfamilie Kevinaus Petras erster Ehe aufwächst• Jürgen und Marita mit ihren vierjährigen Zwillingenund dem leicht dementen Opa, den sie nicht alleinelassen wollen.Wer darf mitfahren? Keine Alleinerziehende mit ihrenKindern hat Interesse gezeigt, auch nicht der jungeWitwer, der mit seiner Schwiegermutter die vierjährigeJustina aufzieht. Waren sie nicht angesprochen oderfühlten sie sich nicht angesprochen?Wie ist das in Ihrer <strong>Kirche</strong>ngemeinde? Ist die obenbeschriebene Teilnehmerliste typisch für eine <strong>Familien</strong>freizeit?Wenn ja, warum? Was wollen Sie tun, um daszu verändern?Grundeinstellungen zu Ehe und Familie prägen jeden– bewusst wie unbewusst. Welche der nebenstehendbeschriebenen Grundpositionen zu Ehe und Familie dieLeitung einer Gemeinde hat, wirkt sich auf die Angebotein der Gemeindearbeit aus. Welches Bild <strong>von</strong> Familieein Gemeindeglied hat oder bei seiner <strong>Kirche</strong>ngemeindevermutet, entscheidet darüber, ob es sich bei einemAngebot angesprochen fühlt oder nicht.• <strong>Die</strong> Zahl der Einpersonenhaushalte nimmt weiter zuund bestimmt heute in hohem Maße die Zusammensetzungder Gesellschaft• <strong>Die</strong> Bewertung gleichgeschlechtlicher Lebensformenhat sich auch im kirchlichen Leben verändert.• Kinderlosigkeit nimmt zu, auch als bewusste Entscheidung.• Der Zusammenhalt zwischen Alt und Jung hat inden <strong>Familien</strong> eher zugenommen. Dennoch haben aufGrund der demografischen Situation viele MenschenAngst vor Einsamkeit im Alter. <strong>Die</strong> Situation <strong>von</strong>Menschen ohne Kinder im Alter ist eine besondereHerausforderung.Erna hatte eine große Familie, aber keine eigenenKinder. Sie war aktives Mitglied der Frauenhilfe und hatdie letzten fünf Jahre ihres Lebens in einem Altenheimgelebt. Bis zuletzt bekam sie regelmäßig Besuch <strong>von</strong>ihren Frauenhilfsschwestern. Als Erna kurz vor ihrem99. Geburtstag stirbt, sind die Ersparnisse aufgebraucht.Ein Bestattungsvorsorgevertrag existiert nicht.Das Sozialamt macht keine Verwandten ausfindig, diefür die Beerdigung zuständig sind. Vorgesehen ist deshalbeine anonyme Urnen-Bestattung ohne Trauerfeierauf dem kommunalen Friedhof.<strong>Die</strong> Frauenhilfsvorsitzende ist entsetzt. Sie sucht denPfarrer auf und stellt den Eilantrag an das Presbyteriumihrer <strong>Kirche</strong>ngemeinde, Erna auf einem Rasengrabdes evangelischen Friedhofes beizusetzen und zuvoreine Trauerfeier in der <strong>Kirche</strong> zu halten. <strong>Die</strong> Gemeinschaftder Christen müsse hier die leibliche Familieersetzen, meint die Frauenhilfsvorsitzende.Wie sehen Sie das?In den Debatten und in der Praxis der evangelischen<strong>Kirche</strong>, die diese Veränderungen aufnehmen, werdenzwei Ziele verfolgt. Auf der einen Seite geht es darum,Menschen unvoreingenommen zu begegnen und ihnenmit der jeweiligen Form, in der sie Familie leben, Beteiligungam kirchlichen Leben zu ermöglichen.keit, Verlässlichkeit und Verantwortung als Ausdrucklebendigen Glaubens zu beschreiben und theologischzu begründen. Das Bemühen, beiden Zielen gerecht zuwerden, führt in kontroverse Auseinandersetzungen.Aus Sorge vor negativen Bewertungen hat sich eineScheu entwickelt, die systematisch-theologischenÜberlegungen weiterhin als wichtig und gültig zubeschreiben.Zwei Grundpositionen zeichnen sich ab. Im Kern gehtes dabei um die Verhältnisbestimmung <strong>von</strong> Ehe undFamilie.<strong>Die</strong> eine Position versteht die Familie vom evangelischenEheverständnis her. Sie betont den hohenStellenwert, den die Ehe aus Sicht der evangelischen<strong>Kirche</strong> hat. <strong>Die</strong> Ehe ist demnach Gottes Stiftung undMandat oder ein Gleichnis des <strong>von</strong> Gott mit denMenschen geschlossenen Bundes. Im Mittelpunkt stehtdie besondere Lebensform der Ehe, die Treue, gelebteAchtung, Rücksichtnahme und Loyalität zum Ausdruckbringen soll. <strong>Die</strong>ses Grundmotiv soll auch im evangelischen<strong>Familien</strong>verständnis zum Ausdruck kommen. Dasgilt auch,wenn eine Ehe nicht, nicht mehr oder nochnicht im Mittelpunkt der Familie steht.


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENHerausforderungen für kirchliche Praxis und evangelisches <strong>Familien</strong>verständnis40<strong>Die</strong> andere Position versucht Familie, Ehe und Partnerschaftvor allem <strong>von</strong> den Inhalten her zu verstehen. Siegeht <strong>von</strong> einer funktionalen Beschreibung <strong>von</strong> Familieaus. <strong>Die</strong> damit verbundenen Lebensformen kommenerst in zweiter Linie in den Blick.Familie konstituiert sich dadurch, dass Menschenverlässlich füreinander einstehen und Verantwortungübernehmen. Dass Menschen in dieser Weise Familie„gründen“ und gestalten, steht aus dieser Perspektiveunter dem Segen Gottes. Partnerschaft, Elternschaft,Verantwortung für ältere Menschen könnenin vielfältiger Weise Ausdruck finden. Verbindlichkeit,Verlässlichkeit und Verantwortung können demnachin unterschiedlichen gleichberechtigten Lebensformengelebt werden.<strong>Die</strong> Debatten um diese Verhältnisbestimmung <strong>von</strong> Eheund Familie werden in der evangelischen <strong>Kirche</strong> mitgroßem Engagement und großer innerer Beteiligunggeführt. Dabei spielen eigene familiäre Traditionenund Bindungen eine große Rolle. Das Thema ist engverbunden mit eigenen Glaubensvorstellungen undeigenem Glaubensleben und gerade deswegen nichtnur Privatsache.<strong>Die</strong> kontroversen Debatten deuten auch darauf hin,dass es beim Thema Familie um grundlegende gesellschaftlicheLeitbilder geht. Muss die Familie ihrenRhythmus den Zwängen liberaler Ökonomie immermehr anpassen, oder lässt sich Flexibilität im Unternehmenauch <strong>von</strong> der Familie her denken und gestalten?Wie werden die Grenzen begründet und bestimmt,damit Menschen Zeit haben, familiäre Verantwortungpersönlich wahrzunehmen?In der Regel müssen <strong>Familien</strong> den Kompromiss zwischenwirtschaftlichen Erfordernissen und Verantwortungfüreinander für sich finden. Damit sie zwischen dengroßen Leitmotiven <strong>von</strong> wirtschaftlichem Erfolg undsozialer Verantwortung Orientierung und Unterstützungfinden, sind solche Debatten um die mit Familieverbundenen Wert- und Zielvorstellungen notwendig.Was brauchen <strong>Familien</strong> in ihrer Vielfalt, damitMenschen in dieser Gesellschaft zuhause sein und ineiner Weise arbeiten und leben können, in der dieseGesellschaft lebenswert bleibt?Herr, deine Güte reicht,so weit der Himmel ist. Psalm 36, 6


FAMILIE IN DER FREIHEIT DES GLAUBENS VERANTWORTLICH GESTALTENBegleitung <strong>von</strong> Familie durch die <strong>Kirche</strong>Vom halben Glück42 Wie lassen sich die vielfältigen Formen begleitenund unterstützen, in denen Liebe, Treue und dauerhaftepersönliche Verantwortung gelebt werden?Für die evangelischen <strong>Kirche</strong>n in Westfalen und Lippebleibt dies eine Herausforderung. In Seelsorge undKasualien, in Kindertagesstätten sowie im Religionsunterrichtwerden <strong>Familien</strong> an Knotenpunkten des Lebensdurch <strong>Kirche</strong>ngemeinden und kirchliche Einrichtungenbegleitet. Kinder, Jugendliche, Menschen in der Mittedes Lebens und alte Menschen leben in familiärenBezügen.Wenn es gelingt, diese familiären Bezüge in der Praxis<strong>von</strong> <strong>Kirche</strong> und Gemeinde stärker in den Blick zunehmen, kann noch mehr <strong>von</strong> der Lebendigkeit desSegens spürbar werden. Dann kann die Gemeinschaftder Glaubenden als Familie Gottes erlebt werden.Dabei sind <strong>Familien</strong> in ihrer Vielfalt zu stärken, aberauch in den Herausforderungen und Gefahren imSinne der Rechtfertigung zu stützen.Vieles an Hoffnungen, Anstrengungen und Erwartungenim Zusammenhang <strong>von</strong> Familie bleibt unerfüllt.<strong>Die</strong> Bedingungen der „unerlösten Welt“ sind auch inheutigen Versuchen spürbar, Liebe, Verlässlichkeit undVerbindlichkeit zu gestalten: Zu den Bedingungengehören die Zwänge knapper Ressourcen, die Verstrickungin gesellschaftliche Machtverhältnisse und dieTendenz zur Verzweckung menschlicher Beziehungen.Unter diesen Voraussetzungen kann <strong>Familien</strong>leben zueiner „Daueranstrengung“ werden. Gerade in dieserSituation gilt <strong>Familien</strong> die Zusage der Rechtfertigung,die sie vom Zwang entlastet, ein gelingendes Lebenselber schaffen zu müssen.Nicht zuletzt der Aspekt der Glaubensweitergabe hatin dieser Begleitung seinen „Sitz im Leben“ im Handelnder <strong>Kirche</strong>. Es gilt, <strong>Familien</strong> in ihren unterschiedlichenErscheinungsformen einen wichtigen Platz zuverschaffen.Der Segen Gottes orientiert auf Zukunft hin. <strong>Die</strong> befruchtende,stärkende und fördernde Kraft des Segensist auf alle Begabungen der Menschen bezogen. DerSegen Gottes ist Kraftquelle für Liebe, Verbindlichkeit,Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung imMiteinander.Kürzlich saß ich im Großraumwagen eines ICE nebeneiner vierköpfigen Familie. Vater, Mutter, einetwa fünfjähriges Mädchen und ein Säugling, vier,vielleicht fünf Wochen alt. <strong>Die</strong> Fahrt ging übermehrere Stunden. Ich weiß gar nicht: Lag es anmeiner langweiligen Zeitschrift oder daran, dassich lange kein Neugeborenes mehr gesehen hatte,aber: <strong>Die</strong> Familie zog mich in ihren Bann.Dabei war <strong>von</strong> Idylle keine Spur. Beide Eltern totalübermüdet. Man sah es auf den ersten Blick. Auchdie Fünfjährige nicht gerade in bester Verfassung.Sie musste immer wieder in ihre Schrankenverwiesen werden. Papa und Mama hatten wederKraft noch Zeit, mit ihr ohne Ende Karten zu spielenoder aus Büchern vorzulesen. Mal schuckelteer das Baby, damit sie schlafen konnte, mal war esumgekehrt. Und dann waren da ja auch noch dieanderen Zuggäste. Deren freundlich-interessierteBlicke konnten sich blitzartig in vorwurfsvolleMienen verwandeln, wenn der Säugling länger alszwei Minuten zu quaken gedachte. Nein, <strong>von</strong> einergemütlichen <strong>Familien</strong>-Bahnfahrt konnte wirklichnicht die Rede sein. <strong>Die</strong> Vier schafften es so gerade,mit ihren Kräften über die Runden zu kommen.Du lieber Himmel, dachte ich. Da kommt niemandauf seine Kosten. Am ehesten vielleicht noch derSäugling, aber schon die Fünfjährige muss sichbremsen und einschränken, ganz zu schweigen <strong>von</strong>Papa und Mama. Nichtsdestotrotz: Es lag - kaumzu beschreiben - ein Hauch <strong>von</strong> Segen über diesemsorgsamen Miteinander am Rande der Kräfte.Natürlich erkannte ich mich wieder und auch dievielen anderen, die in dieser mittleren Lebensphasemanchmal mehr schlecht als recht versuchen,alles unter einen Hut zu kriegen: Familie undFreunde, Partnerschaft, den Beruf und dann auchnoch die eigenen Hobbys und Interessen. Das kannes doch nicht sein: der Alltag eines Erwachsenen.So viel Mühsal, so viele Pflichten, soll es das danngewesen sein?Solche Sätze habe ich mit siebzehn in mein Tagebuchgeschrieben und manchmal holen sie michheute noch ein.„Man ist immer nur ein halb guter Vater, einehalb gute Lehrerin, ein halb glücklicher Mensch“,schreibt Fulbert Steffensky, ehemals Mönch,dann Professor, Ehemann und Vater. „Es ist nichtversprochen, dass die Menschen sich den Himmelauf Erden bereiten. Aber man kann sich Brot sein,manchmal Schwarzbrot, manchmal Weißbrot. Mankann sich Wasser sein, gelegentlich Wein.“Tatsächlich, wenn einem das Halbe gelingt, so istdas oft schon viel.Für das Ganze, das Vollkommene steht Gott.Ich muss es nicht schaffen: <strong>Die</strong> perfekte Ehefrau,Mutter, Freundin und Kollegin - diesen Druckmache ich mir ganz alleine.Für das Ganze, das Vollkommene steht Gott. StehtGott ein. Manchmal ahne ich es. Manchmal spüreich es.So wie neulich im Zug.Antje RösenerArbeitshilfe zum Weitergeben 2/2012


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit Kindern neu anfangen<strong>Familien</strong> leisten Erhebliches. Auch im gesellschaftlichbedingten Wandel ihrer Formen undihrer inneren Beziehungsmuster bleiben sie daswichtigste dauerhafte Netzwerk: primärer Sorge-,Schutz- und Entwicklungsraum. In ihnen wirdWissen weitergegeben, es werden Traditionen gelebtund gebildet, kulturelle Erfahrungen gemacht,Werte vermittelt. Starke <strong>Familien</strong> bilden die Basiseiner leistungsfähigen Zivilgesellschaft und einerlebendigen <strong>Kirche</strong>. Durch ökonomischen Druck,gesellschaftliche Individualisierungs- und Ausgrenzungsmechanismensowie mediale Einflüssegeraten <strong>Familien</strong> in den Fokus politischen undkirchlichen Handelns. Es wird zunehmend deutlich,dass <strong>Familien</strong> der Förderung und Unterstützungbedürfen, um ihren Alltag lebendig gestalten zukönnen. Was <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft hierzu konkretbeitragen können, ist Thema dieses Kapitels.Mit dem Jahr der Taufe hat die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong>– wie schon mit dem Projekt „Mit Kindern neuanfangen“ – das Ziel verfolgt, die Glaubensweitergabean die nachfolgende Generation sicherzustellen. VieleGemeinden und <strong>Kirche</strong>nkreise wurden dadurch zurWeiterentwicklung ihrer familienorientierten Arbeitinspiriert. <strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> hat besonders durch die Vorbereitungenund Planungen der Tauffeste sowie die Projekteund Aktionen rund um das Thema Taufe einen neuenBlick auf die Lebenslagen heutiger <strong>Familien</strong> gewonnen:• Alleinerziehende und Patchworkfamilien habensich an den Tauffesten in großer Zahl beteiligt. Auswirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gründenwaren die <strong>Familien</strong>formen „Alleinerziehend“ und„Patchwork“ bei der Taufe bisher unterrepräsentiert.Beobachtung: <strong>Die</strong> Taufe und das GeldKinder aus einkommensschwachen <strong>Familien</strong>werden offensichtlich deutlich seltener getauftals Kinder aus mittleren und hohen Einkommensgruppen.Das deutet darauf hin, dass die ärmeren<strong>Familien</strong> sich Sorgen machen, ob sie die mit derTaufe verbundenen Kosten tragen können. Es gehtschließlich um die Einladung und Versorgung<strong>von</strong> Gästen, um geeignete Kleidung, Räume undDekoration.45Er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. Markusevangelium 1, 8


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit Kindern neu anfangenGeschichte: Ich mache das!46 • <strong>Die</strong> meisten <strong>Familien</strong> stehen einer Taufe offen und„Warum nur mach ich so was?“ Das fragt sichZu finanziellen Notlagen kommen aber häufigandere Probleme hinzu: Es ist beschämend, wennman die Einkommenssituation offenlegen muss,um einen Zuschuss zur Tauffeier zu erhalten. Es istschwierig, sich oder anderen einzugestehen, dassman sich eine Feier nicht leisten kann. <strong>Die</strong> Erfahrungdes Ausgegrenztseins, die <strong>Familien</strong> mit prekärenEinkommensverhältnissen alltäglich machen,setzt sich im Gottesdienst, bei Taufe, Konfirmationund Trauung fort, ja wird hier gegebenenfalls imbürgerlichen Umfeld der <strong>Kirche</strong>ngemeinde nochverstärkt erlebt. <strong>Die</strong>s widerspricht eklatant demWesen der Taufe und der Ausrichtung des Evangeliumsgerade an den Armen und Schwachen.Deshalb ist beherztes und armutssensibles Handelnder Gemeinden erforderlich, um materielle Not zulindern und Beschämungen und Stigmatisierungenzu vermeiden. Es gilt, die Taufe als Beispiel fürgelingende Teilhabe und Symbol für neue Anfängezu verstehen und zu wahren.interessiert gegenüber. <strong>Die</strong> Gemeinde muss mitihnen den Kontakt suchen und sich auf einen Wegbegeben, in dem die Form der Taufe mit der Lebenswirklichkeit,den Werten und kulturellen Prägungendieser <strong>Familien</strong> abgestimmt wird.• <strong>Die</strong> Sinus-Milieustudien 13 belegen: In den <strong>Kirche</strong>nkommt es zu einer Konzentration <strong>von</strong> bestimmten<strong>Familien</strong>formen, die außerhalb der <strong>Kirche</strong>n immerseltener vorkommen. In der Soziologie wird deshalbauch <strong>von</strong> einer „Milieuverengung“ in den christlichen<strong>Kirche</strong>n gesprochen.Gemeindliche Angebote erreichen das Bildungsbürgertumbeispielsweise durch ein Weihnachts-Oratoriumund die Konservativ-Traditionellen in Gruppen wieder Frauenhilfe und dem Männerkreis. <strong>Die</strong> bürgerlicheMitte wird über die Kindertagesstätte, Grillfeste,<strong>Familien</strong>gottesdienste und Ausflüge angesprochen,sowie durch die Kinder- und Jugendarbeit. Das prekäreMilieu mit kleinen Wohnungen, Gelegenheitsjobs undinstabilen <strong>Familien</strong>verhältnissen erreicht die <strong>Kirche</strong> fastnur über diakonische Begleitmaßnahmen.Manni und versucht, den mittleren Knopf amJackett seines guten blauen Anzugs zu schließen.Es klappt – so eben! „Na ja, nach einem üppigenEssen nicht mehr, aber das ist ja eh nicht zuerwarten. Und beim Gang zum Taufbecken zieh icheinfach den Bauch etwas ein, ist ja nicht für lange.“Das Problem Anzug hat Manni damit gelöst.Was ihm weiter Kopfzerbrechen macht, ist dieTatsache, dass er am Sonntag ein Patenamt übernimmt.Es ist durchaus nicht das erste Mal, dasser Pate wird, nur diesmal ist es etwas verzwickt.Es geht um das Kind seiner Nachbarin. Als er ihrvor zwei Wochen half, den Kinderwagen die vierStufen hochzutragen, da hatte sie Tränen in denAugen. Und weil Manni nun mal ein gutes Herzhat, fragte er: „Was ist denn los?“ Und NachbarinVanessa schluchzte los: „Der Pastor will Finn nichttaufen, weil mir ein Pate fehlt! Aber für Finn undmich macht das doch keiner!“ Ups! Manni schossdurch den Kopf, was er sonst so <strong>von</strong> der Nachbarinweiß: Gerade mal zwanzig, Vater tot, Mutter mitLover auf Mallorca, Freund erst heftig liebend,dann Vanessa schwanger und er auf und da<strong>von</strong>.Nie Freundinnen zu Besuch, Stelle verloren, weil(Vgl. Rothardt, D., Stork, R. „Mitten im Leben -Soziale Aspekte der Taufe“. In: <strong>Familien</strong>politischeInformationen, Heft 6 / 2011, S. 1-3)<strong>Die</strong> Milieus wie die Jungen und Flippigen und die Elitenwerden kirchlicherseits so gut wie gar nicht erreicht.Firma pleite. Manni atmete tief durch, schauteauf den schlafenden Finn und hörte sich sagen:„Doch, ich!“Und da steht er nun in seinem engen, blauenAnzug und sagt sich: „Ja, ich mache das! Finn sollseine Chance haben, nicht nur auf dem Papier!“Christa A. Thiel<strong>Die</strong> literarische Figur Manni aus der Serie „Verrücktes“nimmt Erlebnisse aus seiner <strong>Kirche</strong> auf und verarbeitetsie auf seine ihm eigene Art.13Als PDF-Dokument abrufbar unter www.familien-heute.de


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT<strong>Die</strong> Kunst der Vernetzung48In vielen Gemeinden und <strong>Kirche</strong>nkreisen (Klassen),aber auch in den funktionalen <strong>Die</strong>nsten der Landeskirchenwurde in den letzten Jahren die Arbeitmit jungen <strong>Familien</strong> intensiviert:• <strong>Die</strong> <strong>Familien</strong>bildung lässt sich immer stärker aufjunge <strong>Familien</strong>, besonders auch auf junge Väter einund erreicht dabei verstärkt auch Milieus, die zuvoraufgrund der Komm-Struktur der Einrichtungenwenig im Blick waren.• Gemeindliche und diakonische Angebote sprechen<strong>Familien</strong> immer früher an, z. B. bei den sogenanntenWillkommensbesuchen für <strong>Familien</strong>, die ein Babybekommen haben.• Neue Patenschaftsmodelle - wie Lesepaten - gebenAntworten auf Veränderungen der modernen<strong>Familien</strong>strukturen. Gerade für Alleinerziehende und<strong>Familien</strong>, bei denen die Großeltern weit entferntleben, bieten diese Angebote neue verlässliche Beziehungs-und Unterstützungsleistungen.• Eine besondere Chance liegt im Ausbau generationsübergreifenderAngebote: Alte für Junge - Junge fürAlte. <strong>Die</strong> Älteren coachen beim Berufseinstieg, dieJüngeren bieten PC-Kurse für Senioren an. Es gibtgemeinsame Angebote für alle Altersgruppen. <strong>Die</strong>Mehrgenerationenhäuser und die <strong>Familien</strong>zentren,aber auch die Jugend- und Gemeindearbeit bildenIdeenschmieden für solche Projekte.• In der Kinder- und Jugendhilfe erfolgt eine Transformationder Arbeit. Bis vor wenigen Jahren wurdenVerhaltensauffälligkeiten häufig erst im Schulaltererkannt. Inzwischen setzt man viel früher an.• Der massive Ausbau der Betreuungs-, Erziehungs-,Beratungs- und Bildungsangebote sowie die Weiterentwicklungzum <strong>Familien</strong>zentrum spielt in denkirchlichen Tageseinrichtungen für Kinder eine großeRolle.Denn wir sind durch einen Geistalle zu einem Leib getauft. 1. Brief an die Korinther 12, 13


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTNetzwerke knüpfen50 In allen Städten und Gemeinden Nordrhein- als störend. Es führt dazu, dass <strong>Familien</strong> etwa in denBeispiel:Wenn ein Paar ein Kind bekommt, stellen sich der wer-51Westfalens besteht ein ausdifferenziertes Leistungs-und Unterstützungsangebot für <strong>Familien</strong>,das <strong>von</strong> Angeboten im Gesundheitswesen überKindertagesbetreuung und <strong>Familien</strong>bildung bis zuGanztagsschulen reicht.Auch wenn sich nach wie vor teilweise erheblicherAusbau- und Entwicklungsbedarf bei diesen Angebotenzeigt, so ist doch auf der entstandenen Basisbereits eine grundlegende Unterstützung für <strong>Familien</strong>gewährleistet.Aufgrund der komplizierten Rechts- und Finanzierungsstrukturdieser Leistungen werden sie jedoch <strong>von</strong>den <strong>Familien</strong> meist als <strong>von</strong>einander isoliert und wenigganzheitlich erlebt. Auch bei den Angeboten in kirchlicherund diakonischer Trägerschaft erleben die Betroffenendieses Problem der „Versäulung“ der AngeboteGemeinden, der <strong>Familien</strong>bildung, der Kindertagesstätteoder der Ganztagsschule immer wieder der <strong>Kirche</strong>begegnen, ohne alle diese Räume in einem ganzheitlichenZusammenhang als <strong>Kirche</strong> wahrzunehmen.Es stellt sich daher die Frage, ob und wie das großeNetz der kirchlichen und diakonischen Angebote zueinem Netzwerk für und mit <strong>Familien</strong> werden kann,in dem Familie an allen Punkten <strong>Kirche</strong> erlebt. <strong>Die</strong>seAnfrage richtet sich an alle Akteure im Netzwerk:• Wie können Gemeinden den Blick stärker weiten aufdiejenigen Akteure und Organisationen, die ebenfalls<strong>Kirche</strong> sind? Schaffen die Akteure es, <strong>von</strong>einander zuwissen und sich gegenseitig zu ergänzen?• Wie können die funktionalen <strong>Die</strong>nste neben ihrerFachlichkeit auch eine aktivere Rolle als kirchlicheNetzwerker spielen?• Wie können <strong>Familien</strong> <strong>von</strong> der Vielfalt kirchlicherAngebote am besten profitieren?Netzwerk <strong>Familien</strong>zentrumWeder kann <strong>Kirche</strong> für <strong>Familien</strong> alles bieten, wasdiese brauchen, noch muss sie das tun. Geradein den diakonischen Arbeitsfeldern werden dieNetzwerke deshalb häufig weit über die kirchlichenAngebote hinaus ausgeweitet. Ein Musterbeispielstellen die <strong>Familien</strong>zentren dar. Im Bereich derwestfälischen Landeskirche gibt es bereits mehrals 250, im Bereich der Lippischen Landeskirche23 evangelische <strong>Familien</strong>zentren, die für <strong>Familien</strong>Begegnung, Bildung und Beratung organisierenund Brücken in das Gemeinwesen bauen. Gerade instädtischen, multikulturellen Wohnvierteln reichendie Angebote der <strong>Familien</strong>zentren weit über daskirchliche Milieu hinaus. Da werden gemeinsammit städtischen Partnern und anderen gemeinnützigenOrganisationen aus dem Stadtteil SprachundKochkurse, Freizeitangebote für <strong>Familien</strong>,Sport, Geselligkeit und vieles mehr angeboten. InWohngebieten, die weniger <strong>von</strong> traditionellemVereins- und Gemeindeleben geprägt sind, bietensolche kooperativen Konzepte <strong>Familien</strong> den Rahmenzum Aufbau neuer Gemeinschaften. Als Partnerinin trägerübergreifenden Netzwerken kann die<strong>Kirche</strong> Kontakt zu Menschen aufnehmen, denentraditionelle Gemeindemilieus fremd sind. So kannsie über zeitlich begrenzte Formen des Mitmachensbei Angeboten, Kursen und Projekten Einstiege inGemeinschaft und Gemeinde ermöglichen.denden Familie viele Fragen, die sie teilweise auf deneigenen Stadtteil bzw. die Gemeinde hin orientieren.Auch darüber hinaus werden „Heimaten“ gesucht:• Wo gibt es eine Geburtsvorbereitungsgruppe?• Wo sind Angebote der Beratung und <strong>Familien</strong>bildungzu finden?• Was ist mit Freizeit- und Begegnungsangeboten für<strong>Familien</strong> mit kleinen Kindern?• Wo gibt es eine gute Kindertagesstätte?Besonders in städtischen Räumen wird dies allesbewusst ausgewählt. Man wächst nicht mehr selbstverständlichin feste Strukturen hinein. <strong>Die</strong>s giltauch für kirchliche und religiöse Angebote. Bei vielenjungen <strong>Familien</strong> gibt es eine große Offenheit und auchSehnsucht nach spiritueller Begleitung, nach Gemeinschaftmit Gleichgesinnten und nach Angeboten zurreligiösen Erziehung. Vor dem Kriterium der Erreichbarkeitrangiert die Qualität des Angebots. <strong>Die</strong> Zugehörigkeitzu einer Gemeinde oder Konfession spielt eineuntergeordnete Rolle.


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit <strong>Familien</strong> neu anfangenViele kirchliche Angebote richten sich nach wievor an die „klassischen“ <strong>Familien</strong>formen undnehmen die Vielfalt noch nicht ausreichend inden Blick. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuellesForschungsprojekt des SozialwissenschaftlichenInstituts der EKD. Es stellt fest, dass in derVernetzung <strong>von</strong> gemeindlichen, übergemeindlichenund diakonischen Unterstützungsangeboten für<strong>Familien</strong> noch vieles zu verbessern ist. 15Das hat zur Folge, dass heute eine Umkehrung stattgefundenhat: <strong>Die</strong> Eltern lehren nicht mehr die Kinder.<strong>Die</strong> Kinder können vielmehr die Eltern lehren, wennsie dabei begleitet und unterstützt werden. Es sindoftmals die Kinder, die auf der Basis <strong>von</strong> Erfahrungenin den Kindertagesstätten auch zu Hause religiöseRituale wie das Gebet einfordern, die Taufe wünschen,existenzielle Fragen stellen und sich mit dem Todauseinandersetzen.53Dein Wort ist meines Fu es Leuchteund ein Licht auf meinem Wege. Psalm 119, 105Schwerpunkte liegen in der Arbeit mit kleinen Kindernoder mit Schulkindern und Jugendlichen. Versäumtwird, die ganze Familie anzusprechen und einzubinden.Besonders Großeltern, getrennt lebende Elternteileund Paten werden nur selten zur Mitarbeit eingeladen.Wenn die Kinder aus dem Haus sind, werden <strong>Familien</strong>in den Gemeinden kaum noch angesprochen underreicht. Das geschieht erst wieder als Seniorinnen undSenioren: <strong>Die</strong> Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigenkommt seltener vor. <strong>Die</strong> große Gruppe der Singleskommt in der Regel gar nicht in den Blick.• Familie als primärer Ort religiöserSozialisationFamilie ist der primäre Erfahrungsraum <strong>von</strong> Religion.Das bleibt gültig, auch wenn immer weniger Elternzu einer expliziten religiösen Erziehung neigen. <strong>Die</strong>Aufgabe der religiösen Erziehung wird zunehmend anInstitutionen delegiert, an die Kindertagesstätte, dieSchule, den Kindergottesdienst.<strong>Die</strong>s gilt auch für kirchenferne und sogar dezidiert„nicht-gläubige“ <strong>Familien</strong>: Der Theologe MichaelDomsgen arbeitet in seiner Studie über Familie undReligion 16 heraus, dass „die Familie ein entscheidendesreligiöses Sozialisationsfeld (ist), auch dann, wennnicht explizit religiös erzogen wird.“ Zum einen sind- nach Domsgen - die existenziellen beziehungsgebundenenErfahrungen, die innerhalb <strong>von</strong> <strong>Familien</strong>gemacht werden, unverzichtbar für das Verständnisund die Rede vom Verhältnis <strong>von</strong> Gott und Mensch.Und zum andern sind die Leistungen, die <strong>Familien</strong> vollbringen,erheblich, wenn sie sich gegenseitig vertrauen,achten und wertschätzen, wenn sie miteinandervorlesen, singen und beten, wenn sie über religiöseFragen nachdenken und reden, und wenn sie religiöseFeste als <strong>Familien</strong>rituale gestalten und feiern.15) <strong>Familien</strong>politische Informationen, Heft 1/201216) Domsgen, Michael: „Familie und Religion, Grundlagen einer religionspädagogischen Theorie der Familie“, Leipzig 2006, Seite 284.


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTFAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit <strong>Familien</strong> neu anfangenselbst ihren Wertekanon und ihre Kultur. Sie müsseneine gemeinsame Sprache finden, um Erfahrungenihrer Mitglieder auszutauschen und zu verstehen.Wenn die <strong>Kirche</strong> in ihrer religionspädagogischen Arbeitmit Kindern Erfolg haben will, muss sie deren <strong>Familien</strong>aktiv einbeziehen. Gerade bei religiösen und kirchlichenAngeboten ist deshalb der Blick über den Einzelnenoder eine Zielgruppe hinaus auf das ganze SystemFamilie zu weiten.• Familie als System wahrnehmen<strong>Familien</strong> genießen eine grundgesetzlich abgesicherteAutonomie. Das erfordert <strong>von</strong> ihren UnterstützungspartnernRespekt vor ihren Leistungen, ihren selbstgewählten Formen, ihren Ansichten, Bedürfnissen undWerten. Das fordert die <strong>Kirche</strong> handlungspraktischheraus. Religiöse Sprache und soziale Kommunikation<strong>von</strong> Gemeinde und <strong>Kirche</strong> müssen demnach <strong>von</strong> den<strong>Familien</strong> in die eigene Sprache übersetzbar sein.<strong>Die</strong> Vorstellung eines weitgehend autonomen <strong>Familien</strong>systemsdarf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,dass <strong>Familien</strong>systeme zunehmend auf intensivenAustausch mit ihrer Umwelt angewiesen sind. Dassprichwörtliche „afrikanische Dorf“, das es braucht, umein Kind zu erziehen, muss <strong>von</strong> modernen <strong>Familien</strong>systemenselbst entworfen und aufgebaut werden. Vielen<strong>Familien</strong> gelingt dies selbstständig, indem sie mitprivater und professioneller Hilfe durch Hebammen,54 Dabei gilt es zu respektieren: <strong>Familien</strong> bestimmen Kinderärzte, Krippen, Kindertagesstätten, <strong>Familien</strong>-Aus dem Gottesdienstbuch der UCC:Gottesdienstleiter/in bzw. alle55zentren oder Schulen weitgehend optimale Lebensbedingungenfür ihre Kinder schaffen. Andere <strong>Familien</strong>benötigen oder wünschen dabei Unterstützung.• Menschen im Lebenslauf begleitenViele Gemeinden erreichen ihre Gemeindeglieder inzentralen, biografisch relevanten Phasen. Sie beginnenfrüh mit Angeboten für die Jüngsten und richten sichgezielt an alle Altersgruppen. Wichtige biografischeÜbergänge wie die Aufnahme in die Kindertagesstätte,die Einschulung, der Schulwechsel, aber auch kritischeLebensereignisse wie die Trennung <strong>von</strong> Eltern werdenzunehmend gottesdienstlich begleitet.Aus der Sicht <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> ist dies hilfreich und gut.Wichtig ist, dass die <strong>Kirche</strong> in diesen Situationen auchBrücken in neue Organisationen und Lebensnetzwerkeeröffnet und beispielsweise Schulen, Beratungsstellen,<strong>Familien</strong>bildung beteiligt.Kirchlich-diakonische Angebote, die sich nur an eineGeneration richten, übersehen häufig die Chancen,die <strong>Familien</strong> als Orte der ganzheitlichen Kommunikationund des generationenübergreifenden Lernensbieten. Gleich in welcher Lebensphase ein Mensch sichbefindet, bieten sich aufgrund <strong>von</strong> Kindsein, Elternschaft,Patenschaft, Großelternschaft je besondereChancen für die eigene soziale, kulturelle oder religiöseEntwicklung.Ein Beispiel ist eine gottesdienstliche Handlung, die dieUnited Church of Christ (UCC) entworfen und 1986 inihr Gottesdienstbuch (Book of Worship) aufgenommenhat. In der Einführung dazu heißt es:„<strong>Die</strong>se Ordnung ist für solche Fälle bestimmt, wo einMann und eine Frau, die geschieden wurden, Verantwortungfür ihre Trennung übernehmen wollen, dasGute, das aus der bisherigen Beziehung überdauert,bekräftigen und in der Anwesenheit Gottes, ihrer Familieund enger Freunde versprechen, ein neues Verhältniszueinander aufzubauen. <strong>Die</strong>jenigen, die dem Paarbei der Planung des Gottesdienstes zur Seite stehen,brauchen intensives Einfühlungsvermögen bezüglichder besonderen Umstände. (…) Der Gottesdienst istErinnerung daran, dass nichts den Menschen <strong>von</strong> derLiebe Gottes in Jesus Christus trennen kann. (…) Hoffnungund Freude sind in diesem Gottesdienst durchausangemessen, da Mann und Frau ihren guten Willendem jeweils anderen gegenüber versprechen und Verantwortungvereinbaren für bleibende Verpflichtungen,die sie gemeinsam haben.“Wir bekräftigen euch in den neuen Versprechen,die ihr abgelegt habt:Versprechen, die sich auf eure Trennung beziehen,die aber widerspiegeln,dass ihr noch immer umeinander besorgt seidund euch gegenseitig alles Gute wünscht,und Versprechen, die dabei helfen,den Schmerz zu lindern, den ihr vielleicht fühlt.Zählt auf Gottes Gegenwart;vertraut auf unsere Unterstützung;fangt neu an.Gottesdienstleiter/inGeht hinein in diese Welt in Frieden;seid guten Mutes;haltet fest am Guten;vergeltet nicht Böses mit Bösem;stärkt die Zaghaften;unterstützt die Schwachen;helft den Geplagten;gebt jedem Menschen Anerkennung;liebt Gott und dient ihm;freut euch in der Kraft des Heiligen Geistes.Übersetzung aus dem Englischen<strong>von</strong> Margret Wand


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit <strong>Familien</strong> neu anfangenGeschichte: Wo bleibt Ralf?„Wo bleibt nur Ralf? Drückt er sich doch?“, fragtsich Manni. <strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> ist bis auf den letzten Platz– nein, bis auf den vorletzten Platz besetzt. Dennbereits seit einer halben Stunde sitzt Manni in derletzten Reihe, hält neben sich den Platz frei undwartet auf Ralf. Ralfs Tochter Nine wird heutekonfirmiert. Luftlinie trennen Vater und Tochtergerade mal 2,4 Kilometer, aber seit sich vor dreiJahren die Eltern getrennt haben, sind es Welten.„Nine tut mir leid!“, denkt Manni. „Was kannsie denn dafür, dass ihre Mutter einen zweitenFrühling nach der erfolgreichen Diät erlebte unddass ihr Vater lieber Überstunden kloppte, als nachHause zu kommen.“ <strong>Die</strong> Glocken läuten, Mannischaut auf die Uhr: Noch drei Minuten und Ralfist immer noch nicht da. Alle Welt oder zumindestdie Familie gibt Ralf die Schuld: Er habe die Familievernachlässigt. „Hat er ja auch!“, denkt Manni.Den Fehler mache er bei seiner neuen Partnerinnicht wieder, betont Ralf jetzt immer. Doch wasgeschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen.<strong>Die</strong> Familie isoliert Ralf. Zur Konfirmationsfeier ister nicht eingeladen. Das könne er ja an „seinem“Wochenende mit Nine nachholen, hieß es. Als Ralfihm das erzählte, hat Manni behauptet, <strong>von</strong> der<strong>Kirche</strong> könne ihn aber die Familie nicht ausschließenund hat sich mit ihm hier verabredet. „Lebendie Christen nicht eigentlich <strong>von</strong> Vergebung?“,überlegt Manni und schaut auf das Kreuz. <strong>Die</strong>Orgel spielt, die Konfirmanden ziehen ein, keinRalf neben ihm. „Mein Gott, können Eltern nichtwenigstens um der Kinder willen mal die altenSachen ruhen lassen!“ Ein Stoßgebet à la Manni.Als die Gemeinde „Danke für alle guten Freunde,danke, oh Herr, für jedermann ...“ singt, legt sicheine Hand auf Mannis Schulter. Ralf schiebt sichauf den Platz neben ihn. Er lächelt Manni an,wenn auch etwas angespannt, und flüstert ihm insOhr: „Danke!“.Praxisbeispiel Jung und Alt:Das Mehrgenerationenhaus derApostelgemeinde in MünsterGute gemeindliche und offene Jugendarbeit gabes in der Apostelgemeinde schon immer. Auch dieSeniorinnen und Senioren waren schon lange eine„verschworene Gemeinschaft“. Erst mit der Entwicklungdes Gemeindetreffs zum Mehrgenerationenhausfanden diese beiden Bereiche zusammenund bilden heute gemeinsam mit der Kindertagesstättedie Klammer der intergenerativen Arbeit.Hierzu wurden ganz neue Angebote entwickelt, diedem gemeinsamen Lernen der Generationen undder Begegnung verpflichtet sind. Das Angebot istbreit und reicht vom Märchenvorlesen der Altenfür die Jungen über die gemeinsame Medienarbeitbis zu virtuellen Olympiaden der Generationen ander Spielekonsole. Nebenbei wird eine neue Formder intergenerativen Gemeindepraxis entwickeltund erprobt. Sie ist anderen Gemeinden zur Nachahmungempfohlen wird.57Christa A. Thiel


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTFAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTMit <strong>Familien</strong> neu anfangenWas bedeutet <strong>Familien</strong>freundlichkeit? Impulse zur Weiterarbeit:<strong>Familien</strong>freundliche <strong>Kirche</strong>58 • <strong>Familien</strong> Räume gebenGottesdiensten. 18 Menschen aller Generationen und• <strong>Familien</strong>freundliche GemeindeTipp:59Auch dort, wo Gemeindehäuser und <strong>Kirche</strong>n geschlossenwerden, bleiben Möglichkeiten, Gemeindelebenaufzubauen und zu fördern. So übernahm in Gronaudie Diakonie ein ehemaliges Gemeindehaus als Stadtteilzentrumund sorgt nun dafür, dass die Menschendes Stadtteils sich dort treffen und Unterstützungerfahren können. Das Gemeindeleben hat sich hierdeutlich verändert. <strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> aber ist nach wie vor imStadtteil präsent und nah bei den Menschen.Perspektivisch werden sich neue Gemeinschaftsformen,neue Formen des freiwilligen Engagements undneue Formen religiöser Praxis entwickeln. <strong>Familien</strong>werden der <strong>Kirche</strong> auf ihrem Lebensweg an vielenverschiedenen Orten begegnen. Einige <strong>Familien</strong> bindensich dauerhaft eng an eine Gemeinde, für die meistenaber gehören <strong>Kirche</strong> und religiöse Angebote in wechselnderForm und Intensität zur <strong>Familien</strong>entwicklungdazu.Für die <strong>Kirche</strong> bedeutet das, dass sie die Lebensorte<strong>von</strong> <strong>Familien</strong>, an denen Begegnung mit <strong>Kirche</strong> stattfindet,als kirchliche Orte wahrnehmen sollte. 17 Besonderseignen sich dazu die Kindertagesstätten und <strong>Familien</strong>zentren.Nicht nur die Kinder verbringen dort vielTages- und Lebenszeit, auch Eltern und Großeltern gehendort ein und aus. Eine Kindertagesstätte zu einemkirchlichen Ort zu machen, bedeutet, alle Elemente <strong>von</strong><strong>Kirche</strong> hier zu verankern: das Gerechtigkeits-, HilfeundBildungshandeln sowie die regelmäßige Feier <strong>von</strong>Lebensformen sind eingeladen, an dem zu partizipieren,was <strong>Familien</strong> selbst als für sich und ihre Situationförderlich erkannt haben und umsetzen. So bekommen<strong>Familien</strong> einen neuen Stellenwert in der Gemeinde.Praxisbeispiel:Tolle Sachen mit den VäternVäter zu ermutigen, ihre Rolle in der Familie aktivzu gestalten, das ist das Ziel <strong>von</strong> Vater-Kind-Wochenenden. In Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungenwird an zwei Eltern- beziehungsweiseVäterabenden die Veranstaltung vorbereitet.Es gibt Themen, die ein gemeinsames Abenteuerversprechen, aber auch ausreichend Zeit bieten,um mit anderen Vätern über eigene Erfahrungenin der Vaterrolle und über Zukunftsfragen zusprechen. Der gemeinsame Abschluss ist meistensein Gottesdienst. Ein weiterer Väterabend gibtGelegenheit zur Auswertung. Oft steht am Ende dieVereinbarung: im nächsten Jahr wieder. Über dasKonzept der Arbeit mit Vätern und Kindern gibt dieBroschüre „Tolle Sachen mit den Vätern“ Auskunft.Sie gibt es bei der Männerarbeit und bei den DiakonischenWerken der beiden Landeskirchen.<strong>Evangelische</strong> Aktionsgemeinschaft für <strong>Familien</strong>fragenWestfalen-Lippe, Friesenring 32-34, 48147Münster, m.guenther@diakonie-rwl.deEine familienfreundliche Gemeinde erreicht <strong>Familien</strong>möglichst früh und bleibt an ihrer Seite durch denLebenslauf. Sie erweitert ihren Blick vom einzelnen<strong>Familien</strong>mitglied auf das gesamte <strong>Familien</strong>system. Siebegegnet <strong>Familien</strong> mit Respekt und Wertschätzung.Sie öffnet ihre Räume für <strong>Familien</strong> und lädt sie zurBeteiligung ein. Sie versteht sich als Teil der Zivilgesellschaft,deren Aufgabe es ist, <strong>Familien</strong> zu stärken undzu schützen.Eine familienfreundliche Gemeinde respektiert undfördert <strong>Familien</strong> als Orte der Erstbegegnung mit biblischenGeschichten, mit dem Gebet, mit dem Segen. Siebegleitet und unterstützt <strong>Familien</strong> bei der Entwicklungeiner eigenen <strong>Familien</strong>kultur. Gemeindliche Angebotein den Kindertageseinrichtungen, den Kindergottesdiensten,im kirchlichen Unterricht und Religionsunterrichtsind Ergänzungen zur Eigenverantwortungjeder Familie. In gemeindlichen Gottesdiensten geht esum das Leben als Werden und Vergehen, Scheitern undWieder-Aufstehen, Zerbrechen und doch heil sein.Damit das Fest zum Fest wird – Feste feiernnach Trennung und Scheidung<strong>Die</strong> Arbeitsgemeinschaft für alleinerziehende Mütterund Väter im Diakonischen Werk der EKD (agae)hat eine Broschüre mit Beispielen für liturgischeFeiern in Ein-Eltern-<strong>Familien</strong> und Patchworkfamilienerarbeitet. Dabei sind sowohl wiederkehrendeFeste im <strong>Kirche</strong>njahr als auch Feste im Lebenslauf(Taufe, Einschulung, Konfirmation, Schulabschlussu.a.) berücksichtigt worden. <strong>Die</strong> Broschüre sensibilisiertfür die Gefahr, in Gebeten und Gottesdienstendie Vielfalt der <strong>Familien</strong>formen auszugrenzen.(Download unter http://www.diakonie.de/materialsammlung-kita-5361-damit-das-fest-zum-festwird-6435.htm)17) Vgl. Uta Pohl-Patalong, Von der Ortskirche zu kirchlichen Orten, Ein Zukunftsmodell, Göttingen 2004.18) A.a.O., S. 136ff.


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT<strong>Familien</strong>freundliche <strong>Kirche</strong>60• <strong>Familien</strong>orientierung als diakonische AufgabeDurch die Arbeit der Diakonie und der funktionalen<strong>Die</strong>nste erreicht die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> in Westfalenund Lippe wesentlich mehr <strong>Familien</strong>, als dies denGemeinden alleine möglich wäre. Auch die Möglichkeitender Stärkung und Unterstützung sind durch diese<strong>Die</strong>nste außerordentlich vielfältig. Sie beziehen sich vorallem auf die Stärkung <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> in wirtschaftlichenund sozialen Notlagen durch professionelle Beratungund Begleitung und durch die Stärkung <strong>von</strong> Kompetenzendurch die <strong>Familien</strong>- und Erwachsenenbildung.Initiative:Mein Papa kommt<strong>Die</strong> Initiative „Mein Papa kommt“ vermittelt seit2009 bundesweit kostenfreie Übernachtungsmöglichkeitenan Eltern, die ihr Kind nach Trennungoder Scheidung in einer fremden Stadt besuchen.Das Projekt stärkt alleinlebende Väter und Mütterin ihrer Elternschaft und fördert den Bindungsaufbauzum besuchten Kind oder Jugendlichen.Es senkt die Besuchsschwelle und mindert das Armutsrisikobei alleinlebenden Vätern und Müttern,da diese finanziell entlastet werden.Bundesweit haben sich bereits über 300 Gastgeberund über 100 Eltern registriert. Selbst im Auslandlebende Eltern werden an Gastgeber in Deutschlandvermittelt.Weitere Informationen unterwww.mein-papa-kommt.de<strong>Die</strong> familienorientierte Arbeit <strong>von</strong> Kindertageseinrichtungenund <strong>Familien</strong>zentren nimmt wie ein Seismografden Druck wahr, unter dem <strong>Familien</strong> im Alltag stehenund hilft der <strong>Kirche</strong> damit auch, mit konkreten Maßnahmenund Forderungen zur <strong>Familien</strong>freundlichkeitam Puls der Zeit zu sein.Und er wird vor ihm hergehen... zu bekehren dieHerzen der Väter zu den Kindern. Lukasevangelium 1, 17


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT<strong>Familien</strong>freundliche <strong>Kirche</strong>62 <strong>Die</strong> Öffnungszeiten vieler evangelischer Kindertages-Praxisbeispiel:Der evangelische Fachverband der Tageseinrichtungen Eine größere Einrichtung mit mehreren Gruppen und63stätten sind nicht ausreichend auf die beruflichenErfordernisse der Eltern abgestimmt. Der Ausbau derAngebote für unter dreijährige Kinder ist in Gang, abernoch nicht vollendet. Allerdings gibt es keine Patentrezeptefür optimale Öffnungszeiten. <strong>Die</strong> regionalenGegebenheiten und Arbeitsplatzsituationen sind zuanalysieren und zu berücksichtigen.<strong>Die</strong> Bielefelder Flachsfarm<strong>Die</strong> Bielefelder Flachsfarm ist eine Einrichtung der<strong>von</strong>-Laer-Stiftung. So handhabt sie es mit denÖffnungszeiten in der Kindertagesstätte:„<strong>Die</strong> Bielefelder Flachsfarm hat montags bisdonnerstags <strong>von</strong> 7.15 - 16.30 Uhr und freitags bis16.00 Uhr geöffnet. Damit wir die Vereinbarkeit<strong>von</strong> Familie, Beruf und Freizeit für die <strong>Familien</strong>umsetzen können, gibt es über die Öffnungszeitenhinaus folgende Modelle:minimax- AngebotÖffnungszeiten: Mo. - Fr. <strong>von</strong> 6.30 - 20.30 Uhrund Sa. 9.00 - 15.00 Uhr. <strong>Die</strong>se Öffnungszeitenkönnen Sie in Anspruch nehmen, wenn Sie selbstständigsind oder einen Arbeitgeber haben, der 295Euro pro Monat für das minimax-Angebot zahlt.Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit, wenn Siewieder arbeiten und die Voraussetzungen nichterfüllen, dass Sie das minimax-Angebot selberfinanzieren.Erweiterte ÖffnungszeitenSie benötigen hin und wieder eine längere oderfrühere Betreuung für Ihr Kind? In der Flachsfarmgibt es die Möglichkeit, zusätzliche Stundenzwischen 6.30 Uhr und 7.15 Uhr und nach 16.30Uhr bzw. Freitag nach 16.00 Uhr für einen geringenPreis dazuzubuchen.“für Kinder in Westfalen und Lippe (evta) sucht dieBalance zwischen der Bildungsqualität der Einrichtungund dem Bedarf der Eltern nach flexiblen Öffnungszeiten.Seine Position:IV. Feste Kernzeiten für Bildungsprozesse oder möglichstflexible Betreuungszeiten?Der Spagat zwischen Bedarfsorientierung und QualitätsanspruchBildungsanspruch und Bildungserwartungen stehenteilweise im starken Widerspruch zu den Bedarfen nacheiner hohen und individuellen Flexibilität der Betreuungszeiteinzelner <strong>Familien</strong>. Eine große Flexibilität führtdazu, dass während des gesamten Tagesablaufs Kindergebracht und geholt werden. Das kann zwar den Bedarfder <strong>Familien</strong> entgegenkommen, bedeutet jedoch, dasskaum noch Zeiten für ungestörte und konzentrierteBeschäftigung bleibt. <strong>Die</strong>se sind jedoch unabdingbar,um dem Bildungsanspruch und dem Bildungsauftraggerecht zu werden.Träger und Fachkräfte stehen vor der Herausforderung,in diesem Spannungsfeld die Möglichkeiten undGrenzen für ihre Kindertageseinrichtung sorgfältig undverantwortlich auszuloten. Eine angemessene Balancezwischen Bildungsqualität und Berücksichtigung derunterschiedlichen Bedürfnissen nach flexiblen Betreuungszeitenmuss gefunden werden. <strong>Die</strong> Größe undStruktur der Kindertageseinrichtung und die personellenRessourcen spielen dabei eine wesentliche Rolle.vielen pädagogischen Fachkräften hat eher die Möglichkeit,flexibel zu reagieren, als eine Einrichtung mitzwei Gruppen und maximal vier Mitarbeitenden.Es empfiehlt sich, die Gestaltung der Öffnungszeiten imengen Austausch und in gemeinsamen Beratungen mitden Eltern und den Elternvertretungen zu vereinbaren.Ziel der Kindertageseinrichtung muss sein, dieÖffnungszeiten so zu gestalten, dass sie einerseitsdem Bedarf (der Mehrzahl) der <strong>Familien</strong> entsprechenund andererseits die Umsetzung des pädagogischenAnspruchs an Bildung durch entsprechende Rahmenbedingungenund klare Strukturen ermöglichen.• <strong>Kirche</strong> als ArbeitgeberinAls <strong>Die</strong>nstgeberin steht die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> undihre Diakonie vor der besonderen Herausforderung,Worte und Taten unter schwierigen Rahmenbedingungenin Einklang zu bringen. Als Unternehmen indieser Welt werden beide auch immer wieder neuihre Grenzen eingestehen müssen. Im Wettbewerbum qualifizierte und engagierte Mitarbeiterinnen undMitarbeiter werden sie immer wieder neu Modelle undSysteme familienfreundlicher Unternehmensführungentwickeln und einführen müssen. Bei der Vereinbarkeit<strong>von</strong> Familie und Beruf geht es neben vielfältigenbedarfsgerechten Arbeitszeitmodellen und gerechterBezahlung auch um Angebote der <strong>Familien</strong>unterstützungin Krisen, um Gesundheitsförderung und dieMöglichkeit, in <strong>Familien</strong> erworbene Kompetenzen amArbeitsplatz einbringen zu können.


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFTWas bedeutet <strong>Familien</strong>freundlichkeit? Impulse zur Weiterarbeit<strong>Familien</strong>freundliche Gesellschaft64Eine starke Zivilgesellschaft braucht starke <strong>Familien</strong>,die sich einbringen: kritisch, kreativ, mit Zeitund der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.Sie braucht den gesellschaftlichen Dialog, indem die unterschiedlichen Erwartungen wahrgenommen,ernst genommen und aufeinander bezogenwerden. Dabei gilt es sowohl wirtschaftlicheals auch politische Gegebenheiten ins Gesprächzu bringen, um zu klären, was wünschenswert, zuleisten und zu finanzieren ist.Eine familienfreundliche Gesellschaft zeigt sich vorOrt in der Gestaltung <strong>von</strong> „Bündnissen für Familie“,in gemeinwesen- und stadtteilorientierten Projektenund in der konkreten Zusammenarbeit der <strong>Kirche</strong> mitanderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Sie stellt sichden aktuellen Themen <strong>von</strong> Frieden, Gerechtigkeit undBewahrung der Schöpfung und denkt in ihren ökonomischenVollzügen <strong>von</strong> den kleinsten und schwächstenGliedern der Gesellschaft aus.• Zeit für <strong>Familien</strong>Es gelangt immer stärker in das gesellschaftlicheBewusstsein, dass eine aktive <strong>Familien</strong>politik nebenGeld und Infrastruktur für <strong>Familien</strong> vor allem für Zeitin <strong>Familien</strong> sorgen muss. Das neue gesellschaftlicheLeitbild des voll berufstätigen Elternpaars sowie die invielen Fällen drückende ökonomische Notwendigkeitdazu lassen – trotz des zunehmenden Ausbaus <strong>von</strong>Betreuungsangeboten für Kinder – die gemeinsame<strong>Familien</strong>zeit schrumpfen.In unserer älter werdenden Gesellschaft steht zudemmit dem „Pflegeproblem“ bereits die nächste zeitpolitischeFrage auf der Tagesordnung. Um die notwendigeZeit zu ermöglichen, müssen Arbeitsbedingungen unddie Infrastruktur für <strong>Familien</strong> weiter verbessert werden.In <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft sollte die Frage der <strong>Familien</strong>zeitauch in Verbindung mit Genderfragen bearbeitetund beantwortet werden. Waren es bisher fast immerdie Frauen, die zugunsten der Betreuung und Pflege<strong>von</strong> Kindern und Alten auf die berufliche Perspektiveverzichteten, so sind zukünftig die Beiträge <strong>von</strong>Männern und Frauen gefragt, um Familie und Beruf zuvereinbaren.Zeitbüros und „Family Mainstreaming“Nachdem der 8. <strong>Familien</strong>bericht der Bundesregierungim Frühjahr 2012 das Thema „Zeitpolitik“als besondere Zukunftsaufgabe der <strong>Familien</strong>politikherausarbeitete, stellt sich die Frage, wiedie zeitlichen Bedürfnisse <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> mit denHerausforderungen des Erwerbslebens und desAlltags koordiniert werden können. Erste Kommunenentwickeln in der Folge kommunale Strategiendes „Family Mainstreaming“. Es geht darum,beispielsweise die Öffnungszeiten in Verwaltungenund Bildungseinrichtungen an die verändertenZeitbedürfnisse <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> anzupassen. In Italiengibt es bereits beinahe flächendeckende kommunaleZeitbüros, die diese Aufgabe übernehmen undauch die Wirtschaft für das Thema <strong>Familien</strong>zeitsensibilisieren.Einer trage des andern Last, so werdet ihrdas Gesetz Christi erfüllen. Brief an die Galater 6,2


FAMILIEN STÄRKEN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT<strong>Familien</strong>freundliche GesellschaftVorgestellt: Es geht doch!66 • <strong>Familien</strong>freundliche UnternehmenWirtschaftsunternehmen erkennen zunehmend, dassdie menschlichen Ressourcen der Gesellschaft endlichsind und die Arbeitnehmer/innen Zeit für Familiebrauchen, um dauerhaft gut mitzuarbeiten Der 7. undder 8. <strong>Familien</strong>bericht der Bundesregierung habendie stressigen Lebensphasen <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> mit jungenKindern oder mit pflegebedürftigen Angehörigen als„Rush hour of Life“ bezeichnet und die Unternehmenaufgefordert, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu entwickeln.Mittlerweile ist vieles in Bewegung, da auchdie <strong>Familien</strong>politik auf Landes- und Bundesebene hierHandlungsbedarf erkannt hat und Unternehmen beider Weiterentwicklung unterstützt.Der demografische Wandel und der damit einhergehende,schon heute beginnende Fachkräftemangel tragendazu bei, dass Unternehmen sich mehr bemühen,gute Fachkräfte, besonders Frauen, durch familienfreundlicheArbeitszeitmodelle zu gewinnen und zuhalten. Allerdings klaffen die Bedürfnisse der <strong>Familien</strong>und die Wirklichkeit der Arbeitszeiten einschließlichder teils erheblichen Fahrzeiten immer noch weit auseinander.Das hat zuletzt der <strong>Familien</strong>report 2011 derBundesregierung eindrücklich belegt.Aus dem Tagebuch der Geschäftsführerineines PflegedienstesHeute hatte ich ein Einstellungsgespräch, das mirzu denken gibt. Auf meine Frage, warum sie ineinem Pflegedienst der Diakonie arbeiten wolle,antwortete die Bewerberin, sie hätte jetzt etlicheJahre in einer Bäckerei gearbeitet und wolle abernun familienfreundlichere Arbeitszeiten.Das Arbeitsverhältnis kam nicht zustande. Wohlauch deswegen nicht, weil überall da, wo Menschenarbeiten, um andere - insbesondere andere<strong>Familien</strong> - zu unterstützen, diese besonders danngefordert sind, wenn die anderen ihre „freie“ Zeithaben: in den Abendstunden, am Mittag, amWochenende….Um damit als Arbeitgeber halbwegs klarzukommen,gibt es viele Teilzeitstellen - mit allen damit verbundenenProblemen. Meistens sind es Frauen, diein diesem Bereich arbeiten und die ja auch zu Hausenoch den größten Anteil an der <strong>Familien</strong>arbeittragen. <strong>Die</strong> Belastung, alle Ansprüche unter einenHut zu bekommen, ist besonders hoch. Eine guteIdee, wie sich da familienfreundlichere Arbeitszeitengestalten lassen, habe ich zumindest nicht.Als Jürgen alleinerziehender Vater wurde, wurdeer aus dem Schichtdienst herausgenommen.Als Marion und Elke häusliche Pflege leisteten,wurden sie aus dem Schichtdienst ganz rausgenommen.Thomas hat montags immer Spätschicht,um sich vorher um seine Kinder zu kümmern,während seine Frau arbeitet. Neunzig Mitarbeiterhat das <strong>Familien</strong>unternehmen WERNER LANGERGmbH & Co. KG Meschede. Im Dreischichtbetriebproduzieren die Mitarbeiter etwa 6000 verschiedenetechnische Kunststoffteile. Zurzeit hat dasUnternehmen 35 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle,erzählt Geschäftsführer Lars Frommbergernicht ohne ein bisschen Stolz in der Stimme.Insgesamt seien es seit der Einführung schon 50Modelle gewesen. Er versteht sich als christlicherUnternehmer. Seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnenliegen ihm am Herzen. Es seien nicht nurMitarbeitende, die im Betrieb eine Aufgabe hätten.Es seien Menschen, die auch ihren familiärenAufgaben nachkommen müssten. Deshalb kommeer ihnen mit diesen unterschiedlichen Arbeitszeitmodellengerne entgegen, auch wenn das nichtimmer einfach zu regeln sei. „Aber es geht!“,betont der Unternehmer und lächelt: „Eigentlichhat mein Großvater schon Ähnliches gemacht!Nämlich als er vor Jahrzehnten Frauen ermöglichte,in Teilzeit bei ihm zu arbeiten.“Christa A. Thiel


ZUR DISKUSSION: AKTUELLE THEMEN DER FAMILIENPOLITIKAktuelle Themen der <strong>Familien</strong>politik68 Nachfolgend sind Themen der <strong>Familien</strong>politik Erfahrungen ein! Tun Sie es allein, mit anderen,Betreuungsgeld69beschrieben und jeweils mit einem Pro- und einemContra-Argument versehen. Wie denken Sie darüber?Ergänzen Sie die Argumente! Bringen Sie Ihrein Ihrer Gemeindegruppe! Lassen Sie andere unterwww.familien-heute.ekvw.de an Ihren Erkenntnissenteilhaben.KindergrundsicherungFür 2010 hat der Gesetzgeber das Existenzminimum für Kinder auf 7008 Euro im Jahr beziffert. Es setzt sich zusammenaus einem sächlichen Anteil (4368 Euro) und einem Anteil für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung(2640). Auf den Monat gerechnet, kostet ein Kind mit seinen Grundbedürfnissen also 584 Euro. Viele Organisationenin der evangelischen <strong>Kirche</strong> setzen sich dafür ein, dass die Politik die unterschiedlichen Modelle der Kindergrundsicherungoffensiver aufgreifen und diskutieren sollte.Das Betreuungsgeld ist eine Geldleistung des Staates an Eltern, die sich in den ersten Jahren nach der Geburteines Kindes zu Hause in Vollzeit der Erziehung widmen.PROEs ist für Eltern gedacht, die ganz bewusst keinenKrippenplatz, also keine Kindertagesstätte in Anspruchnehmen wollen.Damit sollen Eltern unterstützt werden, die sich selbstum ihre Kinder unter drei Jahren kümmern wollen.CONTRAÄrmere und bildungsferne <strong>Familien</strong> werden da<strong>von</strong>abgehalten, ihre Kinder in Kindertageseinrichtungenbetreuen zu lassen. Den Kindern könnten damit wichtigeFördermöglichkeiten vorenthalten werden.PRO<strong>Die</strong> meisten Eltern erhalten monatlich 184 EuroKindergeld für ihr Kind und können eventuell nochKinderbetreuungskosten absetzen. Das Kindergeldreicht nicht aus, die tatsächlichen Kosten für Kinderzu decken. Das ist einer der Gründe dafür, warum dieKinderarmutsquote in Deutschland so hoch ist. <strong>Die</strong><strong>Familien</strong>, insbesondere Alleinerziehende, können ihreKinder nicht unterhalten - sie haben zu wenig Einkommen,sie erhalten zu wenig oder keinen Kindesunterhaltund die Ausgaben steigen ständig (z. B. Energiekosten).<strong>Die</strong> Folge ist: Über eine Million Kinder lebt<strong>von</strong> SGB II-Leistungen auf niedrigstem Niveau. EineKindergrundsicherung, die über dem Mindestbedarfnach SGB II liegt, würde Leistungen wie den Kinderzuschlagoder das Bildungs- und Teilhabepaket und dieBedürftigkeitsprüfung überflüssig machen und so zuerheblichen Verwaltungsvereinfachungen führen.CONTRAInnerhalb des Systems <strong>Familien</strong>lastenausgleich wäreauch eine Kindergelderhöhung oder die Verbesserungdes Kinderzuschlags denkbar. Bei allen Modellen istschwer überprüfbar, ob die kinderbezogene Leistungdem Kind zugute kommt, auch wenn sie an den Elternteilgezahlt wird.Öffentliche Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei JahrenAb dem 1. August 2013 besteht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz bereits für einjährige Kinder.Der Ausbau dieser Plätze wird zum Teil vom Bund finanziert, die Umsetzung ist Sache der Länder. Für etwa22 Prozent der unter dreijährigen Kinder gibt es ein entsprechendes Angebot. Damit ist NRW das Schlusslichtim bundesdeutschen Vergleich. Der vom Bundesgesetzgeber angenommene Bedarf an Betreuungsplätzen fürunter dreijährige Kinder liegt bei 32 Prozent. Fachleute gehen <strong>von</strong> wesentlich höheren Zahlen aus: besonders inGroßstädten über 50 Prozent. Für drei- bis sechsjährige Kinder ist das Platzangebot in fast allen Kommunen inNRW ausreichend, allerdings sind die angebotenen Betreuungszeiten häufig nicht passend für die <strong>Familien</strong>.PROKinder betreuen, um den Eltern Berufstätigkeit zuermöglichen und Förderung so früh wie möglich –das sind die beiden Hauptargumente bei der Debattefür Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder inTageseinrichtungen.CONTRAFrauen, die ihre Kinder in den wichtigen drei erstenJahren selbst erziehen wollen, haben keine Lobby. Stattder U3-Betreuung sollte stärker gesichert sein, dasssie danach wieder ohne Nachteile in den Beruf zurückkönnen.


ZUR DISKUSSION: AKTUELLE THEMEN DER FAMILIENPOLITIK70 Öffnungszeiten in KindertageseinrichtungenFamilie und Schule71Lange Öffnungszeiten und früh einsetzende Betreuung machen die Berufstätigkeit der Eltern erst möglich. DasErwerbssystem fordert flexible Arbeitnehmer – eine hohe Anforderung an die <strong>Familien</strong>. <strong>Die</strong>se sind dann auf entsprechendeAngebote der Kindertageseinrichtungen angewiesen.Wenn die Kinder in die Schule kommen, ist ihre verlässliche Betreuung bis in den Nachmittag nicht immergewährleistet. Der „offene Ganztag“ bietet nach dem üblichen Schulprogramm der Halbtagsschule ein freiwilligesAngebot am Nachmittag an. Ganztagsgrundschulen sind noch die Ausnahme.PROEs gibt bereits Kindertageseinrichtungen – beispielsweisein Finnland –, die 24 Stunden geöffnet sind undin denen die Kinder je nach Schichtplan der Elternbis zu zehn Stunden am Tag untergebracht sind. Hierangesichts wirtschaftlicher Zwänge junger <strong>Familien</strong>eine angemessene Grenze zu bestimmen, ist schwierig.In NRW können Kinder täglich höchstens neun Stundenin Kindertagesstätten betreut werden. Das reichtnicht. Ideologische Debatten, die zu Lasten der Kinderund der Eltern gehen, sind nicht hilfreich. Gute undzuverlässige Kinderbetreuung bringt auch Stabilität indie <strong>Familien</strong>.CONTRADer Bedarf in den Regionen ist unterschiedlich. AllgemeineForderungen helfen nicht. Bedarfserhebungenmüssen vor Ort stattfinden, bevor Öffnungszeitengeändert werden. Darüber hinaus ist nicht einzusehen,warum sich das Kind dem Takt der Ökonomie anpassenmuss und nicht umgekehrt. <strong>Die</strong> Qualität einer Kindertageseinrichtung,gemeinsame Lerngruppen, festeBezugspersonen – all das kann bei einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung kaum erhalten werden.PROSchule als Lern- und Lebensort für Kinder kann undsoll die Familie nicht ersetzen. <strong>Die</strong> pädagogisch ausgebildetenMitarbeitenden in den Schulen nehmen außerihrem Bildungsauftrag auch einen wichtigen Erziehungsauftragwahr. Gut ist es, wenn die verbleibendegemeinsame Zeit auch dem <strong>Familien</strong>leben gewidmetwerden kann.CONTRAHäufig setzen die pädagogischen Konzepte der Schuledarauf, dass die Familie die Kinder über die Schule hinausfördert – etwa durch die Hilfe bei Hausaufgaben.Allein dieser Sachverhalt führt dazu, dass Kinder ausbildungsferneren Milieus oder Kinder, deren Eltern ausberuflichen Gründen nicht ausreichend Zeit aufbringenkönnen, selbst beim Besuch <strong>von</strong> offenen GanztagsschulenSchulprobleme zu erwarten haben.RegenbogenfamilienAls Regenbogenfamilien werden <strong>Familien</strong> bezeichnet, in denen Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnernals eine Familie leben. <strong>Die</strong> Kinder stammen aus früheren heterosexuellen Ehen und Partnerschaften, aus künstlicherBefruchtung oder früheren Adoptionen. Umstritten ist z. B. das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare.PRODer Kinderwunsch dieser Paare und ihr Interesse,mit Kindern Familie zu leben, verdienen Respekt undselbstverständliche gesellschaftliche Unterstützung.CONTRAFür Kinder, die in solchen <strong>Familien</strong>formen leben, könnensich Benachteiligungen ergeben.


ZUR DISKUSSION: AKTUELLE THEMEN DER FAMILIENPOLITIK72 ArmutspräventionKindeswohlgefährdung und Kinderschutz73Ausgehend vom Gedanken der frühen Förderung, setzen immer mehr Kommunen auf frühe Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeitenfür Kinder und Eltern. <strong>Die</strong> Abstimmung und Koordinierung dieser Angebote und dieAnpassung an die Lebensläufe junger <strong>Familien</strong> in Form sogenannter „Präventionsketten“ stellen eine aktuelleHerausforderung dar.PROPräventionsketten sind ein wirksames Instrument, ummilieubedingten Beschränkungen der Bildungschancenentgegenzuwirken. Durch die Kooperation <strong>von</strong> Kindertageseinrichtungen,Jugendämtern, Schulen, <strong>Kirche</strong>nund anderen Akteuren auf kommunaler Ebene sollenwirksame Netzwerke gegen die Benachteiligung <strong>von</strong>Kindern aufgebaut werden, die <strong>Familien</strong> wirksam unterstützen.Wichtig ist, dass die Kommunen genügendRessourcen für diese Vorhaben bereitstellen können.CONTRAGerade Kommunen mit angespannter Haushaltslage,die sich in einer Haushaltssicherung befinden, könnenhier nicht ausreichend investieren. Bei der Umsetzungsolcher Konzepte taucht auch die Frage auf: Lässtsich ein breiter politischer Konsens zugunsten derbesonderen Förderung unterprivilegierter Zielgruppendauerhaft finden? Werden mehr Investitionen inKindertageseinrichtungen und Schulen in den ärmstenStadtteilen akzeptiert?Das Kindeswohl ist ein zentraler Begriff im Rahmen des <strong>Familien</strong>rechts im Bereich der „Elterlichen Sorge“ und<strong>von</strong> Sorgerechtsmaßnahmen. Das Kindeswohl ist in diesem Zusammenhang einerseits eine zentrale Rechtsnormund gleichzeitig ein unbestimmter Begriff, der ausgehend vom Einzelfall stets konkretisiert werden muss. Er dientals Legitimationsgrundlage für staatliche Eingriffe in die Familie. Es geht um die Gefährdungen <strong>von</strong> Kindern in<strong>Familien</strong> und im familiären Umfeld. Das können körperliche, sexuelle und seelische Misshandlungen und Vernachlässigungsein. Es gibt immer wieder spektakuläre Fälle, die die Frage nahelegen: Warum wurde nicht frühereingegriffen? Ist die personelle Ausstattung, Qualifikation und Qualität der Betreuungskonzepte der Jugendämterzu stärken?PRO<strong>Die</strong> Gefährdung <strong>von</strong> Kindern in dem geschütztenRaum <strong>von</strong> <strong>Familien</strong> zu erkennen, ist für Freunde,Bekannte und Nachbarn nicht einfach. Sie brauchendie professionellen Helfer des Jugendamtes, damit dierichtigen Schritte eingeleitet werden.Immerhin sterben jede Woche in Deutschland drei Kinderan den Folgen <strong>von</strong> Misshandlungen. <strong>Die</strong> meisten<strong>von</strong> ihnen sind unter sechs Jahre alt.CONTRADen Blick auf die Jugendämter zu konzentrieren, istzu wenig. Das Personal in Kindergärten und Schulenist verstärkt zu schulen, um erste Anzeichen <strong>von</strong>Misshandlungen im Verhalten der Kinder zu erkennen.Jeder und jede, die mit Kindern zu tun hat, müsste zudiesen Fortbildungen verpflichtet werden.


ZUR DISKUSSION: AKTUELLE THEMEN DER FAMILIENPOLITIK74 EhegattensplittingGeschlechterrollen in der Familie75Das Ehegattensplitting bildet den besonderen Stellenwert, den die Ehe im Grundgesetz hat, im Steuerrecht ab.Vorteile ergeben sich, wenn der Einkommensabstand zwischen den Partnern groß ist. <strong>Die</strong> Ehe wird als Wirtschaftsgemeinschaftgesehen. Beide Einkommen werden zusammengenommen. <strong>Die</strong> Summe wird halbiert unddafür wird die Einkommenssteuer errechnet. <strong>Die</strong>ser Wert wird dann wieder verdoppelt. Dadurch ergibt sich einhoher Progressionsvorteil, der sich bei großem Einkommensabstand und höheren Einkommen stärker auswirkt.Für eingetragene Lebenspartnerschaften gilt das Ehegattensplitting nicht.PRODurch das Ehegattensplitting wird die gegenseitigeVerantwortung in der Ehe ernst genommen und diegemeinsam erbrachte wirtschaftliche Leistung zurGrundlage der Besteuerung gemacht. Der Staat mischtsich nicht in die Arbeitsteilung innerhalb der Ehe ein.PflegezeitZiel des Pflegezeitgesetzes aus dem Jahr 2008 ist es, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftigenahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf und familiärer Pflegezu verbessern. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei Lohnfortzahlung bis zu zehn Tage <strong>von</strong> der Arbeitfernbleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akuten Pflegesituationeine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bis zu sechs Monate seine Arbeit ohne Entgeltfortzahlung zuunterbrechen. In dieser Zeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz.PRODas Gesetz ist eine Hilfe, mit der nötigen Zeit auf Veränderungendurch eine Pflegesituation einzugehen.CONTRAVom Ehegattensplitting profitieren auch kinderlosePaare. <strong>Familien</strong> mit Kindern, die mit geringen Einkommenim unteren Progressionsbereich liegen, profitieren<strong>von</strong> diesen Regelungen nicht.CONTRADas Gesetz beschränkt die Pflegesituation auf sechsMonate und ist damit keine ausreichend wirksameEntlastung pflegender Angehöriger.Junge <strong>Familien</strong> favorisieren für sich ein partnerschaftliches Lebensmodell, das auch die Erziehung der Kinder alsgemeinsame Aufgabe sieht. <strong>Die</strong>ses Modell stößt an Grenzen, wenn das erste Kind geboren wird.PROEs ist bemerkenswert, dass in den Fällen, in denen derMann weniger karriereorientiert ist, die partnerschaftlicheIdee auch in der Zeit der Kindererziehung eherdurchgehalten wird. Konzepte wie die „Vätermonate“in der Erziehungszeit unterstützen eine partnerschaftlicheAufteilung der Aufgaben in Familie und Beruf. Esgibt Modelle, in denen beide Elternteile ihre Arbeitszeitauf 60 bis 80 Prozent reduzieren und damit guteErfahrungen machen.<strong>Die</strong> Bedarfsgemeinschaft im SozialrechtIn einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialrechts entstehen Unterhaltsverpflichtungen nicht aus verwandtschaftlichenBeziehungen. Einkommen und Vermögen des Partners werden berücksichtigt bei Personen, die ineinem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung ihr wechselseitiger Willeanzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (sog. Einstandswille nach§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II). Das ist schon gesetzlich so bestimmt für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, seinenPartner (unabhängig da<strong>von</strong>, ob dieser Ehepartner oder Lebenspartner ist) und eine Person, die mit dem Hilfebedürftigenin einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.PRO<strong>Die</strong> Verantwortungsbereitschaft, die durch das Zusammenlebensignalisiert wird, wird ernst genommen.CONTRASchon aus wirtschaftlichen Gründen reduziert dasElternteil mit dem höheren Einkommen seine Arbeitszeitweniger oder gar nicht. Da dies häufig der Mannist, kommt es wieder zu einer eher traditionellenRollenaufteilung. Vater sein zu dürfen, wird dann zueiner Frage des Einkommens. Bei der Vereinbarkeit<strong>von</strong> Familie und Beruf geht es um mehr als ein gutesManagement dieser Lebensbereiche: Es geht auchdarum, neue Lebens- und Berufsmodelle zu entwickelnund darin auch Erziehungskompetenz <strong>von</strong> Vätern undBerufsinteressen <strong>von</strong> Frauen angemessen zur Geltungzu bringen.CONTRADer Grad des Füreinander-Einstehens ist in Lebenspartnerschaften<strong>von</strong> unterschiedlicher Intensität undschwer zu ermitteln.


ANHANGLiteraturverzeichnis76 Achter <strong>Familien</strong>bericht, Zeit für Familie, <strong>Familien</strong>zeit-Domsgen, Michael (2006): Familie und Religion.Fischer, Irmtraud (2004): Gender-faire Exegese. Hellholm, David (2009): <strong>Die</strong> Gattung Haustafel im77politik als Chance einer nachhaltigen <strong>Familien</strong>politik.Stellungnahme der Bundesregierung. Stellungnahmezum Bericht der Sachverständigenkommission undBericht der Sachverständigenkommission (2011). Berlin.Bussmann, Kai-D.: Report über die Auswirkungendes Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung(<strong>Familien</strong>gewalt-Report im Auftrag des BMJ 2010) S.47f. Online verfügbar unter http://bussmann.jura.unihalle.de/familiengewalt/Bucher, Anton A.; Büttner, Gerhard; Freudenberger-Lötz,Petra (Hg.) (2011): Jahrbuch für KindertheologieBand 10: „Gott gehört so ein bisschen zurFamilie“. Mit Kindern über Glück und Heil nachdenken:Calwer.Burkart, Günter (1992): Auf dem Weg zur vollmobilenSingle-Gesellschaft? Kommentar zum Artikel <strong>von</strong>Schofer/Bender/Utz (ZfBW 4/1991), in: Zeitschrift fürBevölkerungswissenschaft, 18, 3, S. 355-360.Crüsemann, Frank (1998): Bewahrung der Freiheit.Das Thema des Dekalogs in sozialgeschichtlicherPerspektive. 2. Aufl. Gütersloh: Kaiser (Kaiser-Taschenbücher,128).Grundlagen einer religionspädagogischen Theorieder Familie. Univ., Habil.-Schr. Münster, 2004. 2. Aufl.Leipzig: Evang. Verl.-Anst. (Arbeiten zur praktischenTheologie, 26). Online verfügbar unter http://www.gbv.de/dms/hbz/toc/ht015456213.pdf.Ebach, Jürgen (2009): Josef und Josef. Literarischeund hermeneutische Reflexionen zu Verbindungenzwischen Genesis 37 - 50 und Matthäus 1 - 2. Stuttgart:Kohlhammer (Beiträge zur Wissenschaft vomAlten und Neuen Testament, 187 = Folge 10, H. 7).<strong>Evangelische</strong> Aktionsgemeinschaft für <strong>Familien</strong>fragene.V.: <strong>Familien</strong>politische Leitlinien. Onlineverfügbar unter http://www.eaf-bund.de/fileadmin/user_upload/<strong>Familien</strong>politische_Leitlinien/0181223_FPL.pdf.Familie und Religion. Aktuelle Beiträge aus derinterdisziplinären <strong>Familien</strong>forschung (2010). Opladen,Farmington Hills, Mich.: Budrich Uni. Press (<strong>Familien</strong>forschung).Online verfügbar unter http://d-nb.info/1006824405/04.<strong>Familien</strong>report 2011. Leistungen, Wirkungen, Trends(2011). Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend.Gesammelte Beiträge zur Reflexion des Genderbiasund seiner Auswirkungen in der Übersetzung undAuslegung <strong>von</strong> biblischen Texten. Münster: Lit (Exegesein unserer Zeit, 14).Frettlöh, Magdalene L. (2005): Theologie desSegens. Biblische und dogmatische Wahrnehmungen.Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1997/98. 5. Aufl., 1. Aufl.der Sonderausg. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus.Frettlöh, Magdalene L. (2009): Gott Gewicht geben.Bausteine einer geschlechtergerechten Gotteslehre.Univ., Habil.-Schr./2004--Bochum, 2003. 2. Aufl.Neukirchen-Vluyn: Neukirchener.Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Rönnau-Böse, Maike(2011): Resilienz. Mit 2 Tab. 2. Aufl. München:Reinhardt (UTB Profile, 3290). Online verfügbar unterhttp://www.utb-studi-e-book.de/9783838536132.Gerlach, Irene (2010): <strong>Familien</strong>politik. 2. Aufl.Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss. (Lehrbuch). Onlineverfügbar unter http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3061085&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm.Kolosser- und Epheserbrief. Ihre Position innerhalbder Paränese-Abschnitte und ihr Hintergrund in derspätantiken Gesellschaft.Herrmann, Volker; Hoburg, Ralf; Evers, Ralf (Hg.)(2010): Theologie und Soziale Wirklichkeit. Grundbegriffe:Kohlhammer.Huber, Wolfgang (2006): Familie haben alle. Berlin:Wichern-Verl.Hurrelmann, Klaus; Andresen, Sabine (2007) (Hg.):Kinder in Deutschland 2007. 1. World Vision Kinderstudie.Frankfurt am Main: Fischer, online verfügbar unterhttp://www.worldvision-institut.de/_downloads/allgemein/zusammenfassung-kinderstudie2007.pdf.Jurczyk, Karin (2009): Entgrenzte Arbeit - entgrenzteFamilie. Grenzmanagement im Alltag alsneue Herausforderung. Berlin: Ed. Sigma (Forschungaus der Hans-Böckler-Stiftung, 100). Online verfügbarunter http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-8360-8700-1.<strong>Kirche</strong>namt der EKD: Soll es künftig kirchlichgeschlossene Ehen geben, die nicht zugleich Ehen imbürgerlich-rechtlichen Sinne sind? – Zum evangelischenVerständnis <strong>von</strong> Ehe und Eheschließung (EKDTexte 101).


ANHANGZum Zustandekommen dieses Texteshaben beigetragen:80 Matthias Bartscher, Elternschule HammDiana Klöpper, Institut für <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft der EKvW81Bernd Becker, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis HagenSusanne Bornefeld, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis PaderbornDr. Vicco <strong>von</strong> Bülow, <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong> Westfalen (EKvW)Prof. Dr. Frank Crüsemann, Professor für Altes Testament, BielefeldAnnette Dellwig, <strong>Evangelische</strong> Jugendbildungsstätte NordwaldeThomas Dreessen, Amt für Jugendarbeit der EKvWAndreas Duderstedt, EKvWUlrike Dustmann, <strong>Evangelische</strong> Frauenhilfe in WestfalenProf. Dr. Jürgen Ebach, Professor für Altes Testament, BochumJoachim Erdmann, Diakonisches Werk Steinfurt-Coesfeld-BorkenProf. Dr. Kerstin Feldhoff, Fachhochschule MünsterMarcus Flachmeyer, Netzwerk Familie - Arbeit - Mittelstand im MünsterlandLars Frommberger, Werner Langer GmbH & Co. KGDr. Holger Gemba, Männerarbeit in der EKvWProf. Dr. Irene Gerlach, Ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-LippeJürgen Haas, Institut für <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft der EKvWRuth Hansen, Diakonie <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong>ngemeinde SchwerteDr. Zuzanna Hanussek, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis Gelsenkirchen und WattenscheidDr. Thomas Heinrich, EKvWAlbert Henz, <strong>Kirche</strong>nleitung der EKvWRüdiger Höcker, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis Gelsenkirchen und WattenscheidThilo Holzmüller, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis GüterslohKatrin Juhl, EKvWDr. Kristin Junga, Institut für <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft der EKvWWolfgang Jüngst, v. Bodelschwinghsche Stiftungen BethelDr. Hildegard Kaluza, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRWChrista Kronshage, <strong>Kirche</strong>nleitung der EKvWAnnette Lambeck, Bündnis für Familie SiegenMaria Loheide, Diakonisches Werk der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> in Deutschland (EKD)Regina Mehring, Diakonie Mark-RuhrThorsten Melchert, <strong>Evangelische</strong> Christus-<strong>Kirche</strong>ngemeinde OlfenUwe-Christian Moggert-Seils, EKvWAnnette Muhr-Nelson, <strong>Evangelische</strong>r <strong>Kirche</strong>nkreis UnnaRenate Niehaus, Diakonisches Werk der Lippischen LandeskircheKadia Oedekoven, Leiterin Ev. Kindergarten Pr. StröhenAnne Rabenschlag, <strong>Kirche</strong>nleitung der EKvWNicole Richter, Institut für <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft der EKvW<strong>Die</strong>ter Rothardt, Institut für <strong>Kirche</strong> und Gesellschaft der EKvWDr. Friederike Rüter, EKvWDr. Kerstin Schiffner, <strong>Evangelische</strong> Studierendengemeinde DortmundDr. Manfred Scholle, <strong>Kirche</strong>nleitung der EKvWFred Sobiech, EKvWReinhard van Spankeren, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.Dr. Remi Stork, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.Christa A. Thiel, EKvWJürgen Traphöner, EKvWUwe Wacker, <strong>Kirche</strong>nleitung der EKvWUlrich Walter, Pädagogisches Institut der EKvWEdith Weiser, Verband alleinerziehender Mütter und Väter Landesverband NRW e.V.Klaudia Wick, JournalistinDr. Johanna Will-Amstrong, EKvWBirgit Wintermann, Bertelsmann Stiftung


82 83Fordern Sie Ihre E-Mail: vertrieb@unserekirche.deLeseproben an:Telefon: 0521/9440-132Internet: www.unserekirche.deLeseproben an:Internet: www.unserekirche.deLeseproben an:<strong>Die</strong> Lieferung der Zeitung erfolgt wöchentlich mit der Post und endet automatisch nach 3 Ausgaben.3 kostenlose ExemplareUNSERE KIRCHE erscheint im <strong>Evangelische</strong>n Presseverband für Westfalen und Lippe e.V., Cansteinstr. 1, 33647 Bielefeld, Tel.: 0521/9440-0, Fax: 0521/9440-136, www.unserekirche.deVereinsregister Amtsgericht Bielefeld: Abt. 20 VR 1772, Geschäftsführender Direktor: Wolfgang Riewe.Gratis lesen :E V A N G E L I S C H E Z E I T U N GFÜR WESTFALEN UND LIPPEwww.unserekirche.de H 2864 – 1,50 EURONR. 3419. BIS 25. AUGUST 20121. SONNTAG NACH TRINITATISAU STE LUNGENWas für einProgramm! Beidiesen Au ste lungenist für jeden etwasHEILSARM EMit <strong>Die</strong>nstgrad undUniform gegendas Elend auf denStraßen: der Kampfder Heilsarm e. 6Gemeinsam handeln -Gutes bewirken .www.KD-BANK.de Fon 0231-58 4-0Denk scharf nach!Mu s man zum Glauben den Verstand au schalten? <strong>Die</strong>ses uralte Vorurteil wirdseit einiger Zeit wieder aufgewärmt. Wie es dazu kommen konnte – und warum es schlicht falsch istGlaube im Widerspruch zur Vernunftstehe.Sicher, man kennt das. „Wiekannst du nur an den lieben Go tglauben? Da oben im Himmelgibt‘s Spatzen, aber keine Engel.“Und Juri Gagarin, erster Menschin Weltall, so l gesagt haben: Ichhabe da oben Go t nicht gefunden.Wie ist das nun? Widersprichtder Glaube Erfahrung und Denken?Mu s man seinen Verstandau schalten, wenn man bekennt:„Ich glaube an Go t, den Vater, denA lmächtigen …“?Genau das behaupten seit einigerZeit wieder manche Biologen,Physiker und Philosophen. A lenvoran der Brite Richard Dawkins.In seinem Buch „Der Go teswahn“bestreitet er, da s ein klar denkenderMensch an Gott glauben könne:Glaube und Wi senschaft seienunvereinbare Widersprüche.Das Buch ist längst ein internationalerBestse ler.Nun haben die Christen a lerdingsfast 2 0 Jahr eine Mengedafür getan, da s genau dieseMi sverständnis aufkommenkonnte – und manche tun es immernoch. Es waren ja nicht nurbahnbrechende Wi senschaftler àla Kopernikus oder Galileo Galilei,denen man die Ergebni se bri lantenNachdenkens verbieten wo lte.Nein, bis heute hält sich in manchenchristlichen Kreisen das Vorurteil,wi senschaftliche Erkenntnismü se zurücktreten, wenn vermeintlich„ewige“ Wahrheiten da<strong>von</strong>betro fen sein könnten.A l das ist Unfug.Go t hat uns den Verstand gegeben,damit wir ihn einsetzen.„Groß sin die Werke des He rn,wer si erforscht, der hat Freudedaran“, heißt es in Psalm 111,2.Kein Gedanke daran, da s diesesErforschen anrüchig, gefährlichoder gar verboten wäre.Es hat zu a len Zeiten Christinnenund Christen gegeben, dieWissenschaftler waren. Insofernist es schlichtweg falsch, einenGegensatz <strong>von</strong> Glaube und Wissenschaftbehaupten zu wo len.Es gibt Wi senschaftler, die anGott glauben, und es gibt solche,die tun es halt nicht. Das ist nichtanders als bei allen anderen Menschen:Ob jemand glaubt, hängta lein <strong>von</strong> seiner persönlichen Geschichteab. Nicht da<strong>von</strong>, ob er klardenken kann oder nicht.Gott steht hinter den Dingen. Erist nicht in ihnen.Deshalb sagen Wi senschaftler:„Ich sehe Aminosäuren und Eiweißverbindungenunterm Mikroskop,aber keinen Go t.“ Und beimgleichen Anblick sagen andere:„Angesichts der Wunder, die sichmir da auftun, kann ich gar nichtanders, als an Go t zu glauben.“Go t lä st sich nicht beweisen.Er lä st sich auch nicht widerlegen.Glaube spielt sich auf einer anderenEbene ab als der Vernunft.Aber er widerspricht ihr nicht.■ Auf Seite 5 finden Sie ein Porträt<strong>von</strong> Blaise Pascal. Der Mathematiker,Philosoph und Universalgelehrte warschon vor 350 Jahren um die Versöhnung<strong>von</strong> Denken und Glauben bemüht.Naturwi senschaft und christlicher Glaube – schließt das einedas andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über Gründeund Hintergründe der Disku sion um Denken und Glauben sieheArtikel unten und auf Seite 5. FOTO: AZP WORLDWIDEsiehst?Der Vorstandsvorsitzende derTechniker Krankenkasse, JensB as, fordert die Abscha fungder Praxisgebühr. Baas sagte der„Bild am Sonntag“: „Krankenkassenund Gesundheitsfondsstehen derzeit finanzie l sehrgut da. Es gibt keinen Grund,den Kranken sinnlos in die Taschezu greifen.“ <strong>Die</strong> Gebühr <strong>von</strong>zehn Euro pro Quartal verhinderekeine unnötigen Arztbesucheund steuere keine Patientenströme.„Sie ist schlicht ein Ärgernis– für Kranke und für Ärzte“,sagte B as. <strong>Die</strong> seit 2004 fä ligeAbgabe bringe zwar jährlichzwei Mi liarden Euro ein. DochB as hält diese Einnahmen fürverzichtbar. Mit der Abschaffungwürden nicht nur Patientenunmi telbar entlastet, sondernauch die Ärzte, weil überflü sigeBürokratie wegfiele.Einer Umfrage der „Bild amSonntag“ zufolge befürworten7 Prozent der Deutschen dieAbscha fung. epd„Praxisgebühr ist überflüssig“Der iranische Pastor NoorollahGhabitizadeh ist nach 5 7 Tagenaus der Haft entla sen worden.Das hat die InternationaleGese lschaft für Menschenrechte(IGFM) in Frankfurt amMain mitgeteilt. Der Leiter einerHauskirche war am 24. Dezember2010 verhaftet worden.Grund war sein Wechsel vom Islamzum Christentum. <strong>Die</strong>serSchritt kann im Iran mit demTode bestraft werden.Laut IGFM schwebt der 1965geborene Pastor weiterhin inLebensgefahr, da er am christlichenGlauben festhalte. Er bleibetäglich <strong>von</strong> neuerlicher Festnahmebedroht. „<strong>Die</strong> Gründeseiner Freila sung und damitverbundene Auflagen sind nichtgeklärt, aber man kann da<strong>von</strong>ausgehen, da s internationaleKampagnen, wie die zur Rettung<strong>von</strong> Pastor Youcef Nadarkhani,dazu beigetragen haben“,so der Vorstand sprecher derIGFM, Martin Le senthin. ideaIran: Pastor nach 577 Tagen Haft freiEntdeckung derLangsamkeitVON ELKE STRICKERIsch habe gar keine Auto!“ Sonahm vor ein p ar Jahren einentspannter Italiener in einerWerbung seiner gestre sten Nachbarinden Wind aus den Segeln.Ihm geht eswie mir – auchich habe keinAuto. Ich binBahnfahrerin.Begeisterte.Schon seit fast30 Jahren. Oftauch mit so genanntenBummelbahnen.Umso größermeine Freude,da s in diesemJahr einer meinerabsoluten Favoriten im Fernsehenauch ein Faible dafür entdeckt.<strong>Die</strong> „Sendung mit der Maus“fährt bei ihrer Somme reise mit Regional-und S-Bahnen vom nördlichstenPunkt auf Sylt bis zumsüdlichsten Bahnhof lang durchDeutschland. Am Rande warteninteressante Geschichten auf diekleinen und großen Zuschauer.Nichts gegen einen ICE. Auchmit über 200 Sachen durchsLand brausen hat seinenReiz. Aber das wirkliche, das echteBahnfahren ist das langsame. Das<strong>von</strong> einem kleinen Bahnhof zumnächstenw. Obwohl ich gestehenmu s, dass ich die richtige Reihenfolgeder zahlreichen kleinen Bahnhöfezwischen Bielefeld und Paderbornauch nach 15 Jahren nochnicht durchschaut habe.Zum großen Teil liegt der Reizdieser Art zu reisen auch an denMitreisenden. Da gibt es Dauertelefonierer.Verliebte Pärchen. EntdeckungsfreudigeKleinkinder. AufgedrehteSchüler. Fein angezogeneReisende mit Geschenk auf demSchoß. Radwanderer in zünftigerKleidung. Ich selber versuche gernzu sehen, was andere Mitreisendelesen. Mag ich das Buch, freue ichmich für denjenigen, denn es wartennoch spannende Entdeckungenauf ihn.Ein Freund sagt gern: „Go tesGarten ist bunt.“ Das tri ft hundertprozentigauf das Bahnfahren zu.Zu den schönsten Erlebni sengehört, wie aus fremden Reisendeneine echte Gemeinschaftwird. Bei Schienenersatzverkehrzum Beispiel. Oder bei extremenWetterkapriolen. Da sprichtman miteinander, hilft sich gegenseitigund reist plötzlich nicht mehra lein. Das machen Sie mal bei einemStau auf der Autobahn!Sie hat wirklich etwas für sich,diese Entdeckung der Langsamkeitbeim Reisen mit der „Bummelbahn“.Begeben Sie doch einfachmal zum nächsten Bahnhof, setzenSie sich in eine Regionalbahn undfahren Sie los. Es lohnt sich.A N G E M E R K TH 2864 – 1,50 EUROAU STE LUNGENas für einProgramm! Beidiesen Ausste lungenist für jeden etwasMit <strong>Die</strong>nstgrad undUniform gegendas Elend auf denStraßen: der Kampfder Heilsarm e. www.KD-BAN-BAN-B K.dK.dKNaturwi senschaft und christlicher Glaube – schließt das einedas andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über GründeH 2864 – 1,50 EUROUniform gegendas Elend auf denStraßen: der Kampfder Heilsarm e.Naturwi senschaft und christlicher Glaube – schließt das einedas andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über GründeE V A N G E L I S C H E Z E I T U N GFÜR WESTFALEN UND LIPPEH 2864 – 1,50 EUROwww.unserekirche.deVision: Grüne ZeitenENERGIEWENDE <strong>Die</strong> Strompreisgestaltung wird immer komplizierter. Verbraucher fühlen sichmachtlos. Trotzdem bleibt die Hoffnung auf einen gelingenden Ausstieg aus der AtomenergieA N G E M E R K TNR. 379. BIS 15. SEPTEMBER 201214. SONNTAG NACH TRINITATISPUBERTÄTWas für eineMischung: Pubertättri ft auf Midlife-Crisis. Und was tutman dann? 3GEMEINDE LEITEN„Und das so lenwir jetzt auch nochmachen?“ Wie manLeben und Leiten inBalance hält. 1VON ANNEMARIE HEIBROCKWas waren das doch für glücklicheZeiten! Der Strom kam aus derSteckdose, und wie er dahin kam,das interessierte kaum jemanden.Man musste sich auch keineGedanken darüber machen, woman den Strom kaufte. Lieferantenwaren die heimischen Energieversorger.Alternativen gab esnicht. Auch keine unterschiedlichenPreise. Man bezahlte, wasauf der Rechnung stand. Fertig.Und heute? Da haben wir dieQual der Wahl. Da möchten unsnämlich auch Öko-Anbieter undBillig-Anbieter ihren Strom verkaufen.Und selbst, wer seinenStadtwerken treu bleibt, mu ssich entscheiden: Schone ich meinPortemonnaie oder schone ich dieUmwelt? Denn auch lokale Stromversorgerbieten unterschiedlicheTarife für unterschiedlichenStrom.Überhaupt: <strong>Die</strong> Preisgestaltungbeim Strom ist ein schwierigesFeld. <strong>Die</strong> Verbraucherinnenund Verbraucher zahlen nämlichnicht nur für die Erzeugung unddie Anlieferung. Über eine Umlagenach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG) leisten sie auchihren Beitrag zur Energiewende.Zu erwarten steht außerdem eineHaftungsumlage für Netzproblemebei Windparks auf S e.Das alles wäre ja nicht schlimm,wenn so der Au stieg aus derAtomenergie tatsächlich gelänge.Denn den will die Mehrheit der Bevölkerungja.Aber Fragen bleiben: Ist Ökostromautomatisch teurer als herkömmlichproduzierter? (Mu snicht sein, meinen Fachleute.)Werden die Lasten der Energiewendegerecht verteilt auf privateHaushalte un die Industrie?(Werden sie nicht, meinen zumBeispiel Verbrauchervertreter.)Wie steht es um Hilfen für <strong>Familien</strong>mit niedrigen Einkommen?(Mü sen sein, sagen <strong>Kirche</strong>n undGewerkschaften.) Und wie hochist die Bereitschaft der großenStromkonzerne, mitzuziehen beider Energiewende, wenn die ihnenneue ungeliebte Konkurrenzdurch kleinere Stromproduzentenbeschert? (Nicht besonders hoch,meint eine kirchliche Fachfrau).Ja, die meisten Menschen imLande sind für die Energiewende.Aber gleichzeitig fühlen siesich machtlos und ausgeliefert:<strong>Die</strong> unterschiedlichen Strompreiseund ihre Zusammensetzungsind kaum noch zu durchschauen.Und in der Diskussion um dieEnergiewende scheint es wenigerum das bessere Argument als vielmehrum die Intere sen der einzelnenLobbygruppen zu gehen.Wenn die Energiewende aberwirklich gelingen soll, wird dasnur funktionieren, wenn alleGruppen an einem Strang ziehenund eigene Interessen hintanstellen.Das gilt für die Stromkonzerneebenso wie für manche Gegner<strong>von</strong> Windkraftanlagen. Denndie Vision heißt weiterhin: GrüneZeiten. Das könnten dann neueglückliche Zeiten werden, in denenwieder nur eine Sorte Stromaus der Steckdose kommt, Strom,der bezahlbar ist für a le – undtrotzdem die Natur schont.■ Auf Seite 5 im Interview: JudithKuhn, Referentin für Energie- und Klimapolitikim Institut für <strong>Kirche</strong> und Gese l-schaft der westfälischen Landeskirche,zur Disku sion um die Energiewende.Immer weniger Eltern verheiratet Pastor sagt Treffen mit Obama abImmer weniger Eltern mit minderjährigenKindern in Deutschlandsind verheiratet. Sowohl inOst- als auch in Westdeutschlandist der Anteil <strong>von</strong> A leinerziehendenund <strong>von</strong> Lebensgemeinschaftenmit minderjährigenKindern in den vergangenenJahren merklich gestiegen, teiltdas Statistische Bundesamt mit.Danach lebten 20 1 in 54 Prozentder ostdeutschen <strong>Familien</strong>mit minderjährigen Kindern dieEltern als Ehep are zusammen;1996 lag dieser Anteil noch bei72 Prozent. In Westdeutschlandwaren die Eltern in rund 75 Prozentder <strong>Familien</strong> verheiratet;15 Jahre zuvor waren es noch 84Prozent. KNAEiner der einflu sreichstenEvangelikalen der USA, PastorRick Wa ren (Kalifornien), hatein Gesprächsforum mit denbeiden Präsidentschaftskandidaten,US-Präsident Barack Obamaund Herausforderer Mi tRomney, abgesagt.Zur Begründung erklärt er,der Wahlkampf der beiden seiihm zu schmutzig. Er habe nochnie solch „unverantwortlichepersönliche Angri fe“ und „bösartigeBeleidigungen“ erlebt. Ursprünglichwollte Wa ren beidezu ihren politischen Ansichteninterviewen – so wie im Wahlkampf2008 Obama und den damaligenKontrahenten John Mc-Cain. ideaVON ANKE VON LEGATSie glauben ja gar nicht, wieheiß mir ist!“ <strong>Die</strong> Verkäuferinan der Supermarktka sestöhnt, während sie Obst, Gemüseund Käse über den Scanner zieht.„Ich schwitze .!“<strong>Die</strong> Menschenin der Warteschlangehörengeduldig zu– was bleibt ihnenanderes übrig.Als dannaber detaillierteAusführungenüber den letztenArztbesuch folgen,kommt Unruheauf. So genaumöchte man es eigentlich garnicht wi sen. Und der Redeschwallnimmt und nimmt kein Ende .Welches Thema in die Ö fentlichkeitgehört und welches bessernicht, ist eine Frage <strong>von</strong> gese l-schaftlicher Konvention – aber auch<strong>von</strong> persönlichem Geschmack. Wasder eine als problemlos empfindet,ist dem anderen peinlich. Eine Unterhaltung,die sich so einem sensiblenBereich nähert, ist dann ganzschne l beendet – nicht selten zumErstaunen de sen, der gerade dabeiwar, seine Befindlichkeiten so richtiggenü slich auszubreiten.Es gibt eine Reihe solch sensiblerThemen, bei denen Menschenunterschiedlich reagieren: Krankheit,Sexualität und Tod sind häufigtabu. Ausführliche Beschreibungen<strong>von</strong> Gefühlen wie Trauer oder Verzweiflungverursachen Unbehagen.Und merkwürdigerweise zählt auchdas Thema Glauben zu diesem Bereich,den viele ganz privat haltenmöchten.Da allerdings wird es schwierig– denn zum christlichenGlauben gehört seit den Anfängendas „Weitersagen“ dazu. Wiesonst hä te sich die Frohe Botschaftausbreiten können? Für Menschen,die <strong>von</strong> Go tes Wirken in ihrem Lebenüberzeugt sind, gehört es einfachdazu, anderen da<strong>von</strong> zu erzählen.Wahrscheinlich kommt es, wieso oft, auf die richtige Dosis an. <strong>Die</strong>Holzhammer-Methode à la „Kennstdu Jesus Christus schon als deinenpersönlichen Heiland?“ löst meistensmehr Befremden als Intere seaus. Wer dagegen aufrichtig <strong>von</strong> seinenErfahrungen mit Go t im A l-tag berichten kann, wird sicherlichdie eine oder andere Nachfrage bekommen.Dabei sind Einfühlungsvermögenund genaues Beobachten gefragt.Und die Bereitschaft, auchvom eigenen Kurs abzuweichen,wenn der Gesprächspartner denBlick gar nicht mehr heben mag.Denn Gespräche über den Glaubenso lten nicht peinlich sein, sondernSpaß machen. Schließlich geht esum das Leben in a ler Fülle.O Gott, istdas peinlich .Gemeinsam handeln -Gutes bewirken .www.KD-BANK.de Fon 0231-58 4-0Ach, was wäre da schön: Einfach den Stecker in die Steckdose,und heraus kommt sauberer und dazu noch bi liger Strom. Aberso einfach ist die Sache nicht. Ökologisch unbedenklich undtrotzdem günstig: Geht das? Siehe unten. FOTO: ALINA ISAKOVICHHimmel?Himmel?Himmel?aus demausKraftVision: Grüne ZeitenENERGIEWENDE <strong>Die</strong> Strompreisgestaltung wird immer komplizierter. Verbraucher fühlen sichmachtlos. Trotzdem bleibt die Hoffnung auf einen gelingenden Ausstieg aus der AtomenergieVON ANNEMARIE HEIBROCKWas waren das doch für glücklicheZeiten! Der Strom kam aus derSteckdose, und wie er dahin kam,das interessierte kaum jemanden.Man musste sich auch keineGedanken darüber machen, woman den Strom kaufte. Lieferantenwaren die heimischen Energieversorger.Alternativen gab esnicht. Auch keine unterschiedlichenPreise. Man bezahlte, wasauf der Rechnung stand. Fertig.Und heute? Da haben wir dieQual der Wahl. Da möchten unsnämlich auch Öko-Anbieter undBillig-Anbieter ihren Strom verkaufen.Und selbst, wer seinenStadtwerken treu bleibt, mu ssich entscheiden: Schone ich meinPortemonnaie oder schone ich dieUmwelt? Denn auch lokale Stromversorgerbieten unterschiedlicheTarife für unterschiedlichenStrom.Überhaupt: <strong>Die</strong> Preisgestaltungbeim Strom ist ein schwierigesFeld. <strong>Die</strong> Verbraucherinnenund Verbraucher zahlen nämlichnicht nur für die Erzeugung unddie Anlieferung. Über eine Umlagenach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG) leisten sie auchihren Beitrag zur Energiewende.Zu erwarten steht außerdem eineHaftungsumlage für Netzproblemebei Windparks auf See.Das alles wäre ja nicht schlimm,wenn so der Ausstieg aus derAtomenergie tatsächlich gelänge.Denn den will die Mehrheit der Bevölkerungja.Aber Fragen bleiben: Ist Ökostromautomatisch teurer als herkömmlichproduzierter? (Mussnicht sein, meinen Fachleute.)Werden die Lasten der Energiewendegerecht verteilt auf privateHaushalte un die Industrie?(Werden sie nicht, meinen zumBeispiel Verbrauchervertreter.)Wie steht es um Hilfen für <strong>Familien</strong>mit niedrigen Einkommen?(Müssen sein, sagen <strong>Kirche</strong>n undGewerkschaften.) Und wie hochist die Bereitschaft der großenStromkonzerne, mitzuziehen beider Energiewende, wenn die ihnenneue ungeliebte Konkurrenzdurch kleinere Stromproduzentenbeschert? (Nicht besonders hoch,meint eine kirchliche Fachfrau).Ja, die meisten Menschen imLande sind für die Energiewende.Aber gleichzeitig fühlen siesich machtlos und ausgeliefert:<strong>Die</strong> unterschiedlichen Strompreiseund ihre Zusammensetzungsind kaum noch zu durchschauen.Und in der Diskussion um dieEnergiewende scheint es wenigerum das be sere Argument als vielmehrum die Intere sen der einzelnenLobbygruppen zu gehen.Wenn die Energiewende aberwirklich gelingen soll, wird dasnur funktionieren, wenn a leGruppen an einem Strang ziehenund eigene Intere sen hintanstellen.Das gilt für die Stromkonzerneebenso wie für manche Gegner<strong>von</strong> Windkraftanlagen. Denndie Vision heißt weiterhin: GrüneZeiten. Das könnten dan neueglückliche Zeiten werden, in denenwieder nur eine Sorte Stromaus der Steckdose kommt, Strom,der bezahlbar ist für alle – undtrotzdem die Natur schont.■ Auf Seite 5 im Interview: JudithKuhn, Referentin für Energie- und Klimapolitikim Institut für <strong>Kirche</strong> und Gese l-schaft der westfälischen Landeskirche,zur Diskussion um die EnergiewendeImmer weniger Eltern verheiratet Pastor sagt Treffen mit Obama abPastor sagt Treffen mit Obama abImmer weniger Eltern mit minderjährigenKindern in Deutschlandsind verheiratet. Sowohl inOst- als auch in Westdeutschlandist der Anteil <strong>von</strong> Alleinerziehendenund <strong>von</strong> Lebensgemeinschaftenmit minderjährigenKindern in den vergangenenJahren merklich gestiegen, teiltdas Statistische Bundesamt mit.Danach lebten 2011 in 54 Prozentder ostdeutschen <strong>Familien</strong>mit minderjährigen Kindern dieEltern als Ehepaare zusammen;1996 lag dieser Anteil noch bei72 Prozent. In Westdeutschlandwaren die Eltern in rund 75 Prozentder <strong>Familien</strong> verheiratet;15 Jahre zuvor waren es noch 84Prozent. KNAEiner der einflu sreichstenEvangelikalen der USA, PastorRick Warren (Kalifornien), hatein Gesprächsforum mit denbeiden Präsidentschaftskandidaten,US-Präsident Barack Obamaund Herausforderer Mi tRomney, abgesagt.Zur Begründung erklärt er,der Wahlkampf der beiden seiihm zu schmutzig. Er habe nochnie solch „unverantwortlichepersönliche Angri fe“ und „bösartigeBeleidigungen“ erlebt. Ursprünglichwollte Wa ren beidezu ihren politischen Ansichteninterviewen – so wie im Wahlkampf2008 Obama und den damaligenKontrahenten John Mc-Cain. ideaschen in der Warteschlangehörengeduldig zu– was bleibt ihnenanderes übrig.Als dannaber detai lierteAusführungenüber den letztenArztbesuch folgen,kommt Unruheauf. So genaumöchte man es eigentlich garnicht wi sen. Und der Redeschwa lnimmt und nimmt kein Ende .Welches Thema in die Ö fentlichkeitgehört und welches bessernicht, ist eine Frage <strong>von</strong> gese l-schaftlicher Konvention – aber auch<strong>von</strong> persönlichem Geschmack. Wasder eine als problemlos empfindet,ist dem anderen peinlich. Eine Unterhaltung,die sich so einem sensiblenBereich nähert, ist dann ganzschne l beendet – nicht selten zumErstaunen de sen, der gerade dabeiwar, seine Befindlichkeiten so richtiggenü slich auszubreiten.Es gibt eine Reihe solch sensiblerThemen, bei denen Menschenunterschiedlich reagieren: Krankheit,Sexualität und Tod sind häufigtabu. Ausführliche Beschreibungen<strong>von</strong> Gefühlen wie Trauer oder Verzweiflungverursachen Unbehagen.Und merkwürdigerweise zählt auchdas Thema Glauben zu diesem Bereich,den viele ganz privat haltenmöchten.Da allerdings wird es schwierig– denn zum christlichenGlauben gehört seit den Anfängendas „Weitersagen“ dazu. Wiesonst hä te sich die Frohe Botschaftausbreiten können? Für Menschen,die <strong>von</strong> Go tes Wirken in ihrem Lebenüberzeugt sind, gehört es einfachdazu, anderen da<strong>von</strong> zu erzählen.Wahrscheinlich kommt es, wieso oft, auf die richtige Dosis an. <strong>Die</strong>Holzhammer-Methode à la „Kennstdu Jesus Christus schon als deinenpersönlichen Heiland?“ löst meistensmehr Befremden als Intere seaus. Wer dagegen aufrichtig <strong>von</strong> seinenErfahrungen mit Gott im A l-tag berichten kann, wird sicherlichdie eine oder andere Nachfrage bekommen.Dabei sind Einfühlungsvermögenund genaues Beobachten gefragt.Und die Bereitschaft, auchvom eigenen Kurs abzuweichen,wenn der Gesprächspartner denBlick gar nicht mehr heben mag.Denn Gespräche über den Glaubenso lten nicht peinlich sein, sondernSpaß machen. Schließlich geht esum das Leben in a ler Fü le.Ach, was wäre da schön: Einfach den Stecker in die Steckdose,und heraus kommt sauberer und dazu noch bi liger Strom. Aberso einfach ist die Sache nicht. Ökologisch unbedenklich undtrotzdem günstig: Geht das? Siehe unten. FOTO: ALINA ISAKOVICHHimmel?Himmel?Himmel?Himmel?Himmel?Himmel?Himmel?Himmel?Himmel?demNaturwi senschaft und christlicher Glaube – schließt das einedas andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über Gründeda s in diesemJahr einer meinerabsoluten Favoriten im Fernsehenauch ein Faible dafür entdeckt.<strong>Die</strong> „Sendung mit der Maus“fährt be ihrer Somme reise mit Regional-und S-Bahnen vom nördlichstenPunkt auf Sylt bis zumsüdlichsten Bahnhof lang durchDeutschland. Am Rande wartenintere sante Geschichten auf diekleinen und großen Zuschauer.Nichts gegen einen ICE. Auchmit über 200 Sachen durchsLand brausen hat seinenReiz. Aber das wirkliche, das echteBahnfahren ist das langsame. Das<strong>von</strong> einem kleinen Bahnhof zumnächstenw. Obwohl ich gestehenmuss, da s ich die richtige Reihenfolgeder zahlreichen kleinen Bahnhöfezwischen Bielefeld und Paderbornauch nach 15 Jahren nochnicht durchschaut habe.Zum großen Tei liegt der Reizdieser Art zu reisen auch an denMitreisenden. Da gibt es Dauertelefonierer.Verliebte Pärchen. EntdeckungsfreudigeKleinkinder. AufgedrehteSchüler. Fein angezogeneReisende mit Geschenk auf demSchoß. Radwanderer in zünftigerKleidung. Ich selber versuche gernzu sehen, was andere Mitreisendelesen. Mag ich das Buch, freue ichmich für denjenigen, denn es wartennoch spannende Entdeckungenauf ihn.Ein Freund sagt gern: „Go tesGarten ist bunt.“ Das tri ft hundertprozentigauf das Bahnfahren zu.Zu den schönsten Erlebni sengehört, wie aus fremden Reisendeneine echte Gemeinschaftwird. Bei Schienenersatzverkehrzum Beispiel. Oder bei extremenWe terkapriolen. Da sprichtman miteinander, hilft sich gegenseitigund reist plötzlich nicht mehra lein. Das machen Sie mal bei einemStau auf der Autobahn!Sie hat wirklich etwas für sich,diese Entdeckung der Langsamkeitbeim Reisen mit der „Bummelbahn“.Begeben Sie doch einfachmal zum nächsten Bahnhof, setzenSie sich in eine Regionalbahn undfahren Sie los. Es lohnt sich.seit einiger Zeit wieder aufgewärmt. Wie es dazu kommen konnte – und warum es schlicht falsch istGlaube im Widerspruch zur Vernunftstehe.Sicher, man kennt das. „Wiekannst du nur an den lieben Gottglauben? Da oben im Himmelgibt‘s Spatzen, aber keine Engel.“Und Juri Gagarin, erster Menschin Weltall, so l gesagt haben: Ichhabe da oben Gott nicht gefunden.Wie ist das nun? Widersprichtder Glaube Erfahrung und Denken?Mu s man seinen Verstandau schalten, wenn man bekennt:„Ich glaube an Go t, den Vater, denA lmächtigen …“?ger Zeit wieder manche Biologen,Naturwi senschaft und christlicher Glaube – schließt das einedas andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über Gründene Reisende mit Geschenk auf demSchoß. Radwanderer in zünftigerKleidung. Ich selber versuche gernzu sehen, was andere Mitreisendelesen. Mag ich das Buch, freue ichmich für denjenigen, denn es wartennoch spannende EntdeckungenEin Freund sagt gern: „Go tesGarten ist bunt.“ Das tri ft hundertprozentigauf das Bahnfahren zu.u den schönsten Erlebni sengehört, wie aus fremden Reisendeneine echte Gemeinschaftwird. Bei Schienenersatzverkehrzum Beispiel. Oder bei extremenWe terkapriolen. Da sprichtman miteinander, hilft sich gegenseitigund reist plötzlich nicht mehra lein. Das machen Sie mal bei einemStau auf der Autobahn!Sie hat wirklich etwas für sich,diese Entdeckung der Langsamkeitbeim Reisen mit der „Bummelbahn“.Begeben Sie doch einfachmal zum nächsten Bahnhof, setzenSie sich in eine Regionalbahn undfahren Sie los. Es lohnt sich.seit einiger Zeit wieder aufgewärmt. Wie es dazu kommen konnte – und warum es schlicht falsch istGlaube im Widerspruch zur Ver-Sicher, man kennt das. „Wiekannst du nur an den lieben Gottglauben? Da oben im Himmelgibt‘s Spatzen, aber keine Engel.“Und Juri Gagarin, erster Menschin Weltall, so l gesagt haben: Ichhabe da oben Gott nicht gefunden.Wie ist das nun? Widersprichtder Glaube Erfahrung und Denken?Mu s man seinen Verstandau schalten, wenn man bekennt:„Ich glaube an Go t, den Vater, denA lmächtigen …“?ger Zeit wieder manche Biologen,das andere aus? <strong>Die</strong>ser alte Streit ist neu entbrannt. Über Gründeseitig und reist plötzlich nicht mehra lein. Das machen Sie mal bei ei-Sie hat wirklich etwas für sich,diese Entdeckung der Langsamkeitbeim Reisen mit der „Bummelbahn“.Begeben Sie doch einfachmal zum nächsten Bahnhof, setzenSie sich in eine Regionalbahn undfahren Sie los. Es lohnt sich.E V A N G E L I S C H E Z E I T U N GFÜR WESTFALEN UND LIPPEH 2864 – 1,50 EUROwww.unserekirche.deUnd die Vernunft?FUNDAMENTALISMUS Das Gebot der Stunde heißt: Einen kühlen Kopf bewahrenA N G E M E R K TNR. 4030. SEPTEMBER BIS 6. OKTOBER 201217. SONNTAG NACH TRINITATIS/ERNTEDANKALT UND JUNGMiteinander derGenerationen. Dafürwirbt das KuratoriumDeutsche Altershilfe.5FLÜCHTLINGEIn ihrem Gasthofkümmert sichFamilie Hi ler umAsylbewerber.7Weisheitaus der SuppeVON UWE HERRMANNProfiköchen, wie sie a lenthalbenin den Fernseh-Kochsendungenzu erleben sind,gehen Küchenme ser ohne Frageschne ler <strong>von</strong> der Hand. Tattata-tatata-tattata-tack .. ebensta tack – tack –tack . Dennochkann sich das, wasder Mi tfünfzigerda mit seinemSchneidwerkzeugetwas unbeholfenso zurechtschnibbelt,im Ergebnisdurchaus sehenla sen.Das erkenntauch seine Frau an, die da deutlichflo ter unterwegs ist. – Was nichtist, wird schon noch werden .,fährt er unbei rt fort.Und allmählich verschwindetMohrrübe um Moh rübe, Kartoffelum Karto fel stückchenweiseim brodelnden Wa ser des auf demHerd bereitstehenden Kochtopfs.Bald werden darin auch Blumenkohl,Po ree und Se lerie ihr Vo l-bad nehmen.Mehr und mehr wird selbst fürküchenentwöhnte Fastfoodler erkennbar,was das Ganze am Endewerden so l: eine köstliche Gemüsesuppe.Das ist zwar nichts Besonderes,pa st aber zu dieser Jahreszeit, wiea le anderen Eintopfgerichte, diejetzt gerne zubereitet werden, auch.Denn draußen schickt sich in diesenTagen und Wochen der Herbstan, das Somme regiment abzulösen.Auch wenn Mu ter Natur ihrdazu passendes farbenprächtigesKleid erst a lmählichüberstreift, damit in Feld, Waldund Flur wieder a les bunter wird –im Kochtopf auf dem Herd he rschtschne l sichtbar gemüsesuppentypischesbuntes Allerlei.Das Besondere daran: Bei allererkennbaren Verschiedenheitder darin versammelten Zutaten,die auf ihre je eigene Art die Geschmacksnervenzu aktivieren wissen,werden sie bei einer solchenSuppe gleichwohl als zusammengehörigwahrgenommen. Friedlichdurcheinander vereint in einemKochtopf. . und dabei jedes für sichbetrachtet doch so verschieden .Welch tiefe – fast möchte mansagen supposophische – Weisheitgründet doch in dieser A lerweltsgemüsesuppe,geht es dem Silbergrauschopfdurch seinen Hobbykochkopf.Noch ganz in Gedankentaucht er die Schöpfke le ein umsandere Mal ein, fü lt die beiden Teller,die auf dem E stisch bereitstehen.Und so lö feln er und seine Fraualsbald ihre Suppe aus. Beim Mittagsmahlfriedlich vereint bei a lerVerschiedenheit. Was für ein Genus. So so l es sein.BREMERHAVEN – Mehr als250 000 S eleute aus a ler Welthaben bisher in Bremerhavenden S emannsclub „Welcome“(„Willkommen“) besucht, derjetzt sein zehnjähriges Bestehenfeierte. Das Gebäude mittenim Hafen unweit der Containerkajewurde im Herbst 2002nach sechsmonatiger Bauzeitund Investitionskosten in Höhe<strong>von</strong> knapp einer Mi lion Euro inBetrieb genommen, sagte derevangelische SeemannspastorWerner Gerke. Das „Welcome“gehört zu einem weltweitenNetz sozialer Einrichtungender Deutschen S emannsmi sionmit 17 Auslands- und 16 Inlandsstationen.Zu dem Gebäudein Bremerhaven gehört ein„Raum der Sti le“, der <strong>von</strong> Gästenunterschiedlichster Religionengenutzt werden kann. epdGesine Schwan: Gott nichtbehe ligen, wenn es einem gut geht„Welcome“: In zehn Jahren250 000 Seeleute zu GastHAMBURG – Gesine Schwan(69), Präsidentin der BerlinerHumboldt-Viadrina-School ofGovernance, ha trotz gelegentlicherZweifel ein starkes Go t-vertrauen. „Auch in total hartenMomenten wirst du getragen, dufä lst nicht ins Nichts“, sagte diezweimalige Kandidatin für dasBundespräsidentenamt dem inHamburg erscheinenden „Zeit-Magazin“. Bei a ler eigenen Bemühungsei der Glaube letztlicheine Gnade. „In Momenten großerBedrängnis kann man denlieben Go t schon anrufen, manso lte ihn nur nicht behelligen,wenn es einigermaßen gut geht.Aber danken darf man immer“,so die Politikwi senschaftlerin.„Wenn ich mich im Übrigen sehrüber eine Person ärgere, sage ichmir: ‚Ist auch ein Go teskind,damit mu st du umgehen‘“. KNAVON ANNEMARIE HEIBROCKDas Unverständnis bleibt: Da drehenein paar Amerikaner einenhundsmiserablen Streifen überden Propheten Mohammed undplötzlich geht – so scheint es – fastdie gesamte islamische Welt aufdie Ba rikaden. Ansta t das Machwerkzu ignorieren, greifen Muslimewestliche Botschaften an, steckenFahnen in Brand und verbreitennicht nur in ihren eigenen LändernAngst und Schrecken.Un die Vernunft? Sie scheintzu kapitulieren angesichts einessolchen Ausmaßes an Gefühlsausbrüchen.Da, wo sich Menschenzutiefst verletzt und getro fen fühlen,hat sie keine Chance mehr.Vernunft, Verstand, A fekte –Philosophen a ler Zeiten habensich darüber den Kopf zerbrochen.Eine Lösung aber, wie wir lernenkönnen, zumindest die negativendieser Gefühlsregungen wieAngst, Wut oder Ha s zu beherrschen,haben sie nicht gefunden.Auch gläubige Menschen sindda<strong>von</strong> nicht frei. Das lehrt die Geschichtschreibung. Leider. Vielleichtsind sie sogar noch sensibler,noch anfä liger für unvernünftigesHandeln, vor a lem dann,wenn sie ihren Glauben sehr ernstnehmen.Mit dieser Empfindsamkeit/Empfindlichkeit kann man rechnen.Muss man rechnen. Zumalwenn mit der religiösen Verletzungdas Gefühl <strong>von</strong> Macht- undPerspektivlosigkeit einhergeht.Das eigentlich Deprimierendean den jüngsten Ereigni sen ist darum:dass es immer wieder Menschengibt, die mit vo lem Verstandund vorsätzlich die Luntelegen. <strong>Die</strong> sich als Christen sehenund dennoch zutiefst unchristlichhandeln, indem sie Anhängerinnenund Anhänger anderer Religionenverächtlich machen, beleidigenund provozieren.Mag ihre Zahl auch noch soklein sein, ihre Macht ist groß.Und das wi sen sie. Sie kalkulierendie Reaktion derer ein, die siemit ihrem Hohn und ihrem Spo tübrschü ten, um damit wiederumeine vermeintlich berechtigte Gegenwehrzu erzeugen.Es ist das alte Lied. Das traurigeLied: Unvernunft gebiert Unvernunft.Gewalt gebiert Gewalt. Wirmüssen aufpa sen, dass sie nichtzu uns überschwappt. Schon jetztwollen uns gewisse Gruppen ausdem rechtsextremen Lager weismachen,da s die zugewandertenMuslime eine Bedrohung für unsdarste len.Darum: Bewahren wir einenkühlen Kopf. La sen wir uns nichtanstecken <strong>von</strong> den Demagogenund Fundamentalisten – aus welchemLager sie auch immer kommenmögen. Suchen wir das Gesprächund la sen wir Vernunftwalten.Wozu sonst hä te Go t sie unsgeschenkt?■ Am 3. Oktober ist Tag der offenenMoschee – eine Gelegenheit, mit Musliminen und Muslimen ins Gespräch zukommen. Mehr zu den aktue len Debattenrund um den Mohammed-Film undden Folgen auf Seite 4.Danke!Das Brot vom Backshop, Obst und Gemüse aus dem Supermarkt. Wofürdanken? Der natürliche Rhythmus <strong>von</strong> Au saat, Wachstum undErnte scheint längst verge sen. Da ist das Erntedankfest, das mancheGemeinden am 30. September, andere am 7. Oktober feiern, eine guteErinnerung. Denn: Nichts ist selbstverständlich. Alle gute Gabe istGeschenk. (Siehe hierzu die Seiten 3, 6 und 16). FOTO: KONSTIANTYNGemeinsam handeln -Gutes bewirken .www.KD-BANK.de Fon 0231-58 4-0<strong>von</strong>PubertätWenn die Eltern schwierig werdenNEU! Im Zweifel Gott suchen - Wenn der Glaube in diePubertät kommt „Generation Porno“? - Jugendliche, Sex und Internet Stürme hinter der Stirn - Der tief greifende Umbaudes Gehirns in der PubertätTHEMADAS MAGAZIN FÜR ALLE CHRISTEN UNDVIELFÄLTIG INTERESSIERTEInstitutionStrasse, HausnummerE-Mail-AdresseDatum, UnterschriftName, VornamePLZ, OrtTelefonnummerTelefon: 0521/94 40 130Fax: 0521/94 40 136E-Mail:thema@unserekirche.deInternet: www.uk-thema.deBestellungen und Information unterAnschrift:Unsere <strong>Kirche</strong> – THEMACansteinstraße 133647 BielefeldBitte senden Sie mir ___ Exemplare des UK THEMA Magazins „Pubertät“.(Lieferung erfolgt auf Rechnung, 3,- Euro je Exemplar)Bei einer Bestellung mit diesem Coupon schenken wir Ihnen die Versandkosten Sechs mal jährlich informiert UK THEMA verständlich undumfassend über ein Schwerpunktthema, das <strong>Kirche</strong> und Gesellschaftbewegt. 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<strong>Hauptvorlage</strong> für die Landessynode 2012

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